Daten
Kommune
Erftstadt
Größe
202 kB
Datum
11.12.2012
Erstellt
30.11.12, 06:05
Aktualisiert
30.11.12, 06:05
Stichworte
Inhalt der Datei
.
Stadtverwaltung Postfach 2565 50359 Erftstadt
Stadtverwaltung Holzdamm 10 50374 Erftstadt
Herrn StV
Bernd Bohlen
Lambertusstraße 69
50374 Erftstadt
.
nachrichtlich
allen Stadtverordneten
Dienststelle
Telefax 02235/409-505
Ansprechpartner/-in
Telefon-Durchwahl
Volkshochschule
Holzdamm 10
Dr. Mittelstedt
0 22 35 / 409-274
Mein Zeichen
Ihr Zeichen
gez. Dr. Mittelstedt
16.11.2012
Amtsleiter
Datum Freigabe -100-
Ihre Anfrage vom 18.10.2012
Rat
Betrifft:
Datum
15.10.2012
BM / Dezernent
F 426/2012
11.12.2012
Anfrage bzgl. Einschätzung zur Studie Leo zur Grundbildung
Die genannte Studie aus dem Jahr 2011, die in der Tat die erschreckend weit reichende
Dimension des Analphabetismus belegt, zeigt einen hohen Handlungsbedarf auf. Für
Migranten, die nicht nur die deutsche Sprache erlernen müssen, sondern darüber hinaus
alphabetisiert werden müssen, gibt es spezielle Integrationskurse. Die VHS führt diese
Kurse seit 2010 durch, in 2012 im Umfang von 800 Unterrichtsstunden. Die Studie zeigt
aber, dass der Analphabetismus kein ausschließliches Migrantenproblem ist. Von den 7,5
Millionen, die nicht richtig lesen und schreiben können, sind 4,4 Millionen Deutsche. Für
diese große Gruppe der funktionalen Analphabeten muss ein Fördersystem aufgebaut
werden, das der Integrationskursverordnung vergleichbar ist. Bisher gibt es aber nur erste
Ansätze. Der Bund hat aufgrund der Studie eine Pressekampagne gestartet und das Land
versucht dem Problem mit der ESF-Förderrichtlinie „Grundbildung“ zu begegnen. Die VHS
Erftstadt hat diese ersten Ansätze aufgegriffen und für 2013 einen Lehrgang konzipiert
und ESF-Mittel dafür beantragt. Für die Teilnehmergewinnung haben die Arge und das
Amt für Jugend, Familie und Soziales ihre Unterstützung zugesagt. Vor dem Hintergrund
dieser aktuellen Entwicklungen ist zu den vier Fragen Folgendes zu ergänzen:
Zu 1) Der nahe liegenden Auffassung, dass die funktionalen Analphabeten bei
Behördengängen und im Schriftwechsel mit der Stadtverwaltung auffällig werden
müssten, steht entgegen, dass die Betroffenen in ihrem Leben oft erstaunliche Mittel und
Wege gefunden haben, ihre Unfähigkeiten zu kaschieren. Etwa die Hälfte der funktionalen
Analphabeten ist erwerbstätig, oft sind es Familienmitglieder, Freunde und Nachbarn, die
den Betroffenen helfen. Weil das Leben auch ohne Lese- und Schreibkompetenzen mehr
schlecht als recht, aber irgendwie funktioniert und die Hemmschwelle, dies zuzugeben
und sich dem Problem zu stellen, riesengroß ist, finden Betroffene bisher nur vereinzelt
den Weg in die VHS.
Zu 2) In der VHS hat es seit den 80er Jahren ein Kursangebot für deutschsprachige
Analphabeten gegeben, dass allerdings von immer weniger Personen nachgefragt wurde.
Auch eine gemeinsame Aktion mit der Arge blieb erfolglos, sodass das Angebot 2008
eingestellt wurde. Auch online-Lernangebote über die Plattform ich-will-lernen.de fanden
keinen Zulauf. Das Beratungsangebot, das über den Bundesverband für Alphabetisierung
e.V. veröffentlicht wird, das so genannte „Alpha-Telefon“, hat die VHS kontinuierlich
vorgehalten. Das darüber zustande kommende Gespräch mit Multiplikatoren,
Familienangehörigen, Freunden, Arbeitskollegen oder den Betroffenen selbst ist ein erster
Schritt. In der Regel folgt dem eine intensive Beratung. Die Gründe, warum jemand nicht
lesen und schreiben kann, sind vielschichtig, das Kompetenzniveau muss differenziert
erhoben werden und in der Einzelfallberatung werden machbare Wege aufgezeigt, das
Problem anzugehen.
Zu 3) Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind für das Problem sensibilisiert, ganz
besonders die im sozialen Bereich tätigen Kolleginnen und Kollegen vermitteln Betroffene
zur VHS, wo die Beratung erfolgt. Die beratende Mitarbeiterin in der VHS ist geschult, sie
kennt die aktuellen Alphabetisierungsprogramme und sie verfolgt, ob es neue Strukturen
zum Abbau des funktionalen Analphabetismus gibt.
Zu 4) Die Migranten kommen in die Sprachkurse, weil sie von der Ausländerbehörde
einen Berechtigungsschein zum Besuch einer Integrationskurses mit Alphabetisierung
erhalten, vom Jobcenter dazu verpflichtet werden und Sprachkenntnisse Voraussetzung
für die Einbürgerung sind. Vergleichbare Strukturen gibt es für Analphabeten mit Deutsch
als Muttersprache nicht. Insofern kann man bisher nur darauf setzen, dass die aktuelle
Medienkampagne des Bundes Wirkung zeigt und alle Stellen vor Ort, die mit Betroffenen
arbeiten, diese zum Kursbesuch motivieren. Die entsprechenden Kurse müssen kostenlos
sein, kostenlose Kurse kann die VHS mittlerweile aber nur noch anbieten, wenn die Kurse
statt durch Teilnehmergebühren durch Projektmittel gegenfinanziert sind. Eigentlich
müsste es ein fortwährendes Angebot auch für eine kleine Lerngruppe geben, was mit
einer ESF-Förderung nicht vereinbar ist. Verlangt wird hier, dass mindestens 10 Personen
an einem Lehrgang teilnehmen.
(Dr. Rips)
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