Daten
Kommune
Nettersheim
Größe
204 kB
Datum
04.07.2017
Erstellt
12.06.17, 15:00
Aktualisiert
12.06.17, 15:00
Stichworte
Inhalt der Datei
GEMEINDE NETTERSHEIM
DER BÜRGERMEISTER
FB II - Gl.
Vorlage 708 /X.L.
Datum: 12.06.2017
An den
Betriebsausschuss
Sitzungstag:
20.06.2017
Haupt- und Finanzausschuss
Sitzungstag:
27.06.2017
Gemeinderat
Sitzungstag:
04.07.2017
zur Beratung in öffentlicher Sitzung
Bezeichnung des Tagesordnungspunktes:
Gebührenkalkulation Eigenbetriebe
Die Vorlage berührt nicht den Etat des lfd. Haushaltsjahres.
Die Vorlage berührt den Etat auf der Ertrags- und/oder Einzahlungsseite.
Die Vorlage berührt den Etat auf der Aufwands- und /oder Auszahlungsseite
Mittel stehen haushaltsrechtlich zur Verfügung.
Mittel sollen über-/außerplanmäßig bereitgestellt werden
Deckungsvorschlag:
Es entstehen Folgekosten – siehe anliegende Folgekostenberechnung.
Anlagen:
Ja
Nein
2
Beschlussvorschlag:
Der Rat der Gemeinde Nettersheim beschließt, in den künftigen Gebührenkalkulationen der drei Eigenbetriebe der Gemeinde Nettersheim entsprechend der Eigenbetriebsverordnung NRW und des Kommunalabgabengesetzes NRW eine angemessene Eigenkapitalverzinsung zu berücksichtigen, wobei der konkrete fiktive
Zinssatz im Rahmen der jeweiligen Gebührenkalkulationen pro Wirtschaftsjahr zu
beschließen sein wird.
Begründung:
Im Rahmen der aktuellen Jahresabschlussprüfungen der drei Eigenbetriebe wurde mit der beauftragten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft nochmals eingehend die
Vermögenssituation und hier insbesondere die Eigenkapitalsituation der Eigenbetriebe beleuchtet. Alle drei Eigenbetriebe haben in Vorjahren regelmäßig Jahresverluste gehabt, die überwiegend mit von der Planung und den Erfahrungswerten
der Vorjahre abweichenden Verbrauchsmengen zusammenhingen.
Hierdurch wurden Jahresverluste auf neue Rechnung vorgetragen und die nicht
getilgten Verluste nach Ablauf von fünf Jahren nach § 10 Absatz 6 Eigenbetriebsverordnung NRW durch Abbuchung von den Rücklagen ausgeglichen.
Ein bereits seit mehreren Jahren bestehender hoher Bedarf an Liquiditätskrediten, die aktuell beim Eigenbetrieb Abwasser bei 1,4 Mio. €, beim Gemeindewasserwerk bei 1,9 Mio. € und beim Eigenbetrieb Biowärme Nettersheim bei 900 T€
liegen und in absehbarer Zeit nicht getilgt werden können, zeigt die prekäre Liquiditätslage der Eigenbetriebe der Gemeinde auf, die u. a. auch den ungedeckten Jahresverlusten in Vorjahren geschuldet ist.
§ 10 Absatz 5 der Eigenbetriebsverordnung NRW legt fest, dass der Jahresgewinn
des Eigenbetriebes so hoch sein soll, dass neben angemessenen Rücklagen nach
Absatz 3 mindestens eine marktübliche Verzinsung des Eigenkapitals erwirtschaftet wird.
Nach § 6 Absatz 2 Ziffer 1 KAG NRW sollen Benutzungsgebühren so bemessen
werden, dass sie die erforderlichen Kosten der laufenden Verwaltung und Unterhaltung der öffentlichen Einrichtung decken. Die Kosten sind nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen zu ermitteln. Zu den erforderlichen Kosten gehören
auch
1.
die Verzinsung des aufgewandten Kapitals und die Abschreibung, die nach
der mutmaßlichen Nutzungsdauer oder Leistungsmenge gleichmäßig zu
bemessen ist; der aus Beiträgen, Zuschüssen und Zuweisungen aufge
brachte Kapitalanteil bleibt bei der Verzinsung unberücksichtigt,…
Eine entsprechende angemessene Verzinsung des für die Leistungserstellung
aufgewandten Kapitals gehört damit ebenfalls zu den Kosten im betriebswirtschaftlichen Sinne, die in die Gebührenkalkulation einfließen.
Unter dem aufgewandten Kapital ist das im jeweiligen Anlagevermögen gebundene Kapital zu verstehen. Ferner ist unter Kapital sowohl Fremd- als auch Eigenkapital zu verstehen.
3
Der Ansatz der Fremdkapitalzinsen als Kostenbestandteil rechtfertigt sich daraus,
dass diese von den Kommunen auf das aufgenommene Fremdkapital zu zahlen
sind. Somit liegt bei den Zinsen für aufgenommenes Fremdkapital der Aufwandscharakter auf der Hand. Die Eigenkapitalzinsen stellen dagegen fiktive Kosten
dar, weil Zinszahlungen tatsächlich nicht anfallen. Der Eigenkapitalzins rechtfertigt sich daraus, dass der Kommune ein Zinsgewinn entgeht und damit ein ansatzfähiger Aufwand entsteht, wenn sie das Geld in der eigenen Einrichtung einsetzt, anstatt es gegen Zinsen an Dritte auszuleihen.
Die Gemeinde Nettersheim hat bisher in ihren Gebührenkalkulationen der Eigenbetriebe keine Eigenkapitalverzinsung sondern nur die tatsächlich entstehenden
Fremdkapitalzinsen als tatsächliche Aufwandsposition berücksichtigt.
Dies vor dem Hintergrund, dass die Gebührenzahler in der Gemeinde
Nettersheim in den letzten Jahren im Rahmen von Erschließungsmaßnahmen wie
z. B. der Entwässerungsmaßnahme im Erftbereich neben den Verbrauchsgebühren mit Erschließungsbeiträgen belastet wurden.
Um die Gebührenzahler in dieser Zeit umfänglicher Erschließungsmaßnahmen
nicht über Maß mit fiktiven Kostenarten in den Gebührenkalkulationen zusätzlich
zu belasten, wurde bisher auf deren Berücksichtigung als zusätzliche Kostenart
verzichtet.
Zwischenzeitlich sind diese Erschließungsmaßnahmen – mit Ausnahme von neuen
Baugebieten – abgeschlossen, so dass eine solche Doppelbelastung nicht mehr
auftreten wird. Leider stellt sich jedoch die oben beschriebene Liquiditätslage der
Eigenbetriebe dahingehend als sehr bedenklich dar, dass bei einer Erholung des
Finanzmarktes und damit einhergehenden Zinssteigerungen durch die wachsenden Aufwendungen für Fremdkapitalzinsen ggf. explosiv steigende Kosten entstehen könnten, die über entsprechend stärkere Gebührenerhöhungen aufgefangen werden müssten.
Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft hat nunmehr aufgrund der eingangs beschriebenen Situation und auf der Grundlage der gesetzlichen Vorgaben des § 10
Absatz 5 Eigenbetriebsverordnung NRW und des § 6 Absatz 2 KAG die künftige
Berücksichtigung einer angemessenen Eigenkapitalverzinsung nahegelegt.
Die drei aktuellen Prüfberichte der Jahresabschlussprüfungen 2016 der drei Eigenbetriebe enthalten hierzu nachstehende Aussage der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (nachstehender Auszug aus dem PB EB Abwasser):
Wenngleich derzeit die laufenden Liquiditätskreditverträge keine Fremdkapitalzinsen verursachen, da die Zinskonditionen bei 0,0 % liegen, so würde bei einer
Verzinsung von z. B. 2 % für die aktuellen 4,2 Mio. € an Kassenkrediten für die
drei Eigenbetriebe Zinsaufwendungen von über 80 T€ jährlich entstehen.
4
Nach der ständigen Rechtsprechung für das Land NRW zählen zu den nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen Kosten i. S. d. § 6 Absatz 2
Satz 1 KAG NRW nach Satz 4 u. a. auch eine angemessene Verzinsung des aufgewandten Kapitals, wobei bei der Verzinsung der aus Beiträgen und Zuschüssen
Dritter aufgebrachte Eigenkapitalanteil außer Betracht bleibt. Als Kosten für die
Gebührenkalkulation dürfen deshalb mithin nicht nur die tatsächlich aufgelaufenen Zinsen des zur Finanzierung der Anlage aufgenommenen Fremdkapitals eingestellt werden, sondern auch die (fiktiven) Eigenkapitalzinsen. Grund für die Zulässigkeit des Ansatzes von Eigenkapitalzinsen als Kostenposition in der Gebührenbedarfsberechnung ist, dass der Benutzer einer kommunalen Einrichtung dem
allgemeinen Steuerzahler, der die Einrichtung ganz oder teilweise (durch die
Verwendung allgemeiner Haushalts- und damit Steuermittel) finanziert hat, dafür
einen Zins zu entrichten hat. Dies beruht letztlich auf dem Gedanken, dass das in
der Anlage gebundene (Eigen-)Kapital der Kommune nicht zur Erfüllung anderweitiger öffentlicher Aufgaben eingesetzt wird und daher an anderer Stelle keine
Zinserträge erwirtschaften bzw. Zinsleistungen für Fremdkapital ersparen kann.
Die Kapitalverzinsung kann auf verschiedene Weise vorgenommen werden. So
kann die Kapitalverzinsung mittels eines gespaltenen Zinssatzes für das Eigenkapital (kalkulatorisch) und für das Fremdkapital (effektiv) vorgenommen werden.
Zum anderen kann die Kapitalverzinsung aber auch mittels eines einheitlichen
(kalkulatorischen) Zinses für Eigen- und Fremdkapital durchgeführt werden. Die
Höhe der Verzinsung des aufgewandten Kapitals wird durch den Zinsfuß (Prozentbetrag, z. B. 6 %) oder Zinssatz (Dezimalbetrag, z. B. 0,06) pro Jahr bestimmt.
Da der kalkulatorischen Verzinsung die Funktion zukommt, einen Ausgleich für
die finanziellen Belastungen zu bieten, die die Gemeinden für die Aufbringung des
in der Anlage langfristig gebundenen Kapitals zu tragen haben, sind für die Höhe
des Zinssatzes maßgebend die langfristigen Durchschnittsverhältnisse am Kapitalmarkt. Der Zinssatz bestimmt sich somit nicht nach den in der jeweiligen Gebührenerhebungsperiode am Kapitalmarkt herrschenden Verhältnissen. Denn es
handelt sich um eine kalkulatorische Verzinsung des in der Anlage langfristig gebundenen Kapitals, das sich im gesamten Restbuchwert wiederspiegelt. Dieser
Wert erfasst Anlagegüter unterschiedlichsten Alters und Kapitalbindungen unterschiedlichster Dauer. Die Durchschnittsverhältnisse am Kapitalmarkt können
nach der Rechtsprechung des OVG NRW am langjährigen Durchschnitt der Emissionsrenditen für festverzinsliche Wertpapiere inländischer öffentlicher Emittenten
abgelesen werden.
Für das Veranlagungsjahr 2015 lag dieser Wert beispielsweise gemäß Urteil vom
11.12.2015 vom VG Aachen Az. 7 K 243/15 bei einem zulässigen Zinssatz von
6,68 %.
Es wird auf der Grundlage der obigen Ausführungen vorgeschlagen, mit den anstehenden Beratungen für die Wirtschaftspläne 2018 und den hierauf basierenden Gebührenkalkulationen eine angemessene Eigenkapitalverzinsung zu berücksichtigen, die möglicherweise bei einem Prozentsatz von rd. 2 % liegen könnten.
Zudem wird vorgeschlagen, für diese Kapitalverzinsung das Modell des gespaltenen Zinssatzes zu wählen, so dass nur für das nicht fremdfinanzierte Anlagevermögen eine kalkulatorische Verzinsung und für das tatsächlich fremdfinanzierte
5
Vermögen auch die effektiv zu zahlenden Fremdkapitalzinsen Berücksichtigung
finden.
gez. Pracht
____________________
Bürgermeister