Daten
Kommune
Pulheim
Größe
142 kB
Datum
05.07.2016
Erstellt
27.06.16, 18:31
Aktualisiert
27.06.16, 18:31
Stichworte
Inhalt der Datei
Vorlage Nr.:
138/2016
Erstellt am:
25.05.2016
Aktenzeichen:
II/32
Mitteilungsvorlage
Gremium
TOP
Rat
ö. Sitzung
X
nö. Sitzung
Termin
05.07.2016
Betreff
Rechtsextremismus / Feststellungen und Entwicklungen in Pulheim
Bericht für die Jahre 2014 und 2015
Mitteilung
Die Verwaltung ist beauftragt, dem Rat über die rechtsradikale Szene in Pulheim, deren Entwicklung, deren Aktionen
sowie deren Straftaten und Propaganda zu berichten. Diesem Auftrag kommt die Verwaltung mit dieser Mitteilung für die
Jahre 2014 und 2015 nach.
Vorauszuschicken bleibt, dass der Stadtverwaltung eine professionelle Aufarbeitung des Auftrages hinsichtlich der
rechtsradikalen Szene an sich und deren Entwicklung, die überwiegend verdeckt stattfindet, mit den vorhandenen Mitteln bzw. angesichts der fehlenden rechtlichen Grundlage zur Verfolgung oder gar Ahndung politisch motivierter Straftaten nur unvollständig gelingen kann.
Gleichwohl die Gruppe der Autonomen Nationalisten Pulheim als solche nicht mehr auftritt, gibt es in Pulheim weiterhin
eine rechte Szene, die dem Rechtsextremismus zugeordnet werden kann. Insofern findet auch die Beobachtung dieser
Szene durch die zuständige Behörde statt. Dies ist der Staatsschutz, angesiedelt im für Pulheim zuständigen Polizeipräsidium Köln. Die Abteilung Staatsschutz wurde gebeten, eine Einschätzung zur Situation vor Ort abzugeben. Unter Verweis auf die knappe, aber aussagekräftige Darstellung im Schreiben des PP Köln vom 11.3.2013 (Anlage zur Vorl.
234/2013) wurde fernmündlich die auch hier herrschende Erkenntnis bestätigt, dass rechtsgerichtete Umtriebe, die im
Eigentlichen über Sachbeschädigungen, Schmierereien etc. feststellbar wurden, weiter rückläufig sind. Kennzeichnend
ist, dass sowohl eigene Feststellungen als auch die Rückmeldung des Polizeipräsidiums Köln sowie der Verfassungsbericht NRW 2014 für Pulheim selbst einen Rückgang rechtsgerichteter Aktivitäten feststellt bzw. Pulheim nicht mehr - wie
noch zu Zeiten der ANP – erwähnt wird. Auf Kreisebene ist „Die Rechte“ als Kreisverband aktiv, Pro NRW ist mit 2 Sitzen im Kreistag vertreten. Die Zahl der Schmierereien und Aufkleber ist deutlich zurückgegangen. Für das Entfernen von
Aufklebern und Graffiti wurde 2015 vom Bauhof ein Kostenersatz in Höhe von 1.196,50 € (in 2014: 2.650,50 €, in 2013:
3.051,00 € und in 2012: 5.386,97 €) in Rechnung gestellt.
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Aktionen:
Versammlungen und Aufmärsche i.S. des Versammlungsrechtes fanden gegenüber den Vorjahren im Berichtszeitraum
nicht statt.
Im Pulheimer Umfeld aktive Gruppen:
Aus dem Verfassungsschutzbericht NRW 2014
Pro NRW, Pro Köln
Gründung / Bestehen seit: Pro Köln e.V.: 1996; die Partei Pro NRW: 2007
Struktur / Repräsentanz: Gliederung in acht Bezirksverbände mit 53 angeschlossenen Kreisverbänden; in weniger als 15
Kommunen funktionsfähige Kreisverbände; regionaler Schwerpunkt in der Rheinschiene und dem Ruhrgebiet
Mitglieder / Anhänger: Insgesamt circa 950 Mitglieder
Kurzportrait / Ziele: Bereits 1996 gegründet, erzielte Pro Köln erstmals bei der Kommunalwahl 2004 Mandate im Rat der
Stadt Köln und ist bis heute dort vertreten. Bei Pro NRW handelt es sich um den Versuch einer landesweiten Ausdehnung dieser zunächst lokalen Struktur mit den gleichen inhaltlichen Ansätzen, gleichgelagerter Strategie und zum Teil
identischem Führungspersonal. Beide Gruppierungen entstanden im Wesentlichen auf Betreiben ehemaliger Funktionäre und Mitglieder der ebenfalls dem rechtsextremistischen Spektrum zuzurechnenden »Deutschen Liga für Volk und
Heimat (DLVH)« sowie der Partei Die Republikaner (REP), die bis 2007 vom Verfassungsschutz beobachtet wurde.
Inhaltlich zeichnen sich Pro NRW und Pro Köln durch eine fremdenfeindliche Politik aus, die sich vor allem gegen Muslime, Asylbewerber sowie Sinti und Roma richtet.
Finanzierung: Mitgliedsbeiträge und Spenden
Grund der Beobachtung / Verfassungsfeindlichkeit:
Der Vorsitzende von Pro NRW, ein Teil des Vorstandes und Teile der Mitglieder kommen aus rechtsextremistischen
Parteien oder Organisationen. Pro NRW und Pro Köln missachten mit ihren Aussagen und Forderungen die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte, insbesondere die Menschenwürde und das Diskriminierungsverbot. Minderheiten werden wegen ihrer Nationalität, ethnischen Zugehörigkeit oder Religionszugehörigkeit pauschal herabgesetzt und
diffamiert. Im Fokus stehen fast ausschließlich Muslime, Asylbewerber sowie Sinti und Roma. Die Angehörigen dieser
Gruppen werden als unerwünschte, nicht integrierbare Menschen zweiter Klasse dargestellt. Mit dieser Art der Darstellung schüren Pro NRW und Pro Köln Ablehnung und versuchen diffuse Ängste in Teilen der Bevölkerung aufzugreifen
und zu instrumentalisieren. Mit herabwürdigenden Stereotypen zeichnen die Organisationen ein Bedrohungsszenario,
für das sie einseitig die genannten Bevölkerungsgruppen verantwortlich machen. Wortwahl und Argumentationsmuster
lassen ein Menschenbild deutlich werden, das mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist.
Den inhaltlichen Schwerpunkt von Pro NRW und Pro Köln bildet die Fremdenfeindlichkeit. Sie stellen bestimmte Minderheiten als fremd und nicht integrierbar dar. Begründet wird dies mit pauschalen negativen Zuschreibungen, die genutzt
werden, um Vorurteile zu schüren, Konflikte zu dramatisieren und diese Gruppen als Sündenbock für komplexe gesellschaftliche Probleme zu stigmatisieren. Demgegenüber wird die Mehrheitsgesellschaft als ausschließlich positiv skizziert. Damit konstruieren sie einen Freund-Feind-Gegensatz, mit dem sie Ausgrenzung alles vermeintlich Fremden legitimieren. Dies beinhaltet auch, den Angehörigen vorgeblicher fremder Gruppen ihre Menschenrechte abzusprechen.
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Die Rechte
Gründung / Bestehen seit: Bundesverband: 27. Mai 2012, Landesverband: 15. September 2012
Struktur / Repräsentanz: insgesamt zwei Ratsmandate und vier Mandate in Bezirksvertretungen in Dortmund und Hamm
Mitglieder / Anhänger: Bund: ca. 500; NRW: ca. 280
Kurzportrait / Ziele: Der Landesverband Nordrhein-Westfalen der Partei Die Rechte ist vor allem ein Sammelbecken von
Neonazis, die aus den 2012 verbotenen Kameradschaften stammen. Die Führung des Landesverbandes sowie der
aktivsten Kreisverbänden wurde von langjährigen Aktivisten übernommen, die bereits Führungsaufgaben in den damaligen Kameradschaften innehielten. Die Rechte beteiligt sich hauptsächlich an der Parteiendemokratie, um den vorteilhaften Parteienstatus zu erhalten. Ziel des Landesverbandes ist es, die bisherigen neonazistischen Aktivitäten nunmehr im
Schutz des sogenannten Parteienprivilegs aus Art. 21 GG zu betreiben und neonazistische Propaganda zu verbreiten.
Finanzierung: Mitgliedsbeiträge der Parteimitglieder und Einnahmen aus von der Partei durchgeführten Veranstaltungen
wie Konzerten
Grund der Beobachtung / Verfassungsfeindlichkeit
Die Partei Die Rechte ist in struktureller Hinsicht ein Sammelbecken für Neonazis, ideologisch wesensverwandt mit dem
Nationalsozialismus und tritt in aggressiv-kämpferischer Weise auf. Dies trifft insbesondere auf den Landesverband
Nordrhein-Westfalen zu, der den Bundesverband dominiert. Die Gründung des Landesverbandes erfolgte am 15. September 2012. Dies geschah als Reaktion auf das Verbot von neonazistischen Kameradschaften in Dortmund, Hamm und
Aachen am 23. August 2012. Der Landesverband in Nordrhein-Westfalen stellt eine Auffangorganisation für einen wesentlichen Teil der verbotenen Kameradschaften dar. So setzt sich die Führung des Landesverbandes aus den Anführern der verbotenen Kameradschaften Dortmund und Hamm zusammen. Die Kreisverbände in Dortmund, Hamm und
Aachen sind in der Führungs- und Mitgliederstruktur weitgehend mit den verbotenen Kameradschaften in den jeweiligen
Regionen identisch. Ein politisch-ideologischer Schwerpunkt der Partei Die Rechte ist die Fremdenfeindlichkeit. Das
Parteiprogramm stellt einen Zusammenhang zwischen Migranten und dem Begehen von Straftaten her, um Migranten
pauschal zu diskreditieren und fremdenfeindliche Vorurteile zu schüren. Sozialleistungen, wie Kindergeld, das im Programm vorgeschlagene Müttergeld oder soziale Sicherungen von Arbeitnehmern, sollen nur Deutschen ausgezahlt
werden. Diese fremdenfeindlichen Positionen greift auch der Kreisverband Dortmund in seinem Kommunalwahlprogramm auf, dass das Verhältnis zwischen einheimischer Bevölkerung und Migranten als Freund-Feind-Konstellation
darstellt, in der die einheimische Bevölkerung bedrängt werde. Dabei ist die Thematisierung der Kriminalität von Migranten für die Partei Die Rechte nur ein Vehikel, um ihrer generellen Fremdenfeindlichkeit insbesondere auch gegenüber
Sinti und Roma Ausdruck zu verleihen. Des Weiteren propagiert Die Rechte offen Rassismus auf ihren Demonstrationen
mit Parolen wie: „Wir sind weiß, wir sind rot, für die Rasse in den Tod“. Den Rassismus vertreten sie im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie und verbinden ihn mit einem völkischen Nationalismus. So lautet eine weitere Parole auf
mehreren Demonstrationen der Partei im Jahr 2014: „Alles für Volk, Rasse und Nation.“
Kreisverband Rhein-Erft
Der Kreisverband Rhein-Erft stellt gewissermaßen eine Besonderheit in der Partei Die Rechte dar, weil er sich besonders im diskursorientierten Rechtsextremismus betätigt. So nahmen Mitglieder an rechtsextremistischen „Kulturveranstaltungen“ teil, die der Kreisverband zum Teil selbst veranstaltete. Man lud eine bundesweit aktive Holocaust-Leugnerin
zu einem Vortrag ein und führte ein sogenanntes „Heldengedenken“ durch, bei dem das nationalsozialistische Deutschland als Opfer dargestellt wurde. Weiterhin verteilte der Kreisverband Mitte 2014 mehrfach Flugblätter mit dem Titel
„Israel mordet“ und verbreitete darin antisemitische Propaganda. Auch an den meisten rechtsextremistischen Demonstrationen beteiligte sich eine Delegation des Kreisverbandes. Auf der regelmäßig aktualisierten Internetseite des Kreisverbandes findet sich die gesamte Bandbreite rechtsextremistischer Agitation wieder: von Demokratiefeindschaft über
Antisemitismus bis hin zu Fremdenfeindlichkeit und Rassismus.
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Runder Tisch gegen Rechtsextremismus
Am 18.11.2014 fand der 2. Runde Tisch gegen Rechtsextremismus statt. Dieses Forum dient dem Austausch von Politik, Verwaltung, Staatsschutz, Polizei, den Religionsgemeinschaften, Schulen und mit gesellschaftlichen Gruppierungen
wie Pulheim putzmunter zur Findung und Stärkung gemeinschaftlicher Haltungen gegen rechtsextreme Entwicklungen.
Hinweis: Der Verfassungsschutzbericht NRW 2014 ist im Ratsinformationsdienst als Anlage zu dieser Mitteilungsvorlage
öffentlich zugänglich abgelegt. Auf einen Ausdruck wurde aus Kostengründen verzichtet.