Daten
Kommune
Erftstadt
Größe
149 kB
Datum
19.06.2013
Erstellt
06.02.13, 16:00
Aktualisiert
23.02.13, 06:12
Stichworte
Inhalt der Datei
STADT ERFTSTADT
öffentlich
Der Bürgermeister
V 57/2013
Az.: -65.0-
Amt: - 65 BeschlAusf.: - -65-/-20- Datum: 28.01.2013
gez. Böcking
Amtsleiter
gez. Heil
RPA
- 20 -
gez. Erner, 1.
Beigeordneter
BM / Dezernent
Beratungsfolge
Betriebsausschuss Straßen
Termin
19.02.2013
vorberatend
Finanz- und Personalausschuss
05.03.2013
vorberatend
Rat
12.03.2013
beschließend
Betriebsausschuss Straßen
19.06.2013
beschließend
Betrifft:
05.02.2013
Datum Freigabe -100-
Bemerkungen
Darstellung der Möglichkeit zur Refinanzierung auch der Kehrkosten der
Straßenreinigung aus Grundsteuermitteln - Systemfrage und Systementscheidung
Finanzielle Auswirkungen:
keine
Unterschrift des Budgetverantwortlichen
Erftstadt, den
Beschlussentwurf:
Der Rat der Stadt Erftstadt diskutiert und berät über die in dieser Vorlage dargestellten
Möglichkeiten zur Finanzierung der Straßenreinigung (Kehrdienst) und trifft unter Abwägung der
jeweiligen Vor- und Nachteile beider Alternativen eine ab dem 01.01.2014 wirkende,
abschließende Systementscheidung, wie die Straßenreinigung zukünftig finanziert werden soll. Im
Nachtrag und in Ergänzung zur in der V 420/2012 enthaltenen Begründung soll die
Alternativmöglichkeit der Steuerfinanzierung in dieser Vorlage umfassend und im Vergleich zur
Gebührenvariante dargestellt werden.
Begründung:
§ 3 StrReinG NRW in seiner aktuell gültigen Fassung bringt zum Ausdruck, dass eine
Finanzierung der Straßenreinigung nicht zwingend mittels Gebühren zu erfolgen hat.
Daneben ist in der vorliegenden Rechtsprechung längst hinreichend geklärt, dass Kommunen sich
zur Kompensation von Einnahmeausfällen aus dem Wegfall der Straßenreinigungsgebühr
grundsätzlich der Erhöhung der Grundsteuer bedienen können
(vgl. OVG NRW, Beschlüsse v. 17.07.2003 – 9 A 3207/02-, v. 05.11.2009 – 14 A 2816/07 -, und v.
26.11.2009 – 14 A 131/08-, VG Arnsberg, Urteil v. 25.04.2003 – 3 K 2121/02 -, VG Münster, Urteil
v. 28.08.07 – 9 K 1205/06, VG Gelsenkirchen, Urteil v. 03.12.2007 – 5 K 3097/06 – und v.
11.10.2012 – 5 K 1035/12 -).
Die Grundsätze des kommunalen Abgabenrechts stehen insofern einer grundsteuerlichen
Finanzierung der Kosten für die Straßenreinigung nicht entgegen. Daneben gewährt das
bundesrechtliche Hebesatzrecht der Gemeinden für die Grundsteuer dem Landesgesetzgeber
keine Kompetenz, die Bemessung der Hebesätze an die Ausschöpfung des Gebührenrahmens für
besondere Leistungen der Gemeinde zu binden (vgl. neben den zuvor bereits angeführten Urteilen
auch BVerwG, Urteil v. 11.06.1993 – 8 C 32.90 -).
Ausdrücklich steht es nach dem Willen des Gesetzgebers im Ermessen des Ortsgesetzgebers,
nach den rechtlich zulässigen, denkbaren und sachlich vertretbaren Alternativen die ihm sinnvoll
erscheinende und politisch vertretbare Alternative hinsichtlich Finanzierung, Umfang und
Häufigkeit der Straßenreinigung zu beschließen.
Vielfältig ist somit – gerade auch in jüngster Zeit – feststellbar, dass in den Kommunen eine
breitflächige Diskussion darüber geführt wurde und wird, ob die Straßenreinigungskosten und/oder
Winterdienstkosten zweckmäßiger über Gebühren oder Steuern finanziert werden sollen.
Zahlreiche Kommunen befinden sich in Grundsatzüberlegungen im Hinblick auf einen etwaigen
Systemwechsel in der Finanzierung der Kosten der Straßenreinigung.
Zahlreiche Kommunen haben dabei auch bereits einen grundsätzlichen, konsequenten
Systemwechsel in der Finanzierungsfrage für Kehrdienst und Winterdienst weg von der Gebühr,
hin zur Steuer, vollzogen (z.B. Borken, Iserlohn, Rösrath u.a.). Andere, wie auch Erftstadt, haben
– unabhängig von der für beide Dienstleistungen insoweit selben Rechtsgrundlage des § 3
StrReinG – bislang nur für den Winterdienst einen Systemwechsel hin zur Steuer bewirkt (z.B.
Köln).
Aufgrund der vielerorts anhaltenden, grundsätzlichen Diskussionen zur Systemfrage und des
tendenziell feststellbaren Allgemeintrends hin zur Steuerfinanzierung hatte die Verwaltung in der
Begründung der Ursprungsvorlage V 420/2012 bereits angeregt, dass neben der inzwischen
bereits beschlossenen Winterdienstfinanzierung aus Steuermitteln auch eine gleich geartete
Finanzierung der Straßenreinigung aus Grundsteuermitteln im politischen Diskussions- und
Entscheidungsprozess zumindest in Erwägung gezogen werden sollte. Die Argumentationen und
Diskussionen in den Kommunen zeigen, dass die finanzielle und organisatorische
Systementscheidung, wie auch die Leistungsfähigkeit einer Gemeinde bei der Straßenreinigung
nicht an objektiven und allgemein gültigen Kriterien fest gemacht werden kann, sondern dass sie
für jede Gemeinde anders und individuell zu bewerten ist.
Im Zuge der noch anhängigen politischen Beratung über eine etwaige Erhöhung der
Straßenreinigungsgebühr sowie über Organisation, Umfang und Häufigkeit der Straßenreinigung,
sollen aus Sicht der Verwaltung daher nochmals der Vollständigkeit halber die Vorzüge einer
generellen, vollumfänglichen Steuerfinanzierung der Straßenreinigung (Kehr- und Winterdienst) im
Vergleich zur bisherigen Gebührenkonstellation dargestellt, aufgezeigt und in die Diskussion
eingebracht werden:
Gegenüberstellung der Vor- u. Nachteile einer Grundsteuerfinanzierung im Vergleich zur
Gebührenfinanzierung
Vorteile:
-
größere Spielräume hinsichtlich der bedarfsorientierten Reinigung
Eine bedarfsorientierte Reinigung von schwerer verschmutzten Straßen zu Lasten
geringer verschmutzter Straßen ist schwer umsetzbar, da an allen
gebührenveranlagten Straßen die entsprechende Gegenleistung der Kehrmaschine
erwartet wird und aus dem Wesen der Gebühr auch rechtlich ein „Anspruch auf
Gegenleistung“ resultiert.
Hingegen ist rechtlich unumstritten, dass Steuern – und damit auch die
Grundsteuer – keine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen, so dass
-2-
sich ein der Gebührenerhebung vergleichbarer „Anspruch“ rechtlich nicht herleiten
lässt.
-
Solidaritätsprinzip
Dem Grunde nach ist die Straßenreinigung in ihrer Gänze ein Bestandteil der
kommunalen Daseinsfürsorge. Das städtische Straßen- und Wegenetz, d.h. die
gemeindliche Verkehrsinfrastruktur wird von allen Bürgern benutzt. Auch Bürger, in
deren Straßen nicht gekehrt oder geräumt wird, sind letztlich auf die Benutzung von
verkehrswichtigen Straßen angewiesen (Sicherung des Kernstraßennetzes).
Unabhängig von Gebührenfreiheit oder Gebührenpflicht profitiert somit letztlich die
Allgemeinheit von der städtischen Straßenreinigung.
breitere Lastenverteilung, damit im Durchschnitt geringere Auswirkungen
für den Einzelnen. Derzeit ca. 12.000 Gebührenzahler für Straßenreinigung, bei
einer Finanzierung z.B. über die Grundsteuer B knapp ca. 20.000
Grundsteuerzahler. Die durchschnittliche Belastung i.H.v. z.Zt. knapp 20,00 Euro
für den einzelnen Gebührenzahler würde – ohne Streckenverkürzung –
beispielsweise in eine durchschnittliche Belastung pro Grundsteuer B-Zahler i.H.v.
ca. 12,00 Euro wechseln können.
-
Wegfall von Gerechtigkeits- und Rechtsdiskussionen über Veranlagungsfragen, wie
„Erschließungsvorteil“,
Verteilungsmaßstäben,
Hinterliegerproblematik,
Eckgrundstücksregelungen, Gebührendoppelbelastungen etc.
Mehrfrontengrundstücke werden bei Gebührenerhebung u.U. überproportional
herangezogen, obwohl sie die Straßen nicht stärker belasten als andere
Grundstücke. Der Frontmetermaßstab kann letztlich den Umfang der
Straßennutzung von einem Grundstück aus nicht immer sachgerecht bestimmen.
Viele Grundstücke werden wegen ihrer Lage gebührenrechtlich nicht
veranlagt, andere hingegen werden gebührenrechtlich doppelt herangezogen.
Aus allgemeinen Erfahrungswerten lässt sich schließen, dass die öffentlichen
Gerechtigkeits- und Rechtsdiskussionen in hohem Maße auch durch eine separate
Ausweisung der Straßenreinigungsgebühr auf dem Heranziehungsbescheid
ausgelöst werden. Die Ausweisung von Frontmetern in Bescheiden vermittelt dem
Bürger häufig den Eindruck, dass er hierfür bezahle und nicht anteilmäßig für die
Reinigung der gesamten Straße. Bei fehlender Gebührenveranlagung wird der
Bürger nicht explizit auf den Sachverhalt hingewiesen und erinnert, so dass der
Diskussionsbedarf langfristig vermutlich sinken würde.
-
größere Rechtssicherheit und weniger Bearbeitungsaufwand bei Klagen
die
verwaltungsgerichtliche
Überprüfung
von
Klagefällen
erfolgt
bei
Gebührenerhebung in den Einzelfällen und ist im Verhältnis zur gerichtlichen
Überprüfung von gemeindlichen Hebesatzfestsetzungen wesentlich vielfältiger,
tiefgreifender und an strengere Maßstäbe gebunden. Für die Rechtmäßigkeit der
Steuererhebung kommt es – anders als bei der Rechtmäßigkeit von Gebühren mit
dem dort geltenden Äquivalenzgrundsatz – nicht auf eine für den Steuerpflichtigen
unmittelbar vor der Haustür erbrachte, centgenau zu bemessende und zu
begründende
Gegenleistung
an.
Während
die
Gemeinde
bei
der
Gebührenkalkulation eng in rechtliche Gebührenmaßstäbe eingegrenzt ist und
diese bei verwaltungsgerichtlicher Überprüfung ggf. vollumfänglich im Detail zu
prüfen sind, haben die Kommunen bei der Festsetzung der Hebesätze wegen der
verfassungsrechtlich garantierten Steuerhoheit einen weiten Ermessensspielraum,
-3-
der seine Grenzen erst in evident willkürlichen Ermessenskriterien findet (vgl. VG
Münster, Urteil v. 28.08.2007 – 9 K 1205/06 -).
-
weniger Verwaltungsaufwand
Sach- u. Personalaufwand sind bei den sich aus der Gebührenerhebung
ergebenden Notwendigkeiten, insbesondere der Gebührenbedarfs- und
Nachberechnung (Gebührenkalkulation), der Datenerfassung, der Veranlagung, der
Datenpflege und der kommunikativen, wie prozessualen Nachbearbeitung
wesentlich umfangreicher. Hier werden deutliche Einsparpotenziale gesehen.
Soweit sich hieraus Einsparungen ergeben, deren genaue Höhe sich erst
nach Durchführung eines etwaigen Systemwechsels feststellen lassen,
könnte dies kurz- bis mittelfristig zu einer Entlastung der Bürger führen, weil
ein hoher Verwaltungsaufwand bei der Gebührenlösung letztlich über die
Gebühren umzulegen ist.
-
Vermeidung von Gebührensprüngen und Gleichbehandlung mit der WinterdienstFinanzierung. Der Hebesatz der Grundsteuer könnte auf Kontinuität ausgelegt werden. Im
Gegensatz zur Gebührenvariante wären „Überdeckungen“ nicht zwangsläufig
auszugleichen, so dass etwaige Überdeckungen im Ergebnis dem städtischen Haushalt zu
Gute kommen könnten.
Nachteile:
-
Im Umkehrschluss zum als Vorteil dargestellten Solidaritätsprinzip kann als Nachteil
ausgelegt werden, dass bei einer Steuerfinanzierung letztlich alle Anwohner an der
Finanzierung der städtischen Dienstleistung beteiligt werden, obwohl viele Anlieger bei
satzungsrechtlicher Übertragung von Reinigungspflichten auch selbst kehren und reinigen
müssen. Für diesen Personenkreis entstehen somit Kosten trotz Anliegerreinigung.
Solidaritätsprinzip und „Verursachergerechtigkeit“ widersprechen sich insoweit.
-
Die Grundsteuerkriterien können in Einzelfällen u.U. dazu führen, dass zwei
nebeneinander stehende Häuser, die die gleiche Länge an Frontmeter haben, aber wegen
ihres jeweiligen Wertes unterschiedlich besteuert werden, für den gleichen Dienst zu
verschieden hohe Leistungen herangezogen werden.
-
Steuerfinanzierung könnte in der Öffentlichkeit einen höheren Anspruch an Umfang
und Qualität der städtischen Straßenreinigung „suggerieren“, obwohl es sich lediglich um
einen Systemwechsel in der Finanzierung handelt.
-
Da die Grundsteuer nicht zweckgebunden und die Mittel in Zeiten den Nothaushalts
generell knapp sind, könnte es unter diesem Druck zu dem Wusch nach mehr Übertragung
von Leistungen auf den Bürger kommen.
Letztlich bieten beide Systemvarianten Vor- und Nachteile, die vielerorts Grundsatzdiskussionen
ausgelöst haben und sehr kontrovers diskutiert und bewertet werden. Letztlich sind hier auch die
ortsspezifischen Besonderheiten und Unterschiedlichkeiten – abhängig vom jeweiligen
Straßennetz und anderen Faktoren – in die Grundsatzbewertung und Systementscheidung mit
einzubeziehen. Auch das Verhältnis von Hauptverkehrsstraßen und Anliegerstraßen ist
gesamtstädtisch, wie auch u.U. Stadtteil bezogen mit in die Überlegungen einzubeziehen.
Angesichts der aktuell vielerorts anhängigen Überlegungen und Diskussionen erscheint es der
Verwaltung aber sachgerecht, dem Rat der Stadt Erftstadt die Vor- und Nachteile beider Systemund Finanzierungsvarianten nochmals ausführlich darzustellen und letztlich den Ortsgesetzgeber
abschließend über dieses Politikum der Systemfrage entscheiden zu lassen.
-4-
Aus Sicht des Eigenbetriebes Straßen hingegen wird die Refinanzierung auch der städtischen
Kehrleistung über eine Zulage zur Grundsteuer im Ergebnis als effektivere Form zur
Refinanzierung gesehen, weil finanzielle und fachliche Vorteile überwiegen.
Im Falle einer Grundsteuerfinanzierung z.B. über die Grundsteuer B würde dies voraussichtlich
eine Hebesatz-Erhöhung von 16 %- Prozentpunkten unter Beibehalt des bisherigen Strecken- und
Reinigungsnetzes bedingen. Bei einer Streckennetzverkürzung könnte – in Abhängigkeit vom
zukünftigen Streckennetz – eine Hebesatzerhöhung der Grundsteuer B zwischen 5% und 10%Prozentpunkten auskömmlich sein und in Frage kommen.
Die Anhebung des Hebesatzes der Grundsteuer B um 1%-Punkt bedeutet im Ergebnis eine
städtische Mehreinnahme in Höhe von 15.000,- Euro (vgl. V 487/2012).
In Vertretung
(Erner)
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