Daten
Kommune
Jülich
Größe
26 kB
Datum
24.06.2010
Erstellt
16.06.10, 18:17
Aktualisiert
16.06.10, 18:17
Stichworte
Inhalt der Datei
Stadt Jülich
Der Bürgermeister
Amt: 56 Az.: Es/Go
Jülich, 15.06.2010
öffentlicher Teil
Vorlagen-Nr.: 377/2010
Sitzungsvorlage
Beratungsfolge
Ausschuss für Jugend, Familie,
Schule und Sport
Termin
24.06.2010
TOP
Ergebnisse
Bürgerantrag 11/2009 Kindergartenöffnungszeiten
Anlg.:
II
56
SD.Net
Beschlussentwurf:
1.
2.
In einer städtischen Kindertageseinrichtung soll ab dem Kindergartenjahr 2011/2012 eine
Gruppe für Kinder im Alter von 2 bis 6 Jahren mit erweiterten Öffnungszeiten eingerichtet
werden.
Die Verwaltung wird beauftragt, darüber in Gespräche mit dem Kreis Düren einzutreten.
Begründung:
I. Prüfauftrag
In seiner Sitzung vom 01.02.2010 hat der Ausschuss für Jugend, Familie, Schule und Sport die
Verwaltung beauftragt, den Bürgerantrag zur Verlängerung der Öffnungszeiten in einer städtischen
Kindertageseinrichtung weiter zu verfolgen. (vgl. Vorlage- Nr. 36/2010)
II. Begriffsbestimmung und grundsätzliche Bedarfsfeststellungen
Die Idee der Flexibilisierung der Kinderbetreuung zielt hauptsächlich auf eine Erweiterung der Öffnungszeiten von Kindertageseinrichtungen ab, um dem Bedarf von Eltern nach einer passgenauen
Betreuung zu entsprechen. Mehrere Studien bzw. Befragungen ( u.a. Deutsches Jugendinstitut,
2005) belegen den wachsenden Bedarf an flexiblen Formen der Betreuung. In immer mehr Familien
sind beide Eltern berufstätig oder das Kind wächst bei einem (berufstätigen) Elternteil auf. Arbeitgeber verlangen zeitliche Flexibilität und auch im Kollegenkreis wird erwartet, dass Eltern ihre Arbeitskraft voll einbringen und nicht um 16 Uhr die Arbeit beenden, weil sie ihr Kind aus der Kita
abholen müssen. Eltern geraten im Spannungsfeld zwischen Beruf und Kinderbetreuung unter
Druck und leben oftmals mit dem Gefühl, keiner Seite mehr gerecht werden zu können.
Öffnungszeiten, die den Bedürfnissen der Eltern entgegenkommen, entlasten nicht nur die Eltern.
Auch die Kinder profitieren davon, wenn sie nach der normalen Betreuungszeit in der Kindertageseinrichtung nicht ständig von wechselnden Bezugspersonen (Montags Babysitter, Dienstags
Freunde, Mittwochs Großeltern....) weiter betreut werden oder wenn die Eltern nicht mehr abgehetzt und ohne schlechtes Gewissen ihr Kind abholen.
In Zusammenhang mit flexiblen Formen der Kinderbetreuung werden in der Fachdiskussion folgende Kriterien genannt:
-
lange Öffnungszeiten der Einrichtung ( min. 8-10 Stunden)
Abend- ,Wochenend- und Nachtbetreuung
Option der „ Notfallbetreuung“ für Unvorhersehbarkeiten
die Möglichkeit des „Platz- Sharings“ (ein Platz kann auf zwei Kinder verteilt werden, wenn
die Kinder zu unterschiedlichen Zeiten die Einrichtung besuchen)
Eine, vom Deutschen Jugendinstitut herausgegebene, qualitative Studie u.a. mit Eltern, die teil- und
vollerwerbstätig im Einzelhandel sind, zeigt auf, dass die Öffnungszeiten der Betreuungseinrichtungen häufig nicht kompatibel mit den Arbeitszeiten der Befragten sind. Falls doch eine
Betreuung angeboten wird, erweist sie sich als unbezahlbar für viele Betroffene. Ein weiteres Problem stellen die Schließzeiten der Einrichtungen dar. So sind die Befragten z. B. an Brückentagen, in
den Ferien oder, insbesondere im Einzelhandel in der Vorweihnachtszeit, durch ihre Arbeitszeiten
gebunden und aus diesem Grund auf eine zusätzliche Betreuung angewiesen. „Notfalllösungen“
gehören für die Mehrheit der Befragten zum Alltag.
Den wachsenden Bedarf an flexibler Betreuung untersucht auch die Studie:“ Arbeitsmarkt und Kinderbetreuung - Warum wir neue Lösungen brauchen“1 Hier steht die Problematik der Gleichstellung
auf dem Arbeitsmarkt im Mittelpunkt. Die Studie benennt Probleme beim Wiedereinstieg in das
Berufsleben nach der Elternzeit, drohende Erwerbslosigkeit aufgrund fehlender Betreuungsangebote sowie drohende Erwerbslosigkeit durch sinkende Geburtenraten und der damit verbundenen
Schließung von Einrichtungen.
In Jülich ist die Nachfrage von Eltern nach einer Betreuung in den Randzeiten und darüber hinaus
in den letzten Jahren gewachsen. In aller Regel ging es dabei um die Ausweitung der Öffnungszeiten auf 6.45 Uhr bis 18.00 Uhr, in Einzelfällen auch länger. Mit der Kindertageseinrichtung in der
Bertastraße, deren Schwerpunkt bis zum Auslaufen der Landesförderung in der Hortbetreuung lag,
verfügt die Stadt über die einzige Einrichtung in Jülich, die eine ausgedehnte Öffnungszeit zwischen 7.00 Uhr und 17.30 Uhr vorhält. Das Kinderbildungsgesetz NRW (KiBiz) sieht ein maximales Betreuungsbudget von 45 Stunden vor, so dass bei einer Vollzeiterwerbstätigkeit und zusätzlichen Anfahrtszeiten zur Arbeitsstelle allerdings selbst dieser zeitliche Rahmen nicht immer die Bedürfnisse der Eltern abdecken kann.
Um Anhaltspunkte über den Bedarf in Jülich zu gewinnen, hat die Verwaltung im Mai über das
Jülich Magazin und die lokale Presse Eltern aufgerufen, ihren Bedarf an flexiblen Betreuungszeiten
zu melden. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass es sich dabei nicht um eine repräsentative Befragung handelt. Die Rückmeldungen sind insofern eher als Momentaufnahme zu verstehen.
Auch gilt es zu berücksichtigen, dass die Mehrheit aller Eltern bereits Regelungen für das laufende
und das kommende Kindergartenjahr (die Anmeldungen sind zum Ende eines jeden Kalenderjahres
zu tätigen) treffen mussten und sich aus diesem Grund möglicherweise nicht angesprochen fühlten.
Insgesamt meldeten sich 11 Eltern bei der Verwaltung. Zwei Mütter hatten bereits vor dem Aufruf
in einem Gespräch beim Bürgermeister ihre Notlage dargestellt und unterstrichen, dass sie, sollte
1
(Quelle: www.flexibleKinderbetreuung.de)
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keine Lösung für die Betreuung ihrer Kinder gefunden werden, den Verlust ihres Arbeitsplatzes
und damit einhergehend den sozialen Absturz befürchten.
Nachfolgend veranschaulichen einige Zitate aus den eingegangenen emails die Situation der Eltern.
Sie bestätigen mit ihren Aussagen durchweg die Ergebnisse aktueller Studien.
„Auch wir gehören zu den Eltern, die dringend längere Nachmittagszeiten benötigen (...)
mindestens bis 18 Uhr. Was uns ferner fehlt sind explizite Nachmittagsplätze (...) Wäre schön, wenn
solche Ganztagsplätze dann teilbar wären (...)“
„ Vielen Dank für die Nachfrage!!! Da ich im Kundenbereich (...) tätig bin, habe ich immer
Probleme mit den Abholzeiten. Donnerstags müsste ich eigentlich bis 18.30 Uhr arbeiten, was mir
nicht möglich ist. Ich bin immer auf das Verständnis und die Unterstützung der Kollegen
angewiesen, die mein früheres Verlassen des Arbeitsplatzes tolerieren.“
„ (...) der Arbeitgeber besteht jedoch weiterhin auf Schichtarbeit in 3 Schichten von 6.30 Uhr bis 20
Uhr (...). Das Problem der Schichtarbeit gibt es nicht nur im Einzelhandel, sondern zieht sich durch
alle Berufe mittlerweile. Ich bin in einem Druckvorstufenunternehmen beschäftigt (gewesen),
Flexibilität wird vorausgesetzt, da kann es sogar passieren, dass ich von einem auf den anderen Tag
die Schicht wechseln soll (...) Lange hatte ich deswegen meinen Kinderwunsch mit meinem ExMann, der auch wiederum in ganz anderen Schichtzeiten arbeitete, aufgeschoben. (....)
Vor allem für alleinerziehende und berufstätige Paare erweisen sich die gängigen Öffnungszeiten
zunehmend als Hürde, zumal, wenn zu den Arbeitszeiten noch Wegezeiten anfallen, was bei der
geforderten Mobilität von Berufstätigen immer häufiger vorkommt.
III. Probleme flexibler Betreuung
Probleme flexibler Angebote werden mit der Sicherstellung des Kindeswohls verbunden. Thematisiert wird vor allem das Spannungsfeld zwischen der Vereinbarkeit von Familie und Berufsleben
einerseits und dem Wohl der Kinder andererseits. So sehen sich Familien, die flexible Angebotsstrukturen benötigen und nutzen, von ihrem Umfeld nicht selten kritisiert („Rabeneltern“).
Ein weiteres Problem für die Familien, die auf flexible Betreuung angewiesen sind, entsteht durch
die damit verbundenen Kosten, da eine Betreuung zu atypischen Zeiten in der Regelförderung praktisch nicht vorgesehen ist und über zusätzliche Beiträge und Fördermittel finanziert werden muss.
In der o.g. Studie des Deutschen Jugendinstituts wurde auch die Sicht der pädagogischen Fachkräfte hinterfragt. Erzieherinnen werden demnach häufig mit der Kritik konfrontiert, ein flexibler Alltag
habe zu wenig Struktur und Organisation, so dass kaum Verlässlichkeit und Stabilität für die Kinder
gegeben sei. Nach Einschätzung der pädagogischen Fachkräfte sind es jedoch eher die Eltern, die
sich weniger leicht in den flexiblen Alltag einfinden als die Kinder. In Bezug auf die ÜbernachtBetreuung besteht indes eine eher ambivalente Haltung, sowohl aus subjektiver Sicht der Erzieherinnen, als auch der Erzieherinnen über die Eltern, hier thematisieren sie die Wahrung des Kindeswohls. Des Weiteren beanstanden sie die fehlenden notwendigen Rahmenbedingungen für die flexible Betreuung.
Von Seiten der pädagogischen Fachkräfte wird außerdem unterstrichen, dass sich die Alltagsgestaltung vorrangig an den Bedürfnissen und Wünschen der Kinder orientieren müsse. Eine
verlässliche Tagesstruktur kann etwa durch Projekte und Rituale geschaffen werden. Insgesamt
kommt den Fachkräften eine größere Verantwortung zu, Organisationsstrukturen, Team- und
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Elternarbeit sind von großer Bedeutung, die gesamte Arbeit muss an Absprachen gebunden und
transparent sein, um den Anforderungen einer flexiblen Struktur gerecht zu werden.
Aus Sicht der in der Studie befragten Kinder gibt es kaum negative Aspekte, einzig die älteren Kinder benennen die Zeiten zwischen Schule und flexibler Betreuung als zeitweise stressig. Die Kinder
freuen sich auf und über ihren Tag in der Einrichtung, da die Einrichtung einen wichtigen Bezugspunkt im Alltag darstellt. Bring- und Abholzeiten , sowie die freien Kitatage als gemeinsame Familienzeit werden positiv bewertet. Die Kinder genießen während einer Übernachtung die Elternfreie
Zeit und die damit verbundene „ Freiheit“.
III. Zusammenfassung und Ausblick
Mit flexiblen Strukturen kann für berufstätige Familien ein zeitlich wie organisatorisch stark ausdifferenziertes Gesamtangebot geschaffen werden, welches sie als Stress mindernd empfinden. Wichtigste Formen der Flexibilisierung bestehen zum einen in der Erweiterung der Öffnungszeiten und
zum anderen in einer verstärkten Modularisierung innerhalb der Öffnungszeiten.
Für beide Formen lassen sich bundesweit Beispiele guter Praxis finden. Auch in Nordrhein- Westfalen ist eine flexible Betreuung in Bezug auf Kosten, Personalschlüssel und Betriebserlaubnis
grundsätzlich möglich.
Aufgrund der bisherigen Erkenntnisse empfiehlt die Verwaltung, das Vorhaben weiter zu verfolgen.
Weitere Festlegungen (Finanzierung, Elternbeiträge, Öffnungszeiten, Platz-Sharing u.a.m.) erscheinen zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht zweckmäßig, da mit der Schaffung eines Angebots in Jülich eine Fülle konkreter Fragen zu klären sind. Deshalb sollte im nächsten Schritt das Kreisjugendamt als örtlicher Jugendhilfeträger angefragt und das Vorhaben gemeinsam weiter entwickelt werden.
Ziel sollte sein, mit Start des Kindergartenjahres 2011/12 ein Angebot in einer städtischen Kita einzurichten und modellhaft zu erproben. Dazu gilt es u.a., den dann aktuellen Betreuungsbedarf der
Eltern zu ermitteln. Geeigneter Zeitpunkt dafür ist der Herbst 2010 und die dann turnusmäßig stattfindende Bedarfsabfrage. Die Bedarfsermittlung schafft die Planungsgrundlage und ist notwendig,
um die Betreuungsverträge individuell auf die Bedarfe der Eltern zuschneiden und abschließen zu
können. Auch Personalbemessung und Gesamtkosten sind erst auf der Grundlage einer konkreter
Bedarfsermittlung möglich.
Der Ausschuss wird regelmäßig über den weiteren Verlauf unterrichtet.
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ja
1.Finanzielle Auswirkungen:
Gesamtkosten:
X
nein
jährl. Folgekosten:
Haushaltsmittel stehen bereit:
jährl. Einnahmen:
ja
nein (siehe Beschlussentwurf)
bei Produktsachkonto:
(unter Berücksichtigung der Vorbelastungen) noch verfügbar:
Erläuterungen zu Ziffer ______
2.Der Personalrat ist zu beteiligen:
Mitbestimmung
Mitwirkung
ja
X
nein
Anhörung
Der Personalrat hat zugestimmt:
ja
nein
Der Personalrat hat Bedenken erhoben:
ja
nein
3.Die Gleichstellungsbeauftragte ist zu beteiligen:
ja
Sie hat dem Beschlussentwurf gemäß § 5 Abs. 5 GO
NW widersprochen:
ja
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X
nein
nein
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