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Beschlussvorlage (Planung Jugendgerichtshilfe)

Daten

Kommune
Erftstadt
Größe
1,0 MB
Datum
19.11.2014
Erstellt
30.01.14, 15:17
Aktualisiert
30.01.14, 15:17

Inhalt der Datei

Stadt Erftstadt Amt für Jugend, Familie und Soziales Jugendhilfeplanung §§§§§§§§§§§§§ §§§§§§§§§§§§§ §§§§§§§§§§§§§ §§§§§§§§§§§§§ §§§§§§§§§§§§§ Andere Aufgaben der Jugendhilfe Teilplanung VI.2 Mitwirkung im Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz V xxx/2013; JHA vom xx.xx.2013 2. Fortschreibung Stand:12.2013 Teilplanung VI.2 – Mitwirkung im Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz (2. Fortschreibung) Vorwort Wenn Jugendliche von der Polizei einer Straftat verdächtigt werden, übernimmt die Jugendhilfe in diesen Fällen eine wichtige Scharnierfunktion an den Schnittstellen zu Polizei und Justiz. Im Rahmen des am Erziehungsgedanken orientierten Jugendstrafverfahrens hat die Jugendhilfe die zentrale Aufgabe, die pädagogische Perspektive einzubringen und pädagogische Strategien zu entwickeln. Diese Aufgabe wird von der Jugendhilfe in der Regel von spezialisierten Organisationseinheiten wahrgenommen, die unter den Begriffen Jugendgerichtshilfe oder Jugendhilfe im Strafverfahren firmieren. Die erste Jugendhilfeplanung zur Mitwirkung im Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz wurde im Jugendhilfeausschuss im Jahr 2000 beraten. Das Resultat der Planungsbemühung war u. a. die Schaffung einer halben Stelle bei Mobilé. Grund hierfür war der erhöhte Betreuungsbedarf für die Jugendlichen und Heranwachsenden von Spätaussiedler/innen. In der Planung wurden die Fälle der betroffenen Jugendlichen und Heranwachsenden detailliert dargestellt. Hinsichtlich der Vergleichbarkeit der Daten ergeben sich deshalb Schwierigkeiten, da unterschiedliche Methoden der Datenerhebung verwendet wurden. In der praktischen Arbeit stehen die Fallarbeit bzw. die Verfahren im Vordergrund. 2000 stand nicht das Fallaufkommen, sondern die betroffenen Jugendlichen und Heranwachsenden im Vordergrund. Das zur Arbeitserleichterung verwendete Computerprogramm lässt eine Aufteilung auf die beteiligten Jugendlichen nicht `per Knopfdruck´ zu. Wichtige Hilfsmittel für die Jugendhilfeplanung der Mitwirkung im Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz sind die Landeskriminalstatistiken (Tatverdächtigenstatistik), die leider auf Kreis- oder Stadtebene nicht zur Verfügung stehen. Auch Jugendhilfeplanungen anderer Kommunen können für Vergleichszwecke nicht eingesehen werden, da nur wenige Jugendämter dieses Arbeitsfeld beplanen. Zum Schluss dieses Vorwortes sei erwähnt, dass eine Trennung von Intervention und Prävention zum Verständnis der vorliegenden Planung wichtig ist. Nicht zuletzt aus diesem Grund hatte die erste JGH-Planung als Auftrag die Beplanung des Kinder- und Jugendschutzes zur Folge. 2 Amt für Jugend, Familie und Soziales der Stadt Erftstadt - Jugendhilfeplanung Teilplanung VI.2 – Mitwirkung im Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz (2. Fortschreibung) Inhalt Vorwort ............................................................................................................... 2 1 Einleitung .................................................................................................. 5 1.1 Mitwirkung im Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz .................... 5 1.2 Jugendgerichtshilfe im Spiegel der Vorlagen ......................................... 6 1.3 Planungsauftrag ..................................................................................... 7 1.4 Beteiligungsverfahren ............................................................................ 8 1.5 Planzielkontrolle ..................................................................................... 8 1.6 Neue Planungsziele ............................................................................. 10 2 Gesetzliche Grundlagen ........................................................................ 11 3 Bedarfsermittlung .................................................................................. 14 3.1 Sozioökonomische Struktur ................................................................. 14 3.2 Demografische Situation ...................................................................... 15 3.3 Bedarf aus Sicht der Jugendlichen und Heranwachsenden ................. 17 3.3.1 Landesebene ................................................................................... 18 3.3.2 Rhein-Erft-Kreis ............................................................................... 19 3.3.3 Erftstadt ........................................................................................... 19 3.4 Ergebnis der Trägerbeteiligung ............................................................ 24 3.5 Zusammenfassung des Bedarfs .......................................................... 25 4 Bestandsaufnahme von Diensten, Personal und Veranstaltungen ... 27 4.1 Jugendstrafverfahren ........................................................................... 27 4.2 Mitwirkung im Verfahren nach dem JGG ............................................. 28 4.3 Schulsozialarbeit .................................................................................. 31 4.4 Sonstige Angebote............................................................................... 31 5 Maßnahmeplanung ................................................................................ 33 5.1 Richtwert für den Personalbedarf......................................................... 33 5.2 Notwendige Veranstaltungen ............................................................... 34 5.3 Zusammenfassung der Maßnahmeplanung ........................................ 35 Amt für Jugend, Familie und Soziales der Stadt Erftstadt - Jugendhilfeplanung 3 Teilplanung VI.2 – Mitwirkung im Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz (2. Fortschreibung) Abbildungen und Tabellen Abbildungen 1 2 Entwicklung der Jahrgangsgruppen bis 2015 ............................................... 16 Fallaufkommen und Ausmaß präventiver Maßnahmen ................................ 34 Tabellen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 4 Chronologie der JHA-Vorlagen zur JGH und Prävention seit 1995.................7 Ablauf der Planung zur Jugendgerichtshilfe ....................................................7 Planzielkontrolle der Jugendhilfeplanung VI.2 – Jugendgerichtshilfe 2002.....8 Ergebnis der GPA-Prüfung zur Personalbemessung JGH – Projekt 4954......9 Anzahl der Kinder, Jugendlichen und Heranwachsenden ............................. 15 Tatverdächtigen-Erwartungswerte auf Basis der Landesstatistik .................. 17 Tatverdächtige je Delikt im Jahresvergleich in Prozent in NRW ................... 18 Verfahren je Delikt im Jahresvergleich in Prozent in Erftstadt ...................... 20 Täter / Verfahren nach Altersgruppen im Jahresvergleich ............................ 21 Täter / Verfahren nach Geschlecht im Jahresvergleich ................................ 21 Täter / Verfahren nach Erst- / Wiederholungstäter im Jahresvergleich ......... 21 Täter / Verfahren nach Herkunft im Jahresvergleich ..................................... 22 Täter / Verfahren nach Schulbildung im Jahresvergleich .............................. 22 Täter / Verfahren nach Beruf im Jahresvergleich .......................................... 23 Jugendeinwohner/innen und JGH-Fälle nach Stadtteilen ............................. 24 Verfahrensträger ........................................................................................... 27 Amt für Jugend, Familie und Soziales der Stadt Erftstadt - Jugendhilfeplanung Teilplanung VI.2 – Mitwirkung im Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz (2. Fortschreibung) „Das Böse in der Welt ist Realität. Wir leben noch nicht im Reich Gottes und müssen uns mit dem Bösen auseinandersetzen.“1 1 Einleitung Das 1. Kapitel der vorliegenden Fortschreibung behandelt die rechtlichen Grundlagen für das Jugendgerichtswesen. In Kapitel 2 werden die pädagogischen Zielsetzungen des Jugendgerichtsgesetzes erläutert. Kapitel 3 beschäftigt sich allgemein mit dem Bedarf der vom Jugendgerichtsgesetz betroffenen Jugendlichen und Heranwachsenden und den besonders gefährdeten Zielgruppen. Der Bestand an Jugendgerichtshilfe und weiterer Hilfen durch andere Träger wird im 4. Kapitel dieser Jugendhilfeplanung vorgenommen. Mit einem Maßnahmekatalog für die nächsten Jahre wird die Teilplanung mit dem Kapitel 5 abgeschlossen. Am Schluss dieser Jugendhilfeplanung wird auf Verbesserungsmöglichkeiten bzgl. der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität eingegangen 1.1 Mitwirkung im Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz Aufgaben der JGH Die Beratung und Betreuung von straffällig gewordenen Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden ist Hauptaufgabe der Jugendgerichtshilfe, die besser `Jugendhilfe für straffällig gewordene Jugendliche´ hieße. Die JGH ist darauf ausgerichtet, die gesellschaftliche Integration oder Wiedereingliederung von delinquenten Jugendlichen und Heranwachsenden zu fördern, indem geeignete Maßnahmen entwickelt, angeregt und umgesetzt werden. Die JGH wirkt im Verfahren vor den Jugendgerichten, Jugendschöffengerichten und Jugendkammern mit. Sie kooperiert mit den beteiligten Amtsgerichten, Landgerichten, Staatsanwaltschaften, Bewährungshilfen, Drogenberatungen, Landeskrankenhäusern und sonstigen Behörden und hilft bei der Findung eines angemessenen Urteils / Beschlusses unter Wahrung des dem JGG zugrunde liegenden erzieherischen Gedankens. Eine weitere wichtige Aufgabe der JGH ist die gutachterliche Tätigkeit beim Jugendgericht durch die Einbringung erzieherischer, sozialer und fürsorgerischer Aspekte, um für den Entwicklungsstand des Jugendlichen / Heranwachsenden gerechte Erziehungsmaßregeln, Zuchtmittel oder Jugendstrafen zu finden. Geschichte der JGH Die Aufgaben der Jugendgerichtshilfe wurden durch das Reichsjugendgerichtsgesetz (RJGG) vom 1.1.1924 den Reichsjugendämtern übertragen, die durch das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz 1924 eingerichtet wurden. Erstmals wurde durch das RJGG der Erziehungsgedanke gesetzlich verankert. Jugendliche wurden nicht ausschließlich für ihre Straftaten bestraft, sondern sollten, falls möglich, zu einem rechtschaffenen Lebenswandel erzogen werden. Diese Gesetzesreform wurde maßgeblich durch die Jugendgerichtsbewegung voran 1 Nikolaus Schneider, Ratsvorsitzender EKD, in: DIE ZEIT Nr. 24 vom 09.06.2011, S. 58. Amt für Jugend, Familie und Soziales der Stadt Erftstadt - Jugendhilfeplanung 5 Teilplanung VI.2 – Mitwirkung im Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz (2. Fortschreibung) getrieben, die zum Ende des 19. Jahrhunderts und beginnenden 20. Jahrhunderts ausgehend von Reformbemühungen in den USA zunehmend an Einfluss gewann (Jan Addams). In der Zwischenzeit wurde das Gesetz mehrfach geändert, zuletzt durch das 1. JGG Änderungsgesetz (1. JGGÄndG) vom 30.8.1990. Hierdurch wurde der Erziehungsgedanke des Jugendgerichtsgesetzes im Sinne des Vorrangs von erzieherischen vor strafenden Maßnahmen nochmals, wenn auch nicht in dem von vielen erhofften Maße, verstärkt. Bis zum Beginn der 1980er Jahre wurden das Tätigkeitsprofil und das berufliche Selbstverständnis der Jugendgerichtshilfe dominiert von der Ermittlungstätigkeit für das Gericht. Diese bestand insbesondere darin, die Persönlichkeit des jugendlichen Straffälligen zu erforschen und dem Gericht zu vermitteln. Das berufliche Selbstverständnis und das Tätigkeitsprofil haben sich seit Beginn der 1980er Jahre nachhaltig verändert. Zunehmend wurde die Hilfe für den Jugendlichen und Heranwachsenden und seine Familie als die vordringlichste Aufgabe der Jugendgerichtshilfe definiert. Hierbei wird der Arbeit mit der Gruppe der sogenannten Mehrfachstraftäter besondere Bedeutung beigemessen. Dieses neue Selbstverständnis manifestiert sich in der Entwicklung und Durchführung sozialpädagogischer Maßnahmen mit dem Ziel der Reintegration der Jugendlichen. Diese Entwicklungen führten mit zum 1. JGG ÄndG vom 30.8.1990, in dem neue ambulanten Maßnahmen (Sozialpädagogischer Trainingskurs, Betreuungsweisung und Täter-Opfer-Ausgleich) in den Weisungskatalog des § 10 JGG aufgenommen und die Haftentscheidungshilfen ausgebaut wurden. Eine weitere gesetzliche Etablierung des Selbstverständnisses wurde durch das Inkrafttreten des Kinder- und Jugendhilfegesetzes herbeigeführt, das die Jugendhilfe in großem Maße als Leistungsgesetz für die Bürgerinnen und Bürger definierte und umfassende Datenschutzregelungen festlegte. 1.2 Jugendgerichtshilfe im Spiegel der Vorlagen Welche Themen der Jugendhilfeausschuss seit dem Jahr 1995 im Sachgebiet `Mitwirkung im Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz´ beraten hat, wird in der folgenden Tabelle aufgelistet. Die Aufstellung verdeutlicht, dass das Aufgabenfeld `Jugendgerichtshilfe´ im Jugendhilfeausschuss nur eine marginale Rolle spielt.2 Oft wird das Thema `Jugendkriminalität´ im Rahmen der Prävention, die dem Erzieherischen Kinder- und Jugendschutz zuzuordnen ist, angesprochen. Hierdurch kommt auch der erzieherische Gedanke des Jugendgerichtsgesetzes und der Jugendhilfe zum Ausdruck. Prävention kann besonders wirksam in den Schulen erfolgen. Im AK Jugendschutz ist das Thema Prävention häufiger Themenschwerpunkt, da sich dieser Arbeitskreis aufgrund seines Auftrages mit der Verhütung und Bekämpfung der `Jugendkriminalität´ auseinandersetzt (vgl. Kap. 4.4). Den Bereich Jugendgerichtshilfe mittelbar berühren die Vorlagen A 6/2379 (Kriminalpräventive Räte) und A 6/2379 (Ordnungspartnerschaften). 2 Laut Recherche im SD-Netz zum Stichwort Jugendgerichtshilfe (ohne allgemeine Vorlagen bzgl. der Jugendhilfe, Jugendhilfeplanung, Haushaltsplanberatungen und Controllingberichte). 6 Amt für Jugend, Familie und Soziales der Stadt Erftstadt - Jugendhilfeplanung Teilplanung VI.2 – Mitwirkung im Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz (2. Fortschreibung) Tabelle 1 Chronologie der JHA-Vorlagen zur JGH und Prävention seit 1995 Jahr 1995 1998 2000 2001 2002 2010 2011 2013 Vorlage-Nr. Thema A 6/0017 Veranstaltungsreihe des Jugendamtes `Gewalt bei Jugendlichen´ A 6/2417 `Entgleisungen´ von Jugendlichen im Karneval A 6/2379 Ordnungspartnerschaften in NW V 7/0389 Planungsbericht zur Jugendgerichtshilfe A 7/0248 Gewalt an Schulen V 7/0620 Analyse der Jugendgerichtshilfefälle 1999 V 7/1030 Analyse der Jugendgerichtshilfefälle 2000 V 7/2169 Jugendhilfeplanungsordner (Kompendium) V 533/2010 Fortschreibung des Kinder- und Jugendförderplans der Stadt Erftstadt A 541/2011 Anregung bzgl. Verbesserung gegen Rechtsextremismus V 235/2011 Kooperationsvereinbarung zur Prävention von Kriminalität im Kindes- und Jugendalter V 289/2013 Jugendhilfeplanung VI.2 – Mitwirkung im Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz Quelle: JHP 10.2013 1.3 Planungsauftrag Der Jugendhilfeausschuss erteilte an die Verwaltung des Jugendamtes den Auftrag für die Fortschreibung der Jugendhilfeplanung für die Mitwirkung im Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz am 10.07.2013 (V 289/2013). In der gleichen Sitzung wurde von den Mitgliedern des Jugendhilfeausschusses die Bildung der Planungsgruppe `Jugendgerichtshilfe´ beschlossen. An diesem Gremium beteiligten sich:  eine Vertretung von Mobilé (JGH)  eine Vertretung der Schulsozialarbeit  eine Vertretung der Polizei An der Erstellung der vorliegenden Planung waren die Mitglieder dieses Gremiums in erheblichem Maße beteiligt. Die Planungsgruppe traf sich erstmalig am 04.09.2013. Der Planungsablauf war wie folgt: Tabelle 2 Ablauf der Planung zur Jugendgerichtshilfe Datum Gremium Thema 03.07.2013 Unterausschuss JHP Planungsauftrag (V 289/2013) 10.07.2013 Jugendhilfeausschuss Planungsauftrag 04.09.2013 Planungsgruppe Planungsauftakt 25.09.2013 Planungsgruppe Bedarfsermittlung, Bestandserhebung, Maßnahmeplanung 06.02.2014 Unterausschuss JHP Beratung (V XXX/2013) 19.02.2014 Jugendhilfeausschuss Beschluss Quelle: JHP 10.2013 Amt für Jugend, Familie und Soziales der Stadt Erftstadt - Jugendhilfeplanung 7 Teilplanung VI.2 – Mitwirkung im Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz (2. Fortschreibung) 1.4 Beteiligungsverfahren Neben der Beteiligung von anderen Trägern sowie sonstiger im Arbeitsfeld aktiven Institutionen wird in der Jugendhilfeplanung Wert auf die Beteiligung der Betroffenen selbst gelegt. In § 80 SGB VIII ist festgelegt, dass „der Bedarf unter Berücksichtigung der Wünsche, Bedürfnisse und Interessen der jungen Menschen und der Personensorgeberechtigten (…) zu ermitteln“ ist. In der Vergangenheit wurden zur Ermittlung des Bedarfs bei den Betroffenen Befragungen durchgeführt. Dieses aufwendige Verfahren setzt wie alle anderen direkten Beteiligungsverfahren ein hohes Maß an Offenheit, Kreativität und Risikobereitschaft von Verwaltung, Politik und freien Trägern voraus (vgl. I.1 – Planungskonzeption, Kap. 6.4). In der vorliegenden Planung wurde auf die direkte Beteiligung aus Zeitgründen verzichtet. Der Einfluss der Betroffenen auf die Planung ist indirekt durch die Anwaltsplanung gewährleistet. 1.5 Planzielkontrolle Am 14.11.2002 wurde die erste Fortschreibung der Teilfachplanung `Jugendgerichtshilfe´ im Jugendhilfeausschuss beraten (V 7/2169). Eine Evaluation dieser Planung erfolgt mit dieser Fortschreibung. Ein Schwerpunkt für die Arbeit der Folgejahre sollte u. a. die Zielgruppe der arbeitslosen Jugendlichen sein. Die Aktivitäten der Jugendgerichtshilfe müssen im präventiven Bereich dann zurückstehen, wenn sich die Fallzahl erhöht, und kann ausgedehnt werden, wenn weniger Jugendgerichtsfälle angezeigt werden. In diesem Zusammenhang ist auch die Verteilung der Fachleistungsstunden der Jugendarbeiter/innen und das Leistungsangebot freier Träger zu sehen. In der Gegenüberstellung der Planungsziele und der erfolgten Maßnahmen wurde festgestellt: Tabelle 3 Planzielkontrolle der Jugendhilfeplanung VI.2 – Jugendgerichtshilfe 2002 Nr. 1 2 3 4 5 Planungsziel Angebote für jugendliche Spätaussiedler/innen Umsetzung -umgesetzt- Drogenseminar jährlich Verbesserung der Jugendhilfe-Infrastruktur in Liblar Angebote zur Gewaltproblematik Planungsbericht zum Erzieherischen Kinderund Jugendschutz -umgesetzt-teilweise umgesetzt-umgesetzt-umgesetzt- Bemerkung Einstellung einer russisch sprechenden Fachkraft (Mobilé) i. V. mit JGH AK Süd Jugendkulturhalle nicht vorhanden Div. Veranstaltungen wurden durchgeführt Vgl. V 7/0717; JHA vom 26.10.2000 Quelle: V 7/2620; JHA vom 05.06.2003 Die Bestimmung von Zielgruppen war in der Vergangenheit oft der erste 8 Amt für Jugend, Familie und Soziales der Stadt Erftstadt - Jugendhilfeplanung Teilplanung VI.2 – Mitwirkung im Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz (2. Fortschreibung) Schritt, um wirkungsvoll Hilfen anbieten zu können. Hierbei wird in Kauf genommen, dass dieser Ansatz u. U. einer Stigmatisierung der Betroffenen Vorschub leisten kann. So wurden drei besondere Zielgruppen der Jugendgerichtshilfe die Aussiedlerjugendlichen, die gewaltbereiten Jugendlichen und die arbeitslosen Jugendlichen hervorgehoben. Seit Beginn des Jahres 2001 ist in der Jugendberatung Mobilé eine Fachkraft mit 50 Prozent Stundenanteil nur für die Zielgruppe der Aussiedlerjugendlichen eingestellt. Aus der Sicht der Jugendgerichtshilfe stellt sich diese Personengruppe zwischenzeitlich nicht mehr als Problemgruppe dar. Auf die präventiven Maßnahmen für gewaltbereite Jugendliche geht dezidiert die Teilplanung II.5 – Erzieherischer Kinder- und Jugendschutz – ein. Die Zielgruppe der arbeitslosen Jugendlichen wird in der Teilplanung II.7 – Jugendsozialarbeit / Jugendberufshilfe – behandelt. Hier wurde ein Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Delinquenz festgestellt. Qualität Die ersten Planungen zur Jugendgerichtshilfe enthielten bereits nach Qualitätsebenen differenziert Qualitätskriterien, die zum damaligen Zeitpunkt allerdings wenig Beachtung fanden. Für eine Überprüfung der Qualitätskriterien mittels bestimmter Indikatoren und der Einsatz der entsprechenden Instrumente standen keine entsprechenden Ressourcen zur Verfügung. Die o. a. Vorgehensweise kann aber als Vorlage für eine neue Qualitätsinitiative herangezogen werden. Gemeindeprüfungsanstalt NRW Zur Überprüfung, inwieweit die einzelnen Aufgaben im Jugendamt – hier: Jugendgerichtshilfe – ausreichend personalisiert sind, diente der Gemeindeprüfungsanstalt NRW die an Richtwerten3 der GPA orientierte vergleichende Personalbemessung für das Vergleichsjahr 2007 mit der Tendenz 2008. Tabelle 4 Ergebnis der GPA-Prüfung zur Personalbemessung JGH – Projekt 4954 Personal- und Leistungskennzahlen für die vergleichende Personalbemessung - 2007 Aufgaben Fallzahl Indikator Jugendgerichtshilfe 189 Anklagen und Diversionen GPA Richtwert 252 Personalbedarf 0,75 Personalbestand 1,26 Quelle: GPA-Bericht 2009 – Bereich Jugend, S. 41 Die GPA NRW stellte fest: „Der Personalbestand liegt mit 0,51 Vollzeitstellen über unserem Richtwert und steigt im Jahr 2008 aufgrund leicht rückläufiger Fallzahlen auf 0,52 Vollzeitstellen an. 3 Die Richtwerte wurden aus den bisherigen Prüfungen der Personal- und Organisationsuntersuchungen in verschiedenen Jugendämtern in NRW gewonnen. Die Richtwerte orientieren sich an der Fragestellung, wie viele Fälle bei voller Ausprägung der gesetzlichen und fachpolitisch geforderten Anforderungen an die Aufgabenerledigung bearbeitet werden können. Amt für Jugend, Familie und Soziales der Stadt Erftstadt - Jugendhilfeplanung 9 Teilplanung VI.2 – Mitwirkung im Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz (2. Fortschreibung) Der Richtwert wird durch eine Kommune erreicht, die nach eigenen Angaben eine Vielzahl gleich gelagerter Fälle zu verzeichnen hat. Da aber weitere Kommunen das Niveau nahezu erreichen, ist der Wert grundsätzlich belastbar. Die Stadt Erftstadt hat für diesen Bereich eine Umstrukturierung vorgenommen, nach der die Jugendgerichtshilfe in den Bereich der Jugendarbeit (Mobilé) eingegliedert wurde. Hierdurch versprach sich das Jugendamt auch Synergien, die mit einer mittelfristigen Senkung des Stellenvolumens um 0,25 Vollzeitstellen beziffert wurden. (GPA-Bericht 2009 – Bereich Jugend, S. 44 f.). 1.6 Neue Planungsziele Das Ziel der Planungen für die Jugendgerichtshilfe und die jeweiligen Fortschreibungen ist eine bedarfsgerechte Realisierung hinsichtlich benötigter Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen. Regelmäßig sollte aber auch ein darüber hinausgehender, sich mittelfristig entwickelnder Bedarf weiterverfolgt werden. Planungsziele ergeben sich, wie oben dargestellt, in erster Linie aus den gesetzlichen Vorgaben. Weitere Anregungen konnten die Planzielkontrolle und die Ergebnisse der Prüfungen der Gemeindeprüfungsanstalt ergeben. Aus der Planungsgruppe ergaben sich entsprechende Zielsetzungen, die eine qualitative Verbesserung der Dienstleistung `Mitwirkung im Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz´ zur Folge hatten (vgl. Kap. 3.4). 10 Amt für Jugend, Familie und Soziales der Stadt Erftstadt - Jugendhilfeplanung Teilplanung VI.2 – Mitwirkung im Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz (2. Fortschreibung) 2 Gesetzliche Grundlagen und Erlasse Die Mitwirkung der Jugendhilfe in Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz ist als sogenannte andere Aufgabe der Jugendhilfe im § 52 SGB VIII normiert. Der Terminus Jugendgerichtshilfe (JGH) wird auch im Jugendgerichtsgesetz (§ 38 JGG) genutzt. Er verweist auf die lange Geschichte der Jugendhilfe im Strafverfahren, deren Aufgabe ursprünglich nicht eigenständig, sondern als Hilfe und Unterstützung für das Jugendgericht definiert wurde. Spätestens mit der Einführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes 1990 hatte dieses Verständnis endgültig seine Grundlage verloren und die Jugendhilfe im Strafverfahren ihren Weg unter das Dach der modernen Kinder- und Jugendhilfe gefunden. Die rechtlichen Rahmenbedingungen der Jugendgerichtshilfe ergeben sich aus den Bestimmungen, die für alle Tätigkeiten des Jugendamtes bedeutend sind, vornehmlich § 27 ff, § 41 Abs. 2 SGB VIII, § 52 SGB VIII i. V. m. § 38 JGG und §§ 61 ff. SGB VIII. Diese Paragraphen bilden die gesetzliche Grundlage für die Arbeit der Jugendgerichtshilfe. Das Jugendamt tritt hier als unabhängige Fachbehörde auf, die den Jugendlichen und Heranwachsenden helfen möchte. Diese Form der Hilfe grenzt sich von der Staatsanwaltschaft und den Gerichten in der Form ab. Die JGH will „helfen statt urteilen und fachlich begleiten statt gutachterlich Stellung nehmen“.4 Das Jugendamt ist nach § 52 Abs. 2 Satz 1 verpflichtet, frühzeitig auf die Straffälligkeit des Jugendlichen oder Heranwachsenden zu reagieren und gegebenenfalls Jugendhilfemaßnahmen anzubieten bzw. zu initiieren, um zeitnah Beratung und Unterstützungsangebote für die Jugendlichen und Heranwachsenden und deren Familien anbieten und einleiten zu können.5 Die Jugendgerichtshilfe soll durch ihr Mitwirken im Jugendgerichtsverfahren darauf hinwirken, dass vom Jugendgericht nur solche Maßnahmen und Hilfen angeregt und ggf. angeordnet werden, die auch von der Jugendhilfe für fachlich richtig und geeignet angesehen werden. Dies trifft insbesondere auf Hilfen zur Erziehung nach § 12 JGG zu, die nur nach Anhörung des Jugendamtes auferlegt werden. Solche Hilfen können nur im Konsens zwischen Gericht und Jugendamt entwickelt und verwirklicht werden. Die Aufgaben sind in § 38 Abs. 2 JGG wie folgt definiert: - Die Vertreter/in der Jugendgerichtshilfe bringen die erzieherischen, sozialen und fürsorgerischen Gesichtspunkte im Verfahren vor dem Jugendgericht zur Geltung. - Die Jugendgerichtshilfe erforscht die Persönlichkeit, die Entwicklung und die Umwelt des/der Beschuldigten. - Sie äußert sich bei Jugendlichen gem. § 3 JGG zur strafrechtlichen Ver- 4 Münder, J.: Jugendgerichtshilfe als sozialpädagogische Tätigkeit. In: DVJJ-Journal 4/1991 (Nr. 137), S. 329. 5 NRW-Innenminister Ralf Jäger setzt darauf möglichst früh `hinzuschauen`, wenn Jugendliche mit dem Gesetz in Konflikt kommen. So soll verhindert werden, dass sich junge Leute zu Intensivstraftätern entwickeln. In: Kölner Stadtanzeiger 05.06.2013. Amt für Jugend, Familie und Soziales der Stadt Erftstadt - Jugendhilfeplanung 11 Teilplanung VI.2 – Mitwirkung im Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz (2. Fortschreibung) antwortlichkeit sowie gem. § 105 JGG bei Heranwachsenden, ob das Jugendgerichtsgesetz oder das allgemeine Strafrecht Anwendung finden soll. - Sie äußert sich zu den Maßnahmen, die zu ergreifen sind. Sie ist bei Haftprüfungsfragen frühzeitig hinzu zu ziehen, um alle möglichen Alternativen zur Inhaftierung aufzuzeigen. - Soweit kein/e Bewährungshelfer/in bestellt ist, wacht sie darüber, ob die betroffenen Jugendlichen / Heranwachsenden Weisungen und besonderen Pflichten nachkommen. Bei erheblichen Zuwiderhandlungen teilt sie dies dem/der Richter/in mit. - Während der Bewährungszeit arbeitet sie gem. § 38 Abs. 2 Satz 8 JGG eng mit der Bewährungshilfe zusammen. - Während des Vollzuges sollte sie mit dem/der Jugendlichen / Heranwachsenden in Verbindung bleiben. Sie nimmt sich der Wiedereingliederung des Jugendlichen / Heranwachsenden in die Gesellschaft an (gem. § 38 Abs. 2, Satz 9 JGG). Weitere Gesetze, die im Rahmen des Jugendgerichtsverfahrens angewandt werden, sind u. a. das Strafgesetzbuch (StGB), die Strafprozessordnung (StPO), das Betäubungsmittelgesetz (BTMG), das Ordnungswidrigkeitsgesetz (OWiG). Das Jugendgerichtsgesetz wird anwendet,  wenn ein/e Jugendliche/r (im Alter von 14 - 17 Jahren einschließlich)  oder ein/e Heranwachsende/r (im Alter von 18 - 20 Jahren einschließlich) eine Verfehlung begehen, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist (gem. § 1 JGG). Jugendliche werden grundsätzlich nach dem Jugendgerichtsgesetz im Rahmen der Strafverfolgung beurteilt. Heranwachsende können nach dem Jugendstrafrecht aber auch nach dem allgemeinen Strafrecht verurteilt werden. Kinder unter 14 Jahren sind nicht strafmündig. Verfehlungen, die einen Straftatbestand erfüllen, können daher nicht vor einem Gericht angeklagt werden. Sie können aber Erziehungsmaßnahmen durch das Vormundschaftsgericht unterworfen werden. In der Jugendhilfe werden Kinder vom Allgemeinen Sozialen Dienst betreut. Landesweit sind laut Kriminalstatistik etwa ein Prozent aller Kinder als Tatverdächtige betroffen. Aus Anlass der Straftat einer/eines Jugendlichen (vgl. § 5 JGG) können angeordnet werden:  Erziehungsmaßregeln (Weisungen sowie die Anordnung, Hilfe gem. § 12 in Anspruch zu nehmen)  Zuchtmittel (Verwarnung, Auflagen, Jugendarrest)  Jugendstrafe (Freiheitsentzug). Der Gesetzgeber hat die Reihenfolge, wie das Jugendgericht seine Entschei12 Amt für Jugend, Familie und Soziales der Stadt Erftstadt - Jugendhilfeplanung Teilplanung VI.2 – Mitwirkung im Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz (2. Fortschreibung) dungen zu überlegen und zu treffen hat, festgelegt (vgl. § 5 Abs. 1 und 2 JGG). Bei der Auswahl der Ahndungsmöglichkeiten ist vordergründig entscheidend die Persönlichkeit der/des Täterin / Täters und in weiterer Sicht erst die Straftat. Bei allen Verfahren nach dem Jugendstrafrecht erfolgt eine Eintragung in das Erziehungsregister / Bundeszentralregister, die mit dem 24. Lebensjahr wieder gelöscht wird. In diesem Fall ist der Jugendliche / Heranwachsende nicht vorbestraft. Nur bei der Verurteilung zu einer Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren, die vollstreckt werden muss, erfolgt eine Eintragung in das Führungszeugnis. Das Jugendgerichtsgesetz setzt gegenüber strafverfolgenden Zielen, eine größere Gewichtung auf pädagogische Ziele. Es ist zweckgerichtet und spiegelt die Erkenntnis wider, dass die Jugend als Sozialgruppe in der Gesellschaft einen selbständigen Bereich einnimmt. Nach wie vor gilt die Grundannahme, dass der Jugend – als Übergangsstadium zwischen Kindheit und Erwachsenenwelt – besondere Bedeutung zukommt. Um diesen Sozialisierungsprozess sicher zu stellen, bedarf es besonderer Maßnahmen. § 4 des Kinder- und Jugendhilfegesetzes schreibt die Zusammenarbeit der öffentlichen Jugendhilfe mit der freien Jugendhilfe vor. Soweit geeignete Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen von anerkannten Trägern der freien Jugendhilfe betrieben oder rechtzeitig geschaffen werden können, soll die öffentliche Jugendhilfe von eigenen Maßnahmen absehen. Die freien Träger sind zu fördern und die verschiedenen Formen der Selbsthilfe sind zu stärken. In § 14 SGB VIII sind die gesetzlichen Bestimmungen des Erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes geregelt. Im § 78 SGB VIII wird bestimmt, dass die Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Bildung von Arbeitsgemeinschaften anstreben sollen. In diesen Arbeitsgemeinschaften sollen neben dem öffentlichen Träger die anerkannten Träger der freien Jugendhilfe sowie die Träger geförderter Maßnahmen vertreten sein. In ihnen soll darauf hingewirkt werden, dass die geplanten Maßnahmen aufeinander abgestimmt werden und sich gegenseitig ergänzen. Die Betroffenenbeteiligung / Adressantenorientierung an der Jugendhilfeplanung wird in § 80 SGB VIII thematisiert. In § 81 SGB VIII ist geregelt, wie die öffentliche Jugendhilfe mit anderen wichtigen Stellen zusammenwirken soll. Amt für Jugend, Familie und Soziales der Stadt Erftstadt - Jugendhilfeplanung 13 Teilplanung VI.2 – Mitwirkung im Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz (2. Fortschreibung) „95 Prozent aller männlichen Jugendlichen begehen mindestens einmal eine Straftat. Doch nur für wenige ist das der Beginn einer kriminellen Karriere.“6 3 Bedarfsermittlung Der Bedarf an Hilfen im Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz richtet sich nach der Anzahl der Jugendlichen und Heranwachsenden, der Zahl der angeklagten Jugendlichen / Heranwachsenden und der Anzahl der von ihnen verursachten Delikte.7 Auf der Basis der Zahlen von 506 Fällen aus den Jahren 1999 bis 2001 wurden Längsschnittanalysen vorgenommen, die für allgemeine Aussagen zum Arbeitsfeld genutzt werden können. Für das Jahr 2012 sind alle Daten auf die Anzahl der Verfahren abgestellt. Zur Bestimmung des Bedarfs müssen die sozioökonomischen (Kap. 3.1) und demografischen (Kap. 3.2) Rahmenbedingen dargestellt werden. Auch die bestehenden Einrichtungen und Dienste definieren aus ihrer Sicht den Bedarf an Maßnahmen (Kap. 3.3). Mit einem demografischen Rückgang oder Anstieg geht nicht zwangsläufig eine Reduzierung des Bedarfes einher. U. a. kann eine veränderte Einstellung zu der Nutzung von Hilfsangeboten sogar verantwortlich für den Ausbau der Hilfen sein, obgleich die Anzahl der betroffenen Personen zurückgeht. 3.1 Sozioökonomische Struktur Erftstadt liegt im Bereich der Städte mit einer relativ geringen Belastung der sozioökonomischen Lebenslagen. In einem interkommunalen Vergleich nahm Erftstadt die zweitgünstigste Position ein (vgl. auch V 673/2009 – Sozialstrukturanalyse)8. Dies belegen auch die konkreten Kriminalitätszahlen, die im interkommunalen Vergleich zu den niedrigsten im Rhein-Erft-Kreis gehören. Die jährlichen Statistiken der Kriminalpolizei des Rhein-Erft-Kreises verdeutlichen immer wieder, dass sich die besondere sozioökonomische Situation Erftstadts in den niedrigen Kriminalitätsziffern niederschlägt. Auch die Schlagzeilen in der lokalen Presse deuten darauf hin („Am sichersten lebt man in Erftstadt“, „Erftstadt doppelt so sicher wie Bergheim“). Diese Tatsache darf jedoch nicht dazu verleiten, in der Bekämpfung der Jugendkriminalität nachzulassen. Entsprechend der Ergebnisse der ersten Teilplanung VI.2 - Jugendgerichtshilfe - ist Erftstadt-Liblar der Stadtteil mit den höchsten Belastungen. In Liblar gibt es im Verhältnis zu den anderen Stadtteilen einen höheren Jugendhilfebedarf; damit auch hinsichtlich präventiver Initiativen. 6 Sabine Rückert, in: DIE ZEIT Grundfrage ist hier, ob ein Schwanken der Fallzahlen durch eine erhöhte Kriminalität oder durch erhöhte Aktivität der Strafverfolgungsorganisationen ausgelöst wird. „Unabhängig davon, wie oft ein/e Tatverdächtige/r in einem Berichtszeitraum in Erscheinung tritt (…) wird sie oder er nur einmal gezählt.“ Quelle: `Jugendkriminalität und Jugendgefährdung in NRW 2012´ Landeskriminalamt NRW. Das nennt man `echte Tatverdächtigenzählung´. In Untergruppen wird jeweils gesondert gezählt. 8 Im `Familienatlas 2007´ der Bertelsmannstiftung wurde Erftstadt als `passive Region´ charakterisiert. In diesen Regionen hätten Familien nur eine geringe Priorität. Sie böten keinen besonders attraktiven Arbeitsmarkt und wären in dieser Hinsicht zukünftig gefährdet. 7 14 Amt für Jugend, Familie und Soziales der Stadt Erftstadt - Jugendhilfeplanung Teilplanung VI.2 – Mitwirkung im Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz (2. Fortschreibung) 3.2 Demografische Situation Da, wie o. a., der Bedarf an Mitwirkungen im Verfahren vor den Jugendgerichten an erster Stelle durch die Anzahl der jungen Menschen bestimmt wird, die straffällig werden, hat eine Veränderung der Zahl der Personen in dieser Altersgruppe damit auch Auswirkungen auf die Zahl der nötigen Hilfen. Die Bevölkerungsentwicklung wurde in der Vorlage 683/2009 am 03.02.2010 im Jugendhilfeausschuss dargestellt und beraten. Nach der Prognose für das Jahr 2013 wurden 2.222 Jugendliche im Alter von 14 bis unter 18 Jahren sowie 1.729 Heranwachsenden im Alter von 18 bis unter 21 Jahren erwartet; insgesamt also 3.951 Personen. Wie die folgende Tabelle zeigt, gab es im Jahr 2013 insgesamt 3.862 (2000 = 3.623) junge Menschen zwischen 14 und unter 21 Jahren, davon waren 2.232 (2000 = 2.053) Jugendliche im Alter von 14 bis unter 18 Jahren. Die Zahl der Heranwachsenden im Alter von 18 bis unter 21 Jahren betrug 1.630 (2000 = 1.569). Die Prognose war demzufolge bei den Jugendlichen zutreffend; bei den Heranwachsenden war der Prognosewert zu hoch. Die Zahl der Jugendlichen und Heranwachsen stieg im Beobachtungszeitraum tatsächlich um 240 = 6,2 Prozent.9 Erwartet wurde nach der o. a. Prognose eine Steigerung von 7,8 Prozent. Ein Anstieg der Zahl der Straftaten und Straftäter/innen um etwa 6 Prozent wäre somit erklärbar durch die Zunahme der jungen Menschen in der entsprechenden Altersgruppe. Tabelle 5 Anzahl der Kinder, Jugendlichen und Heranwachsenden Stadtteil 2013 U 14 J. abs. Ahrem Blessem/Fr. Bliesheim Borr/Sch. Dirmerzheim Erp Friesheim Gymnich/M. Herrig Kierdorf Köttingen Lechenich/K. Liblar Niederberg Ges. in % 2000 14 - < 18 J. 18 - < 21 J. 14 - < 21 J. 14 - < 21 J. abs. abs. abs. abs. in % in % in % in % 123 2,1 47 2,1 33 2,0 80 2,1 80 2,2 208 3,5 69 3,1 66 4,0 135 3,5 113 3,1 365 6,1 125 5,6 112 6,9 237 6,1 207 5,7 48 0,8 17 0,8 19 1,2 36 0,9 27 0,7 238 4,0 80 3,6 65 4,0 145 3,8 139 3,8 287 4,8 139 6,2 96 5,9 235 6,1 193 5,3 403 6,8 139 6,2 98 6,0 237 6,1 193 5,3 578 9,7 179 8,0 136 8,3 315 8,2 313 8,6 65 1,1 21 0,9 9 0,6 30 0,8 34 0,9 376 6,3 134 6,0 81 5,0 215 5,6 196 5,4 456 7,7 186 8,3 144 8,8 330 8,5 285 7,9 1.321 22,2 505 22,6 318 19,5 823 21,3 791 21,8 1.441 24,2 562 25,2 431 26,4 993 25,7 993 27,4 49 0,8 29 1,3 22 1,3 51 1,3 59 1,6 5.958 100,0 2.232 100,0 1.630 100,0 3.862 100,0 3.623 100,0 Quelle: KDVZ 08.2000 und 08.2013 9 Die Altergruppe der 14- bis < 18-Jährigen (Jugendliche) stieg um 179 = 8,0 Prozent. Die Altergruppe der 18- bis < 21-Jährigen (Heranwachsende) stieg um 61 = 3,7 Prozent. Quelle für die Vergleichswerte: V 683/2009; JHA 03.02.2010 Amt für Jugend, Familie und Soziales der Stadt Erftstadt - Jugendhilfeplanung 15 Teilplanung VI.2 – Mitwirkung im Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz (2. Fortschreibung) Zukünftige Entwicklung Wird das Jahr 2013 als Basisjahr gewertet, ergeben sich anhand der KDVZDaten bis zum Jahr 2015 in Bezug auf Erftstadt-Gesamt folgende Trends hinsichtlich der Altersgruppen (Zu- bzw. Wegzüge wurden nicht berücksichtigt): Kinder U14 Jugendliche 14 - < 18 J. Heranwachsende 18 - < 21 J. minus 4,9 Prozent minus 4,5 Prozent plus 2,8 Prozent Bei den unter 14-Jährigen sind demnach fast alle Stadtteile vom Rückgang betroffen. Die Quoten gehen von plus 1,5 (Blessem) bis minus 19,1 (Borr). Da Kinder nur im geringen Maß straffällig werden, hat der Rückgang nur eine geringe Bedeutung für die Jugendhilfeplanung der JGH. Bei den Jugendlichen im Alter von 14 bis unter 18 Jahren gibt es besonders hohe Rückgänge in Erp (- 12,9 %), Kierdorf (- 11,2 %) und Liblar (- 9,6 %). Da der Rückgang in dieser Altersgruppe auf Stadtebene minus 4,5 Prozent (abs. = 100) beträgt, dürfte sich diese Tatsache geringfügig auf die JGH-Zahlen auswirken. In der Gruppe der Heranwachsenden, die bis zum Jahr 2015 um 2,8 Prozent (abs. = 46) zunimmt, gibt es Spitzen in Kierdorf (+ 27,1 %) und Lechenich (+ 8,8 %). Der Rückgang ist in dieser Altersgruppe in Bliesheim (- 7,1 %) besonders hoch. Der Zuwachs in dieser Altersgruppe auf Stadtebene dürfte sich nur geringfügig auf die JGH-Zahlen auswirken. Aus der folgenden Abbildung sind die absoluten Werte bezogen auf ErftstadtGesamt ersichtlich. 7000 5843 5992 5696 6000 5000 Kinder Jugendliche 4000 3000 Heranwachsende 2232 2211 2132 2000 1000 1630 1639 1676 2013 2014 2015 Abbildung 1 Entwicklung der Jahrgangsgruppen bis 2015 Quelle: KDVZ 08.2011 16 Amt für Jugend, Familie und Soziales der Stadt Erftstadt - Jugendhilfeplanung Teilplanung VI.2 – Mitwirkung im Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz (2. Fortschreibung) 3.3 Bedarf aus Sicht der Jugendlichen und Heranwachsenden Die Jugendgerichtshilfe prüft, in wie weit den straffällig gewordenen Jugendlichen und Heranwachsenden Hilfe durch die Jugendhilfe angeboten werden kann. Durch eine Längsschnittuntersuchung zwischen 1999 und 2001 wurde dezidiert untersucht, welche Jugendlichen und Heranwachsenden mit der Jugendgerichtshilfe in Berührung kommen. Da aktuellere Daten zurzeit nicht existieren, wird im Folgenden auf diese Daten Bezug genommen. 5,4 Prozent der befragten Familien gaben in einer Befragung im Jahre 1998 an, die Jugendgerichtshilfe zu kennen. 55,6 Prozent der Befragten meinten, dass das Angebot zu gering sei. Angemessen hielten die Dienstleistungen der Jugendgerichtshilfe 41,7 Prozent der auf die Frage antwortenden Familien. 78,3 Prozent der Befragten hielten die vorbeugenden Maßnahmen im Bereich Gewalt / Drogen für zu gering. Die Mehrheit der befragten Familien schlug vor, dass vermehrt Jugendräume, -zentren bzw. -cafés für die Jugendlichen notwendig sind. Wird die Statistik zur Jugendkriminalität und Jugendgefährdung des Landeskriminalamtes zum Vergleich herangezogen, so waren im Jahr 2011 landesweit 0,9 Prozent der Kinder, 7,0 Prozent der Jugendlichen und 8,2 Prozent der Heranwachsenden tatverdächtig. In der folgenden Tabelle werden diese Werte auf Erftstadt übertragen. Tabelle 6 Tatverdächtigen-Erwartungswerte auf Basis der Landesstatistik Stadtteil U 14 J. abs. Ahrem 123 Blessem/Fr. 208 Bliesheim 365 Borr/Sch. 48 Dirmerzheim 238 Erp 287 Friesheim 403 Gymnich/M. 578 Herrig 65 Kierdorf 376 Köttingen 456 Lechenich/K. 1.321 Liblar 1.441 Niederberg 49 Ges. 5.958 10 NRW in % Quelle: KDVZ 08.2013 erw. TV 14 - < 18 J. abs. 1 47 2 69 3 125 0 17 2 80 3 139 4 139 5 179 1 21 3 134 4 186 12 505 13 562 0 29 2.232 54 0,9 erw. TV 18 - < 21 J. abs. 3 33 5 66 9 112 1 19 6 65 10 96 10 98 13 136 1 9 9 81 13 144 35 318 39 431 2 22 1.630 156 7,0 erw. TV 14 - < 21 J. abs. 3 80 5 135 9 237 2 36 5 145 8 235 8 237 11 315 1 30 7 215 12 330 26 823 35 993 2 51 3.862 134 8,2 erw. TV 6 10 18 3 11 18 18 24 2 16 25 63 75 4 294 7,6 Nach den Berechnungen der o. a. Tabelle wäre in Erftstadt mit 54 Kindern, 156 Jugendlichen und 134 Heranwachsenden zu rechnen, die tatverdächtig geworden wären. Tatsächlich wurden 2012 in Erftstadt insgesamt 173 Jugend10 Zur Berechnung der Quoten wurde die Zahl der Straftäter/innen der Zahl der Angehörigen der Altersgruppe gegenübergestellt. Amt für Jugend, Familie und Soziales der Stadt Erftstadt - Jugendhilfeplanung 17 Teilplanung VI.2 – Mitwirkung im Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz (2. Fortschreibung) liche und Heranwachsende straffällig. Dies ist erheblich weniger, als vergleichsweise auf Landesebene straffällig wurden. Hiernach hätten es insgesamt 294 sein müssen. Die Tatverdächtigenquote liegt demnach in Erftstadt mit 4,5 Prozent 3,1 Prozentpunkte unter dem Landesdurchschnitt. 3.3.1 Landesebene Im Folgenden sind einige ausgewählte jugendtypische Delikte11 auf Landesebene dargestellt: Tabelle 7 Tatverdächtige je Delikt im Jahresvergleich in Prozent in NRW Delikte 2012 zu 2003 zu 2011 Diebstahl 39.809 - 32,8 - 12,8 Körperverletzung 29.110 + 7,5 - 8,6 Sachbeschädigung 13.978 -18,4 - 13,1 Erschleichung von Leistungen 12.893 + 3,6 - 2,1 BtMG 12.324 - 36,7 + 1,7 Raub 4.279 - 14,2 - 3,9 Quelle: Landeskriminalamt NRW 2012 An erster Stelle der jugendtypischen Deliktbereiche ist der Diebstahl (Fahrräder, Mofas, Krafträder, Handys, Jacken) anzuführen. Gegenüber dem Vorjahr und im 10-Jahresvergleich ging die Anzahl erheblich zurück. Die Körperverletzungen weisen zum Vorjahr einen Rückgang von 8,6 Prozent auf. Bis 2008 war die Gewaltbereitschaft zunächst kontinuierlich angewachsen. Ein rückläufiger Trend ist erkennbar. An dritter Stelle der jugendtypischen Deliktbereiche liegt die Sachbeschädigung (auf Straßen, Wegen und Plätzen, Graffiti). Hier ist ebenfalls ein erheblicher Rückgang zum Vorjahr und im 10-Jahresvergleich zu verzeichnen. Die Erschleichung von Leistungen (Beförderungserschleichung) nahm im 10-Jahresverleich zu, gegenüber dem Vorjahr ab. Die Zahl der Tatverdächtigen bei Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz stieg im Vergleich zum Vorjahr leicht an, ist aber im 10-Jahresvergleich erheblich gesunken. Zahlenmäßig nur eine geringe Bedeutung hat im jugendtypischen Deliktbereiche der Raub. Hier ist ein erheblicher Rückgang zum Vorjahr und im 10Jahresvergleich zu verzeichnen. Die Landesstatistik geht auch auf die zunehmende Computerkriminalität und die Gefährdung von Kindern und Jugendlichen durch Drogen und Sucht ein. 11 Da es den Rahmen dieser Planung sprengen würde, alle Delikte einschließlich der Untergruppen, aufzuführen, werden nur die zurzeit wichtigen jugendtypischen Delikte genannt. Einfluss auf die Zahl der einzelnen Delikte und ihre öffentliche Darstellung haben nach Aussage von Fachkreisen verschiedene Indikatoren (z.B. vermehrtes öffentliches Interesse, verstärkte Polizeipräsenz, erhöhte Anzeigebereitschaft, etc.). Nicht das Fehlverhalten, sondern die Aufmerksamkeit dafür ist gestiegen. 18 Amt für Jugend, Familie und Soziales der Stadt Erftstadt - Jugendhilfeplanung Teilplanung VI.2 – Mitwirkung im Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz (2. Fortschreibung) Der sexuelle Missbrauch von Kindern und Jugendlichen wird ebenso zahlenmäßig dargestellt, wie die Zahl der Straftaten dieser Art durch Kinder und Jugendliche. Straftaten mit schulischem Bezug machen laut Landesstatistik 1,6 Prozent aller Straftaten aus. 3.3.2 Rhein-Erft-Kreis Der folgende Auszug aus der Statistik der Kriminalpolizei des Rhein-ErftKreises12 dokumentiert, dass bezogen auf den Rhein-Erft-Kreis knapp 29 Prozent der Straftaten von unter 21-Jährigen begangen wurden. Der Schwerpunkt der Kriminalität lag in dieser Altersgruppe bei Diebstählen von Mopeds und Krafträdern, das sogenannte `Abziehen´ von Jacken und Handys (Straßenraub) und der Fahrraddiebstahl. Die Fallzahlen bei Raub und Körperverletzung waren aufgrund der höheren Anzeigebereitschaft und der auf Null gesetzten Toleranzgrenze im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Ein Viertel aller Straftaten wurde von Mädchen bzw. jungen Frauen ausgeführt. Dominierend war hier die Altersgruppe der 14- bis < 18-Jährigen. Männliche Straftäter waren häufig in der Altersgruppe der 18- bis < 21-Jährigen zu finden. 3.3.3 Erftstadt Eine Längsschnitterhebung aus dem Jahr 2002 zeichnete für Erftstadt folgendes Bild des Jugendlichen bzw. Heranwachsenden, der mit der JGH in Berührung gekommen war: - Ersttäter-Quote: Mehrfachtäter-Quote: Jugendliche: Heranwachsende: Geschlecht: Bildung: Nationalität: Stadtteile: Familienstand d. Eltern: Geschwister: 3,6 Prozent der 14- bis 21-Jährigen / Jahr 28 Prozent 60 Prozent 40 Prozent 12 Prozent weiblich; 88 Prozent männlich 59 Prozent Hauptschule 92 Prozent deutsch 40 Prozent wohnen in Erftstadt-Liblar 70 Prozent verheiratet 82 Prozent haben Geschwister Delikte Ein Vergleich der o. a. Landesdaten mit den Auswertungen der Jugendgerichtshilfedaten aus Erftstadt ergab eine fast analoge Verteilung der Deliktarten. Beachtet werden muss bei der Interpretation der u. a. Statistiken einerseits, dass bei insgesamt geringem Deliktanstieg/-rückgang selbst kleine Veränderungen erhebliche Prozentsprünge bedingen. Andererseits muss unbedingt die gleiche Zählweise / Deliktart verwendet werden, um Vergleiche herstellen zu können. Die veränderte Anzahl der Fälle bzw. Delikte lässt sich offensichtlich nicht durch den Anstieg des Jugendeinwohner/innenwertes erklären. Sie kann in den normalen Schwankungsbereich eingestuft werden. Einfluss auf die Anzahl 12 Die Kriminalität steigt weiter an. In: Kölner Rundschau vom 04.03.2008. Amt für Jugend, Familie und Soziales der Stadt Erftstadt - Jugendhilfeplanung 19 Teilplanung VI.2 – Mitwirkung im Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz (2. Fortschreibung) der einzelnen Deliktarten haben nach Aussage von Fachkreisen - wie bereits erwähnt – verschiedene andere Indikatoren (z.B. vermehrtes öffentliches Interesse, verstärkte Polizeipräsenz, erhöhte Anzeigebereitschaft, etc.). Tabelle 8 13 Verfahren je Delikt im Jahresvergleich in Prozent in Erftstadt Delikte 2012 zu 2003 Diff. Diebstahl 56 39 + 17 Körperverletzung 35 44 -9 Sachbeschädigung 6 Erschleichung von Leistungen 35 BtMG 14 28 - 14 Raub 12 2 + 10 Sonstige 121 34 + 87 Gesamt 273 153 + 120 Quelle: JGH-Statistik 2003 und 2012 Unter den `Sonstigen Delikten´ waren im Jahr 2013 u. a. Fahren ohne Fahrerlaubnis (34x), Verstoß gegen das PVG (13x) sowie Beleidigung (14x). An erster Stelle der jugendtypischen Deliktbereiche liegt auch in Erftstadt der Diebstahl. Im 10-Jahresvergleich nahm entgegen dem Landestrend die Anzahl erheblich zu. Die Körperverletzungen weisen entgegen dem Landestrend im 10-Jahresvergleich einen Rückgang von 20,5 Prozent auf. An dritter Stelle der jugendtypischen Deliktbereiche liegt landesweit die Sachbeschädigung. In Erftstadt war 2012 die Anzahl so gering, dass sie unter Sonstige Straftaten aufgeführt wurden. Die Erschleichung von Leistungen wurde 2003 unter Sonstige Straftaten aufgeführt. Mittlerweile hat der Strafbestand auch Einzug in die JGH-Statistik in Erftstadt gefunden. Die Zahl der Tatverdächtigen bei Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz sank in Erftstadt wie auf Landesebene im 10-Jahresvergleich erheblich. Das Delikt Raub nahm im 10-Jahresvergleich in Erftstadt erheblich zu. Bei der folgenden Analyse der betroffenen Jugendlichen und Heranwachsenden ist zu beachten, dass sich die Angaben des Jahres 2012 auf die Verfahren beziehen.1 Bis 2003 handelt es sich um die abgeschlossenen Fälle. Alter Über die Altersverteilung – maßgebend ist hier das Alter zum Zeitpunkt der Tat – informiert die folgende Tabelle. Bezogen auf die Verfahren sind 40 Prozent der Verfahrensbeteiligten Jugendliche und 60 Prozent Heranwachsende. 13 Ein direkter Vergleich kann wegen verschiedener Erfassungsarten nicht in allen Deliktarten erfolgen. 20 Amt für Jugend, Familie und Soziales der Stadt Erftstadt - Jugendhilfeplanung Teilplanung VI.2 – Mitwirkung im Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz (2. Fortschreibung) Tabelle 9 14 Täter / Verfahren nach Altersgruppen im Jahresvergleich Altersgruppe 2001 2002 2003 2012 abs. in % abs. in % abs. in % abs. in % Jugendliche Heranwachsende Ges. 68 55,7 54 44,3 76 50 122 100,0 60,3 39,7 85 43 66,4 102 33,6 153 126 100,0 128 100,0 40,0 60,0 255 100,0 Quelle: JGH-Statistik 2001-2003 (Personen) und 2012 (Verfahren) Geschlecht Im Schnitt waren bis 2003 nur ca. 13 Prozent aller jugendlichen und heranwachsenden Personen, die mit der Jugendgerichtshilfe in Berührung kamen, weiblich. Die Anteile waren über Jahre relativ konstant. Tabelle 10 Täter / Verfahren nach Geschlecht im Jahresvergleich Geschlecht 2001 2002 2003 2012 abs. in % abs. in % abs. in % abs. in % weiblich 16 13,1 16 12,7 14 10,9 51 20,0 männlich 106 86,9 110 87,3 114 89,1 204 80,0 Ges. 122 100,0 126 100,0 128 100,0 255 100,0 Quelle: JGH-Statistik 2001-2003 (Personen) und 2012 (Verfahren) Erst- / Wiederholungstaten Laut der u. a. Längsschnittauswertung waren über 50 Prozent der Taten Wiederholungstaten. Hier ist zu berücksichtigen, dass sich einmalige und mehrfache Wiederholungstaten auf die Vorjahre und auf das gleiche Jahr beziehen können. Die Erfassung erfolgt auf Jahresbasis, d.h. sie umfasst alle Fälle mit Personen, die im Alter zwischen 14 und < 21 Jahren erstmals bzw. zum wiederholten Male strafffällig wurden.15 Tabelle 11 Täter / Verfahren nach Erst- / Wiederholungstäter im Jahresvergleich Tätertyp 2001 2002 2003 2012 abs. in % abs. in % abs. in % abs. in % Ersttäter/innen Wiederholungstäter/innen o. A. 78 51,3 74 48,7 6 88 56,8 76 54,3 91 52,6 67 43,2 64 45,7 82 47,4 14 13 158 100,0 169 100,0 153 100,0 Quelle: JGH-Statistik 2001-2003 (Personen) und 2012 (Verfahren) 173 100,0 Nach Einvernehmen ist ein/e Jugendliche/r / Heranwachsende/r bedrohlich gefährdet erst ab ca. 5-7 Straftaten in 3 Jahren. Hierzu zählen in Erftstadt weniger als 20 Jugendliche / Heranwachsende. Die Wiederholungstäter/innen 14 Tabellen aus der V 7/2169 wurden kombiniert und um die Daten der Jahre 2002 u. 2003 ergänzt. Während die `Neufälle´ in Bezug zur Anzahl der altersgleichen Jugendlichen / Heranwachsenden gesetzt werden können, ergeben sich bei Wiederholungsfällen einige Schwierigkeiten. Wenn z.B. ein/e Jugendliche/r bereits in Vorjahren straffällig wurde und im Folgejahr nochmals, zählt sie/er in diesem Jahr als Wiederholungstäter/in. Wird sie/er mehrmals straffällig, wird die Statistik auf Jahresbasis verfälscht. 2012 gab es 37 Wiederholungstäter/innen aus dem gleichen Jahr. 15 Amt für Jugend, Familie und Soziales der Stadt Erftstadt - Jugendhilfeplanung 21 Teilplanung VI.2 – Mitwirkung im Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz (2. Fortschreibung) sind im Schnitt etwa ein Jahr älter als der Durchschnitt. Nationalität / Herkunft Die statistische Erfassung der JGH-Fälle lässt im Bereich der Nationalität / Herkunft nur eine grobe Aufteilung zu, zumal zunehmend Jugendliche mit ausländischer Herkunft die deutsche Staatsbürgerschaft annehmen. Auch die besondere Zielgruppe der ausgesiedelten Jugendlichen und Heranwachsenden kann inzwischen nur unzulänglich erfasst werden. Mit den gegebenen Mitteln und unter der Berücksichtigung von Mehrfacherfassungen (Wiederholungstäter/innen) lässt sich zurzeit folgende Aufteilung der JGH-Personen nach Staatszugehörigkeit darstellen: Tabelle 12 Täter / Verfahren nach Herkunft im Jahresvergleich Nationalität 2001 2002 2003 2012 abs. in % abs. in % abs. in % abs. in % Nicht deutsch 112 91,8 10 8,2 121 5 Ges. 122 100,0 126 100,0 Deutsch 96,0 120 4,0 8 93,7 157 6,3 16 128 100,0 90,8 9,2 173 100,0 Quelle: JGH-Statistik 2001-2003 (Personen) und 2012 (Verfahren) Im Jahr 2012 hatten ca. 9 Prozent der JGH-Personen eine andere als die deutsche Nationalität. Damit ist diese Personengruppe hinsichtlich der JGH leicht überrepräsentiert, da der Ausländeranteil bei den Jugendeinwohner/innen nur ca. 6 Prozent beträgt. Schulbildung Informationen über die Schulbildung der JGH-Jugendlichen / Heranwachsenden können Hinweise auf die soziale Lage / Schicht beinhalten. In der folgenden Tabelle wird die Schulbildung der Klientel der JGH der damaligen tatsächlichen Verteilung gegenüber gestellt. Auch hier kann die Auswertung durch eine Optimierung der Dateneingabe noch verbessert werden. Tabelle 13 Täter / Verfahren nach Schulbildung im Jahresvergleich 1999-2002 2012 abs. in % abs. in % Hauptschule 61,3 41,0 148 57 Realschule 48 19,4 25 18,0 Gymnasium 41 9,3 14 10,1 Förderschule 16 6,9 27 19,4 Sonstige 10 3,1 16 11,5 o. A. 263 Gesamt 506 116 100,0 255 100,0 Quelle: JGH-Statistik 1999-2002 (Personen) und 2012 (Verfahren) Im Schnitt hatten zwischen 56 und 61 Prozent der Personen, die im o. a. Zeitraum mit der JGH in Berührung kommen, eine Hauptschule und 6 bis 7 Prozent eine Förderschule besucht bzw. besuchten sie noch. 22 Amt für Jugend, Familie und Soziales der Stadt Erftstadt - Jugendhilfeplanung Teilplanung VI.2 – Mitwirkung im Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz (2. Fortschreibung) Bundesweit dagegen machten Hauptschüler/innen - mit oder ohne Abschluss nur ca. 35 Prozent, Förderschüler/innen nur ca. 1 Prozent aus. Damals besuchten in Erftstadt nur 26,8 Prozent aller Jugendlichen (9./10. Klasse) die Hauptschule. Sie - und dies gilt ebenso für Förderschüler/innen - sind somit hinsichtlich der JGH-Statistik erheblich überrepräsentiert. Unterrepräsentiert sind folglich die Schüler/innen aller übrigen Schulformen. Die o. a. Auswertung hinsichtlich des Schulabschlusses der JGH-Personen betraf die nicht mehr Schulpflichtigen. Hiervon verfügten im Jahr 2000 ca. 73 Prozent über einen Abschluss. Haupt- und Förderschüler/innen ohne Abschluss, die mit der JGH in Berührung kamen, waren erheblich überrepräsentiert. Über die Fälle lassen sich weitere Informationen erschließen, wenn die Tätigkeit bzw. der Beruf zur Tatzeit Berücksichtigung findet.16 In 33 Prozent der Verfahren besuchten die Jugendlichen / Heranwachsenden noch die Schule (HS, RS, Gym., Don-Bosco-Schule sowie `Sonstiges´). Rund 29 Prozent waren in der Berufsausbildung oder gingen einer beruflichen Tätigkeit nach. Ein Augenmerk muss aber auf die Jugendlichen ohne Ausbildung / Arbeit gelegt werden. Ein relativ großer Prozentsatz (34 %) war zur Tatzeit arbeitslos. Tabelle 14 Täter / Verfahren nach Beruf im Jahresvergleich Altersgruppe 1999-2002 2012 abs. in % abs. in % noch Schule Ausbildung 110 45,9 65 21,8 46 21 33,1 15,1 Beruf / Arbeit 23 8,1 19 13,7 arbeitslos 36 15,1 48 34,5 5 3,6 Sonstiges 17 27 9,0 o. A. 261 116 Gesamt 506 100,0 255 100,0 Quelle: JGH-Statistik 1999-2002 (Personen) und 2012 (Verfahren) Stadtteile In der folgenden Tabelle wurden die Ersttäter/innen der Jahre 1999 bis 2003 den verschiedenen Stadtteilen zugeordnet und mit einer Jugendeinwohnerzahl eines Jahres verglichen.18 Die Einwohnerzahlen schwanken nur geringfügig. So kann ersichtlich gemacht werden, in welchen Stadtteilen JGH-Personen über einen längeren Zeitraum über- oder unterproportional vorkommen. Ein jährlicher Vergleich ist wegen der Schwankungen weniger aussagekräftig, kann aber auf Schwerpunkte hinweisen. Die Vergleichsdaten des Jahres 2012 sind bezogen auf die Verfahren. 16 Hier muss die Statistik optimiert werden, indem z.B. nach Jugendlichen, die meistens noch zur Schule gehen, und Heranwachsenden, die öfter in Ausbildung sind, unterschieden wird. 17 Die Variable `Sonstiges´ beinhaltet u. a. Lehrgänge und Maßnahmen zur schulischen Qualifikation. 18 Grundsätzlich dürfen genaue Zahlen über die Fälle in den einzelnen Stadtteilen aus Datenschutzgründen hier nicht wiedergegeben werden, da ggf. Rückschlüsse auf die beteiligten Personen möglich sind. Dies trifft besonders für kleine Stadtteile mit geringer Jugendpopulation zu und wird noch bedenklicher, wenn z.B. bei 5 konkreten Fällen in diesem kleinen Stadtteile insgesamt 22 Prozent der Jugendlichen und Heranwachsenden betroffen wären. Amt für Jugend, Familie und Soziales der Stadt Erftstadt - Jugendhilfeplanung 23 Teilplanung VI.2 – Mitwirkung im Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz (2. Fortschreibung) Eine zusätzliche Berechnung zeigt an, wie stark oder schwach die Segregation (Trennung / Abscheidung) auf einer Skala von 0 (gleichmäßige Verteilung der JGH-Fälle) bis 100 (hohe Ungleichverteilung) in Erftstadt ist. Zur Erläuterung der folgenden Tabelle werden zwei Stadtteile herausgegriffen: Lechenich In Lechenich wohnen im Beobachtungszeitraum ca. 21,3 Prozent (2003 = 21,8 %) aller Jugendlichen und Heranwachsenden Erftstadts. Hinsichtlich der Anzahl der JGH-Personen waren die Lechenicher Jugendlichen / Heranwachsenden mit ca. 14 Prozent (2003 = 17 %) unterrepräsentiert.19 Liblar In Liblar wohnen ca. 26 Prozent (2003 = 27 %) aller Jugendlichen und Heranwachsenden Erftstadts. Hinsichtlich der Anzahl der JGH-Personen sind die Liblarer Jugendlichen / Heranwachsenden mit einem fast 48 Prozent-Anteil (2003 = 41 %) an allen JGH-Personen überrepräsentiert.20 Tabelle 15 Jugendeinwohner/innen und JGH-Fälle nach Stadtteilen 2003 2012 JEW JGH Diff. JEW JGH Diff. Ahrem 2,2 2,4 + 0,2 2,1 1,6 -0,5 Blessem/Fr. 3,1 3,3 + 0,2 3,5 3,5 0,0 Bliesheim 5,7 4,2 - 1,5 6,1 4,3 -1,8 Borr/Sch. 0,7 1,5 + 0,8 0,9 0,4 -0,5 Dirmerzheim 3,8 4,2 + 0,4 3,8 2,7 -1,1 Erp 5,3 3,3 - 2,0 6,1 3,5 -2,6 Friesheim 5,3 4,5 - 0,8 6,1 6,3 0,2 Gymnich/M. 8,6 7,3 - 1,3 8,2 6,3 -1,9 Herrig 0,9 1,5 + 0,6 0,8 0,8 0,0 Kierdorf 5,4 3,0 - 2,4 5,6 3,5 -2,1 Köttingen 7,8 6,0 - 1,8 8,5 4,7 -3,8 Lechenich/K. 21,8 16,9 - 4,9 21,3 13,7 -7,6 Liblar 27,4 41,1 + 13,7 25,7 48,2 +22,5 Niederberg 1,6 0,6 - 1,0 1,3 0,4 -0,9 ges. 100,0 100,0 100,0 100,0 Segregation: 7,85 22,75 Quelle: JGH-Statistik 1999-2003 (Personen) und 2012 (Verfahren) Bei der Interpretation der Segregation, die gegenüber 2003 gestiegen ist, muss die unterschiedliche Zählweise (Personen und Verfahren) beachtet werden. 19 Das Ergebnis untermauert die Berechnungen der Sozialstruktur, wonach Lechenich eine sehr gute Sozialstruktur hat (vgl. Jugendhilfeplanung I.4 – Sozialraumanalyse). 20 Auch dieses Ergebnis untermauert die Berechnungen der Sozialstruktur, wonach Liblar im Gegensatz zu den anderen Stadtteilen ein Stadtteil mit erhöhtem Jugendhilfebedarf ist. Eine erhöhte Priorität hat Liblar in allen Infrastrukturbereichen (vgl. Teilplanungen II.3, II.4, IV.1). 24 Amt für Jugend, Familie und Soziales der Stadt Erftstadt - Jugendhilfeplanung Teilplanung VI.2 – Mitwirkung im Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz (2. Fortschreibung) 3.4 Ergebnis der Trägerbeteiligung Die Beteiligten an den Planungsgruppensitzungen (vgl. Kap. 1.3) einigten sich darauf, dass der Bedarf in der Hauptsache durch die Gerichte und die Zahl der Verfahren bestimmt wird. Die Jugendgerichtshilfe ist für die Intervention, die Schulen und die Jugendarbeit für die Prävention zuständig. Die Teilnehmenden hielten die Errichtung einer beständigen AG nach 78 SGB VIII für sinnvoll. Zum Bedarf von Jugendlichen und Heranwachsenden, die mit den Jugendgerichten in Berührung gekommen sind, führte die Planungsgruppe aus: 1) Jugendliche und Heranwachsende, die sich zusätzlich in schwierigen Lebenslagen befinden, benötigen eine intensive, geschlechtsspezifisch ausgerichtete Einzelfallhilfe (ggf. über 21 Jahre hinaus). 2) Jugendliche und Heranwachsende als Dauerkonsumenten von weichen Drogen benötigen erlebnispädagogische Gruppenangebote. 3) Jugendliche und Heranwachsende, die gerichtlich wegen des Deliktes `Beförderungserschleichung´ belangt wurden, benötigen eine spezielle erzieherische Maßnahme. 4) Die Mitwirkung im Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz bedarf einer noch stärkeren Vernetzung mit der Berufsberatung, dem Jobcenter, dem ASD, der Drogenhilfe bzw. Drogenpräventionsstelle und der Bewährungshilfe. 3.5 Zusammenfassung des Bedarfs Die sozioökonomisch kaum belastete Stadt Erftstadt verfügt über gute soziale Netzwerke, so dass junge Menschen vergleichsweise weniger häufig als in anderen Städten abweichendes Verhalten aufzeigen. Insgesamt ist die `Kriminalitätsbelastung´ in Erftstadt - nicht nur bei den Jugendlichen - relativ gering. Die Altergruppen der 14- bis unter 21-Jährigen verändern sich bis zum Jahr 2015 nur unwesentlich. Auswirkungen durch demografische Veränderungen sind damit nicht zu erwarten. Die Auswertung der Jugendgerichtsakten ergab, dass sich die Delikte wesentlich den landesweit registrierten, jugendtypischen Delikten anpassen. Im Blickwinkel der JGH stehen besonders die Mehrfachstraftäter/innen, deren kriminelles Verhalten auf eine problematische Entwicklung hinweisen kann. Es ist bei den jugendlichen Straftäter/innen zu unterscheiden zwischen zwei Gruppierungen:  Die Straftat als Episode der Entwicklung  Die Straftat als Symptom einer problematischen Entwicklung21. Die zweite wesentlich kleinere Gruppe stellt den Hauptschwerpunkt der mo- 21 Das Landeskriminalamt kommt in seinen Jahresberichten zum gleichen Schluss. Amt für Jugend, Familie und Soziales der Stadt Erftstadt - Jugendhilfeplanung 25 Teilplanung VI.2 – Mitwirkung im Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz (2. Fortschreibung) dernen Jugendgerichtstätigkeit dar. Der in der Planungsgruppe geäußerte Bedarf geht über eine Problembeschreibung hinaus und enthält bereits Lösungsvorschläge. Diese müssen mit den bereits vorhandenen Maßnahmen für besonders betroffene Jugendliche und Heranwachsende und erlebnisorientierten Maßnahmen und Angebote für Drogenkonsumenten abgeglichen werden. Gegen die Beförderungserschleichung existiert zurzeit kein Angebot in Erftstadt. Die Kooperation und Vernetzung mit anderen Stellen ist bereits im SGB VIII bzw. JGG berücksichtigt. 26 Amt für Jugend, Familie und Soziales der Stadt Erftstadt - Jugendhilfeplanung Teilplanung VI.2 – Mitwirkung im Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz (2. Fortschreibung) „Nicht jeder Schulschwänzer wird zum Verbrecher, aber viele Kriminelle haben in ihrer Jugend unter anderem die Schule geschwänzt.“22 4 Bestandsaufnahme der Dienste und Maßnahmen Wenn es zu einer Anzeige kommt, entscheidet zunächst die Staatsanwaltschaft über eine Einstellung des Verfahrens. Es besteht auch die Möglichkeit, dass die Staatsanwaltschaft das Verfahren ohne Beteiligung der Gerichte mit Auflagen (z.B. Diversion) einstellt. In den beiden Fällen erhält das Jugendamt eine Meldung. Im zweiten Fall obliegt dem Jugendamt die Durchführung und Kontrolle der Auflagen. Kommt es zu einer Verhandlung, entscheidet die Schwere der Tat darüber, ob vor dem Jugendgericht ein vereinfachtes Verfahren ohne Staatsanwaltschaft oder ein normales Jugendgerichtsverfahren mit Staatsanwalt und Jugendrichter durchgeführt wird. Am Verfahren vor dem Schöffengericht nehmen zusätzlich noch zwei Jugendschöffen teil. Berufungen finden grundsätzlich vor den Jugendkammern statt. In den zuletzt genannten Fällen leistet das Jugendamt Mithilfe im Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz. Die Jugendgerichte versuchen mit ihren Strafkatalogen erzieherisch auf die jungen Straftäter/innen einzuwirken. Hierauf geht das Kapitel 4.1 ein. Im danach folgenden Kapitel 4.2 wird das Instrumentarium der Jugendgerichtshilfe aufgelistet. Die sonstigen Hilfeorganisationen folgen in Kapitel 4.3. Das Kapitel schließt mit einer Zusammenfassung (4.4). 4.1 Jugendstrafverfahren Die Verfahren vor dem Amtsgericht ergehen ca. 65 Prozent per Beschluss und zu ca. 35 Prozent per Urteil. Von den 153 Verfügungen der Staatsanwaltschaft wurden 64 über das Diversionsverfahren abgehandelt. Tabelle 16 Verfahrensträger Verfahrensträger Amtsgericht Staatsanwaltschaft davon Diversion Ges. 2012 102 153 64 255 Quelle: JGH-Statistik 2012 Die wichtigsten Instrumentarien des Jugendgerichts hinsichtlich der Ahndung von Straftaten sind demnach Ermahnungen und Verwarnungen, Arbeitsauflagen, Teilnahme an speziellen Kursen, Betreuungsweisungen sowie Geldbußen bei Jugendlichen / Heranwachsenden mit eigenem Einkommen. 22 Susanne Gaschke, in: DIE ZEIT Amt für Jugend, Familie und Soziales der Stadt Erftstadt - Jugendhilfeplanung 27 Teilplanung VI.2 – Mitwirkung im Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz (2. Fortschreibung) 4.2 Mitwirkung im Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz Die Jugendgerichtshilfe (eine Fachkraft) ist als Spezialdienst in der Kommunalen Jugendarbeit – Mobilé – organisiert. Die Urlaubs- bzw. Krankheitsvertretung wird durch eine Fachkraft von Mobilé (10 h) gewährleistet. Die Jugendgerichtshelferin regelt nicht nur die Angelegenheiten, die mit der Vertretung der/des Jugendlichen bzw. Heranwachsenden vor dem Jugendgericht verbunden sind. Sie kann  in der Regel ein Vertrauensverhältnis zu dem/der Klienten / Klientin aufbauen und  dadurch der/dem jeweils zuständigen Richter/in eine qualifizierte Persönlichkeitsbeschreibung der Klienten vermitteln (§§ 3 und 105 JGG),  eine adäquate Ahndungsmöglichkeit bzw. Hilfemaßnahme für den/die straffällig gewordenen Jugendliche(n) / Heranwachsende(n) anregen.  Neben den präventiven Tätigkeiten ist das wichtigste Arbeitsfeld der Jugendgerichtshilfe die Fallarbeit. Insbesondere die zuletzt angesprochene Aufgabe der Jugendgerichtshilfe, dem Jugendlichen oder Heranwachsenden Sozialisationshilfen anzubieten, soll in der Praxis einen hohen Stellenwert zukommen. Fallarbeit In der Regel beginnt die Tätigkeit der Jugendgerichtshilfe mit dem Eingang der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft und der damit verbundenen Berichtsanforderung. Folgende Arbeitsfolge setzt dann ein: a) Entgegennahme der Anklageschrift b) Heranziehung von im Amt vorhandenen Unterlagen c) Einladung zum Erstgespräch bzw. Ankündigung eines Hausbesuches. d) Ermittlung zur Persönlichkeitserforschung durch Gespräche (ggf. Ängste abbauen) e) Berichterstattung an Gericht und Staatsanwaltschaft f) Teilnahme an der Hauptverhandlung g) Nachgehende Hilfe – ggf. Durchführung von auferlegten Maßnahmen durch die/den Jugendrichter/in (Vermittlung von Kursen wie z. B. Sozialer Trainingskurs, Coolness- Wochenende, Durchführung von Betreuungsweisungen, Täter-Opfer-Ausgleich). Die Polizei sendet mit Bekanntwerden einer Straftat (Aufnahme des Protokolls) eine Durchschrift an die Jugendgerichtshilfe. Damit kann direkt nach dem Begehen einer Straftat Kontakt mit der/dem Jugendlichen / Heranwachsenden und ggf. mit den Erziehungsberechtigten aufgenommen werden. Optimal wäre, wenn Jugendliche und besonders die so genannten `Problemjugendlichen´ unaufgefordert und kurz nach dem Begehen einer Straftat ihrer- 28 Amt für Jugend, Familie und Soziales der Stadt Erftstadt - Jugendhilfeplanung Teilplanung VI.2 – Mitwirkung im Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz (2. Fortschreibung) seits Kontakt zur Jugendgerichtshilfe aufnehmen würden.23 In diesen Fällen besteht dann die Möglichkeit, konkrete Hilfe in Konflikt- und Problemsituationen anzubieten. Die sozialpädagogische Einzelfallhilfe kann unmittelbar nach Begehen einer Straftat einsetzen und somit auch präventiv wirken. Weiterhin wird individuell bei Heranwachsenden entschieden, ob Gespräche mit Lehrer/innen, Lehrherren und -frauen usw. geführt werden müssen. Hierzu muss das Einverständnis des/der Betroffenen vorliegen. Bei Jugendlichen ist hierzu die Erlaubnis der Erziehungsberechtigten einzuholen. In den geführten Gesprächen steht die persönliche Situation der Vorgenannten im Mittelpunkt. Darüber hinaus wird über die Tatmotivation, nicht über den genauen Ablauf der Tat gesprochen. Die Ergebnisse der Gespräche werden im Jugendgerichtshilfebericht, der wiederum in der Hauptverhandlung mündlich vorgetragen wird, objektiv dargestellt. Nach der Urteilsverkündung gehen dann weitere Aufgaben an die Jugendgerichtshilfe über. Hierzu zählen: a) Vermittlung und Überwachung von Arbeitsauflagen und Kursteilnahmen (Anti-Gewalt, Soz. Trainingskurs, verkehrserzieherische Maßnahmen etc.) b) Zusammenarbeit mit den Sozialstundendienststellen c) Überwachung von Geldauflagen d) Ansprechpartner/in für Familienangehörige e) Durchführung des Täter-Opfer-Ausgleichs f) Vermittlung und Durchführung von Betreuungsweisungen (intensiv) g) Besuch und Betreuung von Inhaftierten Die bisherigen Ausführungen verdeutlichen, wie standardisiert die Tätigkeit der Jugendgerichtshilfe in Bezug auf die Vertretung vor dem Jugendgericht ist. Die Möglichkeiten der Datenverarbeitung tragen hierzu ebenso bei, wie die langjährige Routine der Fachkräfte. Ambulante Maßnahmen Durch konsequente Ausfüllung der gesetzlichen Vorgaben des JGG können u. U. die Fallzahlen beeinflusst werden. Die Einführung von Einzelbetreuung, Täter-Opfer-Ausgleich, Verbesserung des Sozialdienstes, Soziale Gruppenarbeit sowie ggf. auch ein Einbezug der Jugendgerichtshilfe in die Unterrichtsgestaltung haben gerade auf die kleinere Gruppe der Mehrfachtäter Auswirkungen zeigen können. Gewaltbereitschaft, Ausländerfeindlichkeit, der Umgang mit Behinderten, aber auch provokantes Verhalten (z.B. mit Fahrzeugen) und Beziehungsunfähigkeit können durch den Ausbau dieser Leistungen der Jugendgerichtshilfe sinnvoll beeinflusst werden. Die verschiedenen Aktivitäten der ambulanten Maßnahmen sind im Folgenden aufgeführt: a) Sozialdienststunden Zurzeit werden betroffene Jugendliche in gemeinnützige und städtische Einrichtungen wie in das Jugendzentrum, in Altenheime und das Krankenhaus zur Ableistung der Sozialstunden vermittelt. Es findet ein größerer Austausch zwischen Jugendgerichtshilfe und diesen Institutionen statt. Im Jahr 2012 gab es insgesamt 63 Verfahren, die zusammen 2.085 So23 Die Planungsgruppe wies auf eine besondere Hilfestellung für diese Personengruppe hin. Amt für Jugend, Familie und Soziales der Stadt Erftstadt - Jugendhilfeplanung 29 Teilplanung VI.2 – Mitwirkung im Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz (2. Fortschreibung) zialdienststunden umfassten (33 h je Verfahren). Hiervon entfielen 27 Verfahren mit insgesamt 1.530 Sozialdienststunden auf das Amtsgericht (57 h je Verfahren) und 36 Verfahren mit insgesamt 555 Sozialdienststunden auf Diversionsverfahren der Staatsanwaltschaft (15 h je Verfahren). b) Betreuungsweisungen Die Zahl der Betreuungsweisungen hat sich gegenüber der Jahrtausendwende verdoppelt (1998 = 6; 1999 = 10; 2011 = 20; 2012 = 21), die von der Jugendgerichtshilfe durchgeführt wurden. Die entsprechenden Maßnahmen müssen zügig organisiert und durchgeführt werden, besonders dann, wenn sie nur für bestimmte Zielgruppen vorgesehen sind. Liegt zwischen der Erkenntnis über eine bestimmte Notwendigkeit und dem Durchführungstermin zu viel Zeit, kann sich u. U. die Zielgruppe (z.B. Aussiedlerjugendliche, gewaltbereite Jugendliche) wieder aufgelöst haben. Externe ambulante Maßnahmen Einige Hilfen werden für mehrere Kommunen des Südlichen Rhein-ErftKreises gemeinsam organisiert. Die Maßnahmen werden dann im Arbeitskreis der Jugendgerichtshelfer/innen abgesprochen. In diesem Gremium werden Erfahrungen überregional ausgetauscht und präventive Maßnahmen (z.B. Trainingskurse) organisiert, da eine Durchführung allein auf Stadtebene wegen zu geringer Anzahl der Teilnehmer/innen nicht effizient ist. a) Sozialer Trainingskurs Diese Maßnahme hat sich bewährt und ist ein Versuch, eine Richtungsänderung herbei zu führen. Der soziale Trainingskurs findet jedes Jahr für jeweils 10 Jugendliche und Heranwachsende aus Kommunen des südlichen Rhein-Erft-Kreises unter Verwendung von Elementen der Gruppenarbeit und der Erlebnispädagogik statt. Aus Erftstadt nahmen 2011 nur ein Jugendlicher / Heranwachsender und 2012 insgesamt drei Jugendliche / Heranwachsende teil. Für Jugendliche mit Gewaltorientierung wurden sogenannte CoolnessWochenenden durchgeführt. 2011 und 2012 fanden je vier Kurse mit sieben Jugendlichen / Heranwachsenden statt. Zwei Betroffene nahmen 2012 als Intensivtäter an einem Anti-Aggressivitäts-Training teil. b) Verkehrssicherheitstraining und Verkehrserziehungskurse In den Verkehrserziehungskursen soll den Jugendlichen und Heranwachsenden ein Verantwortungsgefühl für den Straßenverkehr vermittelt werden. Im Jahr 2011 nahmen neun Teilnehmer an drei Kursen, und im Jahr 2012 insgesamt sieben Jugendliche bzw. Heranwachsende an zwei Kursen teil. An einem Kurs der Verkehrswacht (Verkehrssicherheitstraining) beteiligten sich zwei Jugendliche bzw. Heranwachsende. c) Maßnahmen bzgl. BTM-Delikte Die Drogenberatungsstelle in Brühl `Information und Beratung zu Suchtlösungen´ (IBS) bietet Gruppenkurse mit der Bezeichnung `Frühinterven30 Amt für Jugend, Familie und Soziales der Stadt Erftstadt - Jugendhilfeplanung Teilplanung VI.2 – Mitwirkung im Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz (2. Fortschreibung) tionen bei erstauffälligen Drogenkonsumenten´ (FreD) an. 2011 und 2012 nahmen je sieben Jugendliche bzw. Heranwachsende teil. 4.3 Schulsozialarbeit Der Einsatz des Schulsozialarbeiters für die Hauptschule wird in Absprache mit dem Schulleiter geregelt.24 Im Folgenden werden die Aktivitäten hervorgehoben, die besondere kriminalitätspräventive Wirkungen haben. Gruppenarbeit - Jungengruppen (in Kooperation mit der Beratungsstelle Schlossstraße) - Mediatorengruppe - Unterstützungsgruppen nach dem „No Blame Approach“-Ansatz - Klassenbetreuung z. B. Soziales Lernen Einzelfallhilfe Einige Schüler haben regelmäßige Gesprächstermine mit dem Ziel, eine bessere Integration in den schulischen Alltag und eine Auseinandersetzung mit sich selbst und den allgemeinen Regeln des Miteinanders zu erreichen. Projekte - Sportkontakttermin in der JVA Heinsberg - Baseballtraining (in Kooperation mit Mobilé) - 2009 bis 2012 Antigewalttraining in der 7. Jahrgangsstufe Die Sozialarbeit in den Schulen wird bis Ende 2013 ergänzt durch die Arbeit der Schulsozialarbeiter/innen für das Bildungs- und Teilhabepaket (BuT). 4.4 Sonstige Angebote Neben allgemein präventiven Maßnahmen der Jugendhilfe hat das Jugendamt konkrete Maßnahmen zur Gewalt-, Sucht- und Medienprävention durchgeführt. So existiert seit Gründung des Jugendamtes ein Arbeitskreis `Jugendschutz / Jugendkriminalität´, der zwei- bis dreimal jährlich Themen aus diesen Bereichen diskutiert, vorschlägt oder umsetzt (vgl. Jugendhilfeplanung II.5 – Erzieherischer Kinder- und Jugendschutz). Die Daten der Jugendgerichtshilfe dienen u. a. als Basisinformationen, um entsprechende Präventivmaßnahmen im Bereich des Jugendschutzes zu ergreifen. Grundlagen für den Arbeitskreis Jugendschutz des Jugendamtes der Stadt Erftstadt sind - Runderlass des Ministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 11.05.1988 (Durchführung des Jugendschutzes in der Öffentlichkeit), - gemeinsamer Erlass zur `Zusammenarbeit bei der Verhütung und Bekämpfung von Jugendkriminalität´ des nordrhein-westfälischen Innenministeriums, des Justizministeriums, des Ministeriums für Arbeit, Gesund- 24 vgl. V 298/2013 – Schulsozialarbeit an den Städtischen Schulen. Amt für Jugend, Familie und Soziales der Stadt Erftstadt - Jugendhilfeplanung 31 Teilplanung VI.2 – Mitwirkung im Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz (2. Fortschreibung) heit und Soziales, des Ministeriums für Generationen, Familien, Frauen und Integration und des Ministeriums für Schule und Weiterbildung (Ministerialblatt NW 2007, S. 582). Der Arbeitskreis ist besetzt mit Vertreterinnen und Vertretern der Schulen, der Polizei, der Jugendarbeit und des Jugendamtes. Er wird geleitet von Mobilé. Bei Bedarf kommen Vertreter/innen hinzu aus der Aidshilfe, der Drogenberatungsstelle, dem Ordnungsamt usw. Prävention ist in Erftstadt ebenfalls in den Schulen und Kindertageseinrichtungen im Rahmen von Schüler- und Elternbildungsarbeit beständiges Angebot (siehe auch Schulsozialarbeit). Die Erziehungsberatungsstelle des Caritasverbandes bietet diesbezüglich ihre Mithilfe an. In 58,4 Prozent der Fälle sind Auffälligkeiten im sozialen Verhalten des jungen Menschen (Aggressivität, Drogen / Alkohol / Delinquenz / Straftat) Grund für die Hilfe durch die Erziehungsberatungsstelle. Ein Anti-Aggressivitäts-Training wurde mit Bewährungshelfer/innen, Jugendgerichtshelfer/innen und Jugendrichter/innen durchgeführt. Träger der Jugendarbeit sind in der Gedenkstättenarbeit und der Medienerziehung aktiv. Nicht zuletzt dienen auch die internationalen Begegnungsmaßnahmen und Völker- und Familienfeste der Gewaltprävention. Eine Vielzahl von Netzwerken befasst sich auch auf Landesebene mit der Prävention von Jugendkriminalität und Jugendgewalt. Die Polizei ist als Kooperationspartner an vielen von ihnen beteiligt. Um bereits die Entstehung krimineller Karrieren zu vermeiden, hat das Ministerium für Inneres und Kommunales NRW u. a. die bundesweit einzigartige Initiative `Kurve kriegen´ ins Leben gerufen. Weitere Aktionen der Kriminalpolizei und überregionaler Träger im präventiven Bereich sind: - `Heimspiel´ - ein Medienpaket zur Gewaltprävention `GigA´ - Gemeinsame Initiative gegen Alkoholmissbrauch Computerkriminalität - Kurzfilme zur Prävention von Cypercrime `Kein Raum für Missbrauch´ - weißes „X“ als Logo `Trau dich…´ - Interaktives Theaterstück `Missbrauch verhindern´ - Kampagne `Mutig fragen – besonnen handeln´ - Elternratgeber Neben dem Landespräventionsrat NRW informiert auch das Praxisnetzwerk für Soziale Stadtentwicklung über Schutzmaßnahmen. Letztere Stelle veröffentlicht eine sogenannte `Grüne Liste´ über die Effizienz von Präventionsprogrammen. Die Ergebnisse dieser Studie sind für die Qualitätsentwicklung in der JGH wichtig. 32 Amt für Jugend, Familie und Soziales der Stadt Erftstadt - Jugendhilfeplanung Teilplanung VI.2 – Mitwirkung im Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz (2. Fortschreibung) „Einer auf Sicherheit bedachten Gesellschaft ist nur schwer zu vermitteln, dass es keinen umfassenden Schutz vor Verbrechen gibt.“25 oder: Das Gegenteil von Sicherheit ist Gefahr. 5 Maßnahmeplanung Im Folgenden werden die laut SGB VIII zur Befriedigung des Bedarfs notwendigen Vorhaben, die rechtzeitig und ausreichend zu planen sind, vorgestellt. Mangels eindeutiger Bedarfskriterien wird hierbei auf die bereits vorliegenden Richtwerte, die sich in der Zeit ebenfalls wandeln können zurückgegriffen (Kap. 5.1). In Kapitel 5.2 wird auf die Vorschläge der Planungsgruppe eingegangen. In Kapitel 5.3 wird die Maßnahmeplanung dieser Jugendhilfeplanung zusammengefasst. 5.1 Richtwert für den Personalbedarf Die Gemeindeprüfungsanstalt hat den Richtwert zur personellen Ausstattung der Jugendgerichtshilfe mit 252 Fällen je Vollzeitstelle angesetzt (vgl. Kap. 1.5). Der Richtwert wurde aus den Personaluntersuchungen in verschiedenen Jugendämtern in NRW gewonnen. Bei voller Ausprägung der gesetzlichen und fachpolitisch geforderten Anforderungen an die Aufgabenerledigung kann eine Fachkraft demnach 252 Fälle im Jahr bearbeiten. Bei einer jährlichen Fallzahl von 190 Fällen in Erftstadt werden laut GPA 0,75 Stellen benötigt. Bei der zurzeit vorhandenen 1,00 Stelle für die JGH werden demzufolge 0,25 Stellen nicht benötigt. Der Richtwert der GPA beruht auf einem großräumigen interkommunalen Vergleich. Bereits im Jahr 2002 wurde ein Vergleich auf Erftstadtebene in der ersten Jugendhilfeplanung vorgelegt. Im Jahr 2012 wurden insgesamt 255 Verfahren durch die Jugendgerichtshilfe betreut. Dies entspricht den Vorgaben der GPA.26 In der Tabelle 6 wird die Tatverdächtigenquote auf Landesebene mit der entsprechenden Bevölkerungsstatistik in Erftstadt verglichen. Demnach wäre im Jahr 2013 in Erftstadt mit 54 Kindern, 156 Jugendlichen und 134 Heranwachsenden zu rechnen, die straffällig geworden wären. Die Jugendgerichtshilfe Erftstadt lässt sich besonders gut darstellen, wenn sie mit der Jugendgerichtshilfe anderer Kommunen des Rhein-Erft-Kreises verglichen wird. Erste Anhaltspunkte konnten bereits in früheren Untersuchungen gesammelt werden. Hierbei wurde auch festgestellt, dass Schwankungen von +/- 15 Verfahren pro Kommune und Jahr normal sind. Hier würde zunächst die Personalausstattung der einzelnen Kommunen interessieren. Wird die Anzahl der zu bearbeitenden Fälle der Bevölkerungsanzahl gegenübergestellt, erhält man die JGH-Quote. Diese sagt etwas über die Belastung der Städte und Gemeinden aus (analog Kriminalitätsbelastungszif- 25 DIE ZEIT Nr. 5 vom 27.01.2011. Würde die JGH in Erftstadt nicht durch eine, sondern durch 2 x 0,5 Fachkräfte durchgeführt, würden diese zwei Fachkräfte sich gegenseitig vertreten. Insofern entsteht kein Fachkräftemehrbedarf. 26 Amt für Jugend, Familie und Soziales der Stadt Erftstadt - Jugendhilfeplanung 33 Teilplanung VI.2 – Mitwirkung im Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz (2. Fortschreibung) fer). Die Zahlen des Jahres 1998 wiesen Erftstadt im Kreisvergleich einen günstigen Platz zu. Die JGH-Ouote war eine der niedrigsten. Mit einer Fallzahl von insgesamt 281 (=187 pro Fachkraft) hatte Hürth die ungünstigste FallMitarbeiter-Relation (1:187) und auch die höchste Belastungsziffer (0,53). Die Sozialstukturanalyse der Erftkreiskommunen weist Erftstadt einen günstigen und Bergheim einen ungünstigen Platz zu. (vgl. Teilplanung I.4 - Sozialraumanalyse). Sozialstrukturindex und `Kriminalitätsziffer´ der Städte und Kommunen korrelieren hoch. Da die konkreten Fallzahlen zunächst nicht beeinflussbar sind und auch noch von weiteren Variablen abhängen, kann in der Folge die Ausprägung der präventiven Arbeit nicht genau planbar sein. 5.2 Notwenige Veranstaltungen Die hier dargestellten Maßnahmen können in Präventions- und Interventionsmaßnahmen unterteilt werden. Der Rahmen dieser Planung würde gesprengt, wenn nicht ausschließlich die Mitwirkung im Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz dargestellt würde, sondern auch die im Rahmen des Erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes zu planenden Maßnahmen. Hierzu liegt eine gesonderte Planung vor. Die folgende Abbildung verdeutlicht, dass durch die JGH-Fachkraft nur eine zurückgehende Zahl der Verfahren zur Ausdehnung der präventiven Arbeit genutzt werden kann. Ein entsprechendes Plus führt zu einer Reduzierung der präventiven Tätigkeiten. Die Fallarbeit ist vorrangig zu bewältigen. Anzahl Fälle b a Anzahl der präventiven Maßnahmen Abbildung 2 27 Fallaufkommen und Ausmaß präventiver Maßnahmen Quelle: JHP 2000 27 Ist das Fallaufkommen niedrig (a), kann die Anzahl der präventiven Maßnahmen ausgedehnt werden. Ist das Fallaufkommen hoch (b), bleibt für vorbeugende Maßnahmen entsprechend weniger Zeit zur Verfügung. 34 Amt für Jugend, Familie und Soziales der Stadt Erftstadt - Jugendhilfeplanung Teilplanung VI.2 – Mitwirkung im Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz (2. Fortschreibung) Abschließend wird auf die Vorschläge der Planungsgruppe Bezug genommen (vgl. Kap. 3.4): 1) Jugendliche und Heranwachsende, die sich zusätzlich in schwierigen Lebenslagen befinden, benötigen eine intensive, geschlechtsspezifisch ausgerichtete Einzelfallhilfe (ggf. über 21 Jahre hinaus). Angestrebt wird die zusätzliche Bereitstellung von qualifizierten Betreuungsangeboten für Betreuungsweisungen. Die JGH und Mobilé übernehmen im Rahmen ihrer Möglichkeiten Weisungen. Für besonders intensive pädagogische Angebote werden externe Anbieter beauftragt und die notwendigen Finanzmittel bereitgestellt (vorwiegend aus Bußgeldern). 2) Jugendliche und Heranwachsende als Dauerkonsumenten von weichen Drogen benötigen erlebnispädagogische Gruppenangebote. Gewünscht wird eine verstärkte Nutzung erlebnispädagogischer Angebote für o.a. Zielgruppe. Ziel ist eine räumliche wie psychische Distanzierung von der gewohnten Drogenszene und die Schaffung alternativer Erfahrungsräume, um Wege aus dem Drogenkonsum aufzuzeigen. 3) Jugendliche und Heranwachsende, die gerichtlich wegen des Deliktes `Beförderungserschleichung´ belangt wurden, benötigen eine spezielle erzieherische Maßnahme. Gewünscht werden geeignete Maßnahmen zur Verhinderung des Delikts der Beförderungserschleichung („Schwarzfahren“). Vorstellbar ist ein Präventionsprojekt ggf. in Zusammenarbeit mit Transportunternehmen und Verkehrsverbünden. Ziel ist es, „Schwarzfahren“ nicht mehr als bloßes Kavaliersdelikt zu verstehen, sondern einen Umdenkungsprozess bei den Betroffen zu initiieren, dass es sich hierbei durchaus um einen Straftatbestand mit hohen wirtschaftlichen Schäden handelt. 4) Die Mitwirkung im Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz bedarf einer noch stärkeren Vernetzung mit der Berufsberatung, dem Jobcenter, dem ASD, der Drogenhilfe bzw. Drogenpräventionsstelle und der Bewährungshilfe. Zu den regelmäßigen Treffen der Jugendgerichtshelfer/-innen im südlichen Rhein-Erft-Kreis werden verstärkt Vertreter/-innen der o.a. Einrichtungen eingeladen, um eine stärkere Vernetzung und einen qualifizierten Erfahrungsaustausch zu gewährleisten. 5.3 Zusammenfassung der Maßnahmeplanung Kriminalität spielt bei den meisten Jugendlichen keine Rolle. Dass Kriminalität dennoch bei Jugendlichen ein Problem ist, ist nicht zu bestreiten. Die Erscheinungsformen der Kriminalität in dieser Altergruppe dürfen nicht bagatellisiert werden. In Erftstadt sind nur insgesamt etwa 3,5 Prozent der 14- bis unter 21Amt für Jugend, Familie und Soziales der Stadt Erftstadt - Jugendhilfeplanung 35 Teilplanung VI.2 – Mitwirkung im Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz (2. Fortschreibung) Jährigen betroffen. Eine Null-Kriminalitätsquote wäre wirklichkeitsfremd, weil das Menschliche unvollkommen ist. Erftstadt ist laut Sozialraumanalyse eine Stadt mit einer relativ geringen sozialen Belastung. Bei der großen Mehrheit der ermittelten tatverdächtigen Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden ist Kriminalität ein eher episodenhaftes und altersspezifisches Verhalten. Es erscheint wichtig, sich in der JGH auf die kleine Gruppe der Mehrfach- und Intensivtäter/innen zu konzentrieren, weil dort sehr früh Kriminalitätskarrieren angelegt sind (tertiäre Prävention). Diese Kinder und Jugendlichen bedürfen der besonderen Aufmerksamkeit und Hilfe. Im vorbeugenden Bereich hat der Kinder- und Jugendschutz eine bedeutende Aufgabe (primäre bzw. GeneralPrävention). Auch müssen nach Alun Michael28 vom Innenministerium in London Verantwortlichkeiten neu definiert werden: - Die Jugendlichen müssen Verantwortung für ihre `Untaten´, die Eltern für ihre Erziehungsfehler und der Staat für seine Versäumnisse übernehmen. Darüber hinaus ist das Sprichwort: Vorbeugen ist besser als Heilen auch für die Jugendgerichtshilfe entscheidend. Die Praxis zeigt, dass abweichendes und Grenzen ausprobierendes Verhalten für das Jugendalter typisch ist. Eine offene Gesellschaft muss deshalb akzeptieren, „ ... dass Abweichungen von der Norm unvermeidlich sind, insbesondere im Grenzbereich (man denke etwa an den fließenden Übergang sozial akzeptierten Alkoholkonsums und Alkoholismus)“.29 Die gesellschaftlichen Ursachen, die Gefährdungsbereiche und ihre Folgen sowie die daraufhin zu treffenden Maßnahmen müssen daher gemeinsam in den Blick genommen werden, will man das Verhalten der Jugendlichen entsprechend verstehen und angemessen reagieren (vgl. hierzu Teilplanung II.2 – Erzieherischer Kinder- und Jugendschutz). 28 29 „Nehmt die Vandalen in die Pflicht.“ In: DIE ZEIT Nr. 16 vom 08.06.1998 In: DIE ZEIT Nr. 25 vom 10.06.1999, S. 32. 36 Amt für Jugend, Familie und Soziales der Stadt Erftstadt - Jugendhilfeplanung