Daten
Kommune
Erftstadt
Größe
282 kB
Datum
29.05.2012
Erstellt
17.05.12, 06:29
Aktualisiert
17.05.12, 06:29
Stichworte
Inhalt der Datei
STADT ERFTSTADT
öffentlich
Der Bürgermeister
A 135/2012
Az.:
Amt: - 20 BeschlAusf.: - 20 Datum: 28.03.2012
gez. Heil
03.05.2012
Amtsleiter
Datum Freigabe -100-
BM / Dezernent
- 20 -
Den beigefügten Antrag der CDU-Fraktion leite ich an die zuständigen Ausschüsse weiter.
Beratungsfolge
Finanz- und Personalausschuss
Betrifft:
Termin
29.05.2012
Bemerkungen
beschließend
Antrag bzgl. Verabschiedung einer Schuldenbremse bei der Kreditaufnahme
Finanzielle Auswirkungen:
Keine
Unterschrift des Budgetverantwortlichen
Erftstadt, den
Stellungnahme der Verwaltung:
1. Allgemeines
Das Thema „Schuldenreduzierung“ oder „Schuldenbremse“ ist derzeit in aller Munde und wird
angesichts der dramatisch zunehmenden Staatsverschuldung immer häufiger diskutiert. In den
letzten 40 Jahren ist die Schuldenstandsquote der öffentlichen Haushalte (= Verhältnis des
Schuldenstandes zum Bruttoinlandsprodukt) von ca. 20% auf über 70% angestiegen. Die
Zinsausgaben machen demzufolge einen immer höheren Anteil an den Gesamtausgaben aus.
Der Bund hat sich im Rahmen der Förderalismusreform II durch eine Grundgesetzänderung
(Artikel 109 Absatz 3 GG) eine Schuldenbremse verordnet. Hiernach darf der Bund ab 2016
jährlich nur noch maximal Kredite in Höhe von 0,35% des Bruttoinlandsproduktes aufnehmen.
Die Regelungen für den Bund gelten mit Ausnahme der 0,35%-Regel auch für die Bundesländer.
Für die Länder ist ab 2020 keine strukturelle Verschuldung mehr zulässig, wobei jedoch noch
diverse Ausnahmeregelungen gelten, z. B. bei Naturkatastrophen. NRW hat bezüglich der
Schuldenbremse noch keine Regelungen in die Landesverfassung aufgenommen.
In den Kommunen wird das Thema angesichts der immer schlechter werdenden Haushaltslage
auch immer häufiger diskutiert, wobei einige Städte bereits seit längerer Zeit Festlegungen zur
Begrenzung der Verschuldung beschlossen und auch umgesetzt haben. Als Beispiele wären hier
Düsseldorf, Langenfeld und Roetgen zu nennen. Im Rhein-Erft-Kreis gibt es in der Stadt Pulheim
seit einigen Jahren einen Beschluss zur Begrenzung der Kreditaufnahme. Auch in der Kreisstadt
Bergheim wird dieses Thema aktuell sehr intensiv diskutiert.
Anzumerken ist noch, dass die Schuldenbremse beim Bund und bei den Ländern und deren
Auswirkungen in den Länderhaushalten nach Auffassung des Städte- und Gemeindebundes NRW
erhebliche Gefahren für die kommunalen Haushalte birgt. Zum einen besteht die Gefahr, dass das
Land bei der Aufstellung zukünftiger Haushalte zur Einhaltung der verfassungsrechtlichen
Vorgaben Konsolidierungslasten vom Land auf die Kommunen schiebt, zum anderen können sich
negative Auswirkungen für den kommunalen Finanzausgleich ergeben.
2. Ausgangssituation Stadt Erftstadt
Der Schuldenstand der Stadt Erftstadt hat sich seit dem Jahr 2008 (NKF-Einführung) wie folgt
entwickelt (die Zahlen basieren auf den testierten Jahresabschlüssen; diese liegen für das Jahr
2011 noch nicht vor):
Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten
2008
2009
2010
EB Immobilien
42.127.424,41 €
40.737.785,76 €
40.704.032,19 €
EB Straßen
23.978.485,59 €
29.207.211,79 €
30.050.841,21 €
EB Stadtwerke
34.376.822,28 €
36.419.417,66 €
35.170.396,28 €
Heizkraftwerk
Wasserversorgung
Hallenbad
Freibäder
städt. Dienste
Abwasserbeseitigung
261.459,31 €
7.927.618,75 €
1.526.043,71 €
20.794,27 €
- €
24.640.906,24 €
250.548,71 €
9.049.837,98 €
1.223.053,26 €
19.841,65 €
- €
25.876.136,06 €
239.058,41 €
8.632.217,13 €
1.009.820,75 €
18.847,97 €
- €
25.270.452,02 €
Kernhaushalt
(Kassenkredite)
19.626.411,33 €
27.560.000,00 €
27.110.000,00 €
120.109.143,61 €
133.924.415,21 €
133.035.269,68 €
Stadt Erftstadt
(Insgesamt)
Aufgrund der anstehenden erheblichen Investitionen insbesondere in die frühkindliche Bildung
bzw. Umgestaltung der Carl-Schurz-Schule werden sich die Schuldenstände voraussichtlich weiter
erhöhen.
3. Schuldenbremse Stadt Erftstadt
Zunächst muss grundsätzlich unterschieden werden zwischen Investitionskrediten und Krediten
zur Liquiditätssicherung (Kassenkredite).
Zunächst werden die Investitionskredite beschrieben. Im Kernhaushalt gibt es seit dem Jahr 2009
keinen Investitionskredit mehr. Der einzige noch vorhandene Investitionskredit wurde im Jahr 2009
in voller Höhe außerplanmäßig getilgt.
Die investiven Maßnahmen fallen im Wesentlichen in den einzelnen Betriebszweigen der
Eigenbetriebe an, so dass die Investitionskredite in den Bilanzen der Eigenbetriebe ausgewiesen
werden. Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich daher im Wesentlichen auch auf die
Eigenbetriebe.
Um Kredite tilgen und den Schuldenstand langfristig zurückführen zu können, muss zunächst
einmal sichergestellt werden, dass möglichst zeitnah eine zusätzliche Netto-Neuverschuldung
-2-
(neue Kreditaufnahme ./. Tilgungen = 0) nicht mehr zugelassen werden kann. Dies sollte somit
auch in der Hauptsatzung festgesetzt werden.
Aktuelle Berichte über schuldenfreie Kommunen belegen zwar, dass dieses Ziel erreichbar ist, es
muss jedoch berücksichtigt werden, dass die Wege dieser Vergleichskommunen nicht 1:1 auf die
Stadt Erftstadt anwendbar sind. Es gibt keinen Königsweg zur Schuldenfreiheit, da jede Kommune
andere Ausgangsvoraussetzungen hat. Unstrittig ist jedoch, dass für die Stadt Erftstadt der erste
Schritt hin zur Schuldenfreiheit nur sein kann, sich (= Rat und Verwaltung) so zu disziplinieren,
dass es zu keiner weiteren Netto-Neuverschuldung kommt. Als zweiten Schritt ist anzuvisieren,
dass Haushaltsverbesserungen in die Schuldentilgung fließen. Die Beschreitung dieses Weges
setzt voraus, dass
unablässig ein konsequenter Konsolidierungskurs fortgesetzt wird,
es zu keinen weiteren Einbrüchen der Finanz- und Wirtschaftssituation mit
entsprechenden negativen Auswirkungen auf den Haushalt kommt,
der Bund die Kommunen von Soziallasten befreit,
Bund und Land die Kommunen nicht wie bisher durch politische Entscheidungen
zusätzlich finanziell belasten und das Konnexitätsprinzip strikt einhalten.
Will die Stadt Erftstadt mittel- bis langfristig Schulden reduzieren, so müssen
Auszahlungen für Investitionen auf ein Mindestmaß beschränkt werden und
mittelfristig Überschüsse im konsumtiven Bereich erzielt werden, bzw. sonstige
Einzahlungen z. B. aus Grundstücksveräußerungen generiert werden.
Daraus und aus allgemeinen haushaltswirtschaftlichen Aspekten heraus lassen sich folgende
Möglichkeiten aufzeigen, Schulden zu reduzieren:
a) Erwirtschaftung von Überschüssen im konsumtiven Bereich
Die Kommunen sind verpflichtet, die Ergebnisrechnung zumindest auszugleichen, d. h. die
Aufwendungen dürfen die Erträge nicht übersteigen. In der Regel werden bei einer
ausgeglichenen Ergebnisrechnung (bzw. bei ausgeglichenem Erfolgsplan) in der konsumtiven
Finanzrechnung liquide Überschüsse erwirtschaftet, da in der Ergebnisrechnung Aufwendungen,
wie z. B. Abschreibungen oder Zuführungen zu Rückstellungen enthalten sind, die in der
Finanzrechnung nicht zu entsprechenden Auszahlungen führen.
Zur Vermeidung von Verschlechterungen in der Ergebnisrechung sollten sowohl Vorschläge der
Verwaltung als auch politische Anträge, die zusätzlichen Aufwand erzeugen, immer einen
Deckungsvorschlag enthalten. Dies gilt sowohl für den Kernhaushalt als auch für die
Eigenbetriebe. Entscheidungen von Verwaltung und Politik dürfen sich nur noch der langfristigen
Strategie „Schuldenreduzierung“ unterwerfen. Unpopuläre Entscheidungen gehören genau so zu
dieser Strategie wie das Unterlassen von „ad-hoc-Entscheidungen“, die entweder nur einen
kurzfristigen Effekt haben oder nur bestimmten Personengruppen dienen; im Übrigen jedoch den
Prinzipien der Schuldenreduzierung zuwider laufen.
b) Reduzierung der Investitionsauszahlungen auf das unbedingt
Notwendige
Eine Begrenzung der Neuverschuldung und darüber hinaus ein Abbau der Schulden ist immer nur
dann möglich, wenn Investitionsauszahlungen nur in Höhe der verfügbaren Einzahlungen für den
investiven Bereich erfolgen. Die entsprechende Umsetzung setzt eine erhebliche Selbstdisziplin
voraus. Bei jeder Wirtschaftsplanaufstellung und Beschlussfassung muss vermieden werden, dass
es zu einer Netto-Neuverschuldung kommt.
Die Umsetzung setzt folgende Selbstbindungen von Rat und Verwaltung voraus:
-3-
Investitionen, die durch Bundes- oder Landesgesetze erforderlich werden, werden nur
umgesetzt, wenn durch Einhaltung des Konnexitätsprinzips der städtische Haushalt /
Wirtschaftsplan nicht belastet wird, sowohl durch zusätzliche Kredite als auch durch
zusätzliche Personal- und Sachaufwendungen. Ggf. sind bei entsprechenden Gesetzen
Rechtswege zu beschreiten. Alternativ kommt eine Umsetzung solcher Maßnahmen nur in
dem Umfang in Frage, der nicht zu einer Ausweitung der Netto-Neuverschuldung > 0 führt.
Eigene Investitionen werden nur durchgeführt, wenn es hierzu nicht zu einer Ausweitung
der Netto-Neuverschuldung > 0 kommt.
Investitionsmaßnahmen werden im Wirtschaftsplan nur dann veranschlagt, wenn die
dadurch entstehenden Folgekosten vorab dargestellt sind und nachgewiesen ist, dass die
Folgekosten den Erfolgsplan nicht wesentlich verschlechtern.
c) Veräußerung von Vermögen
Zur erfolgreichen Umsetzung einer Entschuldungsstrategie ist es dauerhaft erforderlich,
Möglichkeiten zur Reduzierung ihrer Aufwendungen durch Veräußerung von Vermögen zur
Konsolidierung des Haushaltes zu prüfen, insbesondere dann, wenn auf anderem Wege
Überschüsse zur Entschuldung nicht erwirtschaftet werden können.
In Frage kommen dabei im Wesentlichen:
Die Veräußerung von unbebauten Grundstücken (siehe V 46/2012 „Verkauf von
öffentlichen Grünflächen“) sowie
die Veräußerung von bebauten Grundstücken, wobei hier ggf. vorab beschlossen
werden muss, dass die Aufgabe aufgegeben wird.
Haushaltsverbesserungen, die z. B. aus Veräußerungserlösen erwirtschaftet werden, müssen
grundsätzlich zur Schuldenreduzierung eingesetzt werden und dürfen nicht zur Finanzierung von
zusätzlichen Investitionen verwendet werden.
d) Entwicklung alternativer Finanzierungsformen
Unter der Prämisse des Nachweises der Wirtschaftlichkeit sollten Investitionen ggf. mit Hilfe von
alternativen Finanzierungsformen umgesetzt werden, z. B. Investoren-, PPP- oder LeasingModelle.
Im Hinblick auf die Kredite zur Liquiditätssicherung (Kassenkredite) wird im Wesentlichen auf die
V 526/2011 (Antrag bzgl. Lösungsvorschläge zur Senkung der Kassenkredite) verwiesen. Es wird
nochmals an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass sich die Summe der Kassenkredite in NRW
seit dem Jahr 2005 verdoppelt hat. Die Kassenkreditblase ist ein gesamtstaatliches Problem,
welches auf der untersten Ebene nicht lösbar ist.
4. Fazit
Um das Ziel der Schuldenfreiheit langfristig erreichen zu können, ist eine Rückführung der
Investitionstätigkeit auf das unbedingt Erforderliche mit der Folge einer Begrenzung der
Kreditaufnahmen alternativlos. Die konsequente Verfolgung dieses Ziels erfordert von Rat und
Verwaltung Disziplin, Mut zur (auch unpopulären) Entscheidung und einen langen Atem, eine
Strategie der langfristigen Finanzpolitik ohne „ad-hoc-Entscheidungen auf Zuruf“ durchzuhalten.
Parallel zur Fortsetzung der Konsolidierungsbemühungen wird folgende Beschlussfassung zur
Schuldenbegrenzung vorgeschlagen:
Der Rat verpflichtet sich im Rahmen einer Selbstbindung, die Netto-Neuverschuldung ab
dem Haushaltsjahr 2017 auf „0“ zu begrenzen. Ausnahmen von dieser Selbstbindung sind
nur dann zugelassen, wenn dies aufgrund außergewöhnlicher Ereignisse oder infolge von
Landes- oder Bundesgesetzen erforderlich wird.
-4-
Die o. g. Regelung soll erstmals für das Haushaltsjahr 2017 Anwendung finden, da sich bereits
jetzt schon zahlreiche Projekte in der Planung befinden.
Die Aufnahme von Kassenkrediten ist von dieser Regelung nicht betroffen, da diese
a. nicht zur Finanzierung von Investitionen aufgenommen werden und
b. je nach Kassenlage erforderlich sind, um zwingend erforderliche Auszahlungen
(Rechungen, Gehälter, etc.) tätigen zu können.
Kassenkredite können nur durch die Erwirtschaftung von Überschüssen in der Finanzrechnung
abgebaut werden.
Die Umsetzung der Selbstbindung des Rates soll durch eine entsprechende Ergänzung der
Hauptsatzung erfolgen. Es wäre somit ein neuer Paragraph einzufügen, der wie folgt lauten
könnte:
„Der Rat verpflichtet sich, die Nettoneuverschuldung ab dem Haushaltsjahr 2017 auf Null zu
begrenzen. Ausnahmen sind nur dann zugelassen, wenn dies aufgrund außergewöhnlicher
Ereignisse oder infolge von Landes- oder Bundesgesetzen zwingend erforderlich werden sollte.
Die Feststellung eines Ausnahmetatbestandes kann nur durch den Rat erfolgen.“
Diese Ergänzung der Hauptsatzung würde zu einer verlässlichen Bindung des Rates an die
Vorgabe des Ausschlusses der Nettoneuerschuldung ab dem Haushaltsjahr 2017 führen. Im
Präzedenzfall bedeutet diese Regelung, dass der Bürgermeister einen Haushaltsbeschluss zu
beanstanden hätte, falls dieser eine Nettoneuverschuldung zur Folge hätte und die
Ausnahmetatbestände nicht gegeben wären. Für die Feststellung eines Ausnahmetatbestandes ist
in jedem Fall ein gesonderter Ratsbeschluss erforderlich.
Eine solche Regelung in der Hauptsatzung ist rechtskonform. Sie wird auch von einigen anderen
Kommunen bereits angewendet (u. a. Dresden, Mannheim).
Da die Weiterführung des Konsolidierungskurses sowie die Maßnahmen zur Schuldenreduzierung
die Bürger, Vereine, etc. unmittelbar spüren werden, sollte dieser Prozess ggf. durch eine
regelmäßige, umfangreiche und transparente Bürgerinformation begleitet werden. Parallel zu
dieser Bürgerinformation muss auch weiterhin die Förderung und Stärkung der ehrenamtlichen
Arbeit oberste Priorität haben.
(Dr. Rips)
-5-