Daten
Kommune
Pulheim
Größe
4,1 MB
Datum
09.03.2016
Erstellt
22.02.16, 18:31
Aktualisiert
22.02.16, 18:31
Stichworte
Inhalt der Datei
Leitfaden
Boden
Aachener Leitfaden zur
Bewertung von Eingriffen
in das Schutzgut Boden
www.aachen.de/umwelt
Titelbild: Rendzina über kreidezeitlichem Kalkmergelstein (Aachen-Melaten)
Rendzinen sind nährstoffreiche, flachgründige und trockene bis sehr trockene Böden, die sich aus
karbonathaltigen Ausgangsgesteinen bilden. Diese extremen Bodeneigenschaften liefern gute
Voraussetzungen für die Entwicklung von seltenen Lebensgemeinschaften (Biotopentwicklungs
potential), z.B. Kalkmagerrasen. Diese Böden werden als sehr bis besonders schutzwürdig eingestuft.
Aachener Leitfaden
zur Bewertung
von Eingriffen
in das Schutzgut Boden
Arbeits- und
Entscheidungsgrundlage
für Planungs- und
Genehmigungsverfahren
in Aachen
3
4
Vorwort
Liebe Mitbürgerinnen
und Mitbürger,
der Boden ist neben Wasser und Luft das dritte wichtige Umweltmedium. Deshalb
stellt sich im weiteren Sinne die Frage: „Wie gehen wir eigentlich mit der natürlichen
Lebensgrundlage Boden um?“
Welchen Wert hat der Boden für uns und für nachkommende Generationen? Sich
darüber im Klaren zu werden, konfrontiert uns mit der Erkenntnis, dass der natürliche
Boden, einmal zu Beton, Asphalt oder Altlast geworden, kaum oder nur bedingt
wieder herstellbar ist. Der Boden mit seinen Funktionen ist eine nicht erneuerbare
Ressource, die uns Nahrung gibt, kostenlos das Niederschlags- und Oberflächenwasser filtert und einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leistet. Können wir uns
daher auf Dauer den Verlust von landwirtschaftlichen Flächen in einer Größenordnung von täglich 100 ha in unserem Land leisten?
Die Stadt Aachen hat frühzeitig das soeben aufgezeigte Spannungsfeld der Bodennutzung erkannt. Mit dem vorliegenden „Aachener Leitfaden zur Bewertung von
Eingriffen in das Schutzgut Boden“ wird dem vorsorgenden Bodenschutz in raumrelevanten Planungs- und Bauvorhaben bodenschutzfachlich Rechnung getragen.
Der Leitfaden ist darüber hinaus ein wichtiges Instrument für den dringend gebotenen Schritt in eine nachhaltige Bodenbewirtschaftung, die den besonderen Wert
des natürlichen Bodens anerkennt sowie die Flächeninanspruchnahme auf „grüner
Wiese“ mittelfristig auf Innenentwicklung und Flächenrecycling lenkt.
Die Stadt Aachen übernimmt damit auch im Bodenschutz, wie bereits im Klimaschutz
geschehen, eine bundesweit führende Rolle in der Lösung herausfordernder Zukunftsaufgaben.
Mit freundlichen Grüßen
Gisela Nacken
Beigeordnete für Planung und Umwelt
5
6
Inhalt
1. Veranlassung und Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
2. Rechtliche Grundlagen und Anwendungsbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .10
2.1
2.2
2.3
Bundes-Bodenschutzgesetz (BBodSchG)
und Landesbodenschutzgesetz (LbodSchG NRW) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) und Landschaftsgesetz (LG NRW) . . . . . . 10
Baugesetzbuch (BauGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
3. Schutzgut Boden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .12
3.1
3.2
3.2.1
3.2.2
3.2.3
3.3
3.4
3.5
Fachtechnische Anforderungen an den Bodenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
Beschreibung des Bodens und seiner Funktionen (Bodenfunktionskarte) . . . . . . . 12
Archivfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
Biotopentwicklungspotential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
Naturhaushalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
Gesamtbewertung der schutzwürdigen Böden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
Naturbelassenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
Stoffliche Vorbelastungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
4. Eingriffsbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
4.1
4.2
Auswirkungen auf den Boden (Wirkfaktoren) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
Bilanzierung des Eingriffs und Ermittlung
des Ausgleichsbedarfs (Punktwertverfahren) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
4.2.1 Fallbeispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
4.3 Vermeidung und Verringerung nachteiliger Beeinträchtigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
5. Konzeptionierung geeigneter bodenbezogener
Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
5.1
Beispiele für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen
.......................................
28
6. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
Anlagen:
Anlage 1: Bodenfunktionskarte – Gesamtkarte mit Bodenfunktionen und Schutzwürdigkeit
Anlage 2: Bodenfunktionskarte – Gesamtkarte Schutzwürdigkeit
Anlage 3: Suchräume für potentielle Kompensationsflächen
7
1. Veranlassung
und Zielsetzung
Der Boden ist eine wertvolle und nicht vermehrbare
Ressource. Nur über einen schonenden und nachhaltigen
Umgang mit dem Boden kann es gelingen, auch für künftige
Generationen den Boden als notwendige Existenz- und
Lebensgrundlage zu erhalten und zu sichern. Der Erhalt der
Ressource Boden, d. h. die Reduzierung der Flächeninanspruchnahme, die Wiedernutzung industrieller Brachflächen,
die Förderung der Innenentwicklung sowie die Schonung besonders wertvoller und schutzwürdiger Böden sind wichtige
Instrumente einer nachhaltigen Flächenentwicklung. Auch
die stärkere Nutzung von Entsiegelungspotentialen und die
entsprechende Berücksichtigung in der Eingriffsregelung
gehören dazu1.
Während für die Bewertung von Eingriffen in Natur und
Landschaft die Stadt Aachen bereits 1990 (2006 aktualisiert)
eine Arbeits- und Entscheidungsgrundlage für die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung (Schwerpunkt im Bereich
des Arten- und Biotopschutzes) herausgegeben hat, fehlte
für das Schutzgut Boden bisher ein fachlich fundiertes Verfahren zur Bewertung von Eingriffen.
2006 hat die Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft Bodenschutz (LABO) einen Praxisleitfaden „Bodenschutz in der
Umweltprüfung nach BauGB“ (LABO, 2009) erarbeitet, der
2009 in der Umweltministerkonferenz2 sowie mit Erlass
der Ministerien für Bauen und Verkehr und Klimaschutz,
Umwelt, Natur und Verbraucherschutz des Landes NRW
vom 31.5.2010 zur Anwendung empfohlen wurde (MUNLV/
MBV, 2010). In dem Leitfaden konnten jedoch Umfang und
Detaillierungsgrad zur Berücksichtigung von Bodenschutzbelangen nicht verbindlich und abschließend vorgegeben
werden. Der Leitfaden gibt nur allgemeine Hinweise, welche
Bodenschutzbelange eine Rolle spielen und wie diese in die
bauleitplanerische Abwägung Eingang finden können.
Die nachfolgenden Ausführungen dienen der Konkretisierung und Einführung eines einfachen und verständlichen Bewertungsverfahrens für die Stadt Aachen.
2008 wurde im Rahmen der Aufstellung des Bebauungsplanes „Hochschulerweiterung Campus Melaten“ durch
die Arbeitsgemeinschaft der Büros ahu AG/BKR in Zusammenarbeit mit dem Fachbereich Umwelt ein allgemeines
Bewertungssystem für das Schutzgut Boden entwickelt
(FREY-WEHRMANN et al., 2010). Für Eingriffe durch Straßenbauvorhaben in der Baulast des Bundes oder des Landes
NRW gelten die Vorgaben des ELES (2009).
Dem nachfolgend beschriebenen Bewertungssystem liegt
zugrunde, dass nicht nur der quantitative Bodenverlust,
d. h. der reine Flächenverbrauch, sondern auch der qualitative Bodenverlust über den Grad der Schutzwürdigkeit der
Böden vor und nach dem Eingriff bemessen und bewertet
werden können. Weiterhin kann hieraus auch der Ausgleichsbedarf abgeleitet werden.
Ziel des vorliegenden Leitfadens ist es, einen einheitlichen Standard für die Bewertung des Schutzgutes Boden
bei der Eingriffsbewertung zu installieren und damit dem
Bodenschutz in allen raumwirksamen Planungsvorhaben
auf der Grundlage der gesetzlichen Vorgaben Rechnung zu
tragen. Durch ein solches Bewertungssystem wird in den
entsprechenden Entscheidungsprozessen ein sorgfältiger
und fachgerechter Interessenabgleich unter Berücksichtigung bodenschutzfachlicher Anforderungen ermöglicht.
1) www.allianzfuerdieflaeche.de/Flächenrecycling
2) Umlaufbeschluss Nr.6/2009
9
2. Rechtliche Grundlagen
und Anwendungsbereiche
Der Schutz von Böden und Bodenfunktionen ist keine freiwillige Aufgabe, sondern eine gesetzliche Pflichtaufgabe
der Unteren Bodenschutzbehörden. Die wesentlichen
Aspekte des Bodenschutzes sind im Bundes-Bodenschutzgesetz (BBodSchG) und im Landesbodenschutzgesetz
(LbodSchG NRW) festgelegt. Das Schutzgut Boden ist
auch im Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) und im
Baugesetzbuch(BauGB) rechtlich verankert.
2.1 Bundes-Bodenschutzgesetz
(BBodSchG) und Landesbodenschutzgesetz
(LbodSchG NRW)
Nach § 1 des BBodSchG sind „nachhaltig die Funktionen
des Bodens zu sichern oder wiederherzustellen. Hierzu sind
schädliche Bodenveränderungen abzuwehren, der Boden
und Altlasten sowie hierdurch verursachte Gewässerverunreinigungen zu sanieren und Vorsorge gegen nachteilige
Einwirkungen auf den Boden zu treffen. Bei Einwirkungen
auf den Boden sollen Beeinträchtigungen seiner natürlichen
Funktionen sowie seiner Funktion als Archiv der Natur- und
Kulturgeschichte so weit wie möglich vermieden werden.“
In § 2 Abs. 2 BBodSchG werden die Bodenfunktionen definiert:
(2) Der Boden erfüllt im Sinne dieses Gesetzes
1. natürliche Funktionen als
a) Lebensgrundlage und Lebensraum für Menschen,
Tiere, Pflanzen und Bodenorganismen,
b) Bestandteil des Naturhaushaltes, insbesondere
mit seinen Wasser- und Nährstoffkreisläufen,
c) Abbau-, Ausgleichs- und Aufbaumedium für stoffliche Einwirkungen auf Grund der Filter-, Pufferund Stoffumwandlungseigenschaften, insbesondere auch zum Schutz des Grundwassers,
2. Funktionen als Archiv der Natur- und Kulturgeschichte sowie
3. Nutzungsfunktionen als
a) Rohstofflagerstätte,
b) Fläche für Siedlung und Erholung,
c) Standort für die land- und forstwirtschaftliche
Nutzung,
d) Standort für sonstige wirtschaftliche und öffentliche
Nutzungen, Verkehr, Ver- und Entsorgung.
Ergänzend beinhaltet § 1 Abs. 1 LbodSchG NRW den Vorsorgegrundsatz „mit Grund und Boden soll sparsam und scho3) Natur und Bodenschutzrecht stehen grundsätzlich nebeneinander.
10
nend umgegangen werden, dabei sind Bodenversiegelungen
auf das notwendige Maß zu begrenzen. Böden, welche die
Bodenfunktionen nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 und 2 des BundesBodenschutzgesetzes im besonderen Maße erfüllen, sind
besonders zu schützen.“
§ 4 Abs. 1 LbodSchG NRW verpflichtet Behörden und öffentliche Stellen dazu, im Rahmen ihrer Zuständigkeit sowie
bei der Planung und Ausführung eigener Baumaßnahmen
und sonstiger Vorhaben die Belange des Bodenschutzes im
Sinne des § 1 BBodSchG und die Vorsorgegrundsätze des §1
LbodSchG NRW zu berücksichtigen.
Gemäß § 4 Abs. 2 LbodSchG NRW haben „bei der Aufstellung von Bauleitplänen, bei Planfeststellungsverfahren und
Plangenehmigungen die damit befassten Stellen im Rahmen
der planerischen Abwägung vor der Inanspruchnahme von
nicht versiegelten, nicht baulich veränderten oder unbebauten Flächen insbesondere zu prüfen, ob vorrangig eine
Wiedernutzung von bereits versiegelten, sanierten, baulich
veränderten oder bebauten Flächen möglich ist.“
2.2 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) und
Landschaftsgesetz (LG NRW)
Im BBodSchG finden sich keine Regelungen zur naturschutzrechtlichen Eingriffsbewertung bei Böden und Bodenfunktionen, so dass für eine Eingriffsregelung und deren
Umsetzung das BNatSchG (§§ 13, 14, 18) die Grundlage ist3.
Demnach sind Eingriffe in den Boden auch als Beeinträchtigung der naturschutzfachlichen Belange zu werten.
Zur dauerhaften Sicherung der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes sind insbesondere gem. § 1
Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG „Böden so zu erhalten, dass sie ihre
Funktion im Naturhaushalt erfüllen können; nicht mehr genutzte versiegelte Flächen sind zu renaturieren, oder, soweit
eine Entsiegelung nicht möglich oder nicht zumutbar ist, der
natürlichen Entwicklung zu überlassen.“
In § 13 BNatSchG wird ausgeführt, dass erhebliche Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft vom Verursacher
vorrangig zu vermeiden sind und für nicht vermeidbare
erhebliche Beeinträchtigungen die Verpflichtung zu Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen besteht. Eine Definition
des Eingriffs findet sich in § 14 Abs. 1 „Eingriffe in Natur
und Landschaft […] sind Veränderungen der Gestalt oder
Nutzung von Grundflächen oder Veränderungen des mit der
belebten Bodenschicht in Verbindung stehenden Grundwasserspiegels, die die Leistungs- und Funktionsfähigkeit
des Naturhaushaltes oder das Landschaftsbild erheblich
beeinträchtigen können.“ Zum Naturhaushalt zählen gem.
§7 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG die Naturgüter Boden, Wasser,
Luft, Klima, Tiere und Pflanzen sowie das Wirkungsgefüge
zwischen ihnen.
Die Anwendung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung erfolgt bei Vorhaben, die einer Genehmigung, Bewilligung, Zulassung, Erlaubnis, Zustimmung, Planfeststellung
oder einer sonstigen Entscheidung bedürfen.
Über den § 18 BNatSchG wird auch das Verhältnis zum Baurecht geregelt: „sind auf Grund der Aufstellung, Änderung,
Ergänzung oder Aufhebung von Bauleitplänen oder von
Satzungen nach § 34 Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 des BauGB
Eingriffe in Natur und Landschaft zu erwarten, ist über die
Vermeidung, den Ausgleich und den Ersatz nach den Vorschriften des Baugesetzbuches zu entscheiden.“
Gemäß § 1 Abs. 6 Nr. 7a BauGB sind „bei der Aufstellung
der Bauleitpläne die Belange des Umweltschutzes, einschließlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege,
insbesondere die Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen,
Boden, Wasser, Luft, Klima und das Wirkungsgefüge
zwischen ihnen sowie die Landschaft und die biologische
Vielfalt“ zu berücksichtigen. In § 1 Abs. 6 Nr. 7i BauGB wird
auch auf die zu beachtenden Wechselwirkungen zwischen
den einzelnen Belangen des Umweltschutzes hingewiesen.
Wesentlich ist auch die Bodenschutzklausel (§ 1a Abs. 2
BauGB):
„Mit Grund und Boden soll sparsam umgegangen werden,
dabei sind zur Verringerung der zusätzlichen Inanspruchnahme von Flächen für bauliche Nutzungen die Möglichkeiten der Entwicklung der Gemeinde, insbesondere durch
Wiedernutzbarmachung von Flächen, Nachverdichtung
und andere Maßnahmen zur Innenentwicklung zu nutzen
sowie Bodenversiegelungen auf das notwendige Maß zu
begrenzen. Landwirtschaftlich, als Wald oder für Wohnzwecke genutzte Flächen sollen nur in notwendigem Umfang
umgenutzt werden. Die Grundsätze nach den Sätzen
1 und 2 sind nach § 1 Abs. 7 in der Abwägung zu berücksichtigen.“
Bei Bauvorhaben in Gebieten mit Bebauungsplänen nach
§ 30 BauGB, während der Planaufstellung nach § 33 BauGB
und im Innenbereich nach § 34 BauGB findet die Eingriffsregelung der §§ 14 – 17 BNatSchG keine Anwendung.
Hingegen findet die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung
Anwendung bei Vorhaben im Außenbereich nach § 35 BauGB
Aus dieser Bodenschutzklausel ergeben sich für die Bauleitsowie für Bebauungspläne, soweit sie eine Planfeststellung
planung folgende Ziele (LABO, 2006):
ersetzen.
n Die Inanspruchnahme von Böden ist auf das unerlässliche
Einzelheiten zu der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung
Maß zu beschränken.
regelt dann das Landschaftsgesetz Nordrhein-Westfalen (§ 4 n Die Inanspruchnahme von Böden ist auf Flächen zu
bis § 6 LG NRW). Wesentlich für den Bodenschutz ist § 2 Abs.
lenken, die vergleichsweise von geringerer Bedeutung für
1 Nr. 3 LG NRW: „Böden sind so zu erhalten, dass sie ihre
die Bodenfunktionen sind.
Funktionen im Naturhaushalt erfüllen können….“
n Beeinträchtigungen von Bodenfunktionen sind soweit
wie möglich zu vermeiden.
2.3 Baugesetzbuch (BauGB)
Die Bauleitplanung ist ein zentrales Planungsinstrument, um
die städtebauliche Entwicklung zu steuern und wird über
das BauGB geregelt. Auch im BauGB finden sich Festlegungen zum Schutz des Bodens, vor allem der flächenhafte
Bodenschutz ist hier ein wichtiger Schwerpunkt.
Am 20. Juli 2004 ist das durch das Europaanpassungsgesetz (EAG-Bau) geänderte BauGB in Kraft getreten. Die
wesentlichsten Punkte, die auch den Boden betreffen, sind
im Folgenden aufgeführt:
§ 1 Abs. 5 „Die Bauleitpläne sollen eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die die sozialen, wirtschaftlichen und
umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung
gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang
bringt, und eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende
sozialgerechte Bodennutzung gewährleisten. Sie sollen
dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern
und die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu
entwickeln, auch in Verantwortung für den allgemeinen
Klimaschutz, sowie die städtebauliche Gestalt und das
Orts- und Landschaftsbild baukulturell zu erhalten und zu
entwickeln.“
Bei der Bauleitplanung ist eine Umweltprüfung (§ 2 Abs. 4
BauGB) durchzuführen, bei der erhebliche Umweltauswirkungen systematisch ermittelt, beschrieben und bewertet
werden. Die Vermeidung und der Ausgleich voraussichtlich
erheblicher Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes sowie
der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes
in seinen in § 1 Abs. 6 Nr. 7a bezeichneten Bestandteilen
(dazu gehört auch das Schutzgut Boden) sind in der Abwägung zu berücksichtigen (§ 1a Abs. 3 BauGB). Dabei können
auch einzelne Belange überwunden werden. Voraussetzung
ist jedoch, dass gemäß § 1 Abs. 7 BauGB „die öffentlichen
und privaten Belange gegeneinander und untereinander
gerecht abgewogen werden.“
Im Rahmen der Eingriffsregelung dient die Eingriffsbilanz als
Bezugsgröße für die nach § 1a Abs. 3 BauGB naturschutzfachlich notwendigen Ausgleichsmaßnahmen. Der Ausgleich
erfolgt durch geeignete Darstellungen und Festsetzungen
nach den §§ 5 und 9 BauGB als Flächen oder Maßnahmen
zum Ausgleich. Soweit dies mit einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung und den Zielen der Raumordnung sowie des Naturschutzes und der Landschaftspflege vereinbar
ist, können die Darstellungen und Festsetzungen auch an
anderer Stelle als am Ort des Eingriffs erfolgen.
11
3. Schutzgut
Boden
Böden sind ein bedeutender Bestandteil des Naturhaushaln Beschreibung der Auswirkungen des Planvorhabens auf
tes. Mit seinen natürlichen Funktionen ist der Boden Lebensden Boden, d. h. Ermittlung der Erheblichkeit
grundlage und Lebensraum für Menschen, Tiere, Pflanzen
und Prognose der Auswirkungen des Planvorhabens
und Bodenorganismen und übt als zentrales Umweltmedium
(PLAN-Zustand) auf den Boden
vielfältige Funktionen im Ökosystem aus. Böden benötigen
n Prüfung von Planungsalternativen
Jahrtausende, um sich aus dem Gestein durch physikalische, n Ermittlung von Maßnahmen zur Vermeidung, Verchemische und biologische Verwitterungs- und Umwandringerung und Ausgleich von Beeinträchtigungen
lungsprozesse unter dem Einfluss von Klima und Vegetan Auswahl und Planung geeigneter Ausgleichs- und Ersatztion zu bilden und können in nur wenigen Augenblicken
maßnahmen
zerstört oder geschädigt werden. Aufgrund der langsamen
n Maßnahmen zur Überwachung (Bodenkundliche BaubeBodenentwicklung sind solche Veränderungen praktisch
gleitung, Monitoring (BVB, 2012))
irreversibel. Auf lange Sicht steht in der Folge die nachhaltige Nutzung und Verfügbarkeit einer nicht vermehrbaren
Das Ergebnis der Umweltprüfung ist in der Abwägung zu
Ressource in Frage, so dass Strategien für eine nachhaltige
berücksichtigen.
Bewirtschaftung von Böden entwickelt werden müssen.
Deshalb kommt dem Schutz des Bodens in seiner Funktion als Lebensgrundlage für künftige Generationen eine
besondere Bedeutung zu.
Vor diesem Hintergrund bildet der vorsorgende Bodenschutz
einen Schwerpunkt des gesetzlichen Schutzauftrages, denn
der Boden benötigt einen besonderen Schutz, um seine
vielfältigen Funktionen erfüllen zu können. Grundsätzlich
ist jeder Boden schützenswert. Es gibt jedoch Böden, die
in hohem Maß besondere Funktionen im Naturhaushalt
erfüllen. Werden diese Böden versiegelt, abgegraben oder
durch Verdichtung und Erosion geschädigt, sind die Folgen
deutlich bemerkbar.
3.1 Fachtechnische Anforderungen
an den Bodenschutz
Um Böden nachhaltig schützen zu können, sind vorsorgende
Maßnahmen zu ihrem Erhalt notwendig. Der vorliegende
Leitfaden bezieht sich vor allem auf die Einbindung bodenschutzfachlicher Aspekte in raumwirksamen Planungs- und
Genehmigungsverfahren.
Zur Berücksichtigung der Bodenschutzbelange in der Umweltprüfung sind folgende Verfahrensschritte (LABO, 2009)
zu bearbeiten:
n Beschreibung und Bewertung des IST-Zustandes der
Böden (Bestandsaufnahme des Bodeninventars, d. h.
der Bodenfunktionen und der Naturbelassenheit) und der
flächenhaften Verteilung der Böden
12
3.2 Beschreibung des Bodens und seiner
Funktionen (Bodenfunktionskarte)
Grundvoraussetzung einer sachgerechten Anwendung der
Eingriffsregelung ist eine systematische Erfassung und
Bewertung des Schutzgutes Boden.
Flächendeckende, bodenbezogene Daten für das Stadtgebiet Aachen lagen bisher nur in der vom GD NRW herausgegebenen Karte der schutzwürdigen Böden im Maßstab
1:50.000 vor. Da dieser Maßstab auf der kommunalen Planungsebene zur Ermittlung und Abgrenzung schutzwürdiger
Böden nicht ausreicht, wurde 2009 für die landwirtschaftlich
genutzten Flächen im Außenbereich der Stadt Aachen eine
Bodenfunktionskarte im Maßstab 1:5.000 (FELDWISCH et al.,
2009) erstellt (Anlagen 1 und 2).
Zur Erstellung der Bodenfunktionskarte diente die Bodenschätzkarte (DGK5-Bo). Es wurden die in der Bodenschätzkarte benannten Bodeneinheiten in die moderne
bodenkundliche Nomenklatur übersetzt. Die Ableitung der
Bodenfunktionen bzw. die Einstufung ihrer Schutzwürdigkeit
erfolgte weitgehend auf den Methoden des Geologischen
Dienstes NRW.
Die Bodenfunktionskarte der Stadt Aachen weist Flächen
aus, auf denen Böden in besonderem Maß Leistungen im
Naturhaushalt gem. § 2 Abs. 2 BBodSchG erfüllen (Tab. 1).
Bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit eines Bodens
ist es zunächst ohne Belang, ob die Bodenfunktionen
aktuell genutzt werden oder nicht.
Tab. 1: Übersicht über die zu bewertenden Bodenfunktionen und Kriterien im Stadtgebiet Aachen
Bodenfunktionen und Bodenteilfunktionen nach BBodSchG
Funktion als Archiv der Natur- und
Kulturgeschichte (§ 2 Abs. 2 Nr. 2)
Bodenfunktionen
gem. Bodenfunktionskarte
Stadt Aachen
Archivfunktion
(naturgeschichtliche Bedeutung)
a) Lebensgrundlage und Lebensraum
für Menschen, Tiere, Pflanzen und
Bodenorganismen
Biotopentwicklungspotential
a) Lebensgrundlage und Lebensraum
für Menschen, Tiere, Pflanzen und Bodenorganismen (Bodenfruchtbarkeit)
Natürliche
Bodenfunktionen
(§ 2 Abs. 2 Nr. 1)
b) Bestandteil des Naturhaushaltes,
insbesondere mit seinen Wasser- und
Nährstoffkreisläufen
c) Abbau-, Ausgleichs- und Aufbaumedium für stoffliche Einwirkungen
auf Grund der Filter-, Puffer- und
Stoffumwandlungseigenschaften,
insbesondere auch zum Schutz des
Grundwassers
Die Naturräume Aachens weisen eine starke Nord-SüdDifferenzierung auf. Im Norden Aachens liegen die recht
homogenen Lösslandschaften, deren Böden (Parabraunerden) eine hohe natürliche Bodenfruchtbarkeit aufweisen.
Im Aachener Süden hat die kleinräumig stark wechselnde
Geologie eine sehr variantenreiche Ausbildung von Bodentypen zur Folge.
Im Rahmen der Erstellung der Bodenfunktionskarten wurde
eine Gütekarte (FELDWISCH et al., 2009) mit drei Güteklas-
Bodenfunktion Naturhaushalt
wurde aus drei Teilfunktionen ermittelt:
natürliche Bodenfruchtbarkeit,
Wasserspeichervermögen sowie
Filter- und Pufferfunktion
sen erstellt. Der jeweiligen Güteklasse ist eine Einschätzung
ihrer Verwendbarkeit für planerische Fragestellungen zugeordnet. Auf rund 82 % der landwirtschaftlich genutzten Flächen werden die Bodenfunktionen mit hoher Güte erfasst,
während auf 18 % der bewerteten Flächen eine mittlere bis
geringe Güte vorliegt, d. h. hier liegt eine eingeschränkte
Aussagefähigkeit für planerische Fragestellungen vor. Dies
bedeutet, dass in diesen Bereichen im Zuge von konkreten
Planungs- und Zulassungsverfahren ggf. noch Nachkartierungen in geringem Umfang erforderlich sind.
13
3.2.1 Archivfunktion
Archivböden dokumentieren erdgeschichtliche Entwicklungsphasen als auch die Einflüsse des Menschen auf die
Bodenentwicklung in besonderer Weise. Archive der Kulturgeschichte stehen in Aachen gem. § 3 Abs. 1 Denkmalschutzgesetz (DSchG NW) als Bodendenkmäler unter Schutz.
Für den Aachener Raum sind Böden aus kreidezeitlichen
und tertiären Lockergesteinen (ab 10 dm Tiefe und praktisch
ohne quartäre Überprägung) gemäß der Definition des
Geologischen Dienstes NRW besonders wertvolle Archive
der Naturgeschichte (Abb. 1).
n
sehr hoch
3.2.2 Biotopentwicklungspotential
Böden mit Biotopentwicklungspotential sind Böden mit
besonderen Standorteigenschaften bzw. Extremstandorte,
darunter fallen nasse bzw. staunasse Böden sowie Böden,
die trocken und/oder nährstoffarm sind. Sie weisen günstige
Voraussetzungen für die Entwicklung potentiell wertvoller
Biotope auf.
Mit dieser Karte wird allerdings nicht die realisierte Ausprägung besonderer Biotope abgebildet. Aus diesem Grund
können diese Böden unter aktueller Nutzung derzeit ohne
besondere Bedeutung für den Arten- und Biotopschutz sein.
Dennoch haben sie das Potential für Aufwertungsmaßnahmen.
n
sehr hoch
n
hoch
n
mittel
Abb. 1: Auswertebeispiel aus der Bodenfunktionskarte „Archivboden“
im Bereich Diepenbenden
Archivböden sind besonders wertvoll, da sie einzigartig
und unersetzbar sind, so dass ein Archivboden immer der
höchsten Schutzwürdigkeitsklasse zugeordnet wird (Tab.
2). Der Ausgleich/Ersatz einer Archivfunktion ist nicht möglich, denn die naturgeschichtlichen Eigenarten eines Bodens
lassen sich nicht wiederherstellen.
Auf ca. 3,2 % der landwirtschaftlich genutzten Flächen
werden Böden mit der Archivfunktion für Naturgeschichte
ausgewiesen (Tab. 3).
14
Abb. 2: Auswertebeispiel aus der Bodenfunktionskarte „Biotop
entwicklungspotential“ im Bereich Campus Melaten
Auf ca. 24 % der landwirtschaftlich genutzten Flächen kommen Böden mit einem hohen bzw. sehr hohen Biotopentwicklungspotential vor (Tab. 3), davon entfallen ca. 14 % auf
grundwasserbeeinflusste Böden und ca. 10 % auf flachgründige Böden und damit trockene Standorte
3.2.3 Naturhaushalt
Die Teilfunktionen „natürliche Bodenfruchtbarkeit“, „Filterund Pufferfunktion“ und „Wasserspeichervermögen“ sind
durch vergleichbare Funktionserfüllungsgrade gekennzeichnet. Für die Gesamtbewertung „Naturhaushalt“ wurde ein
Mittelwert aus diesen drei Bodenfunktionen gebildet.
Teilfunktion Natürliche Bodenfruchtbarkeit
Böden mit einer hohen natürlichen Bodenfruchtbarkeit
tragen maßgeblich zur Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes bei. Die natürliche Bodenfruchtbarkeit bezeichnet das
natürliche Vermögen von Böden zur nachhaltigen Pflanzenproduktion und als Standorte für Kulturpflanzen.
Böden mit der Bodenfunktion „natürliche Bodenfruchtbarkeit“ (Abb. 3) sind von großer Bedeutung für die Landwirtschaft, während sie aus Sicht des Landschaftsschutzes i.d.R.
weniger relevant sind.
n
sehr hoch
n
hoch
Teilfunktion Wasserspeichervermögen
Zudem tragen diese Böden aufgrund ihres ausgeglichenen
Wasserhaushaltes zum Schutz von Grundwasser- und Oberflächengewässern bei.
Das hohe Wasserspeichervermögen (Abb. 4) dieser Böden
ist sowohl für die dezentrale Hochwasservorsorge (gute
Aufnahme von Niederschlagswasser und Verringerung des
oberflächennahen Abflusses) als auch für das Pflanzenwachstum von entscheidender Bedeutung.
n
sehr hoch
n
hoch
n
mittel
Abb. 4: Auswertebeispiel aus der Bodenfunktionskarte „Wasser
speichervermögen“ im Bereich RichterichVetschau
Abb. 3: Auswertebeispiel aus der Bodenfunktionskarte „natürliche
Bodenfruchtbarkeit“ im Bereich RichterichVetschau
15
Teilfunktion Filter- und Puffervermögen
Böden haben durch ihre Fähigkeit, Nähr- und Schadstoffe zu
speichern, chemisch zu puffern und mechanisch zu filtern
bzw. organische Stoffe abzubauen, eine wichtige Bedeutung
im Stoffhaushalt und sind auch wesentlich für den Schutz
des Grundwassers.
Gesamtfunktion Naturhaushalt
Zur Ermittlung der Bodenfunktion „Naturhaushalt“
wurde aus den drei genannten Teilfunktionen
natürliche Bodenfruchtbarkeit, Wasserspeichervermögen und Filter- und Pufferfunktion ein Mittelwert gebildet.
Böden weisen dann eine besonders hohe Leistungsfähigkeit
auf, wenn sie Schadstoffe aus dem Stoffkreislauf entfernen
und zurückhalten (MUNLV, 2007) (Abb. 5).
Auf ca. 60 % der landwirtschaftlich genutzten Flächen
werden Böden mit der Funktion „Naturhaushalt“ der Stufen
3 bis 5 ausgewiesen (Tab. 3).
n
mittel
n
sehr hoch
n
sehr gering
n
hoch
n
hoch
n
mittel
n
gering
Abb. 5: Auswertebeispiel aus der Bodenfunktionskarte
Filter und Pufferfunktion im Bereich RichterichVetschau
16
Abb. 6: Auswertebeispiel aus der Bodenfunktionskarte „Gesamt
funktion Naturhaushalt“ im Bereich RichterichVetschau
3.3 Gesamtbewertung der
schutzwürdigen Böden
fassenden Bodenfunktionskarte (Anlage 1) nur die Archivfunktion dargestellt, damit wird ihre besondere Bedeutung
aus Sicht des vorsorgenden Bodenschutzes hervorgehoben.
Für die Gesamtbewertung der Schutzwürdigkeit der Böden
stehen die Ergebnisse der o. g. drei Einzelfunktionen in
den Bodenfunktionskarten zur Verfügung (Anlage 1). Die
Darstellung der Bodenfunktionen Naturhaushalt und Biotopentwicklungspotential erfolgte nach dem Maximalwertprinzip, da es sich hierbei um untereinander gleichwertige
Funktionen handelt. Im Falle der Überlagerung der o. g.
Bodenfunktionen Naturhaushalt und Biotopentwicklungspotential mit der Archivfunktion wird in der zusammen-
Der Geologische Dienst NRW (GD NRW) bewertet die
Schutzwürdigkeit der Böden in Abhängigkeit vom Grad ihrer
Funktionserfüllung in drei Stufen. Da bei der Erstellung der
Bodenfunktionskarten die zusätzlich ergänzten Teilfunktionen „Wasserspeichervermögen“ und „Filter- und Pufferfunktion“ mittels anderer Methoden abgeleitet wurden, erfolgte
hier eine fünfstufige Klassifizierung (Tab. 2).
Tab. 2: Klassifizierung der schutzwürdigen Böden (FELDWISCH et al., 2009)
Klassifizierung der Schutzwürdigkeit
in der Bodenfunktionskarte der Stadt Aachen
Schutzwürdigkeit nach GD NRW
1
sehr gering
2
gering
sw1 = schutzwürdig
3
mittel
sw2 = sehr schutzwürdig
4
hoch
sw3 = besonders schutzwürdig
5
sehr hoch
keine Angabe
Die Flächenstatistik für das Stadtgebiet Aachen zeigt auf,
dass ca. 88 % des Außenbereichs schutzwürdige Böden
der Klassen 3 bis 5, d. h. mittel bis sehr hoch aufweisen,
davon entfallen wiederum ca. 59 % auf die Gesamtfunktion
Naturhaushalt (Tab. 3).
Tab. 3: Flächenstatistik der Gesamtbewertung (FELDWISCH et al., 2009)
Fläche
Schutzwürdigkeit
Schutzwürdigkeit
ha
%
differenziert nach Sachdimension (Bodenfunktion)
Archivfunktion 5
Fläche
ha
%
ohne Sachdimension
208,4
3,2
Stufe 1
25,3
0,4
Biotop 1/2
0,0
0,0
Stufe 2
782,5
12,0
Biotop 3
91,3
1,4
Stufe 3
1.943,0
30,0
Biotop 4
581,6
8,9
Stufe 4
2.372,7
36,4
Biotop 5
948,0
14,6
Stufe 5
1.378,2
21,2
Naturhaushalt 1
25,3
0,4
Summe
6.501,7
100
Naturhaushalt 2
782,5
12,0
Naturhaushalt 3
1.851,7
28,6
Naturhaushalt 4
1.791,1
27,5
Naturhaushalt 5
221,8
3,4
6.501,7
100
Summe
17
3.4 Naturbelassenheit
Bei der Beurteilung der Funktionserfüllung der Böden und
ihrer damit verbundenen Einstufung der Schutzwürdigkeit ist es zunächst ohne Belang, ob die Bodenfunktionen
aktuell genutzt werden oder nicht. Von Bedeutung ist
lediglich, ob die Böden das Potential für die jeweilige
Bodenfunktion („ruhendes Potential“) besitzen.
In der Bodenfunktionskarte werden keine anthropogenen
Einflüsse auf die Böden berücksichtigt. Die Naturbelassenheit gibt aber Hinweise darauf, ob anthropogene stoffliche
oder strukturelle Veränderungen vorliegen, die je nach
Art und Ausmaß geeignet sind, Böden in ihren Funktionen
erheblich oder nachteilig zu beeinträchtigen (LANUV, 2010).
Aus diesem Grund wird die Naturbelassenheit mit in die
Eingriffsbewertung einbezogen.
Tab. 4: Naturbelassenheit des Bodenaufbaus (natürliche Böden)
(LAZAR & SCHIPPERS, 2008, ergänzt durch HELBIG & LÄGEL; 2011)
Naturbelassenheit/
Bedeutung
Bewertungsstufe
Beeinflussung der
Bodenfunktionen
Mögliche Bodennutzungen (Beispiele)
nur in Kombination mit Grad der Beeinflussung der Bodenfunktionen gültig (Auf- und
Abwertungen sind begründet möglich)
natürliche Böden
N 10
keine Beeinflussung der Bodenfunktionen,
gewachsenes Profil ohne sichtbaren Veränderungen der Bodenhorizonte (Aufschüttung,
Abgrabung etc.) bzw. Verdichtung, Erosion,
Entwässerung, Eutrophierung, Versauerung
oder Schadstoffbelastung
standorttypische, naturnahe Waldstandorte
(> 50 Jahre Waldstandort)
standorttypische, naturnahe Waldstandorte
(< 50 Jahre Waldstandort) bzw. Laubholzforste
(auch nicht standortgerecht, sofern ohne Beeinträchtigung der Bodeneigenschaften)
Laubholzforste und Misch(wald)bestände, beide
standortfremd
besonders
hoch
N9
sehr geringe Beeinflussung der Bodenfunktionen, gewachsenes Profil ohne sichtbare Veränderungen der Bodenhorizonte (Aufschüttung,
Abgrabung etc.) bzw. Verdichtung, Erosion,
Entwässerung, Eutrophierung, Versauerung
oder Schadstoffbelastung
extensiv genutztes Dauergrünland (Weide- und
Wiesennutzung) ohne Düngemittel und PSMEinsatz
intensiv genutztes Dauergrünland (Weide- und
Wiesennutzung) ohne Entwässerung
Gebüsch, Feldgehölz, Hecken
alte Parks mit naturnahem Profilaufbau ohne
Aufschüttung
N8
geringe Beeinflussung des Bodenprofils durch
zeitweisen Umbruch mit nachfolgendem Ackerbau, ohne Aufschüttung, Abgrabung etc.
sehr hoch
N7
hoch
18
geringe Beeinflussung durch z. B. mäßige
Verdichtung oder Eintrag von Düngemitteln,
jedoch mit ausgeglichener Humusbilanz,
Erosionsschutz und günstigen Voraussetzungen für das Bodenleben ohne Umbruch durch
Pflügen Bodenhorizonte; ohne Aufschüttung,
Abgrabung etc.
N6
geringe Beeinflussung durch Veränderungen
der Bodenfunktionen (z. B. Versauerung,
entwässernde Wirkung etc.), mit negativen
Auswirkungen auf das Bodenleben, reduzierte
Bodenaktivität o.ä. ohne Aufschüttung, Abgrabung etc.
mäßige Beeinflussung des Bodenprofils durch
z. B. Pflügen (anthropogen veränderte Oberbodenstruktur), negative Beeinflussung des
Bodenlebens, Verdichtung, Erosion, Düngung,
PSM-Einsatz oder Entwässerung, überwiegend
ohne Aufschüttung, Abgrabung etc.
extensiv genutztes Ackerland, konservierende
Bodenbearbeitung (ohne Pflügen) mit Zwischenfruchtanbau zur Bodenlockerung, geringer
Düngemitteleintrag und PflanzenschutzmittelEinsatz (>10 Jahre)
intensiv genutztes Grünland mit Umbruch und
Ansaat
Ackerland mit Brachen (Bodenruhe), z. B. Stilllegungsflächen
Monoforst (Fichtenanbau, Pappelanbau etc.)
intensiv genutztes Ackerland
Gärten
(z. B. mit Nutzgarten, Kleingärten: > 50 Jahre)
Baumschulen, Sonderkulturen (Obst, Wein)
Fortsetzung Tab. 4: Naturbelassenheit des Bodenaufbaus (anthropogene Böden)
(LAZAR & SCHIPPERS, 2008, ergänzt durch HELBIG & LÄGEL; 2011)
Naturbelassenheit/
Bedeutung
Bewertungsstufe
Mögliche Bodennutzungen (Beispiele)
nur in Kombination mit Grad der Beeinflussung der Bodenfunktionen gültig (Auf- und
Abwertungen sind begründet möglich)
Beeinflussung der
Bodenfunktionen
anthropogene Böden
mittel
gering
sehr gering
N(A) 5
N(A) 4
N(A) 3
mittlere bis hohe Beeinflussung durch
Aufschüttung und Verlagerung natürlicher
Substrate mit vollständiger Veränderung des
Profilaufbaus, jedoch mit langjähriger Bodenentwicklung (> 50 Jahre) bei ungestörter
Horizontentstehung
Aufschüttung aus naturnahem Material ohne
technogene Substrate, mit langjähriger natürlicher Bodenentwicklung (> 50 Jahre) fachgerechte
Wiederherstellung von Bodenschichten in der
Regel extensive bzw. landwirtschaftliche Nutzung
Hausgärten (da sie i.d.R. während der Bauphase
erheblich beeinträchtigt werden)
hohe Beeinflussung durch Aufschüttung
und Verlagerung natürlicher Substrate mit
vollständiger Veränderung des Profilaufbaus,
einsetzende Bodenentwicklung, jedoch anthropogen gestörte Horizontentstehung
Aufschüttung aus naturnahem Material, ohne
technogene Substrate, mit kurzzeitiger natürlicher Bodenentwicklung (z. B. Golfplätze, Parkanlagen, Friedhöfe), ggf. auch Rasengittersteine
ohne Unterbau etc., unbefestigte Wege
geringe bzw. stark eingeschränkte Funktionserfüllung und ggf. negative Auswirkungen
durch technogene Substrate
nicht versiegelte Flächen mit technogenen
Substraten (z. B. Bauschutt ohne bekannte
Schadstoffbelastungen), Abgrabungen
Funktionserfüllung (Wasserspeicher, Grundwasserneubildung, Bodenleben, natürliche
Bodenfruchtbarkeit) stark eingeschränkt,
jedoch im Oberboden in geringem Umfang
möglich
wasserdurchlässige Beläge mit Unterbau (z. B.
Rasengittersteine mit tragfähigem Unterbau aus
Kalksteinschichtung)
versiegelte und/oder befestigte Flächen mit
tragfähigem Unterbau, ohne Schadstoffbelastungen
schadstoffbelastete Flächen mit technogenen
Substraten (Altlastenverdachtsflächen, schädliche Bodenveränderungen etc.)
keine
N(A) 2
keine Funktionserfüllung durch Versiegelung und Ersatz von Bodenmaterial durch
tragfähigen Unterbau, ggf. auch technogene
Substrate
negativ
N(A) 1
negative Funktion aufgrund von Schadstoffbelastungen, Bewertung in Abhängigkeit der
Schadstoffkonzentrationen
Durch Vorbelastungen oder durch die Nutzungshistorie
oder den Nutzungswandel von Böden wird die so genannte
Naturbelassenheit des Bodenaufbaus beeinflusst. Um diese
Beeinflussung zu berücksichtigen, wurden Kriterien für die
Naturbelassenheit in 10 Stufen aus bodenfunktionaler Sicht
abgeleitet (Tab. 4) (LAZAR & SCHIPPERS, 2008). Die Tabelle
wurde von HELBIG & LÄGEL (2010) nochmals ergänzt. Es
wird zwischen natürlichen bzw. naturnahen Böden, die
meist durch eine land- oder forstwirtschaftliche Nutzung
charakterisiert werden, und anthropogen beeinflussten
Böden unterschieden.
Eine Verschneidung der Schutzwürdigkeit der Böden mit der
Naturbelassenheit führt zu Abschlägen und zu einer leichten
Reduzierung der Funktionserfüllung (Tab. 4). Dies ermöglicht
eine weitergehende Differenzierung und damit erschließen
sich auch potentielle Ausgleichsmaßnahmen, bei denen sich
Boden- und Naturschutz sinnvoll ergänzen können (multifunktionale Maßnahmen).
19
3.5 Stoffliche Vorbelastungen
Bei der Erstellung der Bodenfunktionskarte wurden
die Ergebnisse der Bodenbelastungskarte nicht direkt
integriert, sie können individuell je nach Planverfahren
Böden können in ihrem Funktionserfüllungsgrad durch Vorin eine Bewertung miteinbezogen werden:
belastungen eingeschränkt sein, dazu gehören neben den
nichtstofflichen Belastungen auch stoffliche Vorbelastungen. n Liegen keine Vorsorgewertüberschreitungen vor, bedarf
es keiner gesonderten Bewertung.
Für das Stadtgebiet Aachen liegt eine digitale Bodenbelasn Liegen im Hinblick auf die zukünftige Nutzung Prüf- oder
tungskarte für den Außenbereich vor (LAZAR et al., 2003).
Maßnahmenwertüberschreitungen vor, die Schutz- und
Digitale Bodenbelastungskarten für den Außenbereich
Beschränkungsmaßnahmen, Sicherungs- und/oder Saniestellen das flächige Belastungsniveau des Oberbodens
rungsmaßnahmen zur Folge haben, kann eine Abwertung
mit anorganischen Schadstoffen (Schwermetalle), schwer
erfolgen. Der Grad der Abwertung ist individuell abzuleiabbaubaren organischen Schadstoffen (PAK, PCB)4 für die
ten und zu begründen.
Nutzungsarten Acker, Grünland und Wald dar.
Die Ergebnisse der Digitalen Bodenbelastungskarte zeigen
geogen/bergbaubedingte Belastungen mit Blei, Cadmium
und Zink im Aachener Südraum auf. Insgesamt wurden bei
88 % der Messpunkte Vorsorgewertüberschreitungen für
o. g. Parameter ermittelt.
Überschreitungen der Vorsorge-, Prüf- und Maßnahmenwerte der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung
(BBodSchV) stellen ein Kriterium für die Bodenfunktion
„Lebensraum für den Menschen“ dar (Tab. 1), so dass
solche Vorbelastungen integriert oder auch gesondert mit in
eine Bewertung einbezogen werden können (FELDWISCH et
al., 2006).
Beispiel:
In einem Planungsgebiet im Aachener Süden wurden im
Hinblick auf die geplante Nutzung (Wohngebiet) für den Wirkungspfad Boden-Nutzpflanze geringfügige Maßnahmenwertüberschreitungen für den Parameter Cadmium ermittelt. Da
im vorliegenden Fall bereits durch einfache Maßnahmen, wie
die Einhaltung bestimmter Anbau- und Verzehrsempfehlungen
eine zukünftige Gefährdung wirksam unterbunden werden
kann, wurde eine geringfügige Abwertung von 0,25 WE pro ha
vorgenommen (vgl. Kap. 4.2, Tab. 7).
4) PCB (Polychlorierte Biphenyle)
Unter der Bezeichnung PCB fasst man eine Gruppe von einer Reihe von Organochlorverbindungen zusammen. PCB zeichnen sich weniger
durch eine akute Giftigkeit aus, als vielmehr durch ein hohes Gesundheitsrisiko bei dauerhafter Belastung. Seit 1989 ist die Herstellung, das
Inverkehrbringen und die Verwendung von PCB bis auf wenige Ausnahmen verboten.
PAK (Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe)
Bei den Polyzyklischen Aromatischen Kohlenwasserstoffen handelt es sich um eine Gruppe organischer Schadstoffe. Sie sind Bestandteile der
fossilen Brennstoffe (Erdöl, Kohle) sowie deren Destillationsprodukte (Steinkohlenteer, Bitumen, Asphalt, Otto und Dieselkraftstoff bzw. Heiz
öl), aber auch in Carbolineum, Teerpech, Bitumenkleber und Dachpappen enthalten. Sie entstehen u.a. bei der unvollständigen Verbrennung
von organischen Materialien (u.a. in Abgasen, Zigarettenrauch, Schlacken, Grillaschen), auch Aschen und Brennrückstände aus Hausbrand,
Rest und Altholz weisen oftmals erhöhte PAKGehalte auf.
20
4. Eingriffsbewertung
In dem folgenden Kapitel werden die auf den Boden einwirkenden Faktoren beschrieben und die Methoden zur
Bewertung der Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit/
Schutzwürdigkeit der Böden vorgestellt.
4.1 Auswirkungen auf den Boden
(Wirkfaktoren)
Mit den Vorhaben und Planungen, die mit Hilfe der Bauleitplanung vorbereitet und umgesetzt werden, sind oft
gravierende Auswirkungen auf Böden verbunden.
Neben der Schutzwürdigkeit der Böden und ihrer Naturbelassenheit sind die Empfindlichkeiten der vorkommenden
Böden zu ermitteln. Die Empfindlichkeit beschreibt, wie und
mit welcher Intensität ein Boden auf die Wirkfaktoren reagiert (Tab. 5). Das Verhalten eines Bodens auf die genannten Wirkfaktoren ist je nach Bodenart und -typ unterschiedlich (BVB, 2001), z. B. ist bei einer Grundwasserabsenkung
die Empfindlichkeit von sehr feuchten oder nassen Böden
(z. B. Moorboden) wesentlich höher einzustufen als bei
einem Boden, der nicht vom Grundwasser beeinflusst wird.
Die Wirkungsprognose ist ein wichtiger Prüfschritt zur
Bestimmung der Schwere, d. h. des Ausmaßes des Eingriffs
und damit eine Grundlage zur Bemessung von Vorkehrungen
zur Vermeidung und Minderung und von Maßnahmen zum
Ausgleich absehbarer Beeinträchtigungen.
Eine Beeinträchtigung liegt vor, wenn der zukünftige Zustand (Plan-Zustand) des Schutzgutes Boden ungünstiger
zu bewerten ist als der Ist-Zustand. Für die Schwere bzw.
Intensität des Eingriffs sind verschiedene Aspekte relevant:
n die Schutzwürdigkeit der beeinträchtigten
Bodenfunktion(en), ggf. auch die Besonderheit (Seltenheit) der Böden
n die Naturbelassenheit (Tab. 4) und Empfindlichkeit der
Böden
n Intensität und Ausmaß der negativen Veränderung
(z. B. vollständiger Verlust und/oder Schwächung der
Bodenfunktion durch Abtrag, Umlagerung, Versiegelung)
n die Flächengröße (je größer die Fläche, umso erheblicher
der Eingriff)
n die zeitliche Dauer des Auftretens der jeweiligen Beeinträchtigung (z. B. vor und in der Bauphase, auf Dauer).
Böden werden durch Bebauung und Versiegelung in ihren
Funktionen dauerhaft zerstört, und die Folgen sind irreversibel, während durch Umlagerungen, Abgrabungen und
Aufschüttungen die Böden in ihrem Bodenaufbau ganz oder
nur teilweise gestört werden (Tab. 5).
Die Beurteilung der Beeinträchtigungsintensität kann nach
den Stufen mittel bis sehr hoch bewertet werden. Eine
Beeinträchtigung ist immer dann als erheblich anzusehen,
wenn es sich um deutliche spürbare negative Veränderungen handelt und folglich die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Bodens wesentlich gestört wird.
21
Tab. 5: Wirkfaktoren und Empfindlichkeit von Böden (nach LAZAR & SCHIPPERS, 2008)
Intensität/
Empfindlichkeit
Wirkfaktoren
Bebauung,
Versiegelung
Die Versiegelung von Böden stellt einen schwerwiegenden Eingriff in die Böden
dar, da sie den (vollständigen) Verlust der natürlichen Bodenfunktionen nach sich
zieht. Betroffen sind von einer Versiegelung alle Bodenfunktionen.
Bodenabtrag
(Abgrabung)
Mit dem Bodenabtrag ist eine tiefgreifende Zerstörung der natürlichen Bodenfunktionen verbunden. Betroffen sind von einem Bodenabtrag alle Bodenfunktionen.
Auftrag/Überdeckung
Aufschüttungen verändern Bodenfunktionen. Die Beeinträchtigung ist umso
stärker, je mehr das aufgetragene Material (Herkunft des Materials, Ähnlichkeit
und Naturnähe der Bodeneigenschaften, Auffüllungsmächtigkeiten etc.) von den
Eigenschaften des bestehenden Bodens abweicht. In Abhängigkeit von Art und
Mächtigkeit der Überdeckung können daher Bodenfunktionen außer Kraft gesetzt
oder beeinträchtigt werden.
Substrat beimengungen
Bei Vorhaben gelangen teilweise Fremdsubstrate (z. B. Bauschutt) in Böden, die je
nach Zusammensetzung und Menge zu einer höheren Beeinträchtigung der Filterund Pufferfunktion sowie zu einer mittleren Beeinträchtigung aller Funktionen
führen können.
Verdichtung
In Abhängigkeit vom Ausmaß der Verdichtung werden die Bodenfunktionen
beeinträchtigt. Der Wirkfaktor tritt vor allem baubedingt, d. h. durch Nutzung
der Böden für Bauwege, Lagerplätze etc., aber auch durch den Einsatz schwerer
Maschinen auf.
Stoffeintrag
Schadstoffeinträge haben in erster Linie Beeinträchtigungen der Puffer- und
Filterfunktionen zur Folge. Die Stoffeinträge können entweder bau- oder betriebsbedingt verursacht werden. Stoffeinträge sind insbesondere bei Verkehrsvorhaben
und bei stark emittierenden Industrie- und Energieanlagen relevant.
Grundwasserstandsänderungen
Mit Grundwasserstandsänderungen können Änderungen der Standort- und
Bodeneigenschaften verbunden sein. Insbesondere die Lebensraumfunktion für
Pflanzen und die Funktion des Bodens im Wasserhaushalt können beeinträchtigt
werden.
Grundsätzlich müssen bei der Umweltprüfung Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Schutzgütern der
Umwelt berücksichtigt werden, da sie das Wirkungs- und
Prozessgefüge der Umwelt in ihrer Gesamtheit charakterisieren (Tab. 6). Bei der Auswirkungsprognose im Schutzgut
Boden sind nicht nur die Wirkfaktoren zu betrachten, die
wie der Bodenabtrag und die Bodenversiegelung direkt auf
22
sehr hoch
mittel bis hoch entsprechend Auffüllungsmächtigkeit und
Materialeigenschaften
sehr hoch bei Eintrag von
technogenen Substraten
hoch bis mittel je
nach Art der Beimengung
hoch bis mittel je
nach Beanspruchung
mittel
hoch bis mittel
den Boden wirken, sondern auch Folgewirkungen, die sich
aus Änderungen in anderen Schutzgütern ergeben (LABO,
2009). Ein Beispiel hierfür ist z. B. die Änderung des Grundwasserhaushaltes durch den Bau einer Tiefgarage, der sich
auf die Zusammensetzung und die Eigenschaften der Böden
sowie deren Funktionserfüllung auswirken kann.
Tab. 6: Wechselwirkungen zwischen dem Boden und anderen Schutzgütern (Auswahl)
(LABO, 2006; LAZAR & SCHIPPERS, 2008)
Wirkungen des Schutzgutes
auf den Boden
Schutzgut
Wirkungen des Bodens
auf das Schutzgut
Mensch
Erholungsnutzung kann Erosion und Verdichtung
bewirken (z. B. Tritt, Fahrspuren)
Schadstoffbelastung des Bodens wirkt auf die
menschliche Gesundheit
Tiere/ Pflanzen
Vegetation bewirkt Erosionsschutz, Vegetation
beeinflusst Entstehung und Zusammensetzung
des Bodens (z. B. Streu, Nährstoffentzug), Tiere
beeinflussen Entstehung und Zusammensetzung des
Bodens (z. B. Düngung, Tritt, Streuabbau)
Boden ist Lebensraum für Bodenorganismen, Boden
(u. a. Nährstoffgehalt, Wasserhaushalt) bestimmt die
Vegetation, Schadstoffquellen für Pflanzen
Wasser
Oberflächenabfluss bewirkt Erosion, Beeinflussung
der Entstehung, der Eigenschaften und der Zusammensetzung des Bodens, Eintrag von Schadstoffen
Filterung von Schadstoffen, Wasserspeicher,
Pufferung von Säuren, Stoffeintrag in das Wasser
(Schadstoffe, Trübstoffe)
Klima/Luft
Beeinflussung der Entstehung und der Zusammensetzung des Bodens durch das Klima bzw. Klimaveränderungen, Beeinflussung der Erosionsgefährdung
Beeinflussung des lokalen Klimas und der Luftzusammensetzung durch den Boden und seine Eigenschaften (z. B. Staubbildung, Kühlung)
Landschaft
Landschaftsfaktoren (z. B. Geländeneigung) bestimmen Erosionsgefährdung
Erosionsneigung des Bodens beeinflusst langfristige
Landschaftsveränderung
Kultur- und
Sachgüter
Bodenabbau oder Bodenveränderung durch Erstellung von Sachgütern (z. B. Gebäude) bzw. durch
Nutzung von Sachgütern (z. B. Bodenschätze)
Böden als Archiv der Kulturgeschichte
Böden als Träger von Sachgütern (Gebäude, Infrastruktureinrichtungen, Landnutzungsformen)
4.2 Bilanzierung des Eingriffs und
Ermittlung des Ausgleichsbedarfs
(Punktwertverfahren)
ders schutzwürdige Böden, die eine hohe Naturbelassenheit
(Tab. 4) aufweisen, werden mit der höchsten Punktzahl
bewertet (Tab. 7).
Die Vergabe von Werteinheiten (WE) erlaubt eine qualitative
Für die Bewertung des Schutzgutes Boden wurde eine sechs- Bewertung der Bodenfunktionen im Ist-Zustand und Planstufige Bewertungsmatrix entwickelt, bei der die Schutzwür- Zustand. Die Tabelle dient hierbei sowohl zur Ermittlung der
Eingriffsintensität als auch des erforderlichen Ausgleichs.
digkeit mit der Naturbelassenheit kombiniert wird. Beson-
Tab. 7: Bewertungsmatrix zur Berücksichtigung des Schutzgutes Boden (Angaben in Werteinheit (WE))
Naturbelassenheit
Schutzwürdigkeit
natürliche Böden unterschiedlicher
Nutzungsintensität
N10
N9
N8
N7
anthropogen veränderte Böden
N6
N(A)5
N(A)4
N(A)3
N(A)2
N(A)1
mittel
gering
sehr
gering
keine
negativ
2
1
0,5
besonders hoch
sehr hoch
hoch
Stufe 5
6
5,5
5
Stufe 4
5
4,5
4
Stufe 3
4
3,5
3
Stufe 1 – 2
3
2,5
2
0
23
Die Berechnung mittels Punktwertverfahren erfolgt nach
dem Grundprinzip, dass die auf jeder Fläche ermittelten
Werteinheit (WE) mit der Fläche in Hektar (ha) zu multipli-
zieren sind. Die Gesamtbilanz eines Vorhabens errechnet
sich demnach:
Eingriffserheblichkeit [WE x ha] =
(Fläche [ha] x WE im Plan-Zustand) – (Fläche [ha] x WE im Ist-Zustand)
Sollten in dem Plangebiet Prüf- oder Maßnahmenwertüberschreitungen vorliegen, kann in Abhängigkeit von der Höhe
der Belastungen je nach Planverfahren eine Abwertung vorgenommen werden. Der Grad der Abwertung ist individuell
abzuleiten und zu begründen (s. Beispiel Kap. 3.5).
der Beeinträchtigungen der Bodenfunktionen als Folge
der Planungsabsichten dargelegt werden. Vorteil dieser
Methode ist, dass sowohl Bodenfunktionsverluste aber
auch Bodenfunktionsgewinne ausgedrückt werden
können.
Mit dieser Bilanzierung der Eingriffserheblichkeit kann
übersichtlich und einfach nachvollziehbar das Ausmaß
Die Ermittlung des Ausgleichs durch Aufwertung von
entsprechenden Flächen erfolgt nach der Formel:
Ausgleich durch Aufwertung [WE x ha] =
(Fläche [ha] x WE nach Aufwertung der Ausgleichsfläche) + ggf. Bonuspunktwert5
– (Fläche [ha] x WE vor Aufwertung der Ausgleichsfläche)
Ergänzende Bonuspunkte für hervorzuhebende Aufwertungsmaßnahmen können einbezogen werden. Der Ausgleich der beeinträchtigten Bodenfunktionen ist erfolgt,
5) s. Kap. 4.2.1 Fallbeispiel
24
wenn die Höhe der Eingriffserheblichkeit und der erfolgte
Ausgleich (i.d.R. extern) wertgleich sind.
4.2.1 Fallbeispiel
An dem folgenden Planungsbeispiel soll eine Eingriffsbewertung rechnerisch dargestellt werden.
Das Plangebiet umfasst ca. 9 ha schutzwürdige Böden zu
fast gleichen Anteilen mit den Schutzwürdigkeitsklassen
„Naturhaushaushalt Stufe 4“ und „Biotopentwicklungspotential Stufe 5“. Die gesamte Fläche wird als intensiv
ackerbaulich genutzt in die Naturbelassenheitsstufe N 6
eingeordnet (vgl. Tab. 4).
Für die Planung wird angenommen, dass auf den Flächen
„Naturhaushalt 4“ und „Biotopentwicklungspotential 5“
eine Wohnbebauung geplant ist. Hier wird mit einer Versiegelungsrate von 50 % (Gebäude, Nebenanlagen, Straßen)
gerechnet. Auf der Fläche „Biotop 5“ soll eine kleine extensiv genutzte Grünfläche entstehen.
Tab. 8: Berechnung Ist-Zustand (gem. Tab. 4 und Tab. 7)
Schutzwürdigkeit
gem. Bodenfunktionskarte
Naturhaushalt 4
Biotop 5
Aktuelle
Nutzung
Naturbelassenheit
intensive
Ackernutzung
N6
Werteinheit (WE)
Fläche
in ha
Ist-Zustand
(WE x ha)
4
4
16
5
5
25
9
41
Summe
Tab. 9: Berechnung Plan-Zustand (gem. Tab. 4 und Tab. 7)
Schutzwürdigkeit
gem. Bodenfunktionskarte
Naturhaushalt 4
Biotop 5
Geplante
Nutzung
Naturbelassenheit
Werteinheit (WE)
Fläche
in ha
Ist-Zustand
(WE x ha)
Versiegelung
N(A)2
0
2
0
Hausgärten
N(A) 5
2
2
4
Versiegelung
N(A) 2
0
2
0
Hausgärten
N(A) 5
2
2
4
extensive
Grünfläche
N9
6
1
6
9
14
Summe
Die geplante extensive Grünfläche führt zu einer Aufwertung der Naturbelassenheit in Stufe 9, so dass innerhalb des
Plangebietes ein Teil des Ausgleichs möglich ist.
Tab. 10: Berechnung der Eingriffserheblichkeit (PlanZustand minus IstZustand)
Ist-Zustand (WE ha)
Natur 4/
Ackernutzung
Biotop 5/
Ackernutzung
Summe
Plan-Zustand (WE ha)
16
25
Versiegelung
0
Gärten
4
Versiegelung
0
Gärten
4
extensive Grünfläche
6
41
Δ Plan-Zustand – Ist-Zustand
14 WE ha – 41 WE ha
=
– 27 WE ha
14
An diesem Beispiel wird ersichtlich, dass ein Verlust
von 27 WE ha entsteht, der ausgeglichen werden muss.
25
Das folgende Beispiel zeigt, wie hoch der Flächenbedarf ist,
um den bei der Eingriffsbewertung errechneten Verlust von
27 WE ha auszugleichen.
Tab. 11: Beispiele für eine Ausgleichsberechnung
Beispiel 1: Umwandlung eines Ackerstandortes in Dauergrünland
Δ Plan-Zustand –
Ist-Zustand
Aufwertungspotential
Berechnung
Ausgleichsbedarf
27 WE ha
1 WE
Umwandlung eines intensiv genutzten Ackers
in extensiv genutztes Dauergrünland
27 WE ha / 1 WE
27 ha
Berechnung
Ausgleichsbedarf
27 WE ha / 0,75 WE
36 ha
Beispiel 2: Extensivierung eines Ackerstandortes
Δ Plan-Zustand –
Ist-Zustand
27 WE ha
Aufwertungspotential
0,5 WE
Extensivierung eines
intensiv genutzten
Ackerstandortes
Anhand dieses Beispiels kann aufgezeigt werden, dass bei
einem Aufwertungspotential von 1 WE sich ein Flächenbedarf von 27 ha (1:1 Ausgleich) ergibt. Bei einem Aufwertungspotential von 0,75 WE erhöht sich der Flächenbedarf
auf 36 ha.
26
+ Bonuspunkt
von 0,25 WE
zusätzliche
Förderung der
Agrobiodiversität
4.3 Vermeidung und Verringerung
nachteiliger Beeinträchtigungen
Primärer Anspruch der Eingriffsregelung ist es, Beeinträchtigungen der Bodenfunktionen im Plangebiet zu vermeiden
oder zumindest so gering wie möglich zu halten.
Neben der Lenkung der Flächeninanspruchnahme auf Böden
mit geringerem Funktionserfüllungsgrad bestehen im
Rahmen der Planung weitere Möglichkeiten zur Umsetzung
bodenspezifischer Vermeidungs- und Minderungsmaßnahmen.
Maßnahmen und Vorkehrungen zur Vermeidung und
Minderung tragen dazu bei, den Ausgleichsbedarf, der mit
erheblichen Kosten verbunden sein kann, gering zu halten.
Sind derartige Beeinträchtigungen unvermeidbar, muss mit
umfangreichen und aufwändigen Ausgleichsmaßnahmen
gerechnet werden. Neben planerischen Festsetzungen im
Bebauungsplan können weitere Maßnahmen zum flächensparenden Bauen und bauzeitliche Minderungsmaßnahmen
vor und während der Bauphase Beachtung finden.
Festsetzungen im Bebauungsplan gem. § 9 BauGB
n § 9 (1) Nr. 1-3 BauGB: Steuerung des Flächenverbrauchs
und des Versiegelungsgrades über die Art und das Maß
der baulichen Nutzung, die Festlegung der überbaubaren
Grundstücksflächen (GRZ) und über die Höchstmaße der
Baugrundstücke.
n § 9 (1) Nr. 10 BauGB: Bestimmung von Flächen, die von
der Bebauung aus städtebaulichen Gründen freizuhalten
sind.
n § 9 (1) Nr. 20 BauGB: Festsetzung von Flächen zum
Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur
und Landschaft auf Böden mit einem hohem Funktionserfüllungsgrad
Durch folgende Maßnahmen kann ebenfalls flächensparend gebaut bzw. können zusätzliche Versiegelungsanteile reduziert werden (BVB, 2001; LABO, 2006):
Beispiele:
n Abkehr von flächenintensiven Haustypen
n Ausweisung von Baufenstern
n Anpassung an das Relief zur Minimierung von Erdmassenbewegungen
n Minimierung von Erschließungsflächen durch Konzentration der Stellplätze oder durch Tiefgaragenbau
n Reduzierung des Ausbaugrades von Erschließungsstraßen (z. B. Verzicht auf Befestigung von Rand- und
Nebenflächen)
n Optimierung durch straßennahe Lage von Garagen
und baulichen Nebenanlagen
n
n
n
Verwendung wasserdurchlässiger Beläge
grenzständige Bebauung oder einseitige Unterschreitung
von Mindestabständen
Festsetzung einer für verdichtete Bauweisen ausreichend
hohen Grundflächen- (GRZ) oder Geschossflächenzahl (GFZ)
Bauzeitliche Minderungsmaßnahmen (BVB, 2003; LABO,
2006):
Auch während der Planungs- und Umsetzungsphase (Bauphase) können Maßnahmen zur Verminderung von
Flächeninanspruchnahmen sowie Maßnahmen zur Vermeidung von weiteren Bodenbeeinträchtigungen ergriffen
werden.
Beispiele:
n Weitgehende Verwendung von Bodenaushub vor Ort
n Minimierung von Massenbewegungen
n Fachgerechte Abtragung von Ober- und Unterboden
n Fachgerechte und getrennte Zwischenlagerung und Wiedereinbau von Ober- und Unterböden
n Möglichst kurze und platzsparende Lagerung der Bodenmaterialien
n Nach Möglichkeit Zwischenlagerung von Böden auf
bereits funktionsgestörten Böden
n Bodenpflege während der Lagerung durch Begrünung
(z. B. tiefwurzelnde Luzerne-Kleegrasmischung)
n Erhaltung des Mutterbodens in nutzbarem Zustand und
dessen Schutz vor Vernichtung und Vergeudung
(§ 202 BauGB)
n Vermeidung der Verdichtung des Bodens durch eine
bodenschonende Bearbeitung (u.a. Reduzierung der
Radlasten)
n Beschränkung der Bautätigkeiten auf Zeiten trockener
Witterung und geringer Bodenfeuchte
n Kurze Erschließungswege, Errichtung bodenschonender
Baustraßen (z. B. Baggermatratzen auf Oberboden)
n Errichtung von Bauzäunen, um schutzwürdige Böden zu
schützen, ggf. Ausweisung von „Tabuflächen“
n Deklaration und Herkunftsnachweis von neu aufzubringendem Material
n Ordnungsgemäße Entsorgung von Abfällen
Diese Minderungsmaßnahmen können während der Bauphase nicht Gegenstand planerischer Festsetzungen sein,
sie können aber über städtebauliche Verträge vereinbart
werden, z. B. durch die Verankerung einer bodenkundlichen
Baubegleitung (ein Sachverständigenbüro übernimmt die
Planung, Kontrolle und Dokumentation von Maßnahmen
zum Schutz des Bodens auf den Baustellen) (LANUV, 2009;
BVB, 2012).
27
5. Konzeptionierung
geeigneter bodenbezogener Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen
Sollte sich im Rahmen der planungsrechtlich erforderlichen
Abwägung herausstellen, dass Eingriffe in Böden unvermeidbar sind, so ist hierfür ein Ausgleich erforderlich und
planerisch vorzubereiten (§ 1a Abs. 3 BauGB).
Ausgleich bedeutet, dass nach Durchführung der Maßnahmen zum Ausgleich in der Gesamtbetrachtung keine
oder zumindest keine erheblichen Beeinträchtigungen des
Schutzgutes Boden und seiner Funktionen mehr verbleiben.
Für den Ausgleich von Eingriffen in das Schutzgut Boden
kommen in erster Linie bodenfunktionsbezogene Maßnahmen in Frage, die die Funktionen des Bodens stärken bzw.
den Wiederaufbau und eine Weiterentwicklung des Bodens
initiieren. Für einen funktionalen Ausgleich sollten Maßnahmen vorrangig auf Böden durchgeführt werden, die ähnliche
Standorteigenschaften wie die Böden am Eingriffsort
aufweisen. Der Erfüllungsgrad der betroffenen Bodenfunktionen6 muss sich dadurch erhöhen.
„Wiederherstellungsmöglichkeiten von Bodenfunktionen
im Rahmen der Eingriffsregelung“ zu entnehmen (BOSCH &
PARTNER und WOLF, 2000).
Rückbau von Bodenversiegelungen (Entsiegelung)
Eine wirksame Möglichkeit, die zu einer Wiederherstellung
von Bodenfunktionen führt, ist die Entsiegelung. Entsiegelungs- und anschließende Rekultivierungsmaßnahmen sind
fachgerecht auszuführen. Die Mächtigkeit der aufzubringenden durchwurzelbaren Bodenschicht ist unter Berücksichtigung der Bodenfunktion festzulegen. Die Kosten für Entsiegelungsmaßnahmen sind i.d.R. sehr hoch. Um derartige
Entsiegelungen dennoch zu ermöglichen, kann ein Anreiz
über Bonuspunkte gegeben werden.
Maßnahmen zur Verbesserung der Bodenstruktur (Bodenlockerung/Tieflockerung)
Bodenverdichtungen können in Abhängigkeit vom Verdichtungsgrad und der Mächtigkeit der verdichteten Bodenschichten zu einem Totalverlust aller natürlichen Bodenfunktionen führen. Welche Bodenlockerungsmaßnahmen
Zudem ist im Einzelfall zu prüfen, ob und in welchem Umausgeführt werden können, ist im Einzelfall zu entscheiden.
fang multifunktionale Maßnahmen (z. B. Biotopschutz, s.
Tab. 12) auch zur Wiederherstellung oder Entwicklung beein- Neben der Lockerung durch Pflügen oder/und Fräsen inkl.
Bodenruhe können auch Ansaaten mit tiefwurzelnden Pflanträchtigter Bodenfunktionen beitragen (BOSCH & PARTNER
zen als gängige Methoden eingesetzt werden.
und WOLF, 2000; BVB, 2003).
Auf der Grundlage der Bodenfunktionskarten (Anlagen 1
und 2) wurden Suchräume für potentielle Kompensationsflächen abgeleitet und in einer gesonderten Karte (Anlage
3) dargestellt. Diese Karte hilft bei der Auswahl geeigneter
Ausgleichsflächen und -maßnahmen unter Berücksichtigung
funktionaler und räumlicher Zusammenhänge.
5.1 Beispiele für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen
Im Folgenden werden die geläufigsten Beispiele für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen vorgestellt (BVB, 2003;
LABO, 2006). Weitere Detailinformationen sind dem Heft
Wiedervernässungen auf ehemals grundwasser- oder
staunässegeprägten Standorten
Entwässerungen grund- oder staunässegeprägter Böden
führen meistens zu wesentlichen Veränderungen im Bodenprofil (z. B. Abbau von organischen Bodenbestandteilen
und Mineralisation) und der Bodeneigenschaften. Für die
Wiedervernässung, d. h. Rückbau von Entwässerungseinrichtungen (Drainagen), eignen sich nur ehemals grundwasser- oder staunässegeprägte Böden, die durch Eingriffe des
Menschen entwässert wurden.
Erosionsmindernde Maßnahmen (Erosion durch Wind
oder Wasser)
Erosionsmindernde Maßnahmen können durch Schutzpflanzungen (u.a. Hecken, Wald) vorgenommen werden. Weitere
nutzungsspezifische Maßnahmenvorschläge zur Reduzie-
6) Böden mit einem hohen Funktionserfüllungsgrad und einer hohen Naturbelassenheit können nicht mehr aufgewertet werden.
28
rung der Erosionsgefährdung für Acker und Grünland in
FELDWISCH et al. (2009).
Abtrag von Aufschüttungen und Verfüllungen
Hierbei ist von Bedeutung, dass die Wiederherstellung der
Bodenschichten und ihrer ursprünglichen Bodenfunktionen
möglich ist. Ob ggf. noch andere Maßnahmen wie Bodenlockerung und/oder Auftrag von bestimmten Bodenschichten
(z. B. Humus) notwendig sind, ist im Einzelfall zu entscheiden.
Auftrag von Oberboden
Durch diese Maßnahme können Erosionsschäden ausgeglichen oder Böden mit geringer bis mittlerer Funktionserfüllung verbessert werden. Auch hier ist die Mächtigkeit des
Oberbodenmaterials für den Funktionserfüllungsgrad des
Bodens von wesentlicher Bedeutung.
Produktionsintegrierte Maßnahmen
Unter produktionsintegrierten Maßnahmen versteht man
Ersatzmaßnahmen, die eine ökologische Verbesserung
bestehender landwirtschaftlicher Bodennutzungen zur Folge
haben. Dazu gehören z. B. Maßnahmen wie die Umwandlung
von Ackerstandorten in Grünland oder die Extensivierung
von Ackerstandorten.
Insbesondere die sehr ertragreichen Lössböden im Aachener
Stadtgebiet werden zumeist hoch intensiv bewirtschaftet,
sodass durch eine extensive Bewirtschaftung sehr gute Verbesserungsmöglichkeiten für den Boden- und Naturschutz
umsetzbar sind. Durch derartige Maßnahmen wird zudem
ein zusätzlicher Verlust von landwirtschaftlich genutzten
Flächen für Ausgleichsmaßnahmen vermieden.
Neben Maßnahmen der konservierenden Bodenbearbeitung,
die zu einer Verbesserung der natürlichen Bodenfunktionen führen, können auch Maßnahmen aus dem Bereich
des Arten- und Biotopschutzes in Betracht kommen. Diese
Maßnahmen werden unter dem Begriff „multifunktionaler
Ausgleich“ zusammengefasst (Tab. 12).
Für alle Ausgleichsmaßnahmen gilt, dass ihre Wirksamkeit
durch geeignete Kontrollmaßnahmen (Monitoring) sicherzustellen ist.
Tab. 12: Maßnahmen zur Nutzungsextensivierung und die dadurch erzielbaren Verbesserungen
für Böden und andere Schutzgüter (BVB, 2003; FELDWISCH, 2006)
Maßnahmen
Konservierende Bodenbearbeitung, d. h. Reduzierung oder
Verzicht auf Bodenbearbeitung,
Verzicht auf Düngung und
Pflanzenschutz, Anlage von
Brachstreifen
Verbesserung der Schutzgüter
Boden
Tiere und
Pflanzen
sonstige
Verbesserung der Bodenstruktur und damit der
Puffer- und Speicherfunktion
und des Wasserspeichervermögens; Förderung des
Bodenlebens; Reduzierung
von Bodenerosionen
Förderung
Biotopund Artenschutz
—
Umwandlung von Acker- in
extensive Grünlandstandorte
Anlage von Gewässerrandstreifen mit Ufergehölzen
naturnahe Erstaufforstungen
Landschaftsbild
Verbesserung der Bodenstruktur, Erhöhung der
Puffer- und Filterfunktion
und des Wasserspeichervermögens, Reduzierung von
Bodenerosionen
u.a. Lebensraumfunktion,
Biotopverbund
Landschaftsbild,
Erholungsnutzung,
Gewässerschutz
Landschaftsbild,
Erholungsnutzung,
Gewässerschutz,
lufthygienische Situation
29
6. Literatur
BOSCH & PARTNER und WOLF (2000): Wiederherstellungsmöglichkeiten von Bodenfunktionen im Rahmen der
Eingriffsregelung, Angewandte Landschaftsökologie Heft 31,
Bundesamt für Naturschutz, Bonn
BVB (2001): Bodenschutz in der Bauleitplanung. BVBMaterialien, Bd. 6, Berlin
BVB (2003): Bodenbezogene Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen in der Bauleitplanung – Vorschläge des Bundesverbandes Boden in: Rosenkranz et al. ( Hrsg.) Bodenschutz
Loseblattsammlung 7360, Berlin
BVB (2012): Bodenkundliche Baubegleitung – Ein Leitfaden
für die Praxis (in Vorbereitung)
ELES (2009): Einführungserlass zum Landschaftsgesetz für
Eingriffe durch Straßenbauvorhaben (ELES) in der Baulast
des Bundes oder des Landes NRW (9.4.2009)
FELDWISCH; N., FRIEDRICH; C., DÜNTGEN, J (2009): Erstellung von Bodenfunktionskarten für das Stadtgebiet Aachen
FELDWISCH, N. (2006): Bewertung produktionsintegrierter
Maßnahmen aus Sicht des Boden- und Gewässerschutzes – Vortrag auf der Tagung „Innovative Konzepte für
Landwirtschaft und Naturschutz bei der Eingriffsregelung“
9./10.5.2006 in Bonn
FELDWISCH, N., BALLA, S., FRIEDRICH, C. (2006): Orientierungsrahmen zur zusammenfassenden Bewertung von
Bodenfunktionen – Abschlußbericht zum LABO-Projekt 3.05
FREY-WEHRMANN, S., LAZAR, S., SCHIPPERS, B. (2010):
Bewertung des Schutzgutes Boden in einem Bebauungsplanverfahren – Beispiel Campus Melaten (Stadt Aachen) – in:
Zeitschrift Bodenschutz 3/10
HELBIG, H.; LÄGEL, F. (2011): Bodenfunktionsbewertung und
Eingriffsbilanzierung im Praxistest (Testanwendung der Bodenfunktionsbewertung des LAGB 1:50.000 in Kombination
mit drei Verfahren der Eingriffsbewertung für das Schutzgut
Boden (Biotopwertverfahren Sachsen-Anhalt, Verfahren
Frey-Wehrmann et al. und Verfahren Reichhoff) (Landesamt
für Geologie und Bergwesen Sachsen-Anhalt, unveröffentlicht)
30
HELBIG, H. (2012): Test in Sachsen-Anhalt: Bodenbezogene
Eingriffsbilanzierung der Stadt Aachen – Zeitschrift Bodenschutz 1/2012
LABO (2009): Bodenschutz in der Umweltprüfung nach
BauGB – Leitfaden für die Praxis der Bodenschutzbehörden
in der Bauleitplanung
LANUV (2009): Bodenschutz beim Bauen (www.lanuv.nrw.
de/bodenschutz-beim-bauen)
LANUV (2010): Berücksichtigung der Naturnähe von Böden
bei der Bewertung ihrer Schutzwürdigkeit (LANUV-Arbeitsblatt 15)
LAZAR, S.; SCHIPPERS, B. (2008): Anforderungen an die
Umweltprüfung/den Umweltbericht zum Bebauungsplan
Nr. 915 „Seffenter Weg/Melaten (Hochschulerweiterung)“
für das Schutzgut Boden
LAZAR, S.; URBANKE, D.; STELLMACHER, G. (2003): Digitale
Bodenbelastungskarte für den unbesiedelten Freiraum (Außenbereich) der Stadt Aachen
MUNLV (2007): Schutzwürdige Böden in Nordrhein-Westfalen – Bodenfunktionen bewerten
MUNLV/MBV (2010): Einführungserlass „Bodenschutz in der
Umweltprüfung nach BauGB“ – Aktenzeichen: MUNLV IV-4544-03 und MBV V.4-16.21 vom 31.5.2010
Anlagen
Anlage 1: Bodenfunktionskarte – Gesamtkarte mit Bodenfunktionen
und Schutzwürdigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
..........................................
33
.................................................
34
Anlage 2: Bodenfunktionskarte – Gesamtkarte Schutzwürdigkeit
Anlage 3: Suchräume für potentielle Kompensationsflächen
31
Anlage 1: Bodenfunktionskarte – Gesamtkarte mit Bodenfunktionen und Schutzwürdigkeiten
32
Anlage 2: Bodenfunktionskarte – Gesamtkarte nur Schutzwürdigkeiten (ohne Bodenfunktion)
33
Anlage 3: Suchräume für potentielle Kompensationsflächen
34
Bild Rückseite: Podsol über kreidezeitlichem Sand (Aachener Wald)
Podsole sind nährstoffarme tiefgründige und trockene Böden, die sich aus Sanden bilden.
Diese Extrembedingungen liefern gute Voraussetzungen für die Entwicklung von seltenen Lebens
gemeinschaften (Biotopentwicklungspotential). Zudem werden diese kreidezeitlichen Sandböden
aufgrund ihrer erdgeschichtlichen Entwicklung in NRW als wertvolles Archiv der Naturgeschichte
und daher als besonders schutzwürdig eingestuft.
Aachen
2012
Stadt Aachen
Der Oberbügermeister
Fachbereich Umwelt, FB 36
Reumontstraße 1, 52064 Aachen
Fon: 0241 432-3657, -3659
Fax: 0241 432-3699
umwelt@mail.aachen.de
www.aachen.de/umwelt