Daten
Kommune
Brühl
Größe
136 kB
Datum
17.11.2015
Erstellt
11.11.15, 18:27
Aktualisiert
11.11.15, 18:27
Stichworte
Inhalt der Datei
Stadt Brühl
öffentliche
Vorlage
Der Bürgermeister
Dienststelle
Sachbearbeiter/in
Aktenzeichen
Datum
Vorlagen-Nr.
50/4
Rempe
50 39 10
05.10.2015
402/2015
Betreff
Auswirkungen des neuen Pflegegesetzes GEPA NRW
hier: Anfrage sachkundiger Bürger Stilz (CDU) im SozA vom 01.09.2015
Bezug: Vorlagen-Nr.: 314/2015*
Beratungsfolge
Sozialausschuss
Finanzielle Auswirkungen
Ja
x Nein
Mittel stehen zur Verfügung bei SK / KST
Mittel stehen nicht zur Verfügung
Über-/außerplanmäßige Aufwendungen/Auszahlungen
Sachkonto / Kostenstelle
BGM
Zust. Dez.
Zust. Dienststelle
Freytag
Burkhardt
Bäckmann
Zimmermann
Kämmerer
RPA
Beschlussentwurf:
Der Sozialausschuss nimmt den Bericht des Bürgermeisters zur Kenntnis.
Erläuterungen:
Sachkundiger Bürger Stilz (CDU) bat in der Sozialausschusssitzung am 01.09.2015 die
Verwaltung zu erläutern, wie der zukünftige Wegfall von stationären Pflegesätzen
anderweitig kompensiert werden kann oder ob er hingenommen werden müsse.
Auf konkrete Nachfrage beim Amt für Familie, Generationen und Soziales im Rhein-ErftKreis, Abteilung Pflege und Leben im Alter, teilte dieses mit, dass eine qualifizierte
Pflegeplanung nach § 7 Abs. 6 Alten- und Pflegegesetz Nordrhein-Westfalen (APG NRW)
vom Rhein-Erft-Kreis nicht durchgeführt wird. Mit diesem Instrument kann der örtliche
Träger der Sozialhilfe bestimmen, dass eine Förderung für teil- und vollstationäre
Pflegeeinrichtungen, die innerhalb seines örtlichen Zuständigkeitsbereiches neu entstehen
und zusätzliche Plätze schaffen sollen, davon abhängig ist, dass für die Einrichtungen auf
der Grundlage der örtlichen verbindlichen Bedarfsplanung nach § 7 Abs. 6 APG NRW ein
Bedarf bestätigt wird, dieser zu beschließen und öffentlich bekannt zu machen ist und
schließlich gemäß zugehöriger Durchführungsverordnung auch vom Rhein-Erft-Kreis
ausgeschrieben werden müsste. Da laut Rhein-Erft-Kreis die Rahmenbedingungen nicht
konkret genug feststehen, hat sich der Rhein-Erft-Kreis gegen dieses Instrument
entschieden. Es gibt von Seiten des Rhein-Erft-Kreises also keine qualifizierte Aussage zu
künftigen Bedarfen in der Pflegeplanung.
Der Rhein-Erft-Kreis führt alle zwei Jahre eine Pflegeplanung nach § 7 Abs. 1-5 APG
NRW durch. Diese Pflegeplanung der Kreise und kreisfreien Städte umfasst
•
die Bestandsaufnahme der Angebote,
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•
die Feststellung der Frage, ob qualitativ und quantitativ ausreichend Angebote zur
Verfügung stehen, und
•
die Klärung der Frage, ob und ggf. welche Maßnahmen zur Herstellung, Sicherung
oder Weiterentwicklung von Angeboten erforderlich sind.
Sie umfasst insbesondere komplementäre Hilfen, Wohn- und Pflegeformen sowie
zielgruppenspezifische Angebotsformen wie persönliche Assistenz und die
Weiterentwicklung der örtlichen Infrastruktur. Die Planung hat übergreifende Aspekte der
Teilhabe, einer altengerechten Quartiersentwicklung zur Sicherung eines würdevollen,
inklusiven und selbstbestimmten Lebens, bürgerschaftliches Engagement und das
Gesundheitswesen einzubeziehen. (§ 7 Abs. 1 APG NRW)
Die Pflegeplanung nach § 7 Abs. 1-5 APG NRW für den Rhein-Erft-Kreis ist derzeit in
Bearbeitung. Der Kreis bezieht die kreisangehörigen Gemeinden in den Planungsprozess
ein und berücksichtigt die Planungen angrenzender Gebietskörperschaften (§ 7 Abs. 2
APG NRW). Zur Zeit finden auf Ebene der Sozialdezernentenkonferenz der
kreisangehörigen Kommunen Gespräche statt, wie das Zusammenwirken der
kreisangehörigen Kommunen und der Kreisverwaltung aussehen kann, z. B. in Form eines
Arbeitskreises unter Federführung des Kreises oder als ständiges Thema in der
Sozialdezernentenkonferenz. Die Kommunale Konferenz Alter und Pflege beim Rhein-ErftKreis, in der auch die Stadt Brühl vertreten ist, wirkt an der Umsetzung von pflegerischen
Maßnahmen, welche sich aus der Datenanalyse der Pflegeplanung ergeben und damit
auch an der Sicherung und Weiterentwicklung der örtlichen Angebote mit.
Nach § 7 Abs. 6 APG NRW kann die Planung nach § 7 Abs. 1-5 APG NRW Grundlage für
eine verbindliche Entscheidung über eine bedarfsabhängige Förderung zusätzlicher teiloder vollstationärer Pflegeeinrichtungen sein. Dies ist an bestimmte Voraussetzungen
gebunden:
• jährlicher Beschluss des Kreistages nach vorheriger Beratung in den
entsprechenden Gremien u.a. kommunale Konferenz Alter und Pflege,
• zukunftsorientierte Planung über einen Zeitraum von drei Jahren ab der
Beschlussfassung,
• Bedarfe bzw. Fehlbedarfe müssen auf der Grundlage nachvollziehbarer Parameter
dargestellt werden. Die Aussagen können auf verschiedene Sozialräume innerhalb
eines Kreises bezogen sein.
Sollte diese verbindliche Entscheidung getroffen werden, ist die Förderung von neuen volloder teilstationären Pflegeplätzen an eine Bedarfsbestätigung gebunden. Dieses
Verfahren ist in § 11 Abs. 7 APG i.V.m. §§ 26 u. 27 APG DVO (zuletzt geändert am
25.06.2015) näher erläutert.
• Es ist klar zu bestimmen, welche Einrichtungsformen von dem Beschluss erfasst
sein sollen.
• Eine Differenzierung zwischen den verschiedenen teilstationären Angeboten ist
möglich.
• Innerhalb eines Monats nach Kreistags-Beschluss ist eine Bedarfsausschreibung zu
veröffentlichen und die Parameter zu benennen. Träger, die Interesse an der
Schaffung neuer, zusätzlicher Plätze haben, können sich innerhalb einer in der
Ausschreibung festgesetzten Frist um die Plätze bewerben. Vorzulegen sind
entsprechende Konzepte mit den in der Ausschreibung genannten Kriterien (evtl.
auch sozialräumiger Bezug, sofern dieser festgelegt wurde). Bei Vorlage von
mehreren Bewerbern entscheidet der Kreis (örtlicher Sozialhilfeträger) anhand der
festgelegten Parameter.
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Da dieses Verfahren sehr viele rechtliche Unsicherheiten aufzeigt, herrscht in den meisten
Kreisen und kreisfreien Städten wie beim Rhein-Erft-Kreis die Auffassung, zunächst
abzuwarten wie sich das Gesetz entwickelt. Jährlich kann eine Umwandlung der
Bedarfsplanung nach § 7 Abs. 1-5 APG NRW in eine qualifizierte Bedarfsplanung nach §
7 Abs. 6 APG NRW stattfinden, sollte ein solcher Bedarf erkannt werden.
Zurzeit erfolgt die Festlegung der Förderung von zusätzlichen voll- oder teilstationären
Pflegeplätzen im Rhein-Erft-Kreis durch die Beratung in der kommunalen Konferenz Alter
und Pflege (§ 13 Abs. 3 APG DVO). Diese Beratung ist Grundlage für die Anerkennung
der förderfähigen Kosten von neuen Pflegeplätzen.
Um kommunale Altenhilfe in der Zukunft weiter finanzierbar und bedarfsgerecht zu
gestalten, benötigt die derzeit praktizierte Seniorenpolitik in ihren Maßnahmen eine
Neuausrichtung: Die stationären Versorgungsstrukturen in Brühl in vollem Umfang wie
bisher weiter aufrechtzuerhalten steht dem oftmals geäußerten Wunsch Brühler
Bürgerinnen und Bürger nach langer, individueller Selbstbestimmung im Lebensalltag
gegenüber. Letzteres bestimmt auch die Direktive des Ministeriums für Gesundheit,
Emanzipation, Pflege und Alter des Landes NRW (MGEPA), das in seinen neu
ausgerichteten und verabschiedeten Pflegegesetzen ambulante vor stationärer
Versorgung propagiert. Auch das Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA) steht auf dem
Standpunkt, dass langfristig ein „weg“ von der Schaffung reiner Versorgungsstrukturen hin
zur Stärkung des normalen Wohnens und eine Stärkung von Mitwirkung und Teilhabe im
Lebensalltag erfolgen muss.
Im Wesentlichen sind das die tragenden Elemente einer quartiersbezogenen Altenhilfe
und Seniorenpolitik, die auch den Bedürfnissen und Wünschen der meisten Bürgerinnen
und Bürger entspricht und entgegenkommt.
Parallel dazu findet durch die Vorhaltung einer entsprechenden Angebotsstruktur in den
Quartieren eine spürbare finanzielle Entlastung der Kommune bei Gewährung von
ergänzenden Sozialhilfeleistungen im Rahmen der Hilfe zur Pflege statt. Es wird
erforderlich sein, kleinräumige Netzwerkstrukturen in den Stadtteilen der Kommune zu
schaffen, zu initiieren und zu installieren. Diese können beispielhaft durch kleine und
etablierte Bürgerbüros, Seniorenbüros und/oder Stadtteilbüros als Anlaufstelle verstärkt
werden.
„Kommunale Altenhilfeplanung im Sinne eines Quartieransatzes bedarf einer
Haltungsänderung, die nicht von oben verordnet werden kann, sondern in Kommunen
gemeinsam entwickelt werden muss“ (Aussage der Leiterin des Bereiches Wohnen und
Quartiersgestaltung im KDA, Frau Ursula Kremer-Preiß auf einer Pressekonferenz des
KDA). „Die Kommune sollte deshalb mit den Bürgerinnen und Bürgern ein Leitbild zum
Umgang der Alterung in der Gesellschaft gemeinsam entwickeln. Das alles gelingt nur,
wenn auch eine nachhaltige Verankerung des Quartieransatzes durch Weiterentwicklung
der kommunalen Verwaltung in Form einer ressortübergreifenden Zusammenarbeit erfolgt“
(vgl. Pressemitteilung KDA vom 19.11.2013 zu „Quartiersmanagement - Lebensräume
lebenswert gestalten“).
Es bedeutet aber auch, schon jetzt das Angebot der bereits vorhandenen,
niedrigschwelligen Angebote (z.B. Hausnotruf, Telefonkette, Besuchsdienste) zu
verbessern und ggf. zu erweitern. Diese Angebote können durch ambulante Pflegedienste
oder Beratungsstellen vermittelt werden. Bedarfe von älteren Menschen sollen auch
verstärkt in der wohnortnahen Grundversorgung durch Einzelhandelsunternehmen
abgefragt werden (breitere Gänge zwischen den Regalen, Ausschilderung/Lesbarkeit der
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Lebensmittelpreise, Bringdienst des Einkaufs nach Hause, Schulung der MitarbeiterInnen
zum Thema „Demenz“ etc.).
Eine Alternative zur Entscheidung zwischen der eigenen Wohnung oder einer
Pflegeeinrichtung liegt in einer Erweiterung der Angebote von „Betreutem Wohnen“ bzw.
„Wohnen mit Service“. In diesen Wohnformen werden barrierefreier Wohnraum zur
Verfügung gestellt und alternsgerechte Unterstützungsangebote vorgehalten. Weitere
Wohnangebote für ältere Menschen stellen die sogenannten alternativen Wohnformen, die
Senioren- und Demenzwohngemeinschaften dar. Hierbei handelt es sich um
Gemeinschaften, die entweder anbieterorientiert (z.B. ambulante Pflegedienste) oder
selbstverantwortlich (z.B. durch Mietervereinigungen oderAngehörige von zu pflegenden
Personen) agieren. Der Versorgungs- und Betreuungsaufwand richtet sich bei diesen
Wohnformen nach der vertraglichen Ausgestaltung und kann durch Hilfe von
Präsenzkräften und Reinigungsunterstützungsdienstleistern bis hin zur Nachtwache viele
Angebote enthalten. Eine weitere Alternative bieten Mehrgenerationenhäuser. Der
Schwerpunkt von Mehrgenerationenhäusern liegt im Zusammenleben verschiedener
Generationen unter einem Dach. Die Idee des Mehrgenerationenwohnens besteht darin,
aus einem bewussten Miteinander verschiedener Generationen gegenseitige Hilfestellung
und Betreuung zu leisten. Hilfebedürftige ältere Menschen können mit Unterstützung der
Mitbewohner länger in ihrer Wohnung verbleiben, jüngere erfahren Entlastung durch
ältere, die geistig und körperlich vital sind. Das Zusammenleben der Generationen in
Mehrgenerationenhäusern geschieht freiwillig. Das gilt auch für zu erbringende
Dienstleistungen, die das Projekt ausmachen. Die Kommune kann die Planung von
Mehrgenerationenhäusern unterstützen, um die Bedürfnisse aller Generationen nach
kommunikativen Strukturen bzw. hoher Lebensqualität, die dieses Wohnmodell bietet,
umzusetzen.
Die o.g. alternativen Wohnformen sind im gesamten Rhein-Erft-Kreis noch nicht in
nennenswertem Umfang etabliert. Brühl könnte mit der Umsetzung alternativer
Wohnformen im Alter eine „Vorreiterrolle“ einnehmen. Folgende Projekte sind bereits
etabliert:
Die Antoniter Siedlungsgesellschaft mbH im Ev. Kirchenverband Köln und Region,
wird im Jahr 2016 in Brühl-Vochem auf ihrem Gelände eine Demenz-WG mit den
beschriebenen Grundvoraussetzungen und -bedingungen eröffnen.
Im Wohnquartier Rosenhof ist geplant seniorengerechtes, barrierefreies Wohnen zu
etablieren.
Tagespflegeeinrichtungen sowie Kurzzeitpflegeangebote in Brühl helfen ebenso dabei,
dass pflegebedürftige Personen so lange wie möglich im eigenen Haushalt verbleiben
können. Die Form der genannten Einrichtungen ermöglicht es wiederum, pflegenden
Angehörigen stundenweise eine Entlastung im Alltag zu erfahren. Darüber hinaus wird hier
die Tagesstruktur von Menschen mit Demenz weiter gefördert und aufrechterhalten.
Insgesamt richtet sich der „Pflegemarkt“ in allen Bereichen (niederschwellig,
komplementär, teil- oder vollstationär) nach Angebot und Nachfrage. In Brühl haben sich
bereits viele Unternehmen, Vereine, Initiativen und Gemeinschaften auf die Senioren
eingestellt:
Beim Krankheitsbild „Alzheimer/Demenz“ erfahren Betroffene und Angehörige eine große
und vielfaltige Unterstützung in der Selbsthilfegruppe „Aufwind“. Unterstützung erfährt
diese Gruppe durch das Demenzfahrzeug „Für Sie ins Quartier“ vom Rhein-Erft-Kreis, das
alle zwei Wochen, mittwochs von 9 bis 15 Uhr in Brühl Station macht.
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Das Gleiche gilt auch für die Palliativversorgung schwer erkrankter Brühler Bürgerinnen
und Bürger durch das Palliativteam SAPV Rhein-Erft. Dieses wiederum kooperiert sehr
stark mit dem Hospizverein Brühl e.V. Das Palliativteam garantiert schwer kranken
PatientInnen eine medizinische und ärztliche Rundumversorgung in häuslicher
Umgebung.
Es gilt insgesamt, in der Zukunft weitere Vernetzungen und Allianzen innerhalb der
Kommune mit verschiedenen in Brühl ansässigen Institutionen, Organisationen, Vereinen,
Gemeinschaften zu suchen und zu forcieren. Es soll eine angemessene,
zukunftsweisende Daseinsfürsorge für ältere Menschen angestrebt werden, die garantiert,
dass diese so lange in ihrem gewohnten Wohnumfeld verbleiben können, wie es mit
ambulanter Versorgungstruktur möglich ist.