Daten
Kommune
Erftstadt
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Erstellt
30.08.12, 15:09
Aktualisiert
20.12.12, 15:07
Stichworte
Inhalt der Datei
STADT ERFTSTADT
öffentlich
Der Bürgermeister
A 333/2012
Az.:
Amt: - 51 BeschlAusf.: - - 51 - Datum: 24.08.2012
gez. Brost
29.10.2012
Amtsleiter
Datum Freigabe -100-
BM / Dezernent
- 20 -
Den beigefügten Antrag der SPD-Fraktion leite ich an die zuständigen Ausschüsse weiter.
Beratungsfolge
Jugendhilfeausschuss
Termin
12.09.2012
zur Kenntnis
Ausschuss für Soziales und
Gesundheit
16.01.2013
vorberatend
Betrifft:
Bemerkungen
Antrag bzgl. Erstellung eines Berichts über die Lebenssituation von Familien
Finanzielle Auswirkungen:
Mittel für die Beauftragung eines Instituts müssten im HP2013 eingestellt werden.
Unterschrift des Budgetverantwortlichen
Erftstadt, den
Stellungnahme der Verwaltung:
Der Antrag ist nach Meinung der Verwaltung aus mehreren Perspektiven zu betrachten:
1. Was ist genau gemeint mit z.B. Teilhabe am gesellschaftlichen Leben oder Familien mit
behinderten Mitgliedern?
2. Stehen die mit dem Antrag verbundenen aufwendigen Arbeiten in einem angemessenen
Verhältnis zu dem Erkenntnisgewinn, der anschließend zu konkretem Handeln führen soll?
3. Sind die entstehenden Kosten in der jetzigen Haushaltssituation angemessen, oder ist die
Investition in konkrete Projekte nicht wirkungsvoller?
4. Welche Erkenntnisse, die ein dergestaltiger Familienbericht erbringen soll, liegen nicht
bereits vor?
Zu 1)
Wird die Erstellung eines Familienberichtes beschlossen, muss Klarheit über den genauen Auftrag
herrschen. „Teilhabe“ ist ein umfassender Begriff, der z.B. Kultur, Sport und Freizeit innerhalb und
außerhalb Erftstadts, aber auch Arbeit umfassen kann.
Sind mit behinderten Mitgliedern nur die Kinder oder auch Erwachsene gemeint?
Geht der Begriff „Mobilitätsangebot“ sowohl von privaten wie auch öffentlichen Verkehrsmitteln
aus?
Ist mit Mitgliedschaften in Vereinen die allgemeine Mitgliedschaftsrate gemeint oder jede
spezifische?
Zu 2)
Auf Bundesebene existieren bisher acht Familienberichte. Ziel der Familienberichterstattung ist es,
„die längerfristigen Perspektiven für Familien darzustellen und wichtige Konsequenzen
gesellschaftlicher Veränderungen für die Familienpolitik aufzuzeigen“ (BMFSFJ 2003).
Der letzte von der Bundesregierung beschlossene Familienbericht behandelt schwerpunktmäßig
das Thema „Zeit für Familie“. Der Bericht wurde von einer Expertenkommission erarbeitet.
Auf Landesebene wird regelmäßig kein Familienbericht erstellt.
Auf kommunaler Ebene haben verschiedene große Städte einzelne Familienberichte in der Regel
erstellen lassen.
ZEFIR – das Zentrum für interdisziplinäre Regionalforschung an der UNI Bochum - arbeitet seit
geraumer Zeit im Bereich der Familienberichterstattung mit verschiedenen Städten zusammen.
Nach ZEFIR ist „Familienberichterstattung Teil der Sozialberichterstattung. Sozialberichterstattung
hat in Deutschland eine lange Tradition, ihre hohe Zeit begann jedoch in den 1970er Jahren mit
einem aufkommenden Interesse an den Wirkungen der Sozialpolitik, die sich seinerzeit noch
optimistisch als aktive Gestaltung der sozialen Verhältnisse verstand. Aber auch heute, unter
schwierigeren fiskalischen Bedingungen, die einen Perspektivenwechsel von der Effektivität zur
Effizienz sozialpolitischen Handelns mit sich gebracht haben, sind die Funktionen von Sozial- und
Familienberichterstattung im wesentlichen immer noch diese drei:
Aufklärung der Öffentlichkeit
Information von Politik und Verwaltung über Handlungs- und Gestaltungsbedarfe
Evaluation sozialpolitischer Intervention
Warum örtliche Familienberichterstattung?
Für die Zwecke örtlicher Familienpolitik sind die „repräsentativen“ und damit in der Regel hoch
aggregierten Daten und Analysen von Familienberichterstattung auf Bundes- oder Landesebene in
der Tat wenig hilfreich. Nirgends ist es so wie im Durchschnitt:
Es gibt zunehmende kleinräumige Disparitäten von Lebenslagen und Lebensformen der
Bevölkerung bei wachsender Segregation. Die Lebenswirklichkeit der Familien unterscheidet sich
erheblich, je nachdem, ob wir es mit einer Stadt im Ballungskern oder einer Gemeinde im
ländlichen Raum oder am Ballungsrand zu tun haben. In den schrumpfenden Städten sind nur
noch eine Minderheit der Haushalte Familienhaushalte mit Kindern oder Jugendlichen unter 18
Jahren. Unter diesen sind große Anteile armer Familien, ausländischer Familien und Familien
alleinerziehender Eltern. In den Randlagen der Großstädte und in den Gemeinden im ländlichsuburbanen Umland dagegen leben vorzugsweise die Familien der bürgerlichen deutschen
Mittelschicht. Hier leben heute – trotz des Geburtenrückgangs der 1970er Jahre – bei niedrigsten
Ausländeranteilen z.T. mehr Kinder (und Familien) als 1970, eine Folge der Familienwanderung
aus dem Ballungskern in den ländlichen Raum. Vor allem in den Städten am Rande des
Ballungskerns und in den Solitärzentren finden wir beide Familienumwelten innerhalb ein- und
derselben Stadt.
Die soziale Segregation (räumliche Trennung von Arm und Reich) und die demografische
Segregation (räumliche Trennung von Alt und Jung) haben in den letzten beiden Jahrzehnten in
den nordrhein-westfälischen Städten zugenommen, die ethnische Segregation (räumliche
Trennung von Einheimischen und Zugewanderten) hat nicht so eindeutig zugenommen. Allerdings
hat die „Korrelation“, d.h. der statistische Zusammenhang der drei Dimension von Segregation,
zugenommen: In den Stadtteilen, in denen heute die meisten Ausländer leben, leben auch die
meisten Kinder und die meisten armen Leute.
Für wen soll berichtet werden?
Adressaten kommunaler Familienberichterstattung sind lokale Politik und Verwaltung, Akteure
örtlicher Familienpolitik sowie die Öffentlichkeit. Häufig haben diese Akteure nur unzureichende
Informationen über die sozialen Verhältnisse in den Gemeinden und in den Stadtteilen. Die
Ursache hierfür ist, dass sich die Kommunen häufig nur auf ihre Rolle als Lieferanten von Daten
an die Landesstatistik beschränken, die sie von dort allerdings nur hochgradig aggregiert und in
Standardtabellenformaten zurückerhalten.
-2-
Was soll berichtet werden?
Folgende Themen prägen das Bild kommunaler Familienberichterstattung in Deutschland:
Bevölkerung / Demografie
Sozialhilfebezug / Armut
Erwerbssituation / Arbeitslosigkeit
Wohnsituation
Soziale Infrastruktur / insbesondere Kinderbetreuung
Intervention und Beratung
Finanzielle / ökonomische Situation der Familien
Bildung und Schulwesen
Gesundheit
Sonstiges (Umweltbelastungen, Verkehrssituation,...)
Wie und wie oft soll berichtet werden?
Familienberichterstattung sollte langfristig, kleinräumig und integriert angelegt sein:
Langfristigkeit: Erst eine regelmäßige Aktualisierung der Daten ermöglicht die Ermittlung von
Trends und die Erkennung problematischer Sozialraumstrukturen (Frühwarnfunktion).
Kleinräumigkeit: Um sozialräumliche Unterschiede innerhalb der Untersuchungsregionen
aufdecken zu können, sollte die unterste Berichtsebene der Stadtteil bzw. der statistische Bezirk
sein.
Integrierbarkeit: Vergleiche und Rankings sollten möglich sein. Zwar können die Daten aus
unterschiedlichen Amtsbereichen (Soziales, Bevölkerung, etc.) nicht personenbezogen integriert
werden, möglich aber ist eine „Verknüpfung“ und Integration auf der Ebene des Stadtteiles.“
Im Auftrag der Stadt Wesseling hat ZEFIR über fast 2 Jahre seit Januar 2005 einen
Familienbericht erstellt. Der Familienbericht ist inhaltlich an das Projekt „Kommunale
Familienberichterstattung in NRW“ angelehnt, um anschlussfähig zu bleiben. Es wurden Daten der
Kommunalstatistik (z.B. Einwohner-, Sozialhilfe- und Jugendhilfestatistik) und prozessproduzierte
Daten der Verwaltung (z.B. Daten des Schul-, Gesundheits- und Wohnungsamtes) gesammelt
und ausgewertet. Diese Daten wurden für 71 Teilbezirke ausgewiesen, die die Stadt Wesseling im
Rahmen einer Sozialraumanalyse ermittelt hat. In Ergänzung dazu wurde eine Familienbefragung
in 1300 Familienhaushalten Wesselings durchgeführt, um Informationen zu erhalten, die mit Daten
der Kommunalstatistik nicht bzw. nur unzureichend abgebildet werden konnten.
Anknüpfend an die Ergebnisse des Familienberichtes wurden in enger Kooperation mit Akteuren
vor Ort (beispielsweise in Form von Fachgesprächen, Verwaltungsgesprächen, Workshops)
Handlungsperspektiven und konkrete Maßnahmeempfehlungen erarbeitet.
Um zu verdeutlichen, welche Handlungsperspektiven hier gemeint sind, ist dieser Vorlage der
konkrete letzte Teil des Wesselinger Familienberichts beigefügt.
Zu 3)
Mit einfachen Bordmitteln ist ein Familienbericht in der Verwaltung neben der normalen Arbeit
nicht zu erstellen. Es bedarf der Unterstützung eines Fachinstituts oder z.B. der UNI Bochum, wie
dies bei anderen Projekten in der Schulentwicklungsplanung und dem
Büroraumbewirtschaftungskonzept auch der Fall war bzw. ist. Mittel dafür stehen nicht zur
Verfügung, sie müssten in 2013 bereitgestellt werden.
Zu 4)
Die Jugendhilfeplanung als Pflichtaufgabe des Jugendamtes hat sich seit Beginn mit den
unterschiedlichsten Aspekten des familiären Lebens in Erftstadt auseinandergesetzt und konkrete
Handlungsperspektiven und Maßnahmeempfehlungen aufgezeigt.
Es existieren Planungen über die Bereiche
Bevölkerungsentwicklung
Sozialraumbeschreibung
Sozialraumanalyse
Jugendverbandsarbeit
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Kommunale Jugendarbeit
Jugendfreizeitstätten
Spielplätze
Kinder- und Jugendschutz
Jugendsozialarbeit und Jugendberufshilfe
Kindertagesstätten
Kindertagespflege
Inklusion in Kindertageseinrichtungen
Hilfe zur Erziehung
Erziehungsberatung
Familiengerichtshilfe
Jugendgerichtshilfe und
und im Februar 2011 noch Familienförderung.
Daneben wurden Kinderberichte und ein Erftstädter Armutsbericht erstellt. Es gibt ein
Integrationskonzept und ein Seniorenleitbild, das der Seniorenbeirat erarbeitet hat.
Sicherlich liegen alle Erkenntnisse nicht vor. Die Verwaltung gibt aber zu bedenken, ob ein
umfangreicher Familienbericht über die vorhandenen Erkenntnisse hinaus wesentliche Impulse
liefern wird. Jedenfalls sollte erst eine Diskussion über Struktur, Inhalte und Schwerpunkte eines
Familienberichts geführt werden.
Ggfls. könnten einzelne Aspekte wie die Wohnsituation dann aber auch generationsübergreifend
in den Blick genommen werden.
Im Übrigen überlege ich derzeit, die Verwaltung so neu zu ordnen, dass unter Vermeidung
weiterer Kosten eine verantwortliche Einheit für Demografie und Statistik gebildet wird.
(Erner)
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