Daten
Kommune
Pulheim
Größe
138 kB
Datum
24.11.2016
Erstellt
14.11.16, 18:32
Aktualisiert
14.11.16, 18:32
Stichworte
Inhalt der Datei
Vorlage Nr.:
324/2016
Erstellt am:
21.10.2016
Aktenzeichen:
511
Mitteilungsvorlage
Gremium
Jugendhilfeausschuss
TOP
ö. Sitzung
X
nö. Sitzung
Termin
24.11.2016
Betreff
Sachstand zur Unterbringung, Versorgung und Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen im
Stadtgebiet Pulheim
Mitteilung
Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder
und Jugendlicher am 01.11.2015 und der landesweiten Umverteilung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen kam
auf die Jugendhilfe eine neue, umfassende Aufgabe zu. Hierüber wurde der JHA in der Mitteilungsvorlage 438/2015 vom
19.11.2015 umfassend informiert.
Nach einem Jahr liegen vielfache Erfahrungen mit der Ausgestaltung der gesetzlichen Vorgaben und insbesondere in
der Arbeit mit unbegleiteten minderjährigen Ausländern (UMA) vor.
Zur Information: Häufig wird entsprechend des Gesetzestextes von „unbegleiteten minderjährigen Ausländern“, kurz
UMA oder umA, gesprochen. Aber auch die frühere Bezeichnung „unbegleitete minderjährige Flüchtlinge“, kurz umF, ist
nach wie vor in der Fachwelt gebräuchlich.
Bisherige Zuweisungen und das Zuweisungsverfahren
Aktuell werden im Jugendamtsbezirk Pulheim 26 unbegleitete minderjährige Ausländer durch die Jugendhilfe betreut
und versorgt.
Die Kinder und Jugendlichen sind zwischen 7 und 18, die meisten von ihnen zwischen 15 und 17 Jahren alt. 12 von
ihnen kommen aus Syrien, 11 aus Afghanistan, je einer aus Irak und Iran sowie einer aus Ghana. 25 UMA sind männlich.
Von den 26 Kindern und Jugendlichen wurden 22 nach dem 01.11.2015 von der Landesverteilstelle, angesiedelt beim
Landesjugendamt, zugewiesen; vier UMA leben bereits länger im Stadtgebiet.
Zwei ehemalige UMA leben im Rahmen der Familienzusammenführung mittlerweile gemeinsam mit ihren Eltern in Pulheim bzw. Kiel. Einer ist dauerhaft abgängig, ein mittlerweile volljähriger UMA, für den die Jugendhilfe eingestellt wurde,
wurde durch die Bezirksregierung Arnsberg dem Sozialamt zugewiesen. Die vier zuletzt genannten UMA sind nicht im
o.g. aktuellen Bestand von 26 enthalten.
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Entsprechend des aktuellen Aufnahmeschlüssels muss die Stadt Pulheim lt. Schreiben der Landesverteilstelle vom
12.10.2016 41 junge Flüchtlinge aufnehmen. Die aufzunehmende Anzahl errechnet sich durch die in NRW gemeldeten
Einwohner (17.865.516, Stand 31.12.2015), dividiert durch die vom Bundesverwaltungsamt ermittelten UMA, die NRW
zugewiesen wurden (13.508, Stand 12.10.2016). Der so ermittelte Aufnahmequotient (1.323) wird nun durch die die
Einwohnerzahl der Kommune (55.000 für Pulheim) dividiert. Die geplante Aufnahmeanzahl von 41 UMA ist aktuell also
zu 63,4 % erfüllt. Der Aufnahmeschlüssel wird regelmäßig durch das Landesjugendamt angepasst.
Das Bundesverwaltungsamt ermittelt die auf die Bundesländer zu verteilenden UMA über ein onlinebasiertes Webportal,
über die jede Kommune werktäglich eine Bestandsmeldung abgibt.
Bedingt durch die geschlossene Balkanroute und den deutlich verringerten Flüchtlingszahlen insgesamt, sind in den
letzten Monaten nur wenige unbegleitete minderjährige Flüchtlinge zugewiesen worden.
Unterbringung, Betreuung und Versorgung der jungen Flüchtlinge
Die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge in Pulheim leben in Wohngemeinschaften, Pflegefamilien, in einer Jugendhilfeeinrichtung oder gemeinsam mit Verwandten in städtischen Unterkünften bzw. Wohnungen.
Der größte Teil der Zuweisungen erfolgte Ende 2015 / Anfang 2016. Die Jugendämter und Jugendhilfeeinrichtungen
waren aufgrund der neuen gesetzlichen Regelungen zur Verteilung und Unterbringung von minderjährigen Flüchtlingen
und aufgrund der hohen Zahl ankommender Menschen sehr gefordert, adäquate Unterbringungsmöglichkeiten zu schaffen. Die vorhandenen Kapazitäten waren schnell erschöpft, die Erschließung neuer Wohngruppen nach den Standards
der Jugendhilfe zeitnah nicht möglich.
Zur Vermeidung von Obdachlosigkeit empfahl das Landesjugendamt sog. „Brückenlösungen“. Die Unterbringung von
Jugendlichen konnte in angemessenen Unterkünften auch ohne Betriebserlaubnis erfolgen.
Das Jugendamt entschied sich im Dezember 2015 dazu, eine Monteurwohnung für 9-10 Jugendliche anzumieten. Diese
wurde zeitnah belegt und bis zum 30.06.2016 bewohnt. Die Jugendlichen wurden durch beauftragte Jugendhilfeträger in
enger Abstimmung mit dem Jugendamt betreut.
Nach Auflösung dieser größeren Wohngemeinschaft wurden durch das Immobilienmanagement zwei kleinere Wohnungen angemietet und ein städtisches Gebäude hergerichtet, in denen nun kleinere Wohngemeinschaften von Jugendlichen leben und betreut werden.
Eine exemplarische Beschreibung:
In einer dieser Wohnungen lebt M.. Er wurde dem Jugendamt im Dezember 2015 zugewiesen. Er ist 16 Jahre alt und
kommt aus Afghanistan. Er hat noch sieben jüngere Geschwister, die in der afghanischen Heimat leben. In seiner Heimat besuchte er die vierjährige Grundschule und einige Jahre eine weiterführende Schule. M. bringt, im Vergleich zu
einigen anderen, eine solide schulische Ausbildung mit. M. berichtete, sein Vater arbeite im logistischen Bereich der
Hilfsorganisation Rotes Kreuz. Dadurch sei er als Vertreter westlicher Werte in einen Konflikt mit den Taliban geraten.
Diesen Konflikt habe auch er selbst erleben müssen. Im Jahr 2013 sei zunächst ein Mitschüler, Sohn eines „Abtrünnigen“, auf dem Schulhof durch Taliban erschossen worden; danach habe er aus Sicherheitsgründen die Schule nicht
mehr besuchen können. Im gleichen Jahr sei er durch Taliban in die Berge verschleppt worden, um für den heiligen
Krieg, den Dschihad, rekrutiert zu werden. Durch einen Vorwand habe er sich jedoch befreien und sich zunächst bei
einem Onkel verstecken können. Sein Vater habe ihn dann nach Kabul gebracht. Dort habe der Vater zwischenzeitlich
ein Zimmer angemietet, in dem er sich gemeinsam mit seinem Vater aufgehalten habe, um die Familie und sich selbst
zu schützen. Von hier aus habe der Vater auch seinen Arbeitsplatz besucht. Sein Vater habe ihm wegen der lebensbedrohlichen Situation und der mangelnden Perspektive zur Flucht nach Europa geraten. Er habe ihm das Geld hierzu
gegeben. Die Flucht habe vier bis fünf Wochen gedauert. M. berichtet weiter, er denke oft an die Erlebnisse des Fluchtweges und mache sich ständig Sorgen um seine Familie. Er telefoniere fast täglich mit seinem Vater. Nach seiner Flucht
sei sein Vater oft angesprochen worden, wo sich sein Sohn befinde. Er streite die Kenntnis über die Flucht regelmäßig
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ab, um das eigene Überleben zu retten. Dies bereite ihm häufig so große Sorgen, so M. weiter, dass er häufig nicht
schlafen und sich im Unterricht nicht konzentrieren könne. Zur eigenen Zukunftsplanung gibt M. das ehrgeizige Ziel an,
dass Abitur anzustreben, um ein Jurastudium beginnen zu können. An diesem Berufsbild gefalle ihm der Umgang mit
Gerechtigkeit und ein sicheres Einkommen. Seine Familie habe aufgrund des unsicheren Fluchtweges und der noch
sehr kleinen Geschwister nicht die Absicht, nach Deutschland zu kommen.
M. bewohnt mit zwei anderen Jugendlichen eine Wohngemeinschaft. Die Unterbringung in einer Pflegefamilie lehnte er
nach einer kurzen Anbahnung ab. Er besucht die Integrationsklasse des Berufskollegs in Frechen. Durch einen Jugendhilfeträger wird er in seinem Alltag mit allen anfallenden Themen der Verselbständigung eines jungen Menschen
betreut. Er befindet sich wegen seiner psychischen Belastungen in psychiatrischer Behandlung. Die Gespräche in der
Praxis werden durch einen Dolmetscher übersetzt.
M. nimmt zweimal wöchentlich an einem vom Jugendamt organisierten Sprachkurs teil. In seiner Freizeit ist er in einem
Sportverein integriert.
Für sechs Kinder bzw. Jugendliche konnte eine Pflegefamilie gefunden werden, in der diese ein neues Zuhause finden.
Im Dezember 2015 schaltete der Pflegekinderdienst eine Zeitungsanzeige, um Familien oder auch Einzelpersonen zu
suchen, die sich die Aufnahme eines jungen Flüchtlings vorstellen konnten. Aus zahlreichen Rückmeldungen konnten
einige Familien eruiert werden, die das Überprüfungsverfahren durchliefen und an einer Schulung teilnahmen. Die in den
Familien untergebrachten Kinder und Jugendlichen sind zwischen 10 und 16 Jahren alt.
Der jüngste, der zehnjährige H., lebte zunächst in einer städtischen Unterkunft. Dort wurde er durch seine volljährigen,
aber sehr jungen Onkel, mit denen er aus Syrien geflüchtet ist, betreut. Diese konnten die Versorgung jedoch dauerhaft
nicht sicherstellen. H. Vater ist verstorben, die Mutter lebt mit einem weiteren Kind in einem Flüchtlingscamp in Jordanien. Auch er steht im telefonischen Kontakt mit seiner Mutter. Die Themen, die er mitbringt und in die Familie trägt, sind
auch für die Pflegeeltern herausfordernd: Sehnsucht nach der Mutter, Sorge um die Mutter, Heimweh, Kriegs- und
Fluchterfahrungen…
In Pflegefamilien sind meist junge Flüchtlinge untergebracht, die allein aus Afghanistan und Syrien nach Deutschland
bzw. Pulheim gekommen sind. Es sind motivierte Jugendliche, die sich schnell in die Familien integriert haben und motiviert ihr neues Leben meistern. Über Telefon, Skype und WhatsApp bestehen Kontakte in ihre Heimat zu Eltern und
Familie. Es zeigt sich, dass durch das Leben in einer Familie der Spracherwerb und die Orientierung in der neuen Kultur
deutlich einfacher gelingt als in anderen Unterbringungsformen. Es bringen jedoch nicht alle Kinder oder Jugendlichen
die Voraussetzungen mit, um in einer Familie integriert werden zu können. Auch stehen nicht ausreichend Familien zur
Verfügung.
Die Pflegefamilien werden durch den Pflegekinderdienst begleitet.
Sieben Kinder und Jugendliche sind in der Jugendhilfeeinrichtung Haus St. Gereon in Bergheim untergebracht. Sie
leben dort in Wohngruppen und betreuten Wohngemeinschaften. Drei von ihnen sind miteinander verwandt und waren
eine Fluchtgemeinschaft; sie möchten weiterhin zusammenleben. Zwei UMA sind noch nicht lange zugewiesen und
befinden sich im sog. Clearing nach § 42 SGB VIII (Sicherstellung der medizinischen Versorgung, Klärung des Bildungszugangs, Aufarbeitung der Fluchtgeschichte, Klärung der Verbleibensberechtigung und Klärung der passenden Anschlusshilfen im Rahmen von Hilfen zur Erziehung). Für die verbleibenden zwei UMA kann zeitnah eine Anschlusshilfe
außerhalb der Einrichtung gesucht werden, da ihr pädagogischer Bedarf nicht so hoch ist, als das er dauerhaft durch
eine vollstationäre Unterbringung in einer Jugendhilfeeinrichtung abgedeckt werden müsste.
Sieben Kinder bzw. Jugendliche leben gemeinsam mit Verwandten in städtischen Unterkünften oder mittlerweile auch
in privaten Wohnungen. Diese sind von ihren Eltern mit älteren Geschwistern, Onkel und Tanten oder Großeltern aus
Kriegsgebieten, meist Syrien, auf die Flucht geschickt worden. Obwohl sich die Kinder und Jugendlichen in Begleitung
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von Verwandten befinden, sind sie nach dem Gesetz unbegleitete minderjährige Ausländer und entsprechend § 42 SGB
VIII zu behandeln.
So zum Beispiel auch die 12jährige L. Sie ist in Aleppo/Syrien geboren und hat sechs Geschwister, die bereits deutlich
älter sind als sie. L. ist ein sog. „Nachzügler“. Wegen andauernder Bombenanschläge flohen ihre Eltern mit ihr und weiteren Geschwistern zunächst mit dem Bus und zu Fuß in die Türkei nach Ankara. Dort konnte die Familie eine kleine
Wohnung finden. Um den weiteren Fluchtweg zu finanzieren, mussten alle Familienmitglieder arbeiten. So auch L.. Sie
arbeitete an mehreren Tagen in der Woche in einer Altpapierrecyclingfabrik und zerriss Papier. Nach einem Jahr und
acht Monaten war für einen Teil der Familie Geld vorhanden, um den weiteren Fluchtweg zu finanzieren. Gemeinsam
mit zwei älteren Brüdern, der Schwägerin und der in der Türkei neugeborenen Nichte schickten ihre Eltern sie auf den
weiteren Fluchtweg mit dem Ziel Deutschland. Die Familie/Fluchtgemeinschaft fuhr zunächst mit dem Bus zum Meer, mit
einem kleinen Motorboot auf die griechische Insel Kos, weiter über Athen, die Balkanroute, Österreich nach Deutschland. Der lange Weg war begleitet von Fußmärschen, Angst, Hunger, Schleppern und Ungewissheit. Nach mehreren
Stationen innerhalb Deutschlands kam L. im Oktober 2015 in Pulheim an und wurde mit ihren Brüdern zunächst in einer
Turnhalle in Pulheim untergebracht.
Für L. wurde das Jugendamt vom Familiengericht zum Vormund bestellt. Ein Jugendhilfeträger wurde vom Jugendamt
mit dem sog. Clearing im Rahmen des § 42 SGB VIII beauftragt. L. lebt heute gemeinsam mit dem älteren Bruder und
dessen Familie in einer Wohnung in Pulheim. Sie besucht die Vorbereitungsklasse an einem Gymnasium und spricht
mittlerweile sehr gut deutsch. L. wird weiterhin im Rahmen von ambulanter Unterstützung im Rahmen von Hilfe zur Erziehung durch einen Träger betreut. So konnte für sie ein Rahmen geschaffen werden, in dem sie gut betreut, versorgt
und gefördert wird.
L. vermisst jedoch ihre Eltern sehr und leidet darunter. Eine therapeutische Anbindung lehnt sie ab.
Für jeden einzelnen unbegleiteten minderjährigen Flüchtling werden im Rahmen der individuellen Hilfeplanung mit den
Beteiligten Ziele besprochen und Vereinbarungen getroffen. Federführend im Hilfeplanverfahren ist der ASD. Weitere
Beteiligte sind natürlich das Kind bzw. der Jugendliche, der Vormund/die Vormündin, ein Trägervertreter, ggf. Angehörige oder auch Ehrenamtler/innen. Die Gespräche werden durch einen Dolmetscher übersetzt.
Mit den Trägern gibt es darüber hinaus eine enge Kooperation; prozesshaft werden Betreuungsmodalitäten angepasst
und sonstige Absprachen getroffen.
Bei der Einrichtung der Wohnungen konnte auch auf Sachspenden aus der Bevölkerung zurückgegriffen werden. Ehrenamtliche Paten werden in die Arbeit eingebunden.
Asylverfahren, Registrierung, Familienzusammenführung
Der Antrag auf Asyl und die Begleitung des Verfahrens obliegt dem im Einzelfall bestellten Vormund.
Von den 26 jungen Flüchtlingen in Pulheim haben bislang drei das Asylverfahren abschließend durchlaufen; alle drei sie
haben den sog. Flüchtlingsstatus erlangt.
Alle anderen befinden sich noch im Verfahren, deren Dauer im Einzelfall nicht absehbar ist. Trotz der Verweildauer von
8-12 Monaten in Pulheim haben bislang nur wenige die sog. Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
(BAMF) gehabt. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für die letztliche Entscheidung über den Asylantrag.
Im September und Oktober 2016 organisierte die in NRW für Flüchtlingsangelegenheiten beauftragte Bezirksregierung
Arnsberg eine Registrierung und erkennungsdienstliche Behandlung für alle minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge; es
wurde deutlich, dass hier erhebliche Versäumnisse vorlagen. Alle UMA mussten in Begleitung ihres Vormundes in die
Erstaufnahmeeinrichtung des Landes nach Bergheim-Niederaußem kommen, um nachregistriert und erkennungsdienstlich behandelt zu werden. Auch dieser Vorgang ist eine Voraussetzung für das Asylverfahren. Aussagen zur weiteren
Verfahrensdauer konnten dort auf Nachfrage nicht gemacht werden.
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Die lange Dauer des Asylverfahrens ist für einige junge Flüchtlinge eine hohe Belastung. Einige haben von ihrer Familie
den Auftrag, die Familie nachzuholen. Dies ist aber nur möglich, wenn das Asylverfahren abgeschlossen und der Flüchtlingsstatus, der höchste von drei Klassifizierungen, zuerkannt wurde. Erst dann kann der Vormund beim BAMF einen
Antrag auf Familienzusammenführung stellen. Mit diesem Antrag können die Eltern in einer deutschen Botschaft ihres
Herkunftslandes ein Visum beantragen und auf eigene Kosten nach Deutschland einreisen. Viele der Eltern leben jedoch von einer deutschen Botschaft weit entfernt und müssen zur Visaerteilung einen Termin vereinbaren. Diese Termine haben eine Vorlaufzeit von bis zu einem Jahr. Die Familienzusammenführung muss jedoch zwingend vor Erreichung
der Volljährigkeit des jungen Flüchtlings erfolgt sein, ansonsten sind alle Bemühungen hinfällig, da die Zusammenführung nur bei Minderjährigen möglich ist. Innerhalb dieses Verfahrens läuft für einige aus Altersgründen die Zeit davon.
Hinzu kommt bei der Zuerkennung des sog. subsidiären Schutzes (2. Klassifizierung) eine zweijährige Wartezeit, die im
Frühjahr 2016 von der Bundesregierung eingeführt wurde, bis eine Familienzusammenführung beantragt werden kann.
Kostenerstattung
Die Kostenerstattung im Einzelfall erfolgt nach § 89d SGB VIII durch das Landesjugendamt (LJA).
Grundsätzlich werden alle anfallenden Kosten (Lebensunterhalt, Unterbringung, Krankenkosten, Betreuung, Dolmetscher etc.) durch das Landesjugendamt refinanziert. Die wirtschaftliche Abteilung steht mit der entsprechenden Abteilung des LJA im Austausch. Tatsächlich liegt jedoch erst ein konkretes (einzelfallbezogenes) Kostenanerkenntnis des
LJA vor. Dies ist lt. Angabe des LJA der Überlastungssituation in der Sachbearbeitung geschuldet. Eine Verjährung des
gesetzlichen Anspruchs durch das verzögerte Verfahren beim LJA tritt nicht ein.
Verwaltungskostenpauschale
Das Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport (MFKJKS) des Landes NRW unterstützt die Kommunen
gem. § 7 Abs. 1 des Fünften Gesetzes zur Ausführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (5. AG-KJHG) mit der sog.
Verwaltungskostenpauschale, um den sachlichen und personellen Mehraufwand, der durch die Arbeit mit unbegleiteten
minderjährigen Ausländern entsteht, zu kompensieren. Die Verwaltungskostenpauschale beträgt pro UMA und Jahr
3100€ und wird erstmalig für 2016 gewährt.
Berechnungsgrundlage für die Höhe der Auszahlung ist die Anzahl der beim Landesjugendamt eingegangenen Kostenerstattungsanträge nach § 89d SGB VIII multipliziert mit der Verwaltungspauschale.
Die erste Abschlagszahlung erfolgte am 01.09.2016 mit einem Viertel der Pauschale (775€). Grundlage für die Berechnung der Abschlagszahlung sind die bis zum 30.06.2016 eingegangenen Erstattungsanträge nach § 86d SGB VIII. 24
Erstattungsanträge wurden durch die Verwaltung geltend gemacht (24x775€=18,600€), der Betrag ist bereits eingegangen.
Die zweite Abschlagszahlung erfolgt am 01.12.2016 auf Basis der Berechnungsgrundlage der Zahlung zum 01.09.2016
(also gleiche Höhe).
Die Endabrechnung für 2016 erfolgt zum 30.04.2017.
Mit Schreiben vom 30.09.2016 räumte das MFKJKS die Nachmeldung für bestimmte Fallkonstellationen ein, die bislang
nicht in die Berechnung der Fallkostenpauschale einbezogen wurden (insbesondere für sog. Altfälle, Ankunft in Pulheim
vor dem 01.11.2015). Die Verwaltung konnte Fälle nachmelden, eine Bestätigung zur Gewährung der Pauschale liegt
noch nicht vor.
Aus Mitteln der Verwaltungskostenpauschale wurde im September 2016 innerhalb des Allgemeinen Sozialen Dienst und
der Verwaltungsabteilung (wirtschaftliche Jugendhilfe) je eine Stelle mit halbem Stundenumfang besetzt (befristet bis
31.12.2017)
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Auswirkungen der Flüchtlingssituation auf Schulen und Kindertagesstätten
Schule und Ganztag:
Laut einer Erhebung des Pulheimer Bildungsbüros (August 2016) kamen im Schuljahr 2015/16 in Pulheim insgesamt
170 schulpflichtige Kinder und Jugendliche aus Flüchtlingsfamilien.
Davon besuchten 69 Kinder die Grundschule, 77 Kinder und Jugendliche eine weiterführende Schule und 24 eine Internationale Förderklasse an einem Berufskolleg im Rhein-Erft-Kreis. 15 Neueinschulungen waren für das Schuljahr
2016/17 gemeldet.
Im Schuljahr 2015/16 hatten 33 Schüler/innen einen OGS-Platz, sechs Kindern konnte für das neue Schuljahr ein Platz
angeboten werden. Für 20 Kinder besteht darüber hinaus ein OGS-Bedarf.
Die Anzahl von 146 Kindern aus Flüchtlingsfamilien, die derzeit Schulen in der Stadt Pulheim besuchen, hat die Auslastungssituation in den Schulen verschärft. Eine Aufnahme von neuzugewanderten Schülerinnen und Schülern ist deshalb
in der Regel nicht möglich. Die Flüchtlingskinder, die in den Vorbereitungsklassen auf eine Teilnahme am Regelunterricht vorbereitet werden, müssen spätestens nach zwei Jahren in Regelklassen wechseln. Dies führt dazu, dass auch in
den auslaufenden Schulen die Obergrenze der Klassenstärke erreicht wird und der Haushalt entsprechend kalkuliert
wird.
Analog entwickelt sich der Bedarf an OGS-Plätzen. Für den schnellen Spracherwerb und die Integration ist ein Ganztagsangebot empfehlenswert, obwohl hier grundsätzlich kein Rechtsanspruch besteht.
Kindertagesbetreuung:
Aktuell sind insgesamt 94 Kinder aus Familien mit Flüchtlingshintergrund für einen Kita-Platz angemeldet.
Davon haben 45 Kinder über drei Jahren einen Kita-Platz erhalten. 5 Kinder über 3 Jahre besuchen noch keine Kita.
Von 44 angemeldeten Kindern zwischen 0-2 Jahren haben 5 Kinder in Alter von 2 Jahren einen Platz erhalten.
Für den Spracherwerb und die Vorbereitung auf die Einschulung ist vor allem für die 3-6jährigen der Besuch der Kita
wichtig. Angebote wie Eltern-Kind-Gruppen und qualifizierte Angebote zum Erwerb der deutschen Sprache für Kinder in
den städt. Kitas laufen und werden angenommen (z.B. das Projekt Rucksack). Auch für Kinder aus Flüchtlingsfamilien
besteht ein Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz.
Abschluss
Es kann festgestellt werden, dass mit der Aufnahme, Unterbringung, Versorgung, Betreuung und Förderung der unbegleitet geflüchteten Kinder und Jugendlichen das Jugendamt innerhalb einer kurzen Zeit ein neues Aufgabengebiet
übernehmen musste. Bislang bekannte Verfahren und über Jahre aufgebaute Strukturen innerhalb der Jugendhilfelandschaft reichten plötzlich nicht mehr aus, um die Anzahl der jungen Menschen, aber auch ihren besonderen Bedarfen
gerecht zu werden. Das Zusammenwirken vieler engagierter Akteure machte es möglich, heute sagen zu können, vieles
für die jungen Menschen erreicht zu haben. Eltern können nicht ersetzt werden; Schutz, Geborgenheit, Förderung und
ein neues Zuhause hingegen schon.
Weiterhin befinden sich alle Beteiligten - die jungen Flüchtlinge wie die professionellen Akteure - in einem fortlaufenden
Prozess, dessen Ende noch nicht abzusehen ist. Somit kann diese Mitteilung nur einen Zwischenstand wiedergeben,
über den weiteren Sach- und Verfahrensstand wird die Verwaltung zu einem späteren Zeitpunkt erneut berichtet.
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Dezernent
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Amtsleiterin
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Sachbearbeiter