Daten
Kommune
Nettersheim
Größe
226 kB
Datum
30.09.2014
Erstellt
22.08.14, 13:00
Aktualisiert
22.08.14, 13:00
Stichworte
Inhalt der Datei
GEMEINDE NETTERSHEIM
DER BÜRGERMEISTER
FB I
Vorlage 39 /X.L.
Datum: 21.08.2014
An den
Ausschuss für Schule, Familie, Jugend, Soziales und Sport Sitzungstag:
26.08.2014
Haupt- und Finanzausschuss
Sitzungstag:
23.09.2014
Gemeinderat
Sitzungstag:
30.09.2014
zur Beratung in öffentlicher Sitzung
Bezeichnung des Tagesordnungspunktes:
Zuweisung und Unterbringung von asylbegehrenden Ausländern in der Gemeinde
Nettersheim
Die Vorlage berührt nicht den Etat des lfd. Haushaltsjahres.
Die Vorlage berührt den Etat auf der Ertrags- und/oder Einzahlungsseite.
Die Vorlage berührt den Etat auf der Aufwands- und /oder Auszahlungsseite
Mittel stehen haushaltsrechtlich zur Verfügung.
Mittel sollen teilweise überplanmäßig bereitgestellt werden
Deckungsvorschlag:
Es entstehen Folgekosten – siehe anliegende Folgekostenberechnung.
Anlagen:
Ja
Nein
2
Beschlussvorschlag:
Der Rat nimmt die Informationen zur Zuweisung und Unterbringung von Asyl begehrenden Ausländern und sonstigen Zuwanderern zustimmend zur Kenntnis.
Der Rat unterstützt den Bürgermeister und die Verwaltung in dem Bemühen, eine
Stärkung der Mitverantwortung von Bund und Land in wirtschaftlicher und logistischer Hinsicht einzufordern.
Die notwendigen überplanmäßigen Ausgaben werden vom Rat genehmigt.
Begründung:
Zuweisung von Asylflüchtlingen
Die Gemeinden sind verpflichtet, die ihnen zugewiesenen ausländischen Flüchtlinge aufzunehmen und unterzubringen. Das Gleiche gilt bei ausländischen
Flüchtlingen, die unmittelbar in einer Gemeinde die Aufnahme begehren. Das
sind die Flüchtlinge, die bereits in der Vergangenheit einmal nach Maßgabe des
Gesetzes in der Gemeinde zugewiesen und untergebracht waren. Zum Personenkreis gehören auch Personen, die einen Folge- oder Zweitantrag auf Asyl nach
erfolglosem Erstantrag gestellt haben sowie unerlaubt eingereiste Ausländer.
Die Zuweisung der ausländischen Flüchtlinge erfolgt entsprechend dem Einwohneranteil der Gemeinden an der Gesamtbevölkerung des Landes (Einwohnerschlüssel) und entsprechend dem Flächenanteil der Gemeinde an der Gesamtfläche des Landes (Flächenschlüssel). 90 v.H. des Einwohnerschlüssels bilden mit
10 v.H. des Flächenschlüssels den Zuweisungsschlüssel.
3
In den Jahren2013 und 2014 ergaben sich folgende amtliche Zuweisungszahlen an die Gemeinde Nettersheim:
Zeitraum
Asylbewerber
1. Quartal
2013
2. Quartal
2013
3. Quartal
2013
4. Quartal
2013
1. Quartal
2014
2. Quartal
2014
aktuell
21.08.14
Folgeantragsteller
unerlaubt
reist
einge-
Gesamtzahl
9
1
10
9
1
10
8
1
9
14
5
1
20
18
4
1
23
18
18
26
26
Der Personenkreis definiert sich wie folgt:
Nationalität
Ägypten
Angola
Armenien
Bangladesch
Eritrea
Guinea
Kosovo
Pakistan
Russland
Gesamtzahl
6
2
2
2
5
2
3
3
1
26
26
Erwachsene
m
w
2
1
1
2
5
2
3
3
1
20
24
Kinder
m
w
2
1
1
1
4
1
2
Kita
1
1
1
1
Schule
1
Für die Aufnahme und Unterbringung sowie für die Versorgung der ausländischen
Flüchtlinge stellt das Land den Gemeinden jährlich pauschale Finanzmittel nach
Maßgabe des Flüchtlingsaufnahmegesetzes NRW zur Verfügung. Von den zur
Verfügung gestellten Mitteln sind 4,5% ausschließlich für die soziale Betreuung zu
verwenden.
Für das Jahr 2013 ergab sich bei einem Landesbudget von 64,31 Mio. Euro eine
Gesamtzuweisung an die Gemeinde von 34.503 Euro, im Jahr 2014 sind es bei
einem Landesbudget von 111,535 Mio. Euro für die Gemeinde 59.367 Euro.
Die, dem gegenüberstehenden, Aufwendungen der Gemeinde übersteigen mit
rund 190.000 Euro im Jahre 2013 und mit (bislang) 150.000 Euro und zum Jahresende (voraussichtlich ca.) 206.000 Euro im Jahre 2014 die zugewandten Beträge um ein Vielfaches.
4
Sollte sich die Zahl der Asylbewerber bis zum Jahresende noch erhöhen, ergäbe
sich ein noch ungünstigeres Ergebnis für die Gemeinde.
Zuweisung von Spätaussiedlern:
Die Aufnahme (vorläufige Unterbringung und bevorzugte Versorgung mit Wohnraum) und Betreuung von Aussiedlern, Spätaussiedlern und Zuwanderern ist eine
öffentliche Aufgabe, die als Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung durch die
Gemeinde wahrgenommen wird.
Am 14. August 2014 wurde der Gemeinde auf dieser Grundlage eine zehnköpfige
Spätaussiedlerfamilie (sechs Erwachsene und vier schulpflichtige Kinder) aus
Russland zugewiesen, die bereits am 18. August 2014 in einem Übergangsheim
unterzubringen war.
Die Aufnahmeverpflichtung richtete sich in diesem Falle vor allem nach dem
Wohnsitz naher Verwandter im Gemeindegebiet.
Für die Förderung der Integration erhält die Gemeinde pro Kalenderquartal eine
Integrationspauschale von 250 Euro pro Kopf (§ 14 Teilhabe – und Integrationsgesetz NRW – TintG NW -) und eine vierteljährliche Unterbringungspauschale von
200 Euro pro Person (§ 9 Absatz 2 Landesaufnahmegesetz
- LAufG NW -).
Die Zuschüsse werden längstens für je zwei Jahre gezahlt.
Die Familien streben eine rasche individuelle Wohnungsnahme an, sodass von
einer begrenzten Verweildauer im Übergangsheim auszugehen sein wird. Es besteht Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung bzw. auf Sozialgeld für die
minderjährigen Familienangehörigen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch
(SGB II).
Problemfeld Wohnungsmarkt für ausländische Flüchtlinge
Mit der Erlangung verbesserter Aufenthaltstitel mit einer Geltungsdauer von mehr
als sechs Monaten entsteht für die Asylbewerber/innen gleichzeitig ein Anspruch
auf Arbeitsförderung nach SGB II oder Sozialhilfe nach SGB XII. Zeitgleich entfällt jedoch auch der Rechtsanspruch auf Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft.
Die Findung einer eigenen Wohnung auf dem „freien Markt“ gestaltet sich für die
Betroffenen deshalb schwierig bis aussichtslos, weil die Wohnung einerseits den
Angemessenheitskriterien des SGB II/SGB XII genügen muss und die ausländerrechtliche Residenzpflicht in der Zuweisungsgemeinde Nettersheim während eines Hilfebezugs nach SGB II oder SGB XII die örtliche Flexibilität bei der Wohnungssuche unverhältnismäßig einschränkt.
Als Folge dessen leben derzeit folgende (ausländische) Personen „dem Grunde
nach widerrechtlich“ in den Gemeinschaftsunterkünften der Gemeinde weiter,
weil sie keine eigene Wohnung finden:
5
Art des Hilfebezugs
Personenzahl
SGB II
Grundsicherung für Arbeitssuchende
Sozialgeld (Kinder von Arbeitssuchenden)
2
2
4
SGB XII
Grundsicherung für Erwerbsgeminderte
1
1
5
Zwar erhält die Gemeinde für den Personenkreis nach SGB II/SGB XII derzeit
Kosten der Unterkunft und Heizung vom zuständigen Hilfeträger. Die (zwangsläufigen) Kosten der Betreuung der Menschen werden hierdurch jedoch nicht gedeckt.
Konsequente Verweise der betroffenen Ausländer aus den Wohnunterkünften,
wie sie in den Ballungsräumen mit sozialem Wohnungsangebot vertretbar sind
und auch vollzogen werden, führen im ländlichen Raum zur Wohnungslosigkeit
und damit zur ordnungsrechtlichen Zuständigkeit der Gemeinde. Diese Problematik besteht zwischenzeitlich in zahlreichen Städten und Gemeinden.
Es bedarf zur Entschärfung dieser Situation einer raschen übergeordneten politischen Entscheidung zur Änderung der starren Rahmenbedingungen auf Bundesund Landesebene, um den (zum überwiegenden Teil hoch motivierten) Menschen
den Zugang zum Wohnungsmarkt zu erleichtern und damit die Unterbringungssituation in den Übergangsheimen zu entschärfen.
Unterbringung in Übergangsheimen
Die ausländischen Menschen aus den beschriebenen Personenkreisen sind derzeit
wie folgt untergebracht:
Heim/Plätze
Bewohner/innen,
davon…
Marmagen, Kölner Str. 51
5
3
Nettersheim, Blankenheimer Str. 1
12
11
Nettersheim, Rosenthalstr. 11
5
6
Zingsheim, Weidenstr. 14
11
11
Holzmülheim, Erftstr. 38
12
12
… AsylBLG
… SGB II
1
6
… SGB XII
2
4
1
6
11
2
10
alle Unterkünfte:
45
43
26
14
3
Die beiden (vermeintlich) freien Plätze sind aufgrund der örtlichen Gegebenheiten kaum
realistisch zu nutzen.
6
Die Unterkünfte sind allesamt eng belegt, in der Regel teilen sich sechs Personen
eine Küche und eine Sanitäreinrichtung.
Alle Belegungssituationen bestehen derzeit im vollen Einvernehmen mit allen betroffenen Menschen.
Standards für die Ausstattung und Unterbringung der Übergangsheime gibt es in
Nordrhein –Westfalen, anders als in manchen anderen Bundesländern, bis heute
leider nicht.
In den Jahren 2013 und 2014 wurden die Sicherheitseinrichtungen und die Inneneinrichtungen unserer Unterkünfte schrittweise modernisiert.
Dabei haben die Bewohner/innen teils ehrenamtlich, teils im Rahmen gemeinnütziger Arbeit nach § 5 AsylBLG, durchaus wirkungsvoll mitgeholfen.
Die Gebäudesubstanz hingegen ist – bedingt durch das fortgeschrittene Betriebsalter – bisweilen sanierungs- und ausbesserungsbedürftig. Hinsichtlich der notwendigen energetischen Sanierung der Asylunterkunft „Blankenheimer Straße 1“
in Nettersheim wurde ein Antrag auf Förderung zur Durchführung einer ausgewählten Klimaschutzmaßnahme beim zuständigen Projektträger eingereicht, mit
der Bewilligung der Maßnahme wird kurzfristig gerechnet.
Während die Gebäude in Nettersheim, Zingsheim und Holzmülheim im Eigentum
der Gemeinde stehen, ist das Haus in Marmagen von privater Hand angemietet.
Die maßgeblichen Kostenblöcke bei der Unterbringung von Zuwanderern sind in
diesem Jahr (Prognose bis zum Jahresende)
Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 3 AsylBLG
Hilfe bei Krankheit nach § 4 AsylBLG
Sach- und Dienstleistungen Unterhaltung Unterkünfte
Bewirtschaftungskosten (Strom, Wasser, Abwasser,
Energien usw.)
Mieten
Personalkosten (Budgetansatz 2014)
rd.
rd.
rd.
rd.
90.000
34.000
24.000
40.000
Euro
Euro
Euro
Euro
rd. 7.000 Euro
rd. 11.000 Euro
Der unablässige Zustrom von Zuwanderern verlangt aktuell nach weiteren Unterbringungsplätzen. Verwaltungsseitig wird an entsprechenden Konzepten gearbeitet.
Soziale Betreuung, Unterstützung der Integration
Die Gemeinde bekennt sich zu der gesetzlichen und moralischen Pflicht der intensiven sozialen Beratung, Betreuung und Förderung der Integration aller Zuwanderer.
Dazu gehören neben einer engagierten alltäglichen Betreuung durch die Mitarbeiter/innen des Sozialamts vor allem konkrete Unterstützungen bei der Suche nach
individuellen Wohnmöglichkeiten, Arbeitsgelegenheiten, Wahl und Durchführung
medizinischer Heilverfahren, Vermittlung von Sprachkursen für erwachsene und
Familien sowie Erlangung sozialrechtlicher Ergänzungs- und Anschlussförderungen.
7
Die Kooperation und Kommunikation mit externen öffentlichen und gemeinnützigen Stellen sowie die ehrenamtliche Mitwirkung der Fachdienstleitung Soziales
an sozialen oder gemeinnützigen Projekten Dritter hat sich hierbei ergänzend
bewährt.
Das Angebot gemeinnütziger Arbeitsgelegenheiten an Asylbewerber nach § 5
AsylBLG rundet die Palette bestehender Angebote ab.
Das Prinzip der „Hilfe zur Selbsthilfe“ im Kreise der Unterkunftsbewohner/innen
unter Führung des Sozialamts hat sich etabliert und trägt vor allem – über
landsmannschaftliche und religiöse Grenzen hinweg – zur Stärkung der Solidarität innerhalb der Wohngemeinschaften und ganz wesentlich zum sozialen Frieden
in den Unterkünften bei.
So wurden in den letzten Jahren keine ernsthaften sozialen Spannungen in den
Übergangsheimen mehr verzeichnet.
Flächendeckende Problemlage fordert Bund und Land
Ein „Blick über den Tellerrand“ der eigenen Gemeinde im kollegialen Gedankenaustausch beweist, dass die oben aufgezeigten Probleme ganz offenkundig flächendeckender Natur sind.
Auch wenn die meisten Städte und Gemeinden den Herausforderungen der
Flüchtlingszuwanderung bislang mit einem hohen Maß an Eigenverantwortung
und Engagement im Interesse der betroffenen Menschen begegnen:
Die haushaltswirtschaftlichen Engpässe und die beschränkten personellen Ressourcen gerader kleiner und mittlerer Kommunen im ländlichen Raum mahnen
eine erhebliche Verstärkung der wirtschaftlichen und logistischen Hilfen durch
Bund und Land bereits jetzt mehr als nachdrücklich an.
Es muss Aufgabe der kommunalen Ebene sein und bleiben, dies im eigenen Interesse, vor allem aber auch im Sinne der betroffenen Menschen, nachhaltig einzufordern.
gez. Pracht
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Bürgermeister