Daten
Kommune
Jülich
Größe
4,4 MB
Datum
14.11.2013
Erstellt
07.11.13, 17:04
Aktualisiert
07.11.13, 17:04
Stichworte
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Frei sein!
Wege aus häuslicher Gewalt
Beratungsstelle für Frauen und Mädchen
Frauen helfen Frauen e.V.
Jahresbericht 2012
Inhalt
Einführung
03
Einführung
Im Jahr 2012 wird das sogenannte Gewaltschutzgesetz in NRW,
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Lebensgeschichte
welches die Polizeieinsätze bei häuslicher Gewalt neu geregelt
hat, zehn Jahre alt. Ein Gesetz, das dafür sorgt, die Frauen nach
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Theoretischer Hintergrund
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Mythen und Vorurteile
erlebter Gewalt in ihrer gewohnten Umgebung zu belassen und
den Täter weg zu weisen. Frauen müssen nicht mehr selbst Anzeige gegen den Partner erstatten. Diese erfolgt automatisch.
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Ein Anruf kann der erste Schritt sein!
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EIN FAX der Polizei kommt in der Beratungsstelle an . . .
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Ausblick auf die folgenden Jahre
Große Fortschritte und klare Signale in der öffentlichen Ächtung
von Gewalt an Frauen und Kindern.
In diesem Jahresbericht möchten wir den von Gewalt betroffenen Frauen Raum geben. Den Frauen, die sich hinter den Zah-
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Aktivitäten und Statistiken
len in unserem Bericht verbergen, die in nüchternen Statistiken
zu verschwinden drohen. Wir möchten diesen vielen anonymen Frauen ein Gesicht geben. Eine
von ihnen hat sich Herz, Zeit und Mut genommen, das Wort zu ergreifen und ihre Geschichte aufgeschrieben. Sie tat das aus dem tiefempfundenen Wunsch heraus, anderen Frauen Mut und
Hoffnung zu geben, sich auf den Weg zu machen. Heraus aus der Gewalt. Hin zu einem menschenwürdigen Leben.
Der Bericht von Frau M. schildert ihren einzigartigen Weg. Und doch ist er exemplarisch für den
Verlauf einer Gewaltbeziehung und die ungeheuren Schwierigkeiten, sich daraus zu befreien. Wir
Impressum
Herausgeberin und Bezugsadresse:
Beratungsstelle für Frauen und Mädchen
Frauen helfen Frauen e.V. Jülich
Römerstr. 10
52428 Jülich
Telefon 02461/58282
Fax 02461/935462
E-Mail: info@frauenberatungsstelle-juelich.de
www.frauenberatungsstelle-juelich.de
bedanken uns für die Offenheit und das große Engagement, mit dem dieser Bericht geschrieben
wurde. Frauen wie Frau M. gebührt unser Respekt und unsere Bewunderung.
Zudem erlaubt das Lesen ihrer Geschichte einen Einblick in die für uns alltäglichen Inhalte unserer
Arbeit.
Fotos: Maria Brenner & Martina Böhmer
Illustrationen aus: „Warnsignale“ Rosalind B. Penfold, Un das soll Liebe sein?
Geschichte einer bedrohlichen Beziehung übersetzt von Edith Beleites (c)Rosalind B. Penfold, Edith Beleites
Dachverband der autoniomen Frauenberatungsstellen NRW e.V.
Gestaltung: Monica Brauer, photo & artwork, Düssseldorf
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Beratungsstelle für Frauen und Mädchen • Frauen helfen Frauen e.V. - Jahresbericht 2012
Lebensgeschichte
Ich hatte eine 21 jährige Ehe. Dann ging diese Ehe kaputt. Ich was eine gestandene Frau. Ich
wusste zu dieser Zeit immer, was ich wollte und war eine starke Frau. Nach dieser Ehe lernte ich
einen 9 Jahre jüngeren Mann kennen. Nach weiteren 3 Monaten zog ich bei ihm ein, weil zu dieser
Zeit hatte ich noch keine Wohnung. Nach weiteren 5 Monaten fragte er mich, ob ich ihn heiraten
möchte. Ich sagte spontan Ja ohne darüber nachzudenken. Vor unserer Ehe war er schon sehr
eifersüchtig und überall, wo ich hinfuhr , wollte er mit. Aber da fing es schon an, dass er sich bei
jedem Treffen mit meinen Freundinnen verkrachte. Er wollte immer Recht haben und wenn er was
sagte, dann war es auch so. So passierte es, dass ich schon manche Freunde verlor, da ich einen
großen Freundeskreis hatte. Ich hatte zu dieser Zeit 5 sehr gute Freundinnen, mit denen ich viel
machte. Aber auch bei diesen 5 Freundinnen lief es genauso ab, wie bei den anderen. Er wollte,
dass ich nicht mehr zu oft zu ihnen hinfahre. Er wollte mit mir etwas anderes machen. Und so
kam es, dass er auf einmal sagte, dass es schön wäre, ich treffe mich nicht mehr mit ihnen. Er
kann sie nämlich nicht leiden. Als ich ihn dann fragte, wieso, sagte er nur das ist halt so und ich
will es einfach nicht mehr. Darüber rede ich nicht mehr mit dir. Du musst dich entscheiden; ich
oder deine Freunde.
Ich überlegte gar nicht mehr, weil ich ihn doch so liebte und mit ihm zusammen bleiben wollte.
Meine Freundinnen sagten mir, S. sei schuld, dass ich nicht mehr zu ihnen käme und sie nicht
mehr treffen wollte. Er zwingt dich dazu, meinten sie, aber ich hörte gar nicht mehr hin. Dann
sollte ich auch keine Röcke mehr tragen, die würden mir nicht stehen, und darin sähe ich blöd
aus. Für Ausschnitte am Pullover wäre ich zu alt. Also zog ich so was dann auch nicht mehr an
und fragte auch nicht mehr nach.
Wenn er irgendwohin fuhr, sollte ich zuhause bleiben, weil er dort allein reden wollte. Auch daran
hielt ich mich. Vor unserer Hochzeit teilte er mir mit, er wolle mit seiner liebsten Freundin, die ich
nicht mal kannte, einen Redeabend machen, die hätte
Kummer. Ich wollte gerne mitfahren, um sie kennenzulernen. Darauf wurde er sehr zornig und schubste
mich zur Seite. Da ich auf der Treppe stand, stürzte
ich die ganze Treppe runter und konnte mich nirgends
festhalten. Er kam runter zu mir und beschimpfte mich,
ich sei selber schuld, hättest dich doch festhalten können. Dann nahm er einfach seine Jacke und fuhr los.
Er ließ mich einfach liegen. Ich fing an zu weinen und
legte mich dann irgendwann ins Bett. Gegen 11 kam
er zurück, weckte mich, um sich zu entschuldigen und
schwor, dass es nie wieder vorkäme, aber es sei ja auch blöd von mir gewesen, zu fragen, ob ich
mitkommen könne.
Schließlich kam der Tag unserer Hochzeit. Plötzlich hatte ich das Gefühl, es ist völlig falsch, ihn
zu heiraten. Irgendwas warnte mich, sagte tus nicht. Als ich ihm erzählte, dass ich son komisches
Gefühl habe, hörte er gar nicht hin und meinte nur „Morgen sind deine komischen Gefühle weg,
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dann sind wir verheiratet.“ Darauf schaute er weiter Fernsehen.
Am nächsten Morgen standen alle Gäste vorm Standesamt, von meinen Freunden war niemand
da, nur meine Mama, mein Opa, meine Schwester und meine Kinder. Die restlichen Gäste gehörten zu S.. Die Trauung zog ich irgendwie durch, ich weiß nicht mehr, wie ich das geschafft
habe. Ich konnte gar nicht laut „Ja“ sagen, meine Stimme zitterte so stark, dass die Standesbeamtin sagte, „ach, das ist nicht so schlimm. Sie sind nur nervös.“ Dabei war ich nicht nervös, ich
wusste einfach, ich mache einen riesigen Fehler. Nach der Trauung kam meine Mutter zu mir, um
zu gratulieren. Aus heiterem Himmel begann ich zu weinen, ich konnte mich überhaupt nicht
freuen. Unsere Hochzeitsgeschenke nahm er alle an sich; jeden Briefumschlag musste ich bei
ihm abgeben, ich durfte ihn nicht mal öffnen.
Nach der Hochzeit kamen meine Kinder noch regelmäßig zu Besuch, worüber ich sehr froh war,
alle meine Freunde hatte ich ja schon verloren. Als ich dann meinen Geburtstag feiern wollte, verkündete mir S., dass mein Sohn ja gerne kommen dürfe, aber die Freundin meines Sohnes, die
dürfe nicht in die Wohnung, die könne er nämlich überhaupt nicht leiden. So fing es an, dass
meine Kinder auch nicht mehr gerne kamen. Immer hatte S. an ihnen was auszusetzen, jedes
Mal gab es Krach. Meine Kinder schluckten mir zuliebe ihren Ärger runter, ich erklärte ihnen, dass
er es ja nicht so meine. Ich war irgendwie blind. Schließlich kamen die Kinder dann nur noch zu
mir, wenn S. mal nicht da war.
In unserer Ehe wurde es Schritt für Schritt immer schlimmer. Wenn zu
wenig Salz an den Kartoffeln war, beschimpfte er mich. Also dachte
ich, ich muss nur mehr Salz an die Kartoffeln tun, dann wird er nicht
mehr böse. Dann wars aber zu viel Salz und er wurde noch wütender,
schleuderte den Teller auf den Boden und sagte, ich solle das wieder
sauber machen. Weinend hockte ich auf dem Boden und wischte alles
wieder auf. Ich hab einfach gedacht, dass ich aber auch alles falsch
mache, „ich kann ja nicht mal Kartoffeln kochen!“. Den Rest des
Abends sprach er nicht mehr mit mir. Wenn er von der Arbeit kam,
dauerte es meist keine fünf Minuten und er beschimpfte mich. Irgendwas war immer verkehrt, was ich gemacht hatte. „Was tust du eigentlich den ganzen Tag?“, schrie er mich an. Ich wurde immer vorsichtiger,
was ich sagen sollte, legte jedes Wort auf die Goldwaage. Sagte ich
trotzdem was „Falsches“ und er wurde wütend, lenkte ich sofort ein
und entschuldigte mich für meine Dummheit. Nach einem Streit zog
er mich an den Armen in den Hausflur und sperrte mich aus. Ich
musste mehrmals schellen, bis er öffnete. Erst als ich mich entschuldigte, ließ er mich wieder in die Wohnung. Nachts fand ich keinen
Schlaf, weil ich angestrengt darüber nachgrübelte, was ich am nächsten Tag alles anders machen konnte, um Streit zu vermeiden. Ich entschloss mich, sorgfältiger zu putzen und zu staubsaugen, besser zu
kochen und nur noch Dinge einzukaufen, die er auch wirklich mochte.
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Beratungsstelle für Frauen und Mädchen • Frauen helfen Frauen e.V. - Jahresbericht 2012
So stand ich beim Einkaufen ratlos im Laden, konnte mich nicht entscheiden, ob ich die 1,5 Prozent fetthaltige Milch oder die mit 3,5 Prozent nehmen sollte und rief ihn deshalb auf der Arbeit
an. Das machte ihn noch zorniger und zuhause bekam ich dann Schläge. Wenn ich weinte, schrie
er mich an, dass ich sofort still sein sollte. Dann war ich sofort still. Überhaupt tat ich alles, was
er sagte. Blieb nur noch in der Wohnung, machte sauber und gab mir viel Mühe beim Kochen.
Ich war so verunsichert, dass ich im Kochbuch nachschlug, wie lange man Kartoffeln kochen
musste, nur um keinen Fehler zu machen.
Er schlug mich wegen jeder Kleinigkeit. Ich musste deshalb auf der Arbeit oft lügen ,ließ mir irgendwelche Ausreden einfallen. Einmal hatte er mich so feste geschubst, dass ich auf unseren
kleinen Glastisch flog und der in tausend Scherben zerbrach. Im Krankenhaus, wo mir der Doktor
die Scherben rausziehen musste, erzählte ich, dass ich beim Gardinenaufhängen gestürzt sei.
Mal hatte ich eine Prellung im Gesicht und erklärte allen, ich sei gegen einen Türrahmen gelaufen.
Irgendwann glaubte mir kein Mensch mehr, ich aber beharrte auf meinen Geschichten. Ich bekam immer mehr Angst, wollte aber keinen Krach. Wenn ich
baden wollte, musste ich wegen des Stöpsels fragen. Auch meine Schlüssel
vom Haus und vom Auto nahm er mir weg. Wenn ich sie brauchte, musste
ich ihn anbetteln. Ich kam mir so allein vor, meine Welt war nicht mehr schön.
Ich begann schon zu zittern, wenn ich ihn abends im Hausflur hörte. Mein
Körper zeigte mir immer deutlichere Warnsignale. Ich nahm stark ab, weil ich
Magenprobleme bekam und kaum noch essen mochte. Wie ich rumlief war
mir mittlerweile egal. Achtlos griff ich mir Pulli und Hose. Ich hatte mich schon
aufgegeben. Ich war doch sowieso ein Nichts. Davon war ich überzeugt. Alles
war so schwer. Dabei liebte ich ihn doch so sehr. Ich wollte ihn auf jeden Fall
behalten und nahm mir vor, keine Fehler mehr zu machen. Dann wurde ich
schwanger. Als der Doktor mir das mitteilte, brach ich in Tränen aus, aber
nicht vor Glück. Wie sollte es denn jetzt nur weitergehen? Er nahm auch auf
die Schwangerschaft keine Rücksicht. Wenn er mich geschlagen hatte, entschuldigte er sich nur mehr als vorher. Jedes Mal, wenn er mich geschlagen
hatte, brachte er am nächsten Tag die schönsten Blumen für mich mit. Ich
wollte sie nicht, nahm sie aber mit zitternden Händen an. Die Sträuße musste
ich ins Wohnzimmer stellen, damit jeder, der zu Besuch kam, die Blumen
sehen konnte. „Was hast du für einen netten Mann. Der schenkt dir so schöne
Blumen,“ sagte der Besuch dann. Ich konnte die Blumen nicht mehr ertragen
und brachte sie aus dem Zimmer und erst eine Stunde, bevor er von der Arbeit kam, wieder zurück. Langsam begann ich doch zu überlegen, wie ich
abhauen könnte. Ich rief über mein Handy bei meiner Familie an, doch wenn
jemand dran ging, drückte ich das Gespräch wieder weg. Ich packte Sachen in eine Tasche, dann
packte ich wieder aus und sortierte alles zurück in den Schrank. Ich war hin und hergerissen.
Mein Herz und mein Körper sagten mir „du musst bleiben“, die angst sagte mir „du musst weg
von hier“. Und so blieb ich doch da. Ich musste doch nur alles anders machen. Nicht so viel fragen oder reden. Am besten einfach den Mund halten, dann wird alles gut.
Am Tag der Geburt unserer Tochter ging ich allein ins Krankenhaus. Er musste ja zur Arbeit.
„Kannst mich ja anrufen“, sagte er nur. Als ich da ankam, schlug der Doktor Alarm. Das Herz vom
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Kind schlage viel zu langsam, sie müssten das Baby sofort holen. Ich bat darum, dass sie den
Vater anriefen. Der ging aber nicht ans Handy. Dann riefen sie bei meiner Mutter an, die dann
auch sofort kam und mir beistand. Die Geburt war bereits in vollem Gange, als dann auch mal
der Vater kam. Sofort fing er an, mit meiner Mutter zu streiten. Streitend verließen beide den
Kreisssaal, ich hatte das Baby schon zwischen den Beinen und war plötzlich ganz allein. Ich rief
laut nach einem Arzt. Ich war in Panik, bis endlich jemand meine Hilfeschreie hörte. Meine Mutter
durfte das Baby nicht anfassen, das hatte er ihr draußen beim Streit verboten. Nach der Geburt
bestimmte der Arzt, dass es besser sei, wenn ich mit dem Kind noch einige Tage im Krankenhaus
bliebe, damit ich mich erholen könne. Der Vater durfte erst wieder zu mir, als ich abgeholt werden
musste.
An dem Tag, als er uns holte, kam mir plötzlich der Gedanke: ich geh jetzt mit dem Kind in die
Hölle zurück. Aber ich wurde wütend auf mich, dass ich so schlechte Gedanken hatte und machte
mir Mut, dass jetzt, wo das Kind da war, bestimmt alles gut würde. Das war aber leider ein Irrtum.
Er schrie weiter mit mir rum, auch wenn ich das Kind im Arm hielt. Die
Kleine fing jedes Mal an, zu schreien und spuckte die Milch wieder
aus, wenn er sie auf den Arm nehmen wollte. Ich traute mich aber auch
nicht, sie ihm wegzunehmen. Immer klarer wurde es mir, dass ich da
raus muss. Dann kam der Tag des „Unfalls“ in der Badewanne. Und
das war zu viel! Mein Kind war in Gefahr. Das gab mir endlich die Kraft
zu handeln. Ich fing an, in der Zeitung nach Wohnungen Ausschau zu
halten, bis ich genau das fand, was ich gesucht hatte. Zufällig hörte
ich zwei Frauen über den Verein „Frauen helfen
Frauen“ unterhalten. Ich wusste gar nicht
genau, was das ist, suchte aber im Telefonbuch nach der Nummer. Als ich sie fand, versteckte ich sie und nahm mir vor, am nächsten
Tag dort anzurufen. Ich weiß gar nicht mehr,
wie oft ich die Nummer wählte und gleich wieder auflegte.
Dann aber kam dieser Abend, als er völlig ausrastete. „Warum schlägst du mich immer?“
wagte ich zu fragen. Darauf schubste er mich
heftig und schlug mir gegen die Stirn. Dabei
hielt er mich auch am Arm fest. Ich weinte,
aber ich schrie auch um Hilfe. Da hörte er auf
und ging einfach zu Bett. Ich habe mich aufs
Sofa gelegt und geweint. Mitten in der Nacht
brauchte das Kind seine Flasche, aber ich durfte ihm die nicht geben. Das
Kind auf seinem Arm aber schrie und schrie, bis er es mir entnervt gab.
Ich dachte die ganze Nacht „es reicht jetzt. Zeig keine Angst mehr und
hol dir Hilfe. Allein komm ich hier nicht raus.“ Also rief ich am nächsten Tag tatsächlich bei „Frauen
helfen Frauen“ an. Ich nannte meinen Namen erst mal nicht und behauptete, ich ruf für eine Freundin an. Ich erzählte kurz meine Situation und tat, als ginge es um die Freundin. Die Beraterin
wurde ziemlich deutlich „die muss da raus. Das geht so nicht weiter. Ihre Freundin kann sich an
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Beratungsstelle für Frauen und Mädchen • Frauen helfen Frauen e.V. - Jahresbericht 2012
uns wenden. Wir unterstützen sie dabei!“ Das war genau das, was ich hören wollte. Die Dame
riet mir noch, falls das nochmal vorkäme, solle die Freundin die Nummer der Polizei im Telefonspeicher haben und dann im Notfall einfach drücken. Sofort nahm ich mein Handy und speicherte
die Nummer der Polizei ein. Ich war stolz auf mich. Ich wusste, ich werde es schaffen mit Unterstützung. Plötzlich war ich wie umgewandelt, fühlte
mich nicht mehr allein.
Dann kam Weihnachten. Ich hatte große Sehnsucht
nach meinen Kindern, lud sie deshalb zu uns ein. Als
mein Mann das hörte, schrie er rum, „die kommen
nicht in meine Wohnung. Die stinken und sind dreckig.
Und er schrie noch, als sie schon klingelten. Da fuhren
sie wieder weg. In der Wohnung riss er an meinem
Arm, prügelte auf mich ein. Dabei fiel die Kleine vom
Tisch. Da war dann der Punkt erreicht. Ich drückte die
Taste mit der gespeicherten Nummer und rief meine
Adresse ins Telefon. „Jetzt wirst du völlig irre. Du musst in eine Anstalt“, schrie mein Mann, der
gar nicht verstanden hatte, dass ich die Polizei alarmiert hatte. Kurz darauf stand die Polizei vor
unserer Tür. Alles ging ganz schnell. Ich blutete, mein Arm war ausgerenkt und ein Finger gebrochen. Ich stand zitternd da und brach fast zusammen. Die Polizisten hielten meinen Mann fest.
Einer nahm ihm die Kleine ab und dann kümmerten sie sich um mich. „Sie müssen hier raus. Wir
fahren sie und ihr Kind jetzt an einen Ort, wo Sie sicher sind“, sagten sie. Ich
suchte in aller Eile ein paar Sachen für mich und das Kind zusammen. In der
Zwischenzeit wurde meine Mutter angerufen, die auch sofort kam und das
Kind nahm. Als sie mich sah, fragte sie sehr erschrocken „wie siehst du aus?
Was ist passiert?“ Die Polizei erzählte es meiner Mutter. Die wollte mich ins
Frauenhaus bringen, aber meine Mutter sagte, dass ich besser mit zu ihr
käme. Ich war völlig fertig mit den Nerven und wollte auch nicht mehr leben.
Meine Mutter nahm dann alles in die Hand. „Du legst dich jetzt erst mal hin.
Ich ruf den Doktor an, und dein Handy gibst du mir am besten auch mal her.“
Ich bekam einen Gips und Nerventabletten. Meine Mutter kümmerte sich
auch um das Kind, während ich etwas zur Ruhe kam. Ich konnte gar nicht
glauben, dass es ein Ende hatte. Das Schubsen, das Schreien, das Schlagen.
Am nächsten Tag ging meine Mutter zu den Ämtern, erzählte dort meine Geschichte. Ihr Partner passte auf mich auf. Sie hatten alle Angst, ich könnte
heimlich weglaufen, um zu meinem Mann zurückzukehren. Nach den Feiertagen hatte ich einen Termin bei „Frauen helfen Frauen“. Wir hatten dort angerufen und erklärt „ich bin die Frau, um dies geht. Nicht um meine Freundin“.
Ich freute mich und hatte gleichzeitig Angst vor dem Termin. Meine Mutter
sagte „da gehst du hin“ und einen Termin beim Anwalt hatte sie auch schon gemacht. So klingelte
ich mit zitternden Händen bei der Beratungsstelle. Die Beraterin war dieselbe mit der ich schon
telefoniert hatte. Meine Aufregung verging schnell. Nach dem Gespräch war ich nur noch erleichtert. Ich kann das gar nicht beschreiben wie das für mich war. Mir war ein riesiger Stein vom Herzen gefallen. Ich konnte endlich wieder atmen. Trotzdem war ich noch immer ganz zerrissen.
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Wusste nicht, was ich tun sollte. Einerseits war ich froh, daraus zu sein, andererseits wollte ich
doch zurück zu ihm. Ich musste jetzt entweder einen Schritt ins Leben hinaus tun oder aber wieder zurück in mein altes Leben. Zum Glück war meine Mutter sehr hart mit
mir. „Du gehst weiter zu Frauen helfen Frauen!“ da war sie unerbittlich. Von
Termin zu Termin in der Beratungsstelle kam mehr Leben in mich zurück und
damit auch die Kraft. Aber sobald ich die Beratungsstelle verließ wurde ich
wieder schwankend und wollte zu ihm zurück. Weil ich es unbedingt wollte,
gab meine Mutter mir mein Handy zurück. Prompt schellte es, und er war
dran. Er beschimpfte und bedrohte mich ohne Punkt und Komma. „Du
Schlampe, du Drecksau, ich kriege dich, und das Kind nehme ich dir auch
weg. Du kommst in eine Anstalt, du bist irre“. Ich konnte es kaum glauben,
aber ich drückte ihn einfach weg. So stark war ich doch schon und wartete fast mit Sehnsucht
auf meinen nächsten Termin bei „Frauen helfen Frauen“. Schon bald bekam ich mein Geld vom
Amt und konnte in die neue Wohnung einziehen. Ich hatte große Angst, dort zu schlafen, aber
meine Beraterin baute mich Stück für Stück auf. Woche um Woche ging es mir besser. Ich war
dabei, mein Ich wiederzufinden. Ich wollte alles verarbeiten und sprechen, sprechen, sprechen.
Es tat mir so gut, endlich über alles sprechen zu können! Ich fühlte mich nicht mehr allein auf
meinem Weg. Ich konnte mich darauf verlassen, verstanden und unterstützt zu werden. In der
Scheidungszeit hatte ich es nicht einfach. Es gab viel Streit bei Gericht, auch über unsere kleine
Tochter. Das ging zwei Jahre. In der Zeit war ich völlig fertig. Ich war mal oben, dann wieder unten.
Manchmal wollte ich aufgeben, dann wollte ich wieder kämpfen. Aber ich bin auch immer stärker
geworden in der Zeit. Ich begann, mich wieder anders zu kleiden, ging zum Frisör, richtete mich
in meiner Wohnung ein und ließ wieder Träume in meinem Leben zu. Ich konnte wieder schlafen,
meine Kinder kamen mich wieder gern besuchen, ich kümmerte mich wieder um meine Freundschaften. Ich hatte endlich wieder Menschen um mich, die mich nahmen wie ich bin. Ich konnte
feststellen, dass ich wieder mutiger wurde, vertrat
wieder meine Meinung, wurde insgesamt wieder
freier. Ich war jetzt in der Lage, für meine Rechte und
unseren Schutz zu kämpfen und für ein schönes
Leben! Jetzt sind es acht Jahre, in denen ich Unterstützung von „Frauen helfen Frauen“ bekommen
habe. In dieser Zeit bin ich ein neuer Mensch geworden. Nicht so, wie ich in meiner ersten Ehe war und
schon gar nicht wie in der zweiten. Ich bin jetzt stark,
setze mir Ziele und verfolge diese Ziele. Auch wenn
ich mittlerweile ganz viel aus eigener Kraft schaffe,
bin ich doch froh, dass ich mich immer wieder, wenn
ich das brauche, an die Beratungsstelle wenden kann. Manchmal reicht es völlig aus, wenn ich
dann zu hören bekomme „Sie schaffen das!“
Rückblickend auf die letzten acht Jahre bin ich stolz auf mich, dass ich fast alles schaffe. Ich
habe sehr viel aufgebaut: ein neues Leben für mich und mein Kind. Meine Tochter ist mein Diamant und mein zuhause hüte ich wie ein Schloss. Ich fühle mich wie eine Prinzessin in diesem
Schloss. Mit meiner Tochter gibt es viele gesundheitliche Sorgen, deshalb brauche ich auch wei-
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Beratungsstelle für Frauen und Mädchen • Frauen helfen Frauen e.V. - Jahresbericht 2012
terhin die Gespräche in der Beratungsstelle, damit ich da nicht den Mut verliere. Ich hoffe sehr,
dass meine alten Wunden mit der Zeit ganz heilen. Vergessen darf man es allerdings nicht. Nur
wenn man was gelernt hat daraus, kann man zukünftig Beziehungen leben, in denen man stark
sein kann.
Es wäre schön, wenn andere Frauen, die so was wie ich erlebt haben, keine Angst haben, sich
Hilfe zu suchen. Denn allein aus so einer Lage raus zu kommen, ist gar nicht so einfach, weil man
sich als völlig wertloser Mensch fühlt, wie ein Gegenstand, den man verletzen kann und wegstellt,
wenn man ihn nicht mehr braucht. Braucht man ihn wieder, verletzt man ihn wieder und so weiter.
Man fühlt sich so wertlos, dass man sich nicht mehr lieb hat, und denkt, du bist ja selber schuld
und kannst nichts. Und um dort wieder Licht zu finden, braucht man einfach Hilfe. Man kann
sonst einfach nicht mehr handeln, man ist hilflos, ängstlich und hat kein Vertrauen mehr zu sich
selbst. Am Schluss möchte ich zusammenfassen, was ich aus meiner Geschichte gelernt habe.
Ich sehe mit den Augen besser hin.
Meine Ohren sind wachsam, ich achte auf gute oder schlechte Worte
Denke über viele Worte mehr nach als damals.
Suche nach Lösungen und Wegen.
Schreibe viel über positive und negative Dinge.
Bleibe stark, stehe immer wieder auf und versuche, die Situation zu ändern
Rede viel (manchmal zu viel)
Mache mir schon Gedanken um Tage, die noch gar nicht da sind.
Möchte alles klären und Missverständnisse beseitigen.
Behüte mein Schloss, das ich mir aufgebaut habe und kämpfe darum, es nicht zerstören
zu lassen.
Möchte Freiheit. Enge Bindungen ertrage ich nicht. Dann merke ich, es wird mir viel zu eng.
Wenn ich Hilfe brauche, hol ich mir die!
Erzähle Menschen meine Geschichte und versuche zu helfen, wenn jemand in der Klemme
steckt.
Ich schütze mein Kind und vor allem auch mich, dass ich nie wieder in solche Situation
rein rutsche. Da blocke ich vorher ab und handle sofort.
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Beratungsstelle für Frauen und Mädchen • Frauen helfen Frauen e.V. - Jahresbericht 2012
Theoretischer Hintergrund
Die Gewalttaten sind bei häuslicher Gewalt keine spontan aus der Situation heraus auftretenden,
sondern gehören zu diesem System.
Zugrunde liegt ein ungleiches Machtverhältnis. Dieses allein begründet jedoch noch keine Gewaltbeziehung. Erst wenn die (körperliche, ökonomische etc.) Überlegenheit vom Täter gezielt
ausgenutzt und eingesetzt wird, um die eigenen Interessen gegen den Willen des Opfers durchzusetzen, spricht man von Gewalt.
Charakteristisch für häusliche Gewalt ist, dass es nicht bei einer einzelnen Gewalttat bleibt, (Täter
sprechen davon „mir ist die Hand ausgerutscht“) sondern immer wieder die gleichen Phasen
durchlaufen werden, die schließlich in einem neuerlichen gewalttätigen Übergriff gipfeln. Wenn
der gewalttätige Partner keine Hilfe in Anspruch nimmt um sein Verhalten zu reflektieren und in
den Griff zu bekommen, dann werden die Abstände zwischen den Gewalttaten mit der Zeit immer
kürzer und deren Intensität nimmt zu. Dies bezeichnet man als Gewaltspirale.
In der ersten Phase baut sich die Spannung zwischen Täter und Betroffener auf. Zu diesem Zeitpunkt lässt sich der Täter noch teilweise dadurch besänftigen, dass das Opfer sich besonders
bemüht, den Willen des Täters vorauszuahnen und alles daran auszurichten. Schließlich funktioniert dieses Bemühen jedoch nicht mehr, der Täter findet trotz größter Anstrengung der Frau
etwas, was ihm nicht gefällt, und reagiert mit massiver
Gewalt, was die zweite Phase der Gewaltspirale kennzeichnet. Nach einem Moment des Erschreckens auf beiden Seiten geht es in die dritte Phase, in der die Gewalt
ausübende Person ihr Verhalten bereut, sich evtl. entschuldigt, besonders um die Betroffene bemüht ist und
verspricht, nie wieder gewalttätig zu werden. Doch nach
und nach schiebt der Täter dem Opfer die Schuld für den
Gewaltausbruch zu. Oft gibt auch das – häufig durch die
Gewalt ausübende Person beeinflusste – Umfeld der
Frau die Schuld. Die Sprachlosigkeit bzw. das Erfinden
von Erklärungen, das mit der tatsächlichen Tat nichts zu
tun haben /“ich habe mich am Tisch gestoßen“) unterstützen das Erleben des Umfeldes. Schließlich fühlt sich
auch das Opfer selbst schuldig und übernimmt die (Mit-)Verantwortung für die Gewalttat. Ein
Korrektiv von außen fehlt durch die systematische Isolation des Opfers. Die dritte Phase
geht schleichend in Phase 1 über und der Zyklus beginnt von neuem.
Besonders aus der dritten Phase, in der der Täter Reue zeigt, sich besonders um die Frau bemüht
etc. schöpft die Betroffene neue Kraft und Hoffnung, es könnte sich doch noch alles zum Guten
wenden. Diese Phase ist unter anderem einer der Faktoren, die Frauen daran hindern, Schritte
aus der Gewaltbeziehung heraus zu tun.
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Quelle: www.frauenhausbb.de
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Beratungsstelle für Frauen und Mädchen • • Frauen helfen Frauen e.V. - Jahresbericht 2012
Mythen und Vorurteile
Ein Anruf kann der erste Schritt sein!
„Häusliche Gewalt kommt selten vor“
Wenn Sie in einer Gewaltbeziehung leben, und es nicht mehr aushalten, können Sie etwas
tun um sich und Ihre Kinder aus dieser Situation zu lösen und zu befreien.
Tatsache:
Häusliche Gewalt ist weltweit verbreitet; rund 25 Prozent der Frauen im Alter von 16 bis 85 Jahren
haben körperliche oder sexuelle Gewalt – oder auch beides – durch Beziehungspartner mindestens ein-oder auch mehrmals in ihrem Leben erlebt. Dies zeigt die 2004 veröffentlichte repräsentative Studie „ Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland.“
(Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend)
„Es sind nur bestimmte Männer, die Gewalt ausüben“
Tatsache:
Gewalttätige Männer, sind ganz „normale“ Männer aus allen Kreisen und gesellschaftlichen Zusammenhängen, man sieht ihnen die Gewalt nicht an.
„Gewalt ist ein einmaliger „Ausrutscher“ im Affekt“
Tatsache:
Trotz ihrer Versprechen, nicht mehr zu schlagen, hören die meisten Männer damit nicht auf. Im
Gegenteil: meistens verschlimmert sich die Gewalt von Mal zu Mal, wenn erst einmal die Hemmschwelle überwunden ist. Der Gewalttäter rechtfertigt sein Verhalten, in dem er der Frau die
Schuld gibt.
„Häusliche Gewalt gibt es nur in sozial benachteiligten Beziehungen“ (Pack
schlägt sich, Pack verträgt sich)
Tatsache:
Häusliche Gewalt kann alle Frauen treffen – unabhängig von Kultur, Einkommen, Alter und Religion.
„Frauen erfinden Gewalt um ihrem Partner „eins auszuwischen“
Tatsache:
Die Dunkelziffer bei Häuslicher Gewalt ist immens hoch, weil Frauen sich eher nicht trauen die
erlebte Gewalt öffentlich zu machen und damit zu enttabuisieren.
Suchen Sie sich Personen Ihres Vertrauens (Nachbarin, Familie, Freundin; etc.) Beginnen Sie
über Ihre Situation zu sprechen.
Planen Sie systematisch Ihr Weggehen:
Packen Sie einen Notfallkoffer, den Sie bei einer Person Ihres Vertrauens deponieren. Darin
sollte sein:
Geld; EC-Karte, Ausweise für Sie und Ihre Kinder, Krankenkassenkarten;
Versicherungsunterlagen, Lohnabrechnungen, Kindergeldbescheid etc.)
Kleidung für ein paar Tage für Sie und Ihre Kinder
Schulsachen der Kinder, Kuscheltier
Ersatzschlüssel
Medikamente
Speichern Sie die Nummer einer Vertrauensperson in Ihrem Handy auf der Schnellzugrifftaste (zum Beispiel auf der 3) Sprechen Sie mit dieser Person ein Codewort ab, so dass
klar ist wenn Sie anrufen und diesen Satz oder Wort sprechen, ist das das Signal für Ihr Gegenüber die Polizei zu Ihnen zu schicken.
Speichern Sie die Nummer der Polizei 110! Diese funktioniert auch, wenn ihre GuthabenKarte leer ist. Informieren Sie Ihren Partner nicht darüber, dass Sie jetzt die Polizei anrufen.
In einer akuten Gewaltsituation kann die Polizei Ihren Partner der Wohnung verweisen, das
bedeutet, er darf mindestens 10 Tage die Wohnung nicht mehr betreten; er muss im Beisein
der Polizei ein paar Sachen packen und sämtliche Schlüssel abgeben und eine meldefähige
Adresse angeben.
Diese Wegweisung wird von der Polizei in den nächsten Tagen überprüft.
Sollten Sie sich trotz der Wegweisung Ihres Partners in der Wohnung nicht sicher fühlen, oder
wollen Sie nicht am Ort des Geschehens verbleiben, haben Sie die Möglichkeit in ein Frauenhaus zu gehen.
Die Nummer des Dürener Frauenhauses ist: 02421-17355
Frauenhäuser sind rund um die Uhr besetzt und nehmen auch rund um die Uhr auf. Sollte dort
kein Platz sein, können Sie unter www.frauen-info-netz.de freie Plätze erfahren.
Die Polizei informiert Sie über die Möglichkeit der Beratung (telefonisch und/oder persönlich)
in unserer Beratungsstelle. Sie können selbst Kontakt zu uns aufnehmen, oder Sie werden
von uns angerufen, und wir bieten Ihnen unsere Unterstützung an.
In diesem Gespräch geht es vor allem darum, dass wir Ihnen zuhören und mit Ihnen gemeinsam
überlegen wie es für Sie und Ihre Kinder weitergehen kann. Sie können mehrmals zu uns kommen, wenn das erforderlich ist; und wenn Sie mögen begleiten wir Sie auch längerfristig in
Ihrem Veränderungsprozess.
Veränderung beginnt mit dem ersten Schritt!
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Beratungsstelle für Frauen und Mädchen • Frauen helfen Frauen e.V. - Jahresbericht 2012
EIN FAX der Polizei kommt in der Beratungsstelle an . . .
Ausblick auf die folgenden Jahre
Wenn es einen Polizeieinsatz häusliche Gewalt gegeben hat, werden Sie im Zuge der Dokumen-
Das Jahr 2013 begann für uns mit bedeutenden personellen Veränderungen. Unsere hochge-
tation befragt, ob Sie mit der Übermittlung Ihrer Daten an die Frauenberatungsstelle einverstanden
schätzte Kollegin Hildegard Backhove verließ uns am 1. Januar, um sich freiberuflich in Aachen
sind. Wenn Sie das bejahen, bekommen wir meist noch
niederzulassen. Sie war seit 1996 in der Frauenberatungsstelle angestellt und hat dort viel bewegt
am selben Tag ein Fax der Polizei auf dem Ihre Adresse
und unsere Arbeit mitgeprägt. Wir bedanken uns herzlich für die wundervolle gemeinsame Zeit
und Ihre Telefonnummer verzeichnet sind, unter der wir
und wünschen ihr für ihre private und berufliche Zukunft alles Gute!
Sie erreichen können. Sinnvoll ist es hierbei Ihre Handynummer anzugeben.
Als nun dreiköpfiges Team hatten wir dann auch gleich stürmische Zeiten zu bestehen. Die Stadt
Jülich, die die Arbeit der Beratungsstelle lange Jahre zuverlässig mit einem Betriebskostenzu-
Sobald das Fax bei uns eingetroffen ist, versuchen wir
schuss unterstützte, kündigte an, diesen Zuschuss ab 2014 zu streichen.
zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu Ihnen telefonisch
Mithilfe der lokalen Presse, aufgeregten Briefen von Klientinnen und dem Engagement zahlreicher
Kontakt aufzunehmen. (Wichtig: Unsere Rufnummer wird
PolitikerInnen und BürgerInnen wurde der Plan erst mal
unterdrückt, sodass Ihr Partner nicht zurückverfolgen
ausgesetzt. Trotzdem gehen wir 2014 in ein unsicheres
kann, wer Sie angerufen hat).
Jahr. Geht es weiter mit der Beratungsstelle oder nicht?
Die Zitterpartie ist noch nicht ausgestanden. Weiter wer-
In diesem Telefonat klären wir mit Ihnen ab, ob es für Sie
derzeit ausreichend ist, am Telefon über Ihre Möglichkeiten von uns informiert zu werden, oder und ob Sie zu
einem persönlichen Termin in die Beratungsstelle kommen wollen. Beides ist möglich, natürlich auch zu einem
späteren Zeitpunkt.
In diesem Gespräch informieren wir Sie über Ihre Möglichkeiten, die Sie haben, wenn Ihr Partner
für 10 Tage der Wohnung oder des Hauses verwiesen wurde. Dies geschieht beim Einsatz der
Polizei, wenn davon auszugehen ist, dass es in absehbarer Zeit wieder zu Gewalt gegen Sie kommen kann.
den wir Unterstützerinnen und Unterstützer benötigen,
die Verwaltung und Politik davon überzeugen, dass Jülich und der gesamte Kreis Düren auf die Frauenberatungsstelle nicht verzichten kann. Natürlich sind wir
auch für jede Spende ausdrücklich dankbar. Bei denen,
die sich mit uns empört haben, dass mal wieder bei
Frauen und Gewaltopfern gespart wird, die uns ihrer Solidarität durch Wort und Tat versichert haben, möchten
wir uns herzlich bedanken. Viele haben uns aktive Hilfe angeboten und umgesetzt. Aber auch
die, die seit langer Zeit mit ihrer Mitgliedschaft oder regelmäßigen Spenden ihre Wertschätzung
für die Arbeit der Beratungsstelle ausdrücken, sei hier nochmal ein großes Dankeschön ausge-
Sie können die 10 Tage Wegweisung nochmal um 10 Tage beim Amtsgericht verlängern lassen.
sprochen. Besonders in schwierigen Zeiten tut es gut, sich auf diese „Rückendeckung“ verlassen
zu können! Das gibt uns den nötigen Mut und den langen Atem, weiter für den Fortbestand der
Sie können ein Näherungsverbot auf Antrag bei Gericht erwirken; das bedeutet, ihr Partner darf
Frauenberatungsstelle zu kämpfen. Helfen Sie mit, dass es diese professionelle Unterstützung
sich Ihnen bis auf einen gewissen Abstand nicht nähern.
für Frauen und Mädchen im Kreis Düren auch in Zukunft gibt!
Die Wegweisung wird von der Polizei mindestens einmal überprüft.
Wir erarbeiten mit Ihnen einen Sicherheitsplan, worauf Sie achten müssen und welche Schutz-
www.frauenberatungsstelle-juelich.de
vorkehrungen Sie möglicherweise treffen sollten.
Wir versuchen mit Ihnen die Gefährlichkeit Ihres Partners einzuschätzen und sprechen mit Ihnen
Vorsichtsmaßnahmen durch.
Sie können jederzeit mit uns telefonisch (AB außerhalb der Sprechzeiten) Kontakt aufnehmen,
wir rufen baldmöglichst zurück.
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Beratungsstelle für Frauen und Mädchen • Frauen helfen Frauen e.V. - Jahresbericht 2012
Aktivitäten und Statistiken
Präventionsarbeit und öffentliche Aktionen
Beratungsgründe in % von 261 Klientinnen (Mehrfachnennungen möglich)
Vorstellung der Beratungsarbeit im Jülicher Frauennetzwerk
Mädchen-AGs zu Besuch in der Frauenberatungsstelle
Mitgestaltung der Mädchentage in Jülich und Düren mit einem Stand zu „KO-Tropfen“
Durchführung von Präventionsworkshops an Schulen zum Thema „KO-Tropfen“
(insgesamt 418 Teilnehmerinnen bei Workshops und Mädchentagen))
Vortrag zum Thema „Schönheitsideale“ in Kooperation mit dem Kreis Düren
Vorstellung der Arbeit bei den Jülicher Schulsozialarbeiterinnen
Vorstellung der Arbeit im muttersprachlichen Workshop für Migrantinnen in Kooperation mit dem Kreis Düren
Veranstaltung von drei Internationalen Frauenfrühstücken in der AWO
Teilnahme an der Pressekonferenz und Durchführung der Fotoausstellung „Mein
Standpunkt gegen Gewalt“
Pressekonferenz beim Jülicher Lions Club Gavadiae, Übergabe der Spende
Teilnahme am Projekt der Stadt Jülich „Komm auf Tour“
Beiratssitzung
Mitgestaltung der Veranstaltung „10 Jahre Gewaltschutzgesetz“ in Kooperation
mit Kreis und Stadt Düren
Verteilung der Klientinnen auf die Gemeindenim Jahr 2012 (Gesamtzahl 261 /
Selbstwert
132
51%
Physische und psychische Gewalt
112
43%
Trennung Scheidung
96
37%
Sex. Gewalt
70
27%
Soziale Isolation
65
25%
Essstörungen
62
24%
Gesundheit, psychische und/oder physische Erkrankungen
57
22%
Sexualität
51
20%
Migrationsproblematik
38
15%
Stalking
37
14%
Sozialberatung, Existenzsicherung
29
11%
Sucht, Co-Abhängigkeit
25
10%
Kinder- und Erziehungsfragen
23
9%
Berufliche Probleme
19
7%
Rechtliche Probleme, Verfahrensbegleitung
17
6%
Zwangsheirat
2
1%
Sonstiges
3
1%
Einzelkontakte 1.508)
Stadt Jülich
Linnich
8,0%
Titz
8,8%
Aldenhoven
18
51,3%
10,3%
Düren
9,9%
Niederzier
3,4%
Inden
4,2%
Übriger Kreis
3,1%
Unbekannt
1,1%
19
Beratungsstelle für Frauen und Mädchen
Frauen helfen Frauen e.V. Jülich
Römerstr. 10
52428 Jülich
Telefon 02461/58282
Fax 02461/935462
E-Mail: info@frauenberatungsstelle-juelich.de
www.frauenberatungsstelle-juelich.de
Team
Dagmar Ahrens, Sabrina Dicken,
Maria Brenner (vlnr) und der Hund Fritz
Offene Sprechzeiten:
Mo., Di. und Mi.: 10.00 - 12.00 Uhr
Do.: 14.00 - 16.00 Uhr
Termine ganztägig nach Vereinbarung
Zu diesen Beratungsszeiten kann jede Frau:
• ohne Termin persönlich zum Beratungsgespräch vorbeikommen
• anrufen, um einen Termin zu vereinbaren
• anrufen für eine telefonische Beratung - auf Wunsch ohne Namensnennung
Unterstützen Sie uns durch Ihren regelmäßigen Mitgliedsbeitrag als Fördermitglied
oder durch eine Spende. Beides ist steuerlich abzugsfähig. Vielen Dank!
Spendenkonto: Sparkasse Düren • Bankleitzahl 395 501 10 • Konto-Nr. 58867
Fachgebiete und Beratungsangebote
Unsere Angebote:
Unsere Fachgebiete:
• Offene Telefon- und Sprechzeiten
• Psychosoziale Beratung
• Krisenintervention
• Psychotherapie
• Paarberatung für Lesben
• Gruppenangebote
• Gewaltprävention
• Vorträge und kulturelle Angebote
• Problem- und Krisensituationen jeglicher Art
• Häusliche Gewalt
• Sexualisierte Gewalt im Kindes- und/oder Erwachsenenalter
• Essstörungen
• Lesbenberatung
• Mädchenarbeit
• Fortbildungsangebote für Multiplikatorinnen