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Antrag (Schlussteil des Wesselinger Familienberichts)

Daten

Kommune
Erftstadt
Größe
171 kB
Erstellt
30.08.12, 15:09
Aktualisiert
30.08.12, 15:09
Antrag (Schlussteil des Wesselinger Familienberichts) Antrag (Schlussteil des Wesselinger Familienberichts) Antrag (Schlussteil des Wesselinger Familienberichts) Antrag (Schlussteil des Wesselinger Familienberichts) Antrag (Schlussteil des Wesselinger Familienberichts) Antrag (Schlussteil des Wesselinger Familienberichts)

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Schlussteil des Wesselinger Familienberichts: 10 Zusammenführung der Ergebnisse und Handlungsempfehlungen Einen ‘Königsweg’ für die konkrete Ausgestaltung kommunaler Familienpolitik gibt es nicht. Die Lebensbedingungen von Familien unterscheiden sich zwischen Stadt und Land, zwischen den einzelnen Kommunen und in den Sozialräumen innerhalb der Städte. Der vorliegende Familienbericht für die Stadt Wesseling hat die Lebenssituation von Familien und Kindern sowie die Bedingungen, unter denen die Familien in Wesseling leben und Kinder aufwachsen, in einer umfassenden sozialräumlichen Perspektive in den Blick genommen. Wir haben bereits einleitend darauf hingewiesen, dass sich Familienfreundlichkeit und Familienpolitik an den Familien orientieren muss, die sie vor Ort erreichen will. Familienpolitik soll dazu beitragen, dass Lebensbedingungen und Lebensqualität der Familien, die heute in der Stadt leben, verbessert werden. Wenn Städte attraktiv für die bereits hier lebenden Familien sind, so kann dies auch positive Effekte für potenzielle Eltern und Familien haben, die vor der Entscheidung stehen, nach Wesseling zu ziehen. Zu den wichtigsten Bereichen zählen hier sicherlich die Bekämpfung von Familienarmut, die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, auch durch einen Ausbau der öffentlichen Kinderbetreuung, die Verbesserung der Bildungschancen für Kinder und die Ausgestaltung des Wohnumfeldes sowie institutioneller Unterstützungsangebote zur Entlastung von Familien. Familienpolitik soll dabei Eigenarten der Lebensform, z.B. bei Alleinerziehenden oder kinderreichen Familien, aber auch Besonderheiten der Lebensführung, z.B. bei Migranten berücksichtigen. Im Folgenden wollen wir wesentliche Ergebnisse der präsentierten Analysen zusammenführen, um die weitere öffentliche und politische Diskussion für ein familienfreundliches Wesseling anzustoßen. Auf Basis der Berichtsergebnisse sollen erste Handlungsempfehlungen formuliert werden. 10.1 Zusammenführung der Ergebnisse Bevölkerungsentwicklung und Bevölkerungsprognose Wie die Bevölkerungsentwicklung des Rhein-Erft-Kreises insgesamt verläuft die Entwicklung der Bevölkerungszahl der Stadt Wesseling bis zum Jahr 2004 deutlich über dem Niveau des Landes Nordrhein-Westfalen. Die weiterhin positive Bevölkerungsentwicklung von Wesseling ist nicht zuletzt auf Zuzüge von Nichtdeutschen zurückzuführen. War 1975 noch jeder zehnte Einwohner Wesselings ohne deutschen Pass, so galt dies 2004 bereits für fast jeden siebten Einwohner. Das Wachstum der Wesselinger Bevölkerung ist aber nicht nur auf eine positive Wanderungsbilanz (mehr Zu- als Fortzüge) zurückzuführen, sondern gründet auch auf einer (für Deutschland insgesamt untypischen) positiven natürlichen Bevölkerungsentwicklung. In Wesseling werden noch mehr Kinder geboren als Einwohner versterben. Es hat sich aber ein Wandel der Altersstrukturen in der Bevölkerung vollzogen. Während der Anteil der 18- bis unter 65-Jährigen seit den 1970er Jahren relativ stabil blieb, nahm der Anteil der Kinder und Jugendlichen im Verhältnis zu den anderen Altersgruppen ab (ca. 5 Prozentpunkte unter dem Wert von 1975). Die Bevölkerung im Alter von 65 und älter hat im selben Zeitraum um 6 Prozentpunkte zugenommen. Wesseling wird also trotz Bevölkerungswachstum im Durchschnitt älter. Für den vorliegenden Familienbericht Wesseling wurde eine Bevölkerungsprognose beim Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik Nordrhein-Westfalen in Auftrag gegeben. Gerechnet wurden zwei Varianten, eine Basisvariante und eine Wanderungsvariante, beide für den Zeitraum 01.01.2005 bis 01.01.2020. Die Basisvariante beschreibt die voraussichtliche Bevölkerungsentwicklung ausschließlich auf der Basis der natürlichen Bevölkerungsentwicklung. Wanderungsannahmen werden nicht berücksichtigt. Nach dieser Variante würde die Bevölkerung bis 2009 noch leicht ansteigen, um danach bis zum Jahr 2020 auf 35.350 Einwohner zu sinken. Bei der Wanderungsvariante wurden zusätzlich zu den natürlichen Bevölkerungsbewegungen die von der Stadt Wesseling formulierten Wanderungsannahmen berücksichtigt (2005 bis 2010: Wanderungsüberschuss von 75 Personen, 2011 bis 2019 Wanderungsüberschuss von 85 Personen pro Kalenderjahr). Folgt man dieser Wanderungsvariante, so wird die Bevölkerung der Stadt Wesseling weiter wachsen. In den ersten Jahren (bis ca. 2015) relativ deutlich, danach (bis 2020) schwächer. 2020 werden, folgt man dieser Prognosevariante, voraussichtlich 36.735 Einwohner in Wesseling wohnen. Dies entspricht einer Zunahme der Bevölkerung von knapp 2½ Prozent von 2005 bis 2020. Eine weitere Verschiebung der Altersstruktur mit einem zunehmenden Gewicht der Bevölkerung von 50 Jahren und älter ist in jedem Fall zu erwarten. Auch die Zahl der Hochbetagten (über 75-Jährige) wird deutlich ansteigen. Nach der (realistischeren) Wanderungsvariante werden sich im Jahr 2012 der Jugend- und der Altenquotient schneiden, d.h. der Anteil der Alten und Hochbetagten über 65 Jahren in Wesseling wird erstmals größer sein als der Anteil der Kinder und Jugendlichen. Für Wesseling stellt demnach besonders die Veränderung der Altersstrukturen eine Herausforderung für die Zukunft dar. Nach 2012 bilden nicht mehr Kinder- und Jugendliche die größte von der „aktiven“ Bevölkerung zu unterstützende Gruppe, sondern die Älteren und Hochbetagten werden dies sein. Darauf muss sich auch die kommunale Sozial- und Familienpolitik einstellen, da sie eingreifen müsste, falls die informellen Solidarpotenziale der Familien diesen Anforderungen nicht mehr gerecht werden können. Gefragt sind innovative Strategien, um entsprechende Infrastruktureinrichtungen bereitzustellen bzw. die vorhandenen Einrichtungen anzupassen (Stichwort: weniger Kindergärten, mehr Einrichtungen für Alte). Kleinräumige Disparitäten Die Bevölkerungs- und Familienstrukturen variieren zwischen den Ortsteilen Wesselings und insbesondere zwischen den Teilbezirken der Ortsteile recht deutlich. Besonders der Ortsteil Keldenich ist sehr heterogen - sowohl hinsichtlich der Altersstruktur als auch hinsichtlich der Familienstruktur und des sozio-ökonomischen Status. So gibt es vor allem deutliche Unterschiede zwischen „Nord-West“ und „Süd-Ost“ und es lässt sich kein einheitliches Ortsteilprofil ausmachen. Im Ortsteil Wesseling hingegen zeigen sich im Vergleich eher homogene Strukturen. Altersstrukturen und soziale Strukturen streuen hier sehr viel weniger. In den Teilbezirken des Ortsteils, die insgesamt eine geringere Familienprägung aufweisen, gibt es weniger etablierte (deutsche) Familien, aber viele Merkmale weisen auf eine höhere Betroffenheit von Familienarmut und sozialen Probleme hin. Hohe Sozialhilfedichten, hohe Arbeitslosenraten und hohe Anteile Nichtdeutscher treffen hier mit hohen Anteilen Alleinerziehender und kinderreicher Familien zusammen. Gleichzeitig sind in der Mehrzahl der Wesselinger Teilbezirke Tendenzen der „Überalterung“ zu erkennen. Im Ortsteil Wesseling treten also unterschiedliche Herausforderungen häufiger als in den anderen Ortsteilen und zudem gemeinsam auf: „Überalterung“, „ausgeprägte Familienarmut und soziale Probleme“ sowie „wenige etablierte (deutsche) Familien“. Für einige wenige Teilbezirke im Ortsteil Keldenich trifft das in abgeschwächter Form ebenfalls zu. In den beiden „großen“ Ortsteilen finden sich darüber hinaus vergleichsweise hohe Ausländeranteile: Wesseling: 19% und Keldenich: 16%. Eine ganz andere Lebenssituation von Familien findet sich in den Ortsteilen Berzdorf und Urfeld. Diese kleineren Ortsteile haben vergleichsweise niedrige Ausländeranteile, Berzdorf (8,8%) und Urfeld (6,1%), und sind durch eine hohe Familienprägung gekennzeichnet. Auffällig ist weiterhin, dass bis auf eine Ausnahme in Urfeld, alle Urfelder und Berzdorfer Teilbezirke nur unterdurchschnittlich von Familienarmut und sozialen Problemen betroffen sind. Es lassen sich auch keine Tendenzen der Überalterung erkennen. Familienarmut in Wesseling Legt man ein bedarfsgewichtetes Äquivalenzeinkommen - also ein auf die Haushaltsgröße bezogenes Einkommen - zugrunde, kann jede siebte Familie in Wesseling als wohlhabend bis reich angesehen werden (2.000 € und mehr Äquivalenzeinkommen). Für eine vierköpfige Familie bedeutet dies z.B., dass sie 4.000 € und mehr Haushaltsnettoeinkommen monatlich zur Verfügung hat. Mehr als jede vierte Familie dagegen lebt in Armut beziehungsweise armutsnahen wirtschaftlichen Verhältnissen (unter 1.000 € Äquivalenzeinkommen). Für eine vierköpfige Familie bedeutet dies ein monatliches Nettoeinkommen unter 2.000 €. In dieser Einkommensgruppe bezieht die Hälfte der Familien Transfereinkommen zum Ausgleich von Armutslagen, wie Arbeitslosengeld I, Arbeitslosengeld II, Sozialgeld, Wohngeld oder Kinderzuschläge zum gesetzlichen Kindergeld. Besonders armutsgefährdet sind Alleinerziehende, kinderreiche Familien und Familien mit Migrationshintergrund: Etwas mehr als jede zweite der alleinerziehenden Familien, das sind 9,9% aller Familien in Wesseling, leben mit weniger als 1.000 € monatlichem Äquivalenzeinkommen. Etwa 13% aller Familien Wesselings sind kinderreiche Familien, darunter fast 6% in armen oder armutsnahen Lebensverhältnissen. Das bedeutet, dass etwas mehr als jedes zehnte Wesselinger Kind in einer armen kinderreichen Familie lebt. Etwa 28% aller Wesselinger Familien haben einen Migrationshintergrund. Besonders unter diesen Familien ist die Betroffenheit von Armut hoch. Über die Hälfte der Migrantenfamilien lebt in Armut bzw. Armutsnähe. Gut die Hälfte der Familien mit weniger als 1.000 € Äquivalenzeinkommen lebt in Armut bzw. in armutsnahen Verhältnissen, obwohl mindestens ein Elternteil erwerbstätig ist. Wir bezeichnen solche Familien, die trotz Erwerbstätigkeit mindestens eines Erwachsenen in armutsnahen Verhältnissen leben, als die „arbeitenden Armen“ oder „working poor“. Sowohl in dieser Gruppe als auch in der Gruppe der Familien mit Transfereinkommen sind Menschen mit niedrigem Bildungsstatus deutlich überrepräsentiert. Ausschlaggebend für die Armutslagen dürften hier also vor allem die (größtenteils qualifikationsbedingt) niedrigen Erwerbseinkommen sein. Sozialräumlich konzentrieren sich die armen und armutsgefährdeten Familien besonders im Ortsteil Wesseling und in einigen Teilbezirken Keldenichs. Armutslagen bedeuten nicht nur eine Einschränkung in finanzieller Hinsicht, sondern sie betreffen auch andere Aspekte der Lebenslage. Im Gegensatz zu den Nichtarmen leben die armen und armutsnahen Familien Wesselings in kleineren Wohnungen und das mittlere Qualifikationsniveau ist niedriger. Die Anteile der Familien, die erklären, sich (fast) nichts leisten zu können, sind in beiden Gruppen überdurchschnittlich hoch, der Anteil der Miete am Nettoeinkommen ist trotz kleinerer Wohnungen ebenfalls in beiden Gruppen hoch. Die Sparquote hingegen ist niedrig. Es gibt danach in Wesseling oberhalb einer Armutspopulation von etwa 12 Prozent, die damit unter dem Landesdurchschnitt liegt, eine vor allem aufgrund ihrer Kinderzahl und der geringen Rücklagen bei hoher Mietbelastung und schlechter Wohnungsversorgung hochgradig armutsgefährdete Gruppe von Familien in prekären Lebenslagen, bei denen jede weitere finanzielle Belastung bzw. Veränderung der Einnahmenseite (z. B. Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit, andere Einkommenseinbußen) und der Aufwendungsseite (ein weiteres Kind, Umzug in eine teurere Wohnung) eine akute und z.T. dramatische Veränderung der Lebenslage bedeuten würde. Für die kommunale Familienpolitik sind die Möglichkeiten, dem strukturellen Armutsrisiko, dem Familien in Deutschland unterliegen, entgegenzuwirken und Familienarmut zu vermeiden, eher begrenzt. Hier geht es besonders um das „Auffangen“ von sozialen Folgen dieser Entwicklungen. Dennoch deuten die Ergebnisse der Befragung auf eine „UnterNutzung“ von zustehenden Transferzahlungen bei Familien in armutsnahen Lebenslagen hin. Das gilt besonders für jene Familien, die über Einkünfte im Niedrigeinkommensbereich verfügen. Hier sollte eine intensivierte Beratung von Familien in armutsnahen Milieus erfolgen, insbesondere im Hinblick auf zusätzliche staatliche Transfereinkommen. Darüber hinaus können Armutslagen über die Verbesserung des Bildungsniveaus und der Bildungszugänge - z.B. für Migranten - beeinflusst werden. Unsere Untersuchungen der Einkommensverwendung der Familien zeigen, dass in einer großen Mehrheit das Geld nicht für einen gemeinsamen Urlaub reicht. Hier können Ferienfreizeitangebote der Stadt und der freien Träger sinnvoll helfen. Kinderbetreuung und Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf Die institutionelle Betreuung von Kindern in Kindertagesstätten und Grundschulen ist eine wichtige Voraussetzung für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit. Die Betreuungseinrichtungen müssen flexibel, wohnort- bzw. arbeitsplatznah sein und alle Altersklassen berücksichtigen. Die Versorgungsquote für Kinder von drei bis unter sechs Jahren liegt in Wesseling bei über 100%. In den Ortsteilen Berzdorf und Wesseling gibt es aber deutlich mehr Plätze als Kinder während in Urfeld und Keldenich etwas zu wenige Plätze vorhanden sind. Ganztagsplätze sind allerdings nur für jedes fünfte Wesselinger Kindergartenkind vorhanden. Hier besteht noch Nachholbedarf und das besonders in den stark familiengeprägten Ortsteilen Urfeld und Berzdorf. Auch für jüngere Kinder unter drei Jahren besteht weiterer Handlungsbedarf hinsichtlich der Betreuungsmöglichkeiten. Bei der Wahl der Kindertagesstätte für ihre Kinder ist den Wesselinger Eltern besonders wichtig, dass die Einrichtung einen guten Ruf hat, die Kinder gut draußen spielen können und gut gefördert werden. Auch die Wohnortnähe und flexible Öffnungszeiten - besonders wichtig für Eltern mit unter 3-jährigen Kindern - werden sehr häufig genannt. Bei der Betreuung von Schulkindern über die Unterrichtszeit hinaus hat die Stadt Wesseling im nordrhein-westfälischen Vergleich bereits ein breites und vielfältiges Angebot für Eltern. 90% der befragten Familienhaushalte mit Grundschulkindern können auf ein Angebot zur Übermittagbetreuung zurückgreifen. Die Inanspruchnahme von 28% in der Familienbefragung deckt sich in etwa mit den Schulamtsdaten. Wenn Eltern die Betreuung in Grundschulen nicht in Anspruch nehmen, liegt es in erster Linie daran, dass die Mutter nicht oder nur vormittags berufstätig ist oder es wird allgemeiner formuliert, dass kein Bedarf bestehe. In Einzelfällen wird die Qualität der Betreuung in Frage gestellt oder die zusätzlichen Kosten werden als Grund für die Nichtinanspruchnahme angeführt. Verbesserung von Bildungschancen In Wesseling zeigt sich eine starke Beziehung zwischen sozialer Herkunft und Lebens- und Bildungschancen der Kinder. So haben die Befragungsergebnisse eine hohe Einkommensabhängigkeit der Bildungsbeteiligung der Kinder aufgezeigt: Je höher das Einkommen, umso größer ist der Anteil der ältesten Kinder, die eine ‚höhere’ Schulform besuchen. Die Hälfte der Hauptschüler dagegen kommt aus der untersten Einkommensgruppe. Die soziale Selektivität der Bildungsbeteiligung betrifft in besonderem Maße Wesselinger Kinder aus Migrantenfamilien. So lässt sich für die Stadt insgesamt deutlich eine Benachteiligung von Kindern aus nichtdeutschen Familien beim Zugang zu höheren Schulabschlüssen nachweisen. In sozialräumlicher Hinsicht wird dieser Zusammenhang noch einmal verstärkt. Besonders selten findet man nichtdeutsche Schüler/innen unter den Gymnasiasten aus Urfeld und Keldenich, obwohl in diesen Ortsteilen der Anteil von Familien mit Migrationshintergrund vergleichsweise niedrig ist. In Berzdorf und dem Ortsteil Wesseling liegt der Anteil der nichtdeutschen Gymnasiasten hingegen über dem Gesamtwert der Stadt. Diese unterschiedlichen Bildungschancen beeinflussen auch den Bildungserfolg Wesselinger Schüler. Mehr als die Hälfte der nichtdeutschen Jugendlichen in Wesseling haben 2004 maximal einen Hauptschulabschluss erreicht. Unter den deutschen Jugendlichen ist dieser Anteil mit 40% sehr viel niedriger. Die späteren Arbeitsmarkt- und Berufschancen nichtdeutscher Schulabgängerinnen und Schulabgänger sind dadurch wesentlich eingeschränkter als die deutscher Jugendlicher, da die „Verwertbarkeit“ eines Hauptschulabschlusses am Arbeitsmarkt in den letzten Jahrzehnten deutlich gesunken ist. Um diesen engen Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungszugang aufzubrechen, muss der gleichberechtigte Zugang zu höheren Schulabschlüssen von nichtdeutschen Kindern und Kindern aus einkommensschwachen Haushalten gezielter gefördert werden. Darüber hinaus scheint eine stärkere Förderung von Kindern aus benachteiligten Familien im vorschulischen und schulischen Bereich angezeigt, die aber die Eltern und die spezifischen Lebenskontexte der Kinder einbeziehen muss. Eine ausschließlich auf die Kinder fokussierte Sprachförderung bei Kindern mit Migrationshintergrund z.B. bringt in der Regel wenig, wenn nicht auch für die Eltern bzw. zumindest die Mütter ebenfalls Angebote zum Erwerb der deutschen Sprache angeboten werden. In der Mehrzahl der Wesselinger Migrantenfamilien wird auch im alltäglichen Umgang und zuhause deutsch gesprochen. Das sind gute Voraussetzungen für den Erfolg weiterer Bildungsangebote zur Sprachförderung von Eltern und Kindern. Darüber hinaus könnten diese Angebote auch für deutsche Kinder, die im Umgang mit der deutschen Sprache Probleme haben, geöffnet werden. Zu einer stärkeren Förderung von Kindern aus benachteiligten Familien zählen auch Maßnahmen im Bereich der Gesundheitsprophylaxe. Gesundheitspräventive Maßnahmen für Kinder sollten Defizite in der Kompetenz der Eltern hinsichtlich des Gesundheitsverhaltens stärker ausgleichen. Bedarf für solche Interventionen besteht besonders im Ortsteil Wesseling und bei nichtdeutschen Kindern, denn besonders für nichtdeutsche Wesselinger Kinder zeigen sich Defizite in Bereich der Gesundheitsvorsorge. Ausgestaltung des Wohnumfeldes und institutioneller Unterstützungsangebote für Familien Wesselinger Familien kritisieren eine ganze Reihe einzelner Aspekte des jeweiligen Wohnumfeldes, die in den Ortsteilen eine unterschiedliche Gewichtung erhalten. Übergreifend lassen sich aber zwei Aspekte hervorheben, die für (fast) alle Ortsteile bemängelt werden. So stellt die Lärm- und Geruchsbelästigung der Fabriken in Wesseling eine besondere Problemlage dar, die viele Familien als Mangel anführen. Auch die Lärmbelästigung durch die Autobahn (auch wegen fehlenden Lärmschutzes) wird häufiger beanstandet. Die Lärmbelästigung taucht auch als einer der wichtigsten Umzugsgründe auf, wenn Familien konkrete Umzugspläne haben. Nicht zuletzt die geringe Distanz zwischen Industrie und Wohnen sind für ein eher schlechtes Image und Unzufriedenheiten mit dem Wohnumfeld verantwortlich. Das trifft besonders für Familien im Ortsteil Wesseling zu. Darüber hinaus sind Freizeitangebote für Kinder und Familien ein großes Manko in Wesseling. Am häufigsten werden fehlende Freizeitangebote bzw. -einrichtungen für Kinder bemängelt, aber auch fehlender Platz für ältere Kinder und Jugendliche und ein Mangel an Freizeitangeboten bzw. -einrichtungen für Erwachsene werden angemahnt. Mehr als die Hälfte der Wesselinger Familien nutzen deshalb Freizeitangebote überwiegend außerhalb des Stadtgebietes. Etwa ein Drittel verbringen ihre gemeinsame Freizeit sowohl im Stadtgebiet als auch außerhalb. Nur 16% geben an, vor allem in Wesseling Freizeitangebote wahrzunehmen. Ein nicht kindgerechtes Wohnumfeld durch gefährlichen Straßenverkehr und fehlende Spielmöglichkeiten ist für ein Viertel der Wesselinger Familien, die umziehen wollen, für einen Fortzug von entscheidender Bedeutung. Gerade bei der Gestaltung eines familienfreundlichen Wohnumfeldes kann kommunale Familienpolitik gemeinsam mit anderen Akteuren Verbesserungen für Familien erreichen. Diese Maßnahmen sollten gemeinsam mit den in den Ortsteilen ansässigen Familien geplant werden, da die angeführten Mängel örtlich sehr unterschiedlich sind. Aspekte eines familienfreundlichen Wohnumfeldes sollten darüber hinaus auch in anderen Bereichen der Stadtentwicklung stärker berücksichtigt werden, um die Attraktivität und Erreichbarkeit der städtischen Infrastruktur für Familien zu verbessern. Fragt man Wesselinger Familien danach, ob sie sich über die familienspezifischen Angebote gut informiert fühlen, zeigt sich ein eher ernüchterndes Ergebnis: Etwa 40% der Familien fühlen sich nicht ausreichend informiert. Noch einmal etwas mehr als ein Drittel ist in dieser Hinsicht eher unentschieden. Besonders Alleinerziehende und Migrantenfamilien fühlen sich nicht hinreichend informiert, obgleich gerade diese Familien aufgrund ihrer spezifischen Familiensituation häufiger besondere Unterstützung benötigen. Städtische Einrichtungen und Beratungsangebote für Familien sind zwar der übergroßen Mehrheit der Familien bekannt, übergreifend zeigt sich aber, dass in Wesseling besonders Migrantenfamilien durch institutio- nelle Hilfen nur unzureichend erreicht werden. Unsere Untersuchungen weisen auf ein erhebliches Beratungs- und Informationsdefizit hin. Die nachgewiesenen sozialen Benachteiligungen und besonderen Unterstützungsbedarfe können damit nicht institutionell ausgeglichen werden. Hier wäre eine stärker zielgruppenbezogene Information zu solchen Angeboten für Migranten überlegenswert. 10.2 Familienförderung als örtliche Familienpolitik Insgesamt geht es darum, die Familien durch öffentliche Leistungen und Angebote zu unterstützen, damit sie auch in Zukunft „Leistungen“ für das örtliche Gemeinwohl erbringen können. Dabei ist wichtig, dass es Unterstützung für Familien vor Ort gibt. Zweitrangig dabei ist, wer diese Leistungen anbietet. Für Familien selbst ist es in der Regel also weitestgehend unwichtig, ob Familienförderung direkt von der Kommune oder von anderen Trägern und Akteuren ausgeht. Familienförderung ist und kann auch nicht ausschließlich Sache der Kommune sein, insbesondere vor dem Hintergrund knapper Kassen. Familienpolitik muss vielmehr als „örtliche“ oder „lokale“ Familienpolitik verstanden werden, bei der nicht nur die Kommunalverwaltung eine Rolle spielt, sondern alle freien Träger und familienpolitisch relevanten Akteure eingebunden werden. Kommunale Familienpolitik ist also nichts anderes als Familienpolitik in der Kompetenz der Kommune. Ein wichtiges Element örtlicher Familienpolitik, und hier ist ganz klar die Kommune gefragt, ist die Vernetzung und Koordination der freien Träger und aller anderen familienpolitisch bedeutsamen Akteure. Um alle auf kommunaler Ebene vorhandenen Potenziale erschließen zu können, müssen sich die Kommunen als Moderatoren kommunaler Familienförderung verstehen: „Kommunen müssen als Moderatoren darauf hinwirken, dass Formen für eine regelmäßige Zusammenarbeit aller für die örtliche Familienpolitik bedeutsamen Akteure aufgebaut werden. Nur durch ein koordiniertes und kontinuierliches Zusammenwirken kann Familienpolitik auf örtlicher und regionaler Ebene eine eigenständige strukturpolitische Gestalt gewinnen und Wirksamkeit entfalten. Dazu müssen insbesondere auch die familienpolitisch wirksamen Akteure und Träger außerhalb von Kommunalpolitik und Verwaltung eingeladen werden...“ (BMFSFJ 1995: 303). Um ihre „Aufgabe als Impulsgeber und Moderator bei der Koordination und Vernetzung aller örtlichen und regional wirksamen familienfördernden Maßnahmen und Angebote“ (IES 1997: 4) erfüllen zu können, muss es der Kommune nicht nur gelingen „Menschen mit Einfluss auf die Lebensbedingungen der Familien zusammenzuführen und zu partnerschaftlich koordinierten Handeln zu motivieren“ (IES 1997: 1), sondern darüber hinaus auch eigene Zuständigkeiten zu bündeln. Familienpolitik ist eine Querschnittsaufgabe, die - um Wirksamkeit entfalten zu können - zentral koordiniert werden muss. Zu einer wirksamen örtlichen Familienpolitik gehört aber auch, dafür zu sorgen, dass Familie und ihre Leistungen in der Öffentlichkeit, in der Politik und in der Wirtschaft auch symbolisch ein größerer Stellenwert zukommt. Die Präsenz der Familien in allen gesellschaftlichen Bereichen kann durch eine breite öffentliche Diskussion verbessert werden, um strukturellen Rücksichtslosigkeiten entgegenzuwirken.