Daten
Kommune
Erftstadt
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Erstellt
24.09.10, 06:31
Aktualisiert
27.09.10, 13:41
Stichworte
Inhalt der Datei
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Stadtverwaltung ⋅ Postfach 2565 ⋅ 50359 Erftstadt
Stadtverwaltung ⋅ Holzdamm 10 ⋅ 50374 Erftstadt
An die Mitglieder des Rates der Stadt Erftstadt
Nachrichtlich an die Presse
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Ansprechpartner/-in
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Datum
15.7.2010
Sehr geehrte Damen und Herren Stadtverordnete!
Hiermit mache ich von meinem Recht gem. § 54 Abs. 2 GO NRW Gebrauch und
beanstande den Beschluss des Rates vom 6.7.2010 über die Unzulässigkeit des
Bürgerbegehrens zum Erhalt der städtischen Bäder.
Nach meiner Auffassung verletzt der Beschluss des Rates das geltende Recht.
Rechtsgrundlage
Nach § 54 Abs. 2 GO hat der Bürgermeister den Beschluss des Rates zu
beanstanden, wenn dieser das geltende Recht verletzt. Die Beanstandung hat
aufschiebende Wirkung. Sie ist schriftlich in Form einer begründeten Darlegung dem
Rat mitzuteilen. Verbleibt der Rat bei seinem Beschluss, so hat der Bürgermeister
unverzüglich die Entscheidung der Aufsichtsbehörde einzuholen. Die aufschiebende
Wirkung bleibt bestehen.
Begründung meiner Beanstandung
Die Mehrheit des Rates hat das Bürgerbegehren für unzulässig erklärt.
Nachfolgend setze ich mich mit den Begründungen zur von der Mehrheit vertretenen
Auffassung der Unzulässigkeit im Einzelnen wie folgt auseinander:
1. Nach Meinung der Ratsmehrheit ist das Bürgerbegehren unzulässig, da
tragende Argumente seiner Begründung unrichtig sind. In der Begründung des
Bürgerbegehrens heißt es: „Dieser Beschluss führt u.a. dazu, dass die
Grundschulen ihren Lehrauftrag, allen Schülern das Schwimmen beizubringen,
nicht mehr erfüllen können. Diese tragende Behauptung des Bürgerbegehrens
ist falsch. So heißt es in dem erstellten Bädergutachten, auf dem die damalige
Entscheidung des Rates basierte, dass bei Aufgabe der Standorte Bliesheim,
Kierdorf und Erp das Schulschwimmen im bisherigen Umfang gesichert ist.
Besuchszeiten:
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von 08.00-12.00 Uhr
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Beanstandung BM 7-2010.doc
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Hingewiesen wird von der Mehrheit des Rates auch auf die Beantwortung der
Anfrage der Stadtverordneten Dagmar Andres vom 6.4.2010. Es wird weiter
dargelegt, dass es vielen Unterzeichnern gerade darauf angekommen sei, dass
der Lehrauftrag, den Kindern das Schwimmen beizubringen, weiterhin erfüllt
werden kann. Dass dies auch weiterhin problemlos möglich ist, wurde den
Bürgern in der Begründung des Bürgerbegehrens verschwiegen“.
Ich halte diese Bewertung der Ratsmehrheit für falsch. Die Frage, ob ein
Lehrauftrag erfüllt wird oder nicht, richtet sich nicht ausschließlich nach den
formalen zugrundeliegenden Richtlinien. Es handelt sich vielmehr auch und
gerade um eine politische Bewertung, in welchem Umfang diesem Lehrauftrag
entsprochen wird. Tatsache ist, dass im Falle der Schließung von drei Bädern
die verfügbaren Stunden für den Schulschwimmsport objektiv eingeschränkt
sind. Dies gilt umso mehr, als die Verteilung der noch verfügbaren
Schwimmstunden zwischen Schulen und Vereinen sowie anderen
Einrichtungen deutlich erschwert wird. Im Übrigen ist bis zum heutigen Tage
eine konkrete Regelung der verteilbaren Schulschwimmzeiten nicht
vorgenommen.
Die Aussage, dass der Lehrauftrag nicht mehr erfüllt werden kann, ist politisch
zu verstehen, nicht im Sinne einer Subsumtion unter die vorhandenen
Richtlinien.
Eine solche Begründung durch die Träger eines Bürgerbegehrens ist zulässig.
Weiterhin ist die im Bürgerbegehren zum Ausdruck gebrachte Begründung,
dass viele Übungsstunden von Vereinen ersatzlos gestrichen werden müssen,
in der Sache denklogisch richtig. Wenn drei Bäder geschlossen werden,
reduziert sich in entsprechender Form die Nutzungsmöglichkeit.
2. Die Mehrheit des Rates leitet die Unzulässigkeit des Begehrens weiterhin wie
folgt ab:
„Da sich das Bürgerbegehren gegen einen Ratsbeschluss wendet, der
aufgrund der katastrophalen Haushaltslage ergangen ist, hätten in der
Begründung auch die finanziellen Motive erwähnt werden müssen, von denen
sich der Rat von seiner Entscheidung hat leiten lassen, damit Unterzeichner
des Bürgerbegehrens in die Lage versetzt werden, eine abgewogene und
verantwortungsbewusste Entscheidung zu treffen. Ein solcher Hinweis fehlt
dem Bürgerbegehren“.
Richtig ist, dass jedem Begehren ein Kostendeckungsvorschlag beizufügen ist.
Nach meiner Meinung hat sich das hier fragliche Bürgerbegehren damit in
ausreichender Weise befasst. Zunächst wird darauf hingewiesen, dass das
Freibad Kierdorf kostensparend auf die Initiative in Kierdorf übertragen werden
kann. Das ohne Frage sanierungsbedürftige Schwimmbad in Bliesheim wird
mit einem Darlehen saniert, so die Betreiber des Bürgerbegehrens, der
Zinsaufwand wird aus den ersparten Betriebskosten bedient. Verbleibende
Aufwendungen werden finanziert aus der Wiederanpassung der
Gewerbesteuer auf den im Jahr 2008 geltenden Satz von 440 Prozentpunkten.
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Damit setzt sich das Bürgerbegehren differenziert mit der notwendigen
Kostendeckung auseinander.
Der Rat der Stadt Erftstadt ist im Falle eines positiven Bürgerentscheides nicht
gebunden, die Kostendeckungsvorschläge des Bürgerbegehrens zu
akzeptieren.
Es ist dem Rat unbenommen, auch durch Umschichtungen eine alternative
Finanzierung vorzunehmen.
So ist es beispielsweise vorstellbar, dass das Freibad Kierdorf auf die FreibadInitiative übertragen wird und dafür ein geringer oder gar kein Zuschuss
gewährt wird.
Die Frage, ob ein Darlehen für die Sanierung des Lehrschwimmbeckens in
Bliesheim kommunal-aufsichtsrechtlich genehmigt wird oder nicht, muss
zunächst entschieden werden, ehe sie zur Unzulässigkeit eines
Bürgerbegehrens herangezogen werden kann.
Zu einem solchen Antrag auf Genehmigung eines Darlehens kann es erst
kommen, wenn positiv über das Bürgerbegehren entschieden wird.
Die Vorwegnahme einer vermuteten Verweigerung der Darlehensaufnahme
durch die Kommunalaufsicht ist unzulässig. Dadurch wird die Durchsetzung
des Bürgerwillens im Wege des Bürgerbegehrens/Bürgerentscheids
unzumutbar erschwert.
Im Übrigen ist das erwartete Verhalten der Kommunalaufsicht spekulativ.
Der Rückgriff auf erhöhte Gewerbesteuern ist grundsätzlich als
Kostendeckungsvorschlag zulässig. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn
sich eine Gemeinde im Nothaushalt befindet. Nur eine Gesamtschau der
Einnahmen und Ausgaben, die zum Beispiel auch ermöglicht, die
Gewerbesteuermehreinnahmen ausschließlich zur Schuldendeckung zu
verwenden, andere freiwillige Aufgaben der Stadt Erftstadt aber einzustellen
oder einzuschränken, ist vorstellbar.
Insoweit ist der Rat in seiner Entscheidung frei.
An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass nach einer Mitteilung des
Kämmerers im Rat mit zusätzlichen Einnahmen aus der Gewerbesteuer der
Vergangenheit als Folge einer Betriebsprüfung in Höhe von mehr als 2 Mio.
Euro zu rechnen ist.
Das Geld ist im Übrigen zwischenzeitlich eingegangen.
3. Die Entscheidung der Ratsmehrheit über die Unzulässigkeit würde im Ergebnis
bedeuten, dass die Instrumente von Bürgerbegehren und Bürgerentscheid
wirkungslos werden, wenn in der betroffenen Gemeinde ein Nothaushalt
besteht.
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Damit würde ein wichtiges Instrument des Gemeindeverfassungsrechts
praktisch außer Kraft gesetzt.
Im Zielkonflikt zwischen den Anforderungen aus einem Nothaushalt und der
Durchsetzung eines Bürgerbegehrens dürfen die Anforderungen an die
Zulässigkeit nicht überspitzt werden. Dies würde im Ergebnis dazu führen,
dass der vom Gesetzgeber mit hoher Wertschätzung versehene Ausdruck des
Bürgerwillens über die Mittel von Bürgerbegehren und Bürgerentscheid
praktisch außer Kraft gesetzt würde.
Auch in Gemeinden mit Nothaushalt müssen Bürgerbegehren und
Bürgerentscheid zulässig sein.
Entscheidungsspielraum des Rates
Unter der Voraussetzung der Zulässigkeit ist der Rat keineswegs verpflichtet, sich in
der Frage der Finanzierung des Bürgerbegehrens in einen zwingenden Widerspruch
zur Gemeindeordnung zu setzen. So sind Einsparungen an anderer Stelle und damit
die Verwendung der Steuermehreinnahmen zum Schuldenabbau z.B. in folgenden
Bereichen möglich:
- Verringerung der Anzahl der Ausschüsse,
- Verkleinerung der Ausschüsse,
- Reduzierung der Zuschüsse an Dritte,
- Reduzierung der Betriebskosten an Dritte,
- Reduzierung der Zuwendungen für Jubiläen und Geburtstage.
Eine Vielzahl anderer Umschichtungen steht im Übrigen zur Verfügung.
Bei der Entscheidung der Rechtsfrage kann auch nicht unbeachtet bleiben, dass
vorliegend ein durchaus großer Anteil der Bürger der Stadt Erftstadt eine
Entscheidung durch einen Bürgerentscheid wünscht.
Hierzu wird verwiesen auf die Anlage zur Vorlage 340/2010.
Daraus ergibt sich, dass über 7.000 Bürgerinnen und Bürger sich dem
Bürgerbegehren angeschlossen haben und einen Bürgerentscheid wünschen. Dabei
kann letztlich dahingestellt bleiben, ob alle Unterschriften im Sinne des Gesetzes
ordnungsgemäß geleistet worden sind. Jedenfalls ist diese Zahl eine bemerkenswerte
Bekundung des Bürgerwillens.
Der Gesetzgeber hat z.B. durch § 26 Abs. 2 GO NRW und die darin festgeschriebene
Verpflichtung des Bürgermeisters zur Unterstützung bei der Einleitung eines
Bürgerentscheides zu erkennen gegeben, dass ihm der Einbau plebiszitärer
Elemente in die Gemeindeordnung wichtig ist.
Dr. Franz-Georg Rips
Bürgermeister