Daten
Kommune
Brühl
Größe
142 kB
Datum
05.03.2013
Erstellt
12.04.13, 18:43
Aktualisiert
12.04.13, 18:43
Stichworte
Inhalt der Datei
Brühl, den 12.04.2013
Stadt Brühl
Beschluss
aus der Sitzung des Ausschusses für Tiefbau und Abwasser der Stadt Brühl am
05.03.2013
Öffentliche Sitzung
2.
Künstliche Neuronale Netze – Vortrag –
67/2013
Abteilungsleiter Schulz gibt zunächst eine Einleitung in die Thematik am Beispiel der
biologischen Reinigungsstufe der Kläranlage. Der Ammoniumabbau erfolgt durch Denitrifikation und Nitrifikation unter anderem durch Lufteintrag mittels Gebläse. Die Messungen
erfolgen derzeit vor der Ammoniumbehandlung und im Ablauf der Kläranlage. Insbesondere in der kalten Jahreszeit reagiert die Gebläseregelung aufgrund der Messwerte im
Ablauf träge, so dass zu viel Luft eingeblasen wird und so zu viel Nitrat entsteht, welches
ebenfalls ein Schadstoff ist und dann nicht mehr optimal weiter abgebaut werden kann.
Hier kann durch den Einsatz von künstlichen neuronalen Netzen, die alle Messwerte der
Kläranlage berücksichtigen, eine Verringerung der Gebläselaufzeiten und die damit verbundene Energieeinsparung erreicht werden sowie der Ablaufwert für Stickstoffverbindungen reduziert werden. Trotz bereits erfolgter technischer Energieeinsparungen, musste im
Haushalt wieder eine Erhöhung der Energiekosten angemeldet werdend, die unter anderem durch gesetzliche Regelungen beim Energieeinspeisegesetz und bei der OffshoreUmlage verursacht ist. Bei einem jährlichen Verbrauch von 3,2 Mio. kWh verspricht man
sich beim Einsatz der künstlichen neuronalen Netzen eine deutliche Einsparung. Er betont, dass die Verarbeitung von nahezu 12 Mio. Datenpunkten täglich nicht von eigenem
Personal geleistet werden kann. Anschließend übergibt er das Wort an Herrn Heinhuis,
Geschäftsführer der Firma Globatech, Bocholt. Er beschreibt nach einer kurzen historischen Einführung detailliert die Wirkungsweise der künstlichen neuronalen Netze. Ziel ist
es die Abläufe auf der Kläranlage zu simulieren und anschließend mit möglichst wenig
Aufwand zu optimieren. Im Grunde handelt es sich um ein selbstlernendes Programm auf
einem Rechner. Zum Zeitpunkt der Projektierungen von Kläranlagen konnten heutige Bevölkerungsverschiebungen aber auch verschärfte Grenzwerte nicht berücksichtigt werden.
Gerade die gegebenenfalls strafbewehrte Überschreitung der Grenzwerte veranlasst verständlicherweise 95 % der Betriebsleiter auf „Nummer sicher“ zu gehen und mit hohem
Belüftungsaufwand den Ammoniumwert im Ablauf auf nahezu Null zu senken, welches
jedoch unwirtschaftlich ist. Hier können durch diese Technologie Energieeinsparungen
erreicht werden, die die Investition in ca. 3 Jahren amortisieren können. Bei dieser Kläranlage wird ein Einsparpotiential von 20 % als realistisch eingeschätzt. Das zentrale Problem
bei einer Regelungstechnik einer Kläranlage ist die lange Totzeit zwischen einer Änderung
eines Eingangswertes wie z. B. Ammonium und der Ablaufwertes, die zwischen 10-20
Stunden liegen kann. Der Regler beginnt zu schwingen, um den Grenzwert einzuhalten,
und eine Belüftung initiieren, die zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht erforderlich ist. Daher
muss regelungstechnisch eine Umgehung dieser Totzeit erreicht werden. Dies soll durch
eine Prozesssimulation erfolgen, der ein mathematisches Modell zugrund liegt. Die technischen Abläufe werden in mathematische Formeln abgebildet, in die alle relevanten Parameter einfließen und Ursachen mit Wirkungen verknüpfen. Das neuronale Netz wird
ständig mit Daten versorgt und speichert dabei immer mehr Betriebszustände und kann
Beschluss Ausschuss für Tiefbau und Abwasser 05.03.2013
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so auch durch einen Fahrassistenten automatisiert Vorschläge zu Regelung gemacht
werden. Ratsherr Dr. Petran (SPD) fragt, ob das System alle Daten der Brühler Kläranlage aufnimmt oder auf einer Modell-Kläranlage basiert. Herr Heinhuis antwortet, dass jede
Anlage anders läuft und zunächst eine Analyse aller hiesigen Kläranlagendaten erfolgt
und durch ständige parallele Datenauswertung das Modell erstellt wird. Ratsherr Fischer
(CDU) fragt, wie lange es dauert, bis die Kläranlage optimiert ist und ob mit den bisherigen
Aggregaten weiter gearbeitet werden kann. Weiter möchte er wissen, was passiert, wenn
die Datenlage veraltet ist. Herr Heinhuis erläutert, dass dies von der Anzahl der vorhandenen Daten abhängt. Wenn viele Daten und damit viele Betriebszustände bekannt sind,
kann das Modell schneller und genauer erstellt werden. Das System lernt auch im weiteren Betrieb immer weitere Zustände kennen. Das System arbeitet und lernt nur mit den
vorhandenen Aggregaten. Es wird auch nicht auf das Prozessleitsystem aufgeschaltet.
Eine Nachkalibrierung des Systems ist in der Regel nur einmal jährlich erforderlich und
erfolgt in wenigen Stunden automatisch. Es ist auch möglich Betriebspersonal zu schulen,
so dass die Kalibrierung ohne externen Einsatz möglich ist. Abteilungsleiter Schulz ergänzt, dass eine Aufschaltung auf das Prozessleitsystem ausdrücklich nicht erwünscht ist.
Das neuronale Netz soll parallel dazu laufen und Daten verarbeiten. Herr Heinhuis ergänzt, dass nicht ins Prozessleitsystem eingegriffen wird, sondern das neuronale Netz nur
Vorschläge macht. Anschließend führt er im Rahmen der Präsentation eine Simulation
vor. Ratsherr Hepp (CDU) fragt, ob sich die Regler selbstständig einstellen und was auf
der Kläranlage geändert werden müsste. Herr Heinhuis stellt noch mal klar, dass nur Regelungsvorschläge gemacht werden und keinerlei Umbauten auf der Anlage erforderlich
sind. Es wird nur die vorhandene Regelung optimiert. Bei einem Ausfall des Systems würde das Prozessleitsystem normal weiter laufen, wird aber nicht mehr überwacht bzw. optimiert. Vorsitzender Pitz (FDP) fragt, wie sich das System bei nicht gemessenen Belastungen oder undokumentierten Eingriffen verhält. Herr Heinhuis erklärt, dass das System
zunächst eine unbekannte Betriebssituation erkennt und ein Alarmsignal ausgibt, so dass
das System auch ein Frühwarnsystem darstellt und man dadurch einen Informationsvorsprung hat. Auch für noch nicht bekannte Betriebssituationen wird das System innerhalb
vorgegebener Schranken arbeiten, wenn auch nicht optimiert. Ratherr Fischer (CDU)
fragt, ob nicht schon am Einlauf eingegriffen werden könnte. Herr Heinhuis verneint dies.
Dafür müsste die Stadt Brühl über eine Kanalnetzbewirtschaftung verfügen, die bereits
Messwerte aus dem Kanalnetz an die Kläranlage überträgt. Anschließend erläutert Herr
Heinhuis die Funktion des Fahrassistenten, der dem Betriebspersonal die Möglichkeit
gibt, die Vorschläge des Systems automatisch zusammenzufassen und auszuführen. Die
Vorschläge müssen jedoch immer vom Personal quittiert werden. Beigeordneter Schiffer
möchte wissen, inwiefern manuelle Regelungen durch Automatisierte ersetzt werden.
Vorerst sollen keine Automatisierungen erfolgen, erläutert Herr Heinhuis; die Entscheidung ob und wie geregelt wird, soll beim Betriebspersonal verbleiben. Ratsherr Dr. Petran (SPD) fragt ob sowohl automatisiert ermittelte als auch im Labor ermittelte Daten ins
System einfließen. Herr Heinhuis bestätigt dies, wobei die Laborwerte auch noch auf
Plausibilität geprüft werden. Sachkundiger Bürger Weidenbach (CDU) fragt, ob die
90kW-Motoren, die ein Hauptenenergieverbraucher sind, mit diesem System auch mit
kleinerer Leistung gefahren werden können. Abteilungsleiter Schulz verneint dies anlagenbedingt, die Einschaltzeiten verringern sich jedoch. Er führt weiter aus, dass ein weiteres Einsparpotential die Verringerung der Abwasserabgabe, wenn man durch die Regelungsoptimierung einen niedrigeren Grenzwert erklären kann. Dann könnten sogar die
Investitionen in die neuronalen Netze von der Abwasserabgabe verrechnet werden Ebenso kann eine Reduzierung des Einsatzes von Betriebsmitteln erreicht werden.
Beschluss:
Beschluss Ausschuss für Tiefbau und Abwasser 05.03.2013
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Der Ausschuss für Tiefbau und Abwasser nimmt den Bericht zur Kenntnis.
Abstimmungsergebnis:
- einstimmig -
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