Daten
Kommune
Kerpen
Größe
109 kB
Datum
03.05.2016
Erstellt
31.05.16, 13:19
Aktualisiert
13.09.16, 14:11
Stichworte
Inhalt der Datei
AUSZUG
aus der 15. Sitzung des Stadtrates
vom 03.05.2016
Drucksachen-Nummer: 250.16
TOP 10.
Hilfe für Flüchtlinge in Idomeni
hier: Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sowie der Fraktion DIE LINKE
Bürgermeister Dieter Spürck verweist auf die Ausführungen in der Verwaltungsvorlage und
erläutert nochmals, dass es aus rechtlichen Gründen nicht möglich ist, gezielt Flüchtlingsfamilien
nach Kerpen zu holen, da hier Bundes- und EU-Zuständigkeiten berührt werden. Er bittet
ausdrücklich darum, dass der Respekt gegenüber den Flüchtlingen und gegenüber jeweils
Andersdenkenden in Flüchtlingsfragen -auch in den sozialen Netzwerken- gewahrt werden
sollte, um die Thematik politisch nicht zu verschärfen.
Das gelte auch für die politische Auseinandersetzung zur Fragestellung, ob bzw. wie Kerpen
Flüchtlinge aus Idomeni oder andernorts helfen könne bzw. solle.
Bei der regen Diskussion, bei der vereinzelte Stadtverordnete ausführliche, persönliche
Stellungnahmen abgeben (die persönliche Stellungnahme des Stadtverordneten Manuel
Carrasco Molina ist als Anlage beigefügt) , wird seitens der Verwaltung nochmals dargelegt,
dass eine Aufnahme von Idomeni-Flüchtlingen nach Aussage des Bundesministeriums des
Inneren nicht möglich erscheint.
Auf Nachfrage der Stadtverordneten Barbara Siebert, was denn passieren würde, wenn
ungeachtet dessen trotzdem Flüchtlinge nach Kerpen geholt werden, teilt die Verwaltung
folgendes mit:
Die Einreise eines Asylbegehrenden auf dem Landweg ist in jedem Fall eine illegale Einreise
und stellt damit einen Straftatbestand dar, der sich aus dem Aufenthaltsgesetzt ergibt.
Das Einschleusen von Ausländern -insbesondere wie von Frau Siebert gefordert- stellt eine
Straftat dar, die ebenfalls im Aufenthaltsgesetz -§ 96- normativ geregelt ist. Danach wird mit
einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis zu 5 Jahren, in minder schweren Fällen mit einer
Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer einen anderen dazu anstiftet
oder ihm dazu Hilfe leistet, illegal ins Bundesgebiet einzureisen.
Dieser Straftatbestand ist u.a. auch für den Fall erfüllt, in dem der Helfende keinen Vorteil (Geld
etc.) erhält oder sich versprechen lässt, die Handlung aber zugunsten von mehreren Ausländern
erfolgt.
Rein vorsorglich erfolgt der Hinweis, dass auch das wiederholte Schleusen einzelner Flüchtlinge
(ohne Vorteilsnahme) strafbar ist. Ebenso ist der Versuch strafbar.
Nachträgliche Information zur Niederschrift:
Aufgrund der kontrovers geführten Diskussion zu diesem Thema nachfolgend eine
rechtliche Klarstellung:
1993 wurde das Asylrecht im Grundgesetz in Abstimmung mit der Europäischen Union in der Art
geändert, dass sich Ausländer auf Art. 16a Abs 1 GG („Politische Verfolgte genießen Asylrecht“)
nicht berufen können, wenn sie aus einem Mitgliedstatt der EU oder aus einem „sicheren
Drittstaat“ (Schweiz) eingereist sind.
Diese Grundgesetzänderung wurde vom Bundesverfassungsgericht in seiner Grundsatzentscheidung vom 14.05.1996 anerkannt. Das Gericht führt in dieser Entscheidung aus:
„Da nach derzeit geltender Rechtslage (Art. 16 a Abs. 2 GG und Anlage I zu § 26a
Asylverfahrens-gesetz) alle an die Bundesrepublik Deutschland angrenzenden Staaten sichere
Drittstaaten sind, ist ein auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland einreisender
Ausländer von der Berufung auf Art. 16a Abs. 1 GG ausgeschlossen, auch wenn sein Reiseweg
nicht im Einzelnen bekannt ist“.
Die Einreise aus allen Nachbarstaaten ist somit durchgehend illegal und wird nicht durch ein
Asylbegehren gerechtfertigt.
Der abstrakte Straftatbestand des § 95 Aufenthaltsgesetz ist immer erfüllt.
Auf eine bislang noch nicht thematisierte Rechtsproblematik wird ebenfalls hingewiesen:
Die Ausführungen der Verwaltung beziehen sich ausschließlich auf eine illegale Einreise ins
Bundesgebiet. Der Antrag, Flüchtlinge aus Idomeni mit dem Bus nach Deutschland zu holen,
berührt aber noch Einreisebestimmungen/Transitbestimmungen anderer Länder:
„Balkanroute“:
Mazedonien
Kosovo oder Serbien
Bosnien-Herzegowina
Slowenien
Österreich
„EU-Route“
Bulgarien
Serbien (nicht EU)
Ungarn
Österreich oder Tschechische Republik
Die Einreisebestimmungen dieser Staaten sowie die jeweiligen strafrechtliche Normatierungen
bei Verstößen gegen diese Bestimmungen sind nicht bekannt.
Der Geschäftsordnungsantrag des Stadtverordneten Heiner Funke auf Schluss der Debatte wird
mit 23 Nein-Stimmen (12 SPD, 5 B90, 1 FDP, 2 Linke, 2 BBK/Piraten, StVO W.Scharping) bei
16 Ja-Stimmen (15 CDU, StVO A.Müller-Bozkurt) und 5 Enthaltungen (4 CDU, BM) abgelehnt.
Der Geschäftsordnungsantrag des Stadtverordneten Oliver Niederjohann auf Schluss der
Rednerliste wird mit 26 Ja-Stimmen (18 CDU, 3 SPD, 1 FDP, 2 Linke, StVO A.Müller-Bozkurt,
BM) bei 15 Nein-Stimmen (8 SPD, 2 BBK/Piraten, 4 B90/Grüne, StVO W.Scharping) und 3
Enthaltungen (1 B90/Grüne, 1 CDU, 1 SPD) angenommen.
Hiernach lehnt der Stadtrat den schriftlich vorliegenden gemeinsamen Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen sowie der Fraktion DIE LINKE, gezielt Flüchtlingsfamilien aus Idomeni
nach Kerpen zu holen, ab.
Abstimmungsergebnis:
Beschluss der Sitzung des Stadtrates vom 03.05.2016
Seite 2
24 Nein-Stimmen: 18 CDU, 1 SPD, 1 FDP, 2 BBK/Piraten, StVO A.Müller-Bozkurt, BM)
10 JA-Stimmen: (5 B90/Grüne, 2 Linke, 2 SPD, StVO W.Scharping)
10 Enthaltungen (9 SPD, 1 CDU)
Beschluss der Sitzung des Stadtrates vom 03.05.2016
Seite 3