Daten
Kommune
Erftstadt
Größe
302 kB
Datum
10.07.2013
Erstellt
27.06.13, 15:07
Aktualisiert
27.06.13, 15:07
Stichworte
Inhalt der Datei
STADT ERFTSTADT
öffentlich
Der Bürgermeister
A 242/2013
Az.:
Amt: - 51 BeschlAusf.: - 51 Datum: 22.05.2013
gez. Brost
11.06.2013
Amtsleiter
Datum Freigabe -100-
gez. Erner, 1.
Beigeordneter
BM / Dezernent
- 20 -
Den beigefügten Antrag der Fraktion Bündnis 90 / Grüne leite ich an die zuständigen Ausschüsse
weiter.
Beratungsfolge
Jugendhilfeausschuss
Betrifft:
Termin
10.07.2013
Bemerkungen
beschließend
Antrag bzgl. eines Männerförderplans im Bereich der städtischen Kindertagesstätten
in Erftstadt
Finanzielle Auswirkungen:
keine
Unterschrift des Budgetverantwortlichen
Erftstadt, den
Stellungnahme der Verwaltung:
Die Beschäftigung bzw. Nichtbeschäftigung von Männern in Kitas wird in der Fachliteratur
inzwischen vielfältig beschrieben. Als Grund für den geringen Männeranteil gilt ein veraltetes,
stereotypes Berufsbild, das den Erzieherberuf für Männer unattraktiv erscheinen lässt.
Der Facettenreichtum des Erzieherberufs und der mittlerweile hohe Bildungsanspruch
an die Arbeit in Kitas sind wenig bekannt. Schlechte Entlohnung, niedrige
soziale Anerkennung und geringe Aufstiegschancen sind Effekte von nach wie vor bestehenden
gesellschaftlichen Geschlechterhierarchien, die auch auf den Erzieherberuf
zutreffen. Sie werden bei Befragungen von Berufseinsteigern als zentrale Hürden benannt.
Als weitere Barriere benennen die befragten Männer eine in vielen Kitas etablierte „weibliche“
Kommunikations- und Arbeitsstruktur. Sie kann sich hemmend auf männliche Auszubildende und
Fachkräfte auswirken. Zudem wirkt der „Generalverdacht“, dass Männer,
die pädagogische Berufe ergreifen, pädophil und potenzielle Kindesmissbraucher sind,
bei jungen Männern als Berufswahlbarriere und beeinflusst das Verhalten von Erziehern
in der pädagogischen Praxis.
(Cremers/Krabel/Calmbach 2010.
ARCHIV für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit 2/2010)
Es wird auch die Erwartungshaltung an Männer mit stereotypen männlichen Eigenschaften
thematisiert. So seien Studien zu Folge männliche Erzieher in der Regel für anfallende
Handwerkstätigkeiten in der Kita zuständig, bieten bevorzugt Sport- und Bewegungsangebote an,
toben und raufen mehr mit den Kindern und trauen den Kindern eher ein risikoreicheres Verhalten
zu als die Erzieherinnen.
Männer entsprechen zwar mit ihrer Berufswahl sozialen Erwartungen an ihr Geschlecht nicht,
tendieren in ihrer pädagogischen Tätigkeit aber oft zu geschlechtstypischen Verhaltensweisen.
Um sich in einem als „weiblich“ angesehenen Bereich zu behaupten, inszenieren Männer ihre
Berufstätigkeit als „männlich“, indem sie sich z.B. Tätigkeitsbereiche aussuchen, die traditionell
eher „männliche“ Fähigkeiten zu erfordern scheinen, oder ein professionelles Berufsverständnis
entwickeln, das Fachlichkeit und „männliche Coolness“ in den Vordergrund stellt.14 Internationale
Forschungen bestätigen, dass Männer sowohl von Kolleginnen als auch von Eltern in traditionelle
männliche Rollen gedrängt werden. Eine Göttinger Befragung stellt fest, dass nur wenige der
befragten Männer überhaupt von Versuchen berichteten, eine traditionelle Rollenteilung zu
durchbrechen.
Manche Befragte beschwerten sich dagegen ausdrücklich über geschlechtstypische
Erwartungen ihrer Kolleginnen. Kreß (2008) stellte sogar fest, dass „die Männer in
zahlreichen Fällen die traditionell eher weiblichen Tätigkeiten viel lieber machen, als
ihre Kolleginnen annehmen“.
Wenn Männer geschlechtstypische Erwartungen nicht erfüllen (wollen), kann es allerdings
zu Enttäuschung kommen. In von Frauen dominierten Arbeitsfeldern haben diese
die Definitionsmacht darüber, wie ein Pädagoge zu sein hat und was „richtiges“ pädagogisches
Verhalten ist. Thoma/Baumgärtel/Rohrmann (1996) fanden in einer Befragung von Erzieherinnen
heraus, dass diese hohe und teils widersprüchliche Erwartungen an Männer haben. Sie bewerten
Offenheit und Durchsetzungsfähigkeit bei Männern positiv, wünschen sich aber andererseits vor
allem Kooperationsfähigkeit und Einfühlungsvermögen. Dass die widersprüchlichen Erwartungen
der Frauen insbesondere für Berufsanfänger eine erhebliche Überforderung bedeuten können,
liegt auf der Hand.
(Tim Rohrmann/Michael Cremers/Jens Krabel „Männer in Kitas – welche Bedeutung hat das
Geschlecht pädagogischer Fachkräfte?“ ARCHIV für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit
2/2010)
Das Thema „Männer in Kitas“ wird auch seit mehreren Jahren in unterschiedlichsten
Fachveranstaltungen bearbeitet. Die Erkenntnis war immer, dass der Wunsch einzelner Träger
oder Kitas ohne eine grundsätzliche bundesweite Herangehensweise Stückwerk bleiben wird.
Ein Männerförderplan für städtische Kitas in Erftstadt kann insofern nach Meinung der Verwaltung
des Jugendamtes dem dahinter stehenden Anspruch nicht gerecht werden.
Auf Bundes- und Länderebene gibt es aber seit geraumer Zeit Bewegung. So ist eine Studie der
Katholischen Hochschule für Sozialwesen Berlin und Sinus Sociovision GmbH Heidelberg/Berlin
zu „MÄNNLICHE FACHKRÄFTE IN KINDERTAGESSTÄTTEN“
Ausgangspunkt für verschiedene bundesweite Projekte.
Die vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend geförderte Studie fasst die
Ergebnisse einer qualitativen und quantitativen Erhebung aus den Jahren 2008 bis 2009
zusammen.
Hier die Ergebnisse der Studie in Kurzfassung:
Ausgangslage in Zahlen
Zur Zeit der Erhebungen waren gerade einmal 2,4 Prozent der pädagogischen Fachkräfte in
Kindertagesstätten Männer. Der Anteil männlicher Fachkräfte in Kitas variiert zwischen den
verschiedenen Bundesländern und Stadt- bzw. Landkreisen stark. Auf Landes- und Bundesebene
weisen die Stadtstaaten Bremen und Hamburg den höchsten Männeranteil in Kitas auf – in
ostdeutschen Bundesländern, Baden-Württemberg und Bayern ist der Anteil männlicher
Fachkräfte besonders gering. Die Studie liefert mögliche Gründe für den unterschiedlichen Anteil
in den Bundesländern. Zahlen aus den Bundesländern
-2-
Methodik und Erhebungsgruppe
Dokumentation des nationalen und internationalen Forschungsstandes
Statistische Datenauswertung auf Bundesland- und Landkreisebene
40 leitfadengestützte Interviews mit Träger-Verantwortlichen, Kita-Leitungen, Erziehern,
Erzieherinnen, männlichen und weiblichen Auszubildenden
Telefongestützte Repräsentativbefragung mit Träger-Verantwortlichen (n=100), KitaLeitungen (n=600) und Eltern (n=1000)
Zentrale Fragen
In welchem Maß sind männliche Erzieher erwünscht?
Wie müssen die Rahmenbedingungen am Arbeitsplatz aussehen und wie die
Lernbedingungen in der Ausbildung, damit Männer den Erzieherberuf ergreifen und in
Kindertagesstätten arbeiten wollen?
Welche Akteure sollten in welcher Form daran mitwirken, dass der Erzieherberuf für
Männer attraktiver wird?
Die Türen der Kindertagesstätten sind weit geöffnet!
Das macht die Studie unmissverständlich deutlich. Die wenigen in den Kitas anwesenden
männlichen Fachkräfte werden von allen Befragten als für die pädagogische Arbeit bereichernd
wahrgenommen und geschätzt. Unbestritten ist unter jeweils circa 80 Prozent der TrägerVerantwortlichen und Kita-Leitungen sowie bei zwei Dritteln der Eltern, dass Erzieher und
Erzieherinnen in ihrer pädagogischen Arbeit voneinander lernen können.
Ergebnisse der Befragung
Erwünschtheit männlicher Fachkräfte in Kitas. Quelle: "Männliche Fachkräfte in
Kindertagesstätten." Cremers, Krabel und Calmbach 2010.
Von ihrer Präsenz und Mitarbeit erhoffen sich die Befragten auch, dass traditionelle
Rollenvorstellungen erweitert werden: Pflegen, Trösten und Fürsorglichkeit gehören zum MannSein dazu.
-3-
Strategische Ansätze und politische Unterstützung
Gute Erfahrungen bei Arbeits- und Betreuungsmaßnahmen mit Kindern und Jugendlichen, wie
beispielsweise im Zivildienst oder in der kirchlichen und ehrenamtlichen Kinder- und Jugendarbeit
sind Türöffner für den Erzieherberuf.
Träger-Verantwortliche und Kita-Leitungen wollen einen wichtigen Beitrag zur Erhöhung des
Anteils männlicher Erzieher leisten. Sie vertreten einhellig die Meinung, dass eine Steigerung des
Männeranteils in Kitas nur mit politischer Unterstützung umgesetzt werden kann.
Empfehlungen für Politik und Praxis
Die Autoren der Studie nennen mögliche Schritte für Politik und Praxis in folgenden Feldern:
Professionalisierung und Aufwertung des Berufsfeldes
Berufsorientierung junger Männer
Aus- und Weiterbildung von weiblichen und männlichen Erziehern
Qualifizierung erwerbsloser bzw. umschulungsinteressierter Männer
Verbreitung und Weiterentwicklung konkreter Praxisideen zur Erhöhung des Männeranteils
Zivil- und Freiwilligendienste
Geschlechtersensibilisierung und Gleichstellungsstrategien
Öffentlichkeitsarbeit
Auf Bundesebene finden bis Dezember 2013 unter dem Titel „Mehr Männer in Kitas" 16
Modellprojekte mit 1.300 Kindertageseinrichtungen in 13 Bundesländern statt, die mit insgesamt
13 Millionen Euro gefördert werden.
Bis Ende 2013 werden Wege erprobt, wie männliche Fachkräfte für Kitas zu gewinnen sind.
Die Modellprojekte werden vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
(BMFSFJ) und dem Europäischen Sozialfonds der Europäischen Union gefördert. Die
Erfahrungen aus den Modellprojekten werden überregional an Kita Träger weitergegeben.
Für eines von zwei Modellprojekten in NRW hat der AWO Bezirksverband Westliches Westfalen
mit „Rolle vorwärts" den Zuschlag bekommen. Hinter der „Rolle vorwärts" verbergen sich 7
Teilprojekte, die in den AWO Unterbezirken Ennepe-Ruhr, Hagen-Märkischer-Kreis, MünsterRecklinghausen und Ruhr- Mitte angesiedelt sind. Die AWO beschreibt ihr Projekt wie folgt:
UNSER ANGEBOT
Vermittlung von Praktikumsplätzen oder Stellen für ein freiwilliges Soziales Jahr in eine
unserer kooperierenden Kindertageseinrichtung (enge Zusammenarbeit mit dem Männer
Mobil-Team).
Sozialpädagogische Begleitung für die männlichen Jugendlichen (z.B. Vor- und
Nachbereitung des Praktikums)
Junge Männer werden im Prozess der Berufswahl begleitet und nachhaltig betreut
(Kontakthalteprogramm).
Aktionstage werden für die männlichen Jugendlichen angeboten. Eigenen Interessen
Fähigkeiten und Neigungen können die Jugendlichen hier auf den Grund gehen.
UNSERE ZIELGRUPPE
Männliche Jugendliche, die sich bereits sozial engagieren z. B. die Funktion eines
Klassensprechers übernehmen, Streitschlichter an ihrer Schule sind oder in einem Sportverein
bereits eine kleine Kindergruppe trainieren und sich im Übergang von der Schule in den Beruf
befinden.
UNSERE KOOPERATIONEN
-4-
20 Kindertageseinrichtungen im Ennepe-Ruhr-Kreis unterstützen tatkräftig das Projekt. Sie
stellen Praktikumsplätze für interessierte Jugendliche zur Verfügung und geben
unorientierten im Prozess ihrer Berufswahl Einblicke in den facettenreichen Arbeitsalltag
eines Erziehers.
Berufskollegs bieten Schnuppertage für Teilnehmer des Projektes an und geben Einblicke
in den Ausbildungsunterricht.
Das zweite nordrheinwestfälische Projekt wird vom Caritas-Verband durchgeführt. Dieses Projekt
beschreibt der Caritas-Verband wie folgt:
In dem Projekt MAIK – Männer arbeiten in Kitas werden gemeinsam mit den Netzwerkpartnern
neue Strategien zur Steigerung des Anteils männlicher Fachkräfte in Kitas entwickelt und in den
rund 670 katholischen Tageseinrichtungen für Kinder im Erzbistum Köln erprobt und
implementiert.
Wir verfolgen nicht nur das Ziel, mehr Männer für den Beruf des Erziehers und die Mitarbeit in
einer Tageseinrichtung für Kinder zu gewinnen, sondern auch die Genderkompetenz von
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Tageseinrichtungen im Erzbistum Köln zu fördern und
eine geschlechtersensible Pädagogik in der Erziehungs- und Bildungspraxis von Jungen und
Mädchen zu etablieren.
Unsere Handlungsfelder und Teilprojekte:
Handlungsfeld System Kita
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Fachtagungen
Geschlechtergerechte Personalgewinnung
Geschlechtersensibles Empowering
Kinderschutz
Rahmenkonzeptgeschlechtsbewusste Erziehung
Zusammenarbeit von Vätern und Müttern
Handlungsfeld Wege in den Beruf
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Werbung für den Erzieherberuf
Boys' Day
Freiwillige Soziale Dienste
Genderspezifisches Lehren und Lernen in der Ausbildung
Alternative Ausbildungswege/ Quereinstieg
Trainingsmaßnahmen nach SGB III
Handlungsfeld Politik
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o
Information und Kommunikation in und mit politischen Gremien
Leitlinien und Positionspapiere
Projektbeirat
Hierzu nutzen wir das fachliche Know How unserer Fachabteilung, der Träger und deren
angegliederten Kitas, sowie der Partner aus dem caritativen und sozialen Umfeld. Mit Hilfe dieses
großen Netzwerkes wollen wir auf allen Ebenen das Thema "MEHR Männer in Kitas"
voranbringen.
Auf Bundesebene werden die Projekte koordiniert. Die Koordinationsstelle ist an die Katholische
Hochschule für Sozialwesen Berlin angegliedert und wird ebenfalls vom Bundesministerium für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert. Das Projekt läuft bis Ende 2013.
-5-
Die Verwaltung des Jugendamtes schlägt vor, die Ergebnisse der bundesweiten Projekte
abzuwarten. Diese Ergebnisse werden über verschiedensten Tagungen an die einzelnen
Kommunen, Träger und Kitas weitergegeben. Damit werden auch Träger und Kitas, das heißt
auch die dortigen meist weiblichen Leitungen, sensibilisiert. Der Modellcharakter verschiedener
Best-Praxis-Beispiele kann dann vorbildhaft für andere Träger und Kitas sein.
Auch in den städtischen Einrichtungen hat sich in den letzten 10 Jahren etwas, aber noch lange
nicht genug bewegt. Die Zahl der männlichen Mitarbeiter lag konstant bei ca. 2 Personen.
Ein einziger Mitarbeiter, der bei uns seine Ausbildung (Berufspraktikum) gemacht hat, blieb auch
nach der Ausbildung hier, wechselte dann aber nach 2 Jahren zu FÖRSTA. Da FÖRSTA im
Grundschulbereich arbeitet und dort ebenfalls Männer deutlich unterrepräsentiert sind, war er
weiterhin männliche Bezugsperson in einem von Frauen dominierten Bildungsbereich. Heute
arbeitet er als Sozialarbeiter im Jugendamt.
4 Berufspraktikanten haben daneben in den städtischen Kitas ihre Ausbildung absolviert. Einer hat
sie vorzeitig abgebrochen. Diese Berufspraktikanten wollten anschließend nicht in der Kita
sondern in der Jugendhilfe weiter arbeiten.
Mehrere Vorpraktikanten (bis zu einem Jahr) wurden ebenfalls in den Kitas beschäftigt. Einer wird
ab dem 01.08.2013 sein Berufspraktikum anschließen.
Inzwischen kommen mit steigender Tendenz männliche Schülerpraktikanten in die Kitas so über
den Girls- bzw. Boysday. Diese Praktika werden von uns unterstützt.
In Vertretung
(Erner)
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