Daten
Kommune
Erftstadt
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Erstellt
16.09.10, 06:27
Aktualisiert
27.09.10, 13:41
Stichworte
Inhalt der Datei
STADT ERFTSTADT
öffentlich
Der Bürgermeister
V 340/2010
Az.:
Amt: - 100 BeschlAusf.: - 100 Datum: 22.06.2010
Beratungsfolge
Rat
Termin
06.07.2010
beschließend
Rat
05.10.2010
beschließend
Betrifft:
Bemerkungen
Bürgerbegehren zum Erhalt der städtischen Bäder
1. Entscheidung über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens
2. Zustimmung / Ablehnung des Bürgerbegehrens
Finanzielle Auswirkungen:
Unterschrift des Budgetverantwortlichen
Erftstadt, den 22.06.2010
Beschlussentwurf:
1. Das Bürgerbegehren gegen die vom Rat der Stadt Erftstadt am 25.03.2010 getroffenen
Entscheidung zur zukünftigen Entwicklung der städtischen Bäderlandschaft ist zulässig.
Bei Feststellung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens kann der Rat folgende
Entscheidungen treffen:
2.1 Dem Bürgerbegehren wird entsprochen.
alternativ
2.2 Dem Bürgerbegehren wird nicht entsprochen.
2.3 Der Rat und die Vertreter des Bürgerbegehrens führen einen Konsens herbei.
Begründung:
1.
Inhalt
Die Interessengemeinschaft „Erhalt der städtischen Bäder“ hat ein Bürgerbegehren initiiert,
das sich gegen die vom Rat der Stadt Erftstadt am 25.03.2010 beschlossenen
Entscheidungen zur zukünftigen Entwicklung der städtischen Bäderlandschaft (Einstellung
des öffentlichen Badebetriebes im Freibad Kierdorf, Schließung des Lehrschwimmbeckens in
Bliesheim und, im Fall höherer Reparaturkosten, Schließung des Lehrschwimmbeckens in
Erp) richtet.
2.
Voraussetzung für das Bürgerbegehren
Nach § 26 Abs. 1 GO NRW können Bürger beantragen (Bürgerbegehren), dass sie an Stelle
des Rates über eine Angelegenheit der Gemeinde selbst entscheiden (Bürgerentscheid).
Für das Bürgerbegehren müssen nach § 26 Abs. 2 GO NRW folgende
Voraussetzungen erfüllt sein:
- das Bürgerbegehren muss schriftlich eingereicht werden,
- die zur Entscheidung bringende Frage enthalten,
- eine Begründung enthalten,
- einen nach den gesetzlichen Bestimmungen durchzuführenden Vorschlag für die Kosten
der verlangten Maßnahme enthalten und
- bis zu drei Personen benennen, die berechtigt sind, die Unterzeichnenden zu vertreten.
Wenn sich ein Bürgerbegehren gegen einen Beschluss des Rates, der nicht der Bekanntmachung bedarf, richtet, beträgt die Frist nach § 26 Abs. 3 GO NRW drei Monate nach
dem Sitzungstag.
Nach § 26 Abs. 3 GO NRW muss in Gemeinden bis 50.000 Einwohner das Bürgerbegehren
von 7 % der Bürger unterzeichnet sein. Die Unterschriftenlisten müssen den Namen, die
Anschrift und das Geburtsdatum der Unterzeichner enthalten. Bei Kommunen mit mehr als
50.000 Einwohnern ist das Bürgerbegehren von mind. 6 % der Bürger zu unterzeichnen.
Das Bürgerbegehren darf nicht unter den Negativ-Katalog des § 26 Abs. 5 GO NRW fallen;
darin sind die Tatbestände aufgeführt, gegen die ein Bürgerbegehren unzulässig ist.
3.
Prüfung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens
3.1
Nach § 26 Abs. 6 GO NRW stellt der Rat unverzüglich fest, ob das Bürgerbegehren
zulässig ist. Bei dieser förmlichen Feststellungsentscheidung besteht weder ein
Beurteilungs- noch ein Ermessensspielraum. Es ist ausschließlich nach Maßgabe
der gesetzlichen Regelungen über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens zu
befinden ( reine Rechtsentscheidung). Nach meiner Auffassung ist das
Bürgerbegehren zulässig.
Entspricht der Rat dem zulässigen Bürgerbegehren nicht, so ist innerhalb von drei
Monaten ein Bürgerentscheid durchzuführen.
Entspricht der Rat dem Bürgerbegehren, so unterbleibt der Bürgerentscheid.
Den Vertretern des Bürgerbegehrens soll Gelegenheit gegeben werden, den Antrag
in der Sitzung des Rates zu erläutern.
3.2
Die Verwaltung hat die in § 26 GO NRW festgelegten Voraussetzungen für die
Zulässigkeit des Bürgerbegehrens einzeln geprüft.
Die Zulässigkeit ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
Das Bürgerbegehren
- ist schriftlich eingereicht worden,
- enthält die zur Entscheidung zu bringende Frage,
-2-
- enthält eine Begründung.
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Schulschwimmunterricht tatsächlich
gefährdet ist. Weitere Ausführungen hierzu sind der Beantwortung der Anfrage F
194/2010 (Anlage 1)zu entnehmen.
- Die Interessengemeinschaft hat einen Vorschlag für die Deckung der Kosten der
verlangten Maßnahmen eingereicht.
Bei der Prüfung, ob diese Zulässigkeitsvoraussetzung erfüllt ist, spielen Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte keine Rolle. Der Rat ist nicht verpflichtet, sich diesen
Vorschlägen ganz oder teilweise anzuschließen; er kann stattdessen eigene
Kostendeckungsvorschläge benennen. Der Rat kann z.B. auch ein Bad in freie
Trägerschaft übertragen.
Das Gesetz verlangt Angaben darüber, welche Kosten (Ausgaben) mit der Maßname
verbunden sind und wie diese im Rahmen des Haushaltsrechtes gedeckt werden
können, Von den Initiatoren ist lediglich zu erwarten, dass sie sich mit der Finanzlage
der Stadt in auf Grundzüge beschränkten Umfang vertraut gemacht haben und diese
in ihrem Kostendeckungsvorschlag Rechnung tragen (VG Düsseldorf vom
13.02.1998, NWBBl. 1998, S. 368).
Man kann Bürgerinnen und Bürger nicht dadurch überfordern, dass man von ihnen
einen ausgefeilten Kostendeckungsvorschlag verlangt, wie ihn z.B. ein Kämmerer
vorlegen kann. Im Einzelfall ist zu prüfen, ob der Finanzierungsvorschlag „nach den
gesetzlichen Bestimmungen“ durchführbar ist oder nicht.
(Innenministerium NRW, März 2007, www.im.nrw.de)
Die Interessengemeinschaft „Erhalt der städtischen Bäder“ geht von jährlichen
Betriebskosten in Höhe von 250.000,00 Euro für die Lehrschwimmbecken in
Bliesheim und Erp sowie den Freibadbetrieb in Kierdorf aus.
Als Deckungsvorschlag für die anfallenden Betriebskosten wird die Anhebung der
Gewerbesteuer auf den im Jahr 2008 geltenden Satz vorgebracht.
Die Anhebung der Gewerbesteuer und die Verwendung der zusätzlichen Einnahmen
ist bei Kommunen mit ausgeglichenem Haushalt ein legitimer und ausreichender
Deckungsvorschlag.
Bei Kommunen im Haushaltssicherungskonzept und umso mehr bei Kommunen, die
den Haushaltsausgleich nicht herbeiführen können („Nothaushalt“), sind gemäß
Innenministerium Nordrhein-Westfalen alle Mehreinnahmen zur Schuldentilgung
der Kommune zu verwenden. Der Leitfaden des Innenministeriums NordrheinWestfalen, Maßnahmen und Verfahren zur Haushaltssicherung vom 06.03.2009,
gibt hierzu vertiefende Erläuterungen (als Anlage 2 und 3 beigefügt).
Die Anhebung des Hebesatzes der Gewerbesteuer auf den im Jahr 2008 geltenden
Satz in Höhe von 440% hätte zwar eine Brutto-Mehreinnahme in Höhe von etwa
260.000 EUR zur Folge, jedoch muss hierbei auch die erhöhte Abführung der
Gewerbesteuerumlage berücksichtigt werden. So wären bei einem Hebesatz von
440% und der hieraus erzielten Mehreinnahmen auch ca. 42.000 EUR mehr
Gewerbesteuerumlage an das Land abzuführen, so dass netto eine Mehreinnahme in
Höhe von 218.000 EUR verbleibt.
Außerdem führt eine Erhöhung der Steuerkraft aufgrund höherer Hebesätze u. U. zu
einer Reduzierung der vom Land gewährten Schlüsselzuweisungen (siehe hierzu
-3-
auch die Ausführungen der V 319/2010). Dies kann aber aufgrund zahlreicher
Einflussfaktoren (Verbundmasse, Verbundsatz, etc.) nicht exakt ermittelt werden.
Fraglich ist, ob die Aufsichtsbehörde einer voraussichtlich notwendigen weiteren
Darlehensaufnahme als freiwillige Leistung zustimmt, da für Kommunen ohne
Haushaltsausgleich Beschränkungen gegeben sind (siehe Ziffern 4.5 bis 4.5.5). Eine
Darlehensaufnahme ist jedenfalls erforderlich, wenn in Zukunft Sanierungsbedarf
besteht.
Es ist zu bedenken, dass Kredite nur für Investitionen aufgenommen werden
dürfen. Handelt es sich jedoch um Sanierungen / Instandsetzungen, die
lediglich einen konsumtiven Charakter aufweisen, so ist eine Darlehensaufnahme
untersagt. Die Mittel müssen demzufolge aus dem laufenden Haushalt bzw. aus der
Gewinn- und Verlustrechnung des Eigenbetriebes zur Verfügung gestellt werden, was
das Jahresergebnis verschlechtert.
Falls Investitionen bei den Bädern erforderlich sind, sind diese in die Dringlichkeitslisten aufzunehmen Es besteht dann aber die Gefahr, dass die Aufsichtsbehörde
diese Investitionen aufgrund einer nicht gegebenen rechtlichen Verpflichtung
(freiwillige Leistungen) untersagt.
- Die Interessengemeinschaft hat drei Personen benannt, die berechtigt sind, die
Unterzeichnenden zu vertreten.
- Das Bürgerbegehren ist fristgerecht bis zum 25.06.2010 eingereicht worden und
- hat die gesetzlich vorgeschriebene Mindestanzahl von unterzeichnenden Bürgern
erreicht. Erforderlich waren 6 % der Wahlberechtigten in Höhe von 40.950 =
2.457 Unterzeichner.
Eingereicht wurden bis zum Versandtermin (24.06.2010) 1846 Unterschriften, die die
Voraussetzungen für ihre Rechtswirksamkeit erfüllt haben. Die anderen eingereichten Unterschriften waren ungültig (Eintragungsfehler, fehlende Wahlberechtigung, doppelte Einträge usw.).
Weitere Unterschriftenlisten werden am Donnerstag, 24.06.2010, fristgerecht beim
Bürgermeister eingereicht.
Eine abschließende Prüfung dieser Listen durch das Ratsbüro wird bis zur Sitzung
des Rates erfolgen. Das Ergebnis wird in der Ratssitzung schriftlich vorgelegt.
- Das Bürgerbegehren ist nicht durch den Negativ-Katalog des § 26 Abs. 5 GO NRW
ausgeschlossen.
Das Bürgerbegehren erfüllt die Voraussetzungen, die für eine Entscheidung über seine
Zulässigkeit erforderlich sind.
4.
Zeitliche Wirkungen des Bürgerbegehrens
Das Bürgerbegehren hat keine aufschiebende Wirkung. Ein für die Stadt bindender
Beschluss liegt erst vor, wenn der Bürgerentscheid erfolgreich war. Bis dahin gilt der
Beschluss des Rates.
5.
Konsequenzen aus dem zulässigen Bürgerbegehren
Im vorliegenden Fall hat der Rat deshalb abzuwägen, ob überwiegend öffentliche Belange
vorliegen, die es rechtfertigen, trotz Vorliegens eines zulässigen Bürgerbegehrens den
-4-
Ratsbeschluss vom 25.03.2010 zu vollziehen, d.h., das Freibad in Kierdorf nicht mehr als
öffentlichen Badebetrieb durch die Stadt Erftstadt zu betreiben, die Schließung des
Lehrschwimmbeckens in Bliesheim aufrechtzuerhalten und, im Falle höherer Reparaturkosten, das Lehrschwimmbecken in Erp zu schließen.
Die mit dem Ratsbeschluss vom 25.03.2010 verbundenen Einsparungen in Höhe von
250.000,00 Euro durch die Aufgabe des öffentlichen Badebetriebes im Freibad Kierdorf und
die Schließung des Lehrschwimmbecken in Bliesheim sind im städtischen Haushalt bzw. den
Wirtschaftsplänen der Eigenbetriebe Stadtwerke und Immobilienwirtschaft veranschlagt.
Vor dem Hintergrund, dass sich das Defizit aus dem Ergebnisplan lt. Haushaltssatzung 2010
inzwischen auf 11.296.221,00 € beläuft, muss jede Möglichkeit ausgeschöpft werden, einen
genehmigungsfähigen Haushalt zu erreichen. Insofern hat sich auch die Ausgangs-lage, die
zum Ratsbeschluss vom 25.03.2010 geführt hat, nicht verändert.
Der Rat hat folgende Entscheidungen zu treffen:
1.
Das Bürgerbegehren gegen die vom Rat am 25.03.2010 beschlossenen
Maßnahmen zur zukünftigen Gestaltung der städtischen Bäderlandschaft in
Erftstadt ist zulässig.
2.1
Dem Bürgerbegehren wird entsprochen = Ja.
Damit wird der Beschluss des Rates vom 25.03.2010 über die Einstellung des
öffentlichen Bäderbetriebes im Freibad Kierdorf, der Schließung des Lehrschwimmbeckens in Bliesheim sowie der Schließung des Lehrschwimmbeckens
in Erp, im Fall von höheren Reparaturkosten, aufgehoben.
alternativ
2.2
Dem Bürgerbegehren wird nicht entsprochen = Nein
Der Rat bleibt bei seiner Entscheidung zur zukünftigen Gestaltung der städtischen
Bäderlandschaft vom 25.03.2010.
Anstelle der o. a. gesetzlich geregelten Möglichkeiten besteht auch die Möglichkeit,
dass sich der Rat und die Interessenvertreter auf einen Kompromiss verständigen.
Dieser bisher in mehr als 15 Fällen in NRW praktizierte Weg bedarf der Zustimmung des
Rates und der drei Vertreter des Bürgerbegehrens. Der Kompromiss ist in Form eines
öffentlich-rechtlichen Vertrages abzuschließen.
Die Frist von drei Monaten zur Durchführung eines Bürgerentscheides ist auch in
diesem Fall zwingend einzuhalten
6.
Auswirkungen der Entscheidungen
6.1
Dem Bürgerbegehren wird entsprochen.
Der Ratsbeschluss bzgl. der Aufgabe des öffentlichen Badebetriebes im Freibad
Kierdorf, der Schließung des Lehrschwimmbeckens in Bliesheim sowie der
Schließung des Lehrschwimmbeckens in Erp im Falle höherer Reparaturkosten,
wird aufgehoben.
Damit entfällt die Durchführung des Bürgerentscheides in Erftstadt.
-5-
Die Ansätze im Haushalt 2010 und Folgejahre sowie in den Wirtschaftsplänen der
Eigenbetriebe Stadtwerke und Immobilienwirtschaft 2010 und Folgejahre sind
entsprechend zu verändern.
6.2
Dem Bürgerbegehren wird nicht entsprochen.
Die Ablehnung des zulässigen Bürgerbegehrens führt zur Durchführung eines
Bürgerentscheides in Erftstadt.
Innerhalb von 3 Monaten nach dem ablehnenden Beschluss des Rates ist der
Bürgerentscheid gem. der Satzung über die Durchführung von Bürgerentscheiden in
der Stadt Erftstadt durchzuführen.
Der Rat trifft die Entscheidung über die Festlegung des Abstimmungszeitraumes
und nimmt die vom Bürgermeister vorgenommene Einteilung in zwei Wahlbezirke
sowie Festlegung der zwei Abstimmungslokale zur Kenntnis (Vorlage 342/2010).
Für die Durchführung des Bürgerentscheides sind im Haushalt der Stadt Erftstadt
keine Mittel eingeplant. Nach einer durchgeführten Kostenermittlung der
Verwaltung, basierend auf den Erfahrungen aus dem ersten Bürgerentscheid in
Erftstadt, sind Mittel in Höhe von ca. 63.000,00 € außerplanmäßig bereitzustellen
(Vorlage 343/2010)..
6.3
Der Rat und die Verantwortlichen des Bürgerbegehrens führen eine Einigung herbei.
Dann wird der Inhalt des herbeigeführten Konsens umgesetzt. Die Durchführung des
Bürgerentscheides entfällt damit.
(Dr. Rips)
-6-