Daten
Kommune
Brühl
Größe
312 kB
Datum
19.11.2015
Erstellt
11.11.15, 18:27
Aktualisiert
11.11.15, 18:27
Stichworte
Inhalt der Datei
AQuaFam
„Ansätze zur Erhöhung der Anregungsqualität der Familien“
Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitforschung zum Projekt
CHANCENREICH HERFORD E.V.
www.chancenreich-herford.de
DAS PROJEKT CHANCENREICH
Das Herforder Projekt Chancenreich wurbenachteiligten Lebenslagen (vor allem
de von der Carina Stiftung in Kooperation
sozial schwächere Familien und Familien
mit der Stadt Herford in Anlehnung an
mit Migrationshintergrund) zu erreichen,
wissenschaftliche Erkenntnisse aus interstellt dagegen eine große Herausfordenationalen Modellprojekten entwickelt und
rung dar. Ein Ziel von Chancenreich ist es
wird vom Projektträgerverein Chancendaher, auch diese Familien in das Projekt
reich Herford e.V. implementiert. Es stellt
mit einzubinden. Um dies zu erreichen, hat
ein freiwilliges Angebot für Familien zur
Chancenreich ein Vorgehen gewählt, dass
Unterstützung bei der Pflege und Erziesich auf drei Säulen stützt: (1) Gehhung ihrer Neugeborenen und Kleinkinder
Strukturen, (2) einen modularen Ansatz
dar. Grundsätzlich steht Chancenreich
und (3) einen monetären Anreiz. Der fiallen Eltern mit Neugeborenen in Herford
nanzielle Bonus in Höhe von 500 Euro,
offen. Befunde aus der Praxis zeigen,
den die Familien zusätzlich zu den kostendass Angebote, die für Familien aus allen
freien Angeboten erhalten, sofern sie die
sozialen Schichten frei zugänglich sind,
vorher festgelegten Module erfolgreich
häufiger von Familien der Mittelschicht in
absolvieren, ist bisher in Deutschland einAnspruch genommen werden. Familien in
zigartig.
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DIE PROGRAMM-KOMPONENTEN
Durch seinen modularen Ansatz gelingt es
dem Projekt Chancenreich auf effektive
und einzigartige Weise, alle vier Formen
der Familienbildung miteinander zu verbinden. Zum einen deckt Chancenreich in
dem Modul Elternbildungsarbeit in Form
von verpflichtenden Seminaren Elemente
der (a) institutionellen Familienbildung ab.
Zum anderen wurden Elemente der (b)
informellen Familienbildung durch die
Gründung von Elterncafés in Herford und
die dadurch entstandenen Möglichkeiten
zum Austausch erfüllt. Durch die Bereitstellung des Elternhandbuchs sowie themenspezifischer Informationsbroschüren
verfolgt Chancenreich auch eine (c) mediale Familienbildung. Schließlich stellt die
(d) aufsuchende Familienbildung durch die
direkte Ansprache und die Hausbesuche
der Familienbesucherinnen das Kernstück
von Chancenreich dar (vgl. Abb. 1).
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Abbildung 1: Programm-Komponenten von Chancenreich
2
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DIE STUDIE AQUAFAM
Die wissenschaftliche Begleitstudie „Ansätze zur Erhöhung der familialen Anregungsqualität von Kindern aus bildungsfernen Familien“ (AQuaFam) hat das Ziel,
die Auswirkungen der Teilnahme am Modellprojekt „Chancenreich“ auf die familiale
Anregungsqualität und die kindliche Entwicklung zu untersuchen. Im Detail wird
analysiert, ob sich durch die Teilnahme
am Modellprojekt (1) die Erziehungskompetenz der Eltern verbessert, (2) das Gesundheits- und Vorsorgeverhalten der Eltern im Hinblick auf das Kind verändert, (3)
Auswirkungen auf die sprachliche Entwicklung und die Entwicklung des Sozialverhaltens feststellen lassen und ob (4) einzelne Module des Modellprogramms spezifische Auswirkungen zeigen. Darüber
hinaus wird die Teilnehmerstruktur in Bezug auf das Ziel, auch sozial benachteiligte Familien zu erreichen, analysiert.
AQuaFam ist als Querschnittsstudie angelegt. Um Interventionseffekte des Programms Chancenreich nachweisen zu
können, wurde ein Interventions- Vergleichsgruppendesign gewählt. 184 Familien, die am Projekt Chancenreich mit ihren Kindern teilgenommen haben und deren Kinder im Erhebungszeitraum im Alter
von 30 bis 48 Monaten waren, bildeten die
Interventionsgruppe. 58 altersähnliche
Kinder und ihre Familien aus einer nahe
gelegenen Stadt bildeten die Vergleichsgruppe.
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DIE HAUPTBEFUNDE
Welche Familien nehmen an Chancenreich teil?
Chancenreich gelingt es, auch benachteiligte Familien zu erreichen; dies zeigt sich
z.B. in
§
§
einem hohen Anteil von Familien mit
Migrationshintergrund, und
einem hohen Anteil an Eltern, die Arbeitslosengeld beziehen.
In diesen Zielgruppen sind Erziehungsunsicherheiten und der Wunsch nach sozialer Unterstützung besonders relevant.
Der am häufigsten genannte Grund zur
Teilnahme in allen Zielgruppen ist der finanzielle Bonus.
Worin unterscheiden sich Chancenreich- und VergleichsgruppenFamilien?
Die Eltern der Chancenreich-Familien
zeigen …
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§
§
eine bessere gefühlte soziale Unterstützung,
eine höhere Einschätzung der Wichtigkeit von Vorsorgeuntersuchungen,
positivere Einstellungen zu Vorsorgeuntersuchungen, und
in der Einstellung zu den Vorsorgeuntersuchungen geringere soziale Ungleichheiten gemessen am Bildungshintergrund der Mutter.
Die Kinder der Chancenreich-Familien
zeigen …
§
§
§
aus Sicht der Erzieher/-innen ein geringeres Problemverhalten,
aus Sicht der Eltern höhere Alltagsfertigkeiten, und
insgesamt einen höheren Wortschatz
im Vergleich zu einer altersähnlichen
Stichprobe aus dem Bundesprogramm
„Offensive Frühe Chancen“
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DIE ERFOLGSFAKTOREN
Der modulare Bonus und der finanzielle
Anreiz
Es gelingt dem Modellprojekt, Familien
aus unterschiedlichen sozialen Lagen anzusprechen. Außerdem beteiligen sich
Familien mit und ohne Migrationshintergrund gleichermaßen an Chancenreich. Der finanzielle Bonus ist für die
überwiegende Mehrheit der Eltern einer
der Gründe, an Chancenreich teilzunehmen. Vergleicht man Chancenreich mit
anderen vergleichbaren Ansätzen, so fällt
auf, dass andere Projekte sehr viel stärker
damit zu kämpfen haben, arme, bildungs-
ferne Familien oder Familien, die zu Hause eine andere Sprache als Deutsch sprechen, zur Teilnahme zu motivieren. Dieses
Resultat kann als großer Erfolg für das
Projekt gewertet werden. Es ist davon
auszugehen, dass der finanzielle Bonus
an dieser Stelle eine große Rolle spielt. Es
ist positiv zu bewerten, dass das Projekt
Familien mit unterschiedlichem Hintergrund anspricht. So bieten die Kurse eine
wirkliche Chance für soziale Durchmischung und Integration.
3
Fokus auf der Erhöhung der Anregungsqualität in den Familien
Durch das Modellprojekt soll die Entwicklung der Kinder nachhaltig gefördert werden. Die unterschiedlichen Angebote setzen hierbei an unterschiedlichen Stellen
an. Überzeugungen und Einstellungen der
Eltern stehen jedoch im Fokus. Es ist bekannt, dass Familien, die sozio-strukturell
benachteiligt sind (z.B. durch Armut) oder
einen Migrationshintergrund haben, oftmals weniger anregende Entwicklungsund Lernumgebungen zur Verfügung stellen als sozio-strukturell besser gestellte
Familien oder Familien ohne Migrationshintergrund. Die Evaluation konnte aber
zeigen, dass Einstellungen und Überzeugungen hier einen vermittelnden Einfluss
haben. Dementsprechend lassen sich
strukturelle Benachteiligungen von Kindern teilweise dadurch verbessern, dass
sowohl an den Überzeugungen der Eltern,
als auch an deren Erziehungsverhalten
gearbeitet wird. Das übergreifende Konzept des Modellprojekts hat sich somit
bewährt. Mit Blick auf die Überzeugungen
und das Erziehungsverhalten wird deutlich, dass sich im Vergleich zu der Vergleichsgruppe spezifische
Effekte und Vorteile bei den Chancenreich-Familien in den Bereichen zeigen, in
denen das Modellprojekt auch konkret und
spezifisch einwirkt (z.B. auf die Einstellung
zu Vorsorgeuntersuchungen). Das heißt
aber auch: Dort, wo spezifische Effekte
erzielt werden sollen, muss auch spezifisch eingewirkt werden.
Vorsprung durch wissenschaftliche
Begleitforschung
Neben seiner wissenschaftlichen Fundierung hebt sich Chancenreich zusätzlich
durch die explizite Anlage wissenschaftlicher Begleitforschung in der Konzeption
von anderen Programmen ab. Die Evaluation des Modellprojekts Chancenreich gehört zu den wenigen Studien, die Effekte
auf die kindliche Entwicklung mit Hilfe von
standardisierten Tests und Instrumenten
untersucht haben. Es konnten positive
Auswirkungen nachgewiesen werden.
Zum einen werden die ChancenreichKinder von ihren Erzieherinnen und Erziehern in ihrem Sozialverhalten positiver
beurteilt als die Kinder der Vergleichsgruppe. Zum anderen ist der kindliche
Wortschatz weiter entwickelt als bei Kindern einer nationalen Vergleichsstichprobe.
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WEITERFÜHRENDE LITERATUR
Anders, Y., Hachfeld, A. & Wilke, F. (2014). AQuaFam: Ansätze zur Erhöhung der Anregungsqualität
in Familien. Abschlussbericht. Berlin: Freie Universität.
Hachfeld, A. (2014). Frühkindliche Gesundheitsförderung im Elternprogramm Chancenreich:
Vorstellung der wissenschaftlichen Studie AQuaFam. Diskurs Kindheits- und
Jugendforschung, 9(2), 233-238.
Wilke, F., Hachfeld, A., Höhl, H.-U., & Anders, Y. (2014). Welche Familien erreichen Angebote zur
Familienbildung? Eine Analyse der Teilnehmerstruktur am Beispiel des modularen Projekts
Chancenreich. Empirische Sonderpädagogik, 3, 195-210.
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