Daten
Kommune
Brühl
Größe
322 kB
Datum
28.03.2017
Erstellt
21.03.17, 15:12
Aktualisiert
21.03.17, 15:12
Stichworte
Inhalt der Datei
Evaluation der bundesweiten
Inanspruchnahme und
Umsetzung der Leistungen für
Bildung und Teilhabe
Schlussbericht
Kurzfassung mit Empfehlungen
Göttingen, Nürnberg, Mai 2016
Impressum
Teilprojekt „Qualitative Implementationsanalyse“
Soziologisches Forschungsinstitut Göttingen (SOFI) e.V., Forschungsteam Internationaler Arbeitsmarkt (FIA), Berlin, Petra Kaps. Evaluation und Politikberatung, Berlin, Zoom – Gesellschaft für prospektive Entwicklungen e.V., Göttingen.
Projektleitung: Dr. Peter Bartelheimer
Bearbeitung dieses Berichts: Dr. Peter Bartelheimer, Jutta Henke, Petra Kaps, Sandra Kotlenga, Dr. Kai Marquardsen, Barbara Nägele, Dr. Alexandra Wagner, unter Mitarbeit von Dr. Nina Söhn.
Teilprojekt „Längsschnittbefragung von Leistungsberechtigten und Wohnbevölkerung“
Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit, Nürnberg
Projektleitung: Juliane Achatz, Dr. Claudia Wenzig
Bearbeitung dieses Berichts: Juliane Achatz, Dr. Claudia Wenzig
Göttingen, Nürnberg, im Mai 2016
Inhaltsverzeichnis
1
Evaluation der Leistungen zur Bildung und Teilhabe ......................................... 5
2
Ergebnisse der Evaluation ................................................................................. 7
2.1
Wer ist berechtigt? Wer erhält Leistungen? Wie hoch ist der Aufwand? ............ 7
2.2
Die kommunale Gestaltungsaufgabe und ihre Umsetzung ................................ 9
2.3
Länder und Kommunen gestalten neue Leistungen im Feld kommunaler
Sozialpolitik ..................................................................................................... 11
2.4
Umsetzung der Leistungen in den Kommunen ................................................ 13
2.5
Anbieter – eine höchst heterogene Gruppe ..................................................... 19
2.6
Leistungsberechtigte ....................................................................................... 20
3
Empfehlungen aus der Implementationsstudie ................................................ 29
3.1
Aufbauorganisation.......................................................................................... 29
3.2
Hinwirkung und Beratung ................................................................................ 30
3.3
Antragserfordernis und Antragsverfahren ........................................................ 34
3.4
Bewilligungszeiträume ..................................................................................... 37
3.5
Kostenerstattung als Form der Leistungserbringung........................................ 38
3.6
Leistungsarten ................................................................................................. 38
3.7
Grundsätzliche Gestaltungsfragen................................................................... 43
3
Ergebnisse der Implementationsanalyse
und der Längsschnittbefragung –
Kurzfassung und Empfehlungen
Von 2013 bis 2016 wurde die bundesweite Inanspruchnahme und Umsetzung der 2011
eingeführten Leistungen für Bildung und Teilhabe im Auftrag des Bundesministeriums
für Arbeit und Soziales (BMAS) evaluiert. Im Frühjahr 2016 legten die Teilprojekte
„Qualitative Implementationsanalyse“ (Soziologisches Forschungsinstitut Göttingen
e.V. SOFI, und andere) und „Längsschnittbefragung von Leistungsberechtigten und
Wohnbevölkerung“ (Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur
für Arbeit – IAB) ihren gemeinsamen Schlussbericht 1 vor. Die Ergebnisse des bereits
2015 abgeschlossenen Teilprojekts „Messung des Erfüllungsaufwandes“ (Statistisches
Bundesamt – StBA) wurden bereits im Zwischenbericht 2015 (Evaluation Bildung und
Teilhabe 2015) 2 veröffentlicht.
Die vorliegende kürzere Fassung stellt wesentliche Ergebnisse der Evaluation vor und
übernimmt die Empfehlungen zur Implementation aus dem Schlussbericht. Auf die ausführliche Darstellung dort wird mit Angabe des jeweiligen Gliederungspunkts verwiesen.
1
2
Evaluation der bundesweiten Inanspruchnahme und Umsetzung der Leistungen für Bildung und Teilhabe (2016): Schlussbericht, April 2016. Göttingen; Nürnberg.
Evaluation der bundesweiten Inanspruchnahme und Umsetzung der Leistungen für Bildung und Teilhabe (2015): Zweiter Zwischenbericht 13.5.2015. Teilprojekt „Qualitative Implementationsanalyse“:
Bartelheimer, P; Henke, J.; Kaps, P.; Kotlenga, S.; Marquardsen, K.; Nägele, B.; Pagels, N.; Steckbauer, J., Thürling, M,; Wagner, A.. Teilprojekt: „Längsschnittbefragung von Leistungsberechtigten und
Wohnbevölkerung“: Achatz, J.; Wenzig, C.. Teilprojekt „Messung des Erfüllungsaufwandes“: Wulf, H.;
Gonsior, A.; Schrankel, L.; Baumgärtner, L.; Bitz, A. Göttingen; Nürnberg; Bonn.
4
1
Evaluation der Leistungen zur Bildung und Teilhabe
Seit 1. Januar 2011 haben Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene aus Familien
mit geringen Einkommen – soweit bestimmte Voraussetzungen vorliegen – einen eigenständigen Rechtsanspruch auf bis zu sieben zweckgebundene Leistungen für Bildung und Teilhabe (kurz auch: BuT-Leistungen):
−
Kostenübernahme für ein- oder mehrtägige Ausflüge und Fahrten mit der Schule,
mit Kinderpflegeeinrichtungen oder in der Kindertagespflege;
−
Pauschalen für die Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf (70 Euro zum
1. August und 30 Euro zum 1. Februar eines Jahres);
−
Mehraufwendungen für die Schülerbeförderung zur nächstgelegenen Schule des
gewählten Bildungsgangs;
−
außerschulische Lernförderung;
−
Mehraufwendungen bei Teilnahme an einer gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung
in der Schule, Kita oder Kindertagespflege;
−
bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs: Berücksichtigung von Aufwendungen für
die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft in Höhe von
bis zu 10 Euro.
Diese Leistungen zur Sicherung ihres spezifischen soziokulturellen Existenzminimums
können Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene grundsätzlich stets dann in Anspruch nehmen, wenn sie Sozialgeld oder Arbeitslosengeld II (Alg II), Sozialhilfe oder
Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) erhalten oder wenn ihre
Eltern den Kinderzuschlag (KiZ) nach Bundeskindergeldgesetz (BKGG) oder Wohngeld beziehen. Ein Anspruch auf BuT-Leistungen nach SGB II oder SGB XII kann aber
auch bei Kindern und Jugendlichen aus Haushalten entstehen, die weder Wohngeld
noch KiZ noch Grundsicherungsleistungen erhalten, jedoch die spezifischen Bildungsund Teilhabebedarfe des Kindes oder Jugendlichen nicht decken können (sog. Bedarfsauslösung). Die Leistungen sind – mit Ausnahme der Schulbedarfspauschale im
SGB II und SGB XII – gesondert zu beantragen und werden großenteils als Sachleistungen (z.B. durch Gutscheine oder Direktzahlungen an Anbieter) erbracht.
Im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) wurden die bundesweite Inanspruchnahme und die kommunale Umsetzung dieser als „Bildungspaket“
bekannten Leistungen von 2013 bis 2016 evaluiert. Im Mittelpunkt stehen drei Fragen:
Wird die Intention des Gesetzgebers erfüllt? Kommen die Leistungen bei den Leistungsberechtigten an? Und welche Faktoren beeinflussen dies? Das Gesamtforschungsvorhaben bestand aus drei eigenständigen Teilprojekten:
−
einer qualitativen Implementationsstudie (Soziologisches Forschungsinstitut Göttingen – SOFI und andere),
−
einer Längsschnittbefragung von Leistungsberechtigten und Wohnbevölkerung von
2012 bis 2014 im Rahmen der Panelstudie „Arbeitsmarkt und soziale Sicherung“
5
(PASS) (Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit – IAB),
−
einer Messung des Erfüllungsaufwands (Statistisches Bundesamt – StBA).
Die Implementationsstudie fasst die Inanspruchnahme der Leistungen für Bildung und
Teilhabe aus der Perspektive der Leistungsberechtigten als Handlungs- und Entscheidungssituation auf (vgl. unten: 2.6). Der landesrechtliche Rahmen, Unterstützung und
Beratung sowie Organisation und Verfahren der kommunalen Leistungsverwaltung
stecken den Rahmen ab, in dem sie ihren Anspruch geltend machen können. Die Leistungsstellen können darauf hinwirken, dass die berechtigten Familien die Leistungen,
die Anspruchsvoraussetzungen und die Antragsverfahren kennen, und dass Kitas,
Schulen, Träger und Vereine ihre Angebote für diesen Förderweg öffnen. Wo die Leistungsberechtigten die Wahl haben, bewerten sie verschiedene Angebote, aber auch
die kommunale Ausgestaltung der Verfahren: Welche Prozessschritte und Wege fallen
an? Wie muss ich mich gegenüber Anbietern als bedürftig offenbaren?
Die Untersuchung verfolgt einen Fallstudienansatz: In den 29 Kommunen, für die Fallstudien erstellt wurden, wurden Leistungsstellen, Leistungsberechtigte und Anbieter interviewt; ausgewählte Fragen wurden in Gruppengesprächen bzw. Fokusgruppen vertieft. Das qualitative Material wurde durch standardisierte Befragungen ergänzt: eine
bundesweite Online-Befragung der Kommunen gab 2013 einen ersten Überblick über
die Vielfalt der kommunalen Lösungen. Auf ihrer Grundlage wurden Kommunen für die
Fallstudien angesprochen. In den 29 einbezogenen Kommunen wurde 2015 eine weitere standardisierte Online-Befragung bei Schulen, Kitas, Anbietern von Lernförderung
und Gemeinschaftsaktivitäten sowie unterstützenden Dritten (Beratungsstellen,
Schulsozialarbeit) durchgeführt. Auch die für BuT-Leistungen zuständigen Landesministerien wurden 2015 standardisiert befragt. Die Bewertungen der Leistungen durch die
Berechtigten und die Aussagen der Anbieter und Leistungsstellen lassen sich aufeinander beziehen; sie können einander stützen oder widersprechen.
Für die Längsschnittbefragung nutzte das IAB von 2012 bis 2014 das Panel: Arbeitsmarkt und soziale Sicherung“ (PASS), um Informationen zur sozialen Teilhabe von
Kindern und Jugendlichen sowie zu Kenntnis, Antragstellung, Nutzung und Bewertung
des Bildungs- und Teilhabepakets aus der Sicht der Leistungsberechtigten zu erheben
(Schlussbericht: III.1.2). Für den vorliegenden Bericht wurde die zum Zeitpunkt der Berichtslegung verfügbare 8. Welle der Längsschnittbefragung ausgewertet; somit beziehen sich die Daten auf die Befragungsjahre 2012 bis 2014.
Das Statistische Bundesamt (StBA) hat von 2013 bis 2015 ermittelt, welcher Aufwand
Leistungsberechtigten, Leistungsanbietern, Leistungsstellen sowie Schul- und Kitaverwaltungen bei der Realisierung der Ansprüche aus dem „Bildungspakets“ entsteht. Dabei wird der mittlere Aufwand, der bei den vier Akteursgruppen im Sommer 2014 durch
Befragung zu allen Prozessschritten erhoben wurde, bundesweit hochgerechnet (Eva-
6
luation Bildung und Teilhabe 2015: 332 f.) 3. Für die Leistungsberechtigten werden
Zeitaufwand und Sachkosten ausgewiesen; die Aufwände der anderen Akteure werden
anhand eines mittleren Lohnsatzes in Geldgrößen vergleichbar gemacht.
2
Ergebnisse der Evaluation
2.1
Wer ist berechtigt? Wer erhält Leistungen? Wie hoch ist der Aufwand?
Potenzial für BuT
2013 bezogen nach der amtlichen Statistik sowie der Arbeitsmarktstatistik etwa 2,5 Millionen Kinder und Jugendliche bis 18 Jahren eine der Sozialleistungen, die grundsätzlich zu Bildungs- und Teilhabeleistungen berechtigen; das entspricht 19 Prozent aller
Minderjährigen. (Daten zu diesen Sozialleistungen sind zuletzt für 2013 auf Ebene der
Kreise und Städte verfügbar, vgl. Schlussbericht: I.1.2.) Weitere 600.000 junge Erwachsene (10 Prozent der Altersgruppe) könnten als Schülerinnen und Schüler noch
bis zur Vollendung des 25. Lebensjahrs Anspruch auf Bildungsleistungen haben. Insgesamt kommen also etwa 3,1 Millionen Kinder, Jugendliche und jungen Erwachsene
grundsätzlich für Leistungen in Betracht. Drei Viertel von ihnen (75 Prozent) erhalten
Leistungen nach dem SGB II, ein Fünftel (20 Prozent) Wohngeld. Hinzu kommen weitere Kinder und Jugendliche mit Kinderzuschlag, die nicht wohngeldberechtigt sind. Die
Zahl der Asylbewerber/innen ist in diesen Altersgruppen bereits von 2011 bis 2013
deutlich gestiegen. Der Ausgleich von Bildungs- und Entwicklungschancen fordert die
Kommunen unterschiedlich stark: In dem Fünftel der Kommunen mit dem geringsten
potenziellen Bedarf an BuT-Leistungen liegt die Quote bedarfsbegründenden Transferbezugs bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren im Mittel um 7 Prozent Prozent.
In dem Quintil mit den höchsten Potenzialquoten kann im Mittel ein Drittel der Bevölkerung im Kinder- und Jugendalter dem Grunde nach BuT-leistungsberechtigt sein.
Inanspruchnahme
Eine aussagekräftige bundesweite Leistungsstatistik für die zweckgebundenen Sachleistungen des „Bildungspakets“ steht aus. Aus den sehr unterschiedlichen Verfahrensweisen der Kommunen die geforderten statistischen Daten zu gewinnen, stellt die
amtliche Statistik wie die Statistik der Bundesagentur für Arbeit immer noch vor große
Schwierigkeiten. Die Implementationsstudie konnte daher kommunale Quoten der Inanspruchnahme von BuT-Leistungen nicht vergleichend analysieren, was einer wirkungsorientierten Evaluation Grenzen setzt (Schlussbericht: I.4, vgl. Evaluation Bildung
und Teilhabe 2015: 61 ff.).
Daten zur Inanspruchnahme wurden daher im Rahmen der Längsschnittbefragung
PASS bundesweit repräsentativ erhoben. Sie basieren auf Angaben befragter Leis3
Das Teilprojekt wurde bereits 2015 abgeschlossen und im zweiten Zwischenbericht des Evaluationsprojekts ausführlich dokumentiert.
7
tungsberechtigte. Berichtet werden zum einen kumulierte Quoten: Sie geben Aufschluss darüber, in welchem Umfang die Förderleistungen seit deren Einführung im
Jahr 2011 bis zum jeweiligen Erhebungsjahr von PASS beantragt oder genutzt wurden
(Schlussbericht: II.3.2). Zum anderen informieren aktuelle Quoten über die Entwicklung
der Nutzung im Vergleich der Jahresquerschnitte. Demnach hat mehr als die Hälfte der
grundsätzlich leistungsberechtigten Kinder und Jugendlichen (57 Prozent) im Zeitraum
2011 bis 2014 mindestens eine Leistung aus dem Bildungs- und Teilhabepaket beantragt. Die Quoten für Mehrfachanträge für vier bis sechs verschiedene Leistungsarten
pro Kind waren 2012 niedrig (4 Prozent), verdoppeln sich jedoch von Jahr zu Jahr und
erreichen bis zum Jahr 2014 einen Anteilswert von 16 Prozent. Die kumulierte Quote
der tatsächlichen Nutzung (mindestens eine Leistung im Zeitraum 2011 bis 2014 genutzt) liegt bei 52 Prozent. Antragstellung und Nutzung der unterschiedlichen Leistungsarten variieren weiterhin stark: Bis 2014 liegen die kumulierten Nutzungsquoten
für die gemeinsame Mittagsverpflegung bei 43 Prozent, für ein- und mehrtätige Ausflüge bei jeweils 29 Prozent, für soziokulturelle Teilhabe und Schülerbeförderung bei jeweils 21 Prozent und für die Lernförderung bei 8 Prozent. In der Querschnittbetrachtung liegen die Quoten der aktuellen Nutzung niedriger: 2014 erreichten sie bei der
gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung 30 Prozent, bei der soziokulturellen Teilhabe
12 Prozent.
Ungefähr ein Fünftel (20 Prozent) der Leistungsberechtigten beantragte und etwa ein
Viertel (26 Prozent) nutzte von 2011 bis 2014 noch keine der Leistungsarten. Dies gilt
insbesondere für jüngere Kinder. Die Motive für eine Nichtinanspruchnahme sind sehr
unterschiedlich gelagert (vgl. Evaluation Bildung und Teilhabe 2015: IV.1.5). Der Großteil der Haushalte begründet die Nichtinanspruchnahme mit dem fehlenden Bedarf an
den Förderleistungen. Jedoch verweist ein ebenfalls hoher Anteil auf fehlende Kenntnisse, an welche Stelle man sich wenden müsse. Ca. ein Fünftel der Haushalte, die
bislang noch keinen Antrag gestellt hatten, geben jeweils an, dass das Antragsverfahren zu umständlich sei oder dass in der Umgebung förderfähige Angebote fehlen. Seit
Einführung des Bildungs- und Teilhabepakets konnten die Informationsdefizite von leistungsberechtigten Haushalten mit eher geringen Deutschkenntnissen und von leistungsberechtigten Haushalten ohne Schulkinder nicht abgebaut werden. Im Rahmen
der Implementationsanalyse konnten nur wenige Familien befragt werden, die keine
BuT-Leistungen in Anspruch nahmen – sie zeigten sich vor allem uninformiert.
Etwas mehr als ein Viertel der grundsätzlich leistungsberechtigten Kinder und Jugendlichen haben während des gesamten Beobachtungszeitraums ein- oder zweimal eine
der Leistungsarten beantragt bzw. genutzt. Ein Fünftel der grundsätzlich leistungsberechtigten Kinder und Jugendlichen signalisiert mit einer dreimaligen Beantragung ein
anhaltendes Interesse an Bildungs- und Teilhabeleistungen. Die stetige Beantragung
ist bei Kindern und Jugendlichen wahrscheinlicher, die in Ostdeutschland leben oder in
einem Haushalt mit besonders niedrigem Pro-Kopf-Einkommen oder mit einem alleinerziehenden Elternteil aufwachsen. Zudem begünstigt sowohl ein hoher als auch ein
8
niedriger Bildungshintergrund der Eltern im Vergleich zu einem mittleren die längerfristige Beantragung.
Individuelle Sachleistungen sind aufwändig
Für die Gruppe der Leistungsberechtigten ermittelte das Statistische Bundesamt
(StBA) einen Erfüllungsaufwand von rund 2,8 Millionen Stunden (einschließlich Wegeund Wartezeiten) und rund 12 Millionen Euro im Jahr. Für sie entstehen bei der Beantragung gemeinschaftlicher Mittagsverpflegung mit insgesamt rund 852.000 Anträgen
bzw. monatlichen Abrechnungen über das Jahr die höchsten Zeitaufwände. Die Beantragung der Lernförderung verursacht ihnen mit rund 153 Minuten pro Fall und Jahr
(mit Wege- und Wartezeiten) den höchsten Zeitaufwand.
Für die Leistungsanbieter wurde ein Erfüllungsaufwand von insgesamt rund 44 Millionen Euro pro Jahr hochgerechnet. Auch hier entsteht bei der Förderung der gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung der höchste Zeitaufwand: 94 Minuten pro Fall und
Jahr.
Schul- und Kitaverwaltungen entsteht durch unterstützende Tätigkeiten ein Erfüllungsaufwand von rund 2,7 Millionen Euro pro Jahr, der auch bei ihnen mit rund 1,9 Millionen Euro im Jahr zum größten Teil auf Koordination bei der Abrechnung der BuTLeistungen für die gemeinschaftliche Mittagsverpflegung entfällt. 16 Minuten pro Fall
und Jahr wenden sie für die Feststellung und formale Bestätigung des Lernförderbedarfes auf.
Für die Leistungsstellen wurde ein jährlicher Erfüllungsaufwand von rund 136 Millionen
Euro pro Jahr ermittelt, der zu knapp 72 Prozent aus Personalkosten besteht. Die Förderung der gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung ist mit rund 53 Mill. Euro und rund
108 Minuten pro Fall und Jahr für rund 39 Prozent ihres gesamten Erfüllungsaufwands
verantwortlich. Für den persönlichen Schulbedarf wurden mit rund 1,5 Millionen Anträgen und rund 1,5 Millionen Nutzungen die höchsten Fallzahlen ermittelt.
Alle in die Evaluation einbezogenen Akteure klagten über den hohen Aufwand bei der
Umsetzung der Bildungs- und Teilhabeleistungen. Viele Befragte akzeptieren, dass die
Mehrbedarfe für Teilhabe zweckgebunden gedeckt werden. Es gibt aber auch Kritik daran, dass dies durch individualisierte Sachleistungen geschieht. Der hohe Verwaltungsaufwand kann zwar durch vereinfachte Verfahren und kommunale Lösungen begrenzt und zwischen Verwaltung, Leistungsberechtigten und Anbietern unterschiedlich
verteilt werden, bleibt aber eine notwendige Folge des eingeschlagenen Regelungswegs.
2.2
Die kommunale Gestaltungsaufgabe und ihre Umsetzung
Die Erbringung der Bildungs-und Teilhabeleistungen wurde in allen Rechtskreisen den
Kommunen als Leistungsträgern übertragen. Der Bund schafft den Kommunen vermittelt über die Länder durch einen erhöhten Prozentsatz der Bundesbeteiligung an den
9
Leistungen für Unterkunft und Heizung im SGB II indirekt einen finanziellen Ausgleich
für deren BuT-Ausgaben. Dieser erhöhte Beteiligungssatz wird jeweils auf der Grundlage der Ist-Ausgaben des Vorjahres für die Bildungs- und Teilhabeleistungen nach
SGB II und BKGG (Familien mit Kinderzuschlag oder Wohngeld) ermittelt.
In mehr als einer Hinsicht hatten die Kommunen 2011 eine neuartige Sozialleistung zu
gestalten (Schlussbericht: I.2).
Mit den Bildungs- und Teilhabeleistungen fanden zum Teil neue Bedarfe Eingang in die
existenzsichernden Leistungssysteme und in die Rechtskreise Kinderzuschlag und
Wohngeld. Die jeweiligen Teilhabebedarfe – etwa die Kosten einer Klassenfahrt – können nicht durchgängig pauschaliert und nicht beliebig abgestuft werden. Fach- und
Führungskräfte der Leistungsstellen, Anbieter und Leistungsberechtigte sind neu in ihren sozialpolitischen Orientierungen und in ihrem Aufgabenverständnis gefordert. Diskussionen darüber, wie viel Teilhabe im Rahmen der Mindestsicherung angemessen
sind, wie die Bedarfe gedeckt werden, und Hinweise auf Haushalte mit niedrigen Einkommen, die nicht leistungsberechtigt sind, begleiten die Umsetzung und haben Einfluss darauf, wie sie auf die Inanspruchnahme hinwirken (Schlussbericht: III.2.5).
Die Leistungen für Bildung und Teilhabe sind als gleichartige Ansprüche in mehreren
bestehenden Leistungsgesetzen geregelt. Sie beanspruchen damit einerseits Eigenständigkeit im System sozialer Sicherung. Andererseits beruhen sie nicht auf einem eigenen Leistungsgesetz, sondern sind bestehenden Sozialleistungen mit unterschiedlichen Leistungslogiken und jeweils eigenen Governancestrukturen zugeordnet. Das
„Bildungspaket“ war 2011 in einem mehr oder weniger „versäulten“ Verwaltungsaufbau
umzusetzen, der in Landkreisen und großen Großstädten mehrstufig ausdifferenziert
sein kann.
Das „Bildungspaket“ fasst sehr verschiedene Einzelleistungen zusammen, die unterschiedlich stark individualisiert sind, teils als Geldleistungen, teils als Sachleistungen
erbracht werden und unterschiedlich aufwändig zu prüfen sind. Sie lassen Leistungsberechtigten mehr oder weniger Wahl bei Inanspruchnahme und Nutzung.
Insbesondere die Jobcenter sollen in Zusammenarbeit mit Anbietern und Dritten auf
den Zugang Leistungsberechtigter zu geeigneten Angeboten hinwirken und Eltern bei
der Inanspruchnahme und Nutzung unterstützen. Dieses ausdrückliche Hinwirkungsgebot bedeutete für viele Führungs- und Fachkräfte ein „Umschwenken“ vom Steuerungsziel, die Summe der Leistungen zum Lebensunterhalt durch Aktivierung und Arbeitsmarktintegration zu begrenzen, zur Ausschöpfung des vom Bund refinanzierten
Leistungskatalogs. Der kommunalen Sozialverwaltung entstehen neue Aufgaben der
Information, Vernetzung und Vereinbarung, die bisher nicht in ihren Zuständigkeitsbereich fielen und daher nicht eingeübt sind.
Das Sachleistungsprinzip setzt Leistungsträger, Leistungsberechtigte und Anbieter zueinander in ein Dreiecksverhältnis. Die Kommunen können insbesondere das Antragserfordernis für die Leistungsberechtigten vereinfachen und die Beziehung zu den
Anbietern auch vereinbarungsfrei gestalten. Sehr unterschiedliche Einrichtungen und
10
Akteure – Kitaleitungen, Schulsekretariate, Caterer, Lernförderer, Vereinskassierer –
werden in die Erfüllung eines Sozialleistungsanspruchs einbezogen, und die Leistungsberechtigten müssen sich ihnen gegenüber als hilfebedürftig offenbaren.
2.3
Länder und Kommunen gestalten neue Leistungen im Feld kommunaler
Sozialpolitik
Mit den BuT-Leistungen können individuelle Aufwendungen bedürftiger Kinder und Jugendlichen für soziokulturelle Gemeinschaftsaktivitäten und für Aktivitäten von Schulen
und Kitas finanziert werden. Diese Aktivitäten wurden vor der Einführung der BuTLeistungen und werden auch heute noch aus verschiedenen Quellen finanziert und folgen je eigenen Logiken. Grundsätzlich liegt ihre Gestaltung im Aufgabenbereich der
Schul- bzw. Jugendhilfeträger, also bei Kreisen, kreisfreien Städten, kreisangehörigen
Gemeinden oder Landesverbänden. Die örtlichen und überörtlichen Träger gestalten
und finanzieren diese Aufgaben im Rahmen der kommunalen Daseinsvorsorge grundsätzlich eigenverantwortlich, oder sie unterliegen landesgesetzlichen Vorgaben, die
dann von einer zumindest teilweisen Finanzierung aus Mitteln des Landes begleitet
werden. Darüber hinaus beeinflussen die freien Schul- und Jugendhilfeträger, lokalen
Vereine, Verbände und Initiativen die lokale Angebotslandschaft und deren Finanzierung. So bieten viele Kommunen Ermäßigungen für einzelne Aktivitäten für Familien
mit geringen Einkommen an.
Einen wesentlichen Einfluss auf dieses Feld haben die Bundesländer, indem sie regeln, finanzieren, beraten, koordinieren, strukturieren und Aufsicht über die kommunalen Leistungsträger ausüben. Das Landesrecht beeinflusst in vielfältiger Form die angebotenen Aktivitäten und Dienstleistungen, deren Kosten potenziell Berechtigten über
die BuT-Leistungen erstattet werden können. Wie die Länder dies tun, wurde 2015 in
einer Befragung der zuständigen Ministerien erhoben (Schlussbericht: IV.2.2).
−
Die Länder bestimmen in schulrechtlichen Richtlinien den Charakter von Schulausflügen und Schulfahrten, die dazu maximal verfügbaren Tage eines Schuljahres
bzw. die Häufigkeit, Teilnahmepflichten und verschiedene andere Aspekte ihrer
Zielsetzung und Ausgestaltung. Drei Bundesländer deckeln schulrechtlich auch die
Kosten für Klassenfahrten. In zehn Ländern besteht grundsätzlich Teilnahmepflicht
an Fahrten.
−
Die Länder regeln im Schulgesetz und entsprechenden Verordnungen, ob und in
welchem Umfang Schülerinnen und Schülern Kosten für Schulbücher und Drucksachen entstehen. In den acht Ländern mit weitgehender Lernmittelfreiheit entstehen noch immer Kosten für Verbrauchsmaterialien. In den anderen acht Ländern
müssen aber auch die Kosten für die Schulbücher über den BuT-Schulbedarf gedeckt werden.
−
An Ganztagsschulen ist nach Landesrecht individueller Förderunterricht grundsätzlich Bestandteil des Schulprogramms und somit vorrangig zur BuT-Lernförderung.
Für die anderen Schulen gibt es zum Teil landesrechtliche Regelung für schuli11
schen Förderunterricht, der gegenüber der BuT-Lernförderung vorrangig ist. In
jüngster Zeit wird die BuT-Lernförderung auch für die (befristete) Sprachförderung
von Migrant/inn/en mit schlechten Deutschkenntnissen genutzt, sofern die schulischen Angebote dafür nicht ausreichen und es dabei nicht zu einer Ausgliederung
aus dem Klassenverband kommt. Befragte Expert/inn/en äußern jedoch erhebliche
Zweifel, dass die außerschulische Lernförderung im Bereich Bildung und Teilhabe
richtig verortet ist. Dies sei vielmehr Auftrag der Schule und falle in die Zuständigkeit der Landesschulbehörden. Eine umfassende Lernförderung für alle Kinder
würde auch vermeiden, dass BuT-Berechtigte durch kostenintensive BuTLernförderung im Vergleich zu finanziell nur wenig besser ausgestatteten Haushalten deutlich besser gestellt werden.
−
Das Schulrecht der Länder regelt auch, in welchen Schultypen bzw. Jahrgängen
und in wessen Zuständigkeit gemeinschaftliches Mittagessen angeboten werden
muss und in welchem Umfang dabei Teilnahmepflichten entstehen. In den Kinderbetreuungsgesetzen regeln die Länder den Rechtsanspruch auf eine Kindertagesbetreuung und die Grundsätze der Kostenermittlung. Beides wirkt sich auf den Versorgungsgrad sowohl mit Ganztagsbetreuungsangeboten als auch mit Angeboten
für gemeinschaftliches Mittagessen aus. Der Versorgungsgrad ist in den neuen
Bundesländern und den Stadtstaaten höher als in den Flächenländern West.
−
Das Schulrecht regelt, für welche Schultypen und Jahrgänge und in welchem zeitlichen Umfang die Kommunen als Leistungsträger die Schülerbeförderung sicherzustellen haben sowie in welchem Umfang sie dafür Kostenfreiheit zu gewähren haben. Diese Leistungen sind vorrangig zur BuT-Leistung für die Schülerbeförderung.
In vier Ländern gibt es eine einkommensunabhängig kostenfreie Schülerbeförderung bis Jahrgang 10, in vier weiteren Ländern auch oberhalb der Jahrgangsstufe
10. In vier Ländern liegt die Entscheidung dazu bei den Kreisen und kreisfreien
Städten, die per Satzung entscheiden, in drei Ländern sind einkommensabhängige
Ermäßigungen vorgesehen.
Darüber hinaus regelt Landesrecht die Delegation von Aufgaben der Kreise an kreisangehörige Gemeinden in den verschiedenen Rechtskreisen und bestimmt die Leistungsstellen für die BuT-Leistungen nach dem BKGG. Wo die Leistungsträgerschaft
zwischen Kreisen und kreisangehörigen Gemeinden auseinanderfallen, sind lokal bei
der Organisation der BuT-Leistungserbringung andere Herausforderungen zu meistern
als dort, wo der Landkreis für beide Teile eines jeweiligen Rechtskreises einheitlich zuständig ist.
Die landesrechtlichen Regeln zur Verteilung der Mittel des Bundes für die BuTLeistungen innerhalb eines Landes setzen einen finanziellen Handlungsanreiz für die
Leistungsträger, auf die Inanspruchnahme der BuT-Leistungen hinzuwirken. Werden
die Mittel nicht nach dem kommunalen Anteil der tatsächlichen Kosten an den tatsächlichen Kosten aller Leistungsträger des Landes verteilt, so besteht ein Anreiz, gerade
nicht in hohe Inanspruchnahme zu investieren.
12
Zudem unterstützten die Länder die Umsetzung der BuT-Leistungen inhaltlich insbesondere durch Arbeitshilfen und fachliche Empfehlungen, durch eine aktive Moderation
der Kommunikation zwischen allen beteiligten Akteuren, durch Fachveranstaltungen für
die Kommunen bzw. Jobcenter, die das Lernen voneinander fördern. Um eine aktive
Ermessensauslegung durch die Leistungsstellen zu unterstützen, nutzen die Aufsichtsbehörden unterschiedliche Aufsichtsmittel, vor allem die fachliche Beratung einzelner
Kommunen und die Einforderung von Informationen bzw. Unterrichtung. Nur in wenigen Fällen wurden bisher Aufsichtsgespräche mit einzelnen Kommunen geführt, Anweisungen erteilt oder Prüfungen vorgenommen.
Nicht zuletzt beeinflussen die Länder über die Kofinanzierung von Dienstleistungen
und Projekten durch Landes- und ESF-Mittel die soziokulturelle und BildungsInfrastruktur in ihren Regionen. Sie unterstützen damit wesentlich die lokalen Strukturen zur Förderung der Teilhabe von Kindern und Jugendlichen sowie diejenigen Angebote, an dem Kinder und Jugendliche teilhaben können – und für deren Nutzung die
BuT-Leistungen vor Ort möglichst leicht zugängig sein sollten.
2.4
Umsetzung der Leistungen in den Kommunen
Die Kommunen lösten ihre Gestaltungsaufgabe in Abhängigkeit von bestehenden lokalen Strukturen und Gepflogenheiten und landesrechtlichen Regelungen auf sehr unterschiedliche Weise. Die lokalen Lösungen unterscheiden sich vor allem bei der Organisation der Leistungsverwaltung, bei den gewählten Formen und Verfahren der Leistungserbringung sowie bei der Umsetzung des Hinwirkungsgebots.
Was unterscheidet Modelle der Leistungsverwaltung
Beim Aufbau der BuT-Leistungsverwaltung trugen die rechtlichen Rahmenbedingungen, lokale Entwicklungspfade, das Aufgabenverständnis und die Organisationsmaximen der Sozialverwaltung auf unterschiedliche Weise und mit unterschiedlichem Gewicht zur Differenzierung lokaler Modelle bei.
Die Aufbauorganisation in den untersuchten Kommunen (Schlussbericht: IV.2.3) unterscheidet sich danach, ob die Aufgabenerledigung
−
rechtskreisübergreifend konzentriert oder nach Rechtskreisen getrennt,
−
aufgabenbezogen spezialisiert oder aufgabenbezogen integriert und
−
sozialräumlich zentral oder dezentral organisiert ist.
Fassten die Leistungsträger BuT als neue Sozialleistung auf, die sich von Leistungen
der einzelnen Rechtskreise (SGB II, BKGG, SGB XII, AsylbLG) grundsätzlich unterschied und die nach einer besonderen, gemeinsamen Logik zu verwalten war, dann
suchten sie nach rechtskreisübergreifenden Verwaltungslösungen und bauten eigene
BuT-Organisationseinheiten auf.
13
Verstanden sie BuT als Bestandteil, Ergänzung und Erweiterung der Sozialleistungen
in diesen Rechtskreisen, schien es ihnen folgerichtig, BuT systematisch in die nach
Rechtskreisen unterschiedlichen Ämter- und Behördenstrukturen zu integrieren.
Ein Viertel der untersuchten Kommunen optierte für eine weitgehende rechtskreisübergreifende Konzentration, nur in zwei Kommunen wird vollständig integriert gearbeitet.
Rechtskreisübergreifend organisierte BuT-Stellen nehmen neben der BuT-Bearbeitung
Aufgaben der Hinwirkung und Beratung, Multiplikatoren- und Öffentlichkeitsarbeit, Qualitätssicherung und Statistik wahr. Je stärker die BuT-Sachbearbeitung dezentralisiert
wird und integriert arbeitet, desto wichtiger werden Koordinationsfunktionen und Kooperationsstrukturen.
Die Organisationsprozesse innerhalb der untersuchten Kommunen sind nicht abgeschlossen. Vielmehr schien es zum Ende der zweiten Erhebungswelle, als würden
Aufbauorganisation und Leistungsprozesse in vielen Fallstudien-Kommunen fünf Jahre
nach Einführung der BuT-Leistungen einer kritischen Prüfung unterzogen. Da die Fallzahlen im Rechtskreis des AsylbLG zunehmen, im Rechtskreis SGB II eine steigende
Zahl von Neuzugängen durch anerkannte Flüchtlinge zu erwarten ist und die 2016 in
Kraft tretende Wohngeldnovelle den Kreis potenziell Leistungsberechtigter im Rechtskreis BKGG erweitern kann, lebte in einigen der untersuchten Kommunen die Diskussion um die ‚richtige‘ Aufbauorganisation wieder auf, wobei zum Ende der Untersuchung ein leichter Trend zur aufgabenbezogenen Spezialisierung und der Aufwertung
von Koordinationsaufgaben festzustellen war.
Vielfalt der Verfahren – Uneinheitlichkeit und Suche nach Vereinfachung
Die BuT-Leistungen werden in einem Dreiecksverhältnis zwischen Leistungsstellen,
Leistungsanbietern und Leistungsberechtigten erbracht. Die kommunalen Leistungsträger gestalten dieses Dreiecksverhältnis sehr unterschiedlich aus, indem sie verschiedene Verfahrenslösungen für die Antragstellung, Leistungserbringung und Abrechnung von BuT-Leistungen finden und praktizieren (Schlussbericht: IV.2.4). Sie suchen dabei unter anderem nach einem einfachen und niederschwelligen Umgang mit
dem Antragserfordernis. Aufgrund nach Rechtskreisen unterschiedlicher Zuständigkeiten in den Rechtskreisen und vielfältiger Gestaltungsoptionen stehen selbst innerhalb
vieler Kommunen verschiedene Verfahren nebeneinander.
In den 29 Fallstudien-Kommunen sind Antragsverfahren mit Einzelanträgen in allen
Leistungsarten gegenüber solchen mit Globalanträgen in mindestens einer Leistungsart knapp in der Mehrheit. Drei Kommunen nutzen ein konkludentes Antragsverfahren
in mindestens einer Leistungsart. In zwei dieser Fallstudien-Kommunen ist eine konkludente Antragstellung auch bei der Lernförderung möglich, da diese vollständig über
die Schulen organisiert ist. Eine konkludente Antragstellung bei der soziokulturellen
Teilhabe findet sich dagegen nur in einer einzigen Fallstudien-Kommune. In etwa einem Fünftel der Fallstudien-Kommunen wurde darüber hinaus die Möglichkeit einer
formlosen Antragsstellung hervorgehoben.
14
Eine knappe Mehrheit der 29 Fallstudien-Kommunen gestaltet die Beziehungen zu den
Anbietern teils vereinbarungsfrei, teils über Vereinbarungen als Direktzahlungsverfahren. In einigen der Fallstudien-Kommunen werden Kostenübernahmeerklärungen als
eine Unterform des Direktzahlungsverfahrens eingesetzt. In drei FallstudienKommunen kamen onlinebasierte Kartensysteme zur Anwendung. In etwa der Hälfte
der Fallstudien-Kommunen kamen regelmäßig Erstattungen an Leistungsberechtigte
vor. Einige wenige Fallstudien-Kommunen nutzten ihren Ermessensspielraum bei der
Ausgestaltung der gesetzlichen Vorgaben offensiv.
In den 29 untersuchten Kommunen bestehen vielfach in derselben Leistungsart verschiedene Abrechnungsverfahren nebeneinander. Nur etwa ein Drittel der FallstudienKommunen praktizierte außer bei der gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung nur Einzelabrechnungen. Sammelabrechnungen bei mindestens einer Leistungsart über die
gemeinschaftliche Mittagsverpflegung sind in über der Hälfte der untersuchten Fallstudien-Kommunen möglich. Eine pauschale Abrechnung findet sich in der Hälfte der
Fallstudien-Kommunen bei der gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung und in vier Fällen bei der Lernförderung. In sieben Fallstudien-Kommunen wird ein Direktzahlungsverfahren eingesetzt, bei dem es keiner gesonderten Rechnungsstellung durch den
Leistungsanbieter bedarf.
Einzelanträge sind in der Mehrzahl der betreffenden Fallstudien-Kommunen mit Direktzahlungsverfahren kombiniert. Direktzahlungsverfahren sind zudem häufiger mit Einzelabrechnungen in allen Leistungsarten (außer der gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung) verbunden, während sich Sammelabrechnungen häufiger im Zusammenhang mit Gutscheinverfahren finden. Ein Teil der Fallstudien-Kommunen scheint daher
eine wesentliche Vereinfachung, die Direktzahlungsverfahren gegenüber Gutscheinen
bieten, gar nicht zu nutzen, weil sie trotzdem in der Mehrzahl der Leistungsarten eine
Einzelabrechnung praktizieren.
In der Hälfte der Fallstudien-Kommunen, in denen ein Globalantrag genutzt wird,
mussten Leistungsberechtigte für die Konkretisierung des Bedarfs nach einer bestimmten BuT-Leistung weitere Nachweisformulare vorlegen, mit denen weitere Angaben
zum konkreten Angebot gemacht werden mussten. In der anderen Hälfte der Fallstudien-Kommunen mit Globalantrag wurden die dem Grunde nach bewilligten Leistungen
dagegen in mindestens einer Leistungsart konkludent in der Schule, der Kindertagesstätte oder bei einem anderen Anbieter konkretisiert.
Vielfach ergeben sich in den Fallstudien-Kommunen Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Verwaltungsverfahren und Inanspruchnahme: Information und Unterstützung bei der Antragstellung, eine konkludente Antragstellung in der Schule oder eine konkludente Konkretisierung eines Globalantrags durch Anbieter oder Schulen und
Kitas beförderten die Nutzung. Verfahrensrisiken wie kurze Bewilligungszeiträume,
lange Bearbeitungsdauern, fehlende Ansprechpartner für den Fall von Nachfragen und
eine intensive Einbindung von Eltern und Kindern in den Datenaustausch zwischen
Leistungsstellen und Anbietern erschwerten die Inanspruchnahme der BuT-Leistungen.
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Sammelabrechnungen und Pauschalierung von Leistungen vereinfachen die Verfahren
für Leistungsstellen und Anbieter. Konkludente Verfahren bedeuten eine Verfahrensvereinfachung für die Leistungsstellen, verlagern aber den Verfahrensaufwand zum
Teil von der Leistungsstelle zu den Anbietern bzw. Schulen und Kitas. Aus Sicht einiger Leistungsstellen würde der Verfahrensaufwand für BuT erheblich reduziert, wenn
ein Teil der BuT-Leistungen in die Verantwortung der Schulen übertragen würde.
Große Unterschiede bei der Umsetzung des Hinwirkungsgebots
Die BuT-Leistungsstellen sehen sich grundsätzlich für alle Rechtskreise dem spezifischen Hinwirkungsgebot für BuT-Leistungen nach § 4 Abs. 2 Satz 3 und 4 SGB II verpflichtet, d.h. einer aktiven und zugehenden Unterstützung der Eltern, damit Kinder und
Jugendliche Leistungen für Bildung und Teilhabe möglichst in Anspruch nehmen, und
der Zusammenarbeit mit unterstützenden Dritten und Anbietern, wie z.B. Schulen und
Kindertageseinrichtungen. Wie intensiv sie dies umsetzen, hängt offenbar auch mit der
Spezialisierung und Konzentration der BuT-Leistungsverwaltung zusammen (vgl. unten).
Insgesamt ein Drittel der Fallstudien-Kommunen zeichnet sich dadurch aus, dass sie
sowohl für die Beratung und Information der Leistungsberechtigten als auch die Einbindung von unterstützenden Dritten und Anbietern als fortlaufende Aufgabe verstehen
und systematisch verankert haben. Sie entfalten entsprechende Aktivitäten. In den
meisten dieser Fälle wurde eine spezifische personelle Zuständigkeit für die Steuerung
und Umsetzung entsprechender Aktivitäten insbesondere in Bezug auf Dritte definiert.
Es fällt auf, dass diese besonders hinwirkenden Kommunen zugleich auch im Bereich
der Antragsbearbeitung sowie der Bewilligung weites Ermessen im Sinne einer Förderung der Inanspruchnahme zeigen.
In ca. einem Viertel aller Fallstudien-Kommunen werden Leistungsberechtigte tatsächlich intensiv informiert, beraten und unterstützt. Diese Kommunen halten zum einen ein
öffentlich ausgewiesenes und telefonisch zugängliches Informations- und Beratungsangebot zumindest für Leistungsberechtigte in den Rechtskreisen SGB II und Wohngeld vor. Zudem ist erkennbar, dass Leistungsberechtigte aktiv auf die Leistungen angesprochen werden und bei der Antragstellung unterstützt werden, wenn dies erforderlich ist. Die proaktive Erstinformation wird teilweise durch die Leistungsstellen selber
geleistet, z.B. durch Beratung in der Eingangszone der Jobcenter, teilweise durch unterstützende Dritte, z.B. Schulsozialarbeiter/innen, Schul- und Kitaverwaltungen, aber
auch durch Sozialleistungsstellen, die nicht unmittelbar an der BuT-Leistungsbearbeitung beteiligt sind. In den anderen Kommunen finden Information und Beratung
von Leistungsberechtigten nur partiell statt bzw. werden keine entsprechenden Strukturen vorgehalten, um diese zu gewährleisten.
Etwas mehr als ein Drittel der Fallstudienkommunen sucht unterstützende Dritte proaktiv, gezielt und fortlaufend in die Lage zu versetzen, BuT-Leistungen zu bewerben und
die Antragstellung zu unterstützen und um Anbieter aktiv in die Gestaltung der Leis-
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tungserbringung einzubeziehen. Z.B. führen sie regelmäßig schulbezogene Informationsveranstaltungen und Schulungen für Schulsekretariate durch, sprechen Einrichtungen gezielt und wiederholt an und informieren über Neuerungen, oder sie pflegen von
sich aus regelmäßige Kontakte und bieten Gesprächsmöglichkeiten z.B. über Abrechnungsverfahren an. In vielen anderen Kommunen jedoch fanden solche Aktivitäten vor
allem bei der Einführung der BuT-Leistungen statt, wurden dann aber eingestellt; teilweise sehen Leistungsstellen die Aufgabe der Kontaktaufnahme nicht bei sich selbst,
sondern primär bei Dritten.
Die Auswertung (Schlussbericht: IV.2.5) zeigt zudem großen Verbesserungsbedarf bei
der Information über bedarfsauslösende Ansprüche (vgl. unten) und über die Möglichkeit, im Bereich der soziokulturellen Teilhabe auch Aufwendungen im Zusammenhang
mit Gemeinschaftsaktivitäten (wie Leihgebühren für Musikinstrumente oder Sportkleidung) - beantragen zu können.
Gelegentlich ist die Rolle der Jobcenter bei der Beratung potenziell Leistungsberechtigter und bei der Kooperation mit kommunalen Leistungsstellen unklar. Positive Beispiele
deuten darauf hin, dass es sinnvoll und erfolgreich sein kann, wenn der (Erst)Beratungsauftrag und Unterstützungsauftrag für Leistungsberechtigte im SGB II verbindlich bei den Eingangszonen liegt.
Schließlich ist kritisch zu bewerten, dass – wie in einzelnen Fällen sichtbar wurde –
Hinwirkungsstrukturen und -aktivitäten teilweise von der Verfügbarkeit kommunaler
Ressourcen für freiwillige kommunale Leistungen abhängen.
Unzureichende Information über bedarfsauslösende Gestaltung der Leistungen
Dass die Leistungen zur Bildung und Teilhabe bedarfsauslösend ausgestaltet sind,
wird zwar von einem größeren Teil, aber nicht von allen Leistungsstellen in internen
Richtlinien und Hinweisen für den Verwaltungsvollzug und in den allgemein verfügbaren Informationen zu BuT aufgegriffen und kommuniziert. Und während auf den Homepages fast aller einbezogenen Leistungsträger ein Passus auf die wesentlichen anspruchsbegündenden Sachverhalte der Bildungs- und Teilhabeleistungen hinweist, ergänzen nur sieben der 29 Leistungsträger dies mit einem Hinweis auf anspruchsauslösende Fallkonstellationen. Wie einige Stichproben zeigen, sind BuT-Hinweise auf den
Homepages kleinerer Gemeinden, die für die Rechtskreise SGB II und AsylbLG zuständig sind, kaum vorhanden. Bei einigen Leistungsträgern enthalten die internen
Verwaltungsanweisungen zumindest Auszüge aus den Rechtsgrundlagen und/oder
Berechnungsbeispiele für die Einkommensprüfung und Anrechnung bei überschießendem Einkommen, wenn diese auch häufiger darauf abzielen, einen Leistungsausschluss zu begründen, als darauf, die möglichen BuT-Leistungsansprüche Geringverdienender zu verdeutlichen.
Bedarfsauslösende Fallgestaltungen (sog. „Schwellenhaushalte“) spielen in der Praxis
der meisten Leistungsstellen keine oder kaum eine Rolle. Dies liegt nach Auffassung
mehrerer Gesprächspartner/innen erstens an der Ausgestaltung der Leistungsansprü17
che selbst. Zweitens seien die Verfahren der Bedarfsfeststellung abschreckend. Drittens führe u.a. die verkürzte Informationspolitik der Leistungsstellen dazu, dass BuTAnsprüche mancherorts nur zugelassen werden, wenn Antragstellende im laufenden
Bezug von ALG II-Leistungen, Sozialhilfe, Wohngeld oder KiZ stehen. Dies wird auch
gegenüber Dritten so kommuniziert. Viertens werde vielfach versäumt, zu verbleibenden Ansprüchen zu beraten, wenn der Leistungsbezug, etwa durch Aufnahme einer
gering entlohnten Arbeit, endet. Fünftens schließlich kann es vorkommen, dass Anträge nicht angenommen werden, weil Antragstellende zunächst darauf verwiesen werden, Wohngeld oder KiZ zu beantragen, um in den Genuss von BuT-Leistungen zu
kommen, so dass ihr akuter Bedarf anders gedeckt werden muss.
In vier Fallstudien-Kommunen bestätigen Interviewpartner/innen, dass nur gelegentlich
Anträge gestellt werden, überwiegend im Zusammenhang mit Klassenfahrten. Drei
Fallstudien-Kommunen beschreiben besondere Strategien, um GeringverdienerHaushalten den BuT-Leistungen entsprechende Leistungen aus freiwilligen kommunalen Mitteln zu ermöglichen.
Ansätze zur Typisierung kommunaler Lösungen
Zwischen dem Aufbau der Leistungsverwaltung und der Umsetzung des Hinwirkungsgebots zeigen sich Zusammenhänge (Schlussbericht: IV.2.6). Sieben der acht Fallstudien-Kommunen, die das Hinwirkungsgebot intensiv und umfassend umsetzen, haben
die BuT-Leistungserbringung mindestens für den Großteil der Leistungsberechtigten
spezialisiert und über mehrere Rechtskreise hinweg in eigenen BuTOrganisationseinheiten konzentriert. In den Fallstudienkommunen mit konzentrierter
Zuständigkeit für BuT-Leistungen in eigenständiger Verwaltungseinheit finden sich
nicht immer, aber vergleichsweise häufig Konzepte für umfassende rechtskreisübergreifende Information und Beratung sowohl von Leistungsberechtigten als auch von
unterstützenden Dritten und Anbietern. Zum einen kann eine spezialisierte Leistungserbringung dabei Ausdruck einer kommunalen Entscheidung sein, BuT-Leistungen
stärker zu gewichten, diese als neue und spezifische Leistung zu gestalten und entsprechende Strukturen und Ressourcen dafür zur Verfügung zu stellen bzw. aufzubauen. Zum Anderen bietet umgekehrt eine zentrale und spezialisierte Leistungserbringung bessere Voraussetzungen für eine Koordinierung und Steuerung von Hinwirkungsaktivitäten für die Gesamtheit der Leistungsberechtigten, aber auch in Bezug auf
Dritte und Anbieter. In einer integrierten und rechtskreisgetrennten Aufbauorganisation
kann Hinwirkung zwar auch losgelöst von der Leistungserbringung realisiert werden,
dort ist aber die Zuständigkeit hierfür nicht geklärt.
Die Ausprägungen der Kommunen in der Dimension der Verfahrensgestaltung scheinen hingegen weitgehend eigenständig und unabhängig von den Hinwirkungsaktivitäten und der Aufbauorganisation zu sein. Sowohl bei der Frage der für Anbieter aufwandsärmeren Verfahrensgestaltung (Sammelabrechnung, Pauschalierung, Direktzahlung) als auch der für Leistungsberechtigte leichteren Inanspruchnahme durch konklu-
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dente Verfahren gibt es keine auffälligen Häufungen von Kommunen mit ausgeprägter
Hinwirkung oder einer bestimmten Aufbauorganisation. Die Frage der Verfahrensgestaltung scheint dabei nicht zuletzt im starken Maße von externen Rahmenbedingungen abzuhängen. So können konkludente Verfahren etwa leichter mit Anbietern in der
gleichen Trägerschaft wie die BuT-Leistungsstellen vereinbart werden (z.B. kreiseigenen Schulen). Je nach Zuständigkeit bedeutet dies in unterschiedlichen Aufbauorganisationen unterschiedliche Herausforderungen zur Etablierung konkludenter Verfahren.
Schließlich – so deuten einige Fallstudien an – ist sogar ein umgekehrter Zusammenhang zwischen förderlichen Hinwirkungsaktivitäten und hohen Verfahrenshürden denkbar. Sind etwa Verfahren für Anbieter aufwändiger, können besondere Hinwirkungsaktivitäten der Kommune erforderlich sein, um diese einzubinden, von den Verfahren zu
überzeugen und die Umsetzung intensiv zu begleiten.
Art, Umfang und Intensität der Umsetzung des Hinwirkungsgebots scheinen oftmals
mit sozialpolitischen Handlungsorientierungen einherzugehen bzw. werden von den
Befragten damit begründet. In ca. einem Drittel der Fälle zeigen sich dabei Unterschiede hinsichtlich der geäußerten Handlungsorientierungen zwischen Hierarchieebenen:
Leitung und Führungskräfte orientieren sich eher auf Chancenverbesserung und Bedarf der Leistungsberechtigten, wohingegen Sachbearbeiter/innen tendenziell stärker
Aspekte der Mitwirkung betonen.
2.5
Anbieter – eine höchst heterogene Gruppe
Die Gruppe der Leistungsanbieter ist höchst heterogen. Schulen und Kitas, Vereine,
Musikschulen und freie Träger der Jugendhilfe, Nachhilfekräfte und Verkehrsunternehmen sehen sich nicht in erster Linie als Anbieter von BuT-Leistungen, sondern sie
werden es aus der Perspektive der BuT-Leistungsverwaltung. Sie stehen zunächst in
einem Rechtsverhältnis zu den Kindern und Jugendlichen, und die Anteile der Leistungsberechtigten, die an ihren Aktivitäten teilnehmen, unterscheiden sich stark. Doch
wenn der finanzielle Bedarf durch die BuT-Leistungsverwaltung gedeckt wird, müssen
die Leistungsberechtigten ihnen in der Regel ihre Bedürftigkeit offenlegen. Und auch
wenn die Anbieter keine sozialrechtliche Leistungs- und Vergütungsvereinbarung mit
den BuT-Leistungsstellen eingehen, sind sie auf lokal unterschiedliche Weise in das
Leistungsverhältnis einbezogen: formell z.B. über Kostenübernahmeerklärungen, Gutscheinverfahren, Abrechnungsmodalitäten oder Kartensysteme, oder informell (z.B.
über Information zur Förderung nach BuT. Daraus ergeben sich für sie neue Aufgaben
und Aufwände (Schlussbericht: IV.3).
Für die 29 kommunalen Fallstudien wurden in 2014 Expert/inn/eninterviews mit Anbietern geführt. In diesen Kommunen wurden im Sommer 2015 knapp 1000 Anbieter und
unterstützende Dritte (Schulsozialarbeiter/innen und Beratungseinrichtungen) zu ihren
Erfahrungen mit den Bildungs- und Teilhabeleistungen befragt.
Die großen Unterschiede zwischen den Anbietern zeigen sich schon bei den geschätzten Anteilen potenziell Leistungsberechtigter. Schulen, Kitas oder Vereine mit weniger
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als 10 Prozent Kindern und Jugendlichen, die berechtigende Sozialleistungen beziehen, zeigen sich z. T. wenig informiert über das „Bildungs- und Teilhabepaket“, anderen mit Anteilen von 25 Prozent und mehr ist es selbstverständlicher Teil der Finanzierung von Angeboten und Aktivitäten. Auch wenn die Anbieter Gutscheine tendenziell
als aufwändiger wahrnehmen als Direktzahlungen, gibt es keine eindeutigen Präferenzen für bestimmte Verfahren: Sie integrieren sie mehr oder weniger gut in ihre sonstigen Verwaltungsabläufe und bewerten sie unterschiedlich. Sowohl die Expert/inn/engespräche wie die standardisierte Befragung bestätigen die entscheidende
Unterstützungsfunktion der Schulsozialarbeiter/innen bei der Inanspruchnahme der
schulnahen Leistungen.
In der Implementationsstudie wurden die kommunalen Leistungsstellen danach unterschieden, in welcher Intensität und auf welchen Wegen sie Anbieter und Dritte informieren und befähigen, BuT-Leistungen sowie Angebote aktiv zu bewerben und die Antragstellung zu unterstützen, und ob Anbieter so einbezogen werden, dass Angebote
zugänglich gemacht werden und Kommunikationsmöglichkeiten über Verfahrensfragen
bestehen. Anbieter, die durch intensiv hinwirkende Kommunen spezifischer und systematischer angesprochen und einbezogen werden, bescheinigen den Leistungsstellen
durchgängig eine höhere Erreichbarkeit und erklären sich für besser informiert. Sie
nehmen es als Interesse der Kommune wahr, dass die berechtigten Kinder und Jugendlichen Förderleistungen erhalten.
Die befragten Anbieter bekunden überwiegend große Zustimmung zur Ausgestaltung
der Bildungs- und Teilhabeleistungen. Mit Ausnahme von Schulsozialarbeiter/inne/n
(58 Prozent) sind alle Akteursgruppen einhellig und mit knapp 90 Prozent Zustimmung
der Überzeugung, dass die BuT-Leistungen nicht direkt an die Eltern ausgezahlt werden dürften. 80 Prozent der Befragten aus Kitas und 71 Prozent der Auskunftspersonen in Schulen halten den Kreis der Leistungsberechtigten nicht für zu eng gefasst und
würden ihn nicht ausdehnen. Auch findet die große Mehrheit der Befragten in Schulen
(74 Prozent) und knapp mehr als die Hälfte der befragten Schulsozialarbeiter/innen
(60 Prozent) f nicht, dass Leistungen zur Bildung und Teilhabe grundsätzlich allen Kindern zu Gute kommen sollten. 75 Prozent der Kitas und Schulen halten die Leistungshöhe für ausreichend. Bei den Schulsozialarbeiter/inne/n sind es nur 53 Prozent, bei
den Vertreter/inne/n von Beratungseinrichtungen ist nur die Minderheit (37 Prozent%)
dieser Auffassung. Nur etwa ein Drittel (32 Prozent) der befragten Dritten meint, dass
weitere Aktivitäten durch die BuT-Leistungen gefördert werden sollten.
2.6
Die Perspektive der Leistungsberechtigten
Befragt man junge Menschen und ihre Familien zu ihrer Perspektive auf Bildung und
Teilhabe, so äußern sie sich vor dem Hintergrund ihrer materiellen Lebenslage und ihrer Erfahrungen mit dem Bezug bedürftigkeitsgeprüfter Sozialleistungen. Ihre Aussagen stehen daher in einem größeren Erfahrungszusammenhang. Sie beziehen sich
nicht nur auf die Bedarfe, die mit einzelnen Bildungs- und Teilhabeleistungen gedeckt
20
werden sollten, und bewerten nicht allein die damit verbundenen Verfahrensanforderungen.
Da die BuT-Leistungen zu beantragen sind und der besondere Teilhabebedarf nachzuweisen ist, müssen die grundsätzlich Leistungsberechtigten ihren Anspruch aktiv geltend machen (Schlussbericht: I.4). Tun sie dies nicht, werden anzuerkennende Bedarfe
nicht gedeckt, was zu Lasten anderer notwendiger Ausgaben aus dem Regelsatz gehen kann. Ob sie dies tun, hängt zunächst davon, wie gut sie die Leistungen, die Anspruchsvoraussetzungen und ggf. die Antragsverfahren kennen. Bei einigen Leistungsarten kommen Bewertungen des Angebots und Wahlentscheidungen ins Spiel. In
die Entscheidung für Inanspruchnahme gehen aber auch Abwägungen zu Aufwand
und Nutzen ein; sie werden wesentlich davon beeinflusst, wie die kommunale Leistungsverwaltung die Verfahren ausgestaltet hat. Die tatsächliche Teilhabewirkung entscheidet sich erst in der Nutzung, d.h. in der Beziehung zwischen Leistungsberechtigten und Anbietern.
Teilhabeerwartungen gehen über BuT hinaus
In den Interviews und Fokusgruppen, die im Rahmen der Implementationsstudie mit
Leistungsberechtigten durchgeführt wurden, wurden Eltern und Jugendliche zu ihren
Teilhabeerwartungen und Teilhabewünschen befragt. Die Antworten (Schlussbericht:
III.1) ergeben übereinstimmend, dass zur Teilhabesicherung mehr erforderlich ist als
eine Absicherung von Grundbedürfnissen auf einem Mindestniveau.
Gesundes Essen, gutes Wohnen und ordentliche saubere Kleidung gehören aus Sicht
der Eltern und Jugendlichen nicht nur zu einem in Würde geführten Leben, sondern
werden gleichzeitig als entscheidende Voraussetzungen dafür beschrieben, dass die
Kinder auch soziale Kontakte zu Mitschüler/inne/n, Freunden und Bekannten pflegen
können. Es wurde deutlich, dass unter Kindern und Jugendlichen häufig ein PeerDruck besteht, eine bestimmte (modische) Kleidung zu tragen, um in der Gruppe bestehen zu können. Kann diesem Druck nicht entsprochen werden, kommt es unter
Umständen zur (Selbst-)Ausgrenzung. So äußerten die Jugendlichen in vielen Varianten, dass es für die Teilhabe wichtig sei, „dass man gute Klamotten trägt“.
Das bildungsmäßige Fortkommen wird als äußerst wichtig angesehen. Bildungschancen dürften auf keinen Fall durch die schwierige finanzielle Situation des Haushalts beschränkt werden. Die Teilnahme an allen schulischen Veranstaltungen inklusive der
Ausflüge und mehrtägigen Fahrten seien für die Teilhabe von hoher Bedeutung.
Dies betrifft jedoch ebenso Ausflüge und kulturelle Angebote in der Ferienzeit. Es wurde berichtet, dass Eltern ihre Kinder bei Ferienfreizeiten tageweise abmelden, weil sie
die Eintrittskarten oder das Fahrgeld dafür nicht finanzieren können und diese Bedarfe
durch die BuT-Leistungen nicht abgedeckt sind. Für einen Selbstausschluss ist es häufig schon ausreichend, dass die Eltern nicht sicher sind, ob sie für die verauslagten
Gelder eine Erstattung bekommen können.
21
Alle Befragten wünschen sich, dass die Kinder und Jugendlichen ihren Wünschen und
Neigungen entsprechende Freizeitaktivitäten wählen und dabei Kontakte zu gleichaltrigen Kindern pflegen können. Neben organisierten Freizeiten möchten die Eltern gern
auch privat etwas mit den Kindern unternehmen können, wie Kino-, Theater- und Museumsbesuche, Ausflüge in Erlebnisparks, Tierpark- und Schwimmbadbesuche. Ebenso äußerten die Jugendlichen in den Fokusgruppen, dass viele Freizeitaktivitäten Geld
kosten und es nur wenige Möglichkeiten gibt, mit Freunden etwas zu unternehmen,
ohne dabei etwas zu bezahlen. In diesen Fällen nützten Sachleistungen nichts, die Jugendlichen benötigen Geld, wenn sie auch jenseits der Aktivitäten in Vereinen ihre
Freizeit mit Freunden verbringen möchten.
Die Eltern wünschen sich, gemeinsam mit den Kindern in den Urlaub fahren zu können, was vielen Leistungsberechtigten jedoch aktuell nicht gelingt. Es wird als Exklusion erfahren, wenn Kinder gar keine Urlaubsreisen unternehmen können. Es ist für Kinder mitunter nicht einfach, wenn sie nach den Ferien die Reiseberichte ihrer Klassenkameraden hören und nach ihren Ferienerlebnissen gefragt werden.
Auch gehörten Computer und ein einfaches Smartphone inzwischen zur üblichen Ausstattung – nicht zuletzt, weil dies auch in der Schule oft vorausgesetzt wird. Kinder und
Jugendliche sind von der Kommunikation ausgeschlossen, wenn sie nicht per Email
und SMS kommunizieren können. Zur Sicherung der Mobilität werden ein Fahrrad sowie ein Fahrticket benötigt.
Da nur ein Teil der Teilhabewünsche durch BuT-Leistungen gedeckt wird, schätzten
die befragten Leistungsberechtigten die aktuelle Teilhabesituation ihrer Kinder tendenziell kritisch ein. Nur eine Minderheit sieht ihre Kinder gegenüber Kindern aus Familien,
die keine Sozialleistungen beziehen, als nicht benachteiligt an. Vielen Eltern fällt es
schwer, ihren Kindern zu erklären, dass sie ihnen Teilhabewünsche nicht oder nicht im
gewünschten Maße erfüllen können.
Teilnahmelücken bleiben bestehen
Den Teilhaberückstand von grundsätzlich leistungsberechtigte Kindern und Jugendlichen gegenüber ihren Altersgenossen aus finanziell besser abgesicherten Familien
ohne Bezug von entsprechenden Sozialleistungen belegt auch die deskriptive Analyse
der realisierten Teilnahme an förderfähigen Aktivitäten auf der Grundlage der Längsschnittbefragung PASS für den Zeitraum 2012 bis 2014 (Schlussbericht: II.2). Demnach bestehen zwischen Kindern und Jugendlichen aus Familien mit unzureichendem
Einkommen und finanziell besser Abgesicherten vor allem bei den Teilnahmemöglichkeiten an einer gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung, bei mehrtägigen Klassenfahrten und bei der Teilnahme an Gruppenaktivitäten deutliche Teilnahmeunterschiede. Im
Zeitverlauf ändern sich diese nur geringfügig. Zwar haben die potenziell BuTLeistungsberechtigten bei der gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung einen Teilnahmevorsprung von 14 Prozentpunkten. Dieser ist jedoch auf Einflussfaktoren wie den
Besuch von Ganztagsschulen zurückzuführen. Bei der Teilnahme an angeleiteten,
22
gruppenorientierten Aktivitäten steigt die Beteiligungsquote von Kindern aus Familien
mit unzureichendem Einkommen von 2012 auf 2013 leicht an, der Anstieg setzt sich
aber im Folgejahr nicht weiter fort. Im Jahr 2014 beträgt der Teilnahmerückstand von
grundsätzlich leistungsberechtigten Kindern gegenüber Gleichaltrigen aus finanziell
besser abgesicherten Familien immer noch 26 Prozentpunkte. Beide Gruppen beteiligen sich vor allem an sportlichen Aktivitäten. Die Beteiligungsquote liegt hier bei Kindern aus Familien mit unzureichendem Einkommen mit 71 Prozent deutlich unter der
Quote von finanziell besser Abgesicherten (87 Prozent).
Inanspruchnahme beginnt mit Kenntnis der Leistungsansprüche
Von den Haushalten der Längsschnittbefragung PASS hatten im Jahr 2012 – ein Jahr
nach der Einführung – 74 Prozent der potenziell leistungsberechtigten Haushalte schon
einmal vom Bildungs- und Teilhabepaket gehört; bis 2013 stieg diese Quote auf 84
Prozent und stabilisierte sich 2014 bei 87 Prozent (Schlussbericht: II.3.1).
Trotz der hohen durchschnittlichen Kenntnisquote variiert der Kenntnisstand innerhalb
der Teilgruppen erheblich. Insbesondere leistungsberechtigte Haushalte mit eher geringen Deutschkenntnissen und Haushalte ohne Schulkinder weisen deutliche Informationsdefizite auf. Die Auswertungen zeigen des Weiteren, dass die Informationslücke
dieser beiden Gruppen seit Einführung des Bildungs- und Teilhabepakets auch nicht
abgebaut werden konnten. Wohingegen beispielsweise westdeutsche Haushalte ihr
anfängliches Informationsdefizit aufholen konnten und sich 2014 besser informiert zeigen als noch 2012.
Die Bedeutung der Kenntnis als wichtige Voraussetzung der Inanspruchnahme zeigt
sich auch bei der Analyse möglicher Motive der Nichtantragstellung aus der Sicht der
Leistungsberechtigten. Neben dem fehlenden Bedarf einer finanziellen Förderung
durch das Bildungs- und Leistungspaket wird hier v.a. auch die mangelnde Kenntnis
genannt, an welche Stelle man sich wenden muss, um einen Antrag zu stellen (Evaluation Bildung und Teilhabe 2015: IV.1.5).
Auf der Grundlage der Interviews mit Leistungsberechtigten für die 29 kommunalen
Fallstudien konnte zusätzlich untersucht werden, ob die Leistungsberechtigten Ansprüche antragssicher geltend machen können (Schlussbericht: IV.4.1). Auch bei denjenigen, die schon von BuT gehört oder sogar bereits Leistungen bezogen hatten, bestehen erhebliche Informationslücken. Unzureichende und fehlerhafte Kenntnisse sind ursächlich dafür, dass BuT-Leistungen, auf die ein Anspruch bestand, nicht beantragt
wurden.
Ein Teil der Leistungsberechtigten nimmt die BuT-Leistungen deshalb nicht vollständig
in Anspruch, weil die schriftlichen Informationen nicht oder nicht richtig oder nicht vollständig verstanden worden waren. Informationsdefizite resultieren auch daraus, dass
die vorhandenen Informationen nicht mehr aktuell waren. Eltern, deren Leistungsansprüche zwischen den Rechtskreisen wechselten, weil sie eine Arbeit aufnahmen oder
regelmäßig unstete Erwerbseinkommen erzielen, oder deren Kinder Sozialleistungen
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aus je verschiedenen Rechtskreisen bezogen, war oftmals unklar, dass sie – anders
als im SGB II - einen zusätzlichen Antrag auf Schulbedarf stellen mussten. Teilweise
hatten die Leistungsberechtigten die Verfahren nicht verstanden und deshalb Fristen
versäumt oder den erforderlichen Folgeantrag nicht gestellt.
Gerade weil die Leistungsberechtigten selbst aktiv werden müssen, um die BuTLeistungen in Anspruch nehmen zu können, ist die umfassende – und ggfs. auch
mehrmalige – Beratung zu diesen Themen ein Schlüssel zur Erhöhung der Inanspruchnahme der BuT-Leistungen. Sie müssen wissen, dass der Bezug von bestimmten Sozialleistungen sie zu BuT-Leistungen berechtigt, aber auch, dass es Einkommenssituationen gibt, in denen BuT-Leistungen bedarfsauslösend wirken. Weiterhin ist
Wissen um die Förderbedingungen im Einzelnen und Verfahrenswissen grundlegend.
So muss ihnen bekannt sein, wie und wo man die jeweilige Leistung beantragen und
wer bei einer Antragstellung gegebenenfalls unterstützen und beraten kann. Leistungsberechtigte sollten im Idealfall die Förderbedingungen für jede Leistungsart kennen und über die lokale Ausgestaltung der Verfahrensschritte informiert sein. Zugleich
wird der Vorteil von Verfahren deutlich, die keine umfassende Information voraussetzen und einen möglichst einfachen Weg zu den BuT-Leistungen ebnen (z.B. konkludente Verfahren). Da die Informationsmöglichkeiten und -bedarfe unterschiedlich sind,
wird eine zielgruppenadäquate Ansprache grundsätzlich als wesentlich erachtet.
Die in den Fallstudien Befragten haben vielfach die Erfahrung gemacht, dass Informationen dann am ehesten wahrgenommen werden und zu höherer Inanspruchnahme
führen, wenn sie in Einrichtungen, die ohnehin Kontakt zu potenziell Leistungsberechtigten bzw. deren Kindern haben, zielgerichtet an diese vermittelt werden. Dies sind
neben den Ämtern, in denen die Sozialleistungen umgesetzt werden, die grundsätzlich
zu BuT-Leistungen berechtigen, Einrichtungen, die Dienstleistungen anbieten, die mit
BuT-Leistungen gefördert werden (Anbieter). Hinzu kommen Einrichtungen, die grundsätzlich zu Bildung und sozialer Unterstützung beraten und informieren (unterstützende
Dritte). Als Schlüsselinstitutionen für Information und Beratung werden in den Fallstudienkommunen Schulen und Kitas sowie die Schulsozialarbeit erachtet.
Geringer Aufwand und hoher Nutzen der Leistung fördern die Inanspruchnahme
Je einfacher die Antragstellung und je unkomplizierter die Abrechnung für die Leistungsberechtigten, desto wahrscheinlicher ist es, dass Leistungsberechtigte ihren Anspruch auf BuT-Leistungen geltend machen (Schlussbericht: IV.4.2). So nehmen die
potenziell Leistungsberechtigten die Beantragung der BuT-Leistung eher in Angriff,
wenn der Zugang zur Antragstellung einfach gestaltet und die Abrechnung unkompliziert ist, wenn Ausgrenzungsängste ernst genommen werden, wenn klar ist, ob und in
welcher Höhe sie in Vorleistung gehen müssen, oder wenn im Einzelfall auf Wunsch
der Eltern eine Rückerstattung vorverauslagter Kosten statt Direktzahlung an die Anbieter vereinbart werden kann. Umgekehrt wird es als erhöhter Aufwand wahrgenommen, wenn mehrere und zum Teil weite Wege erforderlich sind, um alle Unterschriften
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und Unterlagen beizubringen, wenn Bewilligungsbescheide nicht nachvollziehbar und
Abrechnungen kompliziert sind oder wenn ein Risiko besteht, dass Kosten (anteilig)
selbst getragen werden müssen.
Eintägige Ausflüge werden von Leistungsberechtigten aufgrund eines ungünstigen
Aufwand-Nutzen-Verhältnisses häufiger aus eigener Tasche finanziert. Bei mehr als
zwei Dritteln der für die Implementationsanalyse befragten Eltern, deren Kinder an eintägigen Ausflügen teilnehmen, war es schon vorgekommen, dass sie die Kostenerstattung nicht beantragt hatten, obwohl es möglich gewesen wäre. Bei anderen Leistungsarten kommt dies eher selten vor. Als sehr wichtig bewertete und teure Leistungsarten
(vor allem Klassenfahrten und Lernförderung) werden dagegen selbst dann in Anspruch genommen, wenn die Beantragung mit hohem Aufwand verbunden ist.
Wahl- und Präferenzentscheidungen – je nach Leistungsart unterschiedlich
Nur bei einigen Leistungsarten besteht Spielraum für Wahl- und Präferenzentscheidungen der Leistungsberechtigten (Schlussbericht: IV.4.3). (Etwa gelten für Klassenfahrten und Ausflüge in der Regel Teilnahmepflichten. Nichtteilnahme schließt von der
Gruppe aus.)
Wenn Schülerinnen und Schüler für ihren Schulweg die öffentliche Schülerbeförderung
in Anspruch nehmen (müssen), dann entstehen dafür je nach Landesrecht unterschiedliche Kosten. In der Mehrzahl der Fälle werden diese Kosten über vorrangige
Leistungen der Kommunen als Träger der Schülerbeförderung abgedeckt. In den Fällen, in denen den Familien finanzieller Aufwand entsteht, wird in der Regel die BuTLeistung Schülerbeförderung beantragt, vorausgesetzt, die Familien verfügen über die
dazu notwendigen Informationen. Ein Teil der Leistungsberechtigten verzichtet aber
auch auf die Beantragung von Schülertickets und nutzt alternative Lösungen für die
Mobilitätsbedarfe. Ein Grund dafür ist, dass der Eigenanteil für die BuTSchülerbeförderung als zu hoch angesehen wird und die Eltern keine Jahresverträge
mit dem Verkehrsbetrieb abschließen wollen, wenn sie nicht wissen, ob sie nach Ende
des aktuellen Bewilligungsbescheides die vollen Kosten des Ticket-Abonnements
selbst zahlen müssen. Dass der Bedarf an der BuT-Leistung im Einzelfall hoch ist, zeigen diverse gerichtliche Auseinandersetzungen darum, ob für die jeweils gewählten
Schulen die Beförderung als BuT-Leistung finanziert wird.
Bei der BuT-Lernförderung weisen die Präferenzen der Leistungsberechtigten eher in
Richtung einer stärkeren Nutzung, was sich in einer relativ hohen Zahl abgelehnter Anträge zeigte. Ein relevanter Teil der Leistungsberechtigten wünscht sich, dass die eigenen Kinder einen möglichst hohen Schulabschluss erreichen, um ihnen den Weg in
das Berufsleben zu erleichtern. Nicht selten sind diese Kinder „zu gut“ für die eng definierten Bedingungen der BuT-Leistung zur Lernförderung, könnten aber mit gezielter
Nachhilfe deutlich bessere schulische Leistungen erzielen. In den Familien, die nicht
über die Kompetenzen oder die zeitlichen Ressourcen verfügen, die Kinder umfang-
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reich selbst zu fördern, bleiben damit Entwicklungspotentiale gegen die Präferenzen
der Eltern ungenutzt.
Bei der gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung beruht ein erheblicher Teil der Nichtinanspruchnahme auf bewusst getroffenen individuellen Entscheidungen der Familie.
Zum einen beeinflusst die Wahl der besuchten Schule, ob überhaupt ein Mittagessen
angeboten wird bzw. die Teilnahme am Mittagessen verpflichtend ist. Zum anderen
entscheidet sich ein Teil der Familien, ein angebotenes Mittagessen nicht zu nutzen,
weil den Kindern das Essen nicht schmeckt, weil es als nicht ausreichend gesund bewertet wird oder weil die Familien die Zeit des Mittagessens als teilweise einzige gemeinsame Familienzeit am Tag nutzen wollen. In anderen Fällen entscheiden die Kinder und Jugendlichen, dass sie nicht am gemeinsamen Mittagessen teilnehmen wollen,
weil sie sich durch das Verfahren des Ermäßigungsnachweises diskriminiert fühlen oder gehänselt wurden, weil sie als arm erkennbar waren. Oder sie wollen nicht in die
Ganztagsbetreuung gehen, weil ihre Freunde diese auch nicht nutzen – und ohne die
Teilnahme am Ganztagsbetrieb keine Teilnahme am Mittagessen möglich ist. Und drittens hat ein Teil der Familien die Sorge, dass sie am Ende eines Bewilligungszeitraums die vollen Kosten für das Mittagessen selbst zahlen müssen, weil sie mit dem
Essensanbieter einen Vertrag für ein Schul- oder Kita-Jahr abschließen müssen. Es
gab auch vereinzelt Berichte, dass Kinder vom Mittagessen ausgeschlossen wurden,
weil ihre Eltern den Beitrag nicht gezahlt hatten.
Bei der Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben waren die Motive der Inanspruchnahme stark von individuellen Neigungen und Wünschen der Kinder und Jugendlichen
geprägt. Auffällig war eine starke Dominanz des Wunsches von Jungen, in einen Fußballverein zu gehen. Diverse Wünsche von Kindern und Jugendlichen nach musischer
oder auch sportlicher Betätigung ließen sich mit der pauschalierten BuT-Leistung nicht
finanzieren. Häufig berichteten die Eltern, dass sie die Kinder gern im Verein anmelden
würden, aber keine Möglichkeit sehen, sie dort regelmäßig hinzubringen und wieder
abzuholen, weil dazu die Ressourcen oder Kapazitäten fehlten. Die Präferenz, die
Pauschalen für Freizeiten anzusparen, findet ihre Grenzen dort, wo nach Ende eines
Bewilligungszeitraumes von weniger als zwölf Monaten die angesparten Pauschalen
verfallen, weil der ausgewählte Kurs erst zu einem späteren Zeitpunkt stattfindet. Deutlich wurde, dass sich viele Familien wünschen, die BuT-Leistung auch für vergleichbare soziokulturelle Aktivitäten mit Freunden oder in der Familie nutzen zu können. Und
deutlich wurde auch, dass die Präferenzen der Kinder und Jugendlichen insgesamt
weniger auf eine Mitgliedschaft in Vereinen ausgerichtet sind als auf individuellere und
temporär begrenztere Gruppenaktivitäten – ein Muster, dass aus der Partizipationsforschung hinlänglich bekannt ist.
Sichtbare Hilfebedürftigkeit: Angst vor Ausgrenzung kann zu Verzicht führen
Um BuT-Leistungen zu erhalten, müssen in der Regel Anträge gestellt und Nachweise
erbracht werden, d. h. die Leistungsberechtigten müssen sich gegenüber den Ämtern
26
offenbaren, um ihren Rechtsanspruch geltend machen zu können. Anders als bei vielen anderen Sozialleistungen bedingt die Form der Leistungserbringung, dass sich
Leistungsberechtigte auch gegenüber den Anbietern – Kitas bzw. Schulen, Vereinen
und Lernförderern – als Sozialleistungsbeziehende zu erkennen geben müssen. Die
Implementationsanalyse (Schlussbericht: IV.4.4) zeigte, dass diese Offenlegung von
einem Teil der Leistungsberechtigten kritisch gesehen wird und eine wesentliche Ursache dafür ist, dass nicht alle Leistungsberechtigte die ihnen zustehenden Leistungen
nach BuT auch beantragen.
Für einen großen Teil der Leistungsberechtigten ist es belastend, auf Sozialleistungen
angewiesen zu sein. Tatsächlich erlebten die Kinder oft Mobbing und Diskriminierung,
wenn sie als arm identifiziert wurden. Weil das gesellschaftliche Umfeld häufig nicht
respektvoll mit Sozialleistungsbeziehenden umgeht, möchten viele Leistungsberechtigte nicht als solche erkennbar sein. Noch wichtiger ist es ihnen, ihre Kinder vor Ausgrenzung und Hänseleien durch die Peer-Group zu schützen. Um dies zu gewährleisten, verzichten sie mitunter auf die Beantragung der BuT-Leistungen, vor allem dann,
wenn es sich nur um kleinere Beträge handelt. Aus denselben Gründen legen Jugendliche mitunter ihren Eltern nahe, auf eine Antragstellung zu verzichten. Häufig wünschen daher Leistungsberechtigte Rückerstattungen anstelle der üblichen Leistungserbringung durch Direktzahlung und Gutscheine, was derzeit nur in besonderen Fallkonstellationen möglich ist. Die Sichtbarkeit des Leistungsempfangs im Fall der Sachleistungen war für einen Teil der Leistungsberechtigten ausschlaggebend dafür, eher für
Geldleistungen zu plädieren. Durch einen diskreten Umgang, neutrale Verfahren und
Sensibilisierung aller am Verfahren beteiligten Akteure für die Sorgen der Leistungsberechtigten kann die Inanspruchnahme von BuT-Leistungen erhöht werden.
Ein Teil der Leistungsberechtigten geht offen damit um, BuT-Leistungen zu beziehen.
Sie betonen dabei den Rechtsanspruch und die positiven Ziele und Wirkungen dieser
sozialen Leistungen. Für viele Leistungsberechtigte war jedoch das Hauptproblem
nicht der Leistungsbezug, sondern die Einkommensarmut des Haushalts.
Bewertung der Leistungen grundsätzlich positiv
Die Ergebnisse der Längsschnittbefragung PASS weisen auf eine sehr positive Bewertung des „Bildungspakets“ durch die potenziell leistungsberechtigten Haushalte hin
(Schlussbericht: II.4). Jeweils ca. 85 Prozent sehen die zusätzlichen Leistungen als eine gute Unterstützung für Kinder an und sind der Meinung, dass sich der Aufwand
lohnt, die Leistungen zu beantragen.
Die Leistungsberechtigten sollten im Rahmen der Längsschnittbefragung bewerten, ob
die Leistungen zur Bildung und Teilhabe besser als frei verfügbarer Geldbetrag (beispielsweise im Rahmen der Regelsätze) ausbezahlt werden sollten. Hier gibt es ein
uneinheitlicheres Bild als bei den anderen Bewertungsaspekten. Ca. 25 Prozent der
grundsätzlich leistungsberechtigten Haushalte plädieren für einen frei verfügbaren
Geldbetrag, drei Viertel der Haushalte sind eher dagegen.
27
Über alle vier Bewertungsaspekte hinweg zeigt sich, dass Haushalte, die das Bildungsund Teilhabepaket bereits einmal genutzt haben, es gleichzeitig auch positiver bewerten; so wird bei den Bewertungen häufiger „voll und ganz“ zugestimmt. Haushalte, die
bereits Leistungen in Anspruch genommen haben, stimmen bei der Frage nach den
Auszahlungsmodalitäten auch häufiger gegen einen frei verfügbaren Geldbetrag. Dieses Muster zeigt sich auch bei den Haushalten mit hohem Bildungsniveau und Haushalten, die Deutsch als Muttersprache sprechen, wenn sie das Bildungs- und Teilhabepaket bereits nutzen. Dagegen stehen Haushalte mit geringem Pro-Kopf-Einkommen
dem Bildungs- und Teilhabepaket kritischer gegenüber. Sie bewerten es im Vergleich
zu allen anderen Gruppen seltener als gute Unterstützung und äußern auch signifikant
häufiger, die zusätzlichen Leistungen besser als frei verfügbaren Geldbetrag auszuzahlen.
Auch die in der Implementationsstudie befragten Leistungsberechtigten bewerten die
Einführung der Bildungs- und Teilhabeleistungen insgesamt ausgesprochen positiv
(Schlussbericht: III.2). Die Intention, etwas für die Teilhabe von Kindern und Jugendlichen zu tun, wird explizit gewürdigt. Die Mehrheit der Befragten sieht darin eine gute
Hilfe für sich und ihre Kinder, teilweise sagten die Eltern, sie seien „dankbar“ für diese
Leistungen. Die Mehrheit der befragten Leistungsberechtigten geht davon aus, dass
ihre Kinder ohne die BuT-Leistungen Einschränkungen erfahren müssten.
Teilweise wiesen die befragten Leistungsberechtigten allerdings auch darauf hin, dass
mit der Einführung der BuT-Leistungen lediglich frühere Fördermöglichkeiten ersetzt
wurden. Partiell hätten sich die Bedingungen dadurch sogar verschlechtert, weil beispielsweise früher das Schulmittagessen und das Schülerticket komplett kostenfrei waren, nunmehr dafür aber Eigenanteile zu entrichten sind. Leistungsberechtigte wiesen
auch darauf hin, dass mit der Nutzung von BuT-Leistungen auch Folgekosten verbunden sind (Sportausrüstung, Fahrtkosten usw.), so dass sich zwar die Teilhabesituation
der Kinder, nicht aber die finanzielle Situation der Familie verbessert habe.
Die Ergebnisse beider Teilprojekte veranschaulichen, dass sich Teilhabeerwartungen
von Jugendlichen und Eltern an den Aktivitäten und Gütern orientieren, die für Gleichaltrige selbstverständlich und deshalb im Sozialleben der Kinder und Jugendlichen besonders relevant sind. Sie gehen über das hinaus, was durch das Bildungs- und Teilhabepaket ermöglicht wird. Allenfalls könnte dies durch höhere Regelleistungen oder
zusätzliche kommunale Leistungen berücksichtigt werden. Um Mechanismen sozialer
Ausgrenzung zu vermeiden oder substanziell abzuschwächen, ist somit eine über die
Bildungs- und Teilhabeleistungen hinausreichende, koordinierte Kinder- und Jugendarmutspolitik erforderlich, die weitere Politikbereiche einbezieht. Außerdem könnten die
skizzierten Ergebnisse eine Diskussion darüber anregen, was unter einem Mindestmaß
an soziokultureller Teilhabe verstanden werden soll und wie dieses empirisch bestimmt
werden könnte.
28
3
Empfehlungen aus der Implementationsstudie
Bei der Ausgestaltung der Leistungen zur Bildung und Teilhabe steht die Sicherstellung
eines Mindestmaßes an Teilhabe, das den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts
zum Existenzminimum für bedürftige Kinder und Jugendliche genügt, und das sozialpolitische Ziel, für alle in Deutschland lebenden Kinder und Jugendlichen vergleichbare
Teilhabevoraussetzungen zu schaffen, in einem Spannungsverhältnis, das die Berichte
und Einschätzungen der fast 900 an der Evaluation beteiligten Gesprächspartner/innen
stark prägte. Auch die folgenden Empfehlungen des Evaluationsteams für die Implementationsstudie haben unterschiedliche Reichweiten: Neben Vorschlägen, die darauf
zielen, zur Sicherstellung des Existenzminimums eine möglichst hohe Inanspruchnahme von BuT-Leistungen zu erreichen, stehen Überlegungen, wie sich die Teilhabechancen junger Menschen generell verbessern lassen. Nicht alle Vorschläge lassen
sich daher miteinander kombinieren, und sie haben unterschiedliche Adressat/inn/en:
Bund und Länder, die die Ausgestaltung der Leistungen und die Rahmenbedingungen
der Umsetzung festlegen, und die kommunalen Leistungsträger, in deren Verantwortung die Umsetzung geschieht. 4
3.1
Aufbauorganisation
Empfehlung 1: BuT als besondere Aufgabe für die Verwaltung wahrnehmen und gestalten
(Kommunen)
Eine aufgabenbezogene Spezialisierung und die zentrale (rechtskreisübergreifende)
Konzentration von Verwaltungsaufgaben in einer Organisationseinheit ermöglichen den
kommunalen Leistungsträgern den Aufbau von umfassender BuT-Expertise, die sowohl der Fallbearbeitung nutzt, wie sie die Umsetzung des Hinwirkungsgebots erleichtert. Ressourcen werden explizit für die Aufgabe der Erbringung der BuT-Leistungen
und der Hinwirkung auf Inanspruchnahme definiert, die im Rahmen integrierter Bearbeitung in Konkurrenz mit anderen Aufgaben in der Regel nicht zur Verfügung stehen.
Die spezialisierte Form der Leistungserbringung ermöglicht eine BuT-bezogene Identifikation der Umsetzungsbeteiligten mit ihrem Auftrag. Der Nachteil einer Spezialisierung und der Konzentration von Ressourcen in einer Organisationseinheit besteht im
schwierigeren Zugang zu Leistungsberechtigten, der gesondert organisiert werden
muss. Hinwirkungsaktivitäten in Bezug auf ein Netzwerk von Multiplikator/inn/en und
die Einbindung der Sozialleistungsstellen in Information und Beratung sind daher von
hoher Relevanz.
Wird die Leistungserbringung nach Rechtskreisen getrennt bzw. überwiegend integriert
erbracht, müssen Zuständigkeiten für die Koordination von fallübergreifenden Aufgaben festgelegt, Ressourcen für ihre Erledigung bereitgestellt und Strukturen für die
Kommunikation der Leistungsstellen untereinander geschaffen werden: Hinwirkungsak4
Der jeweiligen Empfehlung wird ein Hinweis vorangestellt, an wen sie sich vorrangig richtet.
29
tivitäten, die Multiplikatoren- und Öffentlichkeitsarbeit, die Erarbeitung von Richtlinien,
die Abstimmung zwischen den Rechtskreisen, die Beobachtung von Rechtsprechung
und Gesetzgebung, die Beratung von Anbietern und Leistungsberechtigten sowie die
Erfüllung statistischer Anforderungen sind als eigenständige Funktionen auszugestalten (Schlussbericht: IV.2.6).
3.2
Hinwirkung und Beratung
Die Kenntnis der BuT-Leistungen ist die erste und wichtigste Voraussetzung für eine
Inanspruchnahme. Beratung und Hinwirkung zielen darauf, diese Kenntnis herzustellen
und individuelle oder strukturelle Barrieren abzubauen, die Inanspruchnahme behindern. Die Evaluation ergab Hinweise auf Beratungsprobleme in allen Rechtskreisen:
Leistungsberechtigte erfuhren etwa erst nach einer längeren Zeit des Leistungsbezugs
zum ersten Mal von den BuT-Leistungen, oder sie kannten nur bestimmte Leistungsarten. Haushalte mit geringen Deutschkenntnissen und Haushalte ohne Schulkinder sind
schlechter informiert als andere Leistungsberechtigte. Das Wissen darum, dass in bestimmten Einkommenssituationen allein die BuT-Leistung anspruchsbegründend wirken kann, ist – teilweise auch in den Leistungsstellen – nur wenig verbreitet. Dass auch
der Wohngeldbezug zu BuT-Leistungen berechtigt, wussten auch einige Wohngeld beziehende Haushalte nicht. Im Rechtskreis des SGB II kann die Beratung erheblich
dadurch belastet sein, dass Fachkräfte nicht nur in ihrer Unterstützungsfunktion agieren, sondern zugleich eine Kontrollfunktion gegenüber den leistungsberechtigten Eltern
und Jugendlichen ausüben.
Nur ein kleiner Teil der untersuchten Kommunen gestaltet Hinwirkung – Information,
Beratung und Unterstützung der Leistungsberechtigten einerseits, Förderung der Information und Beratung unterstützender Dritter andererseits – als fortlaufende Aufgabe. Viele Kommunen haben ihre Aktivitäten zur Information von Leistungsberechtigten
aber auch Dritten nach der Anfangsphase weitgehend eingestellt, da sie entweder davon ausgehen, dass mittlerweile alle potenziell Leistungsberechtigten von den BuTLeistungen wissen, oder da (wie im Falle der Schulsozialarbeit) keine finanzielle Entlastung durch den Bund mehr existiert.
Aktivitäten zur Förderung der Inanspruchnahme der BuT-Leistungen hängen schließlich potenziell von der kommunalen Finanzkraft ab und können im Konflikt zu finanziellen Interessen der Kommune stehen. In Abhängigkeit von der kommunalen Haushaltslage kann dieser Konflikt die Bereitschaft verringern, Mittel für die Umsetzung von Hinwirkungsaktivitäten vorzuhalten bzw. einzusetzen. Zugleich gab es Hinweise darauf,
dass Kommunen mit einer vergleichsweise guten Haushaltslage teilweise umfangreiche Hinwirkungsaktivitäten entfalten und spezifische personelle Zuständigkeiten dafür
vorhalten.
30
Empfehlung 2: Mindeststandards für die Umsetzung des Hinwirkungsgebotes: Information
(Länder, Kommunen)
Eine intensive und kontinuierliche Umsetzung des Hinwirkungsgebotes beginnt mit der
systematischen Bereitstellung von Information. Dies verbessert die Kenntnis über den
Leistungsanspruch auf Seiten der Leistungsberechtigten und versetzt Kitas, Schulen,
Vereine, Lernförderer und unterstützende Dritte in die Lage, ihrerseits adäquat zu beraten. Während eine pro-aktive (Erst-)Beratung der Leistungsstellen zwar durch Hinwirkungsaktivitäten gefördert, aber nicht normiert werden kann, sollten hinsichtlich der
Verfügbarkeit und Erreichbarkeit von Information und Beratung jedoch bestimmte Anforderungen an die umsetzenden Stellen formuliert werden:
−
Ansprechpersonen für Leistungsberechtigte, Anbieter und Dritte sollten zur Verfügung stehen, öffentlich benannt werden (Internet, Flyer) und erreichbar sein.
−
Grundlegende Informationen über BuT-Leistungen und Verfahren der Antragstellungen sollten im Internet recherchierbar, Antragsformulare zum Download verfügbar sein.
−
Kommunen sollten eigenes, auf ihre lokale Situation zugeschnittenes Informationsmaterial mit allen wesentlichen Informationen zur Antragstellung und zu Ansprechpersonen zur Verfügung stellen und verbreiten (Schlussbericht IV.2.5).
Empfehlung 3: Das Hinwirkungsgebot kontinuierlich umsetzen
(Kommunen)
Die Inanspruchnahme von BuT-Leistungen hängt wesentlich davon ab, dass Leistungsberechtigte von der Möglichkeit der Inanspruchnahme zu einem Zeitpunkt und auf
eine Art erfahren, die es ihnen ermöglicht, diese Information auf sich und ihre aktuelle
Bedarfslage zu beziehen. Sie nehmen Informationen über potenzielle Leistungen eher
auf und können besser zur Inanspruchnahme motiviert werden, wenn dafür auch ein
aktueller Bedarf besteht. Umgekehrt nehmen viele Anspruchsberechtigte Leistungen
nicht in Anspruch, weil kein aktueller Bedarf besteht; dieser entsteht möglicherweise zu
einem anderen Zeitpunkt. Zum bestehenden Kreis der Leistungsberechtigten kommen
beständig potenzielle Erstantragsteller/innen neu hinzu, die noch nicht über BuTLeistungen informiert sind.
Um darauf hinzuwirken, dass alle Anspruchsberechtigten mit einem aktuellen Bedarf
auch erreicht werden können, sind wiederholte und regelmäßige Informationsaktivitäten von verschiedenen Seiten erforderlich. Auch Anbieter und unterstützende Dritte –
Schulsozialarbeiter/inne/n, Berater/innen und andere Multiplikator/inn/en – sollten regelmäßig pro-aktiv und zielgruppen- und institutionenspezifisch informiert, eingebunden und beraten werden, da Wissensbestände aufgefrischt werden müssen und bei
personellen Veränderungen bestehendes institutionelles Wissen aufrechterhalten werden muss. Personen, die ohnehin in persönlichem Kontakt mit Leistungsberechtigten
31
stehen, sollten dafür gewonnen werden, sich in Sachen BuT kundig zu machen und die
Informationen zielgruppengerecht weiterzugeben(Schlussbericht IV.2.5).
Empfehlung 4: Zielgruppenadäquate Ansprache: verfügbar, verständlich, mehrsprachig, visuell anschlussfähig
(Kommunen)
Über die allgemeine Information zu BuT wird nach Erfahrung der Leistungsstellen nur
ein Teil der Leistungsberechtigten erreicht. Während Personen mit guter Bildung und
Sprachkompetenz bzw. mit umfangreichen Erfahrungen mit dem Bezug von Sozialleistungen die BuT-Leistungen in der Regel problemlos verstehen und beantragen können,
benötigen Leistungsberechtigte mit niedrigem Bildungsgrad, geringen Sprachkenntnissen bzw. begrenztem Sprachvermögen und/ oder geringen Kenntnissen oder Erfahrungen mit dem deutschen Sozialleistungssystem häufig mehr Unterstützung bei der
Beantragung der BuT-Leistungen. Für bestimmte Zielgruppen ist die persönliche Information und Beratung eine niedrigschwellige und wirksame Form der Ansprache. Die
Implementationsanalyse zeigte, dass die Inanspruchnahme von BuT dadurch erhöht
werden kann, dass in Schulen und Kitas zielgruppenspezifische Unterstützung gewährt
wird, die bis hin zum (gemeinsamen) Ausfüllen der Anträge auf BuT-Leistungen reicht.
Eine besondere Ansprache benötigen auch Haushalte, für die BuT anspruchsauslösend sein könnte. Informationen, die über Sozialämter, Jobcenter, Wohngeldstellen
und Familienkassen verbreitet werden, erreichen diese Zielgruppe nicht, weil sie keine
Sozialleistung bezieht. Auf Anfrage sollten aber die dort tätigen Fachkräfte in der Lage
sein, entsprechend zu beraten. Information und Aufklärung sollte primär über die explizite Erwähnung der Antragsmöglichkeit in den allgemeinen Öffentlichkeitsmaterialien
und in der Beratung und Information durch Dritte erfolgen; insbesondere ist hier an Beratungs- und Bildungsinstitutionen und Anbieter von sozialen-kulturellen Teilhabeaktivitäten zu denken. Vor Ort müssen diese Dritten von entsprechenden Antragsmöglichkeiten in Kenntnis gesetzt werden und über Zuständigkeiten bei der Anspruchsprüfung
informiert sein (Schlussbericht: IV.2.5).
Bei der Gestaltung von Materialien der Öffentlichkeitsarbeit für unterschiedliche Zielgruppen sind folgende Faktoren zu berücksichtigen: Das Bildmaterial sollte so ausgewählt werden, dass sich unterschiedliche Gruppen von Leistungsberechtigten mit den
abgebildeten Personen, dem Umfeld und den gezeigten Aktivitäten identifizieren können. Die Erläuterungen sollten klar strukturiert, einfach und präzise sein und Hinweise
darauf enthalten, wo weitergehende Beratung und Unterstützung angeboten wird. Die
entsprechenden Publikationen sollten in allen vor Ort relevanten Sprachen vorliegen
und die Texte auch in einfacher Sprache verfügbar sein. Da Kinder und Jugendliche
selbst eine wesentliche Rolle bei der Initiierung einer Inanspruchnahme spielen können, sind in stärkerem Maße auf diese Zielgruppe ausgerichtete Informations- und
Darstellungsformen zu entwickeln. Diese Informationsmaterialien sollten gezielt verteilt
32
werden, d.h. dort verfügbar sein, wo sie durch die entsprechenden Zielgruppen wahrgenommen werden können.
Empfehlung 5: Erstberatung systematisch in Leistungsprozesse integrieren
(Kommunen)
Information und Erstberatung zu BuT-Leistungen sollten systematisch in die Leistungsprozesse in allen Rechtskreisen integriert werden. Es muss sichergestellt sein, dass
Leistungsberechtigte im Rahmen der Antragstellung, der Leistungssachbearbeitung
und auch der Arbeitsvermittlung zu den BuT-Leistungen und Verfahrensanforderungen
informiert werden. Teil der Erstberatung sollten auch praktische Unterstützungsangebote für den leistungsberechtigten Personenkreis sein, z.B. die Unterstützung bei
schriftlichen Verfahrensschritten der Antragstellung.
Auch wenn dort keine BuT-Leistungen gewährt werden, müssen Wohngeldbeziehende
in den Wohngeldstellen schriftlich und persönlich angesprochen werden, wie dies vielfach schon mit Erfolg praktiziert wird. Gleiches gilt für die Familienkassen im Hinblick
auf die Bezieher/innen von Kinderzuschlag. Im Rechtskreis SGB II hat sich die Ansprache entweder durch spezialisierte Fachkräfte in der Eingangszone oder durch spezialisierte BuT-Fachkräfte vor Ort als niedrigschwellig und die Inanspruchnahme fördernd
erwiesen (Schlussbericht: IV.2.5).
Empfehlung 6: Finanzielle Anreize für Hinwirkungsaktivitäten setzen, Aufwände vollständig erstatten
(Bund)
Den Kommunen erstattet der Bund für den Verwaltungsaufwand, der ihnen bei den
Leistungen für Bildung und Teilhabe in den Rechtskreisen SGB II und BKGG entsteht,
über die Länder einen Anteil an den Kosten für Unterkunft und Heizung nach dem
SGB II. Die pauschale Berechnung des Erstattungsbetrags berücksichtigt nicht, wie intensiv sich die Leistungsträger für eine möglichst hohe Inanspruchnahme engagieren.
Da die Aufwandsentschädigung an die Kosten der Unterkunft gebunden ist, wird sie
zudem durch unterschiedliche Mietniveaus beeinflusst. Im Ergebnis stehen, gemessen
an den potenziell Leistungsberechtigten, vor Ort unterschiedlich hohe Verwaltungsressourcen für Hinwirkung zur Verfügung. Bei angespannter kommunaler Finanzlage sind
die Spielräume für die Umsetzung des Hinwirkungsgebotes eingeschränkt. Da höhere
BuT-Aufwendungen erst bei der Ermittlung des Kostenanteils im Folgejahr berücksichtigt werden, treten Kommunen bei steigender Inanspruchnahme lange in Vorleistung.
Auch wenn die meisten Bundesländer die Bundesmittel nach den kommunalen Anteilen an den tatsächlichen Kosten verteilen, werden überdurchschnittliche Aufwände für
Hinwirkung nicht belohnt. Das Verfahren zur Kostenerstattung sollte, um Fehlanreize
zu vermeiden, den Kommunen eine vollständige, zweckgebundene nachträgliche Erstattung ihrer Aufwände einschließlich nachgewiesener Hinwirkungsaktivitäten garan-
33
tieren. Zu prüfen wäre, ob zusätzliche finanzielle Anreize für gute kommunale Hinwirkungspraxis geschaffen werden könnten. (Schlussbericht: IV.2.2, IV.2.5)
3.3
Antragserfordernis und Antragsverfahren
Dass zur Realisierung von Ansprüchen zusätzlich zum Antrag auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II, SGB XII und AsylbLG sowie auf Wohngeld oder Kinderzuschlag (u. U. für jede einzelne Leistung) ein weiterer und im Rechtskreis BKGG
schriftlicher BuT-Antrag erforderlich ist, wird von nahezu allen befragten Akteuren als
ein besonders gravierendes Hemmnis für eine Inanspruchnahme und den Aufbau einfacher Verwaltungsverfahren wahrgenommen.
Leistungsberechtigte versäumen die Antragstellung, verwirken ihre Rechte oder verzichten auf Leistungen, weil sie über die Verfahrensanforderungen nicht im Bilde sind,
weil sie Fristen versäumen, weil sie Wege und Aufwände scheuen, Unterlagen nicht
rechtzeitig beibringen können, weil sie sich von einem weiteren Antrag überfordert fühlen oder nicht immer wieder als Bittsteller vorsprechen wollen. Bei ‚Rechtskreiswechslern‘ kann es zu Problemen führen, dass ihr Wissen um die Anspruchsvoraussetzungen für BuT-Leistungen im einen Rechtskreis nur begrenzt auf einen anderen Rechtskreis übertragbar ist.
Auch im Falle ‚schlanker‘ Antragsverfahren schrecken Leistungsberechtigte vor den
Aufwänden einer Antragstellung zurück, nicht zuletzt weil die Nachweiserfordernisse
oft hoch bleiben. Es wirkt hemmend auf die Inanspruchnahme von BuT-Leistungen,
wenn den Leistungsstellen bei der Beantragung einer konkreten Einzelleistung eine
Vielzahl von Nachweisen vorzulegen sind, oder wenn Anbietern die Anspruchsberechtigung vor einer Inanspruchnahme von Leistungen nachgewiesen werden muss. Auch
auf Seiten der Leistungsanbieter verursachen auszustellende Nachweise (zur Teilnahme an Aktivitäten oder Mitgliedschaft) hohen Aufwand. Die Einlösung der Rechtsansprüche auf Existenzsicherung der Kinder wird dadurch erschwert.
Empfehlung 7: BuT-Berechtigung dem Grunde nach ohne gesonderten Antrag ausgestalten
(Bund)
Das Antragserfordernis wird zum einen damit begründet, dass die Leistungen zur Bildung und Teilhabe als eigenständige, bedarfsauslösende Leistungen ausgestaltet worden sind. Zur Prüfung des Leistungsanspruchs ist der Antrag erforderlich. Zum zweiten
führt die rechtskreisübergreifende Ausgestaltung dazu, dass der zuständige Leistungsträger für BuT – der Kreis oder die kreisfreie Stadt – nicht identisch mit dem Träger der
Leistung sein muss, die den Anspruch begründet. Der Kinderzuschlag wird etwa bei
der Kindergeldkasse beantragt, für die BuT-Leistung ist der kommunale Träger zuständig. Zum dritten war im Gesetzgebungsverfahren befürchtet worden, dass ein Verzicht
auf die gesonderte Antragstellung zu einer aufwändigen Prüfung von in der Vergan-
34
genheit entstandenen Bedarfen und Aufwänden führen würde, dies sollte ausgeschlossen werden.
Obwohl diese Bedenken hier nicht ausgeräumt werden können, wird eine Überprüfung
aller Verfahrensanforderungen mit dem Ziel empfohlen, die Inanspruchnahme zu erleichtern und eine BuT-Berechtigung dem Grunde nach ohne gesonderte Beantragung
für alle Haushalte einzuführen, die eine der anspruchsauslösenden Sozialleistungen
beziehen bzw. beantragen. Dazu muss festgelegt werden, auf welchem Weg der zuständige Träger vom Bestehen dieser Leistungsberechtigung in Kenntnis gesetzt wird.
Diese wäre ausreichend, um ohne weitere Prüfung Leistungen wie das gemeinschaftliche Mittagessen in Anspruch nehmen zu können. Konkretisierungen, z.B. bei Klassenfahrten oder außerschulischer Lernförderung, könnten nicht ganz entfallen, doch hätten
die Kommunen andere Spielräume, die lokalen Verfahren niedrigschwielig auszugestalten. Zur Prüfung anspruchsauslösender Sachverhalte bei Haushalten, die keine
Leistungen beziehen, sollte ein vereinfachtes Antragsverfahren gewählt werden.
Empfehlung 8: BuT-Leistungen mit der Grundleistung zusammen beantragen
(Bund, Bundesagentur für Arbeit, Länder)
Eine weniger voraussetzungsvolle Lösung für eine Ausweitung bzw. Stabilisierung der
BuT-Antragstellung wäre es, den Antrag auf BuT-Leistungen in die Verfahren der Beantragung aller anspruchsauslösenden Sozialleistungen zu integrieren: etwa in Form
eines einheitlichen BuT-Grundantrags, der mit der Beantragung von Alg II, Sozialgeld,
Sozialhilfe, Asylbewerberleistungen, Wohngeld oder Kinderzuschlag bei Sozialämtern,
Wohngeldstellen, Jobcentern oder der Familienkasse gestellt werden kann oder der
sogar Bestandteil der entsprechenden Anträge sein könnte. Die Leistungsstellen, die
für die die genannten Leistungsbereiche zuständig sind, müssten dann entsprechend §
16 Abs. 2 SGB I entweder im eigenen Haus die BuT-Beantragung an die zuständige
Stelle kommunizieren oder lokal die zuständige BuT-Stelle über die Antragstellung informieren. Daran würden sich dann die lokalen Prozesse anschließen. Das Thema
BuT-Leistungen wäre bei allen Antragstellenden gesetzt und würde so auch in der Beratung stärker thematisiert, dem Antragserfordernis wäre Genüge getan. Der weitere
Prozess könnte dann lokal wiederum entweder so organisiert werden, dass die gewünschten Leistungen weiter konkretisiert werden müssen und dazu die BuT-Stelle
weitere Nachweise der Leistungsberechtigten einfordert. Oder die Anbieter, Schulen
und Kitas können die Anträge konkludent konkretisieren und so den Eltern weitere
Nachweispflichten ersparen (vgl. Schlussbericht IV.2.4).
Empfehlung 9: Für alle Rechtskreise einheitliche Verfahren, Formulare, Regeln
(Bund, Länder, Kommunen)
Verfahrensunsicherheiten sind ein Grund dafür, dass auf die Inanspruchnahme von
BuT-Leistungen verzichtet wird. Auch dies wäre ein Argument für einen einheitlichen
BuT-Grundantrag. Mindestens bedarf es auf kommunaler Ebene abgestimmter und
35
möglichst einheitlicher Verfahren, Formulare und Regeln in allen Rechtskreisen. Im
Falle mehrerer für die BuT-Leistungserbringung zuständiger Stellen sind zwischen diesen einheitliche Verfahrenslösungen zu vereinbaren. Eine Alternative besteht in der
rechtkreisübergreifenden Konzentration der BuT-Sachbearbeitung in einer Leistungsstelle, in der Regel bei der Kommune. Hierfür ist bei gemeinsamen Einrichtungen eine
Aufgabenübertragung nach § 44b Absatz 4 SGB II vom Jobcenter an die Kommune erforderlich. Um solche Organisationslösungen zu befördern, sollte eine Schnittstelle
zum rechtskreisübergreifenden Austausch von Daten (Leistungsbezug, Bewilligungszeiträume etc.) geschaffen werden, die es nur in einer der untersuchten Kommunen
gab (Schlussbericht: IV 2.4).
Empfehlung 10: Konkludente Verfahren können Inanspruchnahme erhöhen
(Kommunen)
Konkludente Antragsverfahren (Globalantrag mit konkludenter Konkretisierung oder
konkludente Antragstellung) scheinen geeignet, die Inanspruchnahme zu erhöhen und
den Aufwand für die Leistungsberechtigten zu reduzieren. In einigen FallstudienKommunen wird ein konkludenter Antrag auf eine BuT-Leistung dort entgegengenommen, wo der Bedarf entsteht: in der Schule, der Kita oder bei einem anderen Leistungsanbieter. Und es finden sich Beispiele, wo ein Globalantrag durch die Schulen,
Kitas und Anbieter konkludent konkretisiert wird. Solche Verfahren setzen verbindliche
Vereinbarungen zwischen Leistungsstellen und Anbietern (z.B. Weisungen der Schulträger an die Schulen, Leistungsvereinbarungen der BuT-Leistungsträger mit Anbieterverbänden oder mit den lokalen Anbietern) voraus, die die Rolle der Leistungsanbieter
im Verfahren klar definieren und gegebenenfalls Aufwandsentschädigungen vorsehen.
Zwar geraten konkludente Antragsverfahren an ihre Grenzen, wo die BuTLeistungsansprüche von Haushalten zu klären sind, die noch keine der anspruchsbegründenden Sozialleistungen beziehen und deshalb keine Bewilligungsbescheide oder
ähnliche Anspruchsnachweise vorlegen können. Insgesamt erscheinen sie aber bei einem umsichtigen Umgang mit der Sorge der Leistungsberechtigten vor Offenbarung
ihres Leistungsbezugs als ein effektives Mittel, um die Inanspruchnahme von BuTLeistungen niedrigschwellig zu gestalten, das möglichst weitgehend ausgeschöpft werden sollte (Schlussbericht IV.2.4).
Empfehlung 11: Nachweispflichten auf das notwendige Minimum reduzieren
(Bund, Länder, Kommunen)
Bund und Länder sollten die Kommunen darin bestärken, Nachweispflichten auf das
rechtlich notwendige Minimum zu reduzieren und zu diesem Zweck eng mit anderen
Leistungsstellen und Dritten zusammenzuarbeiten. Wird mit sog. Berechtigungsnachweisen eine vereinfachte Inanspruchnahme bei Leistungsanbietern angestrebt, sollten
diese lokal zu gestaltenden Verfahren diskriminierungsfreier als bisher ausgestaltet
werden. Leistungsberechtigte sollten (mit dem Antragsformular oder gesondert) ihr
36
Einverständnis zum Austausch von Daten zwischen Leistungsstellen erklären können
oder der Übermittlung von Informationen an Anbieter zustimmen. Den BuT-Stellen sollte die Prüfung der Anspruchsberechtigung über eine Datenschnittstelle rechtskreisübergreifend ermöglicht werden (Schlussbericht IV.2.4).
3.4
Bewilligungszeiträume
Empfehlung 12: Bewilligungszeiträume erweitern
(Bund)
Die Bewilligung von BuT-Leistungen ist in der Regel an die Bewilligungsdauer der den
Anspruch begründenden Sozialleistungen gebunden. Für Leistungsberechtigte stellt es
einen Unsicherheitsfaktor dar, wenn unklar ist, ob und wie absehbare Kosten im laufenden Schul- oder Kitajahr bestritten werden können. Für die Schulen bzw. Kitas kann
es eine schlechtere Planbarkeit sowie Mehraufwand (z.B. durch Nachweise im Rahmen der Antragsstellung) bedeuten, wenn BuT-Leistungen im laufenden Schuljahr
wiederholt zu beantragen sind. Für die Leistungsstellen führt es schließlich ebenfalls zu
erhöhten Aufwänden, mehrmals im Jahr für das selbe Kind BuT-Anträge zu bearbeiten,
zumal darauf verwiesen wird, dass die Mehrzahl der Leistungsberechtigten ohnehin
über einem längeren Zeitraum im Leistungsbezug verbleibt. Dies bedeutet nicht, dass
auf eine Anspruchsprüfung ganz verzichtet werden soll. Doch so lange ein Haushalt
Sozialleistungen erhält, die zu BuT berechtigen, sollten sich Bewilligungen für schulund kitabezogenen BuT-Leistungen am Schul- bzw. Kitajahr orientieren und, wo möglich, für das gesamte Jahr ausgesprochen werden, ggf. vorbehaltlich eines weiter bestehenden Anspruchs auf die anspruchsauslösenden Sozialleistungen. Dies würde für
alle drei genannten Akteure zu Vereinfachungen führen, die sich potenziell positiv auf
die Akzeptanz und Inanspruchnahme der BuT-auswirken kann (Schlussbericht IV.2.4).
Empfehlung 13: Bewilligungszeitraum über alle Rechtskreise vereinheitlichen
(Bund)
Würde die grundsätzliche Leistungsberechtigung für BuT-Leistungen wie oben vorgeschlagen, in der Regel durch den Bezug der anspruchsauslösenden Sozialleistungen
dem Grund nach hergestellt, entfiele die Notwendigkeit, den Bewilligungszeitraum zu
begrenzen. Eine Inanspruchnahme von Bildungs- und Teilhabeleistungen wäre unter
Fortbestehen der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen unverändert möglich, indem
etwa vereinfachte Leistungsnachweise zum Beginn eines neuen Bewilligungszeitraums
automatisiert verschickt werden oder ein (virtuelles) Guthaben automatisch auf eine
Karte gebucht wird. Für Leistungsberechtigte und Leistungsanbieter würde diese Regelung eine erhebliche Vereinfachung bedeuten. Aber auch die Leistungsstellen wären
von der Bearbeitung von Folgeanträgen entlastet (Schlussbericht IV.2.4).
37
3.5
Kostenerstattung als Form der Leistungserbringung
Empfehlung 14: Kostenerstattung generell ermöglichen
(Bund)
Im Jahr 2013 wurde mit § 30 SGB II bzw. § 34b SGB XII die Kostenerstattung an Leistungsberechtigte als Sonderfall der „berechtigten Selbsthilfe“ im Einzelfall gesetzlich
geregelt. Dies hat zu einer Vereinheitlichung der Leistungspraxis geführt. Gleichzeitig
begrenzen die hohen fallbezogenen Anforderungen die Möglichkeiten der Kommunen,
diese Art der Leistungserbringung außerhalb der engen Grenzen der „berechtigten
Selbsthilfe“ zu nutzen. Im Interesse einer einfachen Leistungserbringung wird daher
empfohlen, die zweckgebundene Kostenerstattung an die Leistungsberechtigten auf
Nachweis für alle BuT-Leistungsarten als gleichberechtigtes Regelverfahren zuzulassen, sofern die Leistungsberechtigten damit einverstanden sind, in Vorleistung zu gehen. Wie Gutschein und Direktzahlung wahrt auch diese Art der Leistungsgewährung
die vom Gesetzgeber gewollte Zweckbindung und die Leistungsbemessung nach tatsächlich entstandenem Aufwand, ist aber mit geringerem Aufwand für die Beteiligten
verbunden. Sie ermöglicht es den Leistungsberechtigten, den gleichen Zahlungsweg
zu wählen wie die anderen Eltern und so die Offenlegung des Sozialleistungsbezugs
zu vermeiden (Schlussbericht IV.2.4).
3.6
Leistungsarten
Empfehlung 15: Mittagessen: Konkludentes Verfahren
(Bund, Kommunen)
Mittagsverpflegung als BuT-Leistung zu gewähren, zielt darauf, Kindern und Jugendlichen die Teilhabe an einer gemeinschaftlichen Aktivität in Kita und Schule zu ermöglichen. Umgekehrt bedeutet es für das Kind eine ganz unmittelbare Ausschlusserfahrung, wenn es am gemeinsamen Mittagessen in der Kita oder Schule nicht teilnehmen
kann. Um die Teilnahme an der gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung für alle Kinder
zu ermöglichen, sollte für diese Leistung deshalb grundsätzlich ein antragsfreies bzw.
konkludentes Inanspruchnahmeverfahren gelten. Von einem Bedarf des Kindes ist
auszugehen, wenn es regelmäßig die Mittagszeit in der Kita oder Schule verbringt. In
diesem Fall sollte das Kind ohne weitere Formalitäten an der gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung teilnehmen können, und die Einrichtungen sollten die Kosten (nachträglich) erstattet bekommen. Auch pauschalierte Vorauszahlung an Kitas oder Schulen und ggf. eine spätere Spitzabrechnung haben sich bewährt. Der Aufwand eines
solchen Verfahrens für die Leistungsstellen wäre vergleichsweise gering. Auf Seiten
der Leistungsanbieter würde ggf. Mehrarbeit für die Dokumentation der Inanspruchnahme entstehen.
38
Empfehlung 16: Kosten für Kita-Gebühren/ Beiträge für Ganztagsangebote fördern
(Bund, Länder, Kommunen)
Die gemeinschaftliche Mittagsverpflegung kann fester Bestandteil eines Ganztagsangebots sein. In diesen Angeboten wird das Mittagessen, das aus dem „Bildungspaket“
gefördert werden könnte, mit anders finanzierten Leistungen (etwa nach dem SGB VIII)
verbunden, und die Leistungsberechtigten können das geförderte Mittagessen nicht als
Einzelleistung wählen. Die Teilnahme an der Ganztagsbetreuung kann mit Zusatzkosten für Betreuungsgebühren verbunden sein, die die Kosten für das Mittagessen übersteigen. Für eine Reihe von Leistungsberechtigten waren diese zusätzlichen Kosten
ein Grund, sowohl auf die Ganztagsbetreuung als auch auf die Mittagsverpflegung zu
verzichten (Schlussbericht: IV.2.7). Im Interesse gleicher Teilhabemöglichkeiten sollten
Bund, Länder und Kommunen eine andere Finanzierungslösung für die Kosten der
Ganztagsangebote finden, in deren Rahmen das Mittagessen stattfindet.
Empfehlung 17: Leistungen der Schülerbeförderung im Bedarfsfall auch für soziokulturelle Teilhabe bewilligen, Schülerticket unabhängig von BuT gestalten
(Bund, Länder, Kommunen)
Anspruchsvoraussetzung für die BuT-Leistung zur Schülerbeförderung ist, dass die Beförderungskosten für den Besuch der nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs übernommen werden. Eine Förderung über BuT ist zudem nur unter bestimmten Umständen möglich (Entfernung). Dies bedeutet, dass nur ein Teil der Schüler/innen Anspruch auf die BuT-Leistung Schülerbeförderung hat. Sofern ein solcher
Anspruch besteht, kann das Schülerticket meist auch für andere Zwecke genutzt werden. Auf diese Weise wird durch das Schülerticket auch in der Freizeit die Teilhabe an
Bildung und Kultur unterstützt. Schüler/innen, die keinen Anspruch auf die BuTLeistung Schülerbeförderung haben, können u.U. an Maßnahmen der soziokulturellen
Teilhabe allein deshalb nicht oder nur eingeschränkt teilnehmen, weil sie die erforderlichen Kosten für die Mobilität nicht aufbringen können (vgl. Empfehlung 20). Damit besteht ein Risiko des Ausschlusses von Teilhabe. Es wird empfohlen, ein Schülerticket
auch dann über BuT zu fördern, wenn die Leistungsberechtigten dies allein für die
Teilhabe an Bildung und Kultur in der Freizeit regelmäßig benötigen, z.B. für die Fahrten zur Musikschule, zum Fußballverein oder für die Ferienfreizeit. Ein weitergehender
Vorschlag wäre, ein Schülerticket für alle Schüler und unabhängig von BuT einzuführen (ggfs. mit Eigenbeitrag), sodass jede/r Schüler/in den ÖPNV den individuellen Bedarfen entsprechend nutzen kann.
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Empfehlung 18: Kein Eigenanteil für Schülerbeförderung und gemeinschaftliche Mittagsverpflegung
(Bund)
Bei der Festsetzung der Leistungshöhe für Schülerbeförderung und gemeinschaftliche
Mittagsverpflegung ist ein Eigenanteil zu berücksichtigen, den die Leistungsberechtigten selbst tragen sollen. Als zumutbar gelten bei der Schülerbeförderung seit August
2013 in der Regel 5 Euro monatlich, bei der gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung
sind 1 Euro je Schul- oder Betreuungstag anzurechnen. Dem Eigenanteil liegt die
Überlegung zugrunde, dass die BuT-Leistung Aufwendungen erspart, die bei der Berechnung des Regelbedarfs für die Grundsicherung eingehen. Jedoch werden Eigenanteile auch bei Berechtigten nach BKGG angerechnet, obwohl Kinderzuschlag und
Kindergeld nicht nach der gleichen Logik der Bedarfsermittlung festgelegt werden.
Die Berechnung und der Einzug des Eigenanteils machen einen erheblichen Teil des
Verwaltungsaufwands bei diesen Leistungsarten aus. Bei der Messung des Erfüllungsaufwands durch das StBA wurde diese Verfahrensanforderung als eigener Prozessschritt berücksichtigt, und sie trägt in Verbindung mit den hohen Fallzahlen dazu bei,
dass sich die gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung als zeitaufwändigste Leistungsart
erweist. Für Schülerbeförderung als vorrangige Leistung wird in einigen Kommunen ein
höherer Eigenanteil verlangt, so dass für den Differenzbetrag eine ergänzende BuTLeistung erforderlich wird.
Es gibt Hinweise darauf, dass Leistungsberechtigte wegen der Eigenanteile darauf
verzichten, das Schulmittagessen oder die Schülerbeförderung in Anspruch zu nehmen. Kommunale Leistungsträger und Anbieter empfehlen für eine Vereinfachung der
Bildungs- und Teilhabeleistungen häufig den Verzicht auf Eigenanteile. Leistungsstellen verzichten z. T. auf aufwändige Prüfungen, oder sie übernehmen die Eigenanteile
als freiwillige Leistungen. Auf die Berechnung eines Eigenanteils bei gemeinschaftlicher Mittagsverpflegung und Schülerbeförderung zu verzichten, würde zur vom Gesetzgeber intendierten Teilnahme an der vorschulischen und schulischen Bildung und
zur Vereinheitlichung und Vereinfachung der Leistungsgewährung beitragen. Da bei
vielen leistungsberechtigten Familien in der Grundsicherung andere Aufwände für die
Bildung und Teilhabe aus dem Regelbedarf bestritten werden müssen, erhöhen die Ersparnisse, die ihnen durch den Wegfall der Eigenanteile entstehen, ihren Verfügungsspielraum im Rahmen des Existenzminimums.
Empfehlung 19: Pauschalierte Leistungsgewährung bei eintägigen Fahrten
(Bund)
Die Erhebungen haben gezeigt, dass insbesondere bei den Leistungen für eintägige
Fahrten das Verhältnis zwischen Aufwand und Nutzen teilweise sehr ungünstig ist, sodass die Leistungsberechtigten durch die (wiederholte) Antragstellung auf diese Leistung stark belastet werden bzw. manche Leistungsberechtigte sogar darauf verzichten,
für eintägige Ausflüge BuT-Leistungen zu beantragen. Verwiesen wurde sowohl auf
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den zeitlichen Aufwand der Leistungsberechtigten als auch auf ggfs. anfallende Sachkosten (Fahrschein oder Porto für die Beförderung der Unterlagen in die Leistungsstelle). Teilweise wird bereits ein Verfahren der „Sammelabrechnung“ praktiziert, bei dem
mehrere Ausflüge in einem längeren Zeitraum zu einem Zeitpunkt abgerechnet werden. Da es sich bei den Tagesausflügen in der Regel um kleinere Beträge handelt,
wird empfohlen, eine Pauschalierung der Leistung vorzunehmen, sodass die Antragstellung vereinfacht und die Sammlung der Belege erspart wird. Eine Einzelabrechnung für den Fall, dass die tatsächlich anfallenden Kosten die Pauschale deutlich
übersteigen, sollte weiterhin möglich sein.
Empfehlung 20: Erhöhung der Leistungen für den Schulbedarf
(Bund)
Für den Schulbedarf können pro Schuljahr derzeit maximal Leistungen in Höhe von
100 Euro über die BuT-Leistungen in Anspruch genommen werden. Da diese Summe
in der Regel nicht ausreichend ist, um die Kosten für den Schulbedarf zu decken, müssen die Eltern nicht unerhebliche Summen aus dem Regelbedarf aufbringen, um die
erforderlichen Kosten für Lernmaterialien ihrer Kinder zu decken. Eltern und Schüler/innen haben in der Regel keinen Einfluss darauf, welche Lernutensilien benutzt
werden und angeschafft werden müssen. Selbst wenn sie sparsamer einkaufen möchten, ist dies oft nicht möglich, weil die Schulmaterialien in Art und Umfang durch die
Lehrer vorgegeben werden. Ausgehend von den vorliegenden Erfahrungen wird deshalb empfohlen, die Leistungshöhe für den Schulbedarf nach oben an die tatsächlichen
Bedarfe anzupassen. Alternativ könnten in Bezug auf den Schulbedarf einmalige Leistungen für besondere Mehrbedarfe (also nicht für Schulbücher, Schulhefte, Stifte) anerkannt werden, sodass die tatsächlichen Kosten für den Schulbedarf auch dann aus
BuT gedeckt werden können, wenn sie die Leistung von 100 Euro pro Schuljahr übersteigen.
Empfehlung 21: Betrag für soziokulturelle Teilhabe anheben
(Bund, Länder, Kommunen)
Zur Teilhabe am soziokulturellen Leben in der Gemeinschaft können derzeit im Rahmen von BuT maximal 10 Euro monatlich berücksichtigt werden. Diese Summe erweist
sich in vielen Fällen als zu niedrig: Die monatlichen Gebühren liegen für viele soziokulturelle Aktivitäten – z. B. Musikschule, Ballett, Reiten – deutlich oberhalb von 10 Euro.
In anderen Fällen reicht dieses Geld zwar für die Beitragszahlungen, nicht aber für weitere mit der Aktivität verbundene, erforderliche Ausgaben. Die Gesetzesänderung zum
1. August 2013 wird in der Regel so interpretiert, dass andere Aufwendungen (z.B.
Fahrtkosten, Sportbekleidung, Leihgebühren für Musikinstrumente u. ä.) nur im Rahmen der Höchstgrenzen von 10 Euro berücksichtigt werden können. Dies bedeutet,
dass Kinder und Jugendliche ihren Freizeitinteressen in Vereinen, Musikschulen usw.
unter Umständen allein deshalb nicht nachgehen können, weil sie bzw. die Eltern das
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dafür erforderliche Geld nicht aufbringen können. Das Teilhabeziel wird in diesen Fällen verfehlt.
Es wird deshalb empfohlen, entweder die Pauschale für BuT-Leistungen zur soziokulturellen Teilhabe deutlich zu erhöhen, sodass auch teurere Aktivitäten der soziokulturellen Teilhabe damit tatsächlich abgedeckt werden können, oder zu der Pauschale
von zehn Euro einen zweckgebundenen Mehraufwand für nachgewiesene Aufwendungen über die zehn Euro hinaus für eine Vereinsaktivität zu erstatten. Auch könnten die
Regeln für die BuT-Schülerbeförderung auf die Finanzierung der Beförderung zu einer
soziokulturellen Freizeitaktivität ausgeweitet werden.
Da pauschalierte Leistungen häufig nicht alle Aufwendungen für übliche soziokulturelle
Aktivitäten abdecken werden, behält die Förderung kostenloser oder günstiger Angebote ihre Bedeutung bei der Sicherung von Teilhabe und der Vermeidung von Ausgrenzung. Dies berührt jedoch die föderale Aufgabenteilung zwischen Bund, Ländern
und Kommunen.
Empfehlung 22: Lernförderung breiter fassen
(Bund, Länder)
Die Regelungen zur Lernförderung sind aktuell relativ restriktiv ausgestaltet. Die Leistung wird nur dann bewilligt, wenn sie erforderlich ist, um „die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen.“ Dies wird in
der Regel interpretiert als die Versetzung in die nächste Klassenstufe bzw. die Erreichung des Schulabschlusses. Andere „aufstiegsorientierte“ Lernziele werden hingegen
meist nicht akzeptiert, wie z. B. die Verbesserung der Leistungen / der Schulnoten, die
Erlangung einer Empfehlung für eine weiterführende Schule und Ähnliches. Ein Teil
der befragten Leistungsberechtigten hat deutlich ehrgeizigere Lernziele für ihre Kinder
als nur die Versetzung in die nächsthöhere Klassenstufe und benötigt dafür Unterstützung, da diese im Familienverbund häufig nicht gegeben werden kann. Sofern Schüler/innen aus Haushalten mit unzureichendem Einkommen die für die Erreichung ihrer
Bildungsziele erforderliche Unterstützung nicht erhalten können, stellt dies eine Benachteiligung im Vergleich zu Schüler/inne/n aus Haushalten mit höheren Einkommen
dar und widerspricht dem Teilhabeziel. Es läuft aber auch dem Ziel des Gesetzgebers
zuwider, mit den Bildungs- und Teilhabeleistungen einen Beitrag dazu zu leisten, dass
diese Kinder und Jugendlichen später ihre Existenzsicherung durch auskömmliche Erwerbstätigkeit sichern können.
Es wird deshalb empfohlen, bei Lernförderung auch für den Bildungsaufstieg zu gewähren, wenn die Leistungsberechtigten einen entsprechenden Wunsch haben und die
Schule eine entsprechende Empfehlung gibt.
Solange ein umfassendes schulisches Angebot der Lernförderung für alle Kinder nicht
realisiert werden kann, bleibt eine Lernförderung für BuT-Leistungsberechtigte eine
sinnvolle Zukunftsinvestition.
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Empfehlung 23: Lernförderung nicht an bestimmte Beantragungstermine im Schuljahr
koppeln
(Bund, Länder)
Eine BuT-Lernförderung kann in den untersuchten Fallstudien-Kommunen meist nicht
gleich am Anfang des Schuljahres beantragt werden, sondern erst nach ca. drei Monaten des laufenden Schuljahres. Hintergrund ist die Annahme der BuT-Leistungsstellen,
dass sich erst im Laufe des Schuljahres erweisen könne, ob ein Lernziel überhaupt gefährdet ist. Zur sozialrechtlichen Prüfung eines entsprechenden BuT-Antrags bedürfe
es neben der fachlichen Empfehlung der Schule eines Mindestmaßes entsprechender
Benotungen im laufenden Schuljahr. In einigen der Fallstudien-Kommunen wird Lernförderung zugleich dann nicht mehr bewilligt, wenn das Schuljahr schon so weit fortgeschritten ist, dass eine Förderung aus Sicht der BuT-Leistungsstellen keinen relevanten Notenanstieg im gleichen Schuljahr mehr bewirken kann. Diese Regelungen führen
dazu, dass Schüler/innen mit Bedarf an Lernförderung nur einige Monate im Schuljahr
unterstützt werden und Teilhabeziele möglicherweise verfehlt werden.
Es wird daher empfohlen, die Beantragung und Bewilligung von Lernförderung zu jedem Zeitpunkt im Schuljahr zu ermöglichen.
Befragte Expert/inn/en äußerten erhebliche Zweifel, dass die außerschulische Lernförderung im Bereich Bildung und Teilhabe richtig verortet ist. Dies sei vielmehr Auftrag
der Schule und fiele in die Zuständigkeit der Landesschulbehörden. Die Schulen müssten eine umfassende Lernförderung für alle Kinder anbieten, d.h. nicht nur für die BuTLeistungsberechtigten, sondern ebenso für Kinder aus Familien, die über der Einkommensgrenze liegen.
3.7
Grundsätzliche Gestaltungsfragen
(Bund, Länder)
Die Evaluation hat gezeigt, dass die eigenständige und rechtskreisübergreifende Ausgestaltung der Bildungs- und Teilhabeleistungen als neue bedürftigkeitsgeprüfte Sozialleistung für besondere Bedarfe von Kindern und Jugendlichen bei den Leistungsberechtigten wie bei Schulen, Kitaverwaltungen und Trägern von Gemeinschaftsaktivitäten den Anbietern trotz des damit verbundenen Erfüllungsaufwands überwiegend auf
hohe Zustimmung stößt. Sie leistet insbesondere dort für die Berechtigten einen wichtigen Beitrag zur Existenzsicherung, wo sie Mehrbedarfe individualisiert deckt, die nicht
pauschalierbar sind. Bei einigen Leistungsarten, insbesondere beim gemeinschaftlichen Mittagessen, ist das Verhältnis von Aufwand und Förderung besonders ungünstig. Hier könnte der Bedarf statt durch eine individualisierte Sachleistung durch eine
Pauschalierung oder durch Förderung lokaler Infrastrukturen gedeckt werden, z.B.
durch Schulbudgets für bestimmte Leistungen, durch institutionelle Förderung von Anbietern.
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Die hohe Zustimmung zum „Bildungspaket“ ist nach Zweckbindung, Antragserfordernis
und Sachleistungsprinzip zu differenzieren. Die meisten in die Untersuchung einbezogenen Akteure halten es für sinnvoll, den tatsächlichen Aufwand für besondere Bedarfe, die zum Existenzminimum von Kindern und Jugendlichen zählen, zweckgebunden
zu decken. Das Antragserfordernis und das Sachleistungsprinzip werden dagegen
häufiger kritisch bewertet. Die hohe gesellschaftliche Akzeptanz für eine zweckgebundene Form der Bedarfsdeckung bliebe daher auch bei alternativen Gestaltungen gewahrt, die beim Bezug grundsätzlich berechtigender bedürftigkeitsgeprüfter Leistungen
auf gesonderte Antragstellung verzichten und die Förderung diskriminierungsfreier auf
das Grundverhältnis zwischen Leistungsstelle und Berechtigten beschränken würden,
etwa durch die Erstattung tatsächlicher förderfähiger Aufwände.
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