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Mitteilung (Diakonie - Jahresbericht 2014)

Daten

Kommune
Jülich
Größe
606 kB
Datum
05.11.2015
Erstellt
04.11.15, 15:01
Aktualisiert
04.11.15, 15:01

Inhalt der Datei

Jahresbericht 2014 Übergänge gestalten Wege finden Psychologische Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Erwachsene des Diakonischen Werkes des Kirchenkreises Jülich Aachener Str. 13 A , 52428 Jülich Telefon: 02461 / 5 26 55 Telefax: 02461 / 34 95 61 E-Mail: erziehungsberatung@diakonie-juelich.de Nebenstellen: 52457 Aldenhoven Pützdorfer Str. 38 Telefon: 02464 / 58 58 19 8 Fax: 02464 / 58 58 22 8 52441 Linnich Ewartsweg 35 Telefon: 02462 / 20 18 86 0 Fax: 02462 / 20 18 86 2 Hiermit legt die Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Erwachsene (Erziehungsberatungsstelle) des Diakonischen Werkes des Kirchenkreises Jülich ihren Tätigkeitsbericht für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2014 vor. Wir danken unseren Klienten für ihr Vertrauen und ebenso allen Personen und Institutionen, die uns in unserer Arbeit ideell, finanziell und mit Sachspenden unterstützt haben, sowie unseren Kooperationspartnern für die gute Zusammenarbeit. Jülich, im April 2015 Das Team der Beratungsstelle 2 Team der Beratungsstelle Im Jahre 2014 gehörten folgende Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen dem Team der Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Erwachsene an: Bosau, Manfred Diplom-Sozialarbeiter, Individualpsychologischer Berater (DGIP), Psychotherapeut für Kinder und Jugendliche; Lehrberater am Alfred-Adler-Institut Aachen/Köln Dyba, Janina, bis einschließlich 31.3.14 Diplom-Psychologin Ehrhardt, Jutta E. Diplom-Pädagogin; Diplom Supervisorin (DGSv); Diplom Sozialarbeiterin; Psychotherapeutin für Kinder und Jugendliche; (Ausgebildet in:) Integrative Gestaltpsychotherapie (grad.); Integrative Leib- u. Bewegungstherapie (grad.) (DGIK/DGIB); Lehrtherapie (EAG/FPI); Klinische Seelsorge Geiser, Maren, ab 01.10.14 Psychologin, M.Sc; Geprüfte Mediatorin; Klientenzentrierte Beraterin Lux, Birgitt Diplom-Heilpädagogin; Familien- und Erziehungsberaterin (bke); PsychoanalytischSystemische Beraterin; exam. Krankenschwester Schuy, Albert Diplom-Sozialarbeiter; dynamiker Diplom-Sozialpädagoge; Gestalttherapeut und Gruppen- Bischoff, Karin Industriekauffrau (Sekretariat) konsiliarisch: Dr. Kasik-Dennhardt Ärztin für Allgemeinmedizin; Psychotherapie / Familientherapie 3 Inhalt Einleitung ..................................................................................................... 5 1. Beiträge aus der Beratungspraxis zum Thema „Übergänge gestalten“ . 7 1.1 Krise als letzte Aufforderung vor einer notwendigen Veränderung – Satire? .... 7 1.2 Die Geburt des ersten Kindes ........................................................................... 9 1.3 Übergänge im Kontext schulischer und beruflicher Bildung ............................ 10 2. Übergänge gestalten im Blick auf unsere Arbeitsprojekte..................... 13 2.1. Übergänge gestalten – ein Thema auch im Rahmen der Kooperation mit Familienzentren .......................................................................................................... 13 2.1.1. Zentrale Angebote der Beratungsstelle........................................................... 15 2.1.2. Angebote der Beratungsstelle „vor Ort“........................................................... 15 2.2. Gewaltprävention in Familien .......................................................................... 16 2.2.2. Aktueller Stand................................................................................................ 17 2.2.3. Metamorphosen .............................................................................................. 17 2.3. Projekt: Getrennt – kooperieren: Übergänge gestalten ................................... 20 2.3.1. Aktueller Stand................................................................................................ 20 2.3.2 Übergänge gestalten bei hochstrittigen Familien............................................... 21 3. Statistik ................................................................................................ 22 3.1. Auftrag der Erziehungsberatung ..................................................................... 22 3.2. Diagramm: Beratungsschwerpunkte ............................................................... 23 3.3. Diagramm: Gesamtzahl der Beratungsfälle..................................................... 24 3.4. Diagramm: Wartezeit zwischen Anmeldung und erstem Fachkontakt ............ 25 3.5. Diagramm: Altersverteilung der Kinder ........................................................... 26 3.6. Diagramm: Wirtschaftliche Situation der Familie............................................. 27 3.7. Diagramm: Tätigkeit der Eltern........................................................................ 28 3.8. Beratungszusammenhänge ............................................................................ 30 4. Netzwerkarbeit ..................................................................................... 31 4.1. Zusammenarbeit mit kooperierenden Einrichtungen....................................... 31 4.2. Zusammenarbeit mit anderen Institutionen und präventive Tätigkeiten .......... 31 4.3. Gremienarbeit ................................................................................................. 32 5. Supervision und Weiterbildung............................................................. 33 6. Literatur................................................................................................ 34 7. Anhang................................................................................................. 35 4 Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft, zu leben. Hermann Hesse aus „Stufen“ Einleitung Unser Thema im letzten Jahresbericht lautete „Beratungsstelle (Jülich) im Wandel“. Dieses Thema wollen wir in diesem Jahr vertiefen, indem wir uns auf den Prozess des Wandels konzentrieren, auf die Übergänge innerhalb eines Wandels. Wir versehen diesen Jahresbericht deshalb mit der Überschrift „Übergänge gestalten“. Übergänge - in allen Wissenschaften ist das der Bereich, dem besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird: sei es in der Physik beispielsweise als Phasenüberschreitung bezeichnet, sei es in der Biologie als Metamorphose, oder in der Psychologie und Pädagogik als Transitionen. Letztere finden ihren Niederschlag in der Transitionsforschung, die von H. Welzer (1993) an der Schnittstelle von individuellem Handlungs- und Bewältigungsvermögen einerseits und gesellschaftlichen Handlungsvorgaben und -anforderungen andererseits verortet wird. „Als Transitionen werden komplexe, ineinander übergehende und sich überblendende Wandlungsprozesse bezeichnet, wenn Lebenszusammenhänge eine massive Umstrukturierung erfahren…“(Grieben & Niesel 2004). Der Übergang im allgemeinen Verständnis ist der Wandel im Prozess, ist die Auflösung einer Ordnungsstruktur im Umbau zu einer anderen, emergiert vielleicht in eine höhere Ordnung. Im Übergang entsteht eine Zwischenwelt, in der das Alte nicht mehr und das Neue noch nicht ist. Es ist der Augenblick der größten Instabilität, damit fragil, verletzlich, angreifbar. An den Übergängen sind die sich selbst erhaltenden Widerstandskräfte zwangsläufig reduziert und empfänglich für verändernde Einwirkungen, die einerseits die Lernfähigkeit erhöhen und andererseits verletzlich machen. Gesellschaftlich und entwicklungspsychologisch sind solche Übergänge etabliert und werden mit Unterstützungen begleitet, wie die Graphik verdeutlicht. Das Individuum muss im Laufe seiner Biographie eine Vielzahl von Übergängen gestalten. In der folgenden Graphik sind exemplarisch solche etablierten Übergänge aus einer gesellschaftlichen und entwicklungspsychologischen Perspektive dargestellt. 5 Abbildung: Überblick über etablierte Übergänge aus einer gesellschaftlichen und entwicklungspsychologischen Perspektive Mit Initiationen, Riten und Weihen werden Übergänge in den diversen Religionen gestaltet und gefeiert. Psychologie und Pädagogik benennen die Übergänge von Kindheit und Jugend in das Erwachsenenalter, den Übergang von Schule/Studium in den Beruf, aber auch den Übergang vom aktiven Berufsalltag in den Ruhestand. Die Erziehungsberatungsstelle wird häufig an diesen bedeutsamen Schnittstellen des Übergangs angefragt und in Anspruch genommen. Sie selbst ist von diesen Veränderungen, diesen Übergängen und Wandlungen nicht ausgenommen. Die Veränderungen gehen weiter und nehmen uns in Anspruch. Übergänge fordern uns heraus, sollen sie uns nicht ereilen, müssen wir sie vorausschauend entwickeln. 6 1. Beiträge aus der Beratungspraxis zum Thema „Übergänge gestalten“ Die folgenden Beiträge widmen sich unterschiedlichen Themen aus unserer aktuellen Beratungsarbeit, die die Fragestellungen und Schwierigkeiten des Übergangs, des Durchgangs, manchmal auch des Grenzgangs zum Untergang zum Inhalt haben. Es sind Beispiele aus unserer Beratungsarbeit, bei denen Hilfestellung gebraucht wird, um die Räume - seien es Realräume, Entwicklungsräume, Zeiträume - im Zwischenraum zu gestalten und Offenheit zu schaffen für andere Perspektiven und Handlungsweisen. Und es gilt auch, die schwierigen Phasen auszuhalten, in denen das Alte nicht mehr ist und das Neue dabei noch nicht Gestalt gewonnen hat. Der erste Beitrag beschreibt aus dem Erleben des Beraters die Vorläufer-Phänomene, wie sie sich ankündigen und in einer Veränderung münden. Dieser Beitrag bewegt sich zwischen Realität und satirischer Verzerrung. Der darauffolgende Beitrag bezieht sich auf den Übergang vom Paar zum Eltern-Sein hin zur Familie, bedingt durch die Geburt eines Kindes. Im dritten Beitrag werden die Übergänge im Kontext schulischer und beruflicher Bildung und den spezifischen Belastungen eines jeden Übergangs thematisiert. Innerhalb der beschriebenen Arbeitsprojekte, die in Kapitel 2 folgen, sind ebenfalls spezifische Übergangsaspekte zu der jeweiligen Problematik eingearbeitet. 1.1 Krise als letzte Aufforderung vor einer notwendigen Veränderung – Satire? Das Leben ist voller Veränderungen – im Kleinen wie im Großen. Wenn morgens das Frühstücksbrötchen nicht vor der Haustür liegt – „Krise“. Sie müssen die Situation bewältigen. Sie können den Bäcker anrufen, ihm ein Verfahren androhen, Sie können sich enttäuscht wieder ins Bett legen… Was, wenn Sie nach Hause kommen und die Frau ist mitsamt den Kindern weg? Alle Hinweise, alle Botschaften, alle Anfragen und angesagten Konsequenzen haben Sie ignoriert, haben Sie einfach nicht wahrgenommen. Alle Bitten an Sie, bestimmte Verhaltensweisen zu bedenken, zu verändern, haben Sie abgetan, als Unsinn, als Belästigung, als sentimentaler Quatsch einer hormongesteuerten Frau. Sie haben damals eine Frau kennen- und lieben gelernt, geheiratet. Das erste Kind kam, die Wohnung wurde zu klein, ein Haus wurde geplant und gebaut, das zweite Kind kam. Das Geld wurde knapp, Ihre Frau bemühte sich sobald wie möglich wieder um eine Arbeit. Die Großeltern lebten weiter weg, Kinderbetreuung musste organisiert werden. Sie machten Überstunden, ein bisschen Luxus wollte man sich trotz allem gönnen, abends waren Sie müde und kaum mehr ansprechbar. Ihre Frau hatte eine Teilzeitbeschäftigung mit wechselnden Zeiten. Themen die Kinder betreffend, wie Regelungen des Alltags mit Schule, Freizeit und Krankheit überließen Sie Ihrer Frau, da Sie ihren Anteil weitgehend durch ihre berufliche Tätigkeit und die Arbeit an Haus und Garten abgedeckt sahen. 7 Ihre Frau beschwerte sich immer häufiger, da sie sich durch die Mehrfachbelastung von Haushalt, Beruf und Kindern an ihren Grenzen sah. Sie forderte mehr Unterstützung ein. Sie erwartete, dass Sie weniger Überstunden machen, dass Sie auch mal frei nehmen, wenn mit den Kindern was ist, und dass Sie sich mehr an der Erziehung beteiligen. Haushalt und Kinder waren bis dahin für Sie Frauensache. Mit den Ansprüchen waren Sie schlicht überfordert, Ihr bisheriges Selbstverständnis war in Frage gestellt. Der neue Mittelklassewagen stand vor der Tür und die Ratenzahlungen standen an. Sie entzogen sich der Unzufriedenheit Ihrer Frau, kamen nicht mehr gern nach Hause und kamen immer später, verschwanden dann in der Garage und gingen öfter in die Kneipe. Als Mann haben Sie gelernt, den Job zu machen. Die Frau ist, bei aller Progressivität, immer noch erst mal für Kinder und Haushalt zuständig. Sie haben gelernt zu funktionieren, haben Bilder in sich, wie Sie als Mann zu sein haben, gehen arbeiten, sorgen materiell für die Familie, sind stolz auf das, was Sie sich geleistet haben, werden dadurch anerkannt. Sie haben nicht gelernt, über Sorgen und Ängste zu sprechen, Haushaltsführung ist Ihnen weitgehend fremd, Kindererziehung ist nicht Ihr Thema und die Unzufriedenheit Ihrer Frau hinterlässt Hilflosigkeit und Ohnmachtsgefühle. Eine tiefe Verunsicherung macht sich breit. Wutgefühle kommen auf, am liebsten möchten Sie dreinschlagen. Irgendwann machen Sie es dann auch. Die Polizei kommt, Sie werden des Hauses verwiesen und dürfen erst nach 10 Tagen zurückkehren. Nach 10 Tagen der häuslichen Abstinenz kehren Sie ohne weitere Maßnahmen zurück. Sie können über Fußball reden, über Autos, kennen die besten Blondinen-Witze, haben aber keinen wirklichen Zugang zu Ihren eigenen Gefühlen, Unsicherheiten, Nöten – die verschwinden hinter coolen Sprüchen. Sie haben versucht alles richtig zu machen, werden aber von der Macht einer Realität, auf die Sie nicht vorbereitet sind, in die Enge getrieben. Es verschlägt Ihnen die Sprache, weil Sie mit der notwendigen Lösung überfordert sind. Den Bitten Ihrer Frau, auch mal für zu erledigende Notwendigkeiten frei zu nehmen, weil z.B. die Kinder krank sind, können Sie nicht nachkommen, weil Sie sich nicht trauen, mit so einem Anliegen zum Chef zu gehen. Samstags ihr mal die Kinder abzunehmen, weil sie mal in Ruhe Einkäufe machen will, lehnen Sie ab, weil Sie sich vorgenommen haben, das Auto zu polieren. Zusammen machen Sie schon lange nichts mehr. Das Verständnis füreinander ist erloschen, es gibt keine Verständigung mehr. Die Distanz wächst, Rückzug, Krise. Um hier Übergänge in ein wieder lebenswertes Leben zu finden und zu schaffen, ist Beratung hilfreich, um den Weg aus dem entstandenen Hamsterrad finden zu können. „Krise bedroht den Verlust des seelischen Gleichgewichts, den ein Mensch verspürt, wenn er mit Ereignissen und Lebensumständen konfrontiert wird, die er im Augenblick nicht bewältigen kann, weil sie von der Art und vom Ausmaß her seine durch frühere Erfahrungen erworbenen Fähigkeiten und erprobten Hilfsmittel zur Erreichung wichtiger Lebensziele oder zur Bewältigung einer Lebenssituation überfordern“ (nach Caplan 1964 und Cullberg 1978, zitiert aus Sonneck G. 2000). 8 Es gibt immer wieder Lebenssituationen, in denen jeder mit Veränderungen konfrontiert wird: Eintritt in Kindergarten und Schule, Schulwechsel, Pubertät, Verliebtheit, Heirat, Geburt von Kindern, Arbeitsstellenwechsel oder Umzüge. Diese Veränderungen sind Teil des überschaubaren Lebens. Nichtsdestotrotz müssen sie angemessen in das vorhandene Leben integriert werden. Reichen die bisherigen Bewältigungsstrategien nicht aus, kann eine Krise die Folge sein. Möglicherweise können Krisen zu traumatischen Ereignissen werden, insbesondere wenn sie den Menschen plötzlich aus der Bahn werfen: Dazu gehören schwere Erkrankungen, Unfälle, Verlust von Menschen durch Trennung oder Tod, Verlust vom Arbeitsplatz. Auf bedrohliche Situationen reagieren Menschen unterschiedlich, indem sie entweder flüchten, angreifen, sich tot stellen oder regredieren, d.h. sich in frühkindliche Verhaltensmuster zurückziehen. Oder es kann zu einem Affektstau kommen, mit zum Teil fatalen Folgen. In all diesen Fällen gibt es keine wirkliche Handlungsoption mehr und kann auch ohne Hilfe kaum gefunden werden, da durch die Not der Blick, die Perspektive völlig verengt sind. Hier kann Beratung eine hilfreiche Intervention zur Erweiterung der Sichtweisen sein. 1.2 Die Geburt des ersten Kindes (Der Übergang vom Paar zur Familie) „Eltern-sein“ kann man vor der Geburt des ersten Kindes kaum lernen. Trotzdem müssen sich die neuen Eltern nahezu von einem Tag zum anderen auf sehr viel Neues einstellen. Eltern erleben Tage, an denen sie unsicher werden, weil das Kind noch so klein, hilflos und völlig darauf angewiesen ist, dass man es richtig versteht. Freunde, Bekannte und Verwandte haben oft das Bedürfnis, das Neugeborene sofort einzuordnen und ihm dieses oder jenes zu prophezeien. Je unsicherer Eltern sind, umso mehr neigen sie dazu, solche Hinweise ernst zu nehmen und sich noch weiter verunsichern zu lassen. Manche neuen Eltern machen nicht selten gerne einen „Plan“ für ihr Kind, obwohl sich der kleine Organismus die Essens- und Schlafenszeiten nicht von einer Uhr diktieren lässt. Einschränkungen, Veränderungen im Tagesablauf, kleine und größere Entscheidungen prasseln fast tagtäglich neu auf die Eltern ein. Was ein Neugeborenes vor allem braucht, ist das sichere Gefühl, dass seine Bedürfnisse befriedigt werden und dass es nicht im Stich gelassen wird. Wenn diese Vertrauensbasis zwischen Eltern und Kind hergestellt ist, dann ist die wesentlichste Voraussetzung für eine gesunde Entwicklung geschaffen. Ein schreiendes Kind will etwas mitteilen. Es macht auf ein Bedürfnis aufmerksam und möchte, dass die Eltern sich ihm zuwenden und es versorgen. Aus Unsicherheit wird oft 9 die Flasche gegeben oder das Kind neu gewickelt, womöglich ständig Fieber gemessen. Meistens reicht es, wenn man den Säugling auf den Arm nimmt und mit ihm ruhig und liebevoll spricht. In den Beratungsgesprächen erfahren und lernen junge Eltern die Bedeutung von Bindung zwischen Eltern und Kind, sowie die Relevanz elterlicher Unterstützung selbstregulierender Fähigkeiten. Gelegentlich können Eltern auch dieses erleben: Das Kind schreit, man nimmt es hoch – und sofort ist es still. Sobald man es wieder hinlegt, fängt es erneut an zu schreien. Eltern fühlen sich in solchen Situationen oft sehr gestresst und sind ratlos, wie sie reagieren sollen. Im Beratungsprozess kann dann auf das Spannungsverhältnis zwischen Verwöhnung und Vernachlässigung hingewiesen werden. Hier kann es wichtig sein, Eltern zu beruhigen und ihnen zu sagen: “Seien Sie unbesorgt! Ihr Kind ist jetzt noch frei von jeder Berechnung, es will niemanden tyrannisieren, und es geht um keinerlei Machtprobe. Ein so kleines Kind braucht Zuwendung, Nähe und Wärme.“ Durch solche Ereignisse und Fragen verändert ein erstes Baby das bisherige Leben der neuen Eltern. Es finden aber auch Veränderungen auf der Beziehungsebene zwischen Mann und Frau statt: vor der Geburt konnte das Paar im Rahmen seiner Möglichkeiten jeweils für den Partner/die Partnerin da sein. Sie konnten sich gegenseitig ungeteilt Liebe und Zuneigung zukommen lassen. Mit der Geburt des Kindes ist jemand aufgetaucht, der auch Anspruch auf Liebe, Zuneigung und Fürsorge erhebt. Soll nun der Partner vielleicht weniger Liebe und Zuwendung bekommen, weil man ja auch das Kind damit versorgen muss und will? Solche und ähnliche Fragen können in der Beratung thematisiert werden. Eltern erhalten so die Gelegenheit, mit dem/der BeraterIn die neue Situation zu besprechen. Als Beratungsstelle können wir in diesem Zusammenhang dem neuen Elternpaar den Hinweis geben, darauf zu achten, dass in den ersten Monaten nach der Geburt nicht nur das Kind Liebe und Zuwendung braucht, sondern auch die Partnerin und der Partner. In dieser neuen Familie ist man nicht nur Vater und Mutter, sondern bleibt auch weiterhin Mann und Frau. 1.3 Übergänge im Kontext schulischer und beruflicher Bildung Bildungssysteme nehmen erheblichen Einfluss auf die Biografie eines Menschen. Bereits bei der Geburt eines Kindes ist vordefiniert, welche Stufen es im deutschen Bildungssystem durchlaufen wird respektive soll: Der Übergang vom Kindergarten in die Grundschule, den Eintritt in die weiterführende Schule sowie im Anschluss daran den Beginn einer beruflichen Ausbildung und/oder eines universitären Studiums. Die eigentlich individuelle Biografie eines Menschen ist auf diese Weise vorprogrammiert. Der Professor für Schulpädagogik Klaus-Jürgen Tillmann (2013) konstatiert gegenwärtig eine Entstandardisierung der Lebensläufe in den Bereichen Familie und Beruf und 10 verzeichnet gleichzeitig eine Zunahme der Normierung der Lebensläufe von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Bildungsbereich: Die im Rahmen des Bologna-Prozesses auf den Weg gebrachte Einführung des Bachelor und Master zur europäischen Vereinheitlichung von Studiengängen und -abschlüssen sowie die Verkürzung der Gymnasialzeit durch G8 leisten hier sicherlich ihren Beitrag. Werden in Anlehnung an Rath (2011) Übergänge als „Signaturen des menschlichen Lebens“ verstanden, besitzen sie eine immense Bedeutsamkeit für die individuelle Biografie eines Menschen. Die Gestaltung vordefinierter Übergänge im deutschen Bildungssystem kann mitunter entscheidenden Einfluss auf die gesamte menschliche Existenz nehmen, insbesondere die Integration in die Gesellschaft, den beruflichen Erfolg sowie das subjektive Wohlbefinden. Übergänge im Kontext schulischer und beruflicher Bildung bieten hierbei einerseits ein erhebliches Potential an Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten. Andererseits werden sie durch eine stufenweise Auslese der Leistungsschwachen zu „einer Prüfung mit der Chance des Scheiterns“ (Tillmann, 2013, S. 22). Die Selektion als Instrument der Normierung trägt zu einem Ausschluss derjenigen bei, die es nicht schaffen, der im Rahmen der Bildung geschaffenen Anforderungsstruktur gerecht zu werden (Tillmann, 2013). Der Druck, die Normierung des Bildungssystems einzuhalten, wächst somit stetig – auf Seiten der Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, aber auch auf Seiten der Eltern. So wurde beispielsweise den sogenannten Helikopter-Eltern im Jahr 2014 besondere mediale Aufmerksamkeit zuteil: Eltern, die laut des Schulpädagogen Josef Kraus (2013) beispielsweise versuchten, durch Förderwahn dem erhöhten schulischen Leistungsdruck einerseits gerecht zu werden und durch Überfürsorge andererseits diesem entgegen zu treten. Eltern, die vor diesem Akt der Balance stehen, suchen die Beratungsstelle auf. Sie verzweifeln am schulischen und insbesondere dem daraus resultierenden seelischen Leid ihrer Kinder:  Sie scheinen den steigenden schulischen Anforderungen mit einem Gefühl der Ohnmacht und Überforderung gegenüberzustehen.  Sie verstummen gegenüber den Anforderungen der Lehrer oder kämpfen verzweifelt auf scheinbar verlorenem Posten.  Eltern und Kinder sehen das Familienklima als beinahe ausschließlich von Druck und Stress geprägt und wissen nicht mehr weiter. Übergänge im deutschen Bildungssystem bergen die Gefahren temporärer (Über-)Belastung und Krisen für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Hierbei wird vielfach angenommen, dass bereits bestehende Problemlagen im Kontext des Übergangs stärker zutage treten würden (Faust, 2013), wie einige Beispiele aus der Praxis zeigen: Beim Schuleintritt tauchen bei Erstklässlern partiell psychosoziale Übergangsprobleme auf, insbesondere Ängstlichkeit, körperliche Beschwerden und Aufmerksamkeitsprobleme. 11 Die Phänomene der Schulangst, -unlust und -verweigerung sowie Konzentrationsprobleme treten vielfach beim Übergang von der Grundschule auf eine weiterführende Schule auf. Auch Eltern stehen in dieser Zeit unter enormem Stress. Prokrastinierendes Verhalten („Aufschieberitis“) junger Erwachsener scheint insbesondere beim Übergang von einer weiterführenden Schule auf eine Universität insbesondere aufzutreten. Der Berufseinstieg oder der sogenannte Praxisschock erweist sich für junge Erwachsene oftmals als Burnout- oder Depressions-Falle. Ein Übergang im Bildungssystem kann demnach von Erfolg oder Misserfolg geprägt sein. Dies kann eine nachhaltige Wirkung auf das Selbstwertgefühl, das sich entwickelnde Selbstkonzept und die Konstruktion einer stabilen Identität eines jungen Menschen besitzen. Übergänge im Bildungssystem avancieren somit gegenwärtig vielfach zum Risiko für die individuelle Biografie (Tillmann, 2013). Welchen Beitrag kann die Erziehungsberatung leisten,  um unterstützend bei der Vorbereitung und Begleitung von Übergängen im schulischen und beruflichen Kontext zu wirken,  um bei mangelnder Bewältigung eines Übergangs Hilfe zu leisten, sodass Übergänge nicht als Brüche erlebt werden? Einfluss auf die Bewältigung von Übergängen nehmen auf Basis von Befunden der empirischen Bildungsforschung insbesondere soziale Unterschiede: Die Übertrittsempfehlung, die in der Grundschule ausgesprochen wird, wird demzufolge maßgeblich durch die soziale Herkunft der Schüler determiniert. Aus einer Perspektive der praktischen Arbeit heraus zeichnen sich mehr oder minder plötzlich eintretende Lebensereignisse, beispielsweise Trennung/Scheidung der Eltern oder der Tod eines nahen Angehörigen, sowie die Bewältigung entwicklungspsychologischer Herausforderungen, beispielsweise im Jugendalter die Ablösung von den Eltern, als bedeutsame Einflussfaktoren auf die Übergangsbewältigung ab. Diesen Themen muss in der praktischen Arbeit Raum gegeben werden. Häufig werden in der Beratungsarbeit diese multikomplexen Zusammenhänge erstmals aufgedeckt und thematisiert. Das erste Verstehen und die Würdigung der Schwere der durch die Multikomplexität bedingten Belastung tragen zu einer anfänglichen Entlastung bei. Zentral für eine positive Gestaltung eines Übergangs erscheinen speziell individuelle und familiäre Ressourcen, beispielsweise ein starkes soziales Netz. Diese Ressourcen müssen im Rahmen der praktischen Arbeit aufgedeckt, reaktiviert und adäquat genutzt werden. Für Kinder und Jugendliche scheint im Zusammenhang ihres Erlebens von wachsenden Leistungsanforderungen die Erfahrung eines Schutzraumes relevant. Hier erfahren sie im Rahmen unserer Beratungsarbeit von ihren schulischen Leistungen unabhängige Wertschätzung, und Sicherheit. Sie fühlen sich – oft erstmals in ihrem Leben – verstan12 den und erleben in einem geschützten Rahmen, fern von Abwertung und Misserfolg, Selbstwirksamkeit und entdecken ihre Stärken. Auch eine Loslösung von der Normierung und ein gleichzeitiger Aufbau von Mut zur Individualisierung können in der praktischen Arbeit für Kinder und Jugendliche, aber auch für Eltern von Relevanz sein. Hierbei gilt es, einen Prozess der Selbstexploration anzustoßen, sodass den eigenen, vielfach aus dem Bewusstsein gedrängten Normen und Werten wieder Beachtung und Bedeutung geschenkt werden können. Nur so kann ein Prozess der Individualisierung, weg von dem Druck der Standardisierung, initiiert werden, der in eine Idee von „Scheitern erlaubt“ münden kann und eine Integration eines als mangelnd bewältigt erlebten Übergangs in das Selbstkonzept und die eigene Identität begünstigt. Das Besondere an unserer Arbeit ist im Zusammenhang mit der Thematik der Bewältigung von Übergängen, dass es ein auf den jeweiligen Einzelfall abgestimmtes Vorgehen geben darf und muss. 2. Übergänge gestalten im Blick auf unsere Arbeitsprojekte Unsere Arbeitsprojekte entwickelten sich anhand der von außen an uns herangetragenen Auflagen beziehungsweise Anliegen. Der Landschaftsverband forderte unter anderem Kooperationsverträge mit diversen Institutionen, wie Erwachsenenbildung, Jugendamt und Familienzentren. Darauf geht der erste Beitrag ein. Der zweite Beitrag bezieht sich auf unser Projekt: „Gewaltprävention in Familien“. Die Entwicklung dieses Projektes war eine Antwort auf die zunehmende häusliche Gewalt und ihrer Thematisierung. Dieses Projekt besteht jetzt seit zehn Jahren. „Getrennt-Kooperieren“ entstand innerhalb der Erneuerungen im Familienrecht und der sich entwickelnden Zusammenarbeit mit den Verfahrensbeteiligten in familienrechtlichen Verfahren. 2.1. Übergänge gestalten – ein Thema auch im Rahmen der Kooperation mit Familienzentren Seit 2011 offeriert die Beratungsstelle im Arbeitsprojekt „Fachliche Beratung und Unterstützung von Erziehern und Erzieherinnen in Familienzentren bei offenen Fragen zur Erziehung und Gesundheit von Kindern“ besondere Angebote der Zusammenarbeit mit Familienzentren an. Ziel ist, neben dem niedrigschwelligen Zugang zur Erziehungsberatung für Eltern vor allem die fachliche Beratung und Unterstützung von Fachkräften in diesen Einrichtungen. Im Jahr 2014 bestanden Kooperationsverträge mit insgesamt fünf Familienzentren, von denen drei mit jeweils zwei Kindertagesstätten im Verbund zusammengeschlossen sind, sodass es Kooperationen mit insgesamt acht Kindertagesstätten gab. 13 Den Zugang zur Beratung möglichst niedrigschwellig zu halten stellt bereits eine Form dar, einen Übergang zu gestalten: Die Schwelle oder oft sogar Hürde der Inanspruchnahme einer Beratung ist durch die Möglichkeit, jemanden vor Ort in der Kindertagesstätte zu bestimmten Zeiten unmittelbar ansprechen zu können, für manche Ratsuchenden leichter zu überwinden, als vielleicht über den Weg der telefonischen Anmeldung in der Institution Beratungsstelle. Daneben festigt diese Angebotsform die vertrauensvolle Zusammenarbeit der beteiligten Einrichtungen durch fachlichen Einblick und Austausch. Um die Angebote im Sinne der Niedrigschwelligkeit und Unmittelbarkeit formal und inhaltlich bedarfsgerecht anzupassen, wurden in den letzten vier Jahren regelmäßige Kooperationstreffen der Familienzentren mit der Beratungsstelle genutzt und verschiedene Formen der Zusammenarbeit entwickelt. Berücksichtigt wurden hier auch die strukturellen und pädagogischen Veränderungen in den dazugehörigen Kindertagesstätten. Zu nennen ist hier beispielhaft der weitere Ausbau der U2/ U3 Betreuung und die Umstellung auf sog. offene und teiloffene pädagogische Konzepte in den Tageseinrichtungen mit entsprechend gruppenübergreifenden Angeboten für Kinder. Themen des Übergangs sind dabei stets präsent. In der Sozialpädagogik werden sie auch als sogenannte Transitionen (GRIEBEL & NIESEL 2011) ausführlich erörtert. Die markantesten Übergänge oder Transitionen im vorschulischen Bereich sind demnach der Eintritt des Kindes in die Kindertagesstätte und der Übergang des Kindes von der Kindertagesstätte in die Schule. Mit ihnen gehen Veränderungen einher, an die entsprechende Entwicklungsaufgaben gekoppelt sind, die bewältigt werden müssen, wie zum Beispiel:  Eingewöhnung des Kindes in die Räumlichkeiten und den pädagogischen Alltag einer Kindertagesstätte  Beziehungsaufbau und -gestaltung zwischen Erzieherin und Kind  Einfinden des Kindes in eine neue soziale Gruppe mit vielen anderen Kindern  individuelle Entwicklung des Kindes im Vorschulalter Phasen und damit auch Übergänge kennzeichnen die soziale, emotionale und kognitive Entwicklung, die Reifung der Sinneswahrnehmung, das körperliche Wachstum und die motorische Beweglichkeit sowie die Sprachentwicklung. Auch die Eltern sind bei diesen Übergängen in den Blick zu nehmen. Sie sind gefordert, sich entsprechend den Entwicklungen ihrer Kinder im Blick auf die eigene Rolle als Vater/ Mutter anzupassen sowie ihre Kinder bei der Bewältigung der anstehenden Entwicklungsaufgaben zu unterstützen und zu fördern. Mit diesen komplexen Anforderungen sind oft Unsicherheiten, Sorgen und Ängste verbunden - sowohl bei Eltern als auch bei Kindern. Angebote der Beratung können dazu beitragen, neue Perspektiven zu eröffnen, Sicherheit zu gewinnen, Lösungen zu entwickeln und schließlich eigenes Verhalten entsprechend den Veränderungen anzupassen. 14 2.1.1. Zentrale Angebote der Beratungsstelle Bestimmte Veranstaltungen wurden von der Beratungsstelle gemeinsam für alle Kooperationspartner in den Räumen des Peter-Beier-Hauses in Jülich angeboten. Dazu zählten Elternabende und Informationsveranstaltungen in Zusammenarbeit mit der dort ansässigen Erwachsenenbildung und die jährlichen Kooperationstreffen mit den Leiterinnen der Familienzentren. Erstmalig fanden auch Treffen für Erzieherinnen zur Praxisreflexion statt. Insbesondere durch die U2/U3 Betreuung ergeben sich erweiterte Aufgabenfelder und Erziehungsthemen für die Erzieherinnen, die vorher primär dem Elternhaus zugeordnet waren und nun zum größten Teil in die Institution Kindertagesstätte verlagert wurden, wie z. B. Sauberkeitserziehung, Schlafverhalten, Essverhalten, sprachliche und motorische Entwicklung (krabbeln, laufen). Dazu kommt neben der ausführlichen Dokumentation der Entwicklungsverläufe der Kinder auch die Dokumentation der alltäglichen Pflege und Betreuung (z. B. über Windelwechsel, Mahlzeiten) und die Notwendigkeit, darüber mit den Eltern im ständigen Austausch zu sein. Aus den daraus resultierenden hohen Anforderungen an Fachwissen und professionelles Handeln der Erzieherinnen und die auch oft damit einhergehenden hohen Erwartungshaltungen der Eltern entsteht ein entsprechender Bedarf an regelmäßiger fachlicher Reflexion. Die zu den präventiven Aufgaben zählenden Informationsabende für Eltern wurden in der Regel von der Beratungsstelle zentral angeboten. Zu bemerken ist jedoch weiter die Tendenz, dass das Angebot spezieller Elternabende zu pädagogischen Themen zur Zeit nur (noch) auf geringes Interesse bei den Eltern stößt. Neben der Vermutung der Fachkräfte vor Ort, dass viele Eltern in diesen Veranstaltungen ein Aufdecken mangelnder persönlicher Erziehungskompetenz befürchten, liegt aber auch die Vermutung eines knappen Zeitbudgets der Familien nahe. In den meisten Familien sind beide Elternteile bzw. das alleinerziehende Elternteil berufstätig. Der Organisation des familiären Alltags liegt somit oftmals eine straffe zeitliche Strukturierung zugrunde, weshalb diese Form des Angebots offenbar weniger genutzt wird. Hier gilt es, mit den Familienzentren gemeinsam nach einer Passung solcher Angebote für Eltern zu suchen. 2.1.2. Angebote der Beratungsstelle „vor Ort“ Die sog. Offene Sprechstunde wurde erstmalig im Februar 2012 im Familienzentrum Titz von der Beratungsstelle angeboten. Aufgrund der guten Resonanz bei Ratsuchenden, vor allem aber auch bei den Fachkräften in den Kindertagestätten wurden in 2014 weitere Offene Sprechstunden im Verbund-Familienzentrum „Hand in Hand“ in Jülich sowie im Evangelischen Familienzentrum „Kleine Strolche“ in Jülich eingerichtet. Der unmittelbare Zugang zur Sprechstunde in der Kindertagesstätte erleichtert manchen Ratsuchenden die Inanspruchnahme professioneller Hilfe. Bemerkenswert ist, dass sich als Ratsuchende in der Offenen Sprechstunde nicht nur Eltern einfinden, deren Kinder die Tagestätte des Familienzentrums besuchen, sondern auch Eltern, deren ältere Kinder schon zur Grundschule bzw. zur weiterführenden 15 Schule gehen. Hier spielen der Austausch und die Empfehlung der Eltern untereinander eine wichtige Rolle. Beratungsanliegen beziehen sich vorwiegend auf die Bereiche:  Trennungs- und Scheidungsberatung  Beratung zum erzieherischen Verhalten  Beratung bei innerfamiliären Konflikten  Beratung bei Schulschwierigkeiten  Beratung von Alleinerziehenden Ein einmaliger Kontakt ist in den meisten Fällen ausreichend. Bei Beratungsanlässen zu komplexeren Problemstellungen, die mehrere Kontakte erfordern, gelingt in der Regel die Anbindung an die Beratungsstelle in Jülich bzw. an die Dependancen in Linnich oder Aldenhoven, sodass dort die Beratung weitergeführt werden kann. Die Offene Sprechstunde dient dann als Türöffner für weitere Beratungsprozesse in der Beratungsstelle. Vermehrt wurde in diesem Jahr die Sprechstunde aber auch von Fachkräften der Kindertagesstätten für Fallbesprechungen und zur Supervision genutzt. Um in den Familienzentren auch bei den Eltern noch mehr in den Blick zu kommen, nahm die Beratungsstelle außerdem an Elterncafés und an einem Familientag teil. 2.2. Gewaltprävention in Familien Nach langen Jahren des Täterschutzes bei häuslicher Gewalt vor dem Hintergrund des gesetzlich verankerten Bestimmungsrechtes des (Ehe-) Mannes über die Frau rückte in den neunziger Jahren der Opferschutz in das Blickfeld. Die Thematisierung des sexuellen Missbrauchs und der Vergewaltigung in der Ehe veränderte auch gesellschaftlich die Bereitschaft, Täter zu entschuldigen und zu legitimieren. In der Folge wurden Runde Tische wie „Runder Tisch gegen häusliche Gewalt“ oder „Runder Tisch gegen Gewalt an Frauen“ gebildet. Die Polizei wurde mit „Opferschutzbeauftragten“ ausgestattet, und das Gewaltschutzgesetz sowie das Gesetz zur „Ächtung der Gewalt in der Erziehung““ wurde im Jahr 2000 verabschiedet. Wie bei jedem Ausschlag eines Pendels in die eine Richtung, schwingt es in die Gegenrichtung zurück. In Folge einer allgemeinen Akzeptanz, dass es eine nicht zu rechtfertigende Männergewalt gibt, war bislang der Blick auf das Opfer (vornehmlich betroffene Frauen) gerichtet. Nun stellte sich die Frage nach einer entsprechenden Hilfestellung für die Täter. Spezifische Beratungsstellen wurden geschaffen und beauftragt, gewalttätigen Männern zu helfen, andere Bewältigungsstrategien zu entwickeln. 2006 nahm sich die Erziehungsberatungsstelle Jülich gegen anfänglichen inneren und äußeren Widerstand dieses Themas an und gründete das Projekt „Gewalt und Gewaltprävention in Familien“. 16 2.2.1. Übergänge gestalten im Blick auf Täterarbeit Im Blick auf unser diesjähriges Thema „Übergänge gestalten“ widmen sich die nachfolgenden Beiträge erstens dem aktuellen Stand und zweitens den Übergängen in der Beratungsarbeit mit Tätern aus der Sicht eines Ratsuchenden und eines Beraters. 2.2.2. Aktueller Stand Im Rahmen dieses Projektes sind weiterhin durchschnittlich circa 20 Menschen im Verlauf eines Jahres in Beratung. Diese Zahl hat sich über die Jahre hin stabilisiert. In der Regel handelt es sich um Familienväter oder junge Erwachsene im Alter zwischen achtzehn und fünfundzwanzig Jahren. Ein Teil dieser Ratsuchenden meldet sich aus eigener Motivation an, andere aufgrund einer polizeilichen Wegweisung oder aufgrund einer gerichtlichen Auflage. Diese letzte Anzahl beträgt zwischen fünf und zehn Personen jährlich. Im Jahr 2014 stellte die Beratungsstelle Jülich ihre Täterarbeit im Rahmen des „Runden Tisches Gewalt gegen Frauen“ vor. Leider müssen wir mitunter erleben, dass die polizeiliche Wegweisung bei unterstellten aggressiven Auseinandersetzungen in Trennungs- und Scheidungssituationen als Mittel benutzt werden kann, um sich bei späteren Gerichtsverhandlungen eine bessere Ausgangsposition zu verschaffen. Dazu sollte man wissen, dass die Polizei nicht die Pflicht hat, die Rechtmäßigkeit einer Wegweisung zu ergründen oder einen Beweis zu finden, wenn sie bei häuslicher Gewalt gerufen wird. Sie ordnet „nur“ die Wegweisung an, um eine mögliche weitere Eskalation zu verhindern. Eine Verlängerung der Wegweisung bis zu sechs Monaten erfolgt aufgrund einer „Eidesstattlichen Erklärung“. Dieser Vorgang beruht nur auf Aussagen des einen (Ehe)-Partners ohne definitiven Beweis der Gewaltausübung. Auf diese Art können so Institutionen sowie Berater im Interessenskonflikt einer Trennungs- und Scheidungsberatung instrumentalisiert werden, einseitig Partei für eine der streitenden Seiten zu nehmen. Eine Bemerkung am Rande: Uns fällt immer wieder auf, dass Männer bei Gewalt der Frau eher nicht die Polizei rufen, sondern den Vorfall bagatellisieren, sodass keine Wegweisung der Frau erfolgt. Vermutlich sind Scham und das Gefühl, als „echter Mann“ versagt zu haben, hierfür die Ursachen. In der folgenden Beschreibung der Übergänge eines Beratungsprozesses ist zu berücksichtigen, dass jede Begegnung intersubjektiv abhängig ist von der Person des Beraters, seinem Menschenbild und seinem methodischen Ansatz, als auch von der Person des Klienten in seinem spezifischen Kontext. Deshalb ist der dargestellte Beratungsprozess nicht vergleichbar mit anderen Prozessen. 2.2.3. Metamorphosen Der folgende Text erschließt das Erleben eines solchen Beratungsprozesses bei einem unmittelbar Betroffenen. Er ist Vater von mehreren eigenen Kindern in einer sogenannten Patchwork-Familie. 17 Als ich vor vielen Jahren meine Beratung begann, bestand meine Motivation in der Beseitigung einer Abweichung zwischen dem, was meine Handlungen über mich aussagten und dem, was ich selbst von mir erwartete, meinem eigenen Selbstbild. In all den Jahren habe ich viele Übergänge erlebt. Der entscheidendste im gesamten Prozess war aber wohl das Ergebnis dieses Prozesses selbst. In meiner Vorstellungswelt gab es einen Menschen, der ich sein wollte, einen Menschen, von dem ich gelernt zu haben glaubte, dass es der ideale Mensch ist, das Optimum, nach dem jeder streben sollte. Zu Beginn meines Beratungsprozesses habe ich sehr darunter gelitten, dass ich von diesem hypothetischen Optimum so weit weg war, wie ich nur sein konnte. Ich hatte über Jahre immer wieder gehofft, dass ich meine Probleme allein bewältigen könne und mich ohne Hilfe zu ändern vermag. Das ist aber ungefähr so, als wollte ich ein Unterseeboot nur per Periskop in einen komplizierten Hafen navigieren. Ich erkannte, dass ich Hilfe brauchte. In der Erziehungsberatungsstelle Jülich fand ich sie schließlich, aber vollkommen anders, als ich gedacht hatte. Meine Vorstellung war, dass ich Anweisungen erhalten würde, wie ich mich ändern könnte. Tatsächlich passierte, im Bild bleibend, aber Folgendes: Meine Beraterin erarbeitete mit mir eine Karte vom Hafen und sie erkundete mit mir das Unterseeboot. Und so lernte ich im Laufe der Jahre sowohl mein Umfeld kennen, als auch die Fähigkeiten meines Schiffes. Ich lernte, dass ich nicht nur ein Periskop habe; ich kann auftauchen, an Deck gehen, ich kann das Schiff verlassen und von einer erhöhten Position das Gesamtbild betrachten. Ich habe Perspektiven. Ich lernte, dass eine Beratung ein Marathon ist. Veränderung funktioniert nicht von Karambolage zu Karambolage. Sie funktioniert im System. Ersteres lebt davon, dass die Hüllenpanzerung lange genug aushält. Letzteres lebt von der Erkenntnis. Ich habe erkennen dürfen, wer ich bin, welche Fähigkeiten ich habe und dass ich in einer komplexen Umwelt ein souveränes Individuum mit einer eigenen Wirklichkeitswahrnehmung bin. Andere Menschen haben andere Wahrnehmungen der - möglicherweise - selben Wirklichkeit, und jede hat auf ihre Weise ihre Berechtigung. Wichtig sind die Schnittstellen zu der Wahrnehmung des anderen. Um im Bild zu bleiben, kann ich noch so oft geradeaus fahren und per Periskop richtig liegen, wenn unter der Wasseroberfläche eine Sandbank liegt, erreiche ich mein Ziel mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht unbeschadet. Ein Periskop hat einen Vorteil, der mir zeitlebens zum Nachteil wurde: Es bietet den geschützten Blick aus einem gepanzerten Fahrzeug, zeigt aber lediglich einen Bildausschnitt aus der gesamten Situation. Mit dem Aussteigen aus meinem Schiff und dem Wechsel der Perspektive verlor ich meine Unschuld. Ich habe mich in meinem Leben mit viel Schuld beladen, indem ich Leid erzeugte. Im Laufe der Beratung schaute ich in meinen eigenen Abgrund, sah die Zerstörungen, die ich angerichtet habe. Ich fühlte die Zerstörungen. Nach einem langen und intensiven Blick in diesen Abgrund konnte ich mich davon lösen und meinen Weg fortsetzen. Abgeschlossen ist er noch lange nicht. Das wird er auch nie sein, denn dieser Weg wird gemeinhin als Leben bezeichnet. Die Beratung hat mir geholfen, andere Perspektiven einzunehmen. Auch auf mich selbst, und so ist der wichtigste Übergang der Perspektivwechsel vom Menschen, den ich mir vorstellte, auf den Menschen, den ich mir gestatte und gestalte zu sein. Es ist der Übergang zur Liebe auch und gerade sich selbst gegenüber. 18 Die Arbeit mit Gewalttätern stellt eine Herausforderung dar, weil die Person des Gewalttäters in Verbindung mit seinem Tun sehr wahrscheinlich auf moralische und somit auf persönliche Abwehr des Beraters stößt. Dessen vorurteilsfreie empathische Begleitung ist dann manchmal nur schwer möglich und es bedarf stets der kognitiven Auseinandersetzung mit dem spezifischen Phänomen der Gewalt. Eine bedeutsame Voraussetzung für diesen Beratungsprozess sind die Abklärung der Motivation und die Veränderungsbereitschaft des Klienten. Insbesondere kann man bei allen intrinsisch motivierten Selbstanmeldern von einem hohen Leidensdruck, reflektierter Selbsteinschätzung und Veränderungsbereitschaft ausgehen. Die Klientel, die bei uns vorspricht, hält in der Regel die eigene Verhaltensweise, also den Einsatz von Gewalt, Bedrohung oder Erpressung nicht für eine tragfähige Maßnahme zur Durchsetzung eigener Vorstellungen. Der Beratungsprozess gestaltet sich insofern kritisch, als die Veränderung des gewalttätigen Verhaltens am Anfang eines Beratungsprozesses stehen muss. Dieser Anfang ist dadurch gekennzeichnet, dass das Alte noch da ist, und das Neue vielleicht vorgestellt wird, aber in der persönlichen Bedeutung weder geahnt noch gekannt wird. Dieses erzeugt ein hohes Maß an Verunsicherung beim Klienten und deshalb bedarf es einer vertrauensvollen Beziehung zwischen Klient und Berater. Um diesen Übergang zu gestalten, ist manchmal eine relativ direkte und unmittelbare Ansprechbarkeit des Beraters hilfreich. Schon geringfügige Anlässe können beim Klienten Verunsicherung verstärken, die nun (hoffentlich) nicht mehr mit Gewalt gelöst wird. Es geht darum, alternative Verhaltensweisen zu entwickeln. In diesem Zusammenhang können konkrete Vereinbarungen notwendig sein, wie z.B. zeitlichen Abstand zwischen Erregungsauslöser und Handlung zu legen, d.h. eine Nacht darüber zu schlafen und/oder ein Gespräch mit dem Berater. Es müssen Formen und Aktivitäten zur Nivellierung der Erregung gefunden werden, wie zum Beispiel die körperliche Betätigung Laufen. Wahrnehmen und Denken werden im Beratungsgespräch von Klient und Berater gemeinsam reflektiert und anders eingeordnet. Hier wird sich die Veränderungsmotivation des Ratsuchenden beweisen, denn sein bisheriges Selbstverständnis, seine Identität und die daraus resultierenden Handlungen werden im Beratungsprozess in Frage gestellt. Damit bahnt sich die nächste kritische Phasenüberschreitung an: An diesem Punkt des Beratungsprozesses erfasst der Klient oft das Ausmaß seiner Gewaltanwendung in der Bedeutung für seine Angehörigen und andere Leidtragende. (Ein Ratsuchender nannte es mal „See der Tränen.“) In diesem Prozess ist oftmals eine Selbstmordgefährdung nicht auszuschließen. Diese Phase ist gekennzeichnet durch den Übergang zu einem anderen Selbstverständnis und einem anderen Identitätsgefühl. Der Gewalttäter kann hinter diese Erfahrung der Einfühlung in die Erlebniswelt seiner Opfer nicht mehr zurück. Jetzt ist eine achtsame, wohlmeinende Begleitung durch die Fluten von Schulderleben, Verzweiflung und selbstzerstörerischen Tendenzen notwendig. In diesem Zusammenhang erschließen sich dem Ratsuchenden fundamental neue innerliche Ausrichtungen und Perspektiven, die das Potential des Zerstörerischen integrieren und damit kontrollieren können. 19 2.3. Projekt: Getrennt – kooperieren: Übergänge gestalten 2.3.1. Aktueller Stand Nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Fam FG) können Richter Eltern eine Beratungsauflage erteilen, um eine einvernehmliche Umgangsregelung und die Kommunikation zwischen Kindesmutter und -vater zu unterstützen. Diese Auseinandersetzungen werden auch in Zukunft bedeutsamer, weil die Rechte der unehelichen Väter im Blick auf das Sorgeund Umgangsrecht gesetzlich gestärkt worden sind. Auch die leiblichen Väter wollen unabhängig vom Familienstand vermehrt Verantwortung innerhalb der Erziehung übernehmen. Dieses entspricht häufig immer noch nicht der Vorstellung der Kindesmutter. Knapp die Hälfte unserer gesamten Beratungsprozesse machen die Fragestellungen um Trennung und Scheidung aus. 149 313 Diagramm 1: Anteil der Beratungen zu Trennung und Scheidung an der Gesamtzahl der Beratungen Ungefähr 180.000 Ehen werden pro Jahr geschieden, wovon ca. 140.000 Kinder betroffen sind. Die stetig im Zunehmen begriffene Zahl von Trennung und Scheidung und hoch konfliktbehafteten Familien führte 2010 zu der Schaffung des "Runden Tisches für Interdisziplinäre Zusammenarbeit". Dieser setzt sich zusammen aus Anwälten für Familienrecht, Verfahrensbeiständen, Mitarbeitern des Jugendamtes, gegebenenfalls Verfahrenspflegern, Familienrichtern und Mitarbeitern der Beratungsstelle Jülich. Die Zusammenarbeit am Runden Tisch will die Schnittstellen der beteiligten Berufsgruppen im Blick auf die Zielsetzung kompatibler gestalten. Seither tagt der „Runde Tisch für Interdisziplinäre Zusammenarbeit“ ein- bis zweimal jährlich. Mitarbeiter nahmen an vier mehrtägigen Fortbildungen zu juristischen Fragen im Familienrecht teil. 20 Darüber hinaus fanden im Jahr 2014 drei psychoedukative Veranstaltungen zum Thema Trennung und Scheidung statt. Diese Veranstaltungen stehen unter dem Motto „Ein Kind zwischen zwei Stühlen“, und zwar thematisch im Einzelnen:  Trennungserleben aus der Sicht des Kindes  Elternverantwortung  Verständigung und förderliche Kommunikation auf Elternebene 2.3.2 Übergänge gestalten bei hochstrittigen Familien Gerade eine Trennung ist durch viele Übergänge gekennzeichnet, in denen das Alte nicht mehr und das Neue im Werden begriffen ist. Die Vorläuferphänomene beschreibt der erste Beitrag. Die Offenlegung von Trennungsabsichten kündigen die bisherigen Bedingungen, "eine Familie zu sein", auf. In Abhängigkeit von den finanziellen Möglichkeiten und dem sozialen Status werden "Tisch und Bett" getrennt. Jetzt teilt sich die Familie in zwei Alleinerziehende auf. An jedem dieser individuellen oder familiären Übergänge kann es sein, dass um Beratung ersucht wird. Für die Kinder stellt sich die Frage, wo sie in Zukunft leben werden – bei Mutter oder Vater, mit oder ohne Geschwister? Möglicherweise stehen an: ein Schulwechsel, neue Nachbarschaft, Umzug in eine fremde Stadt oder Wegzug in ein fremdes Land. Der Lebensmittelpunkt wird fundamental erschüttert. Manchmal wird eine Veränderung des Lebensmittelpunktes auch mit Erleichterung aufgenommen, um unerträglichen familiären Atmosphären zu entkommen. In der Beratungsstelle wird häufig die Unterstützung speziell bei der Umgangs- und Besuchsregelung angefragt. Wie sollen die Besuchszeiten geregelt und organisiert werden? Das Alter der Kinder ist dabei zu berücksichtigen. Die Vorstellungen beider Sorgeberechtigten gehen in vielen Fällen weit auseinander. In den vergangenen Jahren ist bei den Umgangsregelungen viel in Bewegung gekommen. Weder ist der Aufenthalt bei der Mutter selbstverständlich, noch sind es die Zeiten des Aufenthaltes, bei dem man nicht mehr von "Besuch" reden kann. Wechselmodelle sind im Augenblick in der Diskussion – d.h. die Kinder sind zeitlich zur Hälfte bei Mutter oder Vater. Für die Kinder wird es eine Zeit der permanenten Übergänge, denn sie sind es, die ständig aus der Lebenswelt der Mutter in die Lebenswelt des Vaters wechseln. Wie gut das funktioniert, wie belastend es für die Kinder wird, steht und fällt mit der Fähigkeit der Beteiligten, Kompromisse auszuhandeln und auszuhalten. Einvernehmliche Einigung ist das Zauberwort. 21 3. Statistik 3.1. Auftrag der Erziehungsberatung Der Auftrag der Erziehungsberatung leitet sich ab aus dem Kinder- und Jugendhilfegesetz (Achtes Buch Sozialgesetzbuch) § 28 (KJHG): „§ 28 Erziehungsberatung Erziehungsberatungsstellen und andere Beratungsdienste und -einrichtungen sollen Kinder, Jugendliche, Eltern und andere Erziehungsberechtigte bei der Klärung und Bewältigung individueller und familienbezogener Probleme und der zugrunde liegenden Faktoren, bei der Lösung von Erziehungsfragen sowie bei Trennung und Scheidung unterstützen. Dabei sollen Fachkräfte verschiedener Fachrichtungen zusammenwirken, die mit unterschiedlichen methodischen Ansätzen vertraut sind.“ (Münder, J.1999) Vertraglich vereinbart sind die allgemeine Förderung der Erziehung in der Familie (§ 16), die Beratung in Fragen der Partnerschaft, Trennung und Scheidung (§ 17), die Beratung und Unterstützung bei der Ausübung der Personensorge / u. a. Umgangsrecht (§18), die Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche (§ 35a) und die Hilfe für junge Volljährige sowie die Nachbetreuung (§ 41) (MENNE 2009). Der Auftrag und die Durchführung von Erziehungsberatung werden differenziert und ergänzt durch: 1. Verträge mit den örtlichen Trägern der Jugendhilfe 2. Förderrichtlinien des Landes Nordrhein Westfalen, die die Ausstattung und die Qualifikation der Mitarbeiter zum Inhalt haben (Regeln des fachlichen Könnens) und festlegen, dass die Beratung für die Ratsuchenden kostenlos, freiwillig, niedrigschwellig und direkt zugänglich ist, ohne Beschränkung im Blick auf Religionszugehörigkeit, sozialen Status und nationale Herkunft 3. die Umsteuerungs- und Zielvereinbarung, die die Verpflichtung zur Kooperation und Verträge mit dem Jugendamt, anderen Beratungseinrichtungen, wie z.B. Schuldnerberatung und Familienbildungsstätten beinhalten 4. Kooperationsverträge mit den Familienzentren, hier Nordkreis Jülich. 22 3.2. Diagramm: Beratungsschwerpunkte Im Jahr 2014 verteilten sich die abgeschlossenen Prozesse auf die Bereiche: Beratungsschwerpunkt 300 256 250 200 150 100 50 12 20 1 0 Beratungsschwerpunkt §18 Beratungsschwerpunkt § KJHG 28 KJHG Beratungsschwerpunkt § 41 KJHG Beratungsschwerpunkt Sonstiges Diagramm 2 23 3.3. Diagramm: Gesamtzahl der Beratungsfälle Gesamtzahl der Beratungsfälle 500 439 450 400 350 313 286 300 250 200 150 100 50 0 insgesamt davon Neuaufnahmen abgeschlossene Beratungsfälle Diagramm 3 Anzahl der insgesamt im Jahre 2014 unmittelbar betreuten Kinder und Jugendlichen, für die ein Erhebungsbogen anzulegen war Anzahl der Neuanmeldungen Anzahl der im Berichtsjahr abgeschlossenen Fälle 439 286 313 Nicht in dieser „Klienten-Fallzahl“ enthalten sind alle weiteren, an Beratung und Therapie beteiligten Personen, wie z.B. Eltern und andere erziehungsberechtigte Personen. Auch die einzelfallbezogene Zusammenarbeit mit Mitarbeitern/ Mitarbeiterinnen anderer Institutionen im Sinne der Netzwerkarbeit, wie mit Schulen und Kindertagesstätten, ist in der „Fallzahl“ der Klienten nicht enthalten. Wie im Vorjahr handelt es sich um ca.1100 Personen, die in die Beratungsprozesse einbezogen und erreicht wurden. 24 3.4. Diagramm: Wartezeit zwischen Anmeldung und erstem Fachkontakt Wartezeit zw. Anmeldung und 1. Fachkontakt (N) 300 279 250 200 150 100 50 5 1 1 0 bis zu 14 Tagen bis zu einem Monat bis zu zwei Monaten länger als zwei Monate Diagramm 4 Wartezeit bis zu 14 Tage bis zu 1 Monat bis zu 2 Monate länger als 2 Monate Fälle 279 5 1 1 Um ein schnelles und kurzfristiges Beratungsangebot zu machen, erfolgt das erste Anmeldegespräch in der Regel innerhalb von 10 Tagen. Es dient dazu, den Ratsuchenden die Gelegenheit zu geben, die Beratungsstelle kennenzulernen, um so ihrer Schwellenangst zu begegnen. Sie können in einem ersten Gespräch mit einem/r BeraterIn ihr Anliegen, ihre Sorgen und Probleme vortragen und bekommen häufig erste Anregungen, die ihnen bei der Problemlösung helfen können. In diesem ersten Gespräch kann durch den/die BeraterIn schon eine erste Einschätzung bezüglich Dringlichkeit, weiterer Beratung und Notwendigkeit der netzwerkartigen Einbindung bzw. Überweisung an andere Institutionen erfolgen. Verlängerte Wartezeiten entstehen u. a. durch Unvereinbarkeit der Termine (Schichtarbeit, Kuraufenthalte oder Operationen). 25 3.5. Diagramm: Altersverteilung der Kinder Alter (KJHG) 40 35 35 31 32 30 27 26 25 24 25 21 20 21 18 17 15 12 10 8 6 6 4 5 0 unter 3 Jahren 3 bis unter 6 6 bis unter 9 9 bis unter 12 bis unter 15 bis unter 18 bis unter 21 bis unter Jahren Jahren 12 Jahren 15 Jahren 18 Jahren 21 Jahren 27 Jahren männlich 8 24 21 21 31 27 6 4 weiblich 17 18 26 25 32 35 6 12 männlich weiblich Diagramm 5 (Die Unterscheidung männlich u. weiblich bezieht sich auf das Geschlecht der Kinder der Familien, die bei uns beraten wurden) männlich: 142 3 6 9 12 15 18 21 - weiblich: 171 unter 3 Jahre unter 6 Jahre unter 9 Jahre unter 12 Jahre unter 15 Jahre unter 18 Jahre unter 21 Jahre unter 27 Jahre insgesamt 313 25 42 47 46 63 62 12 16 Die Altersverteilung in dieser Form ergibt sich, da die Anmeldung und Erfassung des Beratungsbedarfes über die Kinder erfolgt. Viele Beratungen werden jedoch vornehmlich mit den Eltern durchgeführt, denn diese bilden letztlich das Stützsystem für ihre Kinder. Zunehmend wird aber auch ein unmittelbarer Unterstützungsbedarf für die Kinder im Sinne von Therapie, Beratung und Förderung deutlich. Immer häufiger werden die Mitarbeiter mit kindlichen Krisen durch Trennung und Scheidung der Eltern, Drogenproblematik der Eltern, aber auch durch Krankheit und Tod in der Familie konfrontiert. Unbehandelt münden diese Belastungen sehr wahrscheinlich in seelische Fehlentwicklungen. 26 Zukünftig wird sicherlich auch das neue Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) weitere Beratungskapazitäten beanspruchen. 3.6. Diagramm: Wirtschaftliche Situation der Familie Wirtschaftliche Situation der Familie 76 Familie lebt überwiegend von Sozialleistungen 237 Familie lebt überwiegend von eigenen Einkünften 0 50 100 150 200 250 Diagramm 6 Die wirtschaftliche Situation der Familie wird seit 2008 erstmalig erhoben. Diese Erhebung ersetzt den bis dahin erhobenen „beruflichen Status“ von Vater und Mutter. Bei abgeschlossenen Fällen (313) lebten 237 Familien überwiegend von eigenen Einkünften und 76 Familien überwiegend von Sozialleistungen. Inwieweit diese Selbstauskünfte der Wirklichkeit entsprechen, ist nicht überprüfbar. Scham und der Versuch, nicht in den Status eines Hilfeempfängers eingeordnet – und behandelt – zu werden, führten verschiedentlich zu verzerrenden Auskünften über die finanzielle Situation der Familie. 27 3.7. Diagramm: Tätigkeit der Eltern Bei den abgeschlossenen Fällen (313) stellte sich die Tätigkeit der Mutter bzw. des Vaters, wie folgt dar: Tätigkeit der Mutter 90 85 84 80 70 61 60 50 40 30 23 15 20 14 8 10 4 in un be k an nt H au sf ra u R en tn er in ar be its Au lo sb s ild un g/ U m sc hu lu ng be sc hä fti gt er w er bs tä tig ge rin gf üg ig vo llz te ilz ei t ei t er w er bs tä tig 0 Tätigkeit des Vaters 250 215 200 150 100 39 36 50 8 5 4 5 1 an nt un be k an n H au sm R en tn er in ar be its Au lo sb s ild un g/ U m sc hu lu ng be sc hä fti gt ge rin gf üg ig er w er bs tä tig te ilz ei t vo llz ei t er w er bs tä tig 0 Diagramm 7 28 Insgesamt Mutter Vater Vollzeit erwerbstätig 64 215 Teilzeit erwerbstätig 89 8 geringfügig beschäftigt 27 4 arbeitslos 18 36 in Ausbildung/Umschulung 5 5 Rentnerin 4 5 Hausfrau / Hausmann 86 1 unbekannt 20 39 Bei „unbekannt“ wollten oder konnten uns die beteiligten Familienmitglieder keine näheren Angaben machen. 29 3.8. Beratungszusammenhänge Die Vielfältigkeit der Beratungsanliegen stellt sich in folgenden Zusammenhängen dar:  Körperbehinderungen und chronische Krankheiten (Sinnesbehinderungen, Missbildungen, Allergien, Aids, Krebs, Diabetes usw.)  Psychosomatische Symptome (Einnässen, Einkoten, Ein- und Durchschlafprobleme, Sprachstörungen, Tics, sexuelle Störungen usw.)  Leistungsprobleme (Minderbegabung, Teilleistungsstörungen, Konzentrationsstörungen, Leistungsverweigerung usw.)  Störungen im Sozialverhalten/Dissozialität (aggressives Verhalten, Stehlen, Herumtreiben, Weglaufen; Rückzug und Einsamkeit usw.)  Psychopathologische Auffälligkeiten und affektive Störungen (Zwänge, Wahnvorstellungen, paranoide Erscheinungsbilder, psychotische Zustände, Ängste, depressive Verstimmungen, Suizidalität usw.)  Drogen-/Genussmittelmissbrauch und anderen Süchte (Alkohol, Medikamente, spez. Drogen, Spielsucht, Arbeitssucht, Medienmissbrauch usw.)  Ausgeprägte Auffälligkeiten als Thema im familiären Zusammenleben (Vernachlässigung, Misshandlung, Körperverletzung, sexueller Missbrauch, seelische Misshandlungen, Gewalt usw.)  Ehe- bzw. Partnerschaftsschwierigkeiten (häufiger Streit, Trennung, Scheidung, Regelung des Umgangs usw.)  Unvollständige Familie oder wechselnde Bezugssysteme des Kindes (Alleinerziehender Elternteil, Stieffamilie, Heim- und Pflegestelle usw.)  Defizitäre Lebensumstände (Armut, Überschuldung, Langzeitarbeitslosigkeit, beengte Wohnverhältnisse)  Außergewöhnliche Belastungssituationen (Opfersituation, Unfall, plötzliche Lebensgefahr, Tod)  Ausgeprägte Beziehungskonflikte mit außerfamiliären Bezugspersonen (Erzieher, Lehrer, Vorgesetzte, Verwandte, Nachbarn usw.)  Soziokulturelle Schwierigkeiten (Ausländerproblematik, Über-/Umsiedler usw.)  Besonders belastende Umwelteinflüsse 30 4. Netzwerkarbeit 4.1. Zusammenarbeit mit kooperierenden Einrichtungen In Zusammenarbeit mit der Ev. Erwachsenenbildung und den Familienzentren sowie dem Bildungsforum Düren wurden Vorträge und Weiterbildungen durchgeführt, wie z.B.:   Frauengruppe - Umgang mit Grenzen, Umgang mit Loslassen  Ein Kind zwischen zwei Stühlen  Supervision und Weiterbildungsveranstaltungen für Kursleiter/Innen von Elternund-Kind-Gruppen  Die Beratungsstelle stellt sich vor  Tagesveranstaltungen: Elterncoaching, Konfliktlösungsstrategien  Wege aus der Brüllfalle – kann nur noch die Supernanny helfen?  Supervision für Lehrer/Innen und Erzieher/Innen  Verhalten ist veränderbar - Erziehung als Aufgabe  Besorgt – Entsorgt?! Vater sein – sein wollen, Wunsch und Wirklichkeit  Red’ doch einfach mit! 4.2. Zusammenarbeit mit anderen Institutionen und präventive Tätigkeiten Bei 162 Fällen arbeitete die Beratungsstelle einzelfallbezogen mit Kindergärten, dem Jugendamt, Schulen, Ärzten, Kliniken, Gerichten und anderen sozialen Einrichtungen zusammen. Die Zusammenarbeit mit dem Jugendamt des Kreises Düren hat sich weiterhin kontinuierlich intensiviert. Es fand im Oktober 2014 ein kooperatives Treffen aller Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen in den neuen Räumen des Jugendamts in Jülich statt. Wie in den vergangenen Jahren arbeiteten wir auch 2014 mit dem Jülicher Malteserkrankenhaus St. Elisabeth im Bereich der einzelfallbezogenen Betreuung suizidaler Klienten/Klientinnen zusammen. Weitere Tätigkeiten im Rahmen der Kooperation und Prävention in 2014 waren:  Mitwirkung an Hilfeplangesprächen beim Kreisjugendamt Düren. 31  Informationsabende in Schulen und Kindertagesstätten zu unterschiedlichen Themen aus dem Bereich der Erziehungsberatung  Treffen mit den Familienzentren  Lehrer/Innensprechtag des Kreises Düren  Supervision und Beratung von Fachkräften aus verschieden Institutionen (Schule, Kita usw.)  Offene Sprechstunde in Familienzentren  Mitwirkung bei der Berufsorientierungsmaßnahme der Stadt Jülich „komm auf Tour - meine Stärken, meine Zukunft“ Parcours  Vortrag zur Täter/Innenarbeit im Rahmen des Runden Tisches „Gewalt gegen Frauen“ 4.3. Gremienarbeit Die Mitarbeiter/innen der Beratungsstelle wirkten bei folgenden Veranstaltungen in unterschiedlichen Gremien mit:  Sitzungen des Arbeitskreises der Leiter/Leiterinnen der Beratungsstellen der Evangelischen Kirche im Rheinland  Sitzungen der Hauptstellenkonferenz  Runder Tisch „Gewalt gegen Frauen“  Arbeitskreis „AD(H)S“ des Kreises Düren  Arbeitskreis „Jugend“ der Stadt Linnich  Arbeitskreis „Kinder psychisch kranker Eltern“  Runder Tisch „Interdisziplinäre Zusammenarbeit“ (FamFG)  Konferenz der Bildungsanbieter/innen des Kreises Düren 32 5. Supervision und Weiterbildung Zur fachlichen Selbstkontrolle und um den erforderlichen qualitativen fachlichen Standard in unserer Beratungsstelle zu wahren, nahmen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen an externen Weiterbildungsveranstaltungen, an Supervisionsseminaren, an externer und interner sowie an kollegialer Supervision teil. Private und persönliche Fortbildungen sind in der Aufstellung nicht enthalten. Weiterbildungsformen und –inhalte waren u. a.:  Beratungsstellenkonferenz der Ev. Hauptstelle für Familien- und Lebensberatung in Düsseldorf  Sekretär/innen-Fachtag der Beratungsstellen in der Ev. Hauptstelle für Familienund Lebensberatung in Düsseldorf  Jahrestagung der Ev. Hauptstelle in Düsseldorf Thema: Riskante Beziehungen  Fachtagung des Arbeitskreises ADHS  Weiterbildung der Psychotherapeutenkammer über das Familienrecht und zur Trennung- und Scheidungsproblematik  Seminar der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung bke Einführung in die Familienberatung  False memory e.V. Düsseldorf Thema: Implantierter sexueller Missbrauch  Infoveranstaltung des Arbeitskreises „Kinder psychisch kranker Eltern“ 33 6. Literatur Bellenberg, Gabriele (Hg.) (2013): Bildungsübergänge gestalten. Ein Dialog zwischen Wissenschaft und Praxis. Münster u.a: Waxmann. Bellenberg, Gabriele; Höhmann, Katrin (2011): Übergänge. Seelze: Friedrich (FriedrichJahresheft, 29). Gastager, Heimo; Gastager, Susanne (1982): Hilfe in Krisen. Wege und Chancen einer personalen Krisenintervention. Wien, Freiburg, Basel, Göttingen: Herder; Vandenhoeck & Ruprecht (Sehen, Verstehen, Helfen, 6). Grawe, Klaus (2004): Neuropsychotherapie. Göttingen: Hogrefe. Griebel, Wilfried; Niesel, Renate (2011): Übergänge verstehen und begleiten. Transitionen in der Bildungslaufbahn von Kindern. 1. Aufl. Berlin: Cornelsen Scriptor (Frühe Kindheit). Haken, Hermann; Schiepek, Günter (2010): Synergetik in der Psychologie. Selbstorganisation verstehen und gestalten. 2. Aufl. Göttingen ; Wien u.a: Hogrefe. Krohn, Wolfgang (Hg.) (1992): Emergenz. Die Entstehung von Ordnung, Organisation und Bedeutung. 2. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp-Taschenbuch-Verl (SuhrkampTaschenbuch Wissenschaft, 984). Kraus, Josef (2013): Helikopter-Eltern. Schluss mit Förderwahn und Überbehütung. 1. Aufl. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. Sonneck, G. (©2000): Krisenintervention und Suizidverhütung. 5. Aufl. Wien: Facultas (UTB, 2123). 34 7. Anhang Gesetzliche Grundlagen Gesetz zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung Der Bundestag hat am 2. November 2000 das Gesetz zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung und zur Änderung des Kindesunterhaltsrechts (BGB I.I S. 1479) beschlossen. Die auszugsweise nachstehend wiedergegebenen Regelungen sind zum 8. November 2000 in Kraft getreten. Artikel 1 Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches 3.§ 1631 Abs. 2 wird wie folgt gefasst: „(2) Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig.“ Artikel 3 Änderung des Achten Buches Sozialgesetzbuch Dem § 16 Abs. 1 des Achten Buches Sozialgesetzbuch – Kinder- und Jugendhilfe – wird folgender Satz angefügt: „Sie sollen auch Wege aufzeigen, wie Konfliktsituationen in der Familie gewaltfrei gelöst werden können“. § 1666 Gerichtliche Maßnahmen zum Schutz des Kindes (1) (2) (3) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen durch missbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge, durch Vernachlässigung des Kindes, durch unverschuldetes Versagen der Eltern oder durch das Verhalten eines Dritten gefährdet, so hat das Familiengericht, wenn die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden, die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßnahmen zu treffen. In der Regel ist anzunehmen, dass das Vermögen des Kindes gefährdet ist, wenn der Inhaber der Vermögenssorge seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind oder seine mit der Vermögenssorge verbundenen Pflichten verletzt oder Anordnungen des Gerichts, die sich auf die Vermögenssorge beziehen, nicht befolgt. Das Gericht kann Erklärungen des Inhabers der elterlichen Sorge ersetzen. (4) In Angelegenheiten der Personensorge kann das Gericht auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen. Platzverweisverfahren Am 1. Januar 2002 trat das Gesetz „zur Verbesserung des zivilgerichtlichen Schutzes bei Gewalttaten und Nachstellungen sowie zur Erleichterung der Überlassung der Ehewohnung bei Trennungen“ (BGB1.I 2001, S. 3513) in Kraft. 35 „Das Gewaltschutzgesetz (Art. 1 des o. g. Gesetzes) ermöglicht dem Familiengericht, dem Täter langfristig ein Betreten der gemeinsamen Wohnung zu verbieten. Dies ist eine wichtige Voraussetzung zur Unterbrechung der Eskalation von Gewalt in der Familie oder Beziehung. Es ist auch vorgesehen, dass gegenüber dem gewalttätigen Partner ggf. Näherungsverbote und die Untersagung von Anrufen sowie anderer Formen der Belästigung ausgesprochen werden können. Darüber hinaus kann das Gericht die Verpflichtung des Täters anordnen, der gefährdeten Person die gemeinsam genutzte Wohnung zumindest befristet (grundsätzlich für höchstens sechs Monate mit der Möglichkeit der Verlängerung um höchstens weitere sechs Monate) zu überlassen, und zwar unabhängig von der Frage, wer als Allein- oder Miteigentümer bzw. als Mieter der Wohnung berechtigt ist. Flankierend dazu wurden mit der Einführung des § 34 a des Polizeigesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen (PolG NRW) die polizeirechtlichen Befugnisse geschaffen, die gewalttätige Person für die Dauer von regelmäßig zehn Tagen aus der auch vom Opfer bewohnten Wohnung zu verweisen und ihr die Rückkehr nach dort zu untersagen. Im Falle der Beantragung des zivilrechtlichen Schutzes innerhalb des Zeitraumes des zunächst festgesetzten Rückkehrverbots verlängert sich die Dauer der Wohnungsverweisung bzw. des Rückkehrverbotes bis zur gerichtlichen Entscheidung, maximal jedoch auf insgesamt 20 Tage.“ (Zitat aus: Häusliche Gewalt und polizeiliches Handeln, Innenministerium NRW, März 2002 S. 8-9) Im Falle „Häuslicher Gewalt“ handelt die Polizei von Amts wegen, also unabhängig davon, ob den Geschädigten ein Strafantrag gestellt wird. Begriffsbeschreibung „Häusliche Gewalt“ Häusliche Gewalt wird angenommen, wenn es in einer häuslichen Gemeinschaft  ehelicher oder – unabhängig von der sexuellen Orientierung – nicht ehelicher Art oder  sonstiger Art (z. B. Mutter/Sohn; Seniorenwohngemeinschaft) o die entweder  noch besteht  (z. B. Täter und Opfer leben in einer gemeinsamen Wohnung oder verfügen bei bestehender Lebensgemeinschaft über unterschiedliche Meldeanschriften) o oder  seit einiger Zeit aufgelöst ist  (z.B. laufendes Trennungsjahr mit getrennten Wohnungen, wobei gewiss Gemeinsamkeiten oder Kontakte noch fortbestehen; gemeinsames Sorgerecht für Kinder, geschäftliche Abwicklung bereits geschiedener Eheleute, die vor rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens noch Kontakte unterhalten, ohne in einer gemeinsamen Wohnung zu leben) zur Gewaltanwendung kommt.  Häusliche Gewalt setzt nicht die Tatbegehung in der gemeinsamen Wohnung voraus. Tatorte können auch Geschäftsräume oder der öffentliche Raum sein.  (vergl. ebenda S. 12-13.) o Wohnungsverweisung und Rückkehrverbot o § 34a PolG NRW ermöglicht folgende polizeiliche Maßnahmen: 36  Zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit kann die Person, von der diese Gefahr ausgeht aus einer Wohnung sowie aus deren unmittelbarer Umgebung verwiesen werden.  Das ist in der Regel erforderlich, um den Gewaltkreislauf zu durchbrechen.  Dem Täter kann die Rückkehr in diesen Bereich grundsätzlich für die Dauer von zehn Tagen untersagt werden. (Die Frist beginnt gem. §§ 31 VwVfG NRW i. V. m. 187-193 BGB mit dem Beginn des auf die Anordnung folgenden Tages). Die Gefahrenabwehr – Recht und Maßnahmen  Der Polizei ist nur in Ausnahmefällen die Anordnung einer kürzeren Geltungsdauer des Wohnungsverweises oder des Rückkehrverbotes möglich. Eine Ausnahme kann nur dann gemacht werden, wenn zweifelfrei sichergestellt ist, dass der Zweck der Wohnungsverweisung auch bei einer kürzeren Frist erreicht wird.  Stellt die gefährdete Person innerhalb des Zeitraums des von der Polizei zunächst festgesetzten grundsätzlich zehntägigen Rückkehrverbotes einen Antrag auf zivilrechtlichen Schutz mit dem Ziel des Erlasses einer einstweiligen Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz, so verlängert sich das Rückkehrverbot bis zum Tag der gerichtlichen Entscheidung, längstens jedoch um weitere zehn Tage, gerechnet ab Antragstellung bei Gericht.  Der Begriff der Wohnung umfasst Wohn- und Nebenräume, insoweit auch Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume sowie anderes befriedetes Besitztum. Lage- und situationsabhängig können die Maßnahmen in besonderen Ausnahmefällen auf Teile der Wohnung beschränkt werden. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die betroffene Person in ihrer Wohnung ihrem Beruf nachgeht und ihre Anwesenheit im Betrieb für den Erhalt der wirtschaftlichen Existenzgrundlage (auch im Interesse der gefährdeten Person) unerlässlich ist. Das setzt allerdings voraus, dass der Schutz der gefährdeten Person auch durch diese räumlich beschränkte Verweisung der betroffenen Person gewährleistet ist. Beziehen sich Wohnungsverweisung und Rückkehrverbot auch auf die räumliche Umgebung, so wird die Polizei den räumlichen Geltungsbereich konkret definieren (z. B. Garage, Garten, Speicher etc.). Sofern sich die betroffene Person bei Eintreffen der Polizei noch in der Wohnung aufhält, werden Wohnungsverweisung und Rückkehrverbot immer gleichzeitig angeordnet. Ein Rückkehrverbot wird nur dann alleine angeordnet, wenn sich die betroffene Person zum Zeitpunkt dieser Anordnung bereits nicht mehr in der Wohnung befindet. Wohnungsverweisung und Rückkehrverbot können bei allen Arten von Lebens- und Wohngemeinschaften – ungeachtet von Stand, Verwandtschaftsgrad, sexueller Orientierung oder Eigentumsverhältnissen – angeordnet werden. 37