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Mitteilungsvorlage (Anlage zur Mitteilungsvorlage 287-IX)

Daten

Kommune
Bad Münstereifel
Größe
2,2 MB
Datum
12.07.2010
Erstellt
08.07.10, 18:05
Aktualisiert
08.07.10, 18:05

Inhalt der Datei

DStGB DOKUMENTATION NO 97 Auslaufende Konzessionsverträge Ein Leitfaden für die kommunale Praxis Deutscher Städteund Gemeindebund Deutscher Städteund Gemeindebund www.dstgb.de Verlagsbeilage „Stadt und Gemeinde INTERAKTIV“ Ausgabe 6/2010 Diese Dokumentation des DStGB wurde in Zusammenarbeit mit der auf die kommunale Wirtschaft spezialisierten, interdisziplinären Kanzlei Becker Büttner Held (Berlin) sowie dem in der kompletten Wertschöpfungskette der Energie- und Wasserwirtschaft tätigen Beratungsunternehmen BET Büro für Energie­wirtschaft und technische Planung GmbH (Aachen) erstellt. Verfasser Rudolf Böck, Helmut Dedy, Mirjam Doerk, Für die Unterstützung bei der Erstellung der Oliver Eifertinger, Timm Fuchs, Dokumentation danken wir Herrn Tom Roscheck und Dr. Christof Niehörster, Dr. Wolf Templin, den Mitgliedsverbänden des DStGB sowie den Städten Dr. Christian Theobald, Dr. Wolfgang Zander und Gemeinden für ihre Bei­spielsberichte. Inhalt Vorwort 4 I. Einleitung 5 Materielle Entscheidungsparameter „innerhalb“ des Konzessionsvertrages 15 II. Das Konzessionierungsverfahren 6 - Wegenutzung und Konzessionsabgaben 15 Vorphase 6 - Zulässige und unzulässige Nebenleistungen 16 Interessenbekundungs- und Bekanntmachungsphase Folgepflicht und Folgekosten 6 - Bekanntmachung 6 - Rechtsfolgen bei Fehlern 17 7 IV. Die Wirtschaftlichkeit einer Netzübernahme und ihre Einflussfaktoren 18 - Interessenbekundung 7 Rahmenbedingungen 18 - Abgabe eines konkreten Angebots 7 Machbarkeitsstudie 18 - Auswahlphase 7 Netzentflechtung und Netzeinbindung 19 Netzkaufpreis 20 - Bekanntmachungspflichten nach Vertragsabschluss 8 8 V. Beispielberichte der Kommunen zum Thema Konzessionsvergabe 22 1. Konzessionsvergabe der Samtgemeinde Emlichheim an die Nordhorner Versorgungsbetriebe GmbH (nvB GmbH) 22 - Geschäftsmodelle einer Kommunalisierung – Risikozuordnung 10 2. Übernahme des Strom- und Gasnetzes in Landsberg am Lech 24 - Kommunalwerk ohne oder mit Gesellschafter-Partner 10 11 3. Verlängerung des Konzessionsvertrages in Nettersheim im Gasbereich/Pläne im Strombereich 25 4. Neukonzessionierung des bisherigen (Gemeinschaftsstadtwerke-)Partners am Beispiel der Stadt Ulm 25 5. Neukonzessionierung des bisherigen Partners am Beispiel Weeze 27 - Besonderheiten nach Landesrecht - Netzübernahmeverhandlungen und Netzübernahme 9 - Empfehlung für einen Konzessionierungs zeitplan 9 - Art und Form der Netzbewirtschaftung III. Materielle Entscheidungsparameter bei der Wahl des Vertragspartners 12 Materielle Entscheidungsparameter „außerhalb“ des Konzessionsvertrages 12 - Erhalt und Schaffung von Arbeitsplätzen 12 - Lokale Wertschöpfung 13 - Ausbau vorhandener Strukturen 13 - Genzen der Refinanzierung des Netzkaufs 13 - Teilhabe- und Gestaltungsmöglichkeiten bei der Rekommunalisierung 14 14 - Kooperationen 6/2010 Auslaufende Konzessionsverträge www.dstgb.de 3 Dr. Gerd Landsberg, Geschäftsführendes Präsidialmitglied des DStGB Vorwort Derzeit und in den kommenden Jahren laufen in vielen Städten und Gemeinden Konzessions­ verträge für Energieversorgungsnetze aus. Vor dem Hintergrund, dass die Konzessionsvergabe­ verträge in der Regel nur alle 20 Jahre abgeschlossen werden und sich seit den letzten Vertragsabschlüssen der energiewirtschaftliche Rahmen grundlegend geändert hat, besteht in vielen Städten und Gemeinden ein gesteigertes Informationsbedürfnis. Zu den wirtschaftlichen, finan­ziellen und kommunalpolitischen Fragestellungen in Zusammenhang mit der Konzessions­ vergabe will diese Dokumentation – nicht zuletzt durch Praxisbeispiele – einige Hinweise geben. Dabei verfolgen wir auch die Intention, den Städten und Gemeinden die verschiedenen Handlungs- und Verfahrensmöglichkeiten aufzuzeigen, die sich im Rahmen der Überlegungen für eine Neukonzessionierung bieten: von der Vergabe der Konzession an den bisherigen Netz­ betreiber bis hin zur Übernahme der Konzession in eigener Regie und der Gründung eines eigenen Stadtwerks. Eines ist dabei klar: Auf Grund der schwierigen Finanzlage vieler Kommunen kommt die Gründung eines eigenen Stadtwerkes nicht überall in Betracht. Konzessionsverträge bieten aller­dings stets die Chance, kommunalen Einfluss auf die Netzinfrastruktur und die Versorgung sicherzustellen. Ungeachtet dessen sind Konzessionsverträge ein wichtiges Mittel zur Gestaltung von Kommunalpolitik: Vom Erhalt und Ausbau von Arbeitsplätzen vor Ort bis hin zu lokalen Klimaschutzkonzepten. Nicht zuletzt ist für uns in diesem Zusammenhang die Zukunft der Energieversorgung im ländlichen Raum ein wichtiges Thema. Auch künftig muss Energie flächendeckend zu erschwinglichen Preisen erhältlich sein. Diesbezüglich werden wir die Bundesregierung in der laufenden Legislaturperiode an ihren Aussagen im Koalitionsvertrag messen: Dort wird ganz im Sinne des DStGB betont, dass die dezentrale Energieversorgung im ländlichen Raum weiter gefördert werden soll! Berlin, Mai 2010 Dr. Gerd Landsberg 4 www.dstgb.de Auslaufende Konzessionsverträge 6/2010 I. Einleitung Im Bereich der Strom- und Gasversorgung stehen die Energieversorgungsunternehmen Städte und Gemeinden vor einer grundlegenden Ent- E.on und RWE) bereits bestehende oder neu zu grün- scheidung, mit der sie die zukünftige Ausgestaltung des dende Stadtwerke (beziehungsweise Beteiligungsgesell- örtlichen Strom- und Gasnetzbetriebs für die nächsten schaften) sein. (EnBW, Vattenfall, 20 Jahre neu festlegen können: Der Frage, welcher Die Wahl des Vertragspartners aus dem Bewer- Energieversorger in Zukunft das örtliche Energieversor- berkreis steht den Kommunen grundsätzlich frei. § 46 gungsnetz betreiben darf. EnWG enthält keine inhaltlichen Vorgaben hinsichtlich Hintergrund dafür sind die in den kommenden der kommunalen Auswahlentscheidung. In Betracht Jahren vielerorts auslaufenden Konzessionsverträge kommt zwischen den Gemeinden und den Energieversorgungs- ❚ tragspartner, unternehmen. Der Grund hierfür ist die in § 46 Abs. 2 Satz 1 EnWG normierte zeitliche Begrenzung der Lauf- ❚ zeit von Konzessionsverträgen auf höchstens 20 Jahre. Mit den Konzessionsverträgen räumt die Gemeinde die Vergabe der Konzession an den bisherigen Verdie Vergabe der Konzession an einen anderen Netzbetreiber ❚ sowie die Übernahme des Energieversorgungs- einem Energieversorger das Recht ein, die öffentlichen netzes in eigener Regie – auch im Wege der inter- Wege und Plätze für (eigene) Gas- und Stromleitungen kommunalen Zusammenarbeit oder in Kooperation zu nutzen. mit einem privaten Partner. Für die Gemeinden öffnet sich auf diese Weise ein Zeitfenster, um sich zu entscheiden, wer das örtliche Energieverteilnetz künftig betreiben soll. Dieses Zeitfenster liegt zwischen dem Auslaufen des bisherigen Konzessionsvertrags und dem Neuabschluss und ist daher nur von kurzer Dauer. Allerdings besteht die Möglichkeit, den neuen Konzessionsvertrag über einen kürzeren Mit der Entscheidung über den künftigen Netzbetreiber ist folglich die Entscheidung für oder gegen eine (Re-) Kommunalisierung der örtlichen Energienetze verbunden. Diese Entscheidung kann immer vor dem Hintergrund der konkreten Rahmenbedingungen vor Ort getroffen werden. Für eine kommunale Lösung sprechen beispielswei- Zeitraum als 20 Jahre abzuschließen beziehungsweise se eine verlässliche und zukunftssichere Daseinsvorsor- der Kommune ein vorheriges Kündigungsrecht einzu- ge, ein Mehr an kommunaler Gestaltungsmöglichkeiten, räumen. Damit ließen sich kommunale Handlungsmög- aber auch Klimaschutzgesichtspunkte. Hierbei sind je- lichkeiten in der Zukunft eröffnen, ohne wieder 20 Jahre doch die unterschiedlichen Ausgangsbedingungen in lang warten zu müssen. den Kommunen zu berücksichtigen. Der kommunale Die große Welle der Neukonzessionierungen kün­ Handlungsspielraum wird unter anderem durch die digt sich im (elektronischen) Bundesanzeiger bezie- Finanzkraft und die geographische Lage der jeweiligen hungsweise im Amtsblatt der Europäischen Union Gemeinde eingeschränkt. So können sich beispielswei- bereits an, denn dort ist das Vertragsende der Konzes- se eine geringe Bevölkerungsdichte sowie große Ein- sionsverträge mindestens zwei Jahre vorher bekannt zu zugsgebiete negativ auf den effizienten Betrieb eines geben. Neben der Pflicht zur (ersten) Bekanntmachung örtlichen Energienetzes auswirken. Dies kann – neben enthält § 46 EnWG weitere Vorgaben, die zur Durch- anderen Gründen – für die Vergabe der Konzession an führung eines ordnungsgemäßen Konzessionierungs- den bisherigen oder einen anderen Netzbetreiber spre- verfahrens von den Vertragsparteien einzuhalten sind. chen. Eine Kooperation mit anderen Gemeinden und/ Diese haben sich seit den letzten Vertragsabschlüssen oder anderen bereits etablierten Netzbetreibern wäre erheblich geändert, denn mit der voranschreitenden ein weiterer, möglicher Lösungsweg. Die Einbeziehung Liberalisierung des Energiesektors auf europäischer von Partnern kann auch sinnvoll sein, um dort vorhan- Ebene musste das Energiewirtschaftsgesetz mehrfach denes Know-how für die Gemeinde zu nutzen. novelliert werden. Unabhängig davon ist sicher: Vom Auslaufen eines Politisches Ziel dieser Liberalisierung ist es, Konzessionsvertrages bis zu dessen Neuabschluss ist durch mehr Wettbewerb innerhalb der bestehenden es ein weiter Weg für die Städte und Gemeinden, an Versorgungsnetze zu günstigeren Preisen zu gelan- den sich bei einem Wechsel des Konzessionärs noch gen. Wettbewerber werden neben den vier großen die Netzübernahme anschließt. 6/2010 Auslaufende Konzessionsverträge www.dstgb.de 5 Die Rückmeldungen aus der Kommunalpolitik zeigen, Die Gemeinde sollte sich unter anderem mit den recht- dass es ratsam sein kann, in dieser Phase neben dem lichen Rahmenbedingungen vertraut machen, um Ri- Rat auch frühzeitig Bürger, Wirtschaft und Medien in siken erkennen und vermeiden zu können. Zu Beginn die Überlegungen zur künftigen Konzessionsvergabe werden daher die einzelnen gesetzlichen Regelungen einzubeziehen. Der Betrieb eines Energieversorgungs- zum Konzessionierungsverfahren näher erläutert und netzes ist mit Arbeitsplätzen vor Ort, aber auch mit es werden die oben aufgezählten Optionen intensiver zum Teil erheblichen wirtschaftlichen Interessen und betrachtet (Kapitel II). Entscheidet sich eine Kommu- Risiken verbunden. Dies birgt ein erhebliches Mobili- ne für eine Netzübernahme in Eigenregie, ist zwischen sierungs- und mit Blick auf in vielen Bundesländern den einzelnen Organisationsformen zu unterscheiden, anstehende Kommunalwahlen auch ein erhebliches die in diesem Kapitel ebenfalls näher erläutert werden. Unruhepotenzial für politische Entscheidungsträger in Teil der Darstellung ist auch ein typisierter Konzessionie- sich. Gleichzeitig bietet dies die Chance, Kommunal- rungszeitplan. Im weiteren Verlauf der Dokumentation politik vor Ort im Interesse der Bürger aktiv zu gestal- (Kapitel III) stehen die materiellen Entscheidungspara- ten und die Energieversorgung mit einer eigenen Note meter bei der Wahl des Vertragspartners im Mittelpunkt. zu versehen. Zudem kann es ratsam sein, eine Machbarkeitsprüfung durchzuführen, in der die Wirtschaftlichkeit geprüft wird Diese Dokumentation zeigt die einzelnen Schritte des und die Risiken und Chancen ermittelt werden. Hierauf Entscheidungsprozesses auf und bietet eine Unterstüt- wird im vorletzten Abschnitt (Kapitel IV) eingegangen. zung der kommunalen Entscheidungsträger bei einer Ergänzt wird der Handlungsleitfaden durch ausgewählte möglichen (Re-)Kommunalisierung. Beispiele aus der Praxis (Kapitel V). II. Das Konzessionierungsverfahren detaillierten Zeitplan für den Ablauf des Konzessionie- Interessenbekundungs- und Bekanntmachungsphase rungsverfahrens vor. Gleichwohl kann und sollte ein Vor Abschluss eines neuen Konzessionsvertrages hat entsprechender Fahrplan sowohl im Interesse der Eröff- der Gesetzgeber nach § 46 Abs. 3 EnWG Bekanntma- nung eines diskriminierungsfreien Wettbewerbs als auch chungspflichten der Gemeinden festgelegt, die der För- im kommunalen Interesse frühzeitig aufgestellt werden. derung des Wettbewerbs dienen. Die gesetzlichen Vorschriften des EnWG sehen keinen Dabei empfiehlt es sich, mit den entsprechenden Bekanntmachungsverfahren früher als in den in § 46 Abs. 2 Bekanntmachung Satz 1 EnWG als spätestens genannten zwei Jahren vor Bekanntmachungsfrist Auslaufen des bisherigen Vertrages zu beginnen. Nach § 46 Abs. 3 Satz 1 EnWG müssen die Gemein- Vorphase den das Vertragsende spätestens zwei Jahre vor Ablauf des Konzessionsvertrages bekannt geben. Der gesetz- Zeitlich vor dem eigentlichen Konzessionierungsverfah- lich vorgeschriebene Mindestzeitraum von zwei Jahren ren sollte eine Prüfung des laufenden Konzessionsver- kann jedoch dann zu knapp sein, wenn die Gemeinde trages erfolgen. Hierbei gilt es, die Regelungen des bis- eine Rekommunalisierung anpeilt. Für diesen Fall sollte herigen Konzessionsvertrages zu bewerten und in einer mit dem Konzessionierungsverfahren bereits drei Jahre ergebnisoffenen Vorgehensweise Richtlinien und Fix- vor Vertragsende begonnen und für mögliche Interes- punkte einer Konzessionierung festzulegen. Um etwaige senten ein Verfahrensbrief erstellt werden, der die wei- Kriterien einer Konzessionierung an den vorhandenen tere Vorgehensweise darlegt. gemeindlichen Parametern bestimmen zu können, ist zunächst die Geltendmachung von vertraglichen Aus- Form der Bekanntmachung kunftsansprüchen gegenüber dem Alt-Konzessionär Die Bekanntmachung hat im Bundesanzeiger oder voranzustellen. Im Anschluss werden die nachfolgenden elektronischen Bundesanzeiger, bei mehr als 100 000 Schritte vorbereitet und strukturiert. unmittelbar oder mittelbar angeschlossenen Kunden 6 www.dstgb.de Auslaufende Konzessionsverträge 6/2010 im Gemeindegebiet zusätzlich im Amtsblatt der Eu- Gemeinden eine Frist von mindestens drei Monaten set- ropäischen Union, zu erfolgen.1 Eine Bekanntma- zen. Häufig (und dies ist im Interesse eines diskriminie- chung in Tageszeitungen oder der Fachpresse ist nicht rungsfreien Wettbewerbs auch sachgerecht) kündigen die ausreichend. Gemeinden an, verspätete Interessenbekundungen nicht Inhalt der Bekanntmachung Eine wirksame Bekanntmachung erfordert nur die Mitteilung des Auslaufens eines Konzessionsvertrages zu einem bestimmten Zeitpunkt. In der Praxis wird zumeist zusätzlich der alte Konzessionär angegeben. Um die Attraktivität der Bekanntmachung zu erhöhen, kann die Einwohnerzahl im Gemeindegebiet, die Größe der Gemeinde und beispielsweise die abgegebene Gesamtmenge an Energie im Konzessionsgebiet angegeben werden – zwingend ist dies indes nicht. Empfohlen wird jedoch, in der Bekanntmachung ein Bewerbungsfrist­ ende zu benennen – siehe unten b). Rechtsfolgen bei Fehlern Die Folgen von Bekanntmachungsfehlern sind nicht spezialgesetzlich geregelt. Versäumt die Kommune eine rechtzeitige Bekanntmachung, kann sie mit dem bisherigen Netzbetreiber bis zum nächsten zulässigen Termin bezüglich des Abschlusses eines Konzessionsvertrages einen Interimsvertrag abschließen.2 Eine gänzlich unterbliebene Bekanntmachung führt zur Nichtigkeit des Konzessionsvertrages, da in diesem Fall ein Wettbewerb um die Infrastruktur nicht entstehen konnte.3 Entgegen einer früheren Rechtsprechung4 vertritt nunmehr das OLG Düsseldorf, dass auch eine nur fehlerhafte Bekanntmachung zur Nichtigkeit des Konzessionsvertrages nach § 134 BGB5 führt. Die Gemeinden sollten es aufgrund der unklaren Rechtsprechung nicht darauf ankommen lassen, sondern sich an die gesetzlichen Bekanntmachungspflichten halten und das Auslaufen des Konzessionsvertrages rechtzeitig bekannt geben. Interessenbekundung In der Bekanntmachung sollten die Gemeinden Energieversorgungsunternehmen auffordern, ihr Interesse zu bekunden. Für diese Interessenbekundung sollten die zu berücksichtigen. In einer Interessenbekundung muss das Energieversorgungsunternehmen zum Ausdruck bringen, dass es sich um die Konzession bewerben möchte. Der genaue Inhalt einer Interessenbekundung hängt vom Einzelfall, insbesondere vom Bekanntmachungstext ab. Soweit in der Bekanntmachung eine Interessenbekundungsfrist gesetzt wurde, ist es vor allem wichtig, dass die Interessenbekundung innerhalb dieser Frist erfolgt. Abgabe eines konkreten Angebots Nach Aufforderung durch die Gemeinde geben die Interessenten zunächst einen konkreten Konzessionsvertragsentwurf ab. Die Gemeinde kann aber auch allen Bewerbern einen Konzessionsvertragsentwurf anbieten und sie gemeinschaftlich auffordern zu erklären, ob die grundsätzliche Bereitschaft besteht, diesen mit der Gemeinde abzuschließen. Die Bewerber sind nunmehr in der Lage, daraufhin gegebenenfalls Änderungsvorschläge zu unterbreiten. Auch die Aufforderung zur Abgabe eines konkreten Angebots sollte mit einer angemessenen Fristsetzung – beispielsweise von drei Monaten – verbunden werden. Soweit einer der Bewerber den Wunsch äußert, sein Angebot mündlich präsentieren zu wollen, kann die Gemeinde dem Bewerber diese Möglichkeit einräumen. Im Sinne eines diskriminierungsfreien Verfahrens ist in diesem Fall auch den übrigen Bewerbern die Möglichkeit einer mündlichen Präsentation ihres Angebots einzuräumen. Die vorgenannten Fristen sollten nicht starr gehandhabt werden. Ein sachgerechter Ausgleich der Interessen kann immer nur vor dem Hintergrund der spezifischen Umstände des jeweiligen Einzelfalls erfolgen. Auswahlphase Auswahlkriterien Inhaltliche Vorgaben bezüglich der gemeindlichen Auswahlentscheidung enthält § 46 Abs. 3 EnWG nicht. Die Gemeinden sind daher grundsätzlich frei, wen sie als Vertragspartner auswählen.6 Die vergleichsweise strik-   1 BT-Drs. 15/5268, S. 54, 122 – Die Ergänzungen dienen der Konkretisierung der Veröffentlichungspflichten der Gemeinden.   2 Albrecht, in: Schneider/Theobald, Handbuch zum Recht der Energiewirtschaft, 2. Auflage, München 2008, S. 419 ff.   3 OLG Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2008 Az. VI-2 U 8/07 (Kart).   4 OLG Schleswig, RdE 2006, 200; LG Kiel, ZNER 2005, 330.   5 OLG Düsseldorf, rechtskräftiges Urteil vom 12. März 2008 Az. VI-2 U 8/07 (Kart), 6f.; vgl. auch Byok, RdE 2008, 268 (270); Ortner, VergabeR 4/2008, 608 (609). 6/2010 Auslaufende Konzessionsverträge ten Vorgaben über die Vergabe öffentlicher Aufträge (§ 97 ff. GWB) finden keine Anwendung, da die Gemeinde nicht als Nachfrager, sondern als Anbieter des Wegenutzungsvertrages auftritt.   6 Vgl. BT-Drs. 13/7274, S. 21. www.dstgb.de 7 Dennoch erfolgt das Auswahlverfahren nicht gänzlich Form der Bekanntmachung ohne Einschränkung. Da auch der Gesetzgeber eine Diese Bekanntmachung der Entscheidung erfolgt in größere Transparenz und Förderung des Wettbewerbs einem ortsüblichen Bekanntmachungsorgan wie dem erreichen wollte, bietet es sich aus Gründen der Rechts- lokalen Amtsblatt oder der ortsüblichen Presse. Eine sicherheit an, die aus dem Europarecht bei der Verga- Veröffentlichung im Bundesanzeiger oder im elektro- be von Dienstleistungskonzessionen herzuleitenden nischen Bundesanzeiger ist weder vorgeschrieben noch Grundsätze der Gleichbehandlung und der Transparenz sinnvoll. Denn die Bekanntmachung nach § 46 Abs. 3 Nach dem Gleichbehandlungsgrund- Satz 5 EnWG dient dem Zweck, die von der Entschei- satz muss die Entscheidung auf Basis einer objektiven dung des Rates/ der Gemeindevertretung Betroffenen, Grundlage erfolgen, also die Interessen aller „Spieler“ das sind die Unternehmen, die sich auf die Neukon- wahren.9 Nach dem Transparenzgebot muss zugun- zessionierung beworben haben und die Verbraucher im sten des Wettbewerbs ein angemessener Grad an Öf- Gemeindegebiet, über die Entscheidung und die Grün- fentlichkeit sichergestellt werden. Der Wettbewerb wird de hierfür zu informieren. Dieser Zweck würde durch 7 einzuhalten. 8 hiermit durch unverfälschte Wettbewerbsbedingungen gewährleistet.10 Diesbezüglich sind grundlegende Bekanntmachungspflichten, etwa hinsichtlich eines vorzugsweise weitreichenden Bekanntmachungsmediums einzuhalten. Auswahlentscheidung Im Anschluss an die Interessenbekundung werden die Interessenten zu einem Gespräch eingeladen. Es finden nun parallele Vertragsverhandlungen mit allen Interessenten über gegebenenfalls zwei „Runden“ statt. Hiernach erfolgen eine Gegenüberstellung der Angebote und die Vorbereitung der Konzessionsentscheidung. Schließlich rundet die Präsentation der maßgeblichen Kriterien im Gemeinderat das Auswahlverfahren ab. Daraufhin erfolgt die Entscheidung der Gemeinde hinsichtlich über eine Konzessionierung. Bekanntmachungspflichten nach Vertragsabschluss Die Gemeinden müssen nach § 46 Abs. 3 Satz 5 EnWG, wenn sich mehrere Unternehmen um eine Konzession bewerben, die maßgeblichen Gründe für ihre Auswahl­ entscheidung öffentlich bekannt machen. Dies dient der Transparenz und besseren Nachvollziehbarkeit der gemeindlichen Entscheidung.11 die Bekanntmachung im Bundesanzeiger oder im elektronischen Bundesanzeiger gerade nicht erreicht.12 Inhalt der Bekanntmachung Problematisch ist hierbei, dass die Gemeinden nach § 46 Abs. 3 Satz 5 EnWG „ihre Entscheidung unter Angabe der maßgeblichen Gründe“ öffentlich bekannt zu geben haben. Was dies im Einzelnen bedeutet ist unklar. Die Gesetzesbegründung zu § 46 EnWG 2005 ergibt keine weiteren Hinweise, sondern verweist pauschal auf § 13 EnWG 1998/2003.13 Durch die Regelung soll eine „höhere Transparenz und Nachvollzieh­ barkeit der gemeindlichen Entscheidung“ erreicht werden.14 Empfehlenswert ist, die Entscheidungskriterien in die Beschlussvorlage für die Gemeindevertretung aufzunehmen und darzulegen, welcher Bewerber diese Kriterien am besten erfüllt. Wenn die Gemeindevertretung die Beschlussvorlage unverändert beschließt, kann die Gemeinde im Idealfall den Text aus der Beschlussvorlage in die erforderliche Bekanntmachung des Neuabschlusses (§ 46 Abs. 3 Satz 5 EnWG) übernehmen.15 Besonderheiten nach Landesrecht In einigen Gemeindeordnungen sind aufgrund der Bedeutung der Konzessionsverträge besondere Pflichten der Gemeinden gesetzlich statuiert. So werden zum Teil bestimmte Mindestanforderungen an Konzessionsverträge beispielsweise dahingehend gestellt, dass diese   7 BT-Drs. 13/7274, S. 21. nur abgeschlossen werden dürfen, „wenn die Erfüllung   8 EuGH, Urteil vom 21. Juli 2005; C-213/03 (coname); Ortner, VergabeR 4/2008, S. 613. der Aufgaben der Gemeinde nicht gefährdet wird und   9 Mitteilung der Kommission zu Auslegungsfragen im Bereich Konzessionen im Gemeinschaftsrecht vom 29. April 2000 (2000/C-121/02), S. 6; EuGH, Urteil vom 26. Februar 1992, C-357/89 (Roulin); EuGH, Urteil vom 7. Juli 1992, C-295/90 (Parlament/Rat); siehe auch: Rodig, ET 1999, S. 775. die berechtigten Interessen der Gemeinde und ihrer 12 Siehe auch: Templin, Recht der Konzessionsverträge, 2009, S. 366 ff. 10 Mitteilung der Kommission zu Auslegungsfragen im Bereich Konzessio­ nen im Gemeinschaftsrecht vom 29. April 2000, C-121/02, S. 7; 13 BT-Drs. 15/3917, S. 67. 11 BT-Drs. 13/7274, S. 21. 15 Templin, IR 2009, S. 128 f. 8 www.dstgb.de 14 BT-Drs. 13/7274, S. 21. Auslaufende Konzessionsverträge 6/2010 Einwohner gewahrt sind“.16 In anderen Bundesländern des Altkonzessionsvertrages abgeschlossen wird. Nach soll darüber hinaus zur Wahrung der Interessen der Ge- alldem empfiehlt es sich, das Verfahren bereits drei meinde und der Einwohner „dem Gemeinderat vor der bis vier Jahre vor Auslaufen des Altvertrages durch Be- Beschlussfassung das Gutachten eines unabhängigen kanntmachung zu eröffnen. Sachverständigen vorgelegt werden“.17 Hieraus ergibt sich, der Einfachheit halber nachfolgend tabellarisch dargestellt, der typisierte Konzessio- Netzübernahmeverhandlungen und Netzübernahme nierungszeitplan (die in der rechten Spalte genannten Nachdem sich die Gemeinde für ein Energieversor- mehr praxiserprobte kumulierte Erfahrungswerte): gungsunternehmen entschieden hat, beginnen die Netzübernahmeverhandlungen. Der Alt-Konzessionär und der Neu-Konzessionär verhandeln über den Netzübernahmevertrag und bereiten die Netzübernahme in Umsetzung dieses Vertrages vor. Dabei ist insbesondere auf die Durchführung einer Netzentflechtung einzugehen. Zum vereinbarten Zeitpunkt tritt der neue Konzessionsvertrag in Kraft. Der Neu-Konzessionär übernimmt vom Alt-Konzessionär Eigentum und Besitz an den Verteilungsanlagen und wird Netzbetreiber im Sinne des EnWG. Nach Ende der Netzübernahme wird die Netz­ entflechtung vollendet und es erfolgt bei Unklarheiten hinsichtlich der Höhe des Kaufpreises gegebenenfalls eine gerichtliche Überprüfung des Netzkaufpreises. Empfehlung für einen Konzessionierungs­ zeitplan Zu der Frage, wann das Konzessionsverfahren zu beginnen hat, sagt das EnWG in § 46 Abs. 3 Satz 1 lediglich, dass es spätestens zwei Jahre vor Ablauf des bisherigen Vertrages durch entsprechende Bekanntmachung eingeleitet werden muss. In der Praxis bietet es sich regelmäßig an, damit deutlich früher zu starten, und zwar Zeiträume sind keine starren Vorgaben, sondern viel Was ist zu tun? (Bis) wann? 1 Prüfung und Auswertung des bisherigen KV 3,5 Jahre vor Vertragsende 2 Geltendmachung Auskunftsverlangen ggü. bisherigem Konzessionsvertragspartner 3 Jahre vor Vertragsende 3 Klärung der Interessen der Kommunen (Tendenz Eigenoder Fremdkonzessionierung) 3 Jahre vor Vertragsende 4 Erste Bekanntmachung im Bundesanzeiger mit Interessenbekundungsfrist 3 Jahre vor Vertragsende 5 Erstellen des Verfahrensbriefs 3 Jahre vor Vertragsende 6 Erstellen des Entwurfs des neuen KV 3 Jahre vor Vertragsende 7 Eingang der Interessenbekundung 2 Jahre + 9 Monate vor Vertragsende 8 Versand des neuen KV an Interessenten mit Bitte um Stellungnahme unter angemessener Fristsetzung 2 Jahre + 9 Monate vor Vertragsende 9 Erhalt der Stellungnahmen und Auswertung 2 Jahre + ca. 7 - 8 Monate vor Vertragsende 10 Antwortschreiben und Einladung zu Vertragsverhandlungen 2 Jahre + ca. 6 - 7 Monate vor Vertragsende 11 Parallele Vertragsverhandlungen mit allen Interessenten über gegebenenfalls zwei „Runden“ 2 Jahre + ca. 3 - 4 Monate vor Vertragsende ausgewählt wird, muss noch die „2. Halbzeit“ absol- 12 Gegenüberstellung der Angebote und Vorbereitung der Konzessionsentscheidung 2 Jahre + ca. 2 - 3 Monate vor Vertragsende viert werden, nämlich die eigentliche Netzübernahme. 13 Präsentation im Stadtrat 2 Jahre + ca. 1 - 2 Monate vor Vertragsende übernahme ebenfalls noch innerhalb der Restlaufzeit 14 Stadtratsbeschluss 2 Jahre vor Vertragsbeginn 16 Vgl. § 76 KV-MV, § 124 GO-LSA. 15 Abschluss des Konzessions­ vertrages und zweite Bekanntmachung 22 - 24 Monate vor Vertragsbeginn 16 Nur bei Wechsel des Konzessionärs: Beginn Netzübernahme Anschließend bis Vertragsende aus mehreren Gründen: Zum Einen treten erfahrungsgemäß häufig unvorhergesehene Verzögerungen auf. Zum Anderen aber ist zu bedenken, dass das Konzessionsverfahren häufig nur die „1. Halbzeit“ des Gesamtverfahrens ausmacht. Wenn im Konzessionsverfahren ein anderer Wettbewerber als der bisherige Konzessionsnehmer (= bisheriger Netzunternehmer) Es liegt im Interesse der Gemeinde, dass diese Netz- 17 Vgl. auch: § 101 Abs. 1 SächsGO; § 107 Abs. 1 Satz 2 GO-BaWü; In Niedersachsen kann die Kommunalaufsichtsbehörde nach § 115 Abs. 2 NdsGO mit Zustimmung der Gemeinde auf deren Kosten das Gutachten eines Sachverständigen einholen. Abschluss, Verlängerung und Abänderung von Konzessionsverträgen sind nach § 116 Abs. 1 Nr. 10 NGO der Kommunalaufsichtsbehörde anzuzeigen. 6/2010 Auslaufende Konzessionsverträge www.dstgb.de 9 Geschäftsmodelle einer Kommunalisierung – Risikozuordnung Beteiligungsmodell Die Gemeinden stehen im Rahmen einer Kommunalisie- zusammen mit ihrem Partner, einem Energieversor- rung vor der Aufgabe, die örtlichen Energieverteilnetze gungsunternehmen, unmittelbar an den Kommunalwer- entsprechend ihrer Verpflichtung zur Daseinsvorsorge ken gemäß der jeweiligen Beteiligungsquote beteiligt. einerseits sicher, verbraucherfreundlich, preisgünstig, Der gebietsbezogene Konzessionsvertrag wird zwischen umweltfreundlich und andererseits so effizient, dass der Gemeinde und dem Kommunalwerk geschlossen. heißt wirtschaftlich wie möglich zu betreiben. Alte und Netzbetreiber und Neu-Konzessionär wird alleine das neue Netze müssen wirtschaftlich im Rahmen einer Kommunalwerk. Möglich ist auch die Gründung eines Netzübernahme oftmals neu organisiert und strukturiert Regionalwerks durch mehrere Gemeinden gemeinsam werden. Ziel eines hierfür passenden Netzübernahme- mit einem Energieversorgungsunternehmen. In diesem modells ist schlussendlich die Erreichung hoher Effi­ Falle werden ebenfalls die jeweiligen Gemeinden und zienz durch den gemeindlichen Netzbetrieb. Hierfür das Energieversorgungsunternehmen entsprechend der bieten sich unterschiedliche Geschäftsmodelle an. Beteiligungsquote an dem Regionalwerk Teilhaber. Kon- Im Rahmen des Beteiligungsmodells ist die Kommune zessionsvertragspartner der einzelnen Gemeinden wird Kommunalwerk ohne oder mit Gesellschafter-Partner dabei immer das Regionalwerk. Übernahme der Konzession in eigener Regie Rechtsbeziehungen im Beteiligungsmodell Rechtsbeziehungen bei Übernahme in eigener Regie x% Konzessionsvertrag in Form Eigenbetrieb oder Eigengesellschaft (GmbH, AG) alter Konzessions­ inhaber Kommunalwerke Herausgabe­ verlangen Konzessionsvertrag y% Kommunalwerk Vorteil des Beteiligungsmodells ist die Beteiligung an einem bestehenden, oftmals privatwirtschaftlich orga- Stromnetz nisierten, Unternehmen und damit die Verteilung von Chancen und Risiken. Bestehende Geschäftsfelder können mit „gleichgesinnten“ Partnern auf einer Augenhö- Im Rahmen der sogenannten „stand alone“ Lösung über- he erweitert und Optimierungsmöglichkeiten im Versor- nimmt das von der Gemeinde als Eigenbetrieb oder Eigen- gungswerk zur Nutzung von Synergien genutzt werden. gesellschaft geführte Kommunalwerk als neuer Konzes- Die Vielzahl von Gesellschaftern mit unterschiedlichen sionsvertragspartner der Gemeinde Besitz und Eigentum Zielvorstellungen kann allerdings auch zu Spannungen an den Energieversorgungsnetzen und wird zugleich führen. Eine detaillierte und kommunalfreundliche Aus- Netzbetreiber nach dem Energiewirtschaftsgesetz. arbeitung des Gesellschaftsvertrages ist daher zwingend. Vorteil der Übernahme in eigener Regie ist die vollständige Kontrolle des örtlichen Netzbetriebs durch die Gemeinde und eine vorteilhafte Verhandlungsposition beim Abschluss eines neuen Konzessionsvertrags. Die Gewinne aus dem Netzbetrieb fallen alleine der Gemeinde zu. Überdies kann die Gemeinde die Region durch ein eigenes Stadtwerk stärken. Allerdings entfallen in diesem Fall auch alle Risiken und mögliche Verluste auf das Kommunalwerk und damit die Gemeinde. Das Kommunalwerk wird selbst Objekt der Regulierung. Investitio­nen müssen ohne einen privatwirtschaftlichen Partner gestemmt werden. 10 www.dstgb.de Auslaufende Konzessionsverträge 6/2010 Art und Form der Netzbewirtschaftung Rechtsbeziehungen im Dienstleistungsmodell Sofern der im Rahmen des Beteiligungsmodells als Mitgesellschafter engagierte Partner auch auf Ebene der Netzbewirtschaftung unmittelbar tätig werden Konzessionsvertrag soll, kommen die nachfolgenden drei Umsetzungsvarianten in Betracht. Dienstleistungsmodell Im Rahmen des Dienstleistungsmodells sind die Kommunalwerke als Konzessionsvertragspartner alter Konzessions­ inhaber Herausgabe­ verlangen x% Kommunalwerke = Netzbetreiber Betriebsführungsvertrag kfm. und techn. der Gemeinde selbst Eigentümer und Betreiber der Netze im Sinne des Energiewirtschaftsgesetzes. Sodann schließen die Kommunalwerke einen Betriebsführungsvertrag für technische und/oder Rechtsbeziehungen im Verpachtungsmodell kaufmännische Leistungen mit einem Energieversorgungsunternehmen. Hierfür zahlen die KommuKonzessionsvertrag nalwerke ein entsprechendes Dienstleistungsentgelt. Zu beachten ist allerdings, dass aus §§ 97 Abs. 1, 98 Nr. 4 GWB i.V.m. § 8 Nr. 2 VgV bei Abschluss eines Betriebsführungsvertrages unter Umständen eine Pflicht zur Einhaltung des Vergaberechts folgen kann. Die Voraussetzungen müssen jeweils im Ein- alter Konzessions­ inhaber Kommunalwerke Herausgabe­ verlangen n Pachtvertrag n ggf. kfm. Betriebs­ führungsvertrag zelfall geprüft werden. n ggf. Investitions­ abkommen Vorteil des Dienstleistungsmodells sind „echte Kommunalwerke“ mit Netzeigentum, Netzbetrieb Verpachtungsmodell und eigenem Vertrieb und damit größere Chancen Im Rahmen des Verpachtungsmodells sind die Kommu- zur unternehmerischen Eigeninitiative der Gemein- nalwerke wiederum Eigentümer der Versorgungsnetze. Die de und des Kommunalwerks. Es können Synergie- Netze werden an einen Partner verpachtet. Dieser zahlt effekte, insbesondere durch Betrieb der Strom- und hierfür einen Pachtzins an die Kommunalwerke. Kommu- Gasversorgungsnetze genutzt werden. Allerdings nalwerke und Energieversorgungsunternehmen schließen sind die Kommunalwerke als selbständiger Netzbe- gegebenenfalls ein Investitionsabkommen hinsichtlich der treiber Regulierungsobjekt und damit insbesondere Netzinstandhaltungskosten ab. Gleichzeitig schließen die der Anreizregulierung ausgesetzt. Sie übernehmen Kommunalwerke mit dem Partner einen Betriebsführungs- das unternehmerische Risiko des Energievertriebs vertrag, wofür ein entsprechendes Dienstleistungsentgelt und tragen das volle Risiko der Netzübernahme. Das zu zahlen ist. operative Betreiberrisiko kann allerdings durch fachlich qualifizierte Betriebsführer minimiert werden. Vorteil des Pachtmodells ist, dass die Kommunalwerke zwar Netzeigentümer, aber nicht Objekt der Regulierung sind. Die Gemeinden geben ihre Rechtsposition nicht auf, da bei Beendigung des Pachtvertrages Kommunalwerke selbst Netzbetreiber werden können. Insofern dient das Modell als Zwischenschritt zur vollständigen Kommunalisierung. Der Gemeinde kann eine sichere Einkunftsquelle der Kommunalwerke durch Pachteinnahmen garantiert werden, im Gegenzug besteht aber keine Übernahme des operativen Geschäftsrisikos. Durch das Investitionsabkommen können Netzinstandhaltungskosten flexibel zugewiesen werden. Allerdings sind die Kommunalwerke hiernach bloße Infrastrukturverpächter ohne eigenes operatives Geschäft. 6/2010 Auslaufende Konzessionsverträge www.dstgb.de 11 Die Gewinne für Kommunalwerke sind auf die „Pacht“ „Umgekehrtes“ Verpachtungsmodell beschränkt. Es besteht kein integriertes Energieversor- Im Rahmen des sogenannten „umgekehrten“ Verpach- gungsunternehmen mit Vertrieb. Das Pachtmodell stellt tungsmodells betreiben die Kommunalwerke als Kon- insofern häufig den Einstieg in die Rekommunalisierung zessionsvertragspartner der Gemeinde die Versorgungs- dar; nach einer Art „Probezeit“ kann nach einigen Jah- netze. Die Netze selbst stehen allerdings im Eigentum ren die Netzbewirtschaftung über Dienstleistungsauf- des Partners und werden an die Kommunalwerke ver- träge nach und nach in eigene Hände übernommen pachtet. Die Kommunalwerke zahlen einen Pachtzins werden. an den Partner. Gleichzeitig schließen die Kommunal- Rechtsbeziehungen im umgekehrten Pachtmodell werke mit dem Partner einen Betriebsführungsvertrag sowie ein Investitionsabkommen. Vorteil des „umgekehrten“ Verpachtungsmodells sind Optimierungsmöglichkeiten in den Kommunalwerken zur Nutzung von Synergien. Für die Kommu- Konzessionsvertrag nalwerke entstehen keine Belastungen, die aus dem Netzeigentum resultieren. Netzinstandhaltungskosten können flexibel an die Kommunalwerke zugewiesen alter Konzessions­ inhaber werden. Allerdings sind die Kommunalwerke hiernach Kommunalwerke Herausgabe­ verlangen Stromnetz n Pachtvertrag n ggf. kfm. Betriebs­ führungsvertrag n ggf. Investitions­ abkommen nicht Netzeigentümer. Ihre Gewinnchancen als bloße Pächter mit eingekauften Dienstleistungen sind eher gering. Zudem sind die Kommunalwerke als Netzbetreiber Objekt der Regulierung. III. Materielle Entscheidungsparameter bei der Wahl des Vertragspartners Vor dem Abschluss des Konzessionsvertrages steht Ausgestaltung des Vertrages, wie zum Beispiel die Ein- der Prozess der Konzessionsvergabe. Den Gemeinden räumung von vorzeitigen Kündigungsrechten, die Vertei- und Städten steht es grundsätzlich frei, an wen sie die lung der Folgekosten und Regelungen zur Endschafts- Konzession für den zukünftigen Betrieb der örtlichen bestimmung. Beide Dimensionen werden im Folgenden Strom- und Gasnetze vergeben. Die Wahl des Vertrags- anhand konkreter Fragestellungen beleuchtet. partners erfolgt aus dem jeweiligen Bewerberkreis, dessen Zusammensetzung von den Gegebenheiten vor Ort abhängig ist. Die Auswahlkriterien sind gesetzlich nicht vorgegeben.18 Neben wirtschaftlichen Gesichtspunkten spielen auch andere Motive bei der Auswahl eine Rolle. Die jeweiligen Entscheidungsparameter können zunächst „außerhalb“ des Konzessionsvertrages liegen. Beispiele hierfür sind die Erfahrungen mit dem bisherigen Vertragspartner, die Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen, die Gewinnung von Einflussmöglichkeiten auf die Strom- und Gasversorgung, aber auch die Höhe des Netzentgelts und etwaige Netzausbau- und Änderungspläne. Daneben gibt es Parameter „innerhalb“ des Konzessionsvertrages, das heißt, bei der inhaltlichen Materielle Entscheidungsparameter „außerhalb“ des Konzessionsvertrages Erhalt und Schaffung von Arbeitsplätzen Der Erhalt bestehender und die Schaffung neuer Arbeitsplätze ist zur Stärkung der Wirtschaft in der Region gerade in Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise ein wichtiges Thema. Hat der bisherige Vertragspartner (s)einen Standort in der Gemeinde des zu vergebenen Versorgungsgebiets, spricht dies im Hinblick auf die Weiterbeschäftigung der vor Ort angestellten Arbeitnehmer erst einmal für die Verlängerung beziehungsweise den Neuabschluss des Konzessionsvertrages. Auch vor dem Hintergrund der gewerbesteuerlichen Zerlegung ist eine Betriebsstätte des Netzbetreibers in der Kommune von Bedeutung. Auf diese Weise kann die Standortge- 18 Vgl. hierzu bereits Seite 7 „Auswahlphase“. 12 www.dstgb.de meinde am Gewerbesteueraufkommen partizipieren. Auslaufende Konzessionsverträge 6/2010 Aber auch bei der Konzessionierung eines anderen Daneben ist ein kommunales Engagement auf den an- Netzbetreibers droht nicht gleich ein Verlust an Arbeits- deren Stufen der energiewirtschaftlichen Wertschöp­ plätzen. Zwar ist regelmäßig nicht davon auszugehen, fungskette, der Erzeugung und dem Vertrieb von En- dass der neue Betriebsinhaber gemäß § 613a BGB mit ergie, denkbar.19 Möglich ist zudem eine Verknüpfung der Übernahme der Betriebsführung für das örtliche mit anderen Aufgaben der Daseinsvorsorge, wie zum Strom- und Gasnetz in alle Rechte und Pflichten aus Beispiel der Stadtreinigung oder Müllentsorgung. Hier- den bestehenden Arbeitsverhältnissen mit den im Netz- durch kann die Dienstleistungsqualität kommunaler betrieb eingesetzten Mitarbeiter eintritt. Hierzu müssten Unternehmen erhalten und weiterentwickelt werden. zum Netzerwerb noch weitere Umstände – wie etwa der Ein umfangreiches Angebot an qualitativ hochwertigen Erwerb der ganzen Netzsparte vom bisherigen Netz- und sicheren Versorgungsleistungen schafft wiederum betreiber – hinzutreten. Allerdings kann es auch ohne Bürgerzufriedenheit und damit Akzeptanz vor Ort. diese Pflicht zur Übernahme sinnvoll sein, vorhandene Arbeitnehmer und ihr Know-how für den kommunalen Grenzen der Refinanzierung des Netzkaufs Netzbetrieb zu übernehmen und so vorhandene Ar- Ein weiterer Entscheidungsparameter bei dem Kauf beitsplätze zu erhalten. In diesem Zusammenhang eines Netzes ist die Höhe des Netznutzungsentgeltes. ist zu betonen, dass kommunale Unternehmen vielen Das ist das Entgelt, das der Strom- beziehungsweise Arbeitnehmern einen sicheren Arbeitsplatz bieten und Gasnetzbetreiber für die Netzdurchleitung von Energie eine überdurchschnittliche Ausbildungsquote aufwei- den Netznutzern in Rechnung stellen darf. Die Entgelt- sen. Letztlich ist es eine Frage des Einzelfalls, welche bildung ist reglementiert. Sie erfolgt auf der Grundlage der aufgezeigten Optionen die Beschäftigung vor Ort am des Energiewirtschaftsgesetzes (§ 21a EnWG) und der Besten unterstützt. Rechtsverordnung über die Anreizregulierung der Energieversorgungsnetze (ARegV). Zuständig zur Festle- Lokale Wertschöpfung gung der sogenannten Erlösobergrenzen, also dem Be- Kommunale Unternehmen, wie die Stadtwerke, tragen trag, der die Obergrenzen der zulässigen Gesamterlöse generell zur Steigerung der lokalen und regionalen eines Netzbetreibers aus den Netzentgelten ausmacht, Wertschöpfung bei, da sie regelmäßig stärker in die sind die Landesregulierungsbehörden beziehungswei- Region investieren als Private. So wird eine Vielzahl se die Bundesnetzagentur. der Aufträge an die lokale Wirtschaft, insbesondere Aus dem vorhergehenden folgt, dass die Erlösober­ an Unternehmen der krisenanfälligen Branchen, wie grenze der Refinanzierung des Preises für den Kauf eines zum Beispiel die Bauwirtschaft und das Handwerk, Netzes Grenzen setzt.20 Weiter ist zu beachten, dass die vergeben. Dies ist ein wichtiger Beitrag zur Stabilisierung der mittelständischen Wirtschaft. Auf diese Weise können indirekt Arbeitsplätze im regionalen Umfeld gesichert werden. Generell zeigt die Erfahrung, dass die Kommunalwirtschaft wichtig für den lokalen Ar- Anreizregulierung der Netznutzungsentgelte in Perioden erfolgt – in der Regel sind dies fünf Jahre. Geschieht die Übertragung des Netzes auf einen neuen Betreiber innerhalb dieser Periode, so geht die Erlösobergrenze auf diesen über. Dies bedeutet einerseits eine gewisse Pla- beitsmarkt ist. nungssicherheit. Auf der anderen Seite kann darin aber Ausbau vorhandener Strukturen Netzkaufpreises liegen. Hier können mehrere Parameter In vielen Städten und Gemeinden existieren bereits kommunale Unternehmen, die verschiedene Dienstleistungen zugunsten der Bürger anbieten. Hier kann sich der Ausbau des vorhandenen Dienstleistungsangebots anbieten. So kann es beispielsweise um die Erweiterung eines bereits vorhandenen Netzbetriebs auf weitere Ortsteile gehen. Ein größeres Netz ermög- auch eine wichtige Grenze für die Refinanzierung des entscheidenden Einfluss haben. Dazu zählt besonders, in welcher Höhe die zuständige Regulierungsbehörde den tatsächlich gezahlten Kaufpreis für ein Netz auch im Rahmen der Kalkulation der Netzentgelte als sogenannte zulässige Kapitalkosten anerkennt. Hinzu kommt, dass dem Netzbetreiber die Höhe der Verzinsung für Neuund Altanlagen genau vorgeschrieben wird. licht prinzipiell eine Kostenreduktion und Effizienzsteigerungen im operativen Geschäft. Hierdurch ist das Unternehmen marktwirtschaftlich konkurrenzfähiger, 19 Eine Quersubventionierung aus dem Netzbetrieb in die übrigen Stufen der Wertschöpfungskette wird durch das so genannte Unbundling (§§ 6 -10 EnWG) aus­geschlossen. wovon auch die Arbeitnehmer profitieren. 20 Vgl. hierzu ausführlich Kapitel 4, S. 21. 6/2010 Auslaufende Konzessionsverträge www.dstgb.de 13 Teilhabe- und Gestaltungsmöglichkeiten wie Bäder oder Verkehrsbetriebe tendenziell zu Ver- bei der (Re-) Kommunalisierung lusten. Über den steuerlichen Querverbund können Nachdem in den vergangenen Jahren vielerorts Privati- diese Verluste verringert werden. Auf diese Weise ist sierungen im Bereich der kommunalen (Energie-)Wirt- die Aufrechterhaltung dauerhaft defizitärer Pflichtaufga- schaft erfolgten, gibt es aktuell mehrere Beispiele für die ben der Daseinsvorsorge möglich. Das Vorhandensein Übernahme der Netze in Eigenregie und zur Neugrün- eines attraktiven Angebots an kommunalen Leistungen dung von Stadtwerken. Anders als früher stellen sich kommt letztlich den Bürgern zu Gute. etliche Kommunen die Frage, ob sie ihren bisherigen Vertragspartnern den zukünftigen Betrieb der örtlichen ❚ Weitere Geschäftsfelder/ Preispolitik Verteilnetze für Strom und Gas weiter (allein) überlas- Entschließt sich die Gemeinde darüber hinaus, auch sen wollen. Ausschlaggebend sind unter anderem wirt- die Geschäftsfelder Erzeugung und/ oder Vertrieb mit schaftliche Aspekte, wie zum Beispiel der Verbleib der abzudecken, gewinnt sie weitere Einflussmöglichkeiten, Erträge in der Region oder die Möglichkeit des steuer- etwa im Hinblick auf die Gestaltung der Kundenentgelte. lichen Querverbunds. Daneben spielen bessere Gestal- Stadtwerke können durch ihr Angebot den Wettbewerb tungsmöglichkeiten der kommunalen Entscheidungs- auf dem Strom- und Gasmarkt beleben. Zudem können träger und eine lokale Energie- und Klimaschutzpolitik sie durch ihre örtliche Präsenz schnell auf Bürgerwün- eine wesentliche Rolle. sche reagieren und ihr Dienstleistungsangebot im Interesse der Bürger optimieren. Das ist ein Grund dafür, ❚ Bessere Gestaltungsmöglichkeiten warum die kommunalen Unternehmen eine breite Wert- Durch eine Beteiligung am Netzgeschäft gewinnt die schätzung bei den Bürgern aufweisen. Um jedoch beim Gemeinde Einflussmöglichkeiten auf den Unterhalt, Stromeinkauf nicht von der Preispolitik der Großkon- die Planung und den Ausbau der Netze. Dies bietet zerne abhängig zu sein, kann es zweckmäßig sein, auch Chancen und Risiken: Die Gewährleistung der Versor- bei der Stromerzeugung aus dezentralen Erzeugungsan- gungssicherheit liegt damit in kommunaler Hand. Je lagen aktiv zu werden – gegebenenfalls in Kooperation nach Alter der Versorgungsnetze können umfangreiche mit anderen kommunalen oder privaten Unternehmen. Modernisierungsmaßnahmen notwendig sein, deren Hierdurch können sich die Kommunen einen gewissen Kosten jedoch nicht (allein) von den Kommunen ge- Einfluss auf die lokale Preisentwicklung verschaffen. tragen werden sollten. Investitionen in die Strom- und Gasnetze können andererseits dazu genutzt werden, Kooperationen um energiepolitische Ziele auf kommunaler Ebene um- Nicht überall sind die Voraussetzungen für eine (Re-) zusetzen. Hierunter fällt zum Beispiel die Schaffung Kommunalisierung gegeben. Vielen Kommunen fehlen von effizienteren Strukturen, um Energieverluste bei der angesichts knapper Kassen die erforderlichen finanzi- Übertragung und Störanfälligkeiten zu verringern. Der ellen Mittel für die Netzübernahme. Oftmals ist erst über Aufbau eigener Energieerzeugungs- und Vertriebsspar- die finanzielle Beteiligung eines Partners ein kommu- ten – auch unter Berücksichtigung der Potenziale der nales Engagement im Netzgeschäft möglich. Koopera- erneuerbaren Energien – können weitere interessante tionen können sinnvoll sein, um das bei potenziellen kommunalpolitische Gestaltungsmöglichkeiten im Inte- Partnern vorhandene Fachwissen im Bereich des Netz- resse der Bürger bieten (siehe unten). betriebs für die Kommune oder ihr kommunales Unternehmen zu nutzen. Des Weiteren trägt der Partner ❚ Kommunale Einnahmen dann auch einen Teil des wirtschaftlichen Risikos. In Die Gewinne aus dem Netzbetrieb fließen nicht mehr manchen Gemeinden wird sich der Netzbetrieb man- an Dritte, sondern werden von den kommunalen Un- gels ausreichender Betriebsgröße als nicht wirtschaft- ternehmen an die Eigentümerkommunen abgeführt. In lich vorteilhaft darstellen lassen. Hierbei spielt auch der Verbindung mit dem Gewerbesteueraufkommen und demographische Wandel eine Rolle. Größennachteile den Konzessionsabgaben können diese Einnahmen für können durch eine Verknüpfung des Energienetzes mit andere Aufgaben der Daseinsvorsorge verwendet wer- denen der Nachbargemeinden ausgeglichen werden. den. Während kommunale Versorgungsbetriebe, wie die Die Ausweitung des betreuten Netzes bewirkt tendenzi- Stadtwerke, regelmäßig Gewinne erwirtschaften, führt ell ein höheres Maß an Wirtschaftlichkeit und Leistungs- das Betreiben bestimmter kommunaler Einrichtungen fähigkeit bei der Aufgabenwahrnehmung. 14 www.dstgb.de Auslaufende Konzessionsverträge 6/2010 Denkbar ist auch eine Zusammenarbeit mit dem bis- die Gegenleistung für die Wegenutzung dar. Schuldner herigen Netzbetreiber. Diese hat den Vorteil, dass die der Konzessionsabgabe ist stets, das heißt, unabhängig Kommune auf bereits vorhandene Kompetenzen in der davon, wer den Strom oder das Gas liefert, der Netz- Betriebsführung zurückgreifen kann. Vorstellbar ist fer- betreiber, der die Konzessionsabgabe an die jeweilige ner, dass der bisherige Netzbetreiber als Gegenleistung Kommune abzuführen hat. Das jährliche Gesamtauf- für die Erlangung einer Gesellschafterstellung an dem kommen an Konzessionsabgaben belief sich im Jahr neu gegründeten Stadtwerk sein Strom- und Gasnetz in 2009 auf rund 3,4 Milliarden Euro.21 Die Einnahmen das kommunale Unternehmen einbringt. Damit können sind für die Städte und Gemeinden damit von erheb- Finanzierungsvorteile bei der Netzübernahme verbun- licher Bedeutung. den sein. In diesem Zusammenhang ist wichtig, dass Die Konzessionsabgabenverordnung (KAV) regelt der Gesellschaftsvertrag so gestaltet wird, dass die Kom- unter anderem die Bemessung der Konzessionsab- mune ihre Interessen gegenüber dem privaten Partner gaben in Centbeträgen je gelieferter Kilowattstunde effektiv wahrnehmen kann. (kWh).22 Aufgrund der Berechnung anhand der durch- Materielle Entscheidungsparameter „innerhalb“ des Konzessionsvertrages geleiteten Elektrizität stellt die Konzessionsabgabe für die Kommunen eine relativ konstante Einnahmequelle dar, welche von Energiepreis und Netznutzungsentgel- Konzessionsverträge enthalten regelmäßig folgende ten unabhängig ist. Darüber hinaus legt die KAV die zu- Schwerpunktbereiche: lässige Höhe der Konzessionsabgabe fest. In der Praxis ❚ ❚ ❚ ❚ das Recht zur Wegenutzung einschließlich Bau werden regelmäßig die Höchstsätze vereinbart. Diese und Betrieb von Leitungen, orientieren sich bei der Belieferung von Tarifkunden die Verpflichtung zur Zahlung der mit Strom oder Gas an den Gemeindegrößenklassen. Je Konzessionsabgabe, mehr Einwohner eine Gemeinde hat, desto höher darf die Regelung sonstiger Leistungen nach § 3 KAV, die zu entrichtende Konzessionsabgabe sein.23 Auf di- dabei insbesondere den Gemeindenrabatt, ese Weise soll eine Preisgleichheit zwischen Land und netzbezogene Rechte und Pflichten einschließlich Endschaftsbestimmungen. Der Gesetzgeber hat durch die in der Konzessionsabgabenverordnung enthaltenen gesetzlichen Vorgaben den Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Höhe der zu zahlenden Konzessionsabgabe erheblich eingeschränkt. Eine zusätzliche Einschränkung der Parteiautonomie sieht § 3 KAV hinsichtlich der Leistungen vor, die neben der Zahlung der KA überhaupt gewährt werden dürfen. Gestaltungsspielraum besteht deshalb vor allem bei den vorgenannten Punkten 1. und 4. Wie weitgehend dieser ist, hängt von den rechtlichen, finanziellen, wirtschaftlichen und nicht zuletzt den politischen Umständen des jeweiligen Konzessionsgebietes und nicht zuletzt vom Verhandlungspartner ab. Zu den Punkten im Einzelnen: Wegenutzung und Konzessionsabgaben ❚ Grundlagen § 48 Abs. 1 Satz 1 EnWG definiert Konzessionsabgaben Stadt hergestellt werden, da die Energieversorgung im ländlichen Raum in der Regel höhere Kosten verursacht als im städtischen Gebiet. ❚ Systematik: Tarif- und Sondervertragskunden Von wesentlicher Bedeutung ist allerdings die Einordnung der Letztverbraucher als Tarif- oder als Sondervertragskunden. Bei der Belieferung von Tarifkunden mit Gas darf, abhängig von der Größe der Gemeinde, maximal eine Konzessionsabgabe von 0,93 Cent je kWh, bei Sondervertragskunden nur maximal 0,03 Cent je kWh erhoben werden. Dies macht einen Unterschied von bis zu 0,9 Cent je kWh aus. Im Strombereich ergibt sich eine Spannbreite von 0,11 bis 2,39 Cent je kWh, und somit eine Abweichung von 2,28 Cent je kWh.24 Folglich richtet sich die konkret zu zahlende Konzessionsabgabe hauptsächlich danach, ob Tarif- oder Sonderkunden beliefert werden. Die Einstufung als Tarifkunde ist daher entscheidend für das jeweilige kommunale Aufkommen an Konzessionsabgaben. als Entgelte für die Einräumung des Rechts zur Benutzung öffentlicher Verkehrswege für die Verlegung und 21 Quelle: destatis, Zahl ohne Stadtstaaten. den Betrieb von Leitungen, die der unmittelbaren Ver- 22 § 2 Abs. 1 KAV. sorgung von Letztverbrauchern im Gemeindegebiet mit Energie dienen. Die Konzessionsabgabe stellt demnach 6/2010 Auslaufende Konzessionsverträge 23 Siehe § 2 Abs. 2 KAV. 24 Für die Belieferung von Tarifkunden gilt § 2 Abs. 2 KAV, für die Belieferung von Sondervertragskunden § 3 KAV. www.dstgb.de 15 Als Tarifkunden gelten seit der Energierechtsnovelle Unternehmen, die nicht zum Netzbetreiber gehören be- 2005 ziehungsweise mit diesem nicht verbunden oder assozi- ❚ ❚ alle Kunden in der Grundversorgung, das heißt, iert sind. Eine ausdrückliche Regelung im Konzessions- Haushaltskunden im engeren Sinne und Gewer- vertrag ist wichtig, um die Problematik der verdeckten bekunden bis zu einem Jahresverbrauch von Gewinnausschüttung zu vermeiden. Eine solche wird 10 000 kWh, die Elektrizität vom Grundversorger teilweise angenommen, wenn die Stadt oder Gemeinde beziehen. Grundversorger ist jeweils das Energie- Mehrheitsgesellschafterin des Netzbetreibers ist und der versorgungsunternehmen, das die meisten Haus- Vertrag keine Regelung zur Konzessionsabgabe in den haltskunden in einem Netzgebiet der allgemeinen Fällen der Durchleitung enthält. Die Konzessionsabgabe Versorgung beliefert. darf gemäß § 2 Abs. 6 KAV bis zu der Höhe vereinbart 25 Die Kunden der Ersatzversorgung, das heißt, Letzt- werden, wie sie der Netzbetreiber in vergleichbaren Fäl- verbraucher, die Elektrizität aus dem Netz der allge- len für Lieferungen seiner (verbundenen/ assoziierten) meinen Versorgung entnehmen, ohne zuvor einen Unternehmen zu zahlen hat. Gleiches gilt für den Fall Liefervertrag abgeschlossen zu haben. Diese wer- der Weiterverteilung.28 den aufgrund eines gesetzlichen Schuldverhält❚ nisses vom Grundversorger versorgt.26 Zulässige und unzulässige Nebenleistungen Hinzu kommen Altverträge, das heißt, bestehende In dem Konzessionsvertrag können auch andere Tarifkundenverträge mit anderen als Haushaltskun- Leistungen als Konzessionsabgaben vereinbart werden. den und bestehende Verträge über die Belieferung Dies gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Die Vertrags- von Letztverbraucher im Rahmen der allgemeinen freiheit findet ihre Grenzen in den Bestimmungen der Versorgungspflicht.27 Konzessionsabgabenverordnung. Wie bereits erwähnt Abgesehen von den Altfällen sind Kunden von Alterna- regelt § 3 KAV welche Nebenleistungen zulässig sind tivanbietern demnach als Sondervertragskunden ein- und welche nicht. zuordnen, da nur der Grundversorger mit den Kunden Ausdrücklich wird dem Netzbetreiber erlaubt, der Grund- und Ersatzversorgungsverträge abschließen jeweiligen Kommune einen sogenannten Kommunal- kann. rabatt einzuräumen. Hierbei handelt es sich um Preis- Für den Strombereich gibt es eine wichtige Sonder- nachlässe für den in Niederspannung (Strom) oder in regelung in § 2 Abs. 7 KAV: Danach gelten alle Strom- Niederdruck (Gas) abgerechneten Eigenverbrauch der lieferungen aus dem Niederspannungsnetz (bis ein Gemeinde in Höhe von bis zu zehn Prozent des Rech- Kilo­volt) konzessionsabgabenrechtlich als Lieferung nungsbetrages für den Netzzugang.29 Bis zum Jahr an Tarifkunden, es sei denn, die gemessene Leistung 2006 bezogen sich die Rabatte auf die allgemeinen Ta- des Kunden überschreitet in mindestens zwei Monaten rifpreise, das heißt auf den gesamten Lieferpreis. Die des Abrechnungsjahres 30 Kilowatt und der Jahresver- Beschränkung auf den „Netzzugang“ ist durch die Tren- brauch beträgt mehr als 30 000 Kilowattstunden. nung des Netzbetriebs von den übrigen Stufen der ener- Für den Gasbereich fehlt bisher noch immer eine vergleichbare Regelung. giewirtschaftlichen Wertschöpfungskette notwendig geworden, die zur Folge hat, dass der Konzessionsvertrag lediglich den Netzbetrieb betrifft und daher allein der ❚ Was sollte unbedingt vertraglich vereinbart werden? Netzbetreiber Vertragspartner der Gemeinde ist. Gegen- In der Praxis werden – wie erwähnt – in dem Konzes- stand des Kommunalrabatts sind somit alle Bestandteile sionsvertrag regelmäßig die Höchstsätze der jeweils des Energiepreises, die einen Bezug zum Netzzugang gültigen Konzessionsabgabenverordnung vereinbart. aufweisen. Hierzu gehören insbesondere die Netznut- Darüber hinaus sollte im Vertrag die Zahlung der Kon- zungsentgelte, die KWK-Umlagen, die Mess- und Ver- zessionsabgaben für den Fall, dass Dritte im Wege der rechnungsentgelte und die Konzessionsabgaben selbst. Durchleitung Strom und Gas an Letztverbraucher lie- Rabatte auf die übrigen Preisbestandteile, die etwa die fern, aufgenommen werden. Drittlieferanten sind alle Energieerzeugung betreffen, dürfen im Konzessionsvertrag nicht (mehr) vereinbart werden. 25 § 1 Abs. 3 KAV i.V.m. §§ 36, 3 Nr. 22 EnWG. 26 § 1 Abs. 3 KAV i.V.m. § 38 EnWG. 28 § 3 Abs. 8 KAV. 27 § 1 Abs. 3 KAV i.V.m. §§ 115 Abs. 2, 116 EnWG. 29 § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KAV. 16 www.dstgb.de Auslaufende Konzessionsverträge 6/2010 Neben den Preisnachlässen auf den kommunalen Kostentragungspflicht fast immer nach dem Alter der Rechnungsbetrag ist auch die Vergütung notwendiger Energieversorgungsanlagen gestaffelt wird. Der Konzes- Kosten zulässig, die bei Bau- und Unterhaltungsmaß- sionsvertrag kann zudem Regelungen enthalten, unter nahmen an öffentlichen Verkehrswegen der Gemeinde welchen Umständen nicht mehr benötigte Anlagen oder durch Versorgungsleitungen entstehen, die in oder über Leitungen vom Netzbetreiber entfernt werden müssen. diesen Verkehrswegen verlegt sind. 30 Darüber hinaus dürfen Verwaltungskostenbeiträge der Versorgungsun- Endschaftsbestimmungen ternehmen für Leistungen, die die Gemeinde auf Ver- Alle 20 Jahre stehen die Städte und Gemeinden vor der langen oder im Einvernehmen mit dem Versorgungsun- Frage, ob sie den Konzessionsvertrag mit dem bishe- ternehmen zu seinem Vorteil erbringt, erfolgen. rigen Konzessionsnehmer verlängern oder den Netz- 31 Andere Leistungen des Netzbetreibers, insbesondere sonstige unentgeltliche oder zu einem Vorzugspreis gewährte Finanz- und Sachleistungen sowie Verpflichtungen zur Übertragung von Versorgungseinrichtungen ohne ein wirtschaftlich angemessenes Entgelt dürfen im Konzessionsvertrag nicht vereinbart werden.32 Auf diese Weise soll eine mittelbare Belastung der Ener- betrieb an einen Dritten vergeben oder diesen selbst übernehmen. Im Falle des Wechsels des Konzessionärs ist die Erlangung der notwendigen Verteilungsanlagen durch den neuen Netzbetreiber für den künftigen Netzbetrieb von wesentlicher Bedeutung. Die Endschaftsbestimmungen legen fest, welche konkreten Rechte der Gemeinde bei Auslaufen des Konzessionsvertrages zustehen. Diese Rechte kann die Gemeinde bei der Fremdvergabe an den neuen Netzbetreiber abtreten. gieabnehmer vermieden werden, die entstehen könnte, Im Einzelnen geht es um wenn die Netzbetreiber die an die Gemeinde zu ent- ❚ Versorgungsanlagen, richtenden Zusatzkosten auf den Letztverbraucher um­ wälzen. die Art und den Umfang der Überlassung der ❚ die Bemessungsgrundlage für den Wert der zu überlassenden Anlagen, Folgepflicht und Folgekosten ❚ die Entflechtungskosten sowie Gemeindliche Baumaßnahmen, die im öffentlichen ❚ die der Gemeinde zustehenden Interesse notwendig sind, können Veränderungen an den örtlichen Straßen, Wegen, Plätzen etc. mit sich bringen, die wiederum Änderungen und Sicherungen an bestehenden Energieversorgungsanlagen erfordern. Informationsrechte.33 ❚ Art der Überlassung der Versorgungsanlagen Nach § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG ist der bisherige Nut- Die Ursachen hierfür sind vielfältig und können sowohl zungsberechtigte verpflichtet, seine für den Betrieb der der öffentlichen Hand als auch dem Netzbetreiber Netze der allgemeinen Versorgung im Gemeindegebiet oder Dritten zuzuordnen sein. Aufgrund der finanzi- notwendigen Verteilungsanlagen dem neuen Energiever- ellen Auswirkungen ist es wichtig, im Konzessionsver- sorgungsunternehmen gegen Zahlung einer wirtschaft- trag Regelungen zur Folgepflicht, das heißt, zur Pflicht lich angemessenen Vergütung zu überlassen. In diesem des Netzbetreibers zur Ergreifung der erforderlichen Zusammenhang bereitet unter anderem die Konkreti- Maßnahmen innerhalb einer angemessenen Zeit so- sierung des Wortes „überlassen“ Schwierigkeiten. Bis- wie Regelungen zu den Folgekosten, also den Kosten her ist höchstrichterlich ungeklärt, ob die Formulierung die für den Umbau an den Energieversorgungsnetzen „überlassen“ zwingend nur als Eigentumsübertragung entstehen, aufzunehmen. Bei der vertraglichen Aus- oder auch als Besitzüberlassung, zum Beispiel im Wege gestaltung besteht ein gesetzlich nicht reglementierter der Pacht, verstanden werden kann. Die Gemeinden Verhandlungsspielraum, zur Verteilung der Folgekosten können dieses Problem umgehen, indem sie mit dem existieren keine zwingenden gesetzlichen Vorgaben. Netzbetreiber in der konzessionsvertraglichen End- Denkbar ist eine alleinige Kostentragung seitens eines schaftsbestimmung Vertragspartners oder eine Kostenteilung, wobei die das heißt die Verschaffung des Eigentums am Netz, einen Übereignungsanspruch, vereinbaren. 30 § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KAV. 31 § 3 Abs.1 Satz 1 Nr. 3 KAV. 32 § 3 Abs. 2 KAV. 6/2010 Auslaufende Konzessionsverträge 33 Die Frage des Netzkaufpreises sowie die Thematik der Entflechtungs­ kosten werden in Kapitel 4 ausführlich erörtert. www.dstgb.de 17 ❚ Umfang der Überlassung der Versorgungsanlagen ❚ Der Gemeinde zustehende Informationsrechte Bei einem Wechsel des Konzessionärs muss nach § 46 Beim Auslaufen des Konzessionsvertrages benötigt die Abs. 2 Satz 2 EnWG der bisherige dem neuen Netzbe- Gemeinde umfassende Informationen, um die Konzes- treiber die „für den Betrieb der Netze der allgemeinen sionsvergabe und gegebenenfalls auch die Übernah- Versorgung im Gemeindegebiet notwendigen Vertei- me des Netzbetriebs bewerkstelligen zu können. Dies lungsanlagen“ überlassen. Der Umfang der zu über- beinhaltet unter anderem Daten zur Ermittlung des lassenden beziehungsweise zu übertragenen Anlagen Sachzeitwertes oder des Ertragswertes, Informationen wird im Gesetz nicht näher konkretisiert und kann da- zu möglichen Grundstücksrechten, Netzpläne zur Be- her sehr streitanfällig sein. Dies betrifft beispielsweise urteilung der Entflechtung und Absatzmengen im Ver- Umspannanlagen, Trafos, Mittelspannungsleitungen sorgungsgebiet. Ein funktionierender Informationsfluss oder Durchgangsleitungen. Unklar ist, ob diese auf den vom abgebenden Netzbetreiber sollte durch einen vier neuen Netzbetreiber mit übergehen. Problematisch ist Jahre vor Vertragsende fälligen Informationsanspruch zudem die Einordnung von gemischt genutzten Anla- im Konzessionsvertrag sichergestellt werden, der inhalt- gen, die sowohl der Versorgung von Letztverbrauchern liche Ansprüche zum technischen Mengengerüst und im Gemeindegebiet als auch in anderen Gebieten die- zu allen für die Bestimmung der Ertragswerte erforder- nen; streitig ist etwa, ob die Anlagen „ausschließlich“ lichen Angaben regelt. oder nur „überwiegend“ für die örtliche Verteilung im Ergänzend hierzu wird auf die Musterkonzessions- Gemeindegebiet genutzt werden müssen. Der konzes- verträge hingewiesen, die die meisten kommunalen sionsgewährenden Gemeinde ist daher zu empfehlen, Spitzenverbände mit einzelnen Versorgern beziehungs- bereits im Vorfeld eine klare Vereinbarung über die strei- weise den Landesverbänden der Strom- und Gaswirt- tanfälligen Punkte zu treffen. schaft ausgehandelt haben. IV. Die Wirtschaftlichkeit einer Netzübernahme und ihre Einflussfaktoren Rahmenbedingungen Einige Tätigkeitsfelder, die in Monopolzeiten durch die Die Liberalisierung der Strom- und Gasversorgung und Unternehmen selbst erbracht wurden, werden an Drit- die Einführung einer Regulierung des Netzbereiches haben die Anforderungen an Energieversorgungsunternehmen in den letzten Jahren grundlegend verändert. Der Handel, der Vertrieb und die Erzeugung wurden aus den Monopolsystem in den Wettbewerb überführt. Die Gas- und Stromnetze wurden zunächst einer Kostenregulierung unterzogen. Mit Einführung der Anreizregulierung zum 1. Januar 2009 müssen sich nunmehr die Netzbetreiber einem Effizienzvergleich stellen, was auch hier den Kostendruck erheblich erhöht. Eine effiziente Leistungserbringung ist daher sowohl für den Netzbe- te oder Kooperationsgesellschaften ausgelagert. Soweit sich Kommunen entschließen, im Rahmen einer Netzübernahme als Netzbetreiber und gegebenenfalls auch Energielieferant tätig zu werden, so ist daher von vornherein die Einbeziehung eines leistungsfähigen Partners beim Unternehmensaufbau in Betracht zu ziehen. Der Neuaufbau eines kommunalen Energieversorgungsunternehmens ohne Einbeziehung eines Dritten dürfte nur noch im Ausnahmefall gelingen. Machbarkeitsstudie trieb als auch für die wettbewerblich organisierten Be- Vor der Entscheidung einer Kommune über eine Netzü- reiche Handel, Vertrieb und Erzeugung unabdingbar. bernahme ist unbedingt eine Machbarkeitsstudie durch- Den sinkenden Margen im Netzbetrieb und Handel/ zuführen, in der die Wirtschaftlichkeit geprüft wird und Vertrieb stehen gestiegene Anforderungen auf Grund die Chancen und Risiken ermittelt werden. Bestandteile des wettbewerblichen Marktumfeldes sowie des Drucks einer Machbarkeitsstudie sind: seitens des Regulierers gegenüber. Bereits bestehende ❚ Energieversorgungsunternehmen gehen daher zunehmend Kooperationen ein, um Kosten einzusparen und den gestiegenen Anforderungen gerecht zu werden. 18 www.dstgb.de näherungsweise Ermittlung des voraussichtlichen Netzkaufpreises, ❚ Abschätzung der Ingangsetzungsaufwendungen, insbesondere der Kosten für die Netzentflechtung, Auslaufende Konzessionsverträge 6/2010 ❚ Ermittlung der zu erwartenden Betriebskosten, Probleme bereiten hierbei vielfach gemischt genutzte ❚ mögliche Kooperationen und die dazugehörenden Anlagen, die sowohl für die Versorgung der betreffenden Geschäftsmodelle. Gemeinde als auch des Umlandes benötigt werden. In der Vergangenheit wurden die Netze meistens bis auf Auf Basis dieser Einzelelemente wird zunächst eine Ge- wenige, zentrale Übergabestellen aufgetrennt. Dies hat- winn- und Verlustrechnung erstellt, bei der neben den te zur Folge, dass zum Teil in erheblichem Umfang neue zu erwartenden Netzentgelten auch die Chancen und Leitungen und andere Anlagen gebaut werden muss- Risiken einer Netzübernahme dargestellt werden. Das ten, um eine sichere und tragfähige Versorgung wieder Hauptrisiko einer Netzübernahme ist regelmäßig der herzustellen. Die Gestaltung der Netzentflechtung war Kaufpreis für das Netz, bei dem Verkäufer und Käufer daher zwischen den Parteien oft strittig. Streitpunkte bil- regelmäßig erheblich voneinander abweichende Vor- deten hierbei die Frage, welche Anlagen an den Netz- stellung besitzen. übernehmer übergehen beziehungsweise beim bishe- Im Rahmen einer Netzübernahme gehen die Lieferverhältnisse nicht auf den Netzübernehmer über, rigen Netzbetreiber verbleiben und wer die Kosten für sondern verbleiben vielmehr bei dem bisherigen Lie- die notwendigen Neubaumaßnahmen trägt. feranten. Die Kommune muss sich daher überlegen, Im Interesse aller Beteiligten ist es grundsätzlich ob sie neben den reinen Netzbetrieb auch im Vertrieb sinnvoll, dass die Netzentflechtungskosten möglichst tätig werden will. Die Zunahme des Vertriebsgeschäftes niedrig gehalten werden. Dies lässt sich vorzugswei- kann bei sorgfältiger Vorgehensweise zusätzliche Mar- se dadurch erreichen, dass vor der Netzübernahme gen generieren und so wirtschaftlich vorteilhaft sein. gemischt genutzte Leitungen und Anlagen auch nach Allerdings ist hier besonders auf eine risikoarme Ge- der Netzübernahme von beiden Netzbetreibern genutzt staltung des Geschäftes zu achten, was zwingend eine werden können. Die Abgrenzung der Versorgungsge- Kooperation mit anderen bestehenden Unternehmen biete erfolgt hierbei über eine sogenannte messtech- erfordert. nische Entflechtung, das heißt für den Einbau von Je nach örtlicher Situation kann auch die Einbezie- Messungen an den Zuständigkeitsgrenzen. Bei dieser hung weiterer Tätigkeitsfelder aus Sicht der Kommune Gestaltung ist eine Kooperation von beiden betroffenen interessant sein. Typische Beispiele sind die Straßenbe- Netzbetreibern erforderlich. Die Verantwortung für den leuchtung, die Wasserversorgung, die Abwasserbesei- Netzbetrieb gemischt genutzter Anlagen und Leitungen tigung, Nah- oder Fernwärmeversorgung, erneuerbare fällt hierbei einem der beiden Netzbetreiber zu, der an- Energien und sonstige energienahe Dienstleistungen. dere erhält eine Art Mitbenutzungsrecht in Form zum Im Zusammenhang mit typischen verlustbehafteten Tä- Beispiel der Bereitstellung einer gesicherten Leistung. tigkeiten wie dem Verkehr und Bädern kann darüber In diesen Fällen muss der Netzbetrieb zwischen beiden hinaus der steuerliche Querverbund wirtschaftlich vor- Netzbetreibern koordiniert werden. teilhaft sein. Gemischt genutzte Leitungen Netzentflechtung und Netzeinbindung UW Nachbar Gemischt genutzte Leitungen Ortsnetzstationen Strom- und Gasversorgungsnetze sind in der Regel Ge- 11 Ortsnetzstationen Ortsteil meindegrenzen übergreifend geplant. Im Rahmen einer Netzübernahme stehen die Beteiligten, das heißt der Ausschließlich für die Gemeinde genutzte Leitungen Umspannwerk 1 3 1 Mess. 3 Schaltwerk Umland abgebende und der aufnehmende Netzbetreiber, vor der Aufgabe, die Netze soweit zu trennen, das klare Zuständigkeitsgrenzen geschaffen wer- 2 2 Umspannwerk 2 den. Dieser Vorgang wird als Netzentflechtung bezeichnet. 6/2010 Auslaufende Konzessionsverträge www.dstgb.de 19 Gestaltung Optimierte Messlösung flechtung Netzentund sich auch bei Vertragsende UW Nachbar Mittelspannungsmessungen hier kooperativ zeigen muss. Niederspannungsmessungen Unbedingt zu vermeiden sind Regelungen, dass die Ortsteil Kommune nur diejenigen Leitungen übernehmen darf, Umspannwerk 1 die ausschließlich der Ver- 1 Mess 3 sorgung des Gemeindege- Schaltwerk Umland 2 der mitwirken bietes dienen. Netzkaufpreis 2 Umspannwerk 2 Aufgrund der unterschied- 2 Mess lichen Interessenlagen des abgebenden und des aufnehmenden Netzbetreibers Vielfach verweigern die bisherigen Konzessionsneh- beinhaltet die Frage des Netzkaufpreises ein erhebliches mer die Herausgabe gemischt genutzter Anlagen und Streitpotenzial. Hinzu kommt, dass die rechtlichen Rah- Leitungen an den Übernehmer oder aber fordern um- menbedingungen für die Kaufpreisbestimmung in ho- fangreiche Leitungsneubauten, deren Kosten vom hem Maße auseinanderfallen. Zu beachten sind hierbei Übernehmer getragen werden sollen. In beiden Fällen insbesondere folgende Regelungen: entstünden dem Netzübernehmer erhebliche Zusatz­ ❚ kosten, die sich spürbar negativ auf die Wirtschaftlichkeit einer Netzüber­nahme auswirken können und letztendlich zu Lasten der betroffenen Verbraucher gingen. In den Netzübernahmeverhandlungen ist daher auf eine kostengünstige Netzentflechtung unbedingt zu achten. Endschaftsbestimmungen im alten Konzessionsvertrag, ❚ das sogenannte Kaufering-Urteil des BGH vom 16. November 1999, KZR 12/97, ❚ die regulatorischen Vorgaben der Anreizregulierungsverordnung (ARegV) unter Einbeziehung der Sollte hier kein tragfähiger Kompromiss auf den Ver- Netzentgeltverordnungen Strom und Gas. handlungswege erreichbar sein, muss gegebenenfalls die Regulierungsbehörde eingeschaltet oder andere Die abgebenden Netzbetreiber fordern regelmäßig als rechtliche Schritte eingeleitet werden. Kaufpreis den sogenannten Sachzeitwert, der auch in Konzessionsverträgen vielen Konzessionsverträgen als Endschaftsbestim- sollte unbedingt darauf geachtet werden, dass der mung enthalten ist. Der Sachzeitwert beruht auf der neue Konzessionsnehmer bei einer kostengünstigen Vorstellung, dass das vorhandene Netz fiktiv neu er- In neuabzuschließenden Ineffiziente Lösung: Leitungsneubau MS-Messungen Ortsnetzstationen 1 km Umspannwerk 1 Trennung 3 2 km Leitungsneubau 8 km 2 1 km Umspannwerk 2 20 2 km 2 www.dstgb.de Schaltwerk Umland stellt wird. Das Alter der vorhandenen Anlagen wird dahingehend berücksichtigt, dass auf diese fiktiven Neuerstellungskosten Abschreibungen vorgenommen werden. Hierbei werden regelmäßig relativ lange Nutzungsdauern zugrunde gelegt. Es ist nicht verwunderlich, dass die Vorstellung einer fiktiven Neuerstellung eines vorhandenen Netzes erhebliche Interpretationsspielräume beinhaltet, die Auslaufende Konzessionsverträge 6/2010 Hintergrund für diese Vorgabe ist, dass Netze, die einmal durch die Netzentgelte refinanziert wurden, nicht erneut in die Netzkosten eingerechnet werden dürfen. Endschafts­ bestimmungen Konzessions­ vertrag KauferingUrteil Der Netzkaufpreis ist daher für die Netzentgeltkalkulation vollständig unerheblich, es kommt allein auf die ursprünglichen Anschaffungs- und Herstellungskosten an, die der bisherige Netzbetreiber in seiner Anlagenbuch- Netz­kaufpreis haltung festgehalten hat (sogenannter kalkulatorischer Restwert). Der kalkulatorische Restwert ist daher für die Ertragsmöglichkeiten des übernehmenden Netzbetrei- kalkulatorische Kosten NEV / ARegV Erlösübertragung § 26 (2) ARegV bers von entscheidender Bedeutung. Der Ertragswert eines Netzes bestimmt sich daher unter dem Regime der nach dem Kaufering-Urteil eingeführte Netzentgeltregulierung in hohem Maße durch den kalkulatorischen Restwert. Diese Betrachtung wird lediglich dadurch modifiziert, dass im Rahmen der Anreizregulierung eine große Bandbreite bei der Sachzeitwertberechnung in bestimmten Konstellationen für einen begrenzten zur Folge hat. Die Vorstellung von Käufer und Verkäufer Zeitraum der Netzübernehmer die Netzentgelte nicht können alleine in der Höhe des Sachzeitwertes um den kosten­orientiert bildet, sondern eine Erlösaufteilung zwi- Faktor 2 und mehr divergieren. schen dem alten und dem neuen Netzbetreiber nach Der BGH hat in seinem oben genannten KauferingUrteil festgelegt, dass der Sachzeitwert zwar grundsätz- dem § 26 Absatz 2 der ARegV vorgenommen wird. Der Sachzeitwert lich als Netzkaufpreis zulässig ist. Wenn er jedoch den und der kalkulatorische Ertragswert erheblich übersteigt, so ist der Kaufpreis auf Restwert fallen zum Teil den Ertragswert zu reduzieren. Hintergrund für die Ent- erheblich scheidung ist, dass der Netzkaufpreis keine prohibitive Maßgeblich hierfür ist der Wirkung entfalten darf, das heißt, der Wechsel eines Umstand, dass bei einer Konzessionsnehmers, darf nicht durch einen zu hohen fiktiven Neuerstellung ten- Kaufpreis behindert werden. Wie der Ertragswert im denziell erheblich höhere Detail ermittelt wird, hat der BGH in seinem Urteil aus Kosten anfallen als bei dem Jahre 1999 weitgehend offen gelassen und hier der historischen Erstellung auf die übliche Praxis bei Unternehmensbewertungen und auch regelmäßig nicht alle Herstellungskosten im verwiesen. Rahmen der Anlagenbuchhaltung aktiviert wurden. In auseinander. Der Gesetzgeber hat im Jahre 2005 durch die der überwiegenden Zahl der Fälle liegt daher der Sach- Novellierung des Energiewirtschaftsrechtes mit Ein- zeitwert erheblich über dem kalkulatorischen Restwert. führung der Regulierung die Rahmenbedingungen für Netzwert [%] die erzielbaren Erlöse eines Netzbetreibers erheblich verändert. Er hat klar festgelegt, dass im Rahmen der Anschaffungskosten 100 Netzentgeltkalkulation ausschließlich die ursprüng- Tagesneuwert (fiktive Neuerstellung) 140 - 200 Kalkulatorischer Restwert (AHK) 40 - 55 Sachzeitwert (fiktive Neuerstellung) 50 - 120 lichen Anschaffungs- und Herstellungskosten und die sich hieraus abgeleiteten sogenannten kalkulatorischen Restwerte maßgeblich sind.34 Sofern ein Netz zwischen der ursprünglichen Errichtung und dem Zeitpunkt der Netzentgeltkalkulation den Eigentümer gewechselt hat, Abbildung 1: Typische Bandbreite für Anschaffungs­ kosten, Tagesneuwerte, kalkulatorischer Restwert und Sachzeitwert so ist das für die Netzentgeltkalkulation unerheblich: Es darf nicht zu einem sogenannten Wiederaufleben von Bei konsequenter Interpretation des Kaufering-Urteils ist Abschreibungen kommen. es nur schwer vorstellbar, dass der Ertragswert erheblich vom kalkulatorischen Restwert abweicht. Die Zulässig- 34 Vgl. hierzu bereits III., Unterpunkt „Grenzen der Refinanzierung des Netzkaufs“. 6/2010 Auslaufende Konzessionsverträge keit des Sachzeitwertes als Netzkaufpreis erscheint vor diesem Hintergrund für die Zukunft mehr als fraglich. www.dstgb.de 21 V. Beispielberichte der Kommunen zum Thema Konzessionsvergabe Um den Städten und Gemeinden, denen die Konzessi- beteiligt werden können beziehungsweise das Stromnetz onsvergabe noch bevorsteht, einen Einblick in die Ver- selbst übernehmen könnten. gabepraxis geben zu können, werden an dieser Stelle Eine „große Stromrunde“ – auf der Ebene der einige Beispielberichte aus der kommunalen Praxis vor- Haupt­verwaltungsbeamten der Stadt Nordhorn, Ge- gestellt. Sie stellen einen Ausschnitt aus der Bandbreite meinde Wietmarschen, der Samtgemeinde Uelsen und möglicher Lösungen dar und können als Orientierungs- der Samtgemeinde Emlichheim sowie örtlicher Versor- hilfe dienen. Eines ist dabei klar: Diese Fälle aus der gungsunternehmen gebildet – fungierte als zusätzliches Praxis spiegeln einige mögliche Lösungskonzepte wider. Forum zur Bündelung der Interessen der Kommunen, Letztlich kann immer nur vor Ort entschieden werden, deren Konzessionsverträge zeitnah auslaufen. Es sollte wie der Netzbetrieb künftig aussehen soll und welche auf diesem Wege auch nach Möglichkeiten für gemein- Ziele dabei im Vordergrund stehen sollen. same Lösungen gesucht und abgestimmtes Handeln der Gemeinden realisiert werden. Diesbezüglich wurden 1. Konzessionsvergabe der Samtgemeinde Emlichheim an die Nordhorner Versorgungsbetriebe GmbH (nvB GmbH) zwei externe Unternehmen eingeschaltet, die sich mit Die niedersächsische Samtgemeinde Emlichheim, an veranstaltungen stand die Frage, ob eine Rekommu- der deutsch-niederländischen Grenze im Landkreis nalisierung der Stromversorgung in der Samtgemeinde Grafschaft Bentheim gelegen, besteht aus den Gemein- Emlichheim angestrebt werden sollte. In diesem Falle den Emlichheim, Hoogstede, Laar und Ringe. Sie hat lägen den Gemeindehaushalten zum einen zusätzliche rund 14 250 Einwohner. Einnahmequellen vor und zum anderen eine Steigerung Am 31. Dezember 2009 sind die Stromkonzessions- der Bewertung der Stromnetze befassten. Im Mittelpunkt der Beratungen und Informations- der Einflussmöglichkeiten auf die Stromversorgung. verträge zwischen den Mitgliedsgemeinden der Samtge- Die Grundüberlegungen der Verwaltung der Samt- meinde Emlichheim und der RWE Energie AG ausgelau- gemeinde Emlichheim stellten sich schließlich wie folgt fen. Dieser Umstand sowie die Mitteilung, dass ein neuer dar: Konzessionsvertrag für die Stromversorgung mit einer 1 | Die von RWE, EWE und nvb angebotenen Laufzeit von 20 Jahren geschlossen werden soll, wurde Konzessionsverträge sind sich so ähnlich und im Bundesanzeiger und in den Grafschafter Nachrich- flexibel, dass „aus allen das Beste“ für die Ge- ten bekannt gegeben. Die Energieversorgungsunterneh- meinden vereinbart werden kann. men wurden aufgefordert, ihr Interesse zum Abschluss 2 | Eine kommunale Beteiligung am Netzgeschäft eines Konzessionsvertrages bis zum 31. Oktober 2007 ist wünschenswert; aufgrund der daraus resul- zu bekunden. tierenden Gemeindeeinnahmen und den ge- Daraufhin wurde von folgenden drei Energieversor- steigerten Einflussmöglichkeiten. gungsunternehmen Interesse bekundet, einen neuen 3 | Von der Gründung einer eigenen Netzgesell- Konzessionsvertrag mit den Mitgliedsgemeinden ab- schaft sollte abgesehen werden; aufgrund des schließen zu wollen. fehlenden energiewirtschaftlichen Know-hows, 1 | RWE Westfalen-Weser-Ems-AG, Dortmund fehlenden Verwaltungskapazitäten, den vor- 2 | Nordhorner Versorgungsbetriebe GmbH handenen Risiken des Netzgeschäftes und der (nvb GmbH), Nordhorn 3 | EWE Netz GmbH, Oldenburg geringen Betriebsgröße. 4 | Die Mitgliedsgemeinden der Samtgemeinde In ersten Gesprächen stellten sich die Bewerber zu- Emlichheim sollten sich auf eine gemeinsame nächst bei den Bürgermeistern sowie der Verwaltung Lösung verständigen, um eine Zersplitterung der Mitgliedsgemeinden vor. In diesen Informationsver- des Stromnetzes zu vermeiden. anstaltungen sollte unter anderem geklärt werden, in- Von diesen Überlegungen ausgehend, schlug die wieweit die Mitgliedsgemeinden am Stromnetzgeschäft Ver­waltung im weiteren Verlauf des Verfahrens den 22 www.dstgb.de Auslaufende Konzessionsverträge 6/2010 Abschluss des Stromkonzessionsvertrages mit der nvb Die wesentlichen Änderungen, die auch maßgeblich die GmbH vor. Als Grundvoraussetzung galt dabei, dass der Entscheidung für die nvb GmbH bedingten, sind im Fol- Vertrag so auszugestalten ist, dass für die Gemeinde Em- genden aufgelistet. lichheim die günstigsten Bedingungen – im Vergleich zu den Angeboten der Mitbewerber RWE und EWE – erreicht werden. Dementsprechend wurden die jeweiligen günstigeren Bedingungen, die von RWE und EWE angeboten wurden, mit in den Konzessionsvertrag zwischen Emlichheim und der nvb GmbH übernommen. Aufgrund der Wettbewerbssituation zwischen den Interessenten war schließlich eine für die Samtgemeinde Emlichheim sehr vorteilhafte Gestaltung des Konzessionsvertrages möglich. 1. Folgekostenregelung Im Gegensatz zu den bisherigen Regelungen wird die nvb GmbH künftig die Kosten bei Veränderungen der Stromverteilungsanlagen (Umlegung, Änderung, Entfernung), die durch Maßnahmen der Gemeinde bedingt sind, in voller Höhe tragen. Bisher galt die Regelung, dass bei Maßnahmen innerhalb der ersten zehn Jahre nach Errichtung oder wesentlicher Veränderung der Versorgungsanlagen die Gemeinde die entstehenden Kosten zur Hälfte, in den darauf folgenden 30 Jahren zu Die vertraglich ausgehandelten Konzessionsabga- einem Drittel und ab dem 40. Jahr zu einem Zehntel zu ben entsprechen den gesetzlichen Höchstsätzen. Die tragen hatte. Hier ergab sich eine deutliche Verbesse- Beteiligung der Samtgemeinde Emlichheim an der nvb rung gegenüber der bisherigen Regelung. GmbH läuft über die Muttergesellschaft bnn GmbH, an der sie mit etwa zwölf Prozent Mitgesellschafter ist. Die nvb GmbH führt ihre Gewinne an die bnn GmbH ab. Von dort aus werden sie an die Gesellschafter ausgeschüttet. Gleichzeitig wird über die bnn GmbH eine steuerlich wirksame Verrechnung der Verluste aus dem Hallenbad der Samtgemeinde Emlichheim mit den Gewinnen der nvb GmbH erreicht. Der steuerliche Vorteil wird an die Samtgemeinde Emlichheim ausgeschüttet. Die Samtgemeinde Emlichheim ist im Aufsichtsrat der bnn GmbH und im Aufsichtsrat der nvb GmbH, die Mitgliedsgemeinden in der Gesellschafterversammlung der bnn GmbH und der nvb GmbH vertreten, so dass auf diesem Wege Einfluss auf die Geschäftsführung ge- 2. Abschlagszahlungen Der von der nvb GmbH vorgelegte Vertragsentwurf ent­hielt gegenüber der RWE WWE AG schlechtere Bedingungen hinsichtlich der unterjährig zu leistenden Abschlagszahlungen. Die nvb GmbH hatte zunächst nur etwa 50 Prozent der zu erwartenden Konzessionsabgaben als laufende Abschlagszahlung angeboten, während der Rest erst mit der Abrechnung im Folgejahr ausgezahlt werden sollte. Nach der Vertragsänderung durch eine dem Vertragsentwurf der RWE WWE AG gleichende Vertragsklausel erhält die Samtgemeinde Emlichheim nun 90 Prozent der zu erwartenden Konzessionsabgaben unterjährig. 3. Eigentumsübergang bei Endschaft nommen werden kann. Die Samtgemeinde und damit indirekt auch die Im Gegensatz zum Vertragsentwurf der RWE WWE AG Mitgliedsgemeinden tragen dementsprechend aber war die Möglichkeit des Eigentumsübergangs nach auch das Risiko eines zwölf Prozent-Minderheitsgesell- Ablauf des Konzessionsvertrages nicht vorgesehen. schafters einer GmbH. Die GmbH als juristische Person Vielmehr wurde offen gelassen, ob die Versorgungsan- schirmt zwar grundsätzlich die Verluste gegenüber den lagen nur zur Nutzung überlassen werden sollten oder Gesellschaftern ab, aber es würde bei wirtschaftlichen Problemen der nvb GmbH zu Verminderungen oder Wegfall der Gewinnausschüttungen sowie zu einer Wert- ob das Eigentum übergehen sollte. Nunmehr erhält die Gemeinde Emlichheim beziehungsweise ein übernehmender Dritter das Recht, die Eigentumsübertragung minderung der Beteiligung kommen. Im Rahmen von bei Ablauf des Konzessionsvertrages zu verlangen. Sanierungskonzepten könnten unter Umständen auch 4. Übernahmeentgelt bei Endschaft weitere Gesellschafterbeiträge gefordert werden. Der Vertragsentwurf der RWE WWE AG sah im Gegen- Den abschließend satz zum ursprünglichen Entwurf der nvb GmbH vor, stimmten der Rat der Gemeinde Emlichheim sowie der dass der Kaufpreis des übergehenden Stromnetzes bei übrigen Mitgliedsgemeinden dafür, dass der Stromkon- Ablauf des Konzessionsvertrages der Höhe nach durch zessionsvertrag ab dem 1. Januar 2010 mit der Nordhor- den Ertragswert nach den Grundsätzen des so genann- ner Versorgungsbetriebe GmbH (nvb GmbH) mit einer ten „Kaufering“-Urteils des Bundesgerichtshofes be- Laufzeit von 20 Jahren abgeschlossen wird. Die Strom- grenzt wird. Eine dem Vertragsentwurf der RWE WWE konzessionierungsverträge wurden unterschrieben. AG vergleichbare Vertragsklausel wurde aufgenommen. 6/2010 Konzessionsvergabeprozess Auslaufende Konzessionsverträge www.dstgb.de 23 5. Herausgabe von Unterlagen kommunalen Infrastruktur-Unternehmens, das später Wie im Vertragsentwurf der RWE WWE AG vorgesehen, auch im Bereich Telekommunikation – was die Netze wurde nun auch die nvb GmbH verpflichtet, zwei Jah- angeht – tätig sein soll. re vor Ablauf des Konzessionsvertrages ein detailliertes Mengengerüst zur Verfügung zu stellen, damit ein potenzieller Übernehmer eine Bewertung des Netzes zur Kaufpreisfindung vornehmen kann. 6. Sonderkündigungsrecht Die Gemeinde hat einmalig zum 31. Dezember 2013 die Option, den Konzessionsvertrag durch Sonderkündigung zu beenden. Die Sonderkündigung muss spätestens bis zum 31. Dezember 2012 ausgesprochen werden und steht unter der auflösenden Bedingung, dass die nvb GmbH bis zum 31. Dezember 2012 einen in vergleichbarer Weise konzipierten Stromkonzessionsvertrag mit der Stadt Nordhorn abgeschlossen hat. Ein Sonderkündigungsrecht zum Ende des Jahres 2013, obwohl der Konzessionsvertrag der Stadt Nordhorn mit der RWE WWE AG bereits am 31. März 2013 abläuft, ist aus Sicht der Verwaltung vertretbar, um gegebenenfalls eine reibungslose Übernahme zu ermöglichen. 2. Dokumentation zum Thema Übernahme des Strom- und Gasnetzes in Landsberg am Lech: 1 | Ausgangslage: Landsberg am Lech ist eine Große Kreisstadt mit rund 28 000 Einwohnern und liegt in Oberbayern. Die Konzession für das Stromnetz hat im Kernstadtgebiet (23 000 Einwohner) seit 1969 die Firma 3 | Bei den ersten verwaltungsinternen Diskussionen wurde schnell klar, dass eine Diskussion über die Netze allein zu kurz springt. Bei der Netzübernahme stellt sich faktisch auch die Frage des Vertriebs, auch wenn Netz und Vertrieb inhaltlich zu trennen sind. 4 | Im November 2008 hat der Stadtrat beschlossen, den Erwerb des Strom- und des Gasnetzes anzustreben. Diese einstimmige Entscheidung (also mit CSU, SPD, Grünen und Freien Wählergruppen) war Grundlage des weiteren Vorgehens. Im Zusammenhang mit dieser Entscheidung war zu prüfen, ob eine Partnerschaft mit einem privaten oder mit einem kommunalen Partner in Betracht kommt. Diese Frage kann nicht generell beantwortet werden. Die Stadt Landsberg am Lech verfügt über die Voraussetzungen, die einen Verzicht auf formelle Partnerschaft ermöglichen. Diese sind: bereits jetzt gut aufgestellte Stadtwerke, einen überaus engagierten Werkleiter, eine positive Bevölkerungs- und Wirtschaftsentwicklung und eine kompakte Stadtstruktur. 5 | Neben der Entscheidung zur Netzübernahme hat der Stadtrat auch die Weichen für die Unternehmensstruktur der Stadtwerke gestellt. Aus einem Eigenbetrieb wurden zum 1. Januar 2010 das Kommunalunternehmen Stadtwerke. EWL, eine Tochter der Firma LEW, diese wiederum eine 6 | Die Verhandlungen mit dem bisherigen Net- Tochter der RWE. Der Konzessionsvertrag ist im Novem- zinhaber gestalten sich schwierig. Es gibt eine Fülle ber 2009 ausgelaufen. rechtlich und technisch schwieriger Fragen. Verzögert Der Konzessionsvertrag in vier dörflichen Stadtteilen haben sich die Verhandlungen auch dadurch, dass erst (Partner ist LEW) läuft Ende 2011 aus, der Konzessions- 2010 ein Leitfaden der Bundesnetzagentur zur Vorge- vertrag im Bereich Gas (Partner ist Erdgas Schwaben / hensweise bei Netzübernahmen herauskam, der die Thüga-Gruppe) endet Ende 2010. bis dahin bereits laufenden Verhandlungen und auch ein vorhergehendes Gutachten zum Wert des Netzes 2 | Welche Überlegungen waren ausschlagge- überholte, das heißt, überflüssig machte. Zum anderen bend, einen Erwerb der Netze in Erwägung zu zie- ist nicht zu verkennen, dass der bisherige Netzinhaber hen? Hier war die schlichte Überlegung maßgebend, kein Interesse hat, die Verhandlungen zu beschleuni- dass bei jedem Kauf zum Beispiel eines Farbkopierers gen. Dies alles hat dazu geführt, dass die angestrebte nach Haushaltsrecht mehrere Angebote einzuholen Netzübernahme zum 1. Januar 2010 nicht erfolgen sind. Dann müssen umso mehr bei einer millionen- konnte und jetzt für den 1. Januar 2011 vorgesehen schweren Entscheidung Alternativen geprüft werden. ist. Nachdem aber die Strukturen für den Vertrieb be- Bei der Prüfung von Alternativen ist ein wichtiger reits aufgebaut worden sind, gehen die Stadtwerke ab Gesichtspunkt, dass Kommunen einen Versorgungs- 1. April 2010 in den Vertrieb von „Stadtstrom“, dies auftrag haben und im Gegensatz zu privatwirtschaft- ist 100-prozentiger Ökostrom, der noch dazu fünf bis lichen Engagement eine Orientierung am Gemeinwohl zehn Prozent günstiger ist als der Strom des bisherigen zu erfolgen hat. Über allem steht die Vision eines Netzinhabers. 24 www.dstgb.de Auslaufende Konzessionsverträge 6/2010 7 | Zusammenfassung und Lehren aus dem handelt sich um ein Unternehmen mit kommunaler Be- bisherigen Prozess: teiligung. Mehrheitsanteilsinhaber ist die Stadt Euskir- • Die Diskussionen zur Übernahme der Netze chen mit 50,0003 Prozent der Kapitalanleihe. Weitere sind schwierig und können nicht früh genug Anteilsinhaber sind die Rheinische Energie AG (rhenag, begonnen werden. Der Zeitraum von zwei Köln) sowie die Städte Rheinbach und Bornheim aus Jahren, der sich aus der Pflicht zur Veröf- dem Rhein-Sieg-Kreis. Diese Kommanditisten erhalten fentlichung im Bundesanzeiger ergibt, reicht anteilig Gewinnausschüttungen. Die Stadt Euskirchen oft nicht aus. unterstützt mit diesen finanziellen Mitteln im Wesent- • Es wird dringend die Inanspruchnahme lichen ihren ÖPNV. Der Bürgermeister Euskirchens ist kompetenter Berater empfohlen, sowohl im zudem Aufsichtsratsvorsitzender der Regionalgas Eus- juristischen Bereich als auch für Fragen der kirchen GmbH & Co. KG. Die Gemeinde Nettersheim ist unternehmerischen Struktur. keine Mitgesellschafterin. Die Regional­gas Euskirchen • Durch ein gut aufgestelltes Kommunalunter­ nehmen Stadtwerke Landsberg am Lech Energieversorgungsunternehmen gegenüber. (bisher 60 Mitarbeiter, Bilanzsumme rund Im Jahre 2008 wurde der Konzessionsvertrag mit 60 Millionen Euro, Umsatz acht Millionen dem Gasversorgungsunternehmen vorzeitig um 20 Jah- Euro) ist die unternehmerische Basis vor- re bis zum Ablauf des 29. Januar 2028 verlängert. Es handen für versorgungswirtschaftliche Be- gab keine weiteren Bewerber auf die Konzession. tätigung (Wasser- und Wärmeversorgung, GmbH & Co. KG tritt der Gemeinde somit als externes Der Konzessionsvertrag für Strom mit der Kreis- Stromerzeugung, später Gas und IT/TK). Energie-Versorgung Schleiden GmbH, die in der Nach- • Die Voraussetzungen für Rekommunali- bargemeinde Kall angesiedelt ist, läuft noch bis zum sierung der leitungsgebundenen Energie- 31. Dezember 2012. Bereits zum jetzigen Zeitpunkt versorgung in Landsberg am Lech müssen sind sich beide Vertragsparteien einig, spätestens im stimmig sein. Hierzu gehört nach meiner Jahre 2011 Verlängerungsverhandlungen aufzuneh- Überzeugung eine positive Entwicklung von men. Das Prozedere der Konzessionsvergabe ist von Bevölkerung und Wirtschaft. Seiten der Gemeinde Nettersheim in gleicher Weise • Rekommunalisierung von Strom und Gas angedacht, wie bei der Verlängerung des Gas-Konzes- gewährleisten „Versorgung aus einer Hand“ sionsvertrages. Auf diesem Wege ist es der Gemeinde und sind Grundlage für synergetische möglich, unmittelbar aus ihren jüngsten Erfahrungen Organisation. bei der Konzessionsvergabe zu profitieren. • Bürger und Kunden profitieren von Rekom- Korrektiv und bewirkt, dass Kunden von 4. Neukonzessionierung des bisherigen (Gemeinschaftsstadtwerke-)Partners am Beispiel der Stadt Ulm Preis-, Qualitäts- und Servicewettbewerb Die Stadt Ulm liegt in Baden-Württemberg am südöst- profitieren. Über den steuerlichen Querver- lichen Rand der schwäbischen Alb an der Grenze zum bund können Verlustträger (Freibad usw.) Freistaat Bayern. Die Donau trennt dabei die Stadt Ulm entlastet werden. von Neu-Ulm auf der bayerischen Seite. Beide Städte munalisierung; Energieversorgung unter kommunaler Führung ist wettbewerbliches bilden ein länderübergreifendes Doppelzentrum mit 3. Verlängerung des Konzessionsvertrages in Nettersheim im Gasbereich/Pläne im Strombereich etwa 170 000 Einwohnern. Die Gemeinde Nettersheim gehört zum Landkreis Eus­ SWU (Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm GmbH). Der Vertrag kirchen im Süden des Landes Nordrhein-Westfalen und bestand vom 30. Dezember 1982 bis zum 31. Dezem- hat rund 8000 Einwohner. Die Betreibung der Gas- und ber 2002. Elektrizitätsnetze im Gemeindegebiet erfolgt durch im Kreisgebiet ansässige Versorgungsunternehmen. Bisheriger Konzessionsnehmer für die Versorgung mit Energie (Strom, Erdgas und Trinkwasser) war die Entsprechend dem EnWG vom 24. April 1998 wurde das nahende Vertragsende am 31. August 2000 Das von der Gemeinde Nettersheim konzessio- bekannt gemacht. Die Bewerbungsfrist wurde auf den nierte Gasversorgungsunternehmen ist die Regionalgas 30. September 2001 festgesetzt. Der einzige Bewerber Euskirchen GmbH & Co. KG mit Sitz in Euskirchen. Es war jedoch die SWU Energie GmbH. 6/2010 Auslaufende Konzessionsverträge www.dstgb.de 25 Der neue Konzessionsvertrag wurde im Wesentlichen Wirtschaftsplan der SWU für das laufende Jahr fest- auf Grundlage des Altvertrages und eines Musterver- gelegten Konzessionsabgabe als Abschlagszahlung trages des Deutschen Städtetages erarbeitet. Nach der entrichtet. Ausarbeitung des Vertrages wurde eine gutachtliche Sollten gesetzliche oder behördliche Anordnungen Stellungnahme eines Wirtschaftsprüfers zum Vertrags- die Zahlungen der Konzessionsabgabe in der bei Ab- entwurf eingeholt, die dem Gemeinderat entsprechend schluss des Vertrages festgelegten Höhe nicht mehr der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg vor der zulassen oder die steuerliche Anerkennung ganz oder Beschlussfassung vorlag. teilweise ausschließen, treten beide Parteien sofort in Der neue Konzessionsvertrag mit der SWU wurde Verhandlungen ein, um einen wirtschaftlichen Aus- am 1. Januar 2003 für die maximal zulässige Laufzeit gleich für die der Stadt entgehenden Konzessionsabga- von 20 Jahren abgeschlossen. ben – soweit gesetzlich zulässig und für die SWU wirt- Rechtliche Probleme aufgrund des länderüber- schaftlich zumutbar – herbeizuführen. greifenden Konzessionsgebietes gab es nicht, da beide In Falle unvermeidbarer Betriebseinschränkungen Städte einen eigenen, wortgleichen Konzessionsvertrag genießen die Stadt zur Aufrechterhaltung ihrer der mit der SWU abgeschlossen haben. Allgemeinheit dienenden Einrichtungen und andere selbstständige Einrichtungen, die der Allgemeinheit die- ❚ Wesentliche Punkte des Konzessionsvertrages nen, soweit tatsächlich möglich und rechtlich zulässig, In der Präambel des neuen Konzessionsvertrages steht vor anderen Kunden innerhalb des Versorgungsgebiets unter anderem, dass sich die SWU dazu verpflichtet, den Vorzug. bei der Aufstellung, Fortschreibung und Umsetzung Die Endschaftsbedingungen sehen vor, dass bei des kommunalen Energiekonzeptes mit der Stadt zu- keiner Fortsetzung des Vertrages die Stadt berechtigt sammenzuarbeiten. So soll ein Beitrag zu einer umwelt- ist, von der SWU das Versorgungsnetz zu übernehmen schonenden Energie- und Trinkwasserversorgung im beziehungsweise ist auf Verlangen der SWU zur Über- Versorgungsgebiet geleistet werden. nahme verpflichtet. Diese Klausel betrifft jedoch nur das Bei Lieferungen an die Stadt gewährt die SWU alle Vorteile, die nach den jeweils geltenden konzessionsab- Versorgungsnetz im Stadtgebiet – Durchgangsleitungen werden nicht übernommen. gaben- und steuerrechtlichen Bestimmungen zulässig Ist die Stadt nicht bereit, das Vertragsverhältnis mit sind. Andersherum muss die Stadt, soweit kein Eigen- der SWU fortzusetzen, gehen die Entflechtungskosten bedarf besteht, aus stadteigenen technischen Anlagen zu Lasten der Stadt, in den übrigen Fällen zu Lasten gewonnene Energie der SWU anbieten, und diese muss der SWU. sie zu marktüblichen Bedingungen im Rahmen ihres Energiebedarfs auch annehmen. Die Ermittlung des Übernahmepreises wird im Vertrag durch die Bezeichnung als „wirtschaftlich ange- Die Stadt kann aus Gründen des öffentlichen Inte- messenes Entgelt“ festgelegt. Die SWU muss der Stadt resses Umlegung, Änderung oder Entfernung von Ver- auf Verlangen alle Auskünfte über die wirtschaftlichen sorgungsanlagen von der SWU verlangen. Die Folgeko- und technischen Verhältnisse erteilen, soweit sie für die sten bei Neueinrichtungen oder Umlegungen trägt die Übernahme von Bedeutung sind. Vertragspartei, die die Neuerrichtung oder Änderung der Versorgungsanlage veranlasst hat. Die Stadt leistet keine ❚ Das Verhältnis zwischen den Städten Ulm/Neu-Ulm Entschädigung für Einnahmeausfälle, die der SWU mit und der SWU der Veränderung von Versorgungseinrichtungen entste- Die Städte Ulm und Neu-Ulm sind mit 94 Prozent bezie- hen. Wertverbesserungen oder sonstige Vorteile werden hungsweise sechs Prozent an der SWU beteiligt. Diese ausgeglichen. Beide Parteien sollen sich um Finanzie- ist somit ein 100-prozentiges Tochterunternehmen rungshilfen durch Dritte bemühen. im Rahmen eines Beteiligungsmodells ohne privaten Als Gegenleistung der SWU an die Stadt für die Partner. Einräumung des Nutzungsrechts an den öffentlichen Die Gewinne der SWU werden entsprechend der Verkehrswegen und -flächen wird die jeweils rechtlich Beteiligung der Städte an der SWU ausgeschüttet. In höchst zulässige Konzessionsabgabe gezahlt. Sie wird, den Jahren 2007 und 2008 fand jedoch keine Gewinn- vorbehaltlich der endgültigen Abrechnung, monatlich ausschüttung statt, um das Eigenkapital der SWU zu zum Monatsende in Höhe von einem Zwölftel der im stärken. 26 www.dstgb.de Auslaufende Konzessionsverträge 6/2010 Ein weiterer Vorteil des Beteiligungsmodells schlägt Der zwischen der Gemeinde Weeze und der RWE sich im Querverbund nieder. Die Nahverkehrsver- Rhein-Ruhr AG verwendete Vertragsentwurf reflektiert luste der Städte werden durch die SWU vollständig den aktuellen Verhandlungsstand des neuen Stromkon- abgedeckt. zessionsmustervertrages zwischen dem Städte- und Ge- Auch können die Städte über die Gesellschafter- meindebund NRW und der RWE Rhein-Ruhr AG. versammlung und den Aufsichtsrat Einfluss auf die Ge- Die Konditionen des Vertrages gleichen im Prinzip schäftsführung der SWU nehmen, zum Beispiel auf die den bisherigen Vereinbarungen. Wesentliche Punkte Preispolitik. Dies betrifft die Bürger unmittelbar durch sind die Realisierung der gesetzlich höchstzulässigen die Höhe der Entgelte für die Energienutzung. Konzessionsabgabe, die Zahlung einer Konzessionsab- Ein Einfluss auf die operativen Aufgaben der Ge- gabe auch für Energielieferungen, die im Rahmen einer schäftsführung wird nach eigenen Angaben durch Durchleitung erfolgen, sowie die Gewährung des höchst- die Städte Ulm/Neu-Ulm in der Regel jedoch nicht zulässigen Kommunalrabattes für Stromlieferungen in ausgeübt. Niederspannung durch die RWE Rhein-Ruhr AG. Die Energiepreise befinden sich auf Wettbewerbsniveau. Der Vertrag enthält des Weiteren die Bestim- Die Nachteile des Modells würden sich im Falle mungen, dass die zu zahlenden Höchstsätze im Falle wirtschaftlicher Probleme der SWU widerspiegeln. Den einer gesetzlichen Änderung dementsprechend ange- Städten würde ein Wegbrechen der Gewinnausschüt- passt werden müssen. tungen, Ausfälle im Querverbund und die Haftung gemäß gesetzlicher Grundlagen (GmbH-Gesetz) drohen. Erlischt der Vertrag und wird zwischen der Gemeinde Weeze und der RWE Rhein-Ruhr AG kein neuer Konzessionsvertrag abgeschlossen, ist die Gemeinde 5. Neukonzessionierung des bisherigen Partners am Beispiel Weeze berechtigt, und auf Verlangen der RWE Rhein-Ruhr AG Die Gemeinde Weeze liegt am unteren Niederrhein zu den Konditionen des Vertrages (Sachzeitwert) zu im Nordwesten von Nordrhein-Westfalen und ist eine erwerben. kreisangehörige Gemeinde des Kreises Kleve. Sie hat etwa 10 500 Einwohner. verpflichtet, die Anlagen der allgemeinen Versorgung Der Stromkonzessionsvertrag einschließlich der Zusatzvereinbarung zur Vertragsanpassung ist unterschrie- Am 30. September 2010 wird der derzeit gültige ben. Die Konzessionsvergabe für den Strombereich im Konzessionsvertrag zur Elektrizitätsversorgung enden. Zeitraum 1. Oktober 2010 bis 30. September 2030 ist Dies wurde am 27. Juni 2007 im Bundesanzeiger be- somit abgeschlossen. kannt gemacht. Alle interessierten Energieversorgungs- Dieses Beispiel eines eher „unspektakulären“ Kon- unternehmen wurden aufgefordert, sich um den Ab- zessionsvertragsabschlusses wird sicherlich für eine schluss eines Stromkonzessionsvertrages bis spätestens Vielzahl von – vor allem kleineren – Gemeinden ein gän- zum 15. Oktober 2007 zu bewerben. giges Szenario darstellen. Ausschließlich die RWE Rhein-Ruhr AG hat sich um den Neuabschluss eines Konzessionsvertrages zur Stromversorgung der Gemeinde Weeze für den Zeitraum 1. Oktober 2010 bis 30. September 2030 beworben. Die RWE Rhein-Ruhr AG war auch in der Vergangenheit Konzessionsnehmer im Konzessionsgebiet Weeze, und hatte frühzeitig ein Interesse an der Fortsetzung des Konzessionsverhältnisses bekundet. Die Möglichkeit einer Kommunalisierung des Netzbetriebes bot sich der Gemeinde Weeze nicht. Zum einen sah sich die Verwaltung diesbezüglich durch die geringe Größe der Gemeinde in ihren Handlungsmöglichkeiten beschränkt, und zum anderen bestand offensichtlich auch bei regionalen Stadtwerken kein Interesse an einer Netzeingliederung. Somit folgte der Vertragsabschluss mit dem bisherigen Konzessionsnehmer RWE Rhein-Ruhr AG. 6/2010 Auslaufende Konzessionsverträge www.dstgb.de 27 Bisher in dieser Reihe erschienen No. 96 Wachstum nur mit starken Städten und Gemeinden – Bilanz 2009 und Ausblick 2010 der deutschen Städte und Gemeinden No. 95 Archivierung von digitalen Ressourcen im kommunalen Bereich 11/2009 No 94 Repowering von Windenergieanlagen – Kommunale Handlungsmöglichkeiten – Ersetzen von Altanlagen durch moderne Windenergieanlagen als Chance für die gemeindliche Entwicklung 10/2009 No 93 Kleine Kommunen groß im Klimaschutz Gute Beispiele aus dem Wettbewerb „Klimaschutzkommune 2009“ No 92 Öffentliche Beleuchtung – Analyse, Potenziale und Beschaffung 7-8/2009 7-8/2009 1-2/2010 9/2009 No 91 Alkoholprävention in den Städten und Gemeinden No 90 Vergaberecht 2009 Novellierung, aktuelle Entwicklungen und Verfahrensablauf 4/2009 No 89 Gemeindliche Sozialpolitik 4/2009 No 88 Leitfaden „Stärkung der kommunale Infrastruktur durch Kooperationen von Bürgerinnen und Bürgern, Verwaltung und Unternehmen“ 3/2009 No 87 Krise als Chance nutzen – Bilanz 2008 und Ausblick 2009 der deutschen Städte und Gemeinden 1-2/2009 No 86 Naturschutz und Lebensqualität in Städten und Gemeinden – Gute Beispiele aus dem Wettbewerb 1-2/2009 No 85 Spicken erlaubt – nicht verzetteln bei der Bildungsreform. Sonderdruck des DStGB-Innovators Club 12/2008 No 84 Aufgaben, Organisation und Schwerpunkte der kommunalen Wirtschaftsförderung – Umfrage zur Wirtschaftsförderung in kreisangehörigen Städten und Gemeinden unter 50 000 Einwohnern 11/2008 No 83 Kommunales Flächenmanagement – Flächen sparen und intelligent nutzen – Themen und Projekte des Förderschwerpunkts REFINA 9/2008 No 82 Konzessionsverträge und Konzessionsabgaben – 2. Auflage Hinweise für die kommunale Praxis nach der Energierechtsreform 2005 9/2008 No 81 Grundsicherung für Arbeitsuchende unter einem Dach Zur Strukturierung der SGB II-Verwaltung ohne Grundgesetzänderung (nur online verfügbar) 6/2008 No 80 Breitbandanbindung von Kommunen – 2. Auflage Durch innovative Lösungen Versorgungslücken schließen 5/2008 No 79 Kommunale Immobiliengeschäfte und Ausschreibungspflicht Rechtsprechung, Praxishinweise und aktuelle Gesetzesvorhaben 4/2008 No 78 Doppik in den kommunalen Haushalten – Auswirkungen auf die Kreisumlage 4/2008 No 77 Politik für die Ländlichen Räume (nur online verfügbar) 3/2008 No 76 Städte und Gemeinden aktiv für den Naturschutz Gute Beispiele aus dem Wettbewerb „Bundeshauptstadt im Naturschutz“ 3/2008 No 75 Reformen fortsetzen – Deutschland braucht starke Städte und Gemeinden Bilanz 2007 und Ausblick 2008 der deutschen Städte und Gemeinden 1-2/2008 Deutscher Städteund Gemeindebund Deutscher Städteund Gemeindebund www.dstgb.de Marienstraße 6 · 12207 Berlin Telefon 030 77307-0 Telefax 030 77307-200 E-Mail: dstgb@dstgb.de Internet: www.dstgb.de Konzeption und Druck: Verlag WINKLER & STENZEL GmbH · Postfach 1207 · 30928 Burgwedel Telefon 05139 8999-0 · Telefax 05139 8999-50 E-Mail: info@winkler-stenzel.de · Internet: www.winkler-stenzel.de © 2010 – ein Produkt der DStGB Dienstleistungs GmbH