Daten
Kommune
Erftstadt
Größe
605 kB
Datum
02.02.2016
Erstellt
21.01.16, 15:02
Aktualisiert
21.01.16, 15:02
Stichworte
Inhalt der Datei
E A .p a p e r
# 3 | Oktober 2015
Windenergieanlagen in
Gewerbe- und Industriegebieten
www.energieagentur.nrw
Autorin
Anja Aster,
EnergieAgentur.NRW
Impressum
Herausgeber
EnergieAgentur.NRW
Kasinostraße 19-21
42103 Wuppertal
www.energieagentur.nrw
Redaktion
Dr. Joachim Frielingsdorf (V.i.S.d.P)
Oliver E. Weckbrodt
Autor
Anja Aster
Layout
designlevel 2
# 3 | Oktober 2015
Beschreibung
In der Internet-Schriftenreihe „EA.paper“ veröffentlicht die
EnergieAgentur.NRW Fachaufsätze und wissenschaftliche
Beiträge zu aktuellen Fragestellungen im Bereich ihres Arbeitsgebietes. Die Leser sind zu einer kritischen Auseinandersetzung
eingeladen.
ISSN 2199-6296
EA.paper # 3
Windenergieanlagen in
Gewerbe- und Industriegebieten
Großflächige Gewerbe- und Industrieflächen sind typisch für
den Wirtschaftsstandort Nordrhein-Westfalen. Es gibt seit Jahren
bestehende Windenergieanlagen (WEA) in Gewerbe- und Industrie
gebieten, die der Eigenstromversorgung energieintensiver Betriebe
dienen. Klimaschutz, Energieautarkie, Versorgungssicherheit und
Kostenreduktion sind wichtige Argumente für die Unternehmen.
D
ie Chancen der Nutzung der Windenergie in
Gewerbe- und Industriegebieten sind:
■ Nutzungsmöglichkeit für großflächige Industrie
brachen der Montan- und Schwerindustrie sowie
der Kraftwerksbranche, für die in Zeiten des
Strukturwandels nur schwer neue Investoren gefunden werden
■ Nutzungsmöglichkeit in aktiven Industriegebieten, mit und ohne noch nicht vermarkteten
Flächen, gegebenenfalls verbunden mit dem Angebot von ‚grünem Windstrom‘ für die Industriebetriebe des Gebiets über die örtlichen Stadtoder Gemeindewerke
■ Möglichkeit einer Eigenverbrauchs-WEA für Industriebetriebe anstatt einer fossilen Eigenstromversorgung
■ Schonung von Freiflächen sowie Bündelung von
Nutzungen
■ Stärkere Akzeptanz in der Bevölkerung auf
Grund bestehender Vorbelastung durch die industrielle Nutzung
Restriktionen mit Bezug auf die Nutzung der Windenergie in Gewerbe- und Industriegebieten sind,
neben unübersichtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen, vor allem:
■ Hohe Standortkosten / Grundstückspreise
■ Mangelnde Flächenverfügbarkeit oder Flächenkonkurrenzen innerhalb der Gewerbe- und Indus
triegebiete; problematisch ist zuweilen die Einhaltung entsprechender Abstandsflächen auch
zu benachbarter Wohnnutzung oder Betriebswohnungen im Gewerbegebiet
■ Die Einhaltung von Immissionsgrenzwerten auch
unter Berücksichtigung schalltechnischer Vorbelastung oder vorgegebener Schallkontingente
innerhalb und außerhalb der Gewerbe- und Industriegebiete
■ Risiken im potenziellen Havariefall
Insbesondere hinsichtlich der bauplanungs- und bau
ordnungsrechtlichen Grundlagen soll die vorliegende Veröffentlichung eine erste Übersicht schaffen.
EA.paper # 3 | Oktober 2015 | Windenergieanlagen in Gewerbe- und Industriegebieten
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EA.paper # 3
Best-Practice-Beispiel
Die Warsteiner Brauerei Haus Cramer KG hat am
Standort in Paderborn 2012 eine Windenergieanlage
zur Eigenstromversorgung in Betrieb genommen.
Zum Einsatz kommt eine Vestas V 90 mit einer Gesamthöhe von 170 m und einem Stromertrag von ca.
fünf Mio. kWh Strom pro Jahr. Es können im Idealfall
mehr als 40 % des Gesamtbedarfs an Strom der
Brauerei durch die Windenergieanlage gedeckt werden. Überschussanteile werden ins Stromnetz eingespeist und entsprechend der Regelungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG 2014) vergütet.
In windschwachen Zeiten bezieht die Brauerei Strom
von einem entsprechenden Anbieter. Nicht unerwähnt soll bleiben, dass der Standort der Windenergieanlage im Anströmbereich des Haarstrangs zu
den windhöffigsten Binnenlandstandorten in
Deutschland gehört.
Genehmigungsvoraussetzungen von
Windenergieanlagen in Nordrhein-Westfalen
Zur thematischen Eingrenzung:
leine Windenergieanlagen bis 10 m Anlagen
K
gesamthöhe können (außer in Wohn- und Mischgebieten) in Nordrhein-Westfalen baugenehmi
gungsfrei errichtet werden (§ 65 BauO NRW).
ie Anlagengesamthöhe bezieht sich dabei allein auf
D
die Höhe der Kleinwindenergieanlage (KWEA). Ferner
bedarf nach § 65 Abs. 2 Nr. 4 BauO NRW die mit diesen
genehmigungsfreien Anlagen verbundene Änderung
der Nutzung oder der äußeren Gestalt des Gebäudes
keiner Baugenehmigung. Die Genehmigungsfreiheit
entbindet nicht von der Verpflichtung zur Einhaltung
der Anforderungen, die in öffentlich-rechtlichen Vorschriften gestellt werden (§ 65 Abs. 4 BauO NRW).
Alle anderen kleinen Windenergieanlagen und
solche bis 50 m Anlagengesamthöhe bedürfen
der Baugenehmigung.
Für
die kleinen Sonderbauten bis zu 30 m Anlagengesamthöhe ist ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren mit einem eingeschränkten behördlichen
Prüfmaßstab durchzuführen (§ 68 Abs. 1 S. 1 BauO
NRW). Geprüft werden die bauplanungs- und bauordnungsrechtliche Zulässigkeit aber auch Standsicherheit, Abstandsvorschriften und Schallschutz. In
der Regel bedarf es hier keines Brandschutzkonzepts.
Windenergieanlagen mit mehr als 30 m Anlagengesamthöhe gelten als große Sonderbauten. Sie unter-
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liegen aufgrund ihrer Höhe und der damit verbundenen besonderen bautechnischen und konstruktiven
Anforderungen einer umfassenderen bauaufsichtlichen Prüfung (§ 68 Abs. 1 S. 3 BauO NRW). Abweichungen sind im Einzelfall möglich.
Der Baugenehmigung kommt – anders als der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung – keine
Konzentrationswirkung zu. Das heißt: Neben der
Baugenehmigung sind von der Bauherrschafft gegebenenfalls weitere Genehmigungen oder Erlaubnisse einzuholen, beispielsweise aus den Bereichen Natur- und Denkmalschutz. Da die Baugenehmigung
nach nordrhein-westfälischem Landesrecht lediglich den ‚Schlusspunkt‘ der für genehmigungsbedürftige Bauvorhaben durchzuführenden Zulässigkeitsprüfung darstellt, darf sie erst erteilt werden,
wenn die nach dem jeweiligen Fachrecht notwendigen weiteren Genehmigungen vorliegen.
Windenergieanlagen mit einer Gesamthöhe von
mehr als 50 m bedürfen der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG).
Zu unterscheiden ist zwischen einem vereinfachten
Genehmigungsverfahren nach § 19 BImSchG sowie
einem förmliches Genehmigungsverfahren nach §
10 BImSchG. Ausführungen zur immissionsschutzrechtlichen Genehmigung sind nicht Teil dieser Veröffentlichung.
EA.paper # 3 | November 2015 | Windenergieanlagen in Gewerbe- und Industriegebieten
Überblick Bau- und Planungsrecht
Bauplanungsrechtlich ist zwischen Innen- und Außenbereich zu unterscheiden.
Die besonderen rechtlichen Regelungen die Windenergie im Außenbereich betreffend, insbesondere
die Privilegierung der Windenergienutzung gegenüber anderen und ebenso berechtigten öffentlichen
Interessen, wie Erholungsnutzung oder Erholungsvorsorge, nach § 35 BauGB gelten im Innenbereich
nicht. Windenergieanlagen sind im bauplanungsrechtlichen Innenbereich bauliche Anlagen, wie alle
anderen auch und fügen sich genehmigungsrechtlich in den Kanon baulicher Anlagen ein.
Sowohl im Innen- als auch im Außenbereich wird zwischen der Windenergieanlage als selbständige bauliche Anlage und der Windenergieanlage als bauliche
Nebenanlage unterschieden.
Übersicht Bauplanungs- und Bauordnungsrecht
Bauplanungsrecht
■ Außenbereich
(§ 35 BauGB)
■ Innenbereich (§ 30
BauGB i.V.m. BauNVO,
§ 34 BauGB)
Bauordnungsrecht
WEA als bauliche Anlage
(§ 29 BauGB, § 2 BauO NRW)
Selbständige
bauliche Anlage
WEA als eigenständige
gewerbliche Anlage in GIB
Bauliche
Nebenanlage
untergeordnete
bauliche Nebenanlage
unselbständige
bauliche Nebenanlage
Windenergieanlagen als bauliche
Nebenanlagen
Untergeordnete bauliche Nebenanlagen
Windenergieanlagen sind als untergeordnete bauliche Nebenanlagen (§ 14 Abs. 1 BauNVO) in Gewerbeund Industriegebieten unter folgenden drei Bedingungen zulässig:
3. Die Windenergieanlage muss sich in die Eigenart
des Baugebiets und der näheren Umgebung einfügen.
1. Funktionale Unterordnung: Die Windenergieanlage dient dem primären Nutzungszweck des
Grundstücks; mindestens 50 % des generierten
Windstroms werden selbst verbraucht. Es reicht
ein rechnerischer Nachweis im Jahresmittel.
Windenergieanlagen können darüber hinaus ausnahmsweise als Nebenanlage zulässig sein, wenn sie
als Anlage für erneuerbare Energien der Versorgung
des Baugebiets mit Energie dienen (§ 14 Abs. 2 Satz
2 BauNVO). Das trifft nicht für Windenergieanlagen
zu, die ihren überschüssigen Strom in das öffentliche
Netz einspeisen.
2. Räumlich-gegenständliche Unterordnung: Die
Windenergieanlage darf der Hauptbauanlage
nicht gleichwertig erscheinen oder diese optisch
verdrängen.
In beiden Fällen kann sich eine Unzulässigkeit jedoch
aus § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO begründen, nämlich
dann, wenn ein Vorhaben dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme entgegensteht. Windenergie-
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EA.paper # 3
anlagen sind in Gewerbe- und Industriegebieten unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des
Baugebiets, im Baugebiet selbst oder dessen Umgebung unzumutbar sind. Dies bedarf der Beurteilung
anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls
(Standorteignung, passender Gebietszuschnitt, innergebietliche Flächenkonkurrenzen, Immissionsschutz etc.).
Weitere Informationen:
www.energieagentur.nrw/kleinwind
Baugenehmigungsfreie Kleinwindenergieanlage (KWEA)
Mantelturbine, Aufdachanlage
Baugenehmigungspflichtige Kleinwindenergieanlage
(KWEA) während der Montage.
Horizontalachsanlage mit einem ca. 20 m hohen, freistehenden Gittermast.
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Unselbstständige bauliche Nebenanlage
Windenergieanlagen zur überwiegenden Eigenstromversorgung in der Landwirtschaft, sind – im bauplanungsrechtlichen Außenbereich – als unselbstständige bauliche Nebenanlage zulässig.
Zulässigkeitsvoraussetzungen
■ Die Windenergieanlage muss einem landwirtschaftlichen Betrieb unmittelbar zu- und untergeordnet sein, als ‚unselbstständiger Teil‘ der
landwirtschaftlichen Betriebsstätte und sich zudem in räumlicher Nähe zur landwirtschaftlichen
Betriebsstätte befinden.
■ Die Windenergieanlage muss überwiegend der
Eigenstromversorgung dienen (> 50 % Eigenstromverbrauch). Hier reicht ein rechnerischer
Nachweis im Jahresmittel.
Mitziehende Privilegierung
Eine WEA, die als mitgezogener Betriebsteil an der
Privilegierung eines landwirtschaftlichen Betriebs
nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB teilnimmt, unterliegt
nicht der planerischen Steuerung der Windenergie
nach Maßgabe des Planvorbehalts in § 35 Abs. 3
Satz 3 BauGB. Das bedeutet, dass die Windenergieanlage auch außerhalb einer Windkonzentrationszone errichtet werden kann, wenn die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB vorliegen. Die Wirtschaftlichkeit oder die Höhe der geplanten
Windenergieanlage sind keine Kriterien für deren Zulässigkeit. Regelmäßig im Außenbereich zulässige
land- oder forstwirtschaftliche Bauvorhaben (§ 35
Abs. 1 Nr. 1 BauGB) sind Haupt- oder Nebenerwerbsbetriebe. Für Hobbylandwirte oder andere geduldete
Nutzungen im Außenbereich wie Wohnen oder KleinGewerbe ist keine Privilegierung gegeben.
Kleinwindenergieanlage (KWEA) an einer landwirtschaft
lichen Hofstelle im Außenbereich
EA.paper # 3 | November 2015 | Windenergieanlagen in Gewerbe- und Industriegebieten
Windenergieanlagen als selbstständige
bauliche Anlagen
Wird eine Windenergieanlage als eigenständige gewerbliche Anlage errichtet, so handelt es sich bei
der WEA um einen Gewerbebetrieb im planungsrechtlichen Sinn mit kommerzieller Nutzung. Es ist
in jeder Hinsicht unerheblich, was mit dem produzierten Windstrom geschieht. Dieser kann selbst
genutzt, vermarktet oder auch eingespeist werden
und so die Förderung gemäß der Regelungen des
Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG 2014) in Anspruch nehmen.
Überblick beplanter und unbeplanter
Innenbereich
Sollen Windenergieanlagen in Gewerbe- und Industriegebieten errichtet werden, ist zu prüfen, ob die
geplante Windenergieanlage im Geltungsbereich eines geltenden Bebauungsplans errichtet werden soll
oder ob es sich um einen unbeplanten Innenbereich
handelt.
Beplanter Innenbereich (§ 30 BauGB)
Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans
Zulässig sind Anlagen, die den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht widersprechen und deren
Erschließung gesichert ist.
Ungeplanter Innenbereich (§ 34 BauGB)
Diffuser Innenbereich (§ 34 Abs. 1 BauGB)
Einfügen in die Art der näheren Umgebung und in die vorhandene Bebauung
Beachtung des Gebots der gegenseitigen Rücksichtnahme
Keine Begründung bodenrechtlicher Spannungen
Keine Beinträchtigung des ortsbildes
Gemischte Strukturen (§ 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. BauNVO)
Im Wesentlichen analog beplanter Innenbereich
Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen
Vorschriften mindestens Festsetzungen über die
Art und das Maß der baulichen Nutzung, die übergeordneten Grundstücksflächen und die örtlichen
Verkehrsflächen enthält, ist ein Vorhaben zulässig,
wenn es den Festsetzungen nicht widerspricht und
die Erschließung gesichert ist.
WEA können als eigenständige gewerbliche Anlagen in Gewerbe- und Industriegebiete zulässig sein,
auch wenn dies nicht explizit in den textlichen oder
plangrafischen Festsetzungen dargelegt ist. Eine
positive Festsetzung zugunsten von Windenergieanlagen und damit verbunden eine mögliche Änderungen des Bebauungsplans sind nicht geboten. Die geplante Windenergieanlage darf den Festsetzungen
des Bebauungsplans lediglich nicht widersprechen,
was in der Planungspraxis beispielsweise regelmäßig bei Höhenfestsetzungen der Fall sein dürfte.
EA.paper # 3 | Oktober 2015 | Windenergieanlagen in Gewerbe- und Industriegebieten
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EA.paper # 3
Art und Maß der baulichen Nutzung
Art und Maß der baulichen Nutzung sind wichtige
Kriterien, um die Zulässigkeit eines Windenergievorhabens in einem Gewerbe- und Industriegebiet
beurteilen zu können.
Das Maß der baulichen Nutzung legt fest, wie hoch
oder wie dicht Grundstücke bebaut werden dürfen.
Im beplanten Innenbereich ergibt sich das zulässige
Maß der baulichen Nutzung anhand der Festsetzungen des Bebauungsplans, beispielsweise anhand der
Höhenfestsetzungen. In der Planungspraxis finden
sich zuweilen Pläne ohne dass konkrete Maße oder
Mindestmaße die bauliche Nutzung betreffend, vorgegeben werden. In diesem Fall beurteilt sich das zulässige Maß der baulichen Nutzung nach der Eigenart des Baugebiets und dessen Umgebung.
Die Art der baulichen Nutzung differenziert sich in
verschiedene Gebietskategorien und ist in der Baunutzungsverordnung (BauNVO) dargelegt.
Soll eine Windenergieanlage als eigenständige gewerbliche Anlage, mithin als Gewerbebetrieb im planungsrechtlichen Sinn, errichtet werden, ist zu prüfen, ob die geplante Windenergieanlage im Baugebiet gebietsverträglich ist. Gebietsverträglichkeit ist
eine Zulässigkeitsvoraussetzung, die in allen Baugebietstypen anzuwenden ist. In Gewerbegebieten gem.
§ 8 BauNVO und Industriegebieten gem. § 9 BauNVO
sind Windenergieanlagen grundsätzlich gebietsverträglich und können als gewerbliche Anlagen zulässig sein.
In allgemeinen und reinen Wohngebieten sind Windenergieanlagen als selbstständige bauliche Anlagen
in der Regel nicht gebietsverträglich; gleiches gilt für
Dorf- und Mischgebiete.
Die Baunutzungsverordnung (BauNVO) unterscheidet
zwischen Gewerbegebieten (dienen der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbetrieben) und Industriegebieten (dienen der Unterbrin
gung von Gewerbebetrieben aller Art, insbesondere
solchen, die belästigend sind). Hier ergibt sich eine
Binnendifferenzierung zwischen Gewerbe- und Industriegebieten. Industriegebiete verstehen sich als
‚Auffangbecken‘ für besonders immissionsträchtige
Gewerbebetriebe. Eine Windenergieanlage der Multimegawattklasse entspricht geradezu der allgemeinen Zweckbestimmung des Industriegebiets, so
dass eine Störung der allgemeinen Zweckbestimmung i.d.R. nicht abgeleitet werden kann. Die Frage
inwiefern eine Windenergieanlage der Multimegawattklasse ‚nicht erheblich belästigend‘ im Sinne
des § 8 BauNVO ist, bleibt der Beurteilung des Einzelfalls vorbehalten.
Beachtlich sind zudem die allgemeinen Voraussetzungen für die Zulässigkeit baulicher Anlagen (§ 15
BauNVO); unzulässig sind hiernach Anlagen, wenn
von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen
können, die nach der Eigenart des Baugebiets, im
Baugebiet selbst oder dessen Umgebung unzumutbar sind. Das betrifft insbesondere die immissionsseitigen Auswirkungen von Windenergieanlagen auf
Mensch und Umwelt, wie Schall und Schatten (Rücksichtnahmegebot).
Gebietskategorien gemäß Baunutzungsverordnung (BauNVO):
Wohngebiete dienen vorwiegend der Wohnnutzung. Die BauNVO unterscheidet reine (§ 3 BauNVO) und
allgemeine (§ 4 BauNVO) Wohngebiete. In reinen Wohngebieten sind neben Wohngebäuden auch Einrichtungen zur Kinderbetreuung zulässig. In allgemeinen Wohngebieten sind neben Wohngebäuden auch
Geschäfte zulässig, die der Versorgung des Gebiets dienen, Gaststätten oder nicht störende Handwerksbetriebe sowie Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke.
Gewerbegebiete (§ 8 BauNVO) dienen vorwiegend der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden
Gewerbetrieben. Zulässig sind neben Geschäfts-, Büro- oder Verwaltungsgebäuden vornehmlich Gewerbebetriebe, Tankstellen und Anlagen für sportliche Zwecke. Industriegebiete (§ 9 BauNVO) hingegen
dienen der ausschließlichen Unterbringung von Gewerbebetrieben aller Art, insbesondere solchen, die in
anderen Baugebieten belästigend und unzulässig sind.
Die BauNVO unterscheidet noch weitere Gebietskategorien, unter anderem Dorfgebiete (§ 5 BauNVO),
Mischgebiete (§ 6 BauNVO) oder Kerngebiete (§ 7 BauNVO).
Auskunft über die jeweilige Gebietskategorie erteilt das örtliche Bauamt. Hilfreich an der Stelle auch ein
Blick in den Flächennutzungsplan (FNP) der Stadt oder Gemeinde.
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EA.paper # 3 | November 2015 | Windenergieanlagen in Gewerbe- und Industriegebieten
Abgrenzung Sondergebiete
Bauleitplanerisch besteht für Städte und Gemeinden, die die Windenergie fördern und entwickeln
wollen, die Möglichkeit Sondergebiete für die Forschung, Entwicklung und Nutzung der Windenergie
auszuweisen (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB i.V.m. § 11 Abs. 2
Satz 2 BauNVO). Dies betrifft im Wesentlichen Windparks oder Windfarmen, also die Ansiedlung mehrerer Windenergieanlagen an einem Standort. Die
Darstellung von Sondergebieten trägt der Tatsache Rechnung, dass eine Ansammlung von drei und
mehr Windenergieanlagen der Multimegawattklasse
dem betreffenden Gebiet ein eigenes Erscheinungsbild geben und sich so von den anderen in den §§ 2
bis 10 BauNVO aufgeführten Baugebieten unterscheiden (Verunstaltungsverbot).
Daraus kann im Umkehrschluss nicht abgeleitet
werden, dass Windenergieanlagen im bauplanungsrechtlichen Innenbereich ausschließlich in einem
eigens dafür ausgewiesenen Sondergebiet zulässig
wären. Eine exklusive Zulässigkeit von Windenergieanlagen nur in Sondergebieten gem. § 11 BauNVO
sieht der Gesetzgeber nicht vor.
Gegen eine ausschließliche Zulässigkeit von Windenergieanlagen in Sondergebieten gem. § 11 BauNVO sprechen weitere Erwägungen. Hätte der
Normgeber auch in Bezug auf Windenergieanlagen
innerhalb von festgesetzten Baugebieten eine ausschließliche Zulässigkeit in Sondergebieten beabsichtigt, hätte es nahegelegen, diese ausdrücklich zu
normieren. Der Umstand, dass eine entsprechende
Regelung für Windenergieanlagen nach wie vor fehlt,
spricht für ihre Zulässigkeit in anderen Bebauungsplangebieten als in einem der Windenergie vorbehaltenen Sondergebiet – so jedenfalls urteilte der 12.
Senat des OVG Lüneburg (Urteil vom 25.06.2015, 12
LC 230/14).
Ausblick Wind-Contracting NRW
Energiecontracting als Oberbegriff für Energiedienstleistungen – ohne den Einsatz eigener Geldmittel.
Möchte ein Industrie- oder Gewerbebetrieb die Vorteile (Versorgungssicherheit, Energieautarkie, Kostenreduktion, Grünstrom / Klimaschutz) einer eigenen Windenergieanlage nutzen, seine Ressourcen
(finanziell, personell etc.) aber nicht belasten, kann
das Unternehmen einen Contractor zwischenschalten. Der Contractor plant, baut, wartet und betreibt
die Windenergieanlage. Das Unternehmen, auf dessen Grundstück die Windenergieanlage errichtet
wird, kauft dem Contractor Windstrom über einen
festgelegten Zeitraum ab.
Vor dem Hintergrund eines sich ändernden Erneuerbare-Energien-Gesetzes (Direktstromvermarktung,
Marktprämie, Ausschreibungsmodell etc.) und nicht
unerheblichen Flächenkonkurrenzen in NordrheinWestfalen sind Möglichkeiten den Ausbau der Windenergie in NRW durch alternative Geschäftsmodelle
zu beschleunigen, gefragt. Kann Wind-Contracting
hier einen Lösungsansatz bieten?
Weitere Informationen:
www.energieagentur.nrw/contracting
EA.paper # 3 | Oktober 2015 | Windenergieanlagen in Gewerbe- und Industriegebieten
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EA.paper # 3
Zusammenfassung
Windenergieanlagen sind als Hauptbauanlagen in
Sondergebieten für Anlagen, die der Nutzung erneuerbarer Energien dienen, zulässig (§ 11 BauNVO).
Windenergieanlagen sind als untergeordnete bauliche Nebenanlagen in Gewerbe- und Industriegebieten zulässig (§ 14 Abs. 1 BauNVO). Dies betrifft kleine
Windenergieanlagen bis 50 m Anlagengesamthöhe.
Windenergieanlagen sind als dienende Nebenanlagen in Gewerbe- und Industriegebieten zulässig,
wenn sie der ausschließlichen Versorgung des Baugebiets mit Energie dienen (§ 14 Abs. 2 BauNVO).
Windenergieanlagen können als Hauptbauanlage und
somit als eigenständige gewerbliche Anlage in Gewerbe- und Industriegebieten (§§ 8, 9 BauNVO) zulässig sein. Innerhalb von Gewerbe- und Industriegebieten können bestimmte für die Windenergie in Betracht kommende Flächen als Versorgungsflächen
nach § 9 Abs. 1 Nr. 12 BauGB dargestellt werden.
10
Die Zulässigkeit von WEA in Gewerbe- und Industriegebieten muss einzelfallbezogen für das jeweilige
Gebiet geprüft werden. Bei der Einschätzung der
Standorteignung sind die Grundsätze und Ziele der
Raumordnung, der Regionalplanung, der Bauleitplanung sowie die Vorschriften des Baurechts, des Immissionsschutzes, des Natur- und Artenschutzes als
auch weiterführende Gesetze und untergesetzliche
Regelungen zu beachten.
Die Ausweisung von Gebieten für die Windenergienutzung als Außenbereichsplanung kommt in Gewerbe- und Industriegebieten als Innenbereichskategorie nicht in Betracht.
EA.paper # 3 | November 2015 | Windenergieanlagen in Gewerbe- und Industriegebieten
Impressum
EnergieAgentur.NRW
Kasinostraße 19–21
42103 Wuppertal
Telefon: 0211/837 1930
E-Mail:
hotline@energieagentur.nrw
www.energieagentur.nrw
Oktober 2015
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Seite 4: Warsteiner Gruppe