Daten
Kommune
Erftstadt
Größe
144 kB
Datum
03.02.2016
Erstellt
21.01.16, 15:02
Aktualisiert
21.01.16, 15:02
Stichworte
Inhalt der Datei
9.)
EIN TAG IM
FREIEN
Ein Projekt von William Davids
Unterstützt von Naomi Rothkamp, Karolina Han, Christiane Müller und
Petra Metzger
9.)
DIE IDEE
Unsere Haltung und unser Verhalten Obdachlosen
gegenüber, steht im Zentrum des Projekts. Daran wird
stellvertretend veranschaulicht, was für den sozialen
Umgang
charakteristisch
geworden
ist.
Die
Beschäftigung mit den Menschen am Rand der
Gesellschaft soll Grundlegendes aufzeigen und als
Denkanstoß auf einen offeneren Umgang miteinander
hinwirken und Gemeinschafts- und Identitätsgefühle
stärken.
9.)
WAS HAT DER UMGANG MIT
OBDACHLOSEN MIT UNS
SELBST ZU TUN?
Der 16.05.2015 gab den Anstoß zu dem Projekt „Ein Tag im Freien“. Als ich
an jenem Samstag am Bahnhof in Köln Ehrenfeld stand und mir ein
Obdachloser entgegenkam. Ich wandte mich ab, bis er an mir
vorbeigegangen war. Dann aber war ich über meine abwehrende Reaktion
erschrocken. In Gesprächen mit Freuden, versuchte ich herauszufinden, wie
sie auf Nichtsesshafte - vor allem bettelnde - reagieren. Viele bekannten,
ihnen gegenüber eine ablehnende Haltung zu haben. Daraufhin habe ich den
Entschluss gefasst, direkten Kontakt aufzunehmen, mich mit Obdachlosen zu
unterhalten und sie kennenzulernen. Ich führte viele Gespräche und fertigte
eine Fotodokumentationen an. Meine Aufzeichnungen und auch die Bilder
führten mir vor Augen, dass sich durch die Erlebnisse auf der Straße, durch
die Begegnungen und Interviews etwas in mir verändert hatte. Diese
Entwicklung ist das wesentliche Ergebnis, das ich mitteilen möchte und von
dessen Übertragbarkeit auf andere Lebensbereiche ich fest überzeugt bin.
Zunächst ging ich Obdachlosen gegenüber auf Abstand, Ihre
Lebensumstände – so dachte ich – sind selbstgewählt und bestimmt vom
Wunsch nach Unabhängigkeit. Es wurde mir oft von dem früheren Leben
erzählt und von Situationen, die so waren, dass man sich freiwillig dazu
entschieden hatte, auf der Straße zu leben. Je länger die Gespräche
dauerten und je besser ich einige Obdachlosen kennenlernte, desto klarer
wurde mir die Situation dieser Menschen: fast alle fühlen sich einsam und
verlassen, viele haben sich bereits aufgegeben. Als ich fragte, was Frank mir
auf dem Weg mitgeben möchte, sagte er: „William versuche dich immer neu
zu inspirieren“.
Menschen, die jeden Tag um ihr Überleben bangen und betteln müssen, die
Flaschen sammeln oder sich aus Abfalleimern ernähren, leben in einem
Teufelskreis. Sie müssen sich täglich abwertende Sprüche anhören und
bekommen zu spüren, dass ihr Dasein als unwichtig angesehen wird. „Die
Trinken doch eh nur den ganzen Tag Bier“, ist eine typische Reaktion. Aber
wussten Sie, dass eine Flasche Bier, etwa zwei Scheiben Brot am Tag
ersetzt? Oder dass man ohne einen festen Wohnsitz keine Arbeit bekommt
und man ohne Arbeitsstelle keine Aussicht auf eine Wohnung hat? Haben Sie
jemals daran gedacht, dass ein Obdachloser jeden Tag im Freien verbringt,
egal wie schlecht er sich fühlt oder wie krank er ist. Er ist immer draußen und
9.)
unversorgt, während manche von uns beim kleinsten Schnupfen zum Arzt
gehen, in der Gewissheit, dass ihre Krankenkassenkarte sie dazu berechtigt.
Mein Anliegen ist nicht, dass Sie oder ich jedem Obdachlosen fünf Euro
und etwas zu essen schenken. Es geht um viel mehr.
Obwohl die, die auf der Straße leben, bereits am Boden sind, nehmen wir
auch noch den Rest ihrer Würde, nämlich indem wir ihre Existenz einfach
nicht wahrnehmen und nicht wahrnehmen möchten. Hier gilt: Negativ +
Negativ = Negativ. Doch die Verwandlung ins Positive ist möglich. Nicht nur
durch Geld, sondern auch durch ein Lächeln oder eine freundliche Geste, die
zeigt: Ich nehme dich wahr. Daraus resultier: Negativ + Positiv = Positiv. Sehr
oft habe ich von Gesprächspartnern gehört, dass sie sich manchmal nichts
mehr wünschen, als gesehen und angelächelt zu werden. Indem wir nicht in
erster Linie den Obdachlosen als Obdachlosen, sondern als Mensch sehen,
geben wir Toleranz und Wertschätzung. Und zwar unseren Mitmenschen
aber auch uns selbst gegenüber.
Wir lernen einen offeneren Umgang mit dem, was uns als fremd und
andersartig begegnet. Wenn wir uns aktiver mit unserer Umwelt beschäftigen,
begreifen wir, wie gut unsere eigenen Lebensumstände sind. Die vielen
Klischees, Urteile und Vorurteile, die wir mit uns herumschleppen werden
weniger. Die positive Wirkung wird sich nicht nur im Privatleben, sondern
auch in der Arbeitswelt bemerkbar machen, wenn sich der Blick eher auf die
Gemeinsamkeiten als auf die Unterschiede richtet.
„Jeder Mensch möchte eine Beschäftigung und
einen Dach über den Kopf“ (Stella Brückner,
Sozialarbeiterin in der Sozialstation Gulliver).
9.)
WAS HAT DIES MIT EINER
STADT WIE ERFTSTADT ZU
TUN?
Wir leben in einer Stadt, die nicht gewachsen ist, sondern zu der
verschiedene Orte zusammengeschlossen wurden. Eine gemeinsame
Identität
und
erftstädtischer
Zusammenhalt
sind
noch
im
Entwicklungsstadium. Der aktuelle gemeinsame Nenner besteht darin,
schweigend aneinander vorbei zu gehen, den Blick gesenkt, in sich
verschlossen. In Erftstadt werden wir nicht mit Obdachlosigkeit konfrontiert.
Umso stärker fällt die Abwehr und die Abwertung aus, wenn wir in eine
größere Stadt wie Köln fahren, wo uns in der Innenstadt fast überall Bettler
und Obdachlose begegnen.
Wir können diese Situation nicht ändern, aber es gibt die Chance, sich selbst
zu ändern. Wir können uns retten, indem wir umdenken und uns anders
verhalten und offen aufeinander zugehen. Fangen wir an uns selbst zu
akzeptieren, indem wir andere akzeptieren. Arbeiten wir an einem
Gemeinschaftsgefühl, das uns in Erfstadt verbindet. Wir öffnen uns, nehmen
einander wahr und beschäftigen uns mit dem, was uns (noch) unbekannt ist.
Das ist der Inbegriff von Lernen und führt zu einem besseren Miteinander.
Fangen Sie an zu Lächeln, damit Sie andere zum
Lächeln bringen können damit Erftstadt wieder
lächeln kann.
Vielen Dank!