Daten
Kommune
Erftstadt
Größe
5,1 MB
Datum
26.04.2016
Erstellt
14.04.16, 15:07
Aktualisiert
14.04.16, 15:07
Stichworte
Inhalt der Datei
Gestaltungsbeiräte
Mehr Kommunikation,
mehr Baukultur
3
Inhalt
Mehr Kommunikation, mehr Baukultur
Michael Frielinghaus,
Präsident des BDA, Friedberg
6
Für eine bessere Alltagsarchitektur
Prof. Zvonko Turkali,
Architekt BDA, Frankfurt / Main
8
Empfehlungen zu einer Geschäftsordnung für
Gestaltungsbeiräte
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Die Arbeit mit Gestaltungsbeiräten –
ein Mehrwert für die Stadt
Hans Schaidinger,
Oberbürgermeister der Stadt Regensburg
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Umbau eines Wohn- und Geschäftshauses,
Regensburg
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Der Architektur- und Städtebaubeirat Trier –
ein Partner der Stadtverwaltung
Simone Kaes-Torchiani,
Baudezernentin der Stadt Trier
24
Um- und Neubau des Becker‘s Hotel und
Restaurant, Trier
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Gestaltungsbeiräte – eine wertvolle Institution
für Bauherren
Tibor Reiser,
Geschäftsführer BGV Immobilien, Karlsruhe
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Revitalisierung des Verwaltungsgebäudes der
Badischen Versicherungen, Karlsruhe
30
Architekten und Gestaltungsbeiräte –
ein Widerspruch in sich?
Helmut Riemann,
Helmut Riemann Architekten, Lübeck
32
Umbau eines Geschäftshauses,
Halle
34
Strukturen und Prinzipien für ein qualifiziertes
Arbeiten von Gestaltungsbeiräten
Fritz Auer,
Auer + Weber + Assoziierte GmbH, Stuttgart
36
Neubau eines Geschäftshauses,
Regensburg
38
Adressverzeichnis der BDA-Geschäftsstellen
42
Projektverzeichnis
Impressum
Für eine bessere
Alltagsarchitektur
Michael Frielinghaus
Mehr Kommunikation, mehr Baukultur
Mit dieser Publikation möchte der BDA über die Struktur und die Arbeitsweise von Gestaltungsbeiräten aus
unterschiedlichen Perspektiven informieren und so
Städte und Kommunen ermutigen, sich dieser institutionalisierten Beratungskompetenz zu bedienen.
Eine Vorbildfunktion für das Wirken von Gestaltungsbeiräten hat die Stadt Regensburg. Diesem Modell sind
Städte wie Lübeck, Trier, Karlsruhe, Leipzig und viele
weitere gefolgt. Gefolgt sind sie dem politischen Anspruch, den Weiterbau ihrer Stadt durch einen Expertenbeirat zu qualifizieren. Woher resultiert das große
Interesse von Städten und Kommunen, von Politikern
und Verwaltungsfachleuten, freiwillig und ohne Bindung an gesetzliche Regelwerke einen Gestaltungsbeirat in Fragen der Architektur und Stadtplanung zu
konsultieren?
Die Antwort liegt in den überzeugenden Argumenten,
mit denen Gestaltungsbeiräte Offenheit, Transparenz
und vor allem Qualität in das Baugeschehen einer Stadt
einbringen. Damit sind immanent politische Ziele und
Aufgaben angesprochen: Gerade weil immer mehr
Städte ihr Stadtbild als Kulturgut schätzen, mit dem
sich Bürger identifizieren, das den Tourismus befördert
und das Unternehmen als Standortfaktor gilt, ist eine
unabhängige Beratungsinstanz für qualitätsvolle Architektur und Stadtplanung so entscheidend.
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Damit ist der Arbeitsauftrag von Gestaltungsbeiräten
beschrieben: Ihr zentrales Anliegen besteht darin, Vorhaben von städtebaulicher Relevanz zu begutachten
und Empfehlungen zu formulieren. Empfehlungen, die
nicht nur gestalterische Gesichtspunkte betreffen, sondern in einem gesamtheitlichen Ansatz wirtschaftliche
Interessen, ökologische Kriterien und den städtebaulichen Kontext für das geplante Gebäude berücksichtigen.
In welchem Verständnis und mit welcher Konzeption
erreichen Gestaltungsbeiräte dieses Ziel? Zum einen
argumentieren und vermitteln sie als ausgleichendes
Moment zwischen den am Bauprozess beteiligten
Gruppen – zwischen Bauherren, Architekten und Bauverwaltung. In dieser Weise setzen sie sich für die zu erreichende Balance zwischen dem spezifischen Interesse
des Bauherrn und den Interessen der Allgemeinheit ein.
Die Balance in einem durch verbesserte Planung gelungenen Gebäude zu finden – dafür bringen sich Beiräte
mit ihrem fachlichen und unabhängigen Rat ein.
Zum anderen kommunizieren sie das aktuelle Baugeschehen gegenüber der Bevölkerung: Gestaltungsbeiräte tagen in der Regel öffentlich, über ihre Empfehlungen wird in der Presse berichtet. Sie können dabei
nur auf die Überzeugungskraft ihrer inhaltlichen Argumente vertrauen – und das macht ihre positive wie
negative Kritik an den geplanten Projekten glaubwürdig. In diesem Sinne leisten sie einen entscheidenden
Beitrag für transparentere Entscheidungskriterien und
-wege.
Der besondere Wert eines solchen Diskussionsforums
besteht darin, dass es sich nicht erst reaktiv zum Zeitpunkt des Konflikts konstituiert, sondern kontinuierlich
und neutral Stellung bezieht. Bürger werden laufend
über Bauvorhaben informiert und können so die Weiterplanung ihrer Stadt und damit ihres Lebensortes persönlich miterleben und mitverfolgen.
Für welche Bauprojekte eignet sich das öffentlichkeitswirksame und auf Qualität ausgerichtete Engagement
des Gestaltungsbeirats? Prinzipiell gibt es keine Einschränkungen hinsichtlich Größe oder Art der Bauaufgabe: Der Discounter und das Schnellrestaurant am
Stadtrand prägen und bestimmen ebenso wie der Hotelneubau und die Altbausanierung in der Innenstadt
das Bild unserer täglichen Lebensumwelt. Daher hat
jedes Bauwerk einen – wenn auch unterschiedlichen –
Einfluss auf das gewachsene Bild einer Stadt und rechtfertigt eine Qualitätsdiskussion im Gestaltungsbeirat.
Das Erscheinungsbild und den städtebaulichen Einbezug einzelner Gebäude zu verbessern, ist eine wichtige
Aufgabe zum Erhalt der Stadtidentität. Dennoch darf
nicht unberücksichtigt bleiben, dass auch ein Gestaltungsbeirat nicht erreichen kann, dass jedes Gebäude
zur allgemeinen Zufriedenheit gestaltet wird – dafür
sind die Auffassungen von Architektur und Stadt in
unserer individualisierten Gesellschaft zu verschieden.
Vermeiden kann er jedoch planerische und gestalterische Missgriffe.
Auch darf nicht verkannt werden, dass Gestaltungsbeiräte nicht die Entscheidungsgewalt und Verantwortung
der Politik und Gemeindegremien als Baubehörde ersetzen. Die politischen Institutionen entscheiden in ihren Amtsperioden über die Gründung von Gestaltungsbeiräten, über die Wahl der Mitglieder sowie über die
Geschäftsordnung. Natürlich ist mit der Entscheidung
für einen Gestaltungsbeirat ein Mehraufwand für die
Stadt verbunden und natürlich erfordert die verstärkte öffentliche Diskussion des Baugeschehens ein politisches Selbstvertrauen. Auf der Gegenseite erhalten
Stadtrat und Bauverwaltung eine im fachlichen und
öffentlichen Diskurs begründete Entscheidungsgrundlage als Basis für eine Qualitätsoffensive. Darin ist die
Erfolgsgeschichte von Gestaltungsbeiräten begründet,
die in vielen Städten als geschätzte Dialogpartner arbeiten.
Dem BDA-Arbeitskreis „Gestaltungsbeirat“ und insbesondere Professor Zvonko Turkali, Vorsitzender des
Arbeitskreises und Landesvorsitzender des BDA Hessen,
möchte ich für die inhaltliche Konzeption der Publikation danken, die die Erfahrungen aus der Arbeit verschiedener Gestaltungsbeiräte zusammenfasst.
Städte und Kommunen möchte ich einladen, die Empfehlungen und Erfahrungsberichte als Anregung zu
nutzen, um ihr Baugeschehen mit fachlichem Rat für
eine lebenswerte Stadt zu begleiten.
Michael Frielinghaus, Architekt BDA, ist Präsident des
Bundes Deutscher Architekten BDA und geschäftsführender Gesellschafter des Büros BLFP Frielinghaus
Architekten BDA in Friedberg.
9
Zvonko Turkali
Für eine bessere Alltagsarchitektur
Das zunehmende Interesse der Bevölkerung an geplanten baulichen Veränderungen in ihren Gemeinden
führt zu der Frage, wie darauf reagiert werden kann. Es
ist im Kern die Frage nach einem Instrumentarium, das
sowohl die Erwartung der Öffentlichkeit erfüllt, rechtzeitig über anstehende Bauvorhaben informiert zu werden, als auch imstande ist, die Qualität der Architektur
zu steigern.
Hier sind zunächst die Architektenwettbewerbe zu nennen. Seit über hundert Jahren haben sie sich in hohem
Maße darin bewährt, die Diskussion über die Qualität
von Stadtgestaltung auf einem anderen Niveau zu führen, als das normalerweise üblich ist. Planungen für
stadtprägende Gebäude können durch das öffentliche
Verfahren des Wettbewerbs frühzeitig in der Stadtgesellschaft bekannt gemacht, die Erwartungen an die
Qualität der Architektur kann erhöht werden. Zu hoffen
bleibt, dass in Zukunft mehr Bauten als bislang üblich
auf der Grundlage vorgeschalteter Wettbewerbsverfahren realisiert werden.
Wie aber ist mit jenen Projekten zu verfahren, die nicht
über Wettbewerbe entschieden werden, für das Bild
der Stadt jedoch wichtig sind? Wie ist mit Planungen
umzugehen, beispielsweise für Lebensmittelmärkte,
Autohäuser oder Restaurantketten, die nahezu flächendeckend umgesetzt werden, ohne Rücksicht auf die
Anforderungen des Ortes und der jeweiligen Situation
zu nehmen? Was nutzt einer Gemeinde das schöne
Museum, wenn ihre Quartiere, in denen die Menschen
arbeiten und wohnen, jegliche Qualitäten vermissen
10
lassen? Wie kann dort die Qualität der gesamten gebauten Umwelt verbessert werden, wenn nahezu alle
Landesbauordnungen eine gute Baugestaltung so gut
wie gar nicht einfordern und neben der technisch-ökologischen Aktualität von Neubauten lediglich verlangen, dass sie nicht verunstaltend wirken?
Wenn die Gestalt unserer Städte und Gemeinden verbessert werden soll, so ist bei der Alltagsarchitektur
anzusetzen – der Architektur also, die unsere gebaute
Umwelt zu 99 Prozent prägt und zu 99 Prozent der Fälle nicht über Wettbewerbe entschieden wird.
Die Qualität dieser Architektur kann nur dann gesteigert werden, wenn dies als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden wird. Architektur ist eine
öffentliche Angelegenheit, und alle Beteiligten, seien
es Politiker oder Mitarbeiter der Verwaltung, seien es
Bauherren oder Architekten, sollten ein großes Interesse daran haben, dass die Bedeutung guter Architektur
von der breiten Öffentlichkeit anerkannt wird.
In einigen Städten nehmen die Entscheidungsträger
ihre kulturelle, soziale und ästhetische Verantwortung
gegenüber der Stadt und ihren Menschen sehr gewissenhaft wahr. Sie haben erkannt, dass mit Städtebau
und Architektur langfristig über die Zukunft der Stadt
entschieden wird, und die Architektur ein weit wirksames Aushängeschild sein kann.
Um ihrer Verantwortung besser gerecht werden zu
können, haben in den vergangenen Jahren mehrere
Städte Gestaltungsbeiräte gegründet. Auf dem Gebiet
der Bundesrepublik ist der Gestaltungsbeirat in Regens-
burg besonders hervorzuheben. Er leistet nun schon
seit mehreren Jahren eine sehr erfolgreiche Arbeit und
dient vielen Neugründungen als Vorbild.
In der vorliegenden Broschüre kommen Personen zu
Wort, die aus ihrer jeweiligen Funktion heraus ihre Erfahrungen mit der Institution des Gestaltungsbeirats
schildern. Politiker, Bauherren und Architekten, die
entweder ein Projekt einem Beirat vorgestellt haben
oder selbst als Mitglied des Beirats tätig sind, berichten,
wie sich eine gefestigte Diskussionskultur über Stadtgestaltung entwickeln und was sie gefährden kann.
Ein gut funktionierender Beirat kann als Forum für das
Gespräch über Architektur und Stadt zwischen Fachleuten und Laien, zwischen Bauherren und Politikern,
zwischen freischaffenden Architekten und Kollegen aus
der Verwaltung das Bewusstsein für Architekturqualität
und für deren gesamtkulturelle Bedeutung fördern und
damit ein wichtiger Baustein zur Stärkung der Baukultur werden. Die Broschüre stellt Beispiele in Beiratssitzungen präsentierter Projekte ebenso vor wie deren Realisierung, die auf der Basis der dort ausgesprochenen
Empfehlungen erfolgt ist.
Die Autoren verdeutlichen aber auch, dass grundlegende Voraussetzungen für Arbeitsweise und Organisation geschaffen werden müssen, damit sich ein
Gestaltungsbeirat zu einem Erfolgsmodell entwickeln
kann. Zuallererst muss, noch vor der Gründung eines
Gestaltungsbeirats, sichergestellt sein, dass er von der
Politik, der Verwaltung und der Architektenschaft der
jeweiligen Kommune gleichermaßen gewollt ist. Hat
man sich auf eine Gründung verständigt, müssen die
Regularien vereinbart werden. Aus diesem Grunde
enthält die Broschüre eine Empfehlung für eine Geschäftsordnung. Sie hat sich bei der Arbeit mehrerer
Beiräte bewährt und wird vom BDA als Regelwerk bei
Neugründungen empfohlen.
Einige Punkte dieser Empfehlung sind besonders bedeutsam. Zu ihnen gehört, dass die Beiratsmitglieder
unabhängig sind und ihr Mandat zeitlich befristet ist.
Ein gut funktionierender Beirat ist mit auswärtigen
Architekten zu besetzen, die in der Stadt ihrer Beiratszugehörigkeit keine Architektenleistungen erbringen.
Es ist hier nicht anders als im Sport: Man kann nicht
gleichzeitig Spieler und Schiedsrichter sein. Die Empfehlungen des Beirats müssen nachvollziehbar kommuniziert werden und, trotz der reinen Beratungstätigkeit
seiner Mitglieder, eine gewisse Verbindlichkeit erfahren.
Die Sitzungen des Beirats sind nach Möglichkeit durch
eine Geschäftsstelle gut vorzubereiten und sollten bis
auf wenige Ausnahmen offen für alle Interessierten
sein. Nur so kann er die Öffentlichkeit erreichen und
ein Bewusstsein für das soziale sowie kulturhistorische
Ausmaß von Architektur schärfen.
Prof. Zvonko Turkali, M. Arch. Architekt BDA, ist Professor für Entwerfen und Gebäudelehre an der Universität Hannover, Landesvorsitzender des BDA Hessen,
Mitglied in Gestaltungsbeiräten Regensburg, Karlsruhe,
Biberach und Sprecher der Arbeitsgruppe Gestaltungsbeirat. Seit 1988 leitet er das Büro Turkali Architekten
in Frankfurt am Main.
11
Empfehlungen zu einer
Geschäftsordnung
für Gestaltungsbeiräte
Empfehlungen zu einer Geschäftsordnung
für Gestaltungsbeiräte
1. Präambel
Ziel des Gestaltungsbeirats ist es, das Stadtbild gestalterisch zu verbessern, die architektonische und
städtebauliche Qualität auf einem hohen Niveau
zu sichern und fortzuschreiben sowie Fehlentwicklungen in Architektur und Städtebau zu vermeiden.
Vom Wirken des Gestaltungsbeirats und seiner Mitglieder ist zudem ein positiver Einfluss auf das Bewusstsein für gute Architektur und Stadtgestalt in
der Öffentlichkeit wie auch in der Politik und der
Verwaltung zu erwarten.
Der Gestaltungsbeirat unterstützt als unabhängiges
Sachverständigengremium die poltischen Institutionen wie auch die Fachverwaltung in Fragen der
Architektur, der Stadtplanung und des Stadtbildes.
Er begutachtet Vorhaben von städtebaulicher Bedeutung in ihrer Auswirkung auf Stadtgestalt und
Stadtstruktur, um durch fachlich kompetente Empfehlungen eine Entscheidungsgrundlage für politische Institutionen und für die Verwaltung zu geben.
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Hinweis
Um eine gemeinsame und verbindende Arbeitsgrundlage zwischen Politik und Verwaltung einerseits sowie Architekten, Landschaftsarchitekten
und Stadtplanern andererseits zu erreichen, wird
eine die wesentlichen Ziele des Gestaltungsbeirates benennende Präambel empfohlen.
2. Aufgabenstellung
Der Gestaltungsbeirat hat die Aufgabe, die ihm
vorgelegten Bauvorhaben im Hinblick auf ihre städtebaulichen, architektonischen und gestalterischen
Qualitäten zu prüfen und zu beurteilen.
Er formuliert Hinweise und Kriterien zur Erreichung
dieses Ziels.
Hinweis
Der Gestaltungsbeirat ist ein beratendes Gremium. Er soll über die üblichen Beratungsmöglichkeiten der Baubehörden hinaus dem Bauherrn zu
einem architektonisch und städtebaulich qualitätsvollen Entwurf verhelfen.
3. Mitglieder des Gestaltungsbeirats
Zusammensetzung des Gestaltungs-beirats
Der Beirat setzt sich je nach Größe der Stadt aus bis
zu fünf Mitgliedern zusammen. Sie wählen aus ihrer
Mitte einen Vorsitzenden sowie einen Stellvertreter.
Berufung der Beiratsmitglieder
Die Beiratsmitglieder werden durch die kommunale
Volksvertretung (Stadtrat, Senat, Bürgerschaft oder
Kreisrat) berufen.
Qualifikation der Beiratsmitglieder
Die Mitglieder sind Fachleute in den Gebieten Architektur, Landschaftsplanung und Städtebau. Sie
besitzen die Qualifikation zum Preisrichter.
Hinweis
Die Qualifikation der Beiratsmitglieder sollte mindestens der Qualifikation der Teilnehmer entsprechen, die sich um die Planungs- und Bauvorhaben
beworben haben beziehungsweise damit beauftragt worden sind (Qualifikation zum Preisrichter).
Vorschläge für zu berufende Beiratsmitglieder
können bei den berufsständischen Vertretungen
der Architekten, Landschaftsarchitekten und
Stadtplaner erfragt werden.
Unabhängigkeit der Beiratsmitglieder
Die Mitglieder des Gestaltungsbeirats sollten ihren
Wohn- oder Arbeitssitz nicht im Beratungsgebiet
haben.
Die Mitglieder sollten zwei Jahre vor und zwei Jahre
nach ihrer Beiratstätigkeit nicht im Beratungsgebiet
planen und bauen.
Hinweis
Um eine öffentliche und politische Akzeptanz für
die Empfehlungen des Beirats zu erreichen, ist die
Unabhängigkeit der Mitglieder gegenüber aktuellen Planungsaufgaben sehr entscheidend. Nur
so kann der Beirat seiner hohen Verantwortung
als interessenfreies Beratungsgremium gerecht
werden. Die Unabhängigkeit ist daher für den
Erfolg der Beiratstätigkeit höher einzuschätzen als
etwa die spezifischen Ortskenntnisse lokal tätiger
Architekten, Stadtplaner beziehungsweise Landschaftsarchitekten.
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Mit dem Gebot einer zweijährigen Sperrfrist für
eine Tätigkeit in der Stadt beziehungsweise Region
betonen die Beiratsmitglieder zudem ihre von
wirtschaftlichen Interessen freie Beratungstätigkeit.
Zugleich wird somit vermieden, dass aus der Beiratstätigkeit ein Wettbewerbsvorteil bei künftigen
Planungsaufgaben gegenüber lokalen Architekten,
Stadtplanern beziehungsweise Landschaftsarchitekten resultiert.
Dauer einer Beiratsperiode
Eine Beiratsperiode dauert in der Regel zwei Jahre.
Die Mitgliedschaft sollte zwei aufeinanderfolgende
Perioden nicht überschreiten.
Hinweis
Um eine Kontinuität in der Beiratsarbeit zu unterstützen, wird ein zeitlich gestufter Wechsel der
Beiratsmitglieder empfohlen.
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4. Geschäftsstelle
Die Arbeit des Beirats sollte durch eine Geschäftsstelle unterstützt werden.
Hinweis
Der Geschäftsstelle kommen die Aufgaben zu, die
Sitzungen vor- und nachzubereiten, das heißt zu
den Sitzungen einzuladen, diese zu betreuen und
zu jeder Sitzung ein Protokoll zu erstellen. Diese
Aufgaben können auch von einer kommunalen
Dienststelle übernommen werden (beispielsweise
Stadtplanungsamt).
5. Zuständigkeit des Beirats
Der Gestaltungsbeirat beurteilt obligatorisch alle
Bauvorhaben, die aufgrund ihrer Größenordnung
und Bedeutung für das Stadtbild und dessen Entwicklung prägend sind.
Hinweis
Dazu sollten folgende Vorhaben zählen:
> Bauvorhaben mit stadtbildprägendem, repräsentativem oder monumentalem Charakter der
öffentlichen Hand beziehungsweise privater
Bauherren
> bauliche Veränderungen an historisch oder baukünstlerisch wertvollen Gebäuden oder Ensembles sowie Neubauten in deren Nähe
> Bauvorhaben außerhalb der (historischen)
Kernstadt, um die Entwicklung eines gesamtstädtischen Gefüges zu erreichen
Der Gestaltungsbeirat soll sich auf Antrag des Bauherrn mit dessen Bauvorhaben befassen, wenn die
Verwaltung das Vorhaben aus gestalterischen Gründen abgelehnt hat.
Vorhaben, die aus einem Wettbewerb gemäß GRW
(Grundsätze und Richtlinien für Wettbewerbe auf
dem Gebiet der Raumplanung, des Städtebaus und
des Bauwesens) hervorgegangen sind, fallen nur
dann in die Zuständigkeit des Beirats, wenn das tatsächlich eingereichte Vorhaben von dem prämierten
Wettbewerbsergebnis wesentlich abweicht.
6. Sitzungsturnus und Geschäftsgang
Die Sitzungen des Beirats finden nach Bedarf statt,
in der Regel im Abstand von zwei Monaten.
Hinweis
Regelmäßige Sitzungen des Beirats können eine
kontinuierliche Bearbeitung des zu beurteilenden
Projektes erreichen und so dessen Umsetzung
wesentlich beschleunigen. Der Beratungsturnus
ist so zu gestalten, dass die Genehmigungsfristen
der Landesbauordnung eingehalten werden
können. Als Budget für die Tätigkeit eines Beirats,
der aus fünf Mitgliedern besteht und sich zu
sechs Sitzungen pro Jahr trifft, sind 50.000 Euro
auskömmlich.
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Die Sitzungstermine werden mindestens für ein Kalenderjahr im Voraus festgelegt und veröffentlicht.
Die Einberufung des Beirats erfolgt schriftlich durch
die Geschäftsstelle; die vorläufige Tagesordnung sollte
mindestens zwei Wochen vor der Sitzung öffentlich
bekannt gegeben werden.
7. Beschlussfähigkeit / Stimmrecht
Der Gestaltungsbeirat ist beschlussfähig, wenn sämtliche Mitglieder ordnungsgemäß geladen sind und
die Mehrheit der Mitglieder, darunter der Vorsitzende
oder sein Stellvertreter, anwesend ist.
Entscheidungen werden in einfacher Mehrheit in offener Abstimmung getroffen. Stimmenthaltung ist
nicht zulässig. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme
des Vorsitzenden den Ausschlag.
Die Beiratsmitglieder prüfen von sich aus ihre Befangenheit in Anlehnung an die jeweils gültige Kommunalverfassung.
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8. Beiratssitzung
Die Sitzungen des Beirats finden in der Regel öffentlich statt.
An den nichtöffentlichen Teilen der Sitzungen des
Gestaltungsbeirats können (ohne Stimmrecht) teilnehmen:
> Oberbürgermeister
> Planungs- und Baureferent
> Mitarbeiter des Planungs-und Baureferats nach Entscheidung durch den Referenten
> Sprecher oder deren Vertreter der im Ausschuss
für Stadtplanung, Verkehr und Wohnungsfragen
vertretenen Parteifraktionen. Die Teilnahme an den
Beiratssitzungen erfolgt in Ausübung des Stadtratsmandats.
> Sonderfachleute (zum Beispiel Denkmalschutz) auf
Einladung der Geschäftsstelle
Hinweis:
Eine öffentliche Sitzung des Gestaltungsbeirats ist
ein zentraler Ansatz, um bei den Bürgern eine generelle Akzeptanz des Beirats, seiner Aufgaben und
des zu diskutierenden Projektes zu erreichen.
Eine teilöffentliche beziehungsweise nichtöffentliche Sitzung des Gestaltungsbeirats wird
für Diskussionen empfohlen, die sich in grundlegender Form mit den Plänen des Bauherrn
beziehungsweise des Architekten auseinandersetzen und so einen Ausschluss der Öffentlichkeit rechtfertigen.
Der Beirat verfasst als Ergebnis seiner Beratungen
zur Beurteilung der vorgelegten Vorhaben jeweils
eine schriftliche Stellungnahme.
Die Stellungnahme ist dem Bauherrn und dem Architekten bekannt zu geben.
9. Wiedervorlage
Erhält ein Vorhaben nicht die Zustimmung des
Beirats, so ist dem Bauherrn die Möglichkeit zur
weiteren Bearbeitung einzuräumen. Der Beirat
gibt die Kriterien hierfür bekannt. Das Vorhaben
ist dem Beirat wieder vorzulegen.
10. Geheimhaltung
Die Mitglieder des Beirats und die sonstigen Sitzungsteilnehmer sind zur Geheimhaltung über die
internen Beratungen und Wahrnehmungen verpflichtet. Die Regelungen zur Stellungnahme gegenüber Bauherren und Architekten bleiben davon
unberührt. Eine Verletzung der Geheimhaltung
führt zum Ausschluss vom Gestaltungsbeirat.
11. Information der Öffentlichkeit
Die Stadt berichtet in ansprechender Form und
in regelmäßigen Abständen öffentlich über die
Arbeit des Gestaltungsbeirats sowie über die Entwicklung der Vorhaben und Bauprojekte.
12. Vergütung der Beitragsmitglieder
Die Tätigkeit der Beiratsmitglieder wird in Anlehnung an die Preisrichterhonorare vergütet. Reisekosten werden entsprechend dem gültigen Reisekostengesetz erstattet.
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Zur Arbeit von
Gestaltungsbeiräten
Hans Schaidinger
Die Arbeit mit Gestaltungsbeiräten –
ein Mehrwert für die Stadt
Was kann die politische Führungsspitze einer Stadt
dazu bewegen, einen Beirat zu installieren, der sie in
Fragen der Gestaltung von Architektur und Stadt berät?
Bedeutet nicht schon die bloße Existenz eines solchen
außerparlamentarischen Gremiums einen Machtverlust
Das Engagement für eine qualitätvolle Architektur und
Stadtplanung hat Regensburg 1998 mit der Einrichtung
eines Gestaltungsbeirats auch auf Einzelbauvorhaben
ausgeweitet. Alle stadtbildprägenden Projekte, aber
auch Zweckbauten, wie zum Beispiel Baumärkte oder
Einzelhandelsbetriebe, und
im Einzelfall sogar Einfamilienhäuser, müssen die kritische „Qualitätskontrolle“
des Beirats passieren.
„Eine kritische Auseinandersetzung mit Planungsprozessen in der Stadt bedeutet Mehrarbeit für
alle Beteiligten, bringt aber in jedem Fall einen
Mehrwert für die Bürger.“
Hans Schaidinger
für die Politik? Diese oder ähnliche Fragen werden immer wieder gestellt, wenn sich andere Städte bei uns
über den Regensburger Gestaltungsbeirat informieren.
Um die Qualität von Architektur und Städtebau auch
außerhalb des Ensembles der historischen Altstadt anzuheben, führt die Stadt Regensburg schon seit den
achtziger Jahren verstärkt Planungswettbewerbe durch.
22
Entscheidend für das wirkungsvolle Arbeiten eines
Gestaltungsbeirats ist es,
dass die Ratschläge und
Empfehlungen des Gremiums von der Verwaltung und der politischen Führungsspitze ernst genommen werden. An der Besetzung des Beirats mit hochkarätigen Architekten wird
der Anspruch der Stadt an eine hohe Architektur- und
Städtebauqualität deutlich. Daraus ergibt sich ein klarer Auftrag an Investoren, Bauherren und Architekten,
neben der Wirtschaftlichkeit ihrer Objekte auch die
Nachhaltigkeit und die Einbindung in die umgebende
Bebauung im Auge zu behalten. Aus der Summe aller
Einzelbaumaßnahmen entsteht der öffentliche Raum,
der entscheidend für die Lebens- und Aufenthaltsqua-
lität einer Stadt ist. Dieser Gestaltanspruch gewinnt
neben den wirtschaftlichen Erwägungen für eine Stadt
zunehmend an Bedeutung. Damit eine Stadt in Zukunft
als Wirtschaftsstandort attraktiv bleibt, muss nicht zuletzt auch die Baukultur stimmen. Ein Gestaltungsbeirat ist dabei eine wertvolle Unterstützung, er darf aber
nicht als alleiniger Garant für Baukultur missverstanden
werden. Denn die Verantwortung für qualitätvolles
Bauen bleibt nach wie vor in der Hand von Bauherren
und Architekten!
Nachdem alle Baumaßnahmen öffentlichkeitswirksam
sind und sich unmittelbar auf das Stadtbild auswirken,
sind die Sitzungen des Gestaltungsbeirats in der Regel
öffentlich. So wird bereits in der Planungsphase, also zu
einem Zeitpunkt, zu dem noch Veränderungen möglich
sind, die Qualität eines Objektes öffentlich diskutiert,
und alle Beteiligten müssen schon vor der Realisierung
die Verantwortung für ihre Maßnahme übernehmen.
Ziel dieser gemeinsamen Auseinandersetzung mit dem
jeweiligen Bauprojekt ist, für die Stadt und den Bauherrn die qualitätvollste Lösung am jeweiligen Standort zu finden. Durch die öffentlich geführte Diskussion
und die anschließende Berichterstattung in den Medien
wird gleichzeitig die Öffentlichkeit wieder stärker in
den Planungsprozess mit einbezogen. Dadurch wird
der jeweilige Entstehungsprozess transparenter und
gegebenenfalls auch nachvollziehbarer. In jedem Fall
lässt sich feststellen, dass sich seit Einrichtung des Gestaltungsbeirats und der damit verbundenen Berichterstattung die breite Öffentlichkeit wieder stärker für ihre
gebaute Umwelt und für den Städtebau interessiert.
Eine kritische Auseinandersetzung mit den Planungsprozessen in der Stadt bedeutet zwar Mehrarbeit für
alle Beteiligten, die aber in jedem Fall einen Mehrwert
bringt. Denn Mittelmaß ist langfristig nicht konkurrenzfähig.
Hans Schaidinger ist seit 1996 Oberbürgermeister der
Stadt Regensburg. Der studierte Diplom-Volkswirt
trat 1978 in den Dienst der Stadt Regensburg ein und
war dort zunächst in den Bereichen Wirtschaftsförderung und Stadtentwicklung tätig. In dieser Zeit war
er verantwortlich für die Entwicklungsmaßnahme des
Stadtteils Burgweinting, der größten Siedlungsmaßnahme der Stadt seit der Römerzeit. Hans Schaidinger
ist Vorsitzender des Bayerischen Städtetags und gehört
dem Präsidium des Deutschen Städtetags an.
23
Umbau eines Wohn- und Geschäftshauses,
Regensburg
Südansicht Erstplanung
Lageplan Erstplanung
Südansicht Zweitvorlage
Lageplan Endfassung
An der Entwicklung dieses Objektes lässt sich gut ablesen, wie schwierig im denkmalgeschützten Altstadtensemble von Regensburg ein kleines Wohnquartier neu
zu planen und zu realisieren ist. Das Vorhaben war mit
unterschiedlichem Umfang sowie verschiedenen Architekturbüros mehrfach Gegenstand von Beratungen im
Gestaltungsbeirat. Auf der Suche nach einer angemessenen Volumetrie für diesen Ort konnten jeweils schnell
überzeugende Konzepte gefunden werden. Weitaus
größere Schwierigkeiten bereitete die Fassadengestaltung, für die weder Planer noch Beiräte die Patentlösung in der Tasche hatten. Modern sollte sie sein und
gleichzeitig auf die bestehenden historischen Proportionen in der Umgebung Rücksicht nehmen.
Südansicht Drittvorlage
Südansicht Endfassung
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Nordansicht
Westansicht
Fensterdetail
25
Simone Kaes-Torchiani
Der Architektur- und Städtebaubeirat Trier –
ein Partner der Stadtverwaltung
Die Stadt Trier hat sich im März 2004 zur Einrichtung
eines Architektur- und Städtebaubeirates entschieden.
Wie in vielen anderen Städten mit Gestaltungsbeiräten
üblich, beurteilt der Trierer Beirat jene Bauvorhaben in
Hinsicht auf ihre städtebauliche und architektonische
Gestaltung, die durch Größe und Bedeutung für das
Stadtbild prägend sind.
mit Blick auf eine optimale Lösung nicht vorab durch
Verwaltungsvorgaben eingeschränkt werden. Seit
Sommer 2006 enthalten die Vorlagen neben der Situationsbeschreibung zudem auch die allgemeinen bauplanungsrechtlichen Beurteilungen des städtebaulichen
Rahmens. Es hat sich als vorteilhaft herausgestellt, dem
Beirat bei der Diskussion der Projekte gleichzeitig die
rechtlichen Möglichkeiten
des Antragstellers zu verdeutlichen.
„Der Beirat ist unserer Erfahrung nach ein geeignetes Instrumentarium, um Bauherren und Architekten bei der Findung optimaler Ergebnisse zu
unterstützen.“
Simone Kaes-Torchiani
Das Bauaufsichtsamt der Stadt Trier leitet die Geschäftsstelle des Architektur- und Städtebaubeirates und
schlägt auf Basis der eingehenden Bauanträge die Projekte entsprechend der Geschäftsordnung vor. Daneben
werden aufgrund der im Stadtplanungsamt durchgeführten Bauberatungen Projekte für die Diskussion im
Architektur- und Städtebaubeirat eingebracht. Ebenfalls
kann der Bauausschuss eine Beratung von Projekten
durch den Beirat beantragen, wovon zunehmend Gebrauch gemacht wird.
In der Anfangsphase des Gestaltungsbeirats wurden
die zur Beratung vorgelegten Projekte frei von einer
baurechtlichen Beurteilung des städtebaulichen Rahmens diskutiert. Die Beiratsempfehlungen sollten so
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In der Startphase des Beirats war die Kommunikation der Beratungsergebnisse
zuweilen
verbesserungsbedürftig, da während der
Beratung die unterschiedlichen Auffassungen der
Beiratsmitglieder offenbar nicht ausgeräumt werden
konnten. Inzwischen hat sich die Arbeit des Beirats in
Trier zu einer kooperativen Entwurfsbetreuung entwickelt, die auf „Augenhöhe“ zwischen Beiratsmitgliedern und Architekten stattfindet. Deshalb sollten
Gestaltungsbeiräte immer interdisziplinär besetzt sein:
Es gehören Stadtplaner, Architekten und Landschaftsarchitekten dazu, ebenso auch Vertreter der Immobilienwirtschaft.
Wesentlich für die Qualität von Entwurf und Bau ist der
Anspruch der Bauherren und die Qualifikation der beauftragten Architekten. Der Bauherr ist dabei der wichtigste Partner, wenn man gute Ergebnisse für die Stadt
und ihre Architektur erzielen will – denn nur er hat die
Möglichkeit, die Verbesserung seines Vorhabens zu fordern. Der Beirat ist unserer Erfahrung nach ein geeig-
netes Instrumentarium, um Bauherren und Architekten
bei der Findung optimaler Ergebnisse zu unterstützen.
Das erfordert, dass sich die Arbeitsergebnisse der mit
der Planung beauftragten Architekten im Sinne der
Kompetenz des Beirats verändern müssen. Ein gutes Instrument dazu sind zum Beispiel Projektpartnerschaften.
Bereitschaft zur Überarbeitung und Akzeptanz von
Empfehlungen ist nach meiner Auffassung nur erreichbar, wenn der Beratungsprozess nicht in einem „RedeGegenrede-Dialog“ zwischen Bauherren und Beirat
geführt wird, sondern sich die „inhaltliche Entfernung“
zwischen Bauherren, Planern und Beirat durch eine kollegiale und pragmatische Beratung reduziert.
Nicht immer werden die Entwurfsvorschläge des Beirats
dabei vollständig umgesetzt. Wichtig ist es uns, dass zumindest die städtebaulichen Empfehlungen des Beirats
aufgegriffen werden. Eine Beratung kann auch eine Modifikation der unmittelbaren architektonischen Umsetzung zur Folge haben, denn neben der städtebaulichen
Qualität ist die „architektenhandwerkliche“ Ausführung
in Bezug auf Materialwahl, Farbe und Detail von ebenso
großer Bedeutung für das gebaute Ergebnis.
Der Beirat in Trier hat nicht zu allen vorgelegten Projekten ein zustimmendes Votum erteilt. Das war immer
dann der Fall, wenn weder Verwaltung noch Beirat die
Bauherren überzeugen konnten, die Verbesserungsvorschläge für das jeweilige Projekt anzunehmen. In
solchen Fällen haben die Bauherren von ihrem Rechtsanspruch auf Baugenehmigung Gebrauch gemacht, sofern die öffentlich-rechtlichen Vorschriften es zuließen.
Wesentlich für die Arbeit des Gestaltungsbeirats ist
neben der Berichterstattung in der örtlichen Presse die
Kommunikation des Themas „Baukultur“ in der Bürgerschaft, unter den Fachleuten vor Ort, in der überschaubaren Gruppe der Investoren und nicht zuletzt in der
eigenen Verwaltung. Die Mitglieder des Beirats, die alle
zwei bis vier Jahre rotieren, berichten deshalb in Werkvorträgen über ihre Arbeit. Die Vorträge werden durch
Plakate, Ankündigungen in den örtlichen Printmedien
und individuelle Einladungen an die Mitglieder von kulturtragenden Vereinigungen, die Vertreter des Stadtrats, des Stadtvorstands, des Fachausschusses und des
Denkmalpflegebeirats beworben. Architekten der umgebenden Stadt- und Landkreise, Studenten der Fachhochschule Trier und andere Interessierte werden durch
E-mail-Aktionen eingeladen. Ergänzend dazu sind Vorträge von Experten aus Architektur und Baukultur über
ihre Erfahrung in anderen Städten, sowie Ausstellungen
mit studentischen Arbeiten zu Themen der Stadtgestalt,
Bestandteil der städtischen Öffentlichkeitsarbeit.
Die Vortragsreihen und Ausstellungen wecken in der
Bürgerschaft das Interesse an Architektur und Städtebau und vermitteln deren Bedeutung für das tagtägliche
Leben. Nach fast zehn Jahren gemeinsamer Arbeit bin
ich der Auffassung, dass die Arbeit des Architektur- und
Städtebaubeirats für die Qualitätssicherung in Architektur und Städtebau für die Stadt Trier unerlässlich ist.
Simone Kaes-Torchiani ist Baudezernentin der Stadt
Trier. Nach ihrem Studium der Architektur mit dem
Schwerpunkt Städtebau an der Fachhochschule Koblenz
und Stationen in einem privaten Stadtplanungsbüro
in Sinzig sowie in den Stadtverwaltungen Wittlich,
Schwäbisch-Gmünd und Stolberg ist sie seit Mai 2007
in Trier tätig.
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Um- und Neubau des Becker‘s Hotel und Restaurant,
Trier
Lageplan
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Südansicht Erstplanung
Ostansicht Erstplanung
Südansicht Endfassung
Ostansicht Endfassung
Ostansicht
Süd-Ostansicht
Für den Um- und Neubau eines Hotels mit Restaurant hat das Stadtplanungsamt dem
Bauherrn empfohlen, dem Architektur- und Städtebaubeirat die bisherige Planung
vorzustellen. In mehreren Sitzungen wurde der Entwurf aus architektonischer und
städtebaulicher Sicht diskutiert. Im Ergebnis führten die Vorschläge zu einer besseren
Einbindung des Neubaus in den städtischen Kontext und der Aufwertung des Raumprogramms mit anspruchsvoll gestalteten Innenhöfen. Für die überarbeitete Planung
sprach der Gestaltungsbeirat sein positives Votum aus und dies war letztlich für den
Bauherrn eine gute Grundlage im weiteren Verlauf des Genehmigungsverfahrens.
Nord-Ostansicht
29
Tibor Reiser
Gestaltungsbeiräte – eine wertvolle
Institution für Bauherren
Natürlich will jeder Bauherr, dass sein Gebäude den Betrachter optisch anspricht und sich von anderen wohltuend abhebt. Dies war auch der formulierte Anspruch
der Badischen Versicherungen BGV an die Revitalisierung ihres Verwaltungsgebäudes aus den 1970er Jahren in Karlsruhe.
Nach ausführlichen Diskussionen über Gestalt, energetische Anforderungen und Verantwortung gegenüber
dem Umfeld einerseits und über bezahlbare Lösungen
andererseits hatten sich der Bauherr, die BGV Immobilien GmbH & Co. KG, und das Architekturbüro Vollack
archiTec, Karlsruhe, auf den Entwurf geeinigt.
Die Pläne für den Umbau und die Sanierung des Bürogebäudes wurden dem Karlsruher Gestaltungsbeirat
vorgestellt. Denn schließlich handelt es sich hierbei um
ein besonderes Gebäude an einer der Hauptzugangsstraßen der Stadt, das mit dem Hugo-Häring-Architekturpreis des BDA ausgezeichnet wurde und städtebaulich sowie architektonisch in den vergangenen Jahren
große Beachtung erhielt. Diese Umstände erforderten,
dass die Architekten mit äußerster Sensibilität ihre Entwürfe erstellten.
Wir als Bauherren waren uns der Verantwortung bewusst, dass hier weder eine beliebige Architektur entstehen kann noch ein modischer Trend aufgegriffen
werden durfte. Gleichzeitig
sollte das Gebäude auch
nach seinem Umbau als
markenstärkender
Blickfang wirken. Der Gestaltungsbeirat als Gremium,
das sich ausschließlich mit
gestaltungs- und städtebaulichen Fragen befasst,
hat uns hierfür eine große
Hilfestellung gegeben.
„Die fachorientierte und unbürokratische Diskussion mit den Experten eines Gestaltungsbeirats
gibt den Bauherren die Sicherheit, die richtigen
städtebaulichen und architektonischen Entscheidungen getroffen zu haben.“
Tibor Reiser
30
Da das Gebäude aus den siebziger Jahren stammt und
grundlegend revitalisiert werden sollte, haben wir – wie
unter Kollegen üblich – auch die Architekten des ursprünglichen Gebäudes über die anstehende Baumaßnahme informiert. Dabei liegt es in der Natur der Sache,
dass über die Architektur des Gebäudes unterschiedliche Auffassungen bestanden und deshalb verschiedene Argumente und Vorschläge diskutiert wurden.
Auch hier war der Gestaltungsbeirat eine wichtige
Unterstützung für den Bauherrn, denn er bestätigte
uns darin, die richtigen Entscheidungen getroffen zu
haben. Die Mitglieder des Gestaltungsbeirats hatten
im Vorfeld die örtliche Situation besichtigt, um qualifizierte Empfehlungen aussprechen und das Umfeld in
ihre Beurteilung einbeziehen zu können.
Wer ein architektonisch hochwertiges Gebäude errichtet, kann davon ausgehen, dass es für den jeweiligen
Nutzer – Mieter oder Käufer – lange attraktiv bleibt.
Auch insofern ist ein Gestaltungsbeirat für einen Bauherrn eine sehr wertvolle Institution: Die fachorientierte
und unbürokratische Diskussion mit den Experten eines
Gestaltungsbeirats gibt den Bauherren die Sicherheit,
die richtigen städtebaulichen und architektonischen
Entscheidungen getroffen zu haben. Nur so ist sicher,
dass das langfristig investierte Geld in einem Gebäude
gut angelegt ist. Im Ergebnis hat die BGV-Versicherung
ihren Hauptsitz zu einem umweltfreundlichen identitätsstarken Bürogebäude umgebaut, das den Mitarbeitern eine moderne und effiziente Arbeitswelt bietet.
Tibor Reiser studierte Bauingenieurwesen und ist Geschäftsführer der BGV Immobilien GmbH u. Co. KG
in Karlsruhe. Als Projektleiter war er verantwortlich
für den Umbau des Hauptgebäudes der BGV-Versicherungen und übernahm die Bauherrenvertretung in
Gremien und Verhandlungen.
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Revitalisierung des Verwaltungsgebäudes der
Badischen Versicherungen, Karlsruhe
Ansicht Bestand
Luftbild Endfassung
Der Wunsch der Badischen Versicherungen, ihren Firmensitz – ein außergewöhnlicher Bau aus den 1970erJahren – zu sanieren und in seinem ursprünglichen
Erscheinungsbild zu erhalten, konnte aus ökonomischen und ökologischen Zwängen nicht umgesetzt
werden. Da es sich um ein prominentes Gebäude in
Karlsruhe handelt, wurde dem Gestaltungsbeirat der
Entwurf für die Neugestaltung vorgestellt.
Ansicht Erstplanung
Ansicht Endfassung
32
Innenhof
Begrüßt wurde vom Beirat, dass das Gebäude in seiner für den städtebaulichen Kontext wichtigen Struktur und Kubatur erhalten werden soll. Die Modernisierung wird zu einer neuen Anmutung der Fassade
führen. Der Beirat bestärkte den Bauherrn in dem
gewählten gestalterischen Ansatz, der einen kompakten Baukörper mit guten Proportionen schafft. Die
Empfehlungen betrafen eine verbesserte Integration
des außen liegenden Sonnenschutzes und die Materialwahl für die Fenster. Das positive Votum war für
den Bauherrn eine gute Basis, um das Bauvorhaben
gegenüber der Öffentlichkeit und gegenüber Fachleuten zu kommunizieren.
Luftbild
33
Helmut Riemann
Architekten und Gestaltungsbeiräte –
ein Widerspruch in sich?
Auftraggeber und Adressaten der Empfehlungen von
Gestaltungsbeiräten sind eigentlich die Städte und Gemeinden mit ihren Bauverwaltungen und ihren politischen Entscheidungsgremien. In erster Linie Betroffene
Auf den zweiten Blick zeigt sich allerdings ein überraschend anderes Bild: In den meisten Fällen ist die Initiative
zur Einrichtung von Gestaltungsbeiräten von engagierten
Architekten der Region und von deren Berufsverbänden
ausgegangen. Mit Ausdauer
und mitunter unerschöpflicher Energie haben viele
Architekten im Ehrenamt
Überzeugungsarbeit geleistet, um Vertreter von Politik, Verwaltung und die
Öffentlichkeit für die Idee
der Gestaltungsbeiräte zu
gewinnen. Ihre Motivation
resultiert aus den grundsätzlichen Eigenschaften von Gestaltungsbeiräten, die
garantieren, dass diese Gremien als fachlich-unabhängige Berater und somit als Anwälte für architektonische
und städtebauliche Güte wirken können.
„Der Gestaltungsbeirat ist ein wichtiges Forum,
das Architektur und Stadtplanung wieder auf die
politische und kulturelle Tagesordnung einer
Stadt setzt.“
Helmut Riemann
aber sind die Architekten, die aufgefordert sind, ihre Planungen und Entwürfe den Sachverständigen zu präsentieren und sich der Kritik zu stellen, in der Regel sogar in
öffentlicher Sitzung. Nicht selten formulieren die Beiräte
dabei Empfehlungen, die zu grundlegenden Überarbeitungen und zur Wiedervorlage führen. Die Vorstellung
eines Projektes im Gestaltungsbeirat bedeutet also für
die planenden Büros – zumindest auf den ersten Blick
– ein zusätzliches Hindernis auf dem ohnehin steinigen
Weg immer komplexerer Rahmenbedingungen und oft
widerstreitender Interessen, denen das Bauen heute ausgesetzt ist. In dieser Situation wird sich kein Architekt
zusätzliche Stolpersteine wünschen. Deshalb drängt sich
die Frage auf: Warum sollte ein Architekt, der sein Fach
schließlich mit Erfolg studiert und einschlägige Erfahrungen im Beruf gesammelt hat, gutachterliche Belehrungen von Kollegen entgegennehmen?
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Dabei ist für die Leistungsfähigkeit von Beiräten und für
ihre Akzeptanz bei lokalen Architekten die Fachorientierung entscheidend, die voraussetzt, dass alle Mitglieder
Fachleute aus den Bereichen Architektur, Stadtplanung
und Denkmalpflege oder eng verwandter Disziplinen
sind. Darüber hinaus müssen Gestaltungsbeiräte unabhängig sein – das heißt, dass der Beirat mit externen
Experten besetzt ist, um jede Interessenskollision auszuschließen. Außerdem legen Gestaltungsbeiräte einen
hohen Wert auf eine Vielfalt an Meinungen. Die Aufgabe des Beirats wird also am besten von einem Gremium
wahrgenommen, dessen – in der Regel fünf – Mitglieder
im Spektrum der aktuellen Architekturdiskussion unterschiedliche Positionen vertreten.
Der Beirat muss in seinem Wirken öffentlich wahrgenommen werden. Daher sollten die Sitzungen im Regelfall für
interessierte Zuhörer und Bürger geöffnet werden. Diese
Form einer transparenten Arbeitsweise fördert das Vertrauen in das Gremium und zeigt die Ernsthaftigkeit, mit
der die Beiratsmitglieder im Sinne gesellschaftlicher Belange und jenseits eigener Interessen über Architekturqualität diskutieren. Und nicht zuletzt kennzeichnet das
Konsensprinzip die Tätigkeit eines Gestaltungsbeirats:
Das empfehlende Votum ersetzt nicht die gesetzesgebundene Verwaltungsarbeit und auch nicht die demokratisch legitimierte politische Entscheidung der Stadtparlamente. Die Arbeit des Gestaltungsbeirats kann nur
dann erfolgreich sein, wenn das Ergebnis der fachlichen
Empfehlung, das nach einem konstruktiven Dialog formuliert wird, von allen Beteiligten akzeptiert wird.
Der Gestaltungsbeirat wird vor diesem Hintergrund zu
einem wichtigen Forum, das Architektur und Stadtplanung wieder auf die politische und kulturelle Tagesordnung einer Stadt setzt. Die Arbeit mit einem Gestaltungsbeirat kann also zwei folgenreiche und weitverbreitete
Irrtümer aufklären: Sie widerlegt die These, dass Bauen
eine reine Privatangelegenheit sei, solange es um die Investition privater Gelder geht, und die These, dass wirtschaftlicher Erfolg und Baukultur zwei konkurrierende
Ziele seien, die einander ausschließen.
Städte und Regionen, in denen es gelungen ist, ein gutes
Klima für Städtebau und Architektur auf hohem Niveau
zu schaffen, sind auch wirtschaftlich erfolgreich. Städte
und Regionen dagegen, die ihr Selbstwertgefühl, das sich
wesentlich an einer Haltung zur Architektur festmachen
lässt, verloren haben, werden auch für Unternehmen auf
der Suche nach einem geeigneten Standort wenig attraktiv sein. Von einem für Architektur und Stadtgestaltung
aufgeschlossenen Klima profitieren also eine gesamte
Stadt oder eine Region, die lokale Wirtschaft und der
Fremdenverkehr. Die Zuständigkeit der Beiräte kann in
diesem Sinne indes nicht auf die Leuchtturmprojekte in
den Kern- und Altstädten beschränkt sein: Sie muss sich
auf das gesamte Stadtgebiet erstrecken – auf Geschosswohnungsbauten, die die Vorstädte prägen, ebenso wie
auf Gewerbebauten, die Industriegebieten ein Gesicht
geben, und auch auf Bauvorhaben des Alltags, die die
Ein- und Ausfallstraßen als Visitenkarten der Städte gestalten.
Um dieses übergeordnete Ziel zu erreichen, kann ein
fachlich-unabhängiger Gestaltungsbeirat klare gestalterische Grenzen aufzeigen. Noch entscheidender ist aber,
dass er mit seinen Positionen den Stellenwert von guter
Architektur und Stadtgestalt überzeugend darlegen kann
– mit Positionen, die in ihrer Klarheit und Selbstverständlichkeit nur selten von Politik und Verwaltung formuliert
werden können. Belebt und gefördert wird so die Diskussionskultur über Architektur und Gestalt. Gründe, die
es durchaus rechtfertigen, sich als Architekt mit seinem
Projekt der Hürde des Gestaltungsbeirates zu stellen.
Helmut Riemann ist Architekt in Lübeck, war bis 2000
Mitglied im Gestaltungsbeirat Regensburg und bis 2010
Mitglied im Gestaltungsbeirat Bad Malente. Jetzt ist
Helmut Riemann im Gestaltungsbeirat der Stadt Biberach
tätig. Zu seinen Werken zählen u.a. mehrere Bauten für
die Sparkasse Aurich-Norden und zahlreiche Umbauten,
Sanierungen und denkmalpflegerische Maßnahmen
sowie Neubauten im Bereich Hotel- und Wohnungsbau.
35
Umbau eines Geschäftshauses, Halle
Lageplan
Schnitt
Das Jugendstilkaufhaus wurde 1909 erbaut und erhielt
in den 1960er Jahren eine neue Fassade. Eine grundlegende Sanierung des gesamten Gebäudes stand 2007
an. Dabei stellte sich die Frage nach einem angemessenen Erscheinungsbild des Kaufhauses am Hallenser
Marktplatz, der von unterschiedlichen Architekturepochen geprägt ist. Dem Gestaltungsbeirat wurde ein erster Entwurf vorgelegt, der die historische Kubatur hinter einer zeitgenössischen Glashülle sichtbar darstellte.
Dieser Vorschlag überzeugte den Gestaltungsbeirat
nicht, weil das Kaufhaus dadurch das Marktensemble
stark dominieren würde. Eine Überarbeitung wurde
empfohlen.
Ansicht Bestand um 1980
Ansicht Erstplanung
Ansicht Endfassung
36
Fassadendetail
Der zweite Entwurf lehnt sich an die Fassade aus den
1960er Jahren mit ihrer Verbindung aus Glas, Stein
und Aluminium an. Als Referenz an das ursprüngliche
Jugendstilkaufhaus sind die Innenräume der obersten
Etage im historischen Goldton gehalten, der auch von
außen wahrnehmbar ist. Dieser Vorschlag wurde vom
Gestal¬tungsbeirat befürwortet.
Ansicht vom Markt
37
Fritz Auer
Strukturen und Prinzipien für ein qualifiziertes
Arbeiten von Gestaltungsbeiräten
Der Regensburger Gestaltungsbeirat genießt bundesweit eine Vorbildfunktion für sein positives Wirken auf
die Baukultur – ein Potenzial, das inzwischen von vielen Städten erkannt wird. Meine Empfehlungen für den
Aufbau und die Arbeitsweise einer solchen Beratungsinstanz beruhen maßgeblich auf meiner Tätigkeit in diesem Gremium.
gensburger Gestaltungsbeirat in kurzer Zeit zu einem
gesuchten Dialogpartner entwickeln konnte.
Besonders der in der Satzung verankerte Anspruch,
ausschließlich externe Experten für die Beratung von
Bauherren, Stadt und Verwaltung in Fragen der Architektur und Stadtgestalt zu berufen, ist ein wesentlicher
Baustein für die qualifizierte
Arbeit des Beirats: Für unabhängige und mit einem
hohen Maß an Objektivität
ausgesprochene Empfehlungen ist entscheidend,
dass die Beiratsmitglieder
nicht in das lokale Baugeschehen involviert sind.
Dementsprechend sind diese weder in Regensburg
wohnhaft noch während der Zeit ihrer Mitgliedschaft
hier beruflich engagiert. Um sich dennoch als „Auswärtiger“ ausreichend mit der baulichen Geschichte der
Stadt und mit ihren Entwicklungstendenzen vertraut zu
machen, sollte die Tätigkeit im Beirat mindestens zwei
Jahre betragen.
„Sehr schnell ist der Beirat in seinem Selbstverständnis und als Regulativ sowohl von der
Fach- als auch der allgemeinen Öffentlichkeit
akzeptiert worden.“
Fritz Auer
Die Gründung des Beirats in Regensburg ging in bemerkenswerter Weise auf eine Initiative junger Architekten zurück, die darin die Chance sahen, das über
Jahrhunderte gewachsene Stadtbild Regensburgs mit
einer hohen architektonischen Qualität weiterzubauen.
Verbunden war damit die Intention, einem lokal unvoreingenommenen Expertengremium, bestehend aus
Architekten, Stadtplanern und Landschaftsarchitekten,
eigene Entwürfe vorzustellen und damit die Dominanz
der „alteingesessenen“ Kollegen aufzubrechen.
Die Politik nahm den Vorschlag interessiert auf, erkannte den Handlungsbedarf und etablierte den Beirat als
unabhängige und mit Fachkompetenz ausgestattete
Institution. Diese weitsichtige und politisch mutige Entscheidung war das Fundament dafür, dass sich der Re-
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Das Regensburger Gremium ist mit Expertenkompetenz
besetzt und kann so Gestaltungsempfehlungen auf
hohem fachlichen Niveau aussprechen. Der Einbezug
politischer Mandatsträger in die Diskussion und in die
Empfehlung des Rates ist eine wesentliche Stütze für
eine erfolgreiche Tätigkeit: Einerseits können die Ergebnisse besser in den kommunalen Fachausschüssen und
im Gemeinderat vermittelt werden, andererseits wird
der Gestaltungsbeirat über die politische Position zu den
einzelnen Projekten informiert. Daher nehmen an den
Sitzungen Vertreter der politischen Fraktionen teil, ha-
ben aber kein Mitspracherecht.
Anfänglich bestanden seitens des Beirats Unsicherheiten
über den richtigen Umgang mit den „Antragstellern“
und den Grenzen der Zuständigkeit. Auch galt es die
Balance zwischen Beratung und Belehrung, zwischen
hilfreichem Rat und verurteilendem Richterspruch zu finden. Es war sicher gut, dass angesichts solcher Fragen
der Beiratsvorsitzende Peter Kulka bereits in der Gründungsphase das Gewicht dieser Institution in seiner ihm
eigenen Art postulierte und sie in den Blickpunkt der Öffentlichkeit rückte.
Sehr schnell ist der Beirat in seinem Selbstverständnis und
als Regulativ sowohl von der Fach- als auch der allgemeinen Öffentlichkeit akzeptiert worden. Ein wichtiger
Grund dafür liegt sicherlich in seiner Arbeitsweise. Dazu
gehört das Bemühen um eine transparente Beratungstätigkeit, um Akzeptanzprobleme zu vermeiden: Nach einer vorausgehenden Ortsbesichtigung stellen Bauherren
und Architekten ihre Projekte in einer öffentlichen Sitzung vor. Zwar hat die darauf folgende Beratung innerhalb des Gremiums einen nicht-öffentlichen Charakter,
jedoch wird das Beratungsergebnis den Architekten und
Bauherren im Anschluss erläutert.
Falls die vorgelegten Projekte nicht den Erwartungen des
Beirats entsprechen, wird um Modifikation entsprechend
den Empfehlungen gebeten. Zeigen diese wiederum
nicht die erhoffte Qualität, wird angeregt, Alternativvorschläge unter Einbezug anderer Architekten zu erarbeiten. Dass dieser Schritt nicht leicht zu vermitteln ist,
liegt nahe. Bauherr und Architekt sind dabei als Partner
auf Augenhöhe zu betrachten, und die Empfehlungen
zur Überarbeitung sollten keinen „Gesichtsverlust“ bei
ihnen verursachen.
Obwohl der Beirat nur empfehlenden Charakter hat,
werden die Ratschläge von Politik und Verwaltung in
der Regel uneingeschränkt übernommen. So wurde beispielsweise der Bauantrag eines Energieversorgers für
ein Hochhaus abgelehnt, das der Beirat wegen seiner
kritischen Nähe zur Altstadtsilhouette nicht befürwortete. Als Gegenbeispiel kann das vom Beirat unterstützte
Kultur- und Kongresshaus am Donaumarkt gelten – ein
Projekt, das wegen mehrerer Bürgerentscheide bis heute
nicht verwirklicht wurde. Dies zeigt, dass die Empfehlungen des Rates politische Entscheidungen erleichtern
können, keineswegs jedoch als Alibi für politische Mandatsträger dienen und sie aus ihrer Verantwortlichkeit
entlassen.
Von einer kooperativen Zusammenarbeit aller Beteiligten zeugen nicht zuletzt die inzwischen zahlreich realisierten Projekte im engeren und weiteren Stadtgebiet
Regensburgs, die zugleich eindrucksvoll bestätigen, dass
ein Gestaltungsbeirat das architektonische und städtebauliche Qualitätsniveau in einer Stadt nachhaltig fördern kann.
Prof. Fritz Auer führt seit 1980 gemeinsam mit Carlo
Weber die Architektengemeinschaft Auer + Weber in
Stuttgart und München. Zu ihrem Werk zählt unter
anderem das Landratsamt Starnberg, die Revitalisierung
des Zeppelin-Carrés in Stuttgart, das Ruhrfestspielhaus
Recklinghausen und der Umbau des Dresdner Ausstellungsgebäudes Brühlsche Terrassen. Fritz Auer ist im
Gestaltungsbeirat der Städte Regensburg, Konstanz und
Landshut tätig.
39
Neubau eines Geschäftshauses, Regensburg
Lageplan
Nordansicht Erstplanung
Nordansicht Endfassung
Westansicht Erstplanung
Westansicht Endfassung
Für den Altstadtbereich hat eine große Textilkette den
Bau eines Kaufhauses beantragt. Dem Gestaltungsbeirat wurde im Juli 1998 der Entwurf vorgelegt. Im Ergebnis der Beratungen wurden die Fassaden und die Dachausbildung kritisiert, die nicht die Tradition des Ortes
aufnehmen. Empfohlen werden eine sensiblere Gestaltung und ortstypische Materialen, um das Kaufhaus als
modernes Bauwerk in die mittelalterliche Stadtstruktur
zu integrieren.
40
Ostansicht Endfassung
Nord-Westansicht
Nordansicht
Für die Überarbeitung regte der Gestaltungsbeirat einen
Architektenwettbewerb an, zu dem fünf Architekturbüros eingeladen wurden. Im Oktober 1998, also nur drei
Monate nach der ersten Besprechung im Beirat, stellte
der nach der Wettbewerbsentscheidung beauftrage Architekt den neuen Entwurf vor. Der Beirat würdigt den
gelungenen Vorschlag, der „in einer zeitgemäßen Architektursprache ein Haus unserer Zeit von besonderer
Qualität“ schafft – die hohe Akzeptanz des Kaufhauses
bei der Regensburger Bevölkerung unterstreicht dieses
Urteil.
Luftbild
41
42
Wo und wie Sie uns finden
43
Der BDA und seine Geschäftsstellen
Weitere Informationen zur Arbeit von Gestaltungsbeiräten und über qualifizierte Architekten erhalten Sie in den Geschäftstellen des BDA und seiner Landesverbände.
Bund Deutscher Architekten BDA
Bundesgeschäftsstelle
Köpenicker Straße 48 / 49
10179 Berlin
Tel.
030. 27 87 99 0
Fax
030. 27 87 99 15
kontakt@bda-bund.de
www.bda-bund.de
BDA Baden-Württemberg
Zeppelin Carré
Friedrichstraße 5
70174 Stuttgart
Tel.
0711. 64 04 039
Fax 0711. 60 29 50
info@bda-bawue.de
www.bda-bawue.de
44
BDA Bayern
Türkenstraße 34
80333 München
Tel. 089. 18 60 61
Fax 089. 18 41 48
sekretariat@bda-bayern.de
www.bda-bayern.de
BDA Bremen
Altenwall 7 / 8
28195 Bremen
Tel.
0421. 32 54 76
Fax
0421. 32 13 78
info@bdabremen.de
www.bdabremen.de
BDA Berlin
Mommsenstraße 64
10629 Berlin
Tel. 030. 88 68 32 06
Fax
030. 88 68 32 16
info@bda-berlin.de
www.bda-berlin.de
BDA Hamburg
Architektur Centrum
Holstenwall 24
20355 Hamburg
Tel.
040. 41 33 31 0
Fax
040. 41 33 31 23
info@bda-hamburg.de
www.bda-hamburg.de
BDA Brandenburg
c / o Hubertus Eilers
Altes Gutshaus
14974 Gröben
Tel.
03378. 87 41 10
Fax
03378. 87 41 19
info@bda-brandenburg.de
www.bda-brandenburg.de
BDA Hessen
Braubachstraße 12
60311 Frankfurt / Main
Tel.
069. 28 31 56
Fax
069. 28 91 18
landessekretariat@bda-hessen.de
www.bda-hessen.de
BDA Mecklenburg-Vorpommern
c / o Ullrich Schmidt
Woldegker Straße 4
17033 Neubrandenburg
Tel.
0395. 58 12 10
Fax
0395. 58 12 12 6
geschaeftsstelle@bda-mv.de
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BDA Rheinland-Pfalz
c / o Edda Kurz
Friedrichstraße 37
55124 Mainz
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Fax
06131. 47 85 75
edda.kurz@kurz-architekten.net
www.architektenbda.de
BDA Sachsen-Anhalt
c / o Falk Zeitler
Mansfelder Straße 56
06108 Halle / Saale
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0345. 68 54 37 7
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30167 Hannover
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0511. 70 11 14 4
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www.bda-niedersachsen.de
BDA Saarland
c / o Carsten Diez
Uhlandstraße 18
66121 Saarbrücken
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Fax
0681. 58 95 69 4
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BDA Schleswig-Holstein
Dänische Straße 3-5
24103 Kiel
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www.bda-nrw.de
BDA Sachsen
c / o Ronald Wanderer
Scharnhorststraße 17
04275 Leipzig
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Fax
0341. 35 83 91 5
bda@koenigwanderer.de
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BDA Thüringen
Bahnhofstraße 39
99084 Erfurt
Tel.
0176. 60 86 95 16
0361. 65 55 665
marion.aschenbach@erfurt.de
www.bda-thueringen.de
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Projektverzeichnis
S. 22
Umbau eines Wohn- und Geschäftshauses
Luzengasse 1, Schwarze-Bären-Straße 8
93047 Regensburg
Architekt
Architekturbüro beta-planungsteam,
Regensburg
Planungsgruppe DPW, Regensburg
Bauherr
Lambert Projektbau GmbH, Regensburg
Fotos und Pläne
Publikation „Regensburg plant und baut“
Nr. 15, Hrsg. Stadt Regensburg, Planungsund Baureferat, 1998
S. 26
Um- und Neubau des Becker‘s Hotel und
Restaurant
Olewiger Straße 206
54295 Trier
Architekt
Architekten Stein Hemmes Wirtz,
Kasel / Saarbrücken / Frankfurt
Architekturbüro Andreas Bohr, Trier
Bauherr
Wolfgang Becker, Trier
Fotos und Pläne
Architekten Stein Hemmes Wirtz
Becker‘s Hotel und Restaurant
Architekturbüro Andreas Bohr, Trier
S. 30
Revitalisierung des Verwaltungsgebäudes der
Badischen Versicherungen
Durlacher Allee 56
76131 Karlsruhe
Architekt
Vollack archiTec GmbH & Co.KG, Karlsruhe
Projektleitung: Joachim Wohlfarth
Bauherr
BGV Immobilien GmbH & Co.KG, Karlsruhe
Fotos und Renderings
Vollack archiTec GmbH & Co. KG
Netzhaut [CG], Weimar
S. 34
Umbau eines Geschäftshauses
Leipziger Straße 105 / 106
06108 Halle (Saale)
Architekt
Karsten K. Krebs Architekten, Hannover
Projektleitung: Jens Giesecke
Bauherr
NewYorker S.H.K. Jeans GmbH,
Braunschweig
Fotos und Pläne
Karsten K. Krebs Architekten
S. 38
Neubau eines Geschäftshauses
St.-Kassians-Platz 3
93047 Regensburg
Architekt
MGF Architekten GmbH, Stuttgart
Bauherr
Internationales Immobilien-Institut,
München
Fotos und Pläne
Publikation „Regensburg plant und baut“
Nr. 7, Hrsg. Stadt Regensburg, Planungsund Baureferat, 2002
Impressum
Gestaltungsbeiräte
Mehr Kommunikation,
mehr Baukultur
Herausgeber
Bund Deutscher Architekten BDA
Köpenicker Str. 48 / 49
10179 Berlin
www.bda-architekten.de
BDA Arbeitsgruppe Gestaltungsbeirat
Prof. Zvonko Turkali (Sprecher), Michael Arns,
Christian Blauel, Hubertus Eilers, Prof. Heribert Gies,
Harald Kiefer, Carola Schäfers
Redaktion
Dr. Olaf Bahner, Andreas Denk, Lena Witte
Layout und Satz
David Kasparek
Druck
Rehms Druck GmbH, Borken/Westfalen
Berlin 2011
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