Daten
Kommune
Brühl
Größe
147 kB
Datum
20.02.2017
Erstellt
28.11.12, 19:08
Aktualisiert
27.07.18, 18:26
Stichworte
Inhalt der Datei
Stadt Brühl
öffentliche
Vorlage
Der Bürgermeister
Dienststelle
Sachbearbeiter/in
Aktenzeichen
Datum
Vorlagen-Nr.
DEZ II
Freytag
20 20 05 Br.
26.11.2012
194/2012
Betreff
Bürgerhaushalt
Beratungsfolge
Hauptausschuss
Rat
Finanzielle Auswirkungen
X Ja
Nein
Mittel stehen zur Verfügung bei SK / KST
Mittel stehen nicht zur Verfügung
Über-/außerplanmäßige Aufwendungen/Auszahlungen
Sachkonto / Kostenstelle
BGM
Zust. Dez.
Kreuzberg
Freytag
Zust. Dienststelle
Kämmerer
RPA
Beschlussentwurf:
Der HA nimmt den Bericht des Bürgermeisters zur Kenntnis.
Erläuterungen:
Der Ursprungsgedanke des Bürgerhaushaltes geht auf Entwicklungen in zwei Städten zurück.
In der brasilianischen 1,3 Mio. Einwohner zählenden Stadt Porto Alegre werden die Bürgerinnen
und Bürger seit 1989 an Haushaltsplanverfahren beteiligt. Hier geht’s insbesondere um die
Verteilung der Investitionsmittel der Kommune. Nachdem die Projekte von Bürgerinnen und
Bürgern priorisiert worden sind, erteilt ein von den „Bürgern gewählter Rat für das
Haushaltsverfahren“ die Zustimmung zu dem Haushaltsentwurf. Damit wird Entscheidungsmacht
von gewählten Vertretungsgremien der Kommune auf die Bürgerschaft abgegeben und geht damit
über rein konsultative Verfahren hinaus. Die Beteiligung begann mit einer Zahl von weniger als
1.000 Personen im Jahr 1990 und steigerte sich auf über 17.000 Teilnehmer im Jahr 2002.
Bezogen auf die Gesamtbevölkerung Porto Alegres wurden jedoch nur 1 bis 2 Prozent der
Bürgerinnen und Bürger an dem Verfahren beteiligt, das ist ein Wert, wie er auch in
bundesdeutschen Städten bei vergleichbaren Projekten erreicht wurde.
Vorbild für die in Deutschland praktizierten Verfahren zum Bürgerhaushalt ist dasjenige der
neuseeländischen Stadt Christchurch mit 300.000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Dort werden
zu Beginn des Haushaltsaufstellungsverfahrens Projektvorschläge und Anregungen zu öffentlichen
Dienstleistungen in den Ortsbeiräten der Stadt diskutiert und in eine Reihenfolge gebracht. Diese
Beratungsergebnisse werden dann in die Haushaltsplanberatungen des Stadtrates eingearbeitet;
über die Aufnahme der Vorschläge in den Haushalt entscheidet ausschließlich der Rat der Stadt.
Was ist ein Bürgerhaushalt?
Drucksache 194/2012
Seite - 2 –
Grundsätzlich versteht man unter dem Begriff Bürgerhaushalt ein Verfahren, das Bürgern die
Möglichkeit gibt, sich an der Verteilung von öffentlichen Geldern zu beteiligen. Im Allgemeinen
werden 5 Kriterien genannt, wenn von einem Bürgerhaushalt gesprochen werden soll:
„1. Das Verfahren muss explizit finanzielle Angelegenheiten betreffen. Im Vergleich zu anderen
Partizipationsverfahren besteht die Besonderheit von Bürgerhaushalten darin, finanzielle Mittel in
das Zentrum der Diskussion zu stellen und hervorzuheben, dass es sich hierbei um begrenzte
Ressourcen handelt.
2. Die Beteiligung findet auf Ebene der Gesamtstadt oder eines Bezirks mit einem eigenen
politischen Vertretungsorgan, dem eine eigene Verwaltung zugeordnet ist, statt.
3. Es handelt sich um ein auf Dauer angelegtes Verfahren. Eine einmalige Versammlung oder ein
einmaliges Referendum zu Haushaltsfragen stellen keinen Bürgerhaushalt dar.
4. Das Verfahren beinhaltet eine öffentliche Diskussion zu Haushaltsfragen. Die Wahl des
Mediums für den Diskussionsprozess ist dabei nicht entscheidend. Eine reine Umfrage zur
Thematik Kommunale Finanzen ist jedoch ebenso wenig ein Bürgerhaushalt wie eine
herkömmliche Rats- oder Ausschusssitzung, an der Bürger teilnehmen können.
5. Über die Ergebnisse des Beteiligungsprozesses muss mündlich oder schriftlich Rechenschaft
gegeben werden.“
(Tom Eich, Der Bürgerhaushalt: Partizipation in der kommunalen Haushaltspolitik am Beispiel der Städte Freiburg und
Köln, in: Der Gemeindehaushalt 11/2011, Seite 254.)
Das Verfahren Beteiligungs-/Bürgerhaushalt
Im Allgemeinen geht man von folgender Vorgehensweise aus: In einer Informationsphase werden
grundlegende Informationen zum Haushalt und zum Haushaltsplanverfahren bzw. zu bestimmten
Maßnahmen gegeben.
In der Beteiligungsphase werden verschiedene Instrumente der Beteiligung eingesetzt: Hierzu
gehören die Nutzung des Internets durch Online-Befragungen, zum Teil werden (repräsentative)
Umfragen durchgeführt, in Bürgerveranstaltungen wird mit den Betroffenen diskutiert. Zum Teil
werden auch schriftliche Fragebogenaktionen durchgeführt.
In der Entscheidungsphase werden in einem vorher festgelegten Verfahren bestimmte – zum Teil
vorgegebene – Maßnahmen in eine Reihenfolge gebracht; diese Ergebnisse fließen dann in die
Haushaltsberatungen des Rates ein. In der Regel schließt sich dann noch eine
Rechenschaftsphase bzw. eine Evaluation sowie eine Rückmeldung an die Bürger an.
(s. Anlage 1 und 2)
Drucksache 194/2012
Seite - 3 –
Die Ziele eines kommunalen Bürgerhaushaltes
Stellt man die Frage nach den mit einem Bürgerhaushalt verfolgten Zielen, so kristallisieren sich
zwei Bereiche heraus:
- Steigerung der Input-Legitimität, das ist eine möglichst optimale Einbeziehung der Vorstellungen
der Bürgerinnen und Bürger vor Ort und damit die Stärkung der Akzeptanz für das
Zustandekommen des Haushaltsplanes.
- Steigerung der Output-Legitimität, hierdurch wird die Qualität der kommunalpolitischen
Entscheidung durch das Verfahren erhöht.
Bezogen auf die beiden dargestellten Verfahren in Freiburg und Köln kann festgehalten werden,
dass von einer Steigerung der Input-Legitimität bei einer Beteiligungsquote von 1 bis 2 Prozent
nicht gesprochen werden kann. Die Frage der Steigerung der Output-Legitimität ist im Freiburger
Verfahren nicht explizit angesprochen worden, und auch im Kölner Verfahren nicht abschließend
zu bewerten, da insbesondere das Volumen der zur Verfügung gestellten Mittel im Bürgerhaushalt
von etwa 2 Mio. Euro im Vergleich zu einem Haushaltsvolumen des Gesamthaushalts von 3,5
Milliarden Euro marginal ist.
Weitere Informationen zum Thema Bürgerhaushalt enthält die Broschüre der Bertelsmann Stiftung
und des Innenministers des Landes Nordrhein Westfalen, Kommunaler Bürgerhaushalt: Ein
Leitfaden für die Praxis, Düsseldorf u. Gütersloh 2004 als Zusammenfassung zum Projekt
„Kommunaler Bürgerhaushalt“ in NRW in den Jahren 2000 bis 2004. Beteiligt waren hier die
Städte Emsdetten, Vlotho, Castrop-Rauxel, Hamm, Hilden und Monheim. (www.bertelsmannstiftung.de /Downloads/Kommunaler Bürgerhaushalt)
Als Zwischenfazit kann festgehalten werden:
Mit den Verfahren zum Bürgerhaushalt kann eine stärkere Beteiligung einzelner Bürger bzw.
bestimmter Bürgergruppen zum Thema „Haushalt“ insgesamt oder zu Einzelfragen des Haushaltes
erreicht werden. Ein nennenswerter Nutzen ist jedoch weder für den Rat, noch für die Bürgerschaft
insgesamt erkennbar.
Kosten des Verfahrens
Die Information der Bürgerinnen und Bürger, ggf. die Durchführung von Befragungen, die
Aufbereitung
der
Haushaltsdaten,
insbesondere
die
Durchführung
von
Informationsveranstaltungen, die Präsentation im Internet und die Auswertung der Vorschläge im
Internet sowie durch schriftliche Eingabe, erfordern einen entsprechenden Personal- und
Sachaufwand. Unter Berücksichtigung bisheriger Projekte kann der Aufwand bei der Stadt Brühl in
einer Größenordnung von ca. 1 Stelle in der Kämmerei sowie einer weiteren Stelle im EDVBereich angesetzt werden, d.h. einschl. erhöhter Sachkosten in etwa 120.000 bis 150.000 Euro
pro Jahr. Dies deckt sich mit den Erfahrungen der Städte, die bereits entsprechende Projekte
durchgeführt haben:
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Drucksache 194/2012
Name
der Stadt
Zahl der
Einwohner
Haushaltsvolumen
€
Freiburg
210.000
700 Mio.
Frankfurt
695.000
3,15 Mrd.
Emsdetten
Kosten Projekt
Bürgerhaushalt
€
680.000
1,2 Mio.
Kosten in €
je Einwohner
Kostenanteil bez.
auf
das
Haushaltsvolumen
3,24
0,1 %
1,73
0,04 %
0,50 (2001)
nur
Sachkosten
Danach ergeben die Freiburger Zahlen übertragen auf Brühl einen Betrag zwischen 100.000 und
150.000 Euro, die der Stadt Frankfurt zwischen 40.000 und 80.000 Euro.
Fazit:
Angesichts der Kosten und des vergleichsweise geringen Nutzen wird vorgeschlagen, auf ein
umfassendes Projekt zum Thema Bürgerhaushalt in Brühl zu verzichten.
Gleichwohl sollte erkennbares Interesse aus der Bürgerschaft an einer Beteiligung an der
Haushaltsverabschiedung aufgegriffen werden. So wird der Vorbericht zum Haushalt umgestaltet
und prägnanter gefasst werden. Hier soll der interessierte Bürger sich einen Überblick über die
Zusammenhänge des Haushaltes anhand prägnanter Kennzahlen verschaffen können. Zudem
sind alle Brühler Bürgerinnen und Bürger aufgerufen, sich im Rahmen der vorhandenen
Beteiligungsverfahren am Zustandekommen des Haushaltes zu beteiligen. Im § 80 Abs. 3 GO
NRW ist geregelt: „Nach Zuleitung des Entwurfs der Haushaltssatzung mit ihren Anlagen an den
Rat ist dieser unverzüglich bekannt zu machen und während der Dauer des Beratungsverfahrens
im Rat zur Einsichtnahme verfügbar zu halten. In der öffentlichen Bekanntgabe ist eine Frist von
mindestens 14 Tagen festzulegen, in der Einwohner oder Abgabepflichtige gegen den Entwurf
Einwendungen erheben können und die Stelle anzugeben, bei der die Einwendungen zu erheben
sind. Die Frist für die Erhebung von Einwendungen ist so festzusetzen, dass der Rat vor der
Beschlussfassung über die Haushaltssatzung mit ihren Anlagen in öffentlicher Sitzung darüber
beschließen kann“.
Von diesem Instrument ist in den vergangenen Jahren kein Gebrauch gemacht worden. Lediglich
in den Jahren, in denen Hebesätze zur Grund- bzw. Gewerbesteuer verändert worden sind, hat
sich die Industrie- und Handelskammer zu Köln als Vertreterin von Abgabepflichtigen zu Wort
gemeldet. Der Bürgermeister wird bei der Einbringung des kommenden Haushaltsplanes die
Bürgerschaft verstärkt auf dieses Mittel der Einflussnahme auf die Gestaltung des Haushaltes
hinweisen.
Anlage(n):
(1) Anlage 1 zur Vorlage Bürgerhaushalt
(2) Anlage 2 zur Vorlage Bürgerhaushalt