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Beschlussvorlage (Broschüre Mehr Kommunikation mehr Baukultur)

Daten

Kommune
Erftstadt
Größe
5,1 MB
Datum
26.04.2016
Erstellt
14.04.16, 15:07
Aktualisiert
14.04.16, 15:07

Inhalt der Datei

Gestaltungsbeiräte Mehr Kommunikation, mehr Baukultur 3 Inhalt Mehr Kommunikation, mehr Baukultur Michael Frielinghaus, Präsident des BDA, Friedberg 6 Für eine bessere Alltagsarchitektur Prof. Zvonko Turkali, Architekt BDA, Frankfurt / Main 8 Empfehlungen zu einer Geschäftsordnung für Gestaltungsbeiräte 12 Die Arbeit mit Gestaltungsbeiräten – ein Mehrwert für die Stadt Hans Schaidinger, Oberbürgermeister der Stadt Regensburg 20 Umbau eines Wohn- und Geschäftshauses, Regensburg 22 Der Architektur- und Städtebaubeirat Trier – ein Partner der Stadtverwaltung Simone Kaes-Torchiani, Baudezernentin der Stadt Trier 24 Um- und Neubau des Becker‘s Hotel und Restaurant, Trier 26 Gestaltungsbeiräte – eine wertvolle Institution für Bauherren Tibor Reiser, Geschäftsführer BGV Immobilien, Karlsruhe 28 Revitalisierung des Verwaltungsgebäudes der Badischen Versicherungen, Karlsruhe 30 Architekten und Gestaltungsbeiräte – ein Widerspruch in sich? Helmut Riemann, Helmut Riemann Architekten, Lübeck 32 Umbau eines Geschäftshauses, Halle 34 Strukturen und Prinzipien für ein qualifiziertes Arbeiten von Gestaltungsbeiräten Fritz Auer, Auer + Weber + Assoziierte GmbH, Stuttgart 36 Neubau eines Geschäftshauses, Regensburg 38 Adressverzeichnis der BDA-Geschäftsstellen 42 Projektverzeichnis Impressum Für eine bessere Alltagsarchitektur Michael Frielinghaus Mehr Kommunikation, mehr Baukultur Mit dieser Publikation möchte der BDA über die Struktur und die Arbeitsweise von Gestaltungsbeiräten aus unterschiedlichen Perspektiven informieren und so Städte und Kommunen ermutigen, sich dieser institutionalisierten Beratungskompetenz zu bedienen. Eine Vorbildfunktion für das Wirken von Gestaltungsbeiräten hat die Stadt Regensburg. Diesem Modell sind Städte wie Lübeck, Trier, Karlsruhe, Leipzig und viele weitere gefolgt. Gefolgt sind sie dem politischen Anspruch, den Weiterbau ihrer Stadt durch einen Expertenbeirat zu qualifizieren. Woher resultiert das große Interesse von Städten und Kommunen, von Politikern und Verwaltungsfachleuten, freiwillig und ohne Bindung an gesetzliche Regelwerke einen Gestaltungsbeirat in Fragen der Architektur und Stadtplanung zu konsultieren? Die Antwort liegt in den überzeugenden Argumenten, mit denen Gestaltungsbeiräte Offenheit, Transparenz und vor allem Qualität in das Baugeschehen einer Stadt einbringen. Damit sind immanent politische Ziele und Aufgaben angesprochen: Gerade weil immer mehr Städte ihr Stadtbild als Kulturgut schätzen, mit dem sich Bürger identifizieren, das den Tourismus befördert und das Unternehmen als Standortfaktor gilt, ist eine unabhängige Beratungsinstanz für qualitätsvolle Architektur und Stadtplanung so entscheidend. 8 Damit ist der Arbeitsauftrag von Gestaltungsbeiräten beschrieben: Ihr zentrales Anliegen besteht darin, Vorhaben von städtebaulicher Relevanz zu begutachten und Empfehlungen zu formulieren. Empfehlungen, die nicht nur gestalterische Gesichtspunkte betreffen, sondern in einem gesamtheitlichen Ansatz wirtschaftliche Interessen, ökologische Kriterien und den städtebaulichen Kontext für das geplante Gebäude berücksichtigen. In welchem Verständnis und mit welcher Konzeption erreichen Gestaltungsbeiräte dieses Ziel? Zum einen argumentieren und vermitteln sie als ausgleichendes Moment zwischen den am Bauprozess beteiligten Gruppen – zwischen Bauherren, Architekten und Bauverwaltung. In dieser Weise setzen sie sich für die zu erreichende Balance zwischen dem spezifischen Interesse des Bauherrn und den Interessen der Allgemeinheit ein. Die Balance in einem durch verbesserte Planung gelungenen Gebäude zu finden – dafür bringen sich Beiräte mit ihrem fachlichen und unabhängigen Rat ein. Zum anderen kommunizieren sie das aktuelle Baugeschehen gegenüber der Bevölkerung: Gestaltungsbeiräte tagen in der Regel öffentlich, über ihre Empfehlungen wird in der Presse berichtet. Sie können dabei nur auf die Überzeugungskraft ihrer inhaltlichen Argumente vertrauen – und das macht ihre positive wie negative Kritik an den geplanten Projekten glaubwürdig. In diesem Sinne leisten sie einen entscheidenden Beitrag für transparentere Entscheidungskriterien und -wege. Der besondere Wert eines solchen Diskussionsforums besteht darin, dass es sich nicht erst reaktiv zum Zeitpunkt des Konflikts konstituiert, sondern kontinuierlich und neutral Stellung bezieht. Bürger werden laufend über Bauvorhaben informiert und können so die Weiterplanung ihrer Stadt und damit ihres Lebensortes persönlich miterleben und mitverfolgen. Für welche Bauprojekte eignet sich das öffentlichkeitswirksame und auf Qualität ausgerichtete Engagement des Gestaltungsbeirats? Prinzipiell gibt es keine Einschränkungen hinsichtlich Größe oder Art der Bauaufgabe: Der Discounter und das Schnellrestaurant am Stadtrand prägen und bestimmen ebenso wie der Hotelneubau und die Altbausanierung in der Innenstadt das Bild unserer täglichen Lebensumwelt. Daher hat jedes Bauwerk einen – wenn auch unterschiedlichen – Einfluss auf das gewachsene Bild einer Stadt und rechtfertigt eine Qualitätsdiskussion im Gestaltungsbeirat. Das Erscheinungsbild und den städtebaulichen Einbezug einzelner Gebäude zu verbessern, ist eine wichtige Aufgabe zum Erhalt der Stadtidentität. Dennoch darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass auch ein Gestaltungsbeirat nicht erreichen kann, dass jedes Gebäude zur allgemeinen Zufriedenheit gestaltet wird – dafür sind die Auffassungen von Architektur und Stadt in unserer individualisierten Gesellschaft zu verschieden. Vermeiden kann er jedoch planerische und gestalterische Missgriffe. Auch darf nicht verkannt werden, dass Gestaltungsbeiräte nicht die Entscheidungsgewalt und Verantwortung der Politik und Gemeindegremien als Baubehörde ersetzen. Die politischen Institutionen entscheiden in ihren Amtsperioden über die Gründung von Gestaltungsbeiräten, über die Wahl der Mitglieder sowie über die Geschäftsordnung. Natürlich ist mit der Entscheidung für einen Gestaltungsbeirat ein Mehraufwand für die Stadt verbunden und natürlich erfordert die verstärkte öffentliche Diskussion des Baugeschehens ein politisches Selbstvertrauen. Auf der Gegenseite erhalten Stadtrat und Bauverwaltung eine im fachlichen und öffentlichen Diskurs begründete Entscheidungsgrundlage als Basis für eine Qualitätsoffensive. Darin ist die Erfolgsgeschichte von Gestaltungsbeiräten begründet, die in vielen Städten als geschätzte Dialogpartner arbeiten. Dem BDA-Arbeitskreis „Gestaltungsbeirat“ und insbesondere Professor Zvonko Turkali, Vorsitzender des Arbeitskreises und Landesvorsitzender des BDA Hessen, möchte ich für die inhaltliche Konzeption der Publikation danken, die die Erfahrungen aus der Arbeit verschiedener Gestaltungsbeiräte zusammenfasst. Städte und Kommunen möchte ich einladen, die Empfehlungen und Erfahrungsberichte als Anregung zu nutzen, um ihr Baugeschehen mit fachlichem Rat für eine lebenswerte Stadt zu begleiten. Michael Frielinghaus, Architekt BDA, ist Präsident des Bundes Deutscher Architekten BDA und geschäftsführender Gesellschafter des Büros BLFP Frielinghaus Architekten BDA in Friedberg. 9 Zvonko Turkali Für eine bessere Alltagsarchitektur Das zunehmende Interesse der Bevölkerung an geplanten baulichen Veränderungen in ihren Gemeinden führt zu der Frage, wie darauf reagiert werden kann. Es ist im Kern die Frage nach einem Instrumentarium, das sowohl die Erwartung der Öffentlichkeit erfüllt, rechtzeitig über anstehende Bauvorhaben informiert zu werden, als auch imstande ist, die Qualität der Architektur zu steigern. Hier sind zunächst die Architektenwettbewerbe zu nennen. Seit über hundert Jahren haben sie sich in hohem Maße darin bewährt, die Diskussion über die Qualität von Stadtgestaltung auf einem anderen Niveau zu führen, als das normalerweise üblich ist. Planungen für stadtprägende Gebäude können durch das öffentliche Verfahren des Wettbewerbs frühzeitig in der Stadtgesellschaft bekannt gemacht, die Erwartungen an die Qualität der Architektur kann erhöht werden. Zu hoffen bleibt, dass in Zukunft mehr Bauten als bislang üblich auf der Grundlage vorgeschalteter Wettbewerbsverfahren realisiert werden. Wie aber ist mit jenen Projekten zu verfahren, die nicht über Wettbewerbe entschieden werden, für das Bild der Stadt jedoch wichtig sind? Wie ist mit Planungen umzugehen, beispielsweise für Lebensmittelmärkte, Autohäuser oder Restaurantketten, die nahezu flächendeckend umgesetzt werden, ohne Rücksicht auf die Anforderungen des Ortes und der jeweiligen Situation zu nehmen? Was nutzt einer Gemeinde das schöne Museum, wenn ihre Quartiere, in denen die Menschen arbeiten und wohnen, jegliche Qualitäten vermissen 10 lassen? Wie kann dort die Qualität der gesamten gebauten Umwelt verbessert werden, wenn nahezu alle Landesbauordnungen eine gute Baugestaltung so gut wie gar nicht einfordern und neben der technisch-ökologischen Aktualität von Neubauten lediglich verlangen, dass sie nicht verunstaltend wirken? Wenn die Gestalt unserer Städte und Gemeinden verbessert werden soll, so ist bei der Alltagsarchitektur anzusetzen – der Architektur also, die unsere gebaute Umwelt zu 99 Prozent prägt und zu 99 Prozent der Fälle nicht über Wettbewerbe entschieden wird. Die Qualität dieser Architektur kann nur dann gesteigert werden, wenn dies als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden wird. Architektur ist eine öffentliche Angelegenheit, und alle Beteiligten, seien es Politiker oder Mitarbeiter der Verwaltung, seien es Bauherren oder Architekten, sollten ein großes Interesse daran haben, dass die Bedeutung guter Architektur von der breiten Öffentlichkeit anerkannt wird. In einigen Städten nehmen die Entscheidungsträger ihre kulturelle, soziale und ästhetische Verantwortung gegenüber der Stadt und ihren Menschen sehr gewissenhaft wahr. Sie haben erkannt, dass mit Städtebau und Architektur langfristig über die Zukunft der Stadt entschieden wird, und die Architektur ein weit wirksames Aushängeschild sein kann. Um ihrer Verantwortung besser gerecht werden zu können, haben in den vergangenen Jahren mehrere Städte Gestaltungsbeiräte gegründet. Auf dem Gebiet der Bundesrepublik ist der Gestaltungsbeirat in Regens- burg besonders hervorzuheben. Er leistet nun schon seit mehreren Jahren eine sehr erfolgreiche Arbeit und dient vielen Neugründungen als Vorbild. In der vorliegenden Broschüre kommen Personen zu Wort, die aus ihrer jeweiligen Funktion heraus ihre Erfahrungen mit der Institution des Gestaltungsbeirats schildern. Politiker, Bauherren und Architekten, die entweder ein Projekt einem Beirat vorgestellt haben oder selbst als Mitglied des Beirats tätig sind, berichten, wie sich eine gefestigte Diskussionskultur über Stadtgestaltung entwickeln und was sie gefährden kann. Ein gut funktionierender Beirat kann als Forum für das Gespräch über Architektur und Stadt zwischen Fachleuten und Laien, zwischen Bauherren und Politikern, zwischen freischaffenden Architekten und Kollegen aus der Verwaltung das Bewusstsein für Architekturqualität und für deren gesamtkulturelle Bedeutung fördern und damit ein wichtiger Baustein zur Stärkung der Baukultur werden. Die Broschüre stellt Beispiele in Beiratssitzungen präsentierter Projekte ebenso vor wie deren Realisierung, die auf der Basis der dort ausgesprochenen Empfehlungen erfolgt ist. Die Autoren verdeutlichen aber auch, dass grundlegende Voraussetzungen für Arbeitsweise und Organisation geschaffen werden müssen, damit sich ein Gestaltungsbeirat zu einem Erfolgsmodell entwickeln kann. Zuallererst muss, noch vor der Gründung eines Gestaltungsbeirats, sichergestellt sein, dass er von der Politik, der Verwaltung und der Architektenschaft der jeweiligen Kommune gleichermaßen gewollt ist. Hat man sich auf eine Gründung verständigt, müssen die Regularien vereinbart werden. Aus diesem Grunde enthält die Broschüre eine Empfehlung für eine Geschäftsordnung. Sie hat sich bei der Arbeit mehrerer Beiräte bewährt und wird vom BDA als Regelwerk bei Neugründungen empfohlen. Einige Punkte dieser Empfehlung sind besonders bedeutsam. Zu ihnen gehört, dass die Beiratsmitglieder unabhängig sind und ihr Mandat zeitlich befristet ist. Ein gut funktionierender Beirat ist mit auswärtigen Architekten zu besetzen, die in der Stadt ihrer Beiratszugehörigkeit keine Architektenleistungen erbringen. Es ist hier nicht anders als im Sport: Man kann nicht gleichzeitig Spieler und Schiedsrichter sein. Die Empfehlungen des Beirats müssen nachvollziehbar kommuniziert werden und, trotz der reinen Beratungstätigkeit seiner Mitglieder, eine gewisse Verbindlichkeit erfahren. Die Sitzungen des Beirats sind nach Möglichkeit durch eine Geschäftsstelle gut vorzubereiten und sollten bis auf wenige Ausnahmen offen für alle Interessierten sein. Nur so kann er die Öffentlichkeit erreichen und ein Bewusstsein für das soziale sowie kulturhistorische Ausmaß von Architektur schärfen. Prof. Zvonko Turkali, M. Arch. Architekt BDA, ist Professor für Entwerfen und Gebäudelehre an der Universität Hannover, Landesvorsitzender des BDA Hessen, Mitglied in Gestaltungsbeiräten Regensburg, Karlsruhe, Biberach und Sprecher der Arbeitsgruppe Gestaltungsbeirat. Seit 1988 leitet er das Büro Turkali Architekten in Frankfurt am Main. 11 Empfehlungen zu einer Geschäftsordnung für Gestaltungsbeiräte Empfehlungen zu einer Geschäftsordnung für Gestaltungsbeiräte 1. Präambel Ziel des Gestaltungsbeirats ist es, das Stadtbild gestalterisch zu verbessern, die architektonische und städtebauliche Qualität auf einem hohen Niveau zu sichern und fortzuschreiben sowie Fehlentwicklungen in Architektur und Städtebau zu vermeiden. Vom Wirken des Gestaltungsbeirats und seiner Mitglieder ist zudem ein positiver Einfluss auf das Bewusstsein für gute Architektur und Stadtgestalt in der Öffentlichkeit wie auch in der Politik und der Verwaltung zu erwarten. Der Gestaltungsbeirat unterstützt als unabhängiges Sachverständigengremium die poltischen Institutionen wie auch die Fachverwaltung in Fragen der Architektur, der Stadtplanung und des Stadtbildes. Er begutachtet Vorhaben von städtebaulicher Bedeutung in ihrer Auswirkung auf Stadtgestalt und Stadtstruktur, um durch fachlich kompetente Empfehlungen eine Entscheidungsgrundlage für politische Institutionen und für die Verwaltung zu geben. 14 Hinweis Um eine gemeinsame und verbindende Arbeitsgrundlage zwischen Politik und Verwaltung einerseits sowie Architekten, Landschaftsarchitekten und Stadtplanern andererseits zu erreichen, wird eine die wesentlichen Ziele des Gestaltungsbeirates benennende Präambel empfohlen. 2. Aufgabenstellung Der Gestaltungsbeirat hat die Aufgabe, die ihm vorgelegten Bauvorhaben im Hinblick auf ihre städtebaulichen, architektonischen und gestalterischen Qualitäten zu prüfen und zu beurteilen. Er formuliert Hinweise und Kriterien zur Erreichung dieses Ziels. Hinweis Der Gestaltungsbeirat ist ein beratendes Gremium. Er soll über die üblichen Beratungsmöglichkeiten der Baubehörden hinaus dem Bauherrn zu einem architektonisch und städtebaulich qualitätsvollen Entwurf verhelfen. 3. Mitglieder des Gestaltungsbeirats Zusammensetzung des Gestaltungs-beirats Der Beirat setzt sich je nach Größe der Stadt aus bis zu fünf Mitgliedern zusammen. Sie wählen aus ihrer Mitte einen Vorsitzenden sowie einen Stellvertreter. Berufung der Beiratsmitglieder Die Beiratsmitglieder werden durch die kommunale Volksvertretung (Stadtrat, Senat, Bürgerschaft oder Kreisrat) berufen. Qualifikation der Beiratsmitglieder Die Mitglieder sind Fachleute in den Gebieten Architektur, Landschaftsplanung und Städtebau. Sie besitzen die Qualifikation zum Preisrichter. Hinweis Die Qualifikation der Beiratsmitglieder sollte mindestens der Qualifikation der Teilnehmer entsprechen, die sich um die Planungs- und Bauvorhaben beworben haben beziehungsweise damit beauftragt worden sind (Qualifikation zum Preisrichter). Vorschläge für zu berufende Beiratsmitglieder können bei den berufsständischen Vertretungen der Architekten, Landschaftsarchitekten und Stadtplaner erfragt werden. Unabhängigkeit der Beiratsmitglieder Die Mitglieder des Gestaltungsbeirats sollten ihren Wohn- oder Arbeitssitz nicht im Beratungsgebiet haben. Die Mitglieder sollten zwei Jahre vor und zwei Jahre nach ihrer Beiratstätigkeit nicht im Beratungsgebiet planen und bauen. Hinweis Um eine öffentliche und politische Akzeptanz für die Empfehlungen des Beirats zu erreichen, ist die Unabhängigkeit der Mitglieder gegenüber aktuellen Planungsaufgaben sehr entscheidend. Nur so kann der Beirat seiner hohen Verantwortung als interessenfreies Beratungsgremium gerecht werden. Die Unabhängigkeit ist daher für den Erfolg der Beiratstätigkeit höher einzuschätzen als etwa die spezifischen Ortskenntnisse lokal tätiger Architekten, Stadtplaner beziehungsweise Landschaftsarchitekten. 15 Mit dem Gebot einer zweijährigen Sperrfrist für eine Tätigkeit in der Stadt beziehungsweise Region betonen die Beiratsmitglieder zudem ihre von wirtschaftlichen Interessen freie Beratungstätigkeit. Zugleich wird somit vermieden, dass aus der Beiratstätigkeit ein Wettbewerbsvorteil bei künftigen Planungsaufgaben gegenüber lokalen Architekten, Stadtplanern beziehungsweise Landschaftsarchitekten resultiert. Dauer einer Beiratsperiode Eine Beiratsperiode dauert in der Regel zwei Jahre. Die Mitgliedschaft sollte zwei aufeinanderfolgende Perioden nicht überschreiten. Hinweis Um eine Kontinuität in der Beiratsarbeit zu unterstützen, wird ein zeitlich gestufter Wechsel der Beiratsmitglieder empfohlen. 16 4. Geschäftsstelle Die Arbeit des Beirats sollte durch eine Geschäftsstelle unterstützt werden. Hinweis Der Geschäftsstelle kommen die Aufgaben zu, die Sitzungen vor- und nachzubereiten, das heißt zu den Sitzungen einzuladen, diese zu betreuen und zu jeder Sitzung ein Protokoll zu erstellen. Diese Aufgaben können auch von einer kommunalen Dienststelle übernommen werden (beispielsweise Stadtplanungsamt). 5. Zuständigkeit des Beirats Der Gestaltungsbeirat beurteilt obligatorisch alle Bauvorhaben, die aufgrund ihrer Größenordnung und Bedeutung für das Stadtbild und dessen Entwicklung prägend sind. Hinweis Dazu sollten folgende Vorhaben zählen: > Bauvorhaben mit stadtbildprägendem, repräsentativem oder monumentalem Charakter der öffentlichen Hand beziehungsweise privater Bauherren > bauliche Veränderungen an historisch oder baukünstlerisch wertvollen Gebäuden oder Ensembles sowie Neubauten in deren Nähe > Bauvorhaben außerhalb der (historischen) Kernstadt, um die Entwicklung eines gesamtstädtischen Gefüges zu erreichen Der Gestaltungsbeirat soll sich auf Antrag des Bauherrn mit dessen Bauvorhaben befassen, wenn die Verwaltung das Vorhaben aus gestalterischen Gründen abgelehnt hat. Vorhaben, die aus einem Wettbewerb gemäß GRW (Grundsätze und Richtlinien für Wettbewerbe auf dem Gebiet der Raumplanung, des Städtebaus und des Bauwesens) hervorgegangen sind, fallen nur dann in die Zuständigkeit des Beirats, wenn das tatsächlich eingereichte Vorhaben von dem prämierten Wettbewerbsergebnis wesentlich abweicht. 6. Sitzungsturnus und Geschäftsgang Die Sitzungen des Beirats finden nach Bedarf statt, in der Regel im Abstand von zwei Monaten. Hinweis Regelmäßige Sitzungen des Beirats können eine kontinuierliche Bearbeitung des zu beurteilenden Projektes erreichen und so dessen Umsetzung wesentlich beschleunigen. Der Beratungsturnus ist so zu gestalten, dass die Genehmigungsfristen der Landesbauordnung eingehalten werden können. Als Budget für die Tätigkeit eines Beirats, der aus fünf Mitgliedern besteht und sich zu sechs Sitzungen pro Jahr trifft, sind 50.000 Euro auskömmlich. 17 Die Sitzungstermine werden mindestens für ein Kalenderjahr im Voraus festgelegt und veröffentlicht. Die Einberufung des Beirats erfolgt schriftlich durch die Geschäftsstelle; die vorläufige Tagesordnung sollte mindestens zwei Wochen vor der Sitzung öffentlich bekannt gegeben werden. 7. Beschlussfähigkeit / Stimmrecht Der Gestaltungsbeirat ist beschlussfähig, wenn sämtliche Mitglieder ordnungsgemäß geladen sind und die Mehrheit der Mitglieder, darunter der Vorsitzende oder sein Stellvertreter, anwesend ist. Entscheidungen werden in einfacher Mehrheit in offener Abstimmung getroffen. Stimmenthaltung ist nicht zulässig. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag. Die Beiratsmitglieder prüfen von sich aus ihre Befangenheit in Anlehnung an die jeweils gültige Kommunalverfassung. 18 8. Beiratssitzung Die Sitzungen des Beirats finden in der Regel öffentlich statt. An den nichtöffentlichen Teilen der Sitzungen des Gestaltungsbeirats können (ohne Stimmrecht) teilnehmen: > Oberbürgermeister > Planungs- und Baureferent > Mitarbeiter des Planungs-und Baureferats nach Entscheidung durch den Referenten > Sprecher oder deren Vertreter der im Ausschuss für Stadtplanung, Verkehr und Wohnungsfragen vertretenen Parteifraktionen. Die Teilnahme an den Beiratssitzungen erfolgt in Ausübung des Stadtratsmandats. > Sonderfachleute (zum Beispiel Denkmalschutz) auf Einladung der Geschäftsstelle Hinweis: Eine öffentliche Sitzung des Gestaltungsbeirats ist ein zentraler Ansatz, um bei den Bürgern eine generelle Akzeptanz des Beirats, seiner Aufgaben und des zu diskutierenden Projektes zu erreichen. Eine teilöffentliche beziehungsweise nichtöffentliche Sitzung des Gestaltungsbeirats wird für Diskussionen empfohlen, die sich in grundlegender Form mit den Plänen des Bauherrn beziehungsweise des Architekten auseinandersetzen und so einen Ausschluss der Öffentlichkeit rechtfertigen. Der Beirat verfasst als Ergebnis seiner Beratungen zur Beurteilung der vorgelegten Vorhaben jeweils eine schriftliche Stellungnahme. Die Stellungnahme ist dem Bauherrn und dem Architekten bekannt zu geben. 9. Wiedervorlage Erhält ein Vorhaben nicht die Zustimmung des Beirats, so ist dem Bauherrn die Möglichkeit zur weiteren Bearbeitung einzuräumen. Der Beirat gibt die Kriterien hierfür bekannt. Das Vorhaben ist dem Beirat wieder vorzulegen. 10. Geheimhaltung Die Mitglieder des Beirats und die sonstigen Sitzungsteilnehmer sind zur Geheimhaltung über die internen Beratungen und Wahrnehmungen verpflichtet. Die Regelungen zur Stellungnahme gegenüber Bauherren und Architekten bleiben davon unberührt. Eine Verletzung der Geheimhaltung führt zum Ausschluss vom Gestaltungsbeirat. 11. Information der Öffentlichkeit Die Stadt berichtet in ansprechender Form und in regelmäßigen Abständen öffentlich über die Arbeit des Gestaltungsbeirats sowie über die Entwicklung der Vorhaben und Bauprojekte. 12. Vergütung der Beitragsmitglieder Die Tätigkeit der Beiratsmitglieder wird in Anlehnung an die Preisrichterhonorare vergütet. Reisekosten werden entsprechend dem gültigen Reisekostengesetz erstattet. 19 Zur Arbeit von Gestaltungsbeiräten Hans Schaidinger Die Arbeit mit Gestaltungsbeiräten – ein Mehrwert für die Stadt Was kann die politische Führungsspitze einer Stadt dazu bewegen, einen Beirat zu installieren, der sie in Fragen der Gestaltung von Architektur und Stadt berät? Bedeutet nicht schon die bloße Existenz eines solchen außerparlamentarischen Gremiums einen Machtverlust Das Engagement für eine qualitätvolle Architektur und Stadtplanung hat Regensburg 1998 mit der Einrichtung eines Gestaltungsbeirats auch auf Einzelbauvorhaben ausgeweitet. Alle stadtbildprägenden Projekte, aber auch Zweckbauten, wie zum Beispiel Baumärkte oder Einzelhandelsbetriebe, und im Einzelfall sogar Einfamilienhäuser, müssen die kritische „Qualitätskontrolle“ des Beirats passieren. „Eine kritische Auseinandersetzung mit Planungsprozessen in der Stadt bedeutet Mehrarbeit für alle Beteiligten, bringt aber in jedem Fall einen Mehrwert für die Bürger.“ Hans Schaidinger für die Politik? Diese oder ähnliche Fragen werden immer wieder gestellt, wenn sich andere Städte bei uns über den Regensburger Gestaltungsbeirat informieren. Um die Qualität von Architektur und Städtebau auch außerhalb des Ensembles der historischen Altstadt anzuheben, führt die Stadt Regensburg schon seit den achtziger Jahren verstärkt Planungswettbewerbe durch. 22 Entscheidend für das wirkungsvolle Arbeiten eines Gestaltungsbeirats ist es, dass die Ratschläge und Empfehlungen des Gremiums von der Verwaltung und der politischen Führungsspitze ernst genommen werden. An der Besetzung des Beirats mit hochkarätigen Architekten wird der Anspruch der Stadt an eine hohe Architektur- und Städtebauqualität deutlich. Daraus ergibt sich ein klarer Auftrag an Investoren, Bauherren und Architekten, neben der Wirtschaftlichkeit ihrer Objekte auch die Nachhaltigkeit und die Einbindung in die umgebende Bebauung im Auge zu behalten. Aus der Summe aller Einzelbaumaßnahmen entsteht der öffentliche Raum, der entscheidend für die Lebens- und Aufenthaltsqua- lität einer Stadt ist. Dieser Gestaltanspruch gewinnt neben den wirtschaftlichen Erwägungen für eine Stadt zunehmend an Bedeutung. Damit eine Stadt in Zukunft als Wirtschaftsstandort attraktiv bleibt, muss nicht zuletzt auch die Baukultur stimmen. Ein Gestaltungsbeirat ist dabei eine wertvolle Unterstützung, er darf aber nicht als alleiniger Garant für Baukultur missverstanden werden. Denn die Verantwortung für qualitätvolles Bauen bleibt nach wie vor in der Hand von Bauherren und Architekten! Nachdem alle Baumaßnahmen öffentlichkeitswirksam sind und sich unmittelbar auf das Stadtbild auswirken, sind die Sitzungen des Gestaltungsbeirats in der Regel öffentlich. So wird bereits in der Planungsphase, also zu einem Zeitpunkt, zu dem noch Veränderungen möglich sind, die Qualität eines Objektes öffentlich diskutiert, und alle Beteiligten müssen schon vor der Realisierung die Verantwortung für ihre Maßnahme übernehmen. Ziel dieser gemeinsamen Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Bauprojekt ist, für die Stadt und den Bauherrn die qualitätvollste Lösung am jeweiligen Standort zu finden. Durch die öffentlich geführte Diskussion und die anschließende Berichterstattung in den Medien wird gleichzeitig die Öffentlichkeit wieder stärker in den Planungsprozess mit einbezogen. Dadurch wird der jeweilige Entstehungsprozess transparenter und gegebenenfalls auch nachvollziehbarer. In jedem Fall lässt sich feststellen, dass sich seit Einrichtung des Gestaltungsbeirats und der damit verbundenen Berichterstattung die breite Öffentlichkeit wieder stärker für ihre gebaute Umwelt und für den Städtebau interessiert. Eine kritische Auseinandersetzung mit den Planungsprozessen in der Stadt bedeutet zwar Mehrarbeit für alle Beteiligten, die aber in jedem Fall einen Mehrwert bringt. Denn Mittelmaß ist langfristig nicht konkurrenzfähig. Hans Schaidinger ist seit 1996 Oberbürgermeister der Stadt Regensburg. Der studierte Diplom-Volkswirt trat 1978 in den Dienst der Stadt Regensburg ein und war dort zunächst in den Bereichen Wirtschaftsförderung und Stadtentwicklung tätig. In dieser Zeit war er verantwortlich für die Entwicklungsmaßnahme des Stadtteils Burgweinting, der größten Siedlungsmaßnahme der Stadt seit der Römerzeit. Hans Schaidinger ist Vorsitzender des Bayerischen Städtetags und gehört dem Präsidium des Deutschen Städtetags an. 23 Umbau eines Wohn- und Geschäftshauses, Regensburg Südansicht Erstplanung Lageplan Erstplanung Südansicht Zweitvorlage Lageplan Endfassung An der Entwicklung dieses Objektes lässt sich gut ablesen, wie schwierig im denkmalgeschützten Altstadtensemble von Regensburg ein kleines Wohnquartier neu zu planen und zu realisieren ist. Das Vorhaben war mit unterschiedlichem Umfang sowie verschiedenen Architekturbüros mehrfach Gegenstand von Beratungen im Gestaltungsbeirat. Auf der Suche nach einer angemessenen Volumetrie für diesen Ort konnten jeweils schnell überzeugende Konzepte gefunden werden. Weitaus größere Schwierigkeiten bereitete die Fassadengestaltung, für die weder Planer noch Beiräte die Patentlösung in der Tasche hatten. Modern sollte sie sein und gleichzeitig auf die bestehenden historischen Proportionen in der Umgebung Rücksicht nehmen. Südansicht Drittvorlage Südansicht Endfassung 24 Nordansicht Westansicht Fensterdetail 25 Simone Kaes-Torchiani Der Architektur- und Städtebaubeirat Trier – ein Partner der Stadtverwaltung Die Stadt Trier hat sich im März 2004 zur Einrichtung eines Architektur- und Städtebaubeirates entschieden. Wie in vielen anderen Städten mit Gestaltungsbeiräten üblich, beurteilt der Trierer Beirat jene Bauvorhaben in Hinsicht auf ihre städtebauliche und architektonische Gestaltung, die durch Größe und Bedeutung für das Stadtbild prägend sind. mit Blick auf eine optimale Lösung nicht vorab durch Verwaltungsvorgaben eingeschränkt werden. Seit Sommer 2006 enthalten die Vorlagen neben der Situationsbeschreibung zudem auch die allgemeinen bauplanungsrechtlichen Beurteilungen des städtebaulichen Rahmens. Es hat sich als vorteilhaft herausgestellt, dem Beirat bei der Diskussion der Projekte gleichzeitig die rechtlichen Möglichkeiten des Antragstellers zu verdeutlichen. „Der Beirat ist unserer Erfahrung nach ein geeignetes Instrumentarium, um Bauherren und Architekten bei der Findung optimaler Ergebnisse zu unterstützen.“ Simone Kaes-Torchiani Das Bauaufsichtsamt der Stadt Trier leitet die Geschäftsstelle des Architektur- und Städtebaubeirates und schlägt auf Basis der eingehenden Bauanträge die Projekte entsprechend der Geschäftsordnung vor. Daneben werden aufgrund der im Stadtplanungsamt durchgeführten Bauberatungen Projekte für die Diskussion im Architektur- und Städtebaubeirat eingebracht. Ebenfalls kann der Bauausschuss eine Beratung von Projekten durch den Beirat beantragen, wovon zunehmend Gebrauch gemacht wird. In der Anfangsphase des Gestaltungsbeirats wurden die zur Beratung vorgelegten Projekte frei von einer baurechtlichen Beurteilung des städtebaulichen Rahmens diskutiert. Die Beiratsempfehlungen sollten so 26 In der Startphase des Beirats war die Kommunikation der Beratungsergebnisse zuweilen verbesserungsbedürftig, da während der Beratung die unterschiedlichen Auffassungen der Beiratsmitglieder offenbar nicht ausgeräumt werden konnten. Inzwischen hat sich die Arbeit des Beirats in Trier zu einer kooperativen Entwurfsbetreuung entwickelt, die auf „Augenhöhe“ zwischen Beiratsmitgliedern und Architekten stattfindet. Deshalb sollten Gestaltungsbeiräte immer interdisziplinär besetzt sein: Es gehören Stadtplaner, Architekten und Landschaftsarchitekten dazu, ebenso auch Vertreter der Immobilienwirtschaft. Wesentlich für die Qualität von Entwurf und Bau ist der Anspruch der Bauherren und die Qualifikation der beauftragten Architekten. Der Bauherr ist dabei der wichtigste Partner, wenn man gute Ergebnisse für die Stadt und ihre Architektur erzielen will – denn nur er hat die Möglichkeit, die Verbesserung seines Vorhabens zu fordern. Der Beirat ist unserer Erfahrung nach ein geeig- netes Instrumentarium, um Bauherren und Architekten bei der Findung optimaler Ergebnisse zu unterstützen. Das erfordert, dass sich die Arbeitsergebnisse der mit der Planung beauftragten Architekten im Sinne der Kompetenz des Beirats verändern müssen. Ein gutes Instrument dazu sind zum Beispiel Projektpartnerschaften. Bereitschaft zur Überarbeitung und Akzeptanz von Empfehlungen ist nach meiner Auffassung nur erreichbar, wenn der Beratungsprozess nicht in einem „RedeGegenrede-Dialog“ zwischen Bauherren und Beirat geführt wird, sondern sich die „inhaltliche Entfernung“ zwischen Bauherren, Planern und Beirat durch eine kollegiale und pragmatische Beratung reduziert. Nicht immer werden die Entwurfsvorschläge des Beirats dabei vollständig umgesetzt. Wichtig ist es uns, dass zumindest die städtebaulichen Empfehlungen des Beirats aufgegriffen werden. Eine Beratung kann auch eine Modifikation der unmittelbaren architektonischen Umsetzung zur Folge haben, denn neben der städtebaulichen Qualität ist die „architektenhandwerkliche“ Ausführung in Bezug auf Materialwahl, Farbe und Detail von ebenso großer Bedeutung für das gebaute Ergebnis. Der Beirat in Trier hat nicht zu allen vorgelegten Projekten ein zustimmendes Votum erteilt. Das war immer dann der Fall, wenn weder Verwaltung noch Beirat die Bauherren überzeugen konnten, die Verbesserungsvorschläge für das jeweilige Projekt anzunehmen. In solchen Fällen haben die Bauherren von ihrem Rechtsanspruch auf Baugenehmigung Gebrauch gemacht, sofern die öffentlich-rechtlichen Vorschriften es zuließen. Wesentlich für die Arbeit des Gestaltungsbeirats ist neben der Berichterstattung in der örtlichen Presse die Kommunikation des Themas „Baukultur“ in der Bürgerschaft, unter den Fachleuten vor Ort, in der überschaubaren Gruppe der Investoren und nicht zuletzt in der eigenen Verwaltung. Die Mitglieder des Beirats, die alle zwei bis vier Jahre rotieren, berichten deshalb in Werkvorträgen über ihre Arbeit. Die Vorträge werden durch Plakate, Ankündigungen in den örtlichen Printmedien und individuelle Einladungen an die Mitglieder von kulturtragenden Vereinigungen, die Vertreter des Stadtrats, des Stadtvorstands, des Fachausschusses und des Denkmalpflegebeirats beworben. Architekten der umgebenden Stadt- und Landkreise, Studenten der Fachhochschule Trier und andere Interessierte werden durch E-mail-Aktionen eingeladen. Ergänzend dazu sind Vorträge von Experten aus Architektur und Baukultur über ihre Erfahrung in anderen Städten, sowie Ausstellungen mit studentischen Arbeiten zu Themen der Stadtgestalt, Bestandteil der städtischen Öffentlichkeitsarbeit. Die Vortragsreihen und Ausstellungen wecken in der Bürgerschaft das Interesse an Architektur und Städtebau und vermitteln deren Bedeutung für das tagtägliche Leben. Nach fast zehn Jahren gemeinsamer Arbeit bin ich der Auffassung, dass die Arbeit des Architektur- und Städtebaubeirats für die Qualitätssicherung in Architektur und Städtebau für die Stadt Trier unerlässlich ist. Simone Kaes-Torchiani ist Baudezernentin der Stadt Trier. Nach ihrem Studium der Architektur mit dem Schwerpunkt Städtebau an der Fachhochschule Koblenz und Stationen in einem privaten Stadtplanungsbüro in Sinzig sowie in den Stadtverwaltungen Wittlich, Schwäbisch-Gmünd und Stolberg ist sie seit Mai 2007 in Trier tätig. 27 Um- und Neubau des Becker‘s Hotel und Restaurant, Trier Lageplan 28 Südansicht Erstplanung Ostansicht Erstplanung Südansicht Endfassung Ostansicht Endfassung Ostansicht Süd-Ostansicht Für den Um- und Neubau eines Hotels mit Restaurant hat das Stadtplanungsamt dem Bauherrn empfohlen, dem Architektur- und Städtebaubeirat die bisherige Planung vorzustellen. In mehreren Sitzungen wurde der Entwurf aus architektonischer und städtebaulicher Sicht diskutiert. Im Ergebnis führten die Vorschläge zu einer besseren Einbindung des Neubaus in den städtischen Kontext und der Aufwertung des Raumprogramms mit anspruchsvoll gestalteten Innenhöfen. Für die überarbeitete Planung sprach der Gestaltungsbeirat sein positives Votum aus und dies war letztlich für den Bauherrn eine gute Grundlage im weiteren Verlauf des Genehmigungsverfahrens. Nord-Ostansicht 29 Tibor Reiser Gestaltungsbeiräte – eine wertvolle Institution für Bauherren Natürlich will jeder Bauherr, dass sein Gebäude den Betrachter optisch anspricht und sich von anderen wohltuend abhebt. Dies war auch der formulierte Anspruch der Badischen Versicherungen BGV an die Revitalisierung ihres Verwaltungsgebäudes aus den 1970er Jahren in Karlsruhe. Nach ausführlichen Diskussionen über Gestalt, energetische Anforderungen und Verantwortung gegenüber dem Umfeld einerseits und über bezahlbare Lösungen andererseits hatten sich der Bauherr, die BGV Immobilien GmbH & Co. KG, und das Architekturbüro Vollack archiTec, Karlsruhe, auf den Entwurf geeinigt. Die Pläne für den Umbau und die Sanierung des Bürogebäudes wurden dem Karlsruher Gestaltungsbeirat vorgestellt. Denn schließlich handelt es sich hierbei um ein besonderes Gebäude an einer der Hauptzugangsstraßen der Stadt, das mit dem Hugo-Häring-Architekturpreis des BDA ausgezeichnet wurde und städtebaulich sowie architektonisch in den vergangenen Jahren große Beachtung erhielt. Diese Umstände erforderten, dass die Architekten mit äußerster Sensibilität ihre Entwürfe erstellten. Wir als Bauherren waren uns der Verantwortung bewusst, dass hier weder eine beliebige Architektur entstehen kann noch ein modischer Trend aufgegriffen werden durfte. Gleichzeitig sollte das Gebäude auch nach seinem Umbau als markenstärkender Blickfang wirken. Der Gestaltungsbeirat als Gremium, das sich ausschließlich mit gestaltungs- und städtebaulichen Fragen befasst, hat uns hierfür eine große Hilfestellung gegeben. „Die fachorientierte und unbürokratische Diskussion mit den Experten eines Gestaltungsbeirats gibt den Bauherren die Sicherheit, die richtigen städtebaulichen und architektonischen Entscheidungen getroffen zu haben.“ Tibor Reiser 30 Da das Gebäude aus den siebziger Jahren stammt und grundlegend revitalisiert werden sollte, haben wir – wie unter Kollegen üblich – auch die Architekten des ursprünglichen Gebäudes über die anstehende Baumaßnahme informiert. Dabei liegt es in der Natur der Sache, dass über die Architektur des Gebäudes unterschiedliche Auffassungen bestanden und deshalb verschiedene Argumente und Vorschläge diskutiert wurden. Auch hier war der Gestaltungsbeirat eine wichtige Unterstützung für den Bauherrn, denn er bestätigte uns darin, die richtigen Entscheidungen getroffen zu haben. Die Mitglieder des Gestaltungsbeirats hatten im Vorfeld die örtliche Situation besichtigt, um qualifizierte Empfehlungen aussprechen und das Umfeld in ihre Beurteilung einbeziehen zu können. Wer ein architektonisch hochwertiges Gebäude errichtet, kann davon ausgehen, dass es für den jeweiligen Nutzer – Mieter oder Käufer – lange attraktiv bleibt. Auch insofern ist ein Gestaltungsbeirat für einen Bauherrn eine sehr wertvolle Institution: Die fachorientierte und unbürokratische Diskussion mit den Experten eines Gestaltungsbeirats gibt den Bauherren die Sicherheit, die richtigen städtebaulichen und architektonischen Entscheidungen getroffen zu haben. Nur so ist sicher, dass das langfristig investierte Geld in einem Gebäude gut angelegt ist. Im Ergebnis hat die BGV-Versicherung ihren Hauptsitz zu einem umweltfreundlichen identitätsstarken Bürogebäude umgebaut, das den Mitarbeitern eine moderne und effiziente Arbeitswelt bietet. Tibor Reiser studierte Bauingenieurwesen und ist Geschäftsführer der BGV Immobilien GmbH u. Co. KG in Karlsruhe. Als Projektleiter war er verantwortlich für den Umbau des Hauptgebäudes der BGV-Versicherungen und übernahm die Bauherrenvertretung in Gremien und Verhandlungen. 31 Revitalisierung des Verwaltungsgebäudes der Badischen Versicherungen, Karlsruhe Ansicht Bestand Luftbild Endfassung Der Wunsch der Badischen Versicherungen, ihren Firmensitz – ein außergewöhnlicher Bau aus den 1970erJahren – zu sanieren und in seinem ursprünglichen Erscheinungsbild zu erhalten, konnte aus ökonomischen und ökologischen Zwängen nicht umgesetzt werden. Da es sich um ein prominentes Gebäude in Karlsruhe handelt, wurde dem Gestaltungsbeirat der Entwurf für die Neugestaltung vorgestellt. Ansicht Erstplanung Ansicht Endfassung 32 Innenhof Begrüßt wurde vom Beirat, dass das Gebäude in seiner für den städtebaulichen Kontext wichtigen Struktur und Kubatur erhalten werden soll. Die Modernisierung wird zu einer neuen Anmutung der Fassade führen. Der Beirat bestärkte den Bauherrn in dem gewählten gestalterischen Ansatz, der einen kompakten Baukörper mit guten Proportionen schafft. Die Empfehlungen betrafen eine verbesserte Integration des außen liegenden Sonnenschutzes und die Materialwahl für die Fenster. Das positive Votum war für den Bauherrn eine gute Basis, um das Bauvorhaben gegenüber der Öffentlichkeit und gegenüber Fachleuten zu kommunizieren. Luftbild 33 Helmut Riemann Architekten und Gestaltungsbeiräte – ein Widerspruch in sich? Auftraggeber und Adressaten der Empfehlungen von Gestaltungsbeiräten sind eigentlich die Städte und Gemeinden mit ihren Bauverwaltungen und ihren politischen Entscheidungsgremien. In erster Linie Betroffene Auf den zweiten Blick zeigt sich allerdings ein überraschend anderes Bild: In den meisten Fällen ist die Initiative zur Einrichtung von Gestaltungsbeiräten von engagierten Architekten der Region und von deren Berufsverbänden ausgegangen. Mit Ausdauer und mitunter unerschöpflicher Energie haben viele Architekten im Ehrenamt Überzeugungsarbeit geleistet, um Vertreter von Politik, Verwaltung und die Öffentlichkeit für die Idee der Gestaltungsbeiräte zu gewinnen. Ihre Motivation resultiert aus den grundsätzlichen Eigenschaften von Gestaltungsbeiräten, die garantieren, dass diese Gremien als fachlich-unabhängige Berater und somit als Anwälte für architektonische und städtebauliche Güte wirken können. „Der Gestaltungsbeirat ist ein wichtiges Forum, das Architektur und Stadtplanung wieder auf die politische und kulturelle Tagesordnung einer Stadt setzt.“ Helmut Riemann aber sind die Architekten, die aufgefordert sind, ihre Planungen und Entwürfe den Sachverständigen zu präsentieren und sich der Kritik zu stellen, in der Regel sogar in öffentlicher Sitzung. Nicht selten formulieren die Beiräte dabei Empfehlungen, die zu grundlegenden Überarbeitungen und zur Wiedervorlage führen. Die Vorstellung eines Projektes im Gestaltungsbeirat bedeutet also für die planenden Büros – zumindest auf den ersten Blick – ein zusätzliches Hindernis auf dem ohnehin steinigen Weg immer komplexerer Rahmenbedingungen und oft widerstreitender Interessen, denen das Bauen heute ausgesetzt ist. In dieser Situation wird sich kein Architekt zusätzliche Stolpersteine wünschen. Deshalb drängt sich die Frage auf: Warum sollte ein Architekt, der sein Fach schließlich mit Erfolg studiert und einschlägige Erfahrungen im Beruf gesammelt hat, gutachterliche Belehrungen von Kollegen entgegennehmen? 34 Dabei ist für die Leistungsfähigkeit von Beiräten und für ihre Akzeptanz bei lokalen Architekten die Fachorientierung entscheidend, die voraussetzt, dass alle Mitglieder Fachleute aus den Bereichen Architektur, Stadtplanung und Denkmalpflege oder eng verwandter Disziplinen sind. Darüber hinaus müssen Gestaltungsbeiräte unabhängig sein – das heißt, dass der Beirat mit externen Experten besetzt ist, um jede Interessenskollision auszuschließen. Außerdem legen Gestaltungsbeiräte einen hohen Wert auf eine Vielfalt an Meinungen. Die Aufgabe des Beirats wird also am besten von einem Gremium wahrgenommen, dessen – in der Regel fünf – Mitglieder im Spektrum der aktuellen Architekturdiskussion unterschiedliche Positionen vertreten. Der Beirat muss in seinem Wirken öffentlich wahrgenommen werden. Daher sollten die Sitzungen im Regelfall für interessierte Zuhörer und Bürger geöffnet werden. Diese Form einer transparenten Arbeitsweise fördert das Vertrauen in das Gremium und zeigt die Ernsthaftigkeit, mit der die Beiratsmitglieder im Sinne gesellschaftlicher Belange und jenseits eigener Interessen über Architekturqualität diskutieren. Und nicht zuletzt kennzeichnet das Konsensprinzip die Tätigkeit eines Gestaltungsbeirats: Das empfehlende Votum ersetzt nicht die gesetzesgebundene Verwaltungsarbeit und auch nicht die demokratisch legitimierte politische Entscheidung der Stadtparlamente. Die Arbeit des Gestaltungsbeirats kann nur dann erfolgreich sein, wenn das Ergebnis der fachlichen Empfehlung, das nach einem konstruktiven Dialog formuliert wird, von allen Beteiligten akzeptiert wird. Der Gestaltungsbeirat wird vor diesem Hintergrund zu einem wichtigen Forum, das Architektur und Stadtplanung wieder auf die politische und kulturelle Tagesordnung einer Stadt setzt. Die Arbeit mit einem Gestaltungsbeirat kann also zwei folgenreiche und weitverbreitete Irrtümer aufklären: Sie widerlegt die These, dass Bauen eine reine Privatangelegenheit sei, solange es um die Investition privater Gelder geht, und die These, dass wirtschaftlicher Erfolg und Baukultur zwei konkurrierende Ziele seien, die einander ausschließen. Städte und Regionen, in denen es gelungen ist, ein gutes Klima für Städtebau und Architektur auf hohem Niveau zu schaffen, sind auch wirtschaftlich erfolgreich. Städte und Regionen dagegen, die ihr Selbstwertgefühl, das sich wesentlich an einer Haltung zur Architektur festmachen lässt, verloren haben, werden auch für Unternehmen auf der Suche nach einem geeigneten Standort wenig attraktiv sein. Von einem für Architektur und Stadtgestaltung aufgeschlossenen Klima profitieren also eine gesamte Stadt oder eine Region, die lokale Wirtschaft und der Fremdenverkehr. Die Zuständigkeit der Beiräte kann in diesem Sinne indes nicht auf die Leuchtturmprojekte in den Kern- und Altstädten beschränkt sein: Sie muss sich auf das gesamte Stadtgebiet erstrecken – auf Geschosswohnungsbauten, die die Vorstädte prägen, ebenso wie auf Gewerbebauten, die Industriegebieten ein Gesicht geben, und auch auf Bauvorhaben des Alltags, die die Ein- und Ausfallstraßen als Visitenkarten der Städte gestalten. Um dieses übergeordnete Ziel zu erreichen, kann ein fachlich-unabhängiger Gestaltungsbeirat klare gestalterische Grenzen aufzeigen. Noch entscheidender ist aber, dass er mit seinen Positionen den Stellenwert von guter Architektur und Stadtgestalt überzeugend darlegen kann – mit Positionen, die in ihrer Klarheit und Selbstverständlichkeit nur selten von Politik und Verwaltung formuliert werden können. Belebt und gefördert wird so die Diskussionskultur über Architektur und Gestalt. Gründe, die es durchaus rechtfertigen, sich als Architekt mit seinem Projekt der Hürde des Gestaltungsbeirates zu stellen. Helmut Riemann ist Architekt in Lübeck, war bis 2000 Mitglied im Gestaltungsbeirat Regensburg und bis 2010 Mitglied im Gestaltungsbeirat Bad Malente. Jetzt ist Helmut Riemann im Gestaltungsbeirat der Stadt Biberach tätig. Zu seinen Werken zählen u.a. mehrere Bauten für die Sparkasse Aurich-Norden und zahlreiche Umbauten, Sanierungen und denkmalpflegerische Maßnahmen sowie Neubauten im Bereich Hotel- und Wohnungsbau. 35 Umbau eines Geschäftshauses, Halle Lageplan Schnitt Das Jugendstilkaufhaus wurde 1909 erbaut und erhielt in den 1960er Jahren eine neue Fassade. Eine grundlegende Sanierung des gesamten Gebäudes stand 2007 an. Dabei stellte sich die Frage nach einem angemessenen Erscheinungsbild des Kaufhauses am Hallenser Marktplatz, der von unterschiedlichen Architekturepochen geprägt ist. Dem Gestaltungsbeirat wurde ein erster Entwurf vorgelegt, der die historische Kubatur hinter einer zeitgenössischen Glashülle sichtbar darstellte. Dieser Vorschlag überzeugte den Gestaltungsbeirat nicht, weil das Kaufhaus dadurch das Marktensemble stark dominieren würde. Eine Überarbeitung wurde empfohlen. Ansicht Bestand um 1980 Ansicht Erstplanung Ansicht Endfassung 36 Fassadendetail Der zweite Entwurf lehnt sich an die Fassade aus den 1960er Jahren mit ihrer Verbindung aus Glas, Stein und Aluminium an. Als Referenz an das ursprüngliche Jugendstilkaufhaus sind die Innenräume der obersten Etage im historischen Goldton gehalten, der auch von außen wahrnehmbar ist. Dieser Vorschlag wurde vom Gestal¬tungsbeirat befürwortet. Ansicht vom Markt 37 Fritz Auer Strukturen und Prinzipien für ein qualifiziertes Arbeiten von Gestaltungsbeiräten Der Regensburger Gestaltungsbeirat genießt bundesweit eine Vorbildfunktion für sein positives Wirken auf die Baukultur – ein Potenzial, das inzwischen von vielen Städten erkannt wird. Meine Empfehlungen für den Aufbau und die Arbeitsweise einer solchen Beratungsinstanz beruhen maßgeblich auf meiner Tätigkeit in diesem Gremium. gensburger Gestaltungsbeirat in kurzer Zeit zu einem gesuchten Dialogpartner entwickeln konnte. Besonders der in der Satzung verankerte Anspruch, ausschließlich externe Experten für die Beratung von Bauherren, Stadt und Verwaltung in Fragen der Architektur und Stadtgestalt zu berufen, ist ein wesentlicher Baustein für die qualifizierte Arbeit des Beirats: Für unabhängige und mit einem hohen Maß an Objektivität ausgesprochene Empfehlungen ist entscheidend, dass die Beiratsmitglieder nicht in das lokale Baugeschehen involviert sind. Dementsprechend sind diese weder in Regensburg wohnhaft noch während der Zeit ihrer Mitgliedschaft hier beruflich engagiert. Um sich dennoch als „Auswärtiger“ ausreichend mit der baulichen Geschichte der Stadt und mit ihren Entwicklungstendenzen vertraut zu machen, sollte die Tätigkeit im Beirat mindestens zwei Jahre betragen. „Sehr schnell ist der Beirat in seinem Selbstverständnis und als Regulativ sowohl von der Fach- als auch der allgemeinen Öffentlichkeit akzeptiert worden.“ Fritz Auer Die Gründung des Beirats in Regensburg ging in bemerkenswerter Weise auf eine Initiative junger Architekten zurück, die darin die Chance sahen, das über Jahrhunderte gewachsene Stadtbild Regensburgs mit einer hohen architektonischen Qualität weiterzubauen. Verbunden war damit die Intention, einem lokal unvoreingenommenen Expertengremium, bestehend aus Architekten, Stadtplanern und Landschaftsarchitekten, eigene Entwürfe vorzustellen und damit die Dominanz der „alteingesessenen“ Kollegen aufzubrechen. Die Politik nahm den Vorschlag interessiert auf, erkannte den Handlungsbedarf und etablierte den Beirat als unabhängige und mit Fachkompetenz ausgestattete Institution. Diese weitsichtige und politisch mutige Entscheidung war das Fundament dafür, dass sich der Re- 38 Das Regensburger Gremium ist mit Expertenkompetenz besetzt und kann so Gestaltungsempfehlungen auf hohem fachlichen Niveau aussprechen. Der Einbezug politischer Mandatsträger in die Diskussion und in die Empfehlung des Rates ist eine wesentliche Stütze für eine erfolgreiche Tätigkeit: Einerseits können die Ergebnisse besser in den kommunalen Fachausschüssen und im Gemeinderat vermittelt werden, andererseits wird der Gestaltungsbeirat über die politische Position zu den einzelnen Projekten informiert. Daher nehmen an den Sitzungen Vertreter der politischen Fraktionen teil, ha- ben aber kein Mitspracherecht. Anfänglich bestanden seitens des Beirats Unsicherheiten über den richtigen Umgang mit den „Antragstellern“ und den Grenzen der Zuständigkeit. Auch galt es die Balance zwischen Beratung und Belehrung, zwischen hilfreichem Rat und verurteilendem Richterspruch zu finden. Es war sicher gut, dass angesichts solcher Fragen der Beiratsvorsitzende Peter Kulka bereits in der Gründungsphase das Gewicht dieser Institution in seiner ihm eigenen Art postulierte und sie in den Blickpunkt der Öffentlichkeit rückte. Sehr schnell ist der Beirat in seinem Selbstverständnis und als Regulativ sowohl von der Fach- als auch der allgemeinen Öffentlichkeit akzeptiert worden. Ein wichtiger Grund dafür liegt sicherlich in seiner Arbeitsweise. Dazu gehört das Bemühen um eine transparente Beratungstätigkeit, um Akzeptanzprobleme zu vermeiden: Nach einer vorausgehenden Ortsbesichtigung stellen Bauherren und Architekten ihre Projekte in einer öffentlichen Sitzung vor. Zwar hat die darauf folgende Beratung innerhalb des Gremiums einen nicht-öffentlichen Charakter, jedoch wird das Beratungsergebnis den Architekten und Bauherren im Anschluss erläutert. Falls die vorgelegten Projekte nicht den Erwartungen des Beirats entsprechen, wird um Modifikation entsprechend den Empfehlungen gebeten. Zeigen diese wiederum nicht die erhoffte Qualität, wird angeregt, Alternativvorschläge unter Einbezug anderer Architekten zu erarbeiten. Dass dieser Schritt nicht leicht zu vermitteln ist, liegt nahe. Bauherr und Architekt sind dabei als Partner auf Augenhöhe zu betrachten, und die Empfehlungen zur Überarbeitung sollten keinen „Gesichtsverlust“ bei ihnen verursachen. Obwohl der Beirat nur empfehlenden Charakter hat, werden die Ratschläge von Politik und Verwaltung in der Regel uneingeschränkt übernommen. So wurde beispielsweise der Bauantrag eines Energieversorgers für ein Hochhaus abgelehnt, das der Beirat wegen seiner kritischen Nähe zur Altstadtsilhouette nicht befürwortete. Als Gegenbeispiel kann das vom Beirat unterstützte Kultur- und Kongresshaus am Donaumarkt gelten – ein Projekt, das wegen mehrerer Bürgerentscheide bis heute nicht verwirklicht wurde. Dies zeigt, dass die Empfehlungen des Rates politische Entscheidungen erleichtern können, keineswegs jedoch als Alibi für politische Mandatsträger dienen und sie aus ihrer Verantwortlichkeit entlassen. Von einer kooperativen Zusammenarbeit aller Beteiligten zeugen nicht zuletzt die inzwischen zahlreich realisierten Projekte im engeren und weiteren Stadtgebiet Regensburgs, die zugleich eindrucksvoll bestätigen, dass ein Gestaltungsbeirat das architektonische und städtebauliche Qualitätsniveau in einer Stadt nachhaltig fördern kann. Prof. Fritz Auer führt seit 1980 gemeinsam mit Carlo Weber die Architektengemeinschaft Auer + Weber in Stuttgart und München. Zu ihrem Werk zählt unter anderem das Landratsamt Starnberg, die Revitalisierung des Zeppelin-Carrés in Stuttgart, das Ruhrfestspielhaus Recklinghausen und der Umbau des Dresdner Ausstellungsgebäudes Brühlsche Terrassen. Fritz Auer ist im Gestaltungsbeirat der Städte Regensburg, Konstanz und Landshut tätig. 39 Neubau eines Geschäftshauses, Regensburg Lageplan Nordansicht Erstplanung Nordansicht Endfassung Westansicht Erstplanung Westansicht Endfassung Für den Altstadtbereich hat eine große Textilkette den Bau eines Kaufhauses beantragt. Dem Gestaltungsbeirat wurde im Juli 1998 der Entwurf vorgelegt. Im Ergebnis der Beratungen wurden die Fassaden und die Dachausbildung kritisiert, die nicht die Tradition des Ortes aufnehmen. Empfohlen werden eine sensiblere Gestaltung und ortstypische Materialen, um das Kaufhaus als modernes Bauwerk in die mittelalterliche Stadtstruktur zu integrieren. 40 Ostansicht Endfassung Nord-Westansicht Nordansicht Für die Überarbeitung regte der Gestaltungsbeirat einen Architektenwettbewerb an, zu dem fünf Architekturbüros eingeladen wurden. Im Oktober 1998, also nur drei Monate nach der ersten Besprechung im Beirat, stellte der nach der Wettbewerbsentscheidung beauftrage Architekt den neuen Entwurf vor. Der Beirat würdigt den gelungenen Vorschlag, der „in einer zeitgemäßen Architektursprache ein Haus unserer Zeit von besonderer Qualität“ schafft – die hohe Akzeptanz des Kaufhauses bei der Regensburger Bevölkerung unterstreicht dieses Urteil. Luftbild 41 42 Wo und wie Sie uns finden 43 Der BDA und seine Geschäftsstellen Weitere Informationen zur Arbeit von Gestaltungsbeiräten und über qualifizierte Architekten erhalten Sie in den Geschäftstellen des BDA und seiner Landesverbände. Bund Deutscher Architekten BDA Bundesgeschäftsstelle Köpenicker Straße 48 / 49 10179 Berlin Tel. 030. 27 87 99 0 Fax 030. 27 87 99 15 kontakt@bda-bund.de www.bda-bund.de BDA Baden-Württemberg Zeppelin Carré Friedrichstraße 5 70174 Stuttgart Tel. 0711. 64 04 039 Fax 0711. 60 29 50 info@bda-bawue.de www.bda-bawue.de 44 BDA Bayern Türkenstraße 34 80333 München Tel. 089. 18 60 61 Fax 089. 18 41 48 sekretariat@bda-bayern.de www.bda-bayern.de BDA Bremen Altenwall 7 / 8 28195 Bremen Tel. 0421. 32 54 76 Fax 0421. 32 13 78 info@bdabremen.de www.bdabremen.de BDA Berlin Mommsenstraße 64 10629 Berlin Tel. 030. 88 68 32 06 Fax 030. 88 68 32 16 info@bda-berlin.de www.bda-berlin.de BDA Hamburg Architektur Centrum Holstenwall 24 20355 Hamburg Tel. 040. 41 33 31 0 Fax 040. 41 33 31 23 info@bda-hamburg.de www.bda-hamburg.de BDA Brandenburg c / o Hubertus Eilers Altes Gutshaus 14974 Gröben Tel. 03378. 87 41 10 Fax 03378. 87 41 19 info@bda-brandenburg.de www.bda-brandenburg.de BDA Hessen Braubachstraße 12 60311 Frankfurt / Main Tel. 069. 28 31 56 Fax 069. 28 91 18 landessekretariat@bda-hessen.de www.bda-hessen.de BDA Mecklenburg-Vorpommern c / o Ullrich Schmidt Woldegker Straße 4 17033 Neubrandenburg Tel. 0395. 58 12 10 Fax 0395. 58 12 12 6 geschaeftsstelle@bda-mv.de www.bda-mv.de BDA Rheinland-Pfalz c / o Edda Kurz Friedrichstraße 37 55124 Mainz Tel. 06131. 47 20 50 Fax 06131. 47 85 75 edda.kurz@kurz-architekten.net www.architektenbda.de BDA Sachsen-Anhalt c / o Falk Zeitler Mansfelder Straße 56 06108 Halle / Saale Tel. 0345. 68 54 95 9 Fax 0345. 68 54 37 7 info@bda-sachsen-anhalt.de www.bda-sachsen-anhalt.de BDA Niedersachsen Alleehof 4 30167 Hannover Tel. 0511. 70 10 32 8 Fax 0511. 70 11 14 4 mail@bda-niedersachsen.de www.bda-niedersachsen.de BDA Saarland c / o Carsten Diez Uhlandstraße 18 66121 Saarbrücken Tel. 0681. 58 95 69 3 Fax 0681. 58 95 69 4 info@bda-saar.de www.bda-saar.de BDA Schleswig-Holstein Dänische Straße 3-5 24103 Kiel Tel. 0431. 55 45 77 Fax 0431. 51 66 5 info@bda-schleswigholstein.de www.bda-schleswigholstein.de BDA Nordrhein-Westfalen Marktplatz 10 40213 Düsseldorf Tel. 0211. 32 88 49 Fax 0211. 32 59 51 mail@bda-nrw.de www.bda-nrw.de BDA Sachsen c / o Ronald Wanderer Scharnhorststraße 17 04275 Leipzig Tel. 0341. 35 83 91 2 Fax 0341. 35 83 91 5 bda@koenigwanderer.de www.bda-sachsen.de BDA Thüringen Bahnhofstraße 39 99084 Erfurt Tel. 0176. 60 86 95 16 0361. 65 55 665 marion.aschenbach@erfurt.de www.bda-thueringen.de 45 Projektverzeichnis S. 22 Umbau eines Wohn- und Geschäftshauses Luzengasse 1, Schwarze-Bären-Straße 8 93047 Regensburg Architekt Architekturbüro beta-planungsteam, Regensburg Planungsgruppe DPW, Regensburg Bauherr Lambert Projektbau GmbH, Regensburg Fotos und Pläne Publikation „Regensburg plant und baut“ Nr. 15, Hrsg. Stadt Regensburg, Planungsund Baureferat, 1998 S. 26 Um- und Neubau des Becker‘s Hotel und Restaurant Olewiger Straße 206 54295 Trier Architekt Architekten Stein Hemmes Wirtz, Kasel / Saarbrücken / Frankfurt Architekturbüro Andreas Bohr, Trier Bauherr Wolfgang Becker, Trier Fotos und Pläne Architekten Stein Hemmes Wirtz Becker‘s Hotel und Restaurant Architekturbüro Andreas Bohr, Trier S. 30 Revitalisierung des Verwaltungsgebäudes der Badischen Versicherungen Durlacher Allee 56 76131 Karlsruhe Architekt Vollack archiTec GmbH & Co.KG, Karlsruhe Projektleitung: Joachim Wohlfarth Bauherr BGV Immobilien GmbH & Co.KG, Karlsruhe Fotos und Renderings Vollack archiTec GmbH & Co. KG Netzhaut [CG], Weimar S. 34 Umbau eines Geschäftshauses Leipziger Straße 105 / 106 06108 Halle (Saale) Architekt Karsten K. Krebs Architekten, Hannover Projektleitung: Jens Giesecke Bauherr NewYorker S.H.K. Jeans GmbH, Braunschweig Fotos und Pläne Karsten K. Krebs Architekten S. 38 Neubau eines Geschäftshauses St.-Kassians-Platz 3 93047 Regensburg Architekt MGF Architekten GmbH, Stuttgart Bauherr Internationales Immobilien-Institut, München Fotos und Pläne Publikation „Regensburg plant und baut“ Nr. 7, Hrsg. Stadt Regensburg, Planungsund Baureferat, 2002 Impressum Gestaltungsbeiräte Mehr Kommunikation, mehr Baukultur Herausgeber Bund Deutscher Architekten BDA Köpenicker Str. 48 / 49 10179 Berlin www.bda-architekten.de BDA Arbeitsgruppe Gestaltungsbeirat Prof. Zvonko Turkali (Sprecher), Michael Arns, Christian Blauel, Hubertus Eilers, Prof. Heribert Gies, Harald Kiefer, Carola Schäfers Redaktion Dr. Olaf Bahner, Andreas Denk, Lena Witte Layout und Satz David Kasparek Druck Rehms Druck GmbH, Borken/Westfalen Berlin 2011 47 48