Daten
Kommune
Langerwehe
Größe
188 kB
Datum
23.06.2016
Erstellt
02.08.16, 18:06
Aktualisiert
02.08.16, 18:06
Stichworte
Inhalt der Datei
Tischvorlage
Gemeinde Langerwehe
Der Bürgermeister
Langerwehe, den 15.06.2016
Amt / Abteilung: Bauamt
Az.:
Schi
Vorlagennummer: VL-143/2016
TOP
Vorlage
für die Sitzung des Ausschusses für Bau- und Planungsangelegenheiten
Öffentlich
Einst.
Ja
Nein
Enth.
Bemerkungen
Stellungnahme zu einem geplanten Bauvorhaben in Langerwehe, Pochmühlenweg
Sachdarstellung:
Die Ortsvorsteherin der Ortschaft Jüngersdorf/Stütgerloch beantragt mit Email vom
12.06.2016 den Tagesordnungspunkt „Bauvorhaben Pochmühlenweg“ auf die heutige
Tagesordnung aufzunehmen. Da der Antrag nach Annahmefrist für die Einladung zu
dieser Sitzung eingegangen ist, erfolgt die Vorlage im Rahmen dieser Tischvorlage.
Der Antrag ist als Anlage beigefügt.
Zu dem Hintergrund des Antrages:
Mit Datum vom 24.03.2016 hat die Kreisverwaltung Düren einen positiven Bauvorbescheid zur Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit Stellplätzen für das Grundstück in der
Gemarkung Jüngersdorf, Flur 2, Flurstück 142 (Pochmühlenweg) erteilt. Dem vorausgegangen ist ein entsprechender Antrag auf Erteilung eines Bauvorbescheides des
Bauherren. Das Grundstück liegt planungsrechtlich im Innenbereich der Gemeinde
Langerwehe. Die Bebaubarkeit richtet sich demnach nach den Vorschriften des § 34
BauGB. Gemäß § 36 (1) BauGB muss über die Zulässigkeit von Vorhaben nach den §§
31, 33, 34 und 35 BauGB die Baugenehmigungsbehörde (Kreis Düren) im Einvernehmen
mit der Gemeinde entscheiden.
Folglich wurde die Gemeinde um Herstellung des Einvernehmens zu dem o. g. Bauvorhaben gebeten.
Die Ortsvorsteherin bittet nun um eine Zurverfügungstellung aller vorhandenen Informationen über das in Rede stehende Objekt sowie um eine Darstellung der Rechtslage.
Planungsrechtliche Prüfung durch die Gemeinde:
Rechtliche Grundlage für die Beurteilung dieses Bauvorhabens ist § 34 BauGB.
Gemäß § 34 (1) BauGB ist ein Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten
Ortsteile zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der
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Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der
näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist.(…)
Entscheidend für die Zulässigkeit von Vorhaben nach § 34 BauGB ist zunächst die
Ermittlung der näheren Umgebung, in deren Eigenart sich das Vorhaben einfügen muss.
Der Begriff der „näheren Umgebung“ ist nicht einheitlich gesetzlich definiert. Kommentare
und Gerichtsurteile gehen hierbei regelmäßig von den Blickrichtungen des jeweiligen
Bauvorhabens aus. D. h. das was das menschliche Auge in Bezug auf das Bauvorhaben
tatsächlich wahrnimmt.
In diesem konkreten Fall ist als die nähere Umgebung jeweils die nördlich und östlich
angrenzende Barbarastraße sowie der südlich und westliche Bereich des Pochmühlenweges zu sehen. Besondere Beurteilung stellt hierbei der dominierende Bereich der
Gebäude Pochmühlenweg 1 bzw. 1a dar (sog. prägende Wirkung).
Rechtlich maßgebende Tatbestandsmerkmale zur Beurteilung des § 34 BauGB:
Art der baulichen Nutzung
Das geplante Vorhaben stellt laut Flächennutzungsplan Wohnbauflächen dar. Die
Art der baulichen Nutzung ist demnach ein allgemeines Wohngebiet. Die tatsächlich vorhandene nähere Umgebung stellt ebenfalls überwiegend Wohnen dar.
-> Da das Vorhaben dem Wohnen dienen soll, liegt kein Verstoß gegen die Art der
baulichen Nutzung vor.
Maß der baulichen Nutzung
Hierbei ist auf die zulässige Grundflächenzahl, die Geschossflächenzahl, die Zahl
der Vollgeschosse sowie die Höhe der baulichen Anlagen abzustellen. Da kein Bebauungsplan vorhanden ist richten sich die Werte nach den Angaben der Baunutzungsverordnung (BauNVO). Demnach ist für ein allgemeines Wohngebiet eine
- Grundflächenzahl von 0,4 und eine
- Geschossflächenzahl von 1,2 anzunehmen.
Laut vorgelegten Unterlagen beträgt die beantragte Grundflächenzahl 0,35 und die
Geschossflächenzahl 0,7. Rein rechnerisch liegen hier folglich keine Versagungsgründe vor.
Bei Ermittlung des Maßes der baulichen Nutzung kommt es nicht „auf die Feinheiten der Berechnungsregeln der Baunutzungsverordnung an“, sondern mehr auf das
äußere Einfügen. Entscheiden ist also die von außen wahrnehmbare Erscheinung
des Gebäudes im Verhältnis zu seiner Umgebungsbebauung; vorrangig ist dabei
auf diejenigen Maßkriterien abzustellen, in denen die prägende Wirkung besonders
zum Ausdruck kommt.
Als ein Maßstabskriterium sind hier die Objekte Pochmühlenweg 1 und 1a zu sehen. Beides sind zweigeschossige Gebäude. Nr. 1 verfügt über eine Firsthöhe von
8,55 m und Nr. 1a sogar über eine Firsthöhe von 10,45. In der Umgebung der Barbarastraße und des westlichen Pochmühlenweges ist zwar ausschließlich eine Eingeschossigkeit zu finden, jedoch weisen mehr als drei Objekte eine Firsthöhe von
8,35 m auf. Das geplante Bauvorhaben verfügt zwar über 2,5 Geschosse, dies jedoch lediglich bei einer Firsthöhe von insgesamt nur 8,87 m. In Relation gesehen,
ist der 2,5 geschossige Baukörper somit bereits auf ein Minimum begrenzt und fällt
innerhalb der Umgebungsbebauung nicht maßgeblich ins Gewicht.
Das Gebäude soll über ein Flachdach verfügen. In der Umgebung sind jedoch außer auf Nebenanlagen keine Flachdächer vorhanden. Das Kommentar zum Baugesetzbuch (12. Auflage; Battis/Krautzberger/Löhr) sagt hierzu: Das Erfordernis des
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Einfügens schließt es nicht aus, etwas zu verwirklichen, was es bisher in der Umgebung noch nicht gab. Auch Vorhaben, die den aus Ihrer Umgebung ableitbaren
Rahmen überschreiten, können sich dieser Umgebung einfügen. Gegen das
Flachdach ist folglich nichts einzuwenden.
-> Das Maß der baulichen Nutzung wurde vorliegend eingehalten.
Bauweise
Die Bauweise kann in offener Bauweise (d. h. Grenzabstand der Hausbaukörper zu
den jeweiligen Grundstücksgrenzen = 3 m) oder in geschlossener Bauweise (d. h.
Gebäude können ohne seitlichen Grenzabstand errichtet werden).
-> Vorliegend wird die offene Bauweise eingehalten, was auch dem Umgebungsbild
entspricht.
Grundstücksfläche, die überbaut werden soll (überbaubare Fläche)
Die sog. überbaubare Grundstücksfläche wird in einem Gebiet nach § 34 BauGB
nicht vorgeschrieben. Auch dies bedeutet, dass sich der Maßstab nach der Umgebung und der BauNVO zu richten hat. Maßgeblich sind hier die in Bezug auf die
nähere Umgebung vorhandenen Hauptgebäude. Laut vorgelegter Unterlagen handelt es sich um ein 36,50 m tiefes und ca. 28 m breites Baugrundstück. Der Baukörper soll in etwa mit 7 m bzw. 5 m zur Straßenverkehrsfläche beginnend errichtet
werden und hat eine bauliche Tiefe von 21,0 m. Die Abstandsflächen zur östlichen
Grundstücksseite betragen 5,80 m und zur westlichen Seite 4,95. Der Abstand zu
den Grundstücken nördlich der Barbarastraße beträgt sogar 10,50 m. Die geplanten Dimensionen sprechen für eine Siedlungsstruktur im ländlich geprägten Raum.
Es kann nicht immer nur von einer Ein- bzw. Zweifamilienhausbebauung ausgegangen werden. Vielmehr müssen die heute noch sehr wenig vorhandenen Bauflächen sinnvoll ausgeschöpft werden. Auch im Hinblick auf einer schonenden Nutzung des Außenbereiches solle eine Nahverdichtung des gewachsenen Ortes
stattfinden. Zudem wird auch hier auf das Zitat im o. g. Kommentar des Baugesetzbuches verwiesen („Rahmen überschreiten“). Eine alte gewachsene Struktur kann
eben durch die Architektur der heutigen Zeit nicht mehr in Gänze beibehalten werden.
-> Ein Verstoß gegen die Grundstücksfläche liegt demnach nicht vor.
Die Tatbestandsmerkmale des § 34 (1) BauGB sind demnach erfüllt. Der Architekt hat im
Rahmen der Bauvoranfrage alle Tatbestandsmerkmale zeichnerisch und rechnerisch
nachgewiesen. Entsprechende Unterlagen sind beigefügt.
Gemäß § 36 (2) BauGB darf die Gemeinde das Einvernehmen nur aus den sich aus den
§§ 31, 33, 34 und 35 BauGB ergebenden Gründen versagen.
Da keine Versagungsgründe vorliegen, hat die Gemeinde das Einvernehmen gemäß § 36
(1) BauGB erteilt.
Die Mitwirkung der Gemeinde im Baugenehmigungsverfahren nach § 36 (1) BauGB
beruht zwar auf der gemeindlichen Planungshoheit. Hieraus erfolgt aber nicht, dass der
Gemeinde dabei ein generelles Ermessen oder eine sonstige tatbestandsunabhängige
Entscheidungsfreiheit zusteht (12. Auflage; Battis/Krautzberger/Löhr).
Die Erteilung des Einvernehmens kann nicht widerrufen oder zurückgenommen
werden; dieses würde den Sinn der Vorschrift über die Einvernehmens Erklärung der
Gemeinde leerlaufen lassen. Die Gemeinde ist im späteren Baugenehmigungsverfahren
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auch an das Einvernehmen gebunden, da sie dieses im Rahmen der Bauvoranfrage
erteilt hat.
Verweigert die Gemeinde das Einvernehmen rechtswidrig, kann dieses im Wege der
Rechtsaufsicht des Kreises Düren ersetzt werden.
Sollte der Kreis Düren das Einvernehmen nicht ersetzen, ist er an eine Ablehnung des
Bauvorbescheides bzw. einer Baugenehmigung gebunden. Würde diese Ablehnung durch
den Bauherren beklagt werden, würde die Klage nicht an die Rechtsaufsicht sondern an
die das Einvernehmen verweigernde Gemeinde gerichtet werden. In diesem Fall haftet die
Gemeinde stellvertretend durch die Ratsmitglieder.
Die Verwaltung wurde von der Antragstellerin gebeten, eine schriftliche Aussage zu
erstellen, wie zukünftig solche Vorhaben gemeindeseitig „steuernd“ begleitet werden
können. Weiterhin wurde um eine Darstellung zu möglichen neuen Bebauungsplänen für
vorhandene Siedlungsgebiete gebeten.
Eine Steuerung von Vorhaben in Gebieten nach § 34 BauGB ist rechtlich nicht möglich.
Wie oben bereits dargelegt, hat die Gemeinde ihr Einvernehmen zu erteilen, wenn die
Voraussetzungen des § 34 (1) BauGB vorliegen. Anderenfalls handelt sie rechtswidrig mit
weitreichenden Folgen.
Die vom Grundgesetz eingeräumte Planungshoheit der Gemeinde wird also in soweit
eingeschränkt, dass kein generelles Ermessen oder eine sonstige Tatbestandsunabhängige Entscheidungsfreiheit besteht.
Bisher wurde im Ausschuss lediglich über Vorhaben nach § 35 BauGB (Außenbereich)
sowie Ausnahmen und Befreiungen nach § 31 BauGB beraten, die innerhalb von
Bebauungsplangebieten liegen, da hierbei die Rechtsnatur eine von der Gemeinde
erlassene Satzung (Bebauungsplan) ist, deren Abweichungen innerhalb der Entscheidungsgewalt der Gemeinde liegen.
Hinweis:
§ 35 BauGB beinhaltet einen anderen Prüfmaßstab als § 34 BauGB. Die in § 35 (1)
BauGB genannten Vorhaben sind im Außenbereich bevorzugt („privilegiert“) zulässig.
Für diese privilegierten Vorhaben hat der Gesetzgeber „sozusagen generell geplant“. Die
in Abs. 1 aufgeführten Vorhaben hat der Gesetzgeber selbst dem Außenbereich
zugeordnet und damit den Gemeinden die sonst ggf. erforderliche Planung im Sinne des §
30 BauGB (Bebauungsplan) abgenommen. Im Ergebnis rückt dies die gesetzgeberische
Entscheidung über privilegierte Vorhaben deshalb in die Nähe planerischer Festsetzungen
der Gemeinde.
Vorhaben nach § 35 BauGB werden im Ausschuss behandelt, da sich dieser die
Entscheidung darüber seinerzeit vorbehalten hat.
Zahlenmäßig bedeutet dies, dass im Schnitt ca. 5 Bauanträge im Außenbereich pro
Sitzungsjahr behandelt werden. Eine Vorlage von Bauanträgen nach § 34 BauGB würde
bedeuten, dass bis zu 80 Anträge pro Jahr behandelt werden müssten, was im Schnitt 16
Bauanträge pro Bauausschusssitzung ausmachen würde.
Die einzige Steuerungsmöglichkeit für den unbeplanten Innenbereich stellt also die
Aufstellung von Bauleitplänen dar. Eine entsprechende Übersicht über diese Bereiche
sind dieser Vorlage als Anlage beigefügt. (Hinweis: Die jeweils nicht schraffierten Bereiche
stellen den unbeplanten Innenbereich nach § 34 BauGB dar; die Ortschaft Hamich ist
nicht beigefügt, da für die gesamte Ortschaft Hamich ein Bebauungsplan gilt)
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Gegenstand der Bauleitplanung ist gemäß § 1 (1) BauGB die Vorbereitung und Leitung
der baulichen und sonstigen Nutzung der Grundstücke.
Bei einer nachträglichen Überplanung von bereits bebauten Bereichen würde die
Problematik bestehen, in einer seit Jahren gewachsenen Siedlungsstruktur eine
einheitliche Festsetzung im Rahmen eines Bebauungsplanes festzusetzen die allen
gleichsam gerecht werden würde, da immer der größtmögliche Nenner zu finden wäre.
Weiterhin würde dies zu einem unverhältnismäßig hohen Arbeitsaufwand führen, der neue
Kapazitäten in der Bauabteilung binden würde. Zudem würde ein nicht kalkulierbarer
Kostenaufwand entstehen.
Eine Steuerung durch Bauleitplanung bei Vorliegen eines konkreten Bauvorhabens ist
nicht uneingeschränkt möglich, da bei Eingang des Antrages das zu dieser Zeit geltende
Baurecht anzuwenden ist.
Nach Auskunft des Kreises Düren liegt die Anzahl der Bebauungspläne im Geltungsbereich der Gemeinde Langerwehe über dem Durchschnitt im Verhältnis zum gesamten
Kreisgebiet.
Finanzielle Auswirkungen:
Grundsätzlich keine.
Sollten zukünftig Bebauungspläne für alle unbeplanten Bereiche aufgestellt werden,
wären die Kosten zum jetzigen Zeitpunkt nicht kalkulierbar (Kosten Planungskosten/Verstärkung für die Bauabteilung).
Beschlussvorschlag:
Der Ausschuss für Bau- und Planungsangelegenheiten nimmt die Ausführungen zur
Kenntnis.
Der Bürgermeister
(Göbbels)