Daten
Kommune
Erftstadt
Größe
167 kB
Datum
29.05.2012
Erstellt
10.05.12, 15:35
Aktualisiert
10.05.12, 15:35
Stichworte
Inhalt der Datei
STADT ERFTSTADT
öffentlich
Der Bürgermeister
A 151/2012
Az.:
Amt: - 51 BeschlAusf.: - 51 Datum: 28.03.2012
gez. Brost
30.04.2012
Amtsleiter
Datum Freigabe -100-
gez. Dr. Rips,
Bürgermeister
BM / Dezernent
- 20 -
Den beigefügten Antrag der FDP-Fraktion leite ich an die zuständigen Ausschüsse weiter.
Beratungsfolge
Jugendhilfeausschuss
Termin
23.05.2012
vorberatend
Finanz- und Personalausschuss
29.05.2012
beschließend
Betrifft:
Bemerkungen
Antrag bzgl. Entwicklung eines Konzeptes zur Verringerung der Baukosten bei Neuund Umbaumaßnahmen der Kindertagesstätten um 20% durch Absenkung von
Standards und sonstigen Maßnahmen
Finanzielle Auswirkungen:
Unterschrift des Budgetverantwortlichen
Erftstadt, den
Stellungnahme der Verwaltung:
Für die reinen Baukosten eines Gebäudes sind im Wesentlichen die nachfolgenden Faktoren
maßgebend:
Das Raumprogramm der geplanten Einrichtung, bezogen auf die Nutzfläche und auf die
Kubatur,
die Qualität der verwendeten Bauteile,
die architektonische Gestaltung,
die Ausführung des Gebäudes, z.B. konventionell oder in Leichtbauweise.
Raumprogramm
Die Standards für das Raumprogramm im Kindertagesstättenbereich sind durch die
Empfehlungen des Landschaftsverbandes Rheinland als Heimaufsicht vorgegeben. Diese
Empfehlungen sind auf der Basis der Richtlinien nach dem alten Gesetz über Tageseinrichtungen
für Kinder in NRW (GTK) entstanden. Sie berücksichtigen die Erfahrungen einer über 30 jährigen
Praxis im vorschulpädagogischen Bereich. Die Bedeutung des Raumes als dritter Erzieher ist
dabei auch von der Wissenschaft immer stärker in den Vordergrund gerückt. Die jünger
werdenden Kinder mit ihren unterschiedlichen Entwicklungsstufen brauchen differenzierte Lern-,
Erfahrens- und Lebensräume in der Kindertagesstätte.
Nach den Empfehlungen hat ein Gruppenraum ca. 45 qm, der Nebenraum 18 – 24 qm, der
Sanitärbereich ca. 12 qm. Zum Sanitärbereich gehören 2 WCs und 2 - 3 Waschbecken. Für die
U3-Kinder ist zusätzlich ein entsprechender Pflegebereich erforderlich. Ebenfalls ist für die U3Kinder ein zusätzlicher gruppenbezogener Raum mit 18 – 24 qm zur Differenzierung der Arbeit
(z.B. Ruhen, Schlafen, Spielen) erforderlich.
Zum allgemeinen Raumprogramm der Einrichtung gehören:
ein Mehrzweckraum mit ca. 55 qm mit Geräteraum von ca. 10 – 12 qm (ab der 2. Gruppe)
eine Küche von ca. 15 – 20 qm, ggfls. mit Vorratsraum
ein Leiter/innenzimmer von ca. 12 qm
ein Personalraum von ca. 16 – 20 qm (in mehrgruppigen Einrichtungen)
ein Abstellraum pro Gruppe mit ca. 6 qm
ein allgemeiner Putzmittelraum mit ca. 4 qm
ein Wirtschaftsraum für Waschmaschine und Trockner
ein Personal-WC (möglichst behindertengerecht)
eine Dusche
ca. 20 bis 25 % der Nettogrundfläche für Eingangsbereich, Flure, Garderoben
einen Abstellbereich für Kinderwagen
eine Außenspielfläche von ca. 300 qm pro Gruppe, bei eingruppigen Einrichtungen
möglichst 500 qm.
Für Mieter werden pauschal 160 qm pro Gruppe im Rahmen der Finanzierung der Miete
anerkannt; zusätzlich 25 qm pro Gruppe, in der U3-Kinder betreut werden.
Nach den Empfehlungen sollen bis zum 31.12.2014 auch alle Ü3-Über-Mittag-Gruppen über einen
zusätzlichen weiteren Differenzierungsraum von 18 – 24 qm verfügen. Mit Blick auf die Finanzen
hat die Verwaltung nicht vor, dieses Thema aktiv aufzugreifen, obwohl der Raum pädagogisch
notwendig ist.
Ebenfalls kann nach den Empfehlungen ein etwas größerer Differenzierungsraum von 20 – 30 qm
von zwei Gruppen mit Kindern ab 2 Jahren gemeinsam genutzt werden. Damit entfällt der
ansonsten jeder Gruppe zugehörige kleinere Differenzierungsraum. Dergestalt würden wir bei
konkreten Planungen auch vorgehen, obwohl diese Alternative die spätere Flexibilität bei einer
höheren Inanspruchnahme mit unter 3-Jährigen einschränkt.
Die Empfehlungen enthalten Richtwerte als Arbeitshilfen. Für Neubaumaßnahmen müssen die
Rahmenbedingungen umgesetzt werden. Bei bestehenden Einrichtungen sind die gegebenen
baulichen und räumlichen Umstände in angemessener Weise zu berücksichtigen. Soll auf
notwendige Räume verzichtet werden, würde die Heimaufsicht die erforderliche Betriebserlaubnis
nicht erteilen.
Einsparmöglichkeiten ergeben sich insofern hier nur, indem der jeweils unterste Richtwert der
Empfehlungen genommen wird, vorausgesetzt dies ist architektonisch umsetzbar.
Ratsam ist eine derartige prinzipielle Einschränkung aber nicht. Sie würde die Flexibilität einer
zukünftigen Entwicklung der Kindertageseinrichtung einschränken.
Ob freie Träger bei den neu zu schaffenden inklusiven Einrichtungen sich eine derartige
Beschränkung auferlegen, ist ebenfalls fraglich.
Qualität der verwendeten Bauteile
Das Baukosteninformationszentrum Deutscher Architektenkammern (BKI) untersucht
Bauvorhaben und gibt auf dieser Grundlage statistische Kostenkennwerte heraus. Dabei
differenziert das BKI bei einigen Gebäudearten nach einfachen, mittleren und gehobenen
Standard. Unter Standard versteht BKI nicht nur Unterschiede in der Ausstattung eines Gebäudes,
auch hochwertige Außenbauteile, wie z.B. eine aufwendige Fassade, können die
Standardeinordnung eines Gebäudes beeinflussen. Auch an die Konstruktion können durch den
Standard erhöhte Anforderungen gestellt werden, z.B. wenn ein Gebäude aufgrund des
tiefliegenden Grundstückes, wie beim Kindergarten Bliesheim, angehoben werden muss. Alle
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diese projektspezifischen Besonderheiten wirken zusammen. Es gibt also keine eindeutige
„Wenn-dann-Beziehung“.
Nachfolgend aufgeführt sind verschiedene Bestandteile der Baukonstruktion und der technischen
Anlagen, die erheblichen Einfluss auf die Kosten eines Bauvorhabens haben.
300 Baukonstruktion
310 Baugrube
kostenmindernd
kostensteigernd
Nur Mutterboden abtragen, Wiederverwertung
des Aushubs auf dem Grundstück, keine
Deponiegebühr, kurze Transportwege, wieder
verwertbares Aushubmaterial für Verfüllung
Wasserhaltung,
Bodenaustausch,
Grundwasserabsenkung,
Baugrubenverbau,
Spundwände,
Baugrubensicherung
mit
Großbohrpfählen, Felsbohrungen, BK, 5, 6 und 7
320 Gründung
kostenmindernd
kostensteigernd
Kein Fußbodenaufbau auf der Gründungsfläche,
keine Dämmmaßnahmen auf oder unter der
Gründungsfläche
Teurer
Fußbodenaufbau
auf
der
Gründungsfläche,
Bodenverbesserung,
Bodenkanäle, Perimeterdämmung oder sonstige
teure Dämmmaßnahmen, versetzte Ebenen
330 Außenwände
kostenmindernd
kostensteigernd
(monolithisches)
Mauerwerk,
Putzfassade
geringe Anforderung an Statik, Brandschutz,
Schallschutz und Optik
Natursteinfassade,
Posten-Riegel-Konstruktionen, Sichtmauerwerk, Passivhausfenster, 3-fach
Verglasung, sonstige hochwertige Fenster oder
Sonderverglasungen, Lärmschutzmaßnahmen,
Sonnenschutzanlagen
340
kostenmindernd
kostensteigernd
Große
Anteile
von
Kellertrennwänden,
Sanitärtrennwände, einfache Montagewände,
sparsame Verfliesung
Hoher
Anteil
mobiler
Trennwände,
Schrankwände,
verglaste
Wände,
Sichtmauerwerk, Ganzglastüren, Vollholztüren,
Brandschutztüren, sonstige hochwertige Türen
(Lichtausschnitte), hohe Anforderung an Statik,
Brandschutz, Schallschutz, Raumakustik, GUV,
Optik, Stahlgeländer, raumhohe Verfliesung
350 Decke
kostenmindernd
kostensteigernd
Einfache Bodenbeläge, wenige und einfache
Treppen, geringe Spannweiten
Doppelböden, Natursteinböden, Metall- und
Holzbekleidungen,
Edelstahltreppen
hohe
Anforderungen
an
den
Brandschutz,
Schallschutz, Raumakustik und Optik, hohe
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Spannweite
360 Dächer
kostenmindernd
kostensteigernd
Einfache Geometrie, wenige Durchdringungen
Aufwendige Geometrie wie Mansarddach mit
Gauben, Metalldeckung, Glasdächer, oder
Glasoberlichter,
begehoder
befahrbare
Flachdächer, Begrünung, Schutzelemente wie
Edelstahl-Geländer
370 Baukonstruktive Einbauten
kostensteigernd
Hoher Anteil an Einbauschränken, -regalen und
anderen fest eingebauten Bauteilen
Technische Anlagen
410 Abwasser-, Wasser-, Gasanlagen
kostenmindernd
kostensteigernd
wenige,
günstige
Sanitärobjekte,
zentrale
Anordnung von Ent- und Versorgungsleitungen
Regenwassernutzungsanlage,
Schmutzwasserhebeanlage, Feuerlösch- und
Meldeanlagen,
Feuerlöschgeräte,
Druckerhöhungsanlagen, Enthärtungsanlagen
420 Wärmeversorgungsanlagen
kostensteigernd
Solarkollektoren,
Fußbodenheizung
Blockheizkraftwerk,
430 Lufttechnische Anlagen
kostenmindernd
kostensteigernd
Einzelraumlüftung
Klimaanlage, Wärmerückgewinnung
440 Starkstromanlagen
kostenmindernd
kostensteigernd
Wenig Steckdosen, Schalter und Brennstellen
Blitzschutzanlagen,
SicherheitsNotbeleuchtungsanlagen,
Elektrorohre
Leerrohre
und
in
In einigen Bereichen, z.B. bei der Gründung, können die Baukosten nur bedingt beeinflusst
werden. Durch verschiedene Anforderungen und Vorgaben, z.B. der Unfallkasse-NRW (GUV),
durch die barrierefreie Gestaltung des Gebäudes, durch die EnEV 2009, durch Forderungen aus
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dem Brandschutz (für den Bau eines jeden Kindergartens wird ein Brandschutzkonzept verlangt)
oder durch Vorgaben des Landesjugendamtes im Bereich der U3-Betreuung steigen die
Baukosten nicht unerheblich.
Für den Neubau von Kindertagesstätten, nicht unterkellert, Kostenstand 1/2012 gibt das BKI für
die Kostengruppen 300, Baukonstruktion, und 400, Technische Anlagen, folgende
Kostenkennwerte heraus:
1.
einfacher Standard
1.600,- €/m² Nutzfläche (NF)
2.
mittlerer Standard
1.920,- €/m² NF
3.
gehobener Standard
2.410,- €/m² NF
4.
Zum Kostenvergleich dazu wurden die Kosten der Kindertagesstätten-Erweiterungen mit U3
Betreuung Bliesheim und Lechenich-Süd zu folgenden Baukosten errichtet:
1.
Bliesheim
1.677,- €/m² NF
2.
Lechenich-Süd
1.715,- €/m² NF
Der mittlere Standard nach BKI wurde für das Bauvorhaben Kindergarten Bliesheim um 12,7 %
und für den Kindergarten Lechenich-Süd um 10,7 % unterschritten.
Das Senken von Baukosten durch die Verringerung von Standards bei den verwendeten Bauteilen
bedingt den Einsatz billigerer und auch damit qualitativ minderwertigerer Bauteile. Die Qualität der
Einzelbaustoffe bestimmt die Qualität des Gesamtbauteils hierbei kann sich die Lebensdauer der
Gebäude und die der Einzelbauteile verkürzen. Auf folgendes Beispiel wird verwiesen:
- Der Landschaftsverband Rheinland empfiehlt eindringlich, beim Neubau von Kindergärten
bodentief verglaste Fensteranlagen in den Gruppen- und Gruppennebenräumen einzubauen.
Die Ausführung der Fensteranlagen kann sowohl in Aluminium als auch in Kunststoff erfolgen.
Aufgrund der großen Fenster- und Türflügel und der hohen statischen Winddrücke sowie der
starken Frequentierung der Türanlagen ist es aus der Sicht der Langlebigkeit ratsam, diese
Anlagen in Aluminium auszuführen.
Bei den Baukosten nicht berücksichtigt sind die Kosten für die Inneneinrichtung. Auch hier muss
ein gewisser Standard vorgehalten werden, auch um die Folgekosten zu minimieren.
Architektonische Gestaltung
Ein weiterer Aspekt der Kostenreduzierung kann die Vereinfachung der Gebäudearchitektur sein.
Die Gebäudehülle sollte eine möglichst einfache Form erhalten, Rundungen sowie Vor- und
Rücksprünge sind zu vermeiden. Auf eine Erhöhung der Baumasse aus gestalterischen Gründen,
wie z.B. Ausbildung eines Pultdaches zur Vergrößerung der Raumhöhe und architektonische
Gestaltung der Fassade, ist zu verzichten. Flure und sonstige Nebenflächen sind auf das aus
Brandschutzgründen zwingend notwendige Maß zu beschränken.
Bisher wurde bei der Errichtung von städtischen Gebäuden auf ein Mindestmaß an
architektonischer Qualität Wert gelegt. Die Gebäude sollten sich auch an die bestehende
Bebauung anpassen. Diese Grundsätze müssten aufgegeben werden.
Leichtbauweise
Bisher wurden Kindergärten in der Regel in Massivbauweise errichtet. Ggf. ergeben sich bei einer
Ausführung in Leichtbauweise Einsparungen bei den Baukosten. Den Einsparungen bei den
Baukosten stehen jedoch erhöhte Folgekosten gegenüber, die auf die um ca. 30 % verkürzte
Lebensdauer und die damit höhere Abschreibung zurück zu führen ist. Weiterhin ist mit höheren
Kosten für die Bauunterhaltung im Vergleich zu einem Massivbau zu rechnen.
Ich rege an, bei der Erweiterung der Kindertagesstätte Erftstadt-Köttingen um zwei Gruppen mit
Familien-Zentrum und Turnraum das Objekt schlüsselfertig als Massivbau auszuschreiben und im
Rahmen von Nebenangeboten auch eine Errichtung in Leichtbauweise anbieten zu lassen.
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Anhand der Ausschreibungsergebnisse kann dann die Wirtschaftlichkeit beider Varianten beurteilt
werden.
Fazit
Die geringsten Folgekosten werden durch ein Bauvorhaben verursacht, welches gar nicht erst
errichtet wird. Vor einer Entscheidung über einen Neubau ist daher zunächst kritisch zu
hinterfragen, ob die Einrichtung auch tatsächlich dauerhaft benötigt wird oder ob nicht vorhandene
städtische Immobilien für diesen Zweck genutzt werden können.
Die Kosten eines Bauvorhabens werden wesentlich durch die zu errichtende Nutzfläche
beeinflusst. Beim Bau von Kindergärten ist ein vorgegebenes Raumprogramm umzusetzen.
Einsparungen durch Reduzierung der Nutzfläche sind daher nur in beschränktem Umfang
möglich.
Neuere Untersuchungen haben nochmals bestätigt, dass, gerechnet über die gesamte
Lebensdauer, die Baukosten lediglich 15 % zu den Gesamtkosten beitragen und der Anteil der
Betriebskosten 85 % ausmacht. Bereits nach acht Jahren haben die Betriebskosten die Höhe der
Baukosten erreicht. Beim Bau eines Kindergartens ist daher vorrangig darauf zu achten, dass die
Folgekosten minimiert werden. Eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung, die rein auf die Baukosten
abstellt, greift zu kurz. Eine Reduzierung der Baukosten um 20 % kann die Wirtschaftlichkeit eines
Bauvorhabens verschlechtern.
Die Planung für die Erweiterung des Kindergartens in Bliesheim ist durch den Architekten Dr.
Esser hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit der gewählten Lösungen eingehend untersucht worden.
Dort wurde eine Lösung gewählt, die bei vertretbaren Baukosten eine angemessene Qualität
gewährleistet und die gleichzeitig die Folgekosten minimiert. Die Untersuchungen des Herrn Dr.
Esser haben bestätigt, dass die von mir vorgeschlagenen Lösungen unter dem Aspekt des
kostensparenden Bauens und dem Grundsatz der Nachhaltigkeit angemessen waren. Die
tatsächlichen Baukosten bestätigen diese Einschätzung. Auf die Bedeutung des Raumes als
dritter Erzieher habe ich bereits hingewiesen. Das Vorhaben in Bliesheim wird dieser Anforderung
gerecht. Eine Besichtigung der Einrichtung durch den zuständigen Fachausschuss rege ich an.
(Dr. Rips)
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