Politik bei uns wird nicht mehr aktiv betreut, eine Datenaktualisierung findet genausowenig statt wie Support.

Wir würden gerne weitermachen. Aber die Ansprüche an die Plattform passen nicht zum vollständig ehrenamtlichen Betrieb. Hintergründe und Ideen zur Rettung finden Sie in diesem Blogartikel.

Antrag (Handlungsleitfaden umF)

Daten

Kommune
Erftstadt
Größe
111 kB
Datum
01.06.2016
Erstellt
14.04.16, 15:07
Aktualisiert
14.04.16, 15:07
Antrag (Handlungsleitfaden umF) Antrag (Handlungsleitfaden umF) Antrag (Handlungsleitfaden umF) Antrag (Handlungsleitfaden umF) Antrag (Handlungsleitfaden umF)

öffnen download melden Dateigröße: 111 kB

Inhalt der Datei

Unbegleitete minderjährige Ausländer (UMA) Verfahrensstandards Jugendamt Erftstadt 2015/16 Grundlagen für die Verfahrensstandards bilden die „Handreichung zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in NRW“ des Ministeriums für Inneres und Kommunales und der Landesjugendämter NRW (2013) sowie die „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter (2014) sowie die gesetzlichen Neuregelungen zum 01.11.2015. Einleitung Der Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Ausländern (umA) ist geprägt durch das Spannungsfeld zwischen dem Kinder- und Jugendhilferecht auf der einen und dem Aufenthalts- und Asylrecht auf der anderen Seite. Die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge sind in der Regel im Alter von 12 bis 17 Jahren und kommen über unterschiedliche Fluchtwege, alleine, in Gruppen oder mit Geschwistern nach Deutschland. Ihre Anlaufstellen in Deutschland sind überwiegend durch mögliche Verwandte oder durch organisierte „Fluchthelfer“ vorbestimmt. Die Bedingungen der Flucht sind gekennzeichnet von hohen psychischen Belastungen, Traumatisierungen, dem Erleben von Gewalt und der Abhängigkeit von Fluchthelfern und Schlepperorganisationen. Es reisen weitaus mehr Jungen als Mädchen ein. In der Fallbearbeitung ist darauf zu achten, dass die Ermessensspielräume der Entscheidungen eng sind (im Zweifel für den Minderjährigen) und Fristen eingehalten werden müssen. 1. Prüfung der Zuständigkeit Erhält das Jugendamt Kenntnis davon, dass sich ein unbegleitet eingereister Minderjähriger in seinem örtlichen Zuständigkeitsbereich tatsächlich auffällt (§ 87 SGB VIII) oder wurde er aufgrund der neuen Gesetzeslage ab dem 01.11.2015 einer Kommune zugewiesen, so ist dieses Jugendamt (vorläufig) zuständig und es ist ein sofortiges (vorläufiges) Inobhutnahmeverfahren gem. §§ 42a bzw. 42 SGB VIII einzuleiten. Dafür reicht es aus, dass die Minderjährigkeit möglich ist; sie muss (noch) nicht festgestellt sein. Auf eine konkrete Kindeswohlgefährdung kommt es in diesen Fällen nicht an, da sich diese bereits aus der Tastsache ergibt, dass der minderjährige Flüchtling unbegleitet ist. Unbegleitet sind alle Minderjährigen, die ohne Begleitung von Personensorge- oder Erziehungsberechtigten (gem. § 7 SGB VIII) sind. Der Kinderschutz hat grundsätzlich Vorrang gegenüber ausländerrechtlichen Regelungen des Aufenthalts- und Asylverfahrensgesetzes. 2. Vorläufige Inobhutnahme (Verteilungsverfahren) Das Jugendamt, bei dem ein unbegleiteter ausländischer Minderjähriger zuerst ankommt (z.B. in einer kommunalen Erstaufnahmeeinrichtung), ist verpflichtet, diesen Minderjährigen nach § 42a SGB VIII vorläufig in Obhut zu nehmen. Innerhalb von 2 Werktagen meldet dann das Jugendamt der Landesverteilstelle NRW (beim LVR) Name, Alter, Geschlecht, Herkunft und offensichtliche Bedarfe des Minderjährigen mit dem Formular "Erstmeldung". 2 Innerhalb von 7 Werktagen nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme muss das Jugendamt prüfen, ob der Minderjährige grundsätzlich zur Verteilung angemeldet werden kann oder von dieser auszuschließen ist. Diesbezüglich hat das Jugendamt zusammen mit dem Minderjährigen einzuschätzen,     ob das Wohl des Minderjährigen durch die Durchführung des Verteilungsverfahrens gefährdet würde, ob sich eine mit dem Minderjährigen verwandte Person im Inland oder im Ausland aufhält (Familienzusammenführung), ob das Wohl des Minderjährigen eine gemeinsame Inobhutnahme mit Geschwistern oder anderen unbegleiteten ausländischen Kindern oder Jugendlichen (Fluchtgemeinschaft) erfordert und ob der Gesundheitszustand des Minderjährigen die Durchführung des Verteilungsverfahrens innerhalb von 14 Werktagen nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme ausschließt; hierzu soll eine ärztliche Stellungnahme eingeholt werden. Außerdem ist vorzunehmen. eine erste Altersfeststellung aufgrund des äußeren Anscheins Die Landesverteilstelle NRW meldet nach erfolgter vorläufiger Inobhutnahme und Eingang der schriftlichen Bewertung (Erst-Screening) den Minderjährigen gem. § 42b SGB VIII zur Verteilung beim Bundesverwaltungsamt an. Dieses entscheidet innerhalb von 2 Werktagen, welchem Bundesland der Minderjährige zugewiesen wird und teilt dies der entsprechenden Landesverteilstelle mit. Diese weist den Minderjährigen schließlich innerhalb von 2 weiteren Werktagen einem Jugendamt zu. Soll der Minderjährige im Rahmen eines Verteilungsverfahrens untergebracht werden, so umfasst die vorläufige Inobhutnahme auch die Pflicht, die Begleitung des minderjährigen Flüchtlings und dessen Übergabe durch eine insofern geeignete Person an das für die Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII zuständige Jugendamt sicherzustellen. 3. Erstgespräch durch das Jugendamt (nach erfolgter Zuweisung)     In einem, nach erfolgter Zuweisung, schnellstmöglich geführten ersten Gespräch mit dem minderjährigen Flüchtling sind die Fakten, auch zur Klärung der Altersfrage, zu ermitteln. Dem Jugendlichen sind die weiteren Verfahrensschritte zu erläutern. Dieses Gespräch sollte möglichst immer durch zwei Fachkräfte des Jugendamtes und gegebenenfalls unter Einbeziehung des Amtsvormundes durchgeführt werden. Ein neutraler Dolmetscher ist hinzuzuziehen. Dies sollte möglichst kein Angehöriger oder Freund des unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings sein. Die Kosten für den Dolmetscher trägt zunächst das Jugendamt. (Dolmetscher können beim Amtsgericht in Erfahrung gebracht bzw. der amtsinternen Liste entnommen werden. Die Kosten inkl. An/Abfahrt und Kilometerentschädigung sind zu erstatten.) Erneut ist sorgfältig zu prüfen, ob es Familienangehörige in Deutschland gibt und ob die Möglichkeit bzgl. einer fachlich vertretbaren Familienzusammenführung besteht. Das Gespräch ist zu dokumentieren (Vorlage) und von den Beteiligten zu unterschreiben. Dem minderjährigen Flüchtling kann eine Kopie des von ihm unterzeichneten Dokumentationsbogens ausgehändigt werden. 3 3.1. Alterseinschätzung Inobhutnahme (gem. § 21 SGB X)        Legt die Person gültige Ausweisdokumente vor, so ist das darin angegebene Alter maßgeblich. Liegen keine Ausweispapiere vor (Regelfall), zählt die Angabe des Flüchtlings. Es ist dann erforderlich, dass sich das Jugendamt einen persönlichen Eindruck von dem Hilfesuchenden verschafft, um zu einer Einschätzung zu kommen. Das Jugendamt ist (erst einmal) nicht verpflichtet, ein Gutachten einzuholen. Es prüft nach pflichtgemäßem Ermessen durch Inaugenscheinnahme, Einholung von Auskünften jedweder Art und der Einsicht in vorliegende Dokumente bzw. Akten. Dabei ist der unbegleitete Flüchtling zur Mitwirkung und Auskunft verpflichtet. Es wird empfohlen, zur Einschätzung des Alters, den vorliegenden Fragebogen im Erstgespräch zu benutzen. Wird Minderjährigkeit festgestellt, erfolgt eine Inobhutnahme gem. § 42 SGB VIII (+ schriftlichem Bescheid). Die Inobhutnahme ist allen zuständigen Stellen schriftlich mitzuteilen. In Zweifelsfällen, wenn nicht eindeutig eine Volljährigkeit ausgeschlossen werden kann, wird zunächst Minderjährigkeit angenommen und es erfolgt ebenfalls eine Inobhutnahme gem. § 42 SGB VIII. In einem Clearing zur Feststellung des Jugendhilfebedarfes (s.u.) kann eine Altersbestimmung erfolgen. (Mehrere OLG´s und der Deutsche Ärztetag weisen darauf hin, dass Knochenröntgen und Computertomographien zur Alterseinschätzung bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen nicht vertretbar sind und nicht angewandt werden dürfen.) In Fällen, in denen aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes, des offensichtlichen Entwicklungsstandes und des in einem Gespräch mithilfe eines Dolmetschers gewonnenen Gesamteindrucks eine Minderjährigkeit ausgeschlossen werden kann, ist die Inobhutnahme gem. § 42 SGB VIII abzulehnen. Im Falle der Ablehnung der Inobhutnahme ist immer ein Bescheid mit Rechtsbehelfsbelehrung zu fertigen und für den Betroffenen zu übersetzen. 4. Unterbringung und Betreuung im Rahmen der Inobhutnahme Die ausreichende pädagogische Betreuung und Versorgung der Kinder und Jugendlichen ist nach erfolgter Zuweisung gem. § 42 SGB VIII sicherzustellen. Die minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge sollen gem. Artikel 19, 31 EUAufnahmerichtlinie primär untergebracht werden bei 1. erwachsenen Verwandten oder 2. Pflegestellen (bzw. Gastfamilien) oder 3. anderen geeigneten Jugendhilfe- bzw. Clearingeinrichtungen Geschwister sollten zusammen bleiben. Die materielle und medizinische Versorgung ist sicherzustellen. 5. Pflicht zur Bestellung eines Vormunds / Ergänzungspflegers (Familiengericht) Das Jugendamt hat unverzüglich, d.h. innerhalb von 3 Werktagen, das Familiengericht über die Inobhutnahme zu informieren und die Bestellung eines Vormunds/ Ergänzungpflegers zu veranlassen (siehe Anschreiben Familiengericht). Grundlage hierfür ist, dass die Eltern im Ausland leben und keinen Kontakt zu dem Minderjährigen haben. Gem. § 1674 BGB ist dann das Ruhen der elterlichen Sorge bei tatsächlichem Hindernis durch das Gericht festzustellen und eine Vormundschaft gem. § 1773 BGB 4 einzurichten. (Sollte es z.B. telefonischen Kontakt zu den Eltern geben, ist zu begründen, warum dennoch die Sorgeberechtigten tatsächlich gehindert sind, ihrer Verantwortung nachzukommen). Neben der Personensorge muss der Amtsvormund den Flüchtling insbesondere im ausländerrechtlichen Verfahren vertreten und begleiten. Um den unbegleiteten minderjährigen Flüchtling im gesamten Asylverfahren zu unterstützen, ist ggf. in besonderen Einzelfällen zugleich die Bestellung eines Ergänzungpflegers mit diesem Wirkungskreis anzuregen. Über das Amtsgericht Brühl kann außerdem eine kostenlose Rechtsberatung beantragt werden. Die Vormundschaft kann geführt werden als ehrenamtliche Einzelvormundschaft, als Vereinsvormundschaft oder als Amtsvormundschaft. Das Erreichen der Volljährigkeit und somit Ende der Vormundschaft bestimmt sich nach dem jeweiligen Heimatrecht; die Volljährigkeit kann somit auch erst zwischen dem 18. – 21. Lebensjahr eintreten (siehe Länderliste). 6. Information der Ausländerbehörde über die Anwesenheit / Aufenthaltsrecht Die Ausländerbehörde des REK ist nach der Inobhutnahme über die Anwesenheit des minderjährigen unbegleiteten Kindes oder Jugendlichen und über die veranlassten Maßnahmen in Kenntnis zu setzen. Dort erfolgt dann die ausländerrechtliche Registrierung. Grundsätzlich sind zwei aufenthaltsrechtliche Vorgehen denkbar. Zum einen die Asylantragstellung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Nürnberg) oder zum anderen die Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis bei der zuständigen Ausländerbehörde (Bergheim). Eine Entscheidung bezüglich einer Duldung erfordert eine umfassende Klärung im Vorfeld und entsprechende rechtliche Kenntnisse. 7. Clearing im Rahmen der Inobhutnahme / Beendigung Das Clearing beginnt unmittelbar nach der Inobhutnahme und der erfolgten Unterbringung (z.B. im CJG Kinderheim St. Gereon in Bergheim-Zieverich). Ziele sind der Schutz der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge sowie die Klärung ihrer Bedürfnisse und der grundsätzlichen weiteren Perspektive. Hierzu zählen vor allem:      Klärung des Gesundheitszustandes durch eine ausreichende ärztliche Untersuchung und einer möglichen Anmeldung in einer gesetzlichen Krankenversicherung (WiJu). Außerdem ist abzuklären, ob es einen (akuten) psychiatrischen Hilfe- bzw. Therapiebedarf gibt. Eine über das Erstgespräch hinausgehende Sozialanamnese (Bogen). Ggf. erneute und intensive Prüfung des Alters im Einvernehmen mit dem unbegleiteten minderjährigen Flüchtling. Sicherstellung des Schulbesuches bzw. Einleitung einer beruflichen Qualifizierungsmaßnahme sowie Förderung des Spracherwerbs. Beendigung des Clearings nach vorheriger Prüfung, welche anschließenden Hilfen nach Beendigung der Inobhutnahme angezeigt und erforderlich sind. Die Inobhutnahme kann auch durch die Übergabe des Minderjährigen in die Obhut des Vormunds beendet werden. 8. Gewährung erzieherischer Hilfen nach SGB VIII 5      Beantragung von Hilfen nach SGB VIII durch den Vormund (nach Bestallung) Für den einzelnen Minderjährigen sollte mit Blick auf den individuellen Bedarf das passende Angebot aus dem Leistungsbereich der Jugendhilfe gewährt werden, dies kann z.B. die Unterbringung in einer Pflegestelle (bzw. Gastfamilie) sein oder im Betreuten Wohnen im Jugendzentrum Köttingen (mit 3 städtischen Appartements) Beendigung der Inobhutnahme und Erstellung des Bewilligungsbescheides für den Vormund Ggf. Installierung (zusätzlicher) ambulanter Erziehungshilfen (z.B. durch die MioFamilienhilfe Hürth oder den Pädagogischen Familiendienst Erftstadt) Hilfeplanung gem. § 36 SGB VIII 9. Einleitung des Kostenerstattungsverfahrens Die örtliche Zuständigkeit und Kostenerstattung sind gem. §§ 86 ff. SGB VIII geregelt. Der örtliche Jugendhilfeträger hat für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in der Regel gegenüber dem Land/ überörtlichen Kostenträger Anspruch auf Kostenerstattung für die Kosten der (vorläufigen) Inobhutnahme, Dolmetscherkosten sowie anschließende Jugendhilfeleistungen. Die Anspruchsvoraussetzungen richten sich im Regelfall nach § 89 d SGB VIII. Die Gewährung der Jugendhilfe muss innerhalb eines Monats nach der Einreise (Tag des Grenzübertritts oder Tag der erstmaligen behördlichen Aufenthaltsfeststellung oder Tag der ersten Vorsprache im Jugendamt)einsetzen. Hat der unbegleitete minderjährige Flüchtling einen Asylantrag gestellt, ist der Antrag auf Kostenerstattung gem. § 5 FlüAG NRW bei der zuständigen Bezirksregierung zu stellen. Somit ist die frühzeitige Einbindung der wirtschaftlichen Jugendhilfe (-511-) erforderlich. Bei besonderen Fragestellungen ist Frau Steinbüchel (LVR), Tel. 0221/809-4038, im Rahmen der Fachberatung zu kontaktieren.