Daten
Kommune
Nettersheim
Größe
160 kB
Datum
26.09.2017
Erstellt
08.09.17, 09:00
Aktualisiert
08.09.17, 09:00
Stichworte
Inhalt der Datei
GEMEINDE NETTERSHEIM
DER BÜRGERMEISTER
FB IV - Di
Vorlage 771 /X.L.
Datum: 07.09.2017
An den
Entwicklungs-, Planungs-, Bau- und Umweltausschuss
Sitzungstag:
12.09.2017
Haupt- und Finanzausschuss
Sitzungstag:
19.09.2017
Gemeinderat
Sitzungstag:
26.09.2017
zur Beratung in öffentlicher Sitzung
Bezeichnung des Tagesordnungspunktes:
Archäologischer Landschaftspark
hier: Grabungsergebnisse
Die Vorlage berührt nicht den Etat des lfd. Haushaltsjahres.
Die Vorlage berührt den Etat auf der Ertrags- und/oder Einzahlungsseite.
Die Vorlage berührt den Etat auf der Aufwands- und /oder Auszahlungsseite
Mittel stehen haushaltsrechtlich zur Verfügung.
Mittel sollen über-/außerplanmäßig bereitgestellt werden
Deckungsvorschlag:
Es entstehen Folgekosten – siehe anliegende Folgekostenberechnung.
Anlagen:
Ja
Nein
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Beschlussvorschlag:
Der Rat nimmt die Ergebnisse der diesjährigen Ausgrabungen im Archäologischen
Landschaftspark Nettersheim zustimmend zur Kenntniss und beschließt, die archäologische Feldforschung, die wissenschaftliche Aufarbeitung der Grabungsergebnisse und die touristische Inwertsetzung der neuen Erkenntnisse zukünftig
weiter zu verfolgen. Zudem soll ein Alternativprogramm zum Grabungscamp für
2018 entwickelt werden, um den langjährigen Stammkunden weiterhin ein attraktives Erlebnis zum Thema Archäologie zu bieten und sie zu binden.
Begründung:
Ziele und archäologische Fragestellungen 2017:
Für das kommende Jahr plant Prof. Dr. Salvatore Ortisi eine wissenschaftliche
Aufarbeitung der in den Grabungskampagnen 2009 bis 2017 erhobenen Daten
und Erkenntnisse. Die diesjährige Grabungskampagne im Archäologischen Landschaftspark hatte zum Ziel, vorbereitend die noch offene Fragen zur Erlangung
eines Gesamtbildes der Struktur und Chronologie der römischen Siedlung im Archäologischen Landschaftspark Nettersheim zu erforschen.
Das Grabungscamp:
Wie in den vergangenen Jahren hatten während dieser Kampagne interessierte
Laien die Möglichkeit, für 3 Tage an den Ausgrabungen teilzunehmen. Das Angebot erfreute sich großer Nachfrage, insgesamt nahmen 37 Hobbyarchäologen am
Grabungscamp teil. Einige der Teilnehmer arbeiten nun schon seit 2010 regelmäßig an den Ausgrabungen im Rahmen des Grabungscamps mit und unterstützen
das Team der Archäologen. Im Team um Prof. Dr. Ortisi arbeiteten Studierende
der Universität München, Kölner Archäologen aus dem bewähren Grabungsteam
der letzten Jahre und Teilnehmer des Grabungscamps zwischen dem 31. Juli und
dem 25. August 2017 Hand in Hand. Da im kommenden Jahr voraussichtlich keine Ausgrabung und kein Grabungscamp stattfinden wird, soll ein Angebot für ein
Alternativprogramm für unsere Grabungscamp-Teilnehmer entwickelt werden.
Die Ausgrabungsflächen, Ergebnisse:
Im Bereich der Alten Gasse wurde die 2016 bereits geöffnete Fläche hinter dem
„Handwerkerhaus“ weiter abgetieft. Her konnten 2016 an der hangaufwärts führenden Nebenstraße neben einem Wasserkanal auch handwerkliche Einrichtungen dokumentiert werden. Das Ziel war es 2017, die zwei im Planum bereits er-
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kennbaren Schmelzöfen unmittelbar hinter der Westwand des Hauses zu datieren. Eine zentrale Frage war, ob sie in oder unter dem flächigen Zerstörungshorizont des späteren 3. Jhs. liegen. Dies konnte bestätigt und die Öfen in ihrer Größe und Anordnung dokumentiert werden.
Eine bereits 2015 begonnene Tiefensondage, die das (relativ- )chronologische
Verhältnis von „Handwerkerhaus“ Kies- bzw. Straßendamm und dem südlich anschließendem Schwellbalkenbau klären sollte, konnte aufgrund der Witterung
auch 2016 nicht abgeschlossen werden. In diesem Jahr konnte die Sondage bis
in die Schichten, die stratigraphisch unterhalb der Oberfläche des Handwerkerhauses liegen, abgetieft und die Stratigraphie bis in die Frühphase des vicus aufgenommen werden. In der Tiefensondage angetroffen wurde der Straßendamm
der Agrippastraße, der in diesem Bereich in der Phase vor der Errichtung des
Handwerkerhauses ca. 1 Meter breiter gewesen ist und auf das Grundstück des
späteren Baus reichte. Die Straße überquerte in diesem Bereich eine geologische
Erosionsrinne, der Boden ist daher an dieser Stelle besonders feucht. Die Ausgrabung konnte zeigen, dass der Unterbau der Straße aus diesem Grund mit einem Pfahlrost befestigt und am Rand mit Spalthölzern abgestützt worden war.
Aufgrund der sehr guten Erhaltung im Feuchtboden konnten die Spalthölzer am
Stück geborgen werden und wurden in das Labor für Dendrochronologie an die
Universität zu Köln gebracht. Es ist zu erwarten, dass der Zustand und die Größe
der Hölzer ausreichen, um eine Altersbestimmung vorzunehmen. Diese würde ein
genaues Datum zum frühesten Ausbau der Agrippastraße und der Frühphase des
vicus liefern. Mit einem Ergebnis der Untersuchung ist Ende September zu rechnen.
Am Steinrütsch wurden 2013 begleitend zur Einrichtung des Archäologischen
Landschaftsparks mehrere schmale Suchschnitte im Bereich der Kastellumwehrung angelegt. Besonders aussagekräftig war die Sondage Stelle 680, in der neben mehreren mittelkaiserzeitlichen und spätantiken Mauerzügen auch zwei Planierschichten angeschnitten wurden. Die letzte Geländeaufhöhung besteht aus
kleinteiligen Eisenschlacken, die aus den das Kleinkastell umgebenden Rennöfen
stammen dürfte. Diese Schlackeschicht wird der Grund dafür sein, dass in der
Geophysik keine Strukturen der Innenbebauung erkennbar sind. Um die 2013
angegrabenen spätantiken Strukturen in einen Kontext stellen zu können, wurde
die Sondage 2017 flächig erweitert und erbrachte den Grundriss eines Gebäudes,
dessen Mauer im Unterschied zu
allen anderen bisher ausgegrabenen Bauten
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gemörtelt gewesen ist. Das Gebäude und die letzte Oberfläche innerhalb des
Kleinkastells wurden auf seiner östlichen Seite stark von einer neuzeitlichen Grube gestört. Aussagen zur Datierung und Funktion dieses auffälligen Baus können
erst nach Abschluss der Auswertungen des Fundmaterials getroffen werden.
Für die wissenschaftliche Aufarbeitung und die touristische Inwertsetzung der
aktuellen Forschungsergebnisse, z.B. in Form eines populärwissenschaftlichen
Pocketguides und/oder einer Museumsapp, soll sich auch zukünftig um geeignete
Fördermittel bemüht werden. Zudem soll in Absprache mit Prof. Dr. Ortisi ein
Projekt zur Fortsetzung der Grabungstätigkeiten im Archäologischen Landschaftspark geplant und vorbereitet werden.
gez. Pracht
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Bürgermeister