Daten
Kommune
Jülich
Größe
48 kB
Datum
25.09.2014
Erstellt
15.09.14, 17:04
Aktualisiert
15.09.14, 17:04
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DSB - Me
Datenschutzbeauftragter der Stadt Jülich
26.08.2014
An die
Damen und Herren
des Rates der Stadt Jülich
Antrag 10/2014 der Fraktionen CDU und SPD
hier: Übertragungen der Sitzungen des Stadtrates mittels Live-Stream
Die Live-Übertragung von Sitzungen des Rates stellt datenschutzrechtlich eine Übermittlung
personenbezogener Daten dar. Eine derartige Übermittlung ist insofern nur zulässig, wenn das
Datenschutzgesetz NRW (DSG NRW) oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder die
betroffenen Personen eingewilligt haben (§ 4 Abs. 1 DSG NRW). Aber weder die Regelungen
des DSG NRW (z.B. § 16) noch die kommunalrechtlichen Vorschriften (z.B. § 48 GO NRW)
enthalten eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Übertragungen mittels Live-Stream. In §
48 Abs. 2 GO NRW wird lediglich die sog. „Saalöffentlichkeit“ geregelt; aber nicht die
weitergehende „Medienöffentlichkeit“. Vor dem Hintergrund ist die Übertragung von
Sitzungen mittels Live-Stream gegenwärtig nur zulässig, wenn die Mitglieder des Rates einer
Übertragung zustimmen (Einwilligung). Die Einwilligung ist eine widerrufliche, freiwillige
und eindeutige Willenserklärung der betroffenen Person, die der Schriftform bedarf. Die
Einwilligung kann jederzeit widerrufen werden. Aus Gründen der Rechtssicherheit sollte die
Einwilligung zur Übertragung jährlich neu erklärt werden. Darüber hinaus sollte der
Vorsitzende zukünftig in jeder Sitzung nochmals explizit darauf hinweisen, dass jedes
Ratsmitglied jederzeit der Übertragung seines Wortbeitrages widersprechen kann. Im Übrigen
kann der Vorsitzende aufgrund des § 51 GO NRW die Live-Übertragung jederzeit untersagen.
Ferner ist zu beachten, dass von einer Übertragung der Sitzung weitere Personen betroffen
sein können. Dies sind sowohl die Zuhörer als auch die Beschäftigten der Verwaltung. Auch
deren Einwilligung wäre für eine Übertragung erforderlich. Gleichwohl führt bereits die
Weigerung eines Zuhörers zu einem vollständigen Filmverbot des Zuschauerbereichs. Es gibt
Kommunen, die hier eine andere Auffassung vertreten und eine Ratssitzung mit einem
Fußballspiel / Konzert vergleichen. Ihre Argumentation zielt darauf ab, dass diese Personen in
Kenntnis der Übertragung freiwillig an der Veranstaltung teilnehmen und keinerlei Einfluss
darauf haben, dass Bilder von Ihnen übertragen werden. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt
werden. Hier werden nämlich die Regelungen des § 48 GO NRW verkannt, wonach die
Sitzungen ohne jegliche Einschränkung öffentlich sind. Eine derartige Vorgehensweise
widerspräche dem Öffentlichkeitsgrundsatz. Eine Verletzung dieses Grundsatzes liegt auch
vor, wenn eine Einwilligungsbedingung Zugangsvoraussetzung für die Teilnahme an
Sitzungen ist. Eine Übertragung des Zuschauerbereichs sollte nach alledem nicht in Betracht
gezogen werden. Selbiges muss auch für die Beschäftigten der Verwaltung gelten. Eine
Einwilligung ist zwar - wie bereits erwähnt - grundsätzlich möglich. Sie wird aber in
hierarchischen Strukturen generell als unzulässig angesehen. Eine tatsächliche freiwillige
Einwilligung kann nämlich aufgrund des dienstlichen Abhängigkeitsverhältnisses nicht sicher
vorausgesetzt werden. Im Übrigen weise ich hier vorsorglich darauf hin, dass sich aus dem
Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) auch das Recht am eigenen Wort
ableiten lässt. Auch wenn die Ratssitzungen grundsätzlich öffentlich sind, hat die Übertragung
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eines Wortbeitrages in das Internet eine andere Qualität / Tragweite als die bloße Anhörung
eines Wortbeitrages durch die anwesenden Personen im Sitzungssaal.
Die v.g. Ausführungen stellen sicherlich hohe Anforderungen an die einzusetzende Technik.
Es versteht sich von selbst, dass eine „einfache“ Webcam eben nicht genügt, um den
Vorgaben des Datenschutzes gerecht zu werden. Hierzu bedarf es einer permanenten
Einflussnahme auf die Kameraführung, um im Bedarfsfall auf Forderung eines einzelnen
Ratsmitglieds bzw. des Vorsitzenden oder grundsätzlich (Zuhörer / Beschäftige) die Kamera
auszuschalten. Eine Alternative wäre die Einbeziehung des Rednerpults mit der Konsequenz,
dass das Ratsmitglied zukünftig für Wortbeiträge seinen Platz verlassen müsste. Da aber
jederzeit sichergestellt werden muss, dass bestimmte Personen (Zuhörer, Bedienstete und
ggfs. auch einzelne Ratsmitglieder) nicht von der Kamera erfasst werden dürfen, stellt die
Einbeziehung des Rednerpults die datenschutzfreundlichste Lösung dar. Davon ausgehend,
dass der Vorsitzende aktiv an der Übertragung teilnimmt, wäre u.U. eine weitere Kamera
erforderlich. Ob sich dies im hiesigen Ratssaal umsetzen lässt, wäre noch durch den
Fachbereich EDV zu prüfen. Auf jeden Fall ist bei der Übertragung der
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Eine Übertragung der Sitzung darf nur so weit
gehen, wie es zur Informationsbeschaffung erforderlich ist. Aus diesem Grund sollte auf
Nahaufnahmen durch etwaige Zoomeinrichtungen der Kamera verzichtet werden.
Des Weiteren gebe ich zu bedenken, dass die Live-Übertragung von Ratssitzungen dazu
geeignet ist, manipulierte Mitschnitte zu fertigen und diese ebenfalls im Internet zu
veröffentlichen. Das beschriebene Risiko ist umso höher, wenn die Aufzeichnungen
dauerhaft im Internet bereitgestellt werden. Ein derartiges Bestreben ist dem Antrag aber auch
nicht zu entnehmen. Aus den v.g. Gründen sollte lediglich ein Live-Stream angeboten
werden. Aber unabhängig von der Art der Bereitstellung muss jedem Ratsmitglied bewusst
sein, dass seine Wortbeiträge ungefiltert in das Internet übertragen werden. Ob und inwieweit
hierdurch die Funktionsfähigkeit des Rates gefährdet ist, lässt sich im Vorfeld nicht
beantworten. Es besteht aber durchaus die Gefahr, dass die Live-Übertragung für das einzelne
Ratsmitglied ein Hemmnis darstellt und Wortbeiträge zukünftig entfallen.
Der in der Sitzung des Rates vom 25.08.2014 vorgebrachte Einwand, wonach im Bundestag
Live-Streams problemlos möglich seien, wird nicht weiter thematisiert. Hier genügt ein
Verweis auf die Vorschriften des Kunsturhebergesetzes (§§ 22, 23 KunstUrhG) und die
Tatsache, dass sich Bundestagsabgeordnete - aufgrund ihrer Stellung und der Tragweite ihres
Wirkens - als Personen der Zeitgeschichte unter § 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG subsumieren
lassen. Dies trifft auf Kommunalpolitiker, deren Handeln sich in einem geografisch
begrenzten Bereich abspielt, nicht zu. Insofern bleibt es für die kommunalen Vertreter bei
einer Einwilligung nach § 22 dieses Gesetzes.
Durch die Live-Übertragung wird auch der Anwendungsbereich des Telemediengesetzes
eröffnet (§ 1 Abs. 1 TMG). Nach § 4 TMG ist die Übertragung einer Ratssitzung
zulassungsfrei und nach § 7 TMG ist der Betreiber für deren Inhalt nach den allgemeinen
Gesetzen verantwortlich. Zudem ergeben sich aus § 5 TMG entsprechende
Informationspflichten. In der Gesetzesformulierung wird zwar auf Dienste abgestellt, die „in
der Regel gegen Entgelt“ angeboten werden. Das Anbieten gegen Entgelt stellt demnach
keine Grundvoraussetzung für Informationspflicht dar.
Abschließend ist also festzuhalten, dass die Übertragung von Ratssitzungen aus
datenschutzrechtlicher Sicht zulässig ist. Auch wäre sie mit der Kommunalverfassung
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vereinbar. Bei der Einführung sollten die v.g. Ausführungen unbedingt beachtet werden.
Zudem müssten noch entsprechende Regelungen zur Übertragung von Ratssitzungen in der
Geschäftsordnung des Rates festgeschrieben werden. Eine mögliche Formulierung in der
Geschäftsordnung, deren Anpassung vornehmlich datenschutzrechtliche Aspekte beinhaltet,
könnte wie folgt lauten:
§ 6 „Öffentlichkeit / Übertragung (in Überschrift neu einzufügen) der Ratssitzungen“
wird erweitert um die Absätze 5 bis 8
(5) Eine Übertragung der Ratssitzung in Bild und Ton in Form eines Live-Streams ist
zulässig, soweit die hiervon erfassten Personen vorher ihre Einwilligung erteilt haben. Die
Einwilligung muss schriftlich erklärt werden und kann jederzeit ohne Begründung widerrufen
werden. Sie gilt längstens für ein Kalenderjahr. Der Vorsitzende kann abweichend von Satz 1
die Übertragung jederzeit ab- und unterbrechen sowie gänzlich untersagen.
(6) Zuhörer, Bedienstete der Verwaltung und sonstige Personen, die nicht von Absatz 5 Satz 1
erfasst werden, sind von der Übertragung ausgenommen.
(7) Es darf ausschließlich der öffentliche Teil einer Sitzung übertragen werden. Für die Dauer
der Einwohnerfragestunde ist die Übertragung zu unterbrechen.
(8) Eine Speicherung der Übertragung ist nicht zulässig.