Daten
Kommune
Brühl
Größe
121 kB
Datum
25.04.2016
Erstellt
19.04.16, 18:26
Aktualisiert
19.04.16, 18:26
Stichworte
Inhalt der Datei
Stadt Brühl
öffentliche
Vorlage
Der Bürgermeister
Dienststelle
Sachbearbeiter/in
13
Müller
Aktenzeichen
Datum
Vorlagen-Nr.
18.02.2016
84/2016
(69/2016)
Betreff
Vergleich zwischen der Erbbau-Verpachtung von Grundstücken und deren Verkauf
Bezug: Anfrage der FDP-Fraktion vom 5.2.2016
Beratungsfolge
Rat
Finanzielle Auswirkungen
Ja
Nein
Mittel stehen zur Verfügung bei SK / KST
Mittel stehen nicht zur Verfügung
Über-/außerplanmäßige Aufwendungen/Auszahlungen
Sachkonto / Kostenstelle
BGM
Zust. Dez.
Freytag
Zust. Dienststelle
Kämmerer
Team Haushalt
Jouaux
Müller
Radermacher Jülich
Beschlussentwurf:
Der Rat nimmt den Bericht des Bürgermeisters zur Kenntnis.
Erläuterungen:
Zur Thematik allgemein sei eingangs darauf hingewiesen, dass eine aktive
Liegenschaftsverwaltung nicht einzig und alleine auf Erlösmaximierung ausgerichtet sein
kann. Zur effektiven Verfolgung langfristiger Stadtentwicklungsziele müssen wirtschaftliche
und gesellschafts- bzw. sozialpolitische Gesichtspunkte beachtet werden.
Dauerhaft betrachtet stellt die Vergabe von Wohnbau- oder auch
Gewerbegrundstücken im Rahmen der Begründung von Erbbaurechten
wirtschaftlichere Alternative zum Verkauf dar.
von
die
Erbbauverträge sichern für den städtischen Haushalt regelmäßige jährliche
Erbbauzinseinnahmen über Jahrzehnte hinweg mit dem Vorteil, dass exakte Konditionen
aber auch Flexibilitäten vertraglich festgelegt und damit auch in Konkurszeiten gesichert
werden können.
Beim Verkauf von Grundstücken hingegen werden zwar lukrative, aber nur einmalige
Erlöse erzielt. Im Übrigen kann zum Zeitpunkt des Verkaufs die Wertentwicklung des
Grundstücks nicht eingeschätzt werden
Ein Verkauf ist sicherlich immer dann sinnvoll, wenn Grundstücke „Massenware“ sind. Die
Situation im Stadtgebiet von Brühl stellt sich allerdings so dar, dass es nicht mehr viele
städtische unbebaute Liegenschaften gibt. Es bietet sich daher die Vergabe im Wege des
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Erbbaurechts an, um die relativ wenigen Grundstücke in der öffentlichen Hand zu
behalten.
Denn während beim Verkauf die Eigentümerrechte vollständig verloren gehen, gewährt
das Erbbaurecht lediglich die Verfügungsgewalt, meist zur Errichtung eines Gebäudes.
Die Gestaltungs- bzw. Einflussmöglichkeiten der Stadt sind daher über das Erbbaurecht
wesentlich vielfältiger.
Nach Ablauf des Erbbaurechtsvertrages kann der Vertrag entweder erneuert werden, oder
die Stadt als Erbbaurechtsgeber übernimmt das aufstehende Gebäude gegen eine nach
dem aktuellen Verkehrswert anteilmäßig errechnete Entschädigung.
Der Pachtzins bringt jährlich einen gewissen Anteil des Grundstückswertes ein. Durch eine
vertraglich festgelegte Wertsicherungsklausel wird der Pachtzins regelmäßig angepasst
und führt daher als stetige Einnahmequelle zu langfristigen Zinserlösen.
Das Erbbaurecht ist aber auch deshalb interessant, weil es einkommensschwächeren
Familien die Möglichkeit zum Erwerb eines Eigenheimes gibt, da beim Bau oder Kauf
eines Hauses auf einem Erbbau-Grundstück der Grundstückspreis nicht mitfinanziert
werden muss. Mit Erbbau kann somit vom reinen Vermarktungssystem auf eine
gemeinwesenorientierte Regulierung umgestellt werden. Darüber hinaus kann im
gewerblichen Bereich z.B. die Eintrittshürde für innovative Projekte niedrig gehalten
werden. Dieser Aspekt hat allerdings angesichts des derzeitigen, historisch niedrigen
Zinsniveaus nur eingeschränkt Gültigkeit.
Um die finanzielle Handlungsfähigkeit insbesondere im Rahmen der Haushaltssanierung
zu erhalten, ist es erforderlich, auch Erlöse aus Grundstücksverkäufen zu erzielen. Daher
soll die Grundstücksvergabe künftig nicht ausschließlich im Wege der Erbpacht erfolgen.
Grundstücke, die sich als Restgrundstücke in Neubaugebieten bzw. als
Baulückengrundstücke darstellen, sollen wie bisher verkauft werden.
Zu den einzelnen Fragen wird wie folgt Stellung genommen:
1. Welche Erlösberechnung außerhalb bilanzieller Überlegungen liegt der
Entscheidung, die Vergabe von Grundstücken gegen Zahlung eines Erbbauzinses
zu präferieren, zu Grunde?
Das Instrument „Erbbaurecht“ wird nicht nur zur Erzielung möglichst hoher Erlöse
eingesetzt. Vielmehr besteht hierdurch u.a. die Möglichkeit, auf Dauer Mitspracherecht bei
der Nutzung des Grundstücks zu haben, da ein Verkauf des Erbbaurechts für die Dauer
des Erbbaurechts (bei Wohnbauten in der Regel 99 Jahre, im gewerblichen Bereich 50
Jahre) der Zustimmung des Grundstückseigentümers bedarf. Bei Vertragsverletzung
(widerrechtliche Nutzung, Insolvenz etc.) besteht durch die Heimfallregelung die
Möglichkeit, Leerstände zu vermeiden und abwickeln zu können. Dies ist insbesondere in
Gewerbegebieten von Vorteil.
Generell ist zu sagen, dass durch Erbpachtverträge dauerhafte, wertgesicherte und damit
nachhaltigere Erlöse erzielt werden können. Angesichts der derzeit niedrigen Zinsen sind
die Zinserträge aus Erbbaurechten höher als der Ertrag bei Anlage des Kaufpreises und
auch noch höher als die eingesparten Zinsen bei vermiedener Kreditaufnahme.
2. Welcher personelle Aufwand ist über die Laufzeit des Erbbaurechts erforderlich,
um das Erbbaurecht zu verwalten, Einnahmen zu verbuchen und die Rechte aus der
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Wertsicherungsklausel geltend zu machen? In welcher Höhe wird der Ertrag des
Erbbaugrundstücks während der Laufzeit durch den personellen Aufwand
gemindert?
Generell ist der Vertrag durch die Wertgleitklausel mindestens einmal im Jahr zu
überprüfen und der Erbpachtzins zu aktualisieren. Darüber hinaus gibt es
Handlungserfordernisse nur bei Problemen, z.B. Nichtzahlung des Erbpachtzinses. Der
Arbeitsaufwand kann überschläglich im Regelfall mit ca. einem Arbeitstag pro Jahr pro
Vertrag beziffert werden. Insofern wird der erzielte Erlös nur unwesentlich geschmälert.
3. Wie stellt sich die Wirtschaftlichkeitsberechnung dar, wenn man den
Verkaufserlös zu einem Durchschnittszinssatz der letzten 50 Jahre wieder anlegen
würde?
Eingangs sei darauf hingewiesen, dass Verkaufserlöse in öffentlichen Haushalten nicht
angelegt, sondern zur Deckung der Kosten anderweitiger kommunaler Aufgaben genutzt
werden. Insofern kann lediglich eine fiktive Berechnung angestellt werden.
Geht man von einem städtischen Grundstück in einer Größenordnung von 400 qm und
einem angenommenen Bodenrichtwert von 300 € aus, würde sich ein Verkaufswert von
120.000 € ergeben.
Bei einer Erbpachtlösung für das gleiche Grundstück und einem üblichen Erbpachtzins
von 4% des Bodenrichtwertes ergibt sich im ersten Jahr ein Erbpachtertrag in Höhe von
4.800 €. In Erbpachtverträgen wird in der Regel eine Anpassungsklausel vorgesehen,
sodass der Erbpachtzins jährlich gem. Verbraucherpreisindex steigt.
Hinweis
zur
Anpassungsklausel:
Es
gibt
verschiedene
Varianten
von
Erbbaupachtverträgen. Manche werden jährlich angepasst, andere erst nach einer
Veränderung von 10 Punkten. Der Verbraucherpreisindex beträgt z.B. für 2015 106,9 zum
Basisjahr 2010 = 100.
Zur Beantwortung der Frage kann ein durchschnittlicher Zinssatz der letzten 50 Jahre in
Höhe von 5,93% angesetzt werden.
Grundlage hierfür ist ein Urteil des OVG NRW zur Bemessung der Eigenkapitalverzinsung
bei der Gebührenbedarfsberechnung. Hier wird Bezug genommen auf eine Zeitreihe der
Bundesbank "Umlaufsrenditen inländischer Inhaberschuldverschreibungen/Anleihen der
öffentlichen Hand / Monatsdurchschnitte".
Unterstellt man (s.o.) einen Verkaufserlös für ein fiktives Grundstück von 120.000 €,
würden Zinserträge im ersten Jahr in Höhe von 7.116 € - in den Folgejahren durch
Zinseszinsen ansteigend - erzielt.
Stellt man diesen Zinsertrag in Höhe von 7.116 € bei einer Verzinsung von 5,93% einer
möglichen Erbpacht von jährlich 4% des Bodenwertes bei Wohnhäusern gegenüber, wäre
die Veräußerung - isoliert für diesen Aspekt betrachtet - wirtschaftlicher.
Eine Geldanlage zu einer Verzinsung von 5,93% ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt
allerdings völlig unrealistisch. Aufgrund der Haushaltssituation ist eher anzunehmen, dass
durch den Verkaufserlös eine fiktive Kreditaufnahme um den Verkaufserlös gemindert
werden könnte. Hierdurch ergeben sich mögliche Zinseinsparungen. Zur Berechnung
dieser möglichen Ersparnis wurden die Kreditkonditionen der letzten Kreditaufnahme
(1,435%, 20 Jahre Laufzeit, 20 Jahre Zinsbindung, ½ jährliche Tilgung) zu Grunde gelegt.
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Die Ersparnis beläuft sich bei diesem Beispiel in 20 Jahren auf 17.600 €. Auch ohne
Tilgung in den 20 Jahren ergibt sich eine Zinseinsparung in 20 Jahren von 34.440 €
Insofern ist eindeutig, dass die Zinseinsparung deutlich geringer ist als die
Erbpachteinnahmen, so dass sich die Auswirkungen für den Ergebnisplan bei Verkauf
dauerhaft schlechter darstellen.
Neben der Zinsersparnis könnten einmalige Erträge aus dem Unterschiedsbetrag
zwischen Verkaufserlös und Bilanzwert entstehen. Die Aufdeckung dieser stillen Reserven
wäre ggfs. direkt gem. § 43 III GemHVO mit der Allgemeinen Rücklage zu verrechnen.
Fazit:
Auf der Grundlage der dargestellten Annahmen ist der Abschluss einer Erbpachtvertrages
wirtschaftlicher und für den Ergebnisplan günstiger als der Grundstücksverkauf. Zwar
werden beim Verkauf ggfs. einmalige Erträge generiert und fiktiv Zinsen erspart, jedoch
reichen diese Erträge/Einsparungen nicht an die nachhaltige über einen langen Zeitraum
garantierte Verzinsung von 4% zzgl. Wertgleitklausel heran.
Zur Verhinderung eines drohenden HSK in einem Jahr kann jedoch der Verkauf mit
entsprechendem erfolgswirksamem Heben stiller Reserven notwendig werden.
4. Welcher Erbbauzins muss je qm verlangt werden, um im Vergleich zum Verkauf
des Grundstücks eine positive Ertragssituation im Verhältnis zum Verkaufserlös zu
errechnen?
Eine Vergabe in Erbpacht ist bereits dann attraktiver als ein Verkauf, wenn der
Erbpachtzins höher liegt als der Kreditzins, also z.Zt. über 1,435%. Oder anders
betrachtet: Erst wenn der Zinssatz für die fiktive Anlegung des Verkaufserlöses höher liegt
als der vereinbarte Erbpachtzins, würde ein Verkauf zu einer positiveren Ertragssituation
im städtischen Haushalt führen.
Hinweis:
Der Erbbaurechtsvertrag hat keine bilanziellen Auswirkungen. Der Verkauf führt zu einem
Aktivtausch (Abgang Grundstück/Zugang Liquide Mittel), evtl. einhergehend mit einem
einmaligen ertragswirksamen Heben stiller Reserven bzw. positiver Verrechnung mit der
Allgemeinen Rücklage.