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Beschlussvorlage (BP 107 GEYEN Artenschutzprüfung)

Daten

Kommune
Pulheim
Größe
2,2 MB
Datum
05.11.2013
Erstellt
23.09.13, 18:48
Aktualisiert
23.09.13, 18:48

Inhalt der Datei

Bebauungsplan „Mühlenpark“ Pulheim - Geyen Artenschutzprüfung (ASP) Bebauungsplan „Mühlenpark“ Pulheim - Geyen Artenschutzprüfung (ASP) Gutachten im Auftrag der Raiffeisenbank Frechen-Hürth eG Brabanter Platz, 50354 Hürth Bearbeiter: Dr. Thomas Esser Dipl.-Biol. Jochen Weglau KÖLNER BÜRO FÜR FAUNISTIK Moltkestr. 28 50674 Köln www.kbff.de Köln, im Juli 2012 Inhalt 1. Anlass und Rechtsgrundlagen ............................................................................. 3 1.1 Anlass .......................................................................................................................... 3 1.2 Rechtsgrundlagen ........................................................................................................ 4 1.2.1 Artenschutzrechtliche Vorgaben des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) .... 4 1.2.2 Begriffsdefinitionen ................................................................................................ 8 2. Beschreibung des Vorhabensbereichs ............................................................. 12 3. Vorgehensweise und Methodik .......................................................................... 15 3.1 Vorgehensweise und Fragestellung............................................................................ 15 3.2 Auswahl artenschutzrechtlich relevanter Arten ........................................................... 16 3.3 Methodik und Datengrundlagen.................................................................................. 16 4. Beschreibung des Vorhabens und seiner Auswirkungen ............................... 17 5. Vorkommen artenschutzrechtlich relevanter Arten ......................................... 20 5.1 Europäische Vogelarten ............................................................................................. 21 5.1.1 Nicht-planungsrelevante Vogelarten .................................................................... 21 5.1.2 Planungsrelevante Vogelarten ............................................................................. 22 5.2 Arten des Anhangs IV FFH-Richtlinie ......................................................................... 23 6. Konfliktprognose: Betroffenheit artenschutzrechtlich relevanter Arten ........ 25 6.1 Maßnahmen zur Vermeidung und Minderung artenschutzrelevanter Beeinträchtigungen und Maßnahmen zur Sicherung der ökologischen Funktion ........ 25 6.2 Artenschutzrechtliche Prüfung nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 unter Berücksichtigung von Abs. 5 Satz 2 BNatSchG............................................................................................. 27 6.2.1 Europäische Vogelarten ....................................................................................... 27 6.2.2 Arten des Anhangs IV FFH-Richtlinie ................................................................... 28 7. Prüfung von Ausnahmetatbeständen ................................................................ 29 8. Zusammenfassung und Fazit: Artenschutzrechtliche Zulässigkeit des Bebauungsplans „Mühlenpark“ in Pulheim - Geyen ....................................... 30 9. Literatur und sonstige verwendete Quellen ...................................................... 31 K ÖLNER B ÜRO FÜR F AUNISTIK 1. Anlass und Rechtsgrundlagen 1. Anlass und Rechtsgrundlagen 1.1 Anlass § 44 des BNatSchG enthält für bestimmte Tier- und Pflanzenarten Verbotstatbestände, die ihrem Schutz dienen. Diese Schutzbestimmungen gelten, unabhängig von speziellen Schutzgebieten, für Pflanzen- und Tierarten, die nach § 7 BNatSchG besonders und/oder streng geschützt sind. Sie gelten für diese Arten selbst (z.B. für das Sammeln, Verletzen oder Töten), aber auch für von ihnen zum Überleben benötigte Lebensräume bzw. Lebensraumstrukturen. Eingriffsbedingte Veränderungen von Natur und Landschaft bedürfen immer dann einer Überprüfung artenschutzrechtlicher Belange, wenn nicht von vorneherein auszuschließen ist, dass bestimmte geschützte Arten, und zwar Arten des Anhangs IV der FFH-Richtlinie, wildlebende Vogelarten sowie Arten, die nach einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 BNatSchG aufgeführt sind, von einem Vorhaben betroffen sein könnten (siehe hierzu auch Kapitel 1.2). Zu beachten sind hierbei zunächst die Verbotstatbestände des § 44 Abs. 1 BNatSchG, wonach es nicht zu einer Tötung oder Verletzung von Individuen artenschutzrechtlich relevanter Arten (§ 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG), zu einer erheblichen Störung (§ 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG) oder zu einer Zerstörung der Fortpflanzungs- und Ruhestätten (§ 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG) dieser Arten kommen darf. § 44 Abs. 5 BNatSchG regelt den Eingriff im Falle der Betroffenheit der Fortpflanzungs- und Ruhestätten und im Hinblick auf damit unvermeidbare Beeinträchtigungen von Individuen artenschutzrechtlich relevanter Tierarten weiter (nähere Ausführungen siehe nachfolgendes Kapitel 1.2). Die Raiffeisenbank Frechen-Hürth eG plant die Bebauung eines großen Gartengrundstücks im Umfeld der Geyener Mühle in Pulheim-Geyen. Vorhabensbedingt kann es zu einer Betroffenheit von Arten kommen, die unter die Schutzbestimmungen des § 44 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG, Zugriffsverbote) fallen. In der vorliegenden artenschutzrechtlichen Betrachtung wird dargestellt, ob und - wenn ja - welche artenschutzrechtlichen Konflikte im Zusammenhang mit der geplanten Bebauung entstehen können. Weiterhin wird geklärt, ob das Vorhaben aus artenschutzrechtlicher Sicht als zulässig einzustufen ist. 3 K ÖLNER B ÜRO FÜR F AUNISTIK 1. Anlass und Rechtsgrundlagen 1.2 Rechtsgrundlagen Die Vorgaben der §§ 44 und 45 BNatSchG bilden die Grundlage für die artenschutzrechtliche Prüfung. Sie werden daher nachfolgend erläutert. 1.2.1 Artenschutzrechtliche Vorgaben des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) Die artenschutzrechtlichen Regelungen des BNatSchG finden sich in § 44 mit den dort dargestellten Verboten. Nach § 44 Abs. 1 BNatSchG ist es verboten, 1. wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören, 2. wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören; eine erhebliche Störung liegt vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert, 3. Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören, 4. wild lebende Pflanzen der besonders geschützten Arten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, sie oder ihre Standorte zu beschädigen oder zu zerstören (Zugriffsverbote). Die Zugriffsverbote werden für nach § 15 BNatSchG zulässige Eingriffe in Natur und Landschaft sowie für Vorhaben im Sinne des § 18 Abs. 2 S. 1 BNatSchG, also auch für Vorhaben im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, eingeschränkt. Danach sind die Verbotstatbestände des § 44 Absatz 1 BNatSchG nach dessen Absatz 5 unter folgenden Voraussetzungen nicht verletzt: (5) Für nach § 15 zulässige Eingriffe in Natur und Landschaft sowie für Vorhaben im Sinne des § 18 Absatz 2 Satz 1, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuches zulässig sind, gelten die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote nach Maßgabe der Sätze 2 bis 5. Sind in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Tierarten, europäische Vogelarten oder solche Arten betroffen, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt sind, liegt ein Verstoß gegen das Verbot des Absatzes 1 Nummer 3 und im Hinblick auf damit verbundene unvermeidbare Beeinträchtigungen wild lebender Tiere auch gegen das Verbot des Absatzes 1 Nummer 1 nicht vor, soweit die ökologische Funktion der von dem Eingriff oder Vorhaben betroffenen Fortpflanzungs- oder Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt wird. Soweit erforderlich, können auch vorgezogene Aus4 K ÖLNER B ÜRO FÜR F AUNISTIK 1. Anlass und Rechtsgrundlagen gleichsmaßnahmen festgesetzt werden. Für Standorte wild lebender Pflanzen der in Anhang IV Buchstabe b der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Arten gelten die Sätze 2 und 3 entsprechend. Sind andere besonders geschützte Arten betroffen, liegt bei Handlungen zur Durchführung eines Eingriffs oder Vorhabens kein Verstoß gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote vor. Die Frage, ob die ökologische Funktion betroffener Fortpflanzungs- und Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt wird, erfordert im Hinblick auf das Vorhandensein geeigneter Fortpflanzungs- und Ruhestätten im Raum eine artspezifische Prüfung. Hierbei können vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen berücksichtigt werden. Im Hinblick auf § 44 Abs. 1 Nr. 2 ist die Erheblichkeit von Störwirkungen maßgeblich. Mit Blick auf gesetzlich vorgeschriebene Prüfungen werden die Zugriffs- und Besitzverbote ebenfalls eingeschränkt (§ 44 Abs. 6 BNatSchG): (6) Die Zugriffs- und Besitzverbote gelten nicht für Handlungen zur Vorbereitung gesetzlich vorgeschriebener Prüfungen, die von fachkundigen Personen unter größtmöglicher Schonung der untersuchten Exemplare und der übrigen Tier- und Pflanzenwelt im notwendigen Umfang vorgenommen werden. Die Anzahl der verletzten oder getöteten Exemplare von europäischen Vogelarten und Arten der in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Tierarten ist von der fachkundigen Person der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde jährlich mitzuteilen. Sollte die artenschutzrechtliche Betroffenheit geschützter Arten unter Beachtung des § 44 Abs. 1 und Abs. 5 BNatSchG nicht ausgeschlossen werden können, ist die Ausnahmeregelung des § 45 Abs. 7 BNatSchG zu prüfen. Maßgeblich für das hier zu prüfende Vorhaben sind folgende Absätze: (7) Die nach Landesrecht zuständigen Behörden sowie im Falle des Verbringens aus dem Ausland das Bundesamt für Naturschutz können von den Verboten des § 44 im Einzelfall weitere Ausnahmen zulassen 1. im Interesse der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit, einschließlich der Landesverteidigung und des Schutzes der Zivilbevölkerung, oder der maßgeblich günstigen Auswirkungen auf die Umwelt oder 2. aus anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art. Eine Ausnahme darf nur zugelassen werden, wenn zumutbare Alternativen nicht gegeben sind und sich der Erhaltungszustand der Populationen einer Art nicht ver5 K ÖLNER B ÜRO FÜR F AUNISTIK 1. Anlass und Rechtsgrundlagen schlechtert, soweit nicht Artikel 16 Abs. 1 der Richtlinie 92/43/EWG weitergehende Anforderungen enthält. Artikel 16 Abs. 3 der Richtlinie 92/43/EWG und Artikel 9 Abs. 2 der Richtlinie 79/409/EWG sind zu beachten. Die Landesregierungen können Ausnahmen auch allgemein durch Rechtsverordnung zulassen (…). Das BNatSchG nimmt Bezug auf Artikel 16 Absatz 1 sowie Absatz 3 der FFH-Richtlinie (Richtlinie 92/43/EWG). Artikel 16 Absatz 1 FFH-Richtlinie lautet: (1) Sofern es keine anderweitige zufrieden stellende Lösung gibt und unter der Bedingung, dass die Populationen der betroffenen Art in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet trotz der Ausnahmeregelung ohne Beeinträchtigung in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen, können die Mitgliedstaaten von den Bestimmungen der Artikel 12, 13 und 14 sowie des Artikels 15 Buchstaben a) und b) im folgenden Sinne abweichen: a) zum Schutz der wildlebenden Tiere und Pflanzen und zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume; b) zur Verhütung ernster Schäden insbesondere an Kulturen und in der Tierhaltung sowie an Wäldern, Fischgründen und Gewässern sowie an sonstigen Formen von Eigentum; c) im Interesse der Volksgesundheit und der öffentlichen Sicherheit oder aus anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art oder positiver Folgen für die Umwelt; d) zu Zwecken der Forschung und des Unterrichts, der Bestandsauffüllung und Wiederansiedlung und der für diese Zwecke erforderlichen Aufzucht, einschließlich der künstlichen Vermehrung von Pflanzen; e) um unter strenger Kontrolle, selektiv und in beschränktem Ausmaß die Entnahme oder Haltung einer begrenzten und von den zuständigen einzelstaatlichen Behörden spezifizierten Anzahl von Exemplaren bestimmter Tier- und Pflanzenarten des Anhangs IV zu erlauben. Aus Artikel 16 der FFH-Richtlinie wird deutlich, dass eine Ausnahme von den artenschutzrechtlichen Verboten der FFH-Richtlinie nur dann zu erzielen ist, wenn keine anderweitigen zufrieden stellenden Lösungen vorhanden sind. Zudem ist immer zu beachten, dass entstehende Beeinträchtigungen nie so weit gehen dürfen, dass der günstige Erhaltungszustand einer Art in Frage gestellt ist. Erst dann kann es zur Prüfung der weiteren Ausnahmetatbestände nach Artikel 16 Abs. 1 a) bis e) kommen, wonach weitere Voraussetzungen, etwa zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses, erfüllt sein müssen. 6 K ÖLNER B ÜRO FÜR F AUNISTIK 1. Anlass und Rechtsgrundlagen Artikel 16 Absätze 2 und 3 der FFH-Richtlinie betreffen die Kontrolle von artenschutzrechtlichen Ausnahmen. Sie haben folgenden Inhalt: (2) Die Mitgliedstaaten legen der Kommission alle zwei Jahre einen mit dem vom Ausschuss festgelegten Modell übereinstimmenden Bericht über die nach Absatz 1 genehmigten Ausnahmen vor. Die Kommission nimmt zu diesen Ausnahmen binnen zwölf Monaten nach Erhalt des Berichts Stellung und unterrichtet darüber den Ausschuss. (3) In den Berichten ist folgendes anzugeben: a) die Arten, für die die Ausnahmeregelung gilt, und der Grund der Ausnahme, einschließlich der Art der Risiken sowie gegebenenfalls der verworfenen Alternativlösungen und der benutzten wissenschaftlichen Daten; b) die für Fang oder Tötung von Tieren zugelassenen Mittel, Einrichtungen oder Methoden und die Gründe für ihren Gebrauch; c) die zeitlichen und örtlichen Umstände der Ausnahmegenehmigungen; d) die Behörde, die befugt ist, zu erklären, dass die erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind, bzw. zu kontrollieren, ob sie erfüllt sind, und die beschließen kann, welche Mittel, Einrichtungen oder Methoden innerhalb welcher Grenzen und von welchen Stellen verwendet werden dürfen sowie welche Personen mit der Durchführung betraut werden; e) die angewandten Kontrollmaßnahmen und die erzielten Ergebnisse. Auch Artikel 9 Absatz 2 der Vogelschutzrichtlinie (Richtlinie 79/409/EWG) wird in § 45 Abs. 7 BNatSchG angesprochen. Danach gilt für die Ausnahmen von artenschutzrechtlichen Verboten: (2) In den abweichenden Bestimmungen ist anzugeben, - für welche Vogelarten die Abweichungen gelten, - die zugelassenen Fang- oder Tötungsmittel, -einrichtungen und -methoden, - die Art der Risiken und die zeitlichen und örtlichen Umstände, unter denen diese Abweichungen getroffen werden können, - die Stelle, die befugt ist zu erklären, dass die erforderlichen Voraussetzungen gegeben sind, und zu beschließen, welche Mittel, Einrichtungen und Methoden in welchem Rahmen von wem angewandt werden können, - welche Kontrollen vorzunehmen sind. Auch hier wird die Kontrollpflicht für Ausnahmen im Falle wildlebender Vogelarten angesprochen. 7 K ÖLNER B ÜRO FÜR F AUNISTIK 1. Anlass und Rechtsgrundlagen 1.2.2 Begriffsdefinitionen Das BNatSchG nimmt teilweise konkret Bezug auf die artenschutzrechtlichen Vorgaben der FFH-Richtlinie (insbesondere Artikel 16). Daher werden nachfolgend die im BNatSchG verwendeten Begriffe unter Berücksichtigung europarechtlicher Vorgaben interpretiert. Die Inhalte des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG bedürfen keiner näheren Begriffsdefinition. Sie beziehen sich eindeutig auf die Individuen und ihre Entwicklungsstadien und verbieten den Fang, das Nachstellen, Verletzen oder Töten. Sie sind individuenbezogen anzuwenden. Der Begriff der „Störung“ entsprechend § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG lässt sich in Anlehnung an die Ausführungen der EU-Kommission zur FFH-Richtlinie näher definieren. Störungen können durch Beunruhigungen und Scheuchwirkungen infolge von Bewegung, Lärm, Licht oder Maschinen eintreten (LÜTTMANN 2007, TRAUTNER 2008). Auch Zerschneidungswirkungen (z.B. Silhouettenwirkungen von technischen Bauwerken) werden demnach als Störwirkungen bezeichnet. Das Maß der Störung hängt von Parametern wie Intensität, Dauer und Wiederholungsfrequenz auftretender Störungen ab. In einem so genannten „Guidance document“ zur Anwendung der artenschutzrechtlichen Regelungen der FFH-Richtlinie (siehe EUROPEAN COMMISSION 2005, 2007, Kapitel II.3.2.) werden Störungen immer dann als relevant betrachtet, wenn sie negativen Einfluss auf die Überlebenschancen, den Fortpflanzungserfolg oder die Reproduktionsfähigkeit der zu schützenden Arten haben. Alle Störungen, die zu einer Abnahme der Verbreitung einer Art im Raum führen, sind ebenfalls eingeschlossen. Damit sind Störungen artspezifisch unterschiedlich zu definieren, da sich die Empfindlichkeit gegenüber störenden Einflüssen auch artspezifisch unterscheidet. Ähnlich wie die EU-Kommission äußert sich das MINISTERIUM FÜR UMWELT UND NATURSCHUTZ, LANDWIRTSCHAFT UND VERBRAUCHERSCHUTZ DES LANDES NRW (MUNLV 2008). Al- lerdings beinhaltet der Störungstatbestand des § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG einen populationsbezogenen Ansatz. Danach ist für das Eintreten des Störungstatbestands entscheidend, dass es zu einem negativen Einfluss auf Populationsniveau kommt, indem die Fitness der betroffenen Individuen populationsrelevant verringert wird (KIEL 2005). Entscheidend ist hiernach, „wie sich die Störung auf die Überlebenschancen, die Reproduktionsfähigkeit und den Fortpflanzungserfolg der Individuen der lokalen Population auswirkt“ (MUNLV 2008). Letztendlich sind lokale Populationen also nach dem Angebot geeigneter Habitate vor Ort, den Lebensraumansprüchen der betroffenen Arten sowie ihrer räumlichen Verbreitung und ihres Erhaltungszustands abzugrenzen. Das MUNLV (2008) wählt für Lokalpopulationen einen pragmatischen Ansatz. Danach sind diese weniger populationsbiologisch oder genetisch zu definieren, sondern am ehesten als 8 K ÖLNER B ÜRO FÜR F AUNISTIK 1. Anlass und Rechtsgrundlagen lokale Dichtenzentren bzw. Konzentrationen. In einigen Fällen sind dies zugleich die Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der Arten (etwa bei einigen Fledermäusen oder Amphibien). In zahlreichen Fällen kann es aber auch sinnvoll sein, Landschaftseinheiten (Waldgebiete, Grünlandkomplexe u.a.) als Lebensräume lokaler Populationen zu definieren. Arten mit sehr großen Aktionsräumen wiederum bedürfen ggf. einer noch weiteren Definition des Begriffs der lokalen Population. Hier können Gemeindegebiete oder Kreisgebiete herangezogen werden, um Beeinträchtigungen lokaler Populationen näher zu bestimmen. Ob dem pragmatischen Ansatz des MUNLV (2008) gefolgt wird, oder dieser in Abhängigkeit der ökologischen Voraussetzungen einzelner Arten abgeändert werden muss, lässt sich erst bei näherer Betrachtung der einzelnen betroffenen Arten belastbar aussagen. Da die Frage der „Erheblichkeit“ einer Störung damit verbunden ist, dass sich der Erhaltungszustand lokaler Populationen verschlechtern könnte, ist die Bewertung des AusgangsErhaltungszustands einer lokalen Population von großer Bedeutung. Bei verbreiteten, nicht konzentriert auftretenden Arten wird dieser nicht so schnell beeinträchtigt werden, während konzentriert auftretende Arten mit einem ungünstigen Erhaltungszustand bereits bei geringeren Auswirkungen auf lokaler Ebene beeinträchtigt werden können (siehe MUNLV 2008). Als Fortpflanzungsstätten werden alle Teillebensräume bezeichnet, die für die Paarung und Niederkunft sowie ggf. die nachfolgende Jungenaufzucht erforderlich sind. Sie decken auch die Umgebung der Nester oder die Orte der Niederkunft ab, wenn diese für die Nachwuchspflege benötigt werden. Fortpflanzungsstätten können somit Balzplätze, Paarungsquartiere, Nistplätze usw. umfassen (siehe EUROPEAN COMMISSION 2005, 2007, Kapitel II.3.4. vgl. auch Begriffsdefinition des MUNLV 2008). Ruhestätten sind die Bereiche, die von Tieren aufgesucht werden, wenn diese nicht aktiv sind. Hierzu gehören Plätze, die zur Thermoregulation, als Rast- oder Schlafplätze, Verstecke oder für die Überwinterung genutzt werden. Die LANA (2006) bezeichnet die Fortpflanzungs- und Ruhestätten zusammenfassend als „Lebensstätten“ der zu schützenden Arten. Fortpflanzungs- und Ruhestätten können artspezifisch in unterschiedlicher Weise eingegrenzt werden. Es ist möglich, nur die Bereiche, in denen eine konkrete Art tatsächlich vorkommt, kleinräumig als Fortpflanzungs- und Ruhestätten zu bezeichnen, sofern sich das Vorkommen einer Art hierauf beschränkt. Dem steht eine weitere Definition gegenüber, die die Gesamtheit geeigneter Bereiche zur Fortpflanzungs- und Ruhestätte erklärt. Die Europäische Kommission bevorzugt die weitere Definition (siehe EUROPEAN COMMISSION 2005, 2007, Kapitel II.3.4.b), schränkt aber zugleich ein, dass für Arten mit größeren Aktionsradien eine Beschränkung auf einen klar abgegrenzten Raum sinnvoll erscheint. 9 K ÖLNER B ÜRO FÜR F AUNISTIK 1. Anlass und Rechtsgrundlagen Das MUNLV (2008) kommt zu dem Ansatz, dass Arten mit geringen Raumansprüchen eher nach der weiten Definition, also der Gesamtheit geeigneter Fortpflanzungs- und Ruhestätten im betrachteten Raum, Arten mit großen Aktionsradien dagegen eher mit einer engeren, auf besonders geeignete Teillebensräume eingegrenzten Sichtweise, behandelt werden sollten. Bei Vögeln sollte in der Regel nicht nur das eigentliche Nest, sondern das gesamte Revier als Fortpflanzungsstätte betrachtet werden. Nur bei Arten, die große Brutreviere nutzen und ihre Nahrungsreviere weiträumig und unspezifisch aufsuchen, kann die Lebensstätte auf das eigentliche Nest mit einer geeigneten störungsarmen Ruhezone beschränkt werden (siehe MUNLV 2008). Auch der Begriff der Beschädigung bedarf einer näheren Betrachtung. Nach Darstellung der Europäischen Kommission (EUROPEAN COMMISSION 2005, 2007, Kapitel II.3.4.c) stellt eine Beschädigung eine materielle Verschlechterung dar, die im Gegensatz zur Vernichtung schleichend erfolgen und zur graduellen Verschlechterung der Funktionalität einer Stätte führt. Dies mag ein langsamer Prozess sein, der streng genommen nicht immer mit einer physischen Beschädigung, sondern eher mit einer sukzessiven Beeinträchtigung einhergehen kann. Entscheidend für die Aussage, ob eine Handlung zur Beschädigung eines Lebensraumes einer Art führt, sind Ursache-Wirkungs-Prognosen. Als Beschädigungen sind auf jeden Fall alle Handlungen zu bezeichnen, die nachweislich zur Beeinträchtigung der Funktion von einer (je nach Art tatsächlich oder potentiell genutzten) Fortpflanzungs- oder Ruhestätte führen. Auch die Frage der „Absichtlichkeit“ bei dem Inkaufnehmen artenschutzrechtlicher Beeinträchtigungen ist durch den EuGH im so genannten „Caretta-Caretta-Urteil“ vom 30.01.2002, Rs. C-103/00 (siehe unter http://curia.europa.eu) thematisiert worden. Danach ist eine Handlung dann als absichtlich zu bezeichnen, wenn sie in Kenntnis aller Umstände, folglich im Bewusstsein des Vorkommens der geschützten Arten und der beeinträchtigenden Wirkung der Handlung vorgenommen wird. Eine unmittelbare Absicht des Tötens von Anhang IV – Arten oder der Störung derselben muss nicht vorhanden sein. Das Wissen um die voraussichtliche Wirkung des eigenen Handelns im Zusammenhang mit dem ebenfalls bekannten Vorkommen von Anhang IV – Arten reicht aus, um dieses als absichtlich zu bezeichnen (siehe EUROPEAN COMMISSION 2005, 2007, Kapitel II.3.). Ein Vorhaben ist somit unter folgenden Maßgaben durchführbar: a. Es entstehen keine Konflikte mit artenschutzrechtlich relevanten Arten oder b. die entstehenden Konflikte können mit Hilfe geeigneter Maßnahmen vermieden oder soweit gemindert werden, dass die artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände nicht eintreten oder 10 K ÖLNER B ÜRO FÜR F AUNISTIK c. 1. Anlass und Rechtsgrundlagen es verbleiben Beeinträchtigungen; das Vorhaben erfüllt aber die Voraussetzungen der artenschutzrechtlichen Ausnahmeregelungen im Sinne des § 45 Abs. 7 BNatSchG (letzterer in Verbindung mit Artikel 16 Absatz 1 FFH-Richtlinie unter Beachtung der Artikel 16 Absatz 3 FFH-Richtlinie und Artikel 9 Absatz 2 Vogelschutzrichtlinie). Alle Varianten, die nicht unter die Ergebnisse der Punkte a. bis c. fallen, sind aus artenschutzrechtlicher Sicht unzulässig. 11 K ÖLNER B ÜRO FÜR F AUNISTIK 2. Beschreibung des Vorhabensbereichs 2. Beschreibung des Vorhabensbereichs Die für die Bebauung vorgesehene Fläche in Pulheim-Geyen befindet sich innerstädtisch östlich der Sportanlagen zwischen der Straße Mühlengrund im Norden, der K 25 (Sintherner Straße) im Osten und der Straße Falkenhorst im Süden. Bei dem Vorhabensbereich handelt es sich um ein großes Gartengrundstück der alten Geyener Mühle bzw. des Wohnhauses an der Straße Falkenhorst 8. Bis auf die westlich gelegenen Sportplätze grenzt rundherum Wohnbebauung an. Auf dem zur Bebauung vorgesehenen Gartengrundstück befinden sich zurzeit einige großkronige Eschen, Walnüsse und eine Süßkirsche. Abbildung 1: Lage der Fläche für das Bauvorhaben in Pulheim-Geyen. 12 K ÖLNER B ÜRO FÜR F AUNISTIK 2. Beschreibung des Vorhabensbereichs Abbildung 2: Südostseite der alten Geyener Mühle. Abbildung 3: Anbau an der alten Geyener Mühle sowie nördlicher Rand des Gartengrundstücks. 13 K ÖLNER B ÜRO FÜR F AUNISTIK 2. Beschreibung des Vorhabensbereichs Abbildung 4: Intensiv genutztes Gartengrundstück, welches für die Wohnbebauung vorgesehen ist. Abbildung 5: Südöstlicher Bereich des Gartengrundstücks mit Blick auf die Wohnbebauung an der Straße Falkenhorst. 14 K ÖLNER B ÜRO FÜR F AUNISTIK 3. Vorgehensweise und Methodik 3. Vorgehensweise und Methodik 3.1 Vorgehensweise und Fragestellung In Bezug auf den Artenschutz müssen folgende Aspekte behandelt werden:  Das Vorkommen artenschutzrechtlich relevanter Arten im Wirkungsbereich des Vorhabens ist abzuschätzen bzw. zu dokumentieren. Bedeutung haben dabei europarechtlich geschützte Arten (europäische Vogelarten und Anhang IV Arten der FFH-RL) und solche Arten, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Abs.1 Nr. 2 aufgeführt sind, da sie den unter 1.2 dargestellten artenschutzrechtlichen Verbotstatbeständen unterliegen und zudem Grundlage sind, die Zulässigkeit des Eingriffs bewerten zu können.  Es ist der Tatbestand der Tötung oder Verletzung von Individuen artenschutzrechtlich relevanter Arten nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG abzuprüfen.  Im Hinblick auf das Störungsverbot ist nach § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG zu prüfen, ob sich der Erhaltungszustand ggf. betroffener lokaler Populationen streng geschützter Arten und wildlebender Vogelarten vorhabenbedingt verschlechtern könnte.  Unter Berücksichtigung des § 44 Abs. 5 BNatSchG ist bei zulässigen Eingriffen zu prüfen, ob Fortpflanzungs- oder Ruhestätten von Arten des Anhangs IV der FFH-Richtlinie oder europäische Vogelarten im Sinne § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG im Einflussbereich des Vorhabens auftreten und beeinträchtigt werden können. Das Verbot des § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG ist nicht verletzt, soweit die ökologische Funktion der betroffenen Fortpflanzungs- oder Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt wird. Gleiches gilt für das Verbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG, soweit die danach verbotene Handlung unvermeidbar mit einer Beeinträchtigung nach Abs. 1 Nr. 3 verbunden ist. Unmittelbar anwendbar ist das Artenschutzrecht der §§ 44 ff BNatSchG auf der Ebene der Vorhabenzulassung.  Falls ein Verbotstatbestand nicht auszuschließen ist, ist abzuprüfen, inwiefern eine Ausnahme nach § 45 Abs. 7 BNatSchG gewährt werden kann. In diesem Zusammenhang ist eine Begründung zum Vorliegen der Ausnahmevoraussetzungen, insbesondere zu zumutbaren Alternativen und zur Frage des Erhaltungszustands betroffener Arten als Folge des Vorhabens, erforderlich. Ein Vorhaben ist unter folgenden Maßgaben durchführbar: a. Es entstehen keine Konflikte mit artenschutzrechtlich relevanten Arten oder b. die entstehenden Konflikte können mit Hilfe geeigneter Maßnahmen vermieden oder soweit gemindert werden, dass die artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände nicht eintreten oder 15 K ÖLNER B ÜRO FÜR F AUNISTIK c. 3. Vorgehensweise und Methodik es verbleiben Beeinträchtigungen; das Vorhaben erfüllt aber die Voraussetzungen der artenschutzrechtlichen Ausnahmeregelungen im Sinne des § 45 Abs. 7 BNatSchG (letzterer in Verbindung mit Artikel 16 Absatz 1 FFH-Richtlinie unter Beachtung der Artikel 16 Absatz 3 FFH-Richtlinie und Artikel 9 Absatz 2 Vogelschutzrichtlinie). Alle Varianten, die nicht unter die Ergebnisse der Punkte a. bis c. fallen, sind aus artenschutzrechtlicher Sicht unzulässig. 3.2 Auswahl artenschutzrechtlich relevanter Arten Den Vorgaben des § 44 Abs. 1 Nrn. 1, 3 und 4 BNatSchG folgend gelten die artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände für sämtliche besonders geschützten Arten (vgl. Kapitel 1.2.2), § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG gilt nur für die streng geschützten Arten und die wildlebenden Vogelarten. Mit Blick auf § 44 Abs. 5 BNatSchG beschränkt sich die artenschutzrechtliche Prüfung auf die Arten des Anhangs IV der FFH-RL und auf die wildlebenden Vogelarten. Die übrigen, nur national besonders und streng geschützten Arten unterliegen der Eingriffsregelung und sind daher im Rahmen der artenschutzrechtlichen Prüfung nicht zu berücksichtigen. 3.3 Methodik und Datengrundlagen Die Ermittlung der prüfrelevanten Arten erfolgt im vorliegenden Beitrag auf Grundlage einer Erfassung der Lebensraumsituation im Rahmen mehrerer Ortsbesichtigungen und einer darauf basierenden Potentialeinschätzung hinsichtlich möglicher Vorkommen artenschutzrechtlich relevanter Tierarten im vorhabensbedingt betroffenen Bereich. Für die Einschätzung zu möglichen Vorkommen planungsrelevanter Arten wird die Messtischblatt-bezogene Auflistung planungsrelevanter Arten des LANUV (2012b) berücksichtigt. Im Mai / Juni 2012 wurden zudem im Rahmen mehrerer Begehungen Kontrollen zu Vorkommen der relevanten Artengruppen Vögel und Fledermäuse (insbesondere zum Angebot an Quartiermöglichkeiten, z.B. Baumhöhlen, Hohlräume und Spalten an Gebäuden) durchgeführt. 16 K ÖLNER B ÜRO FÜR F AUNISTIK 4. Vorhabensbeschreibung 4. Beschreibung des Vorhabens und seiner Auswirkungen Das Bebauungskonzept sieht vor, das Grundstück mit 6 freistehenden Einfamilienhäusern zu bebauen. Die Häuser werden dabei im Wesentlichen auf der bisher als Rasen genutzten Gartenfläche errichtet. Die Erschließung der Wohnhäuser erfolgt durch kurze Stichwege von der Straße Falkenhorst bzw. Mühlengrund aus. Das Denkmal (Ölmühle) soll saniert und mit einem Anbau ergänzt werden und ebenfalls zu Wohnzwecken dienen. Der erhaltenswerte Baumbestand soll soweit als möglich bestehen bleiben. Abbildung 6: Bebauungsstudie zum Mühlenpark in Pulheim-Geyen von HOME ARCHITEKTEN. Einen Überblick über die geplante Bebauung gibt Abbildung 6. 17 K ÖLNER B ÜRO FÜR F AUNISTIK 4. Vorhabensbeschreibung Mit Blick auf mögliche Vorkommen artenschutzrechtlich relevanter Arten sind folgende Auswirkungen des Vorhabens denkbar:  Flächeninanspruchnahme / Lebensraumverlust Bau- und anlagebedingt kommt es zu Flächeninanspruchnahmen durch die Wohnhäuser und die Erschließung. Der bisher auf dem Gelände vorhandene Gehölzbestand soll möglichst erhalten bleiben. Nicht für die Bebauung und Erschließung benötigte Flächen werden als Wohngärten weiter genutzt. Der Lebensraumverlust beschränkt sich somit weitgehend auf die bisher intensiv genutzte Rasenfläche.  Störwirkungen durch akustische und optische Effekte Die Vorhabensfläche liegt in einem innerstädtischen Siedlungsbereich und unterliegt daher hinsichtlich anthropogener Störwirkungen (durch Lärm, Anwesenheit von Menschen, künstliche Beleuchtung, randlich Autoverkehr etc.) einer deutlichen Vorbelastung. Daher ist nicht mit Vorkommen störempfindlicher Tierarten zu rechnen.  Eingriffe in den Grundwasserhaushalt, Auswirkungen auf Oberflächengewässer, Stoffeinträge Im Vorhabensbereich und dessen unmittelbarer Umgebung befinden sich keine grundwasserabhängigen Lebensräume, Still- oder Fließgewässer oder gegenüber Stoffeinträgen empfindliche Lebensräume mit möglichen Habitatfunktionen für artenschutzrechtlich relevante Tierarten. Daher sind über diese Wirkpfade keine Beeinträchtigungen zu erwarten.  Auswirkungen auf Lebensraumvernetzung und -verbund Beeinträchtigungen von Vernetzungs- und Verbundbeziehungen treten z.B. auf, wenn für Artvorkommen wichtige Teilhabitate entfallen, funktionale Zusammenhänge von Lebensräumen gestört oder unterbrochen werden (z.B. Trennung von Brut- und Nahrungsräumen), oder miteinander in Kontakt stehende Teilpopulationen voneinander getrennt werden. Für die hier betrachtete innerstädtische Fläche sind derartige Auswirkungen auszuschließen.  Unmittelbare Gefährdung von Individuen Eine unmittelbare Gefährdung von Individuen und Entwicklungsstadien geschützter Arten kann insbesondere baubedingt eintreten. Der Rückbau von Gebäuden und / oder Gebäudeteilen und die Beseitigung oder baubedingte Beanspruchung von Vegetationsstrukturen (insbesondere Gehölzen) ist während der Brutphase wildlebender Vögel mit einer Gefährdung von Nestern mit Eiern und Jungtieren verbunden. Weiterhin kann es im Zuge 18 K ÖLNER B ÜRO FÜR F AUNISTIK 4. Vorhabensbeschreibung von Gebäuderückbau- und Rodungsmaßnahmen zu einer Gefährdung von ruhenden Fledermäusen kommen. Eine nennenswerte Gefährdung von Individuen relevanter Tierarten durch Verkehrskollision in der Bauphase (Baustellenverkehr) oder nach Realisierung der Planung ist im vorliegenden Fall angesichts der geringen Fahrgeschwindigkeiten ausgeschlossen. Die dargestellten Auswirkungen des Vorhabens sind Grundlage für Konfliktprognosen (siehe Kapitel 6). Im vorliegenden Fall stehen als mögliche Wirkfaktoren der Verlust von Lebensräumen bzw. Teillebensräumen relevanter Arten durch Flächeninanspruchnahme sowie eine mögliche eingriffsbedingte Gefährdung von Individuen im Vordergrund der Betrachtung. 19 K ÖLNER B ÜRO FÜR F AUNISTIK 5. Vorkommen artenschutzrechtlich relevanter Arten 5. Vorkommen artenschutzrechtlich relevanter Arten Die nachfolgende Aufstellung enthält Arten, die im Betrachtungsgebiet für die vorliegende Artenschutzprüfung (Vorhabensbereich) potentiell vorkommen und unter die artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände des § 44 Abs. 1 BNatSchG unter Berücksichtigung der Einschränkungen gemäß § 44 Abs. 5 BNatSchG fallen. Behandelt werden daher folglich die Arten und Artengruppen, deren mögliche Betroffenheit über die Zulässigkeit des Vorhabens entscheidet (gemäß § 44 Abs. 5 BNatSchG sind dies die Arten nach Anhang IV der FFHRichtlinie und die europäischen Vogelarten, vgl. Kapitel 1.2 und 2.1). Die Methodik der Prüfung artenschutzrechtlicher Belange erfolgt nach den in Kapitel 3.1 dargestellten Kriterien und unter Berücksichtigung der in Kapitel 3.3 beschriebenen Datengrundlagen. In der Landschaftsinformationssammlung des Landes NRW (@LINFOS, LANUV 2012c) sind für den Vorhabensbereich und die nähere Umgebung keine Nachweise planungsrelevanter Arten verzeichnet (Abbildung 7). Abbildung 7: Landschaftsinformationssammlung des Landes NRW (@LINFOS, LANUV 2012c). Keine Hinweise auf planungsrelevante Arten im Bereich des Vorhabens (roter Kreis). 20 K ÖLNER B ÜRO FÜR F AUNISTIK 5. Vorkommen artenschutzrechtlich relevanter Arten 5.1 Europäische Vogelarten Wie bereits in Kapitel 3.3 dargestellt, erfolgt die Zusammenstellung der prüfrelevanten Vogelarten im vorliegenden Beitrag anhand einer Potentialabschätzung. Als potentiell betroffen werden alle Vogelarten eingestuft, die im Betrachtungsgebiet (d.h. im Vorhabensbereich und der unmittelbaren Umgebung) als Brutvögel und/oder (regelmäßige) Nahrungsgäste auftreten könnten. Diese Einschätzung wird anhand der ökologischen Ansprüche der einheimischen Vogelarten und der Lebensraumausstattung im Betrachtungsgebiet vorgenommen. Vogelarten, die nicht als „planungsrelevant“ im Sinne von KIEL (2005) eingestuft sind, werden gruppenweise abgehandelt (Kapitel 5.1.1). Für planungsrelevante Vogelarten erfolgt eine artbezogene Abhandlung (Kapitel 5.1.2). 5.1.1 Nicht-planungsrelevante Vogelarten Vogelarten, die nicht als „planungsrelevant“ im Sinne von KIEL (2005) eingestuft sind, sind allgemein verbreitet und landesweit sowie regional nicht in eine der Gefährdungskategorien 0, 1, 2, 3 oder R eingestuft. Bei den potentiell vorkommenden nicht-planungsrelevanten Brut- und Gastvogelarten handelt es sich um Arten der Siedlungsbereiche, die in kleinflächigen gehölzgeprägten Lebensräumen (z.B. Gärten) und an Gebäuden vorkommen bzw. brüten. Es handelt sich durchweg um wenig störempfindliche Arten. Aus der Gruppe der nicht-planungsrelevanten Brutvögel kleinflächiger gehölzgeprägter Lebensräume (Gärten, Parks u.ä.) werden folgende für den Betrachtungsbereich als potentiell vorkommend eingestuft: Amsel (Turdus merula), Blaumeise (Parus caeruleus), Buchfink (Fringilla coelebs), Buntspecht (Dendrocopus major), Dorngrasmücke (Sylvia communis), Elster (Pica pica), Gartenbaumläufer (Certhia brachydactyla), Gartengrasmücke (Sylvia borin), Girlitz (Serinus serinus), Grauschnäpper (Muscicapa striata), Grünling (Carduelis chloris), Halsbandsittich (Psittacula krameri), Heckenbraunelle (Prunella modularis), Kohlmeise (Parus major), Kleiber (Sitta europaea), Mönchsgrasmücke (Sylvia atricapilla), Rabenkrähe (Corvus corone), Ringeltaube (Columba palumbus), Rotkehlchen (Erithacus rubecula), Singdrossel (Turdus philomelos), Sommergoldhähnchen (Regulus ignicapilla), Star (Sturnus vulgaris), Stieglitz (Carduelis carduelis), Tannenmeise (Parus ater), Trauerschnäpper (Ficedula hypoleuca), Türkentaube (Streptopelia decaocto), Wintergoldhähnchen (Regulus regulus), Zaunkönig (Troglodytes troglodytes), Zilpzalp (Phylloscopus collybita). Rote Liste Status: NRW: ungefährdet bzw. Vorwarnliste Biologie/Verbreitung: 21 K ÖLNER B ÜRO FÜR F AUNISTIK 5. Vorkommen artenschutzrechtlich relevanter Arten Die Vogelarten dieser Gruppe sind weitgehend an Gehölzbestände als Brutbereiche gebunden (Blaumeise, Kohlmeise, Star brüten gelegentlich auch an Gebäuden). Aufgrund der geringen Flächenansprüche und der vergleichsweise geringen Störempfindlichkeiten besiedeln sie auch kleinere gehölzreiche Lebensräume im Stadtgebiet wie z.B. Gärten. Erhaltungszustand laut LANUV (2012a) in der atlantischen Region Nordrhein-Westfalens: Der Erhaltungszustand aller nicht-planungsrelevanten Vogelarten ist „günstig“. Bei den Ortsbegehungen konnte an der alten Mühle eine Brutansiedlung des Stars festgestellt werden. Aus der Gruppe der nicht-planungsrelevanten Gebäudebrüter könnten im Betrachtungsbereich folgende Arten vorkommen: Dohle (Corvus monedula), Hausrotschwanz (Phoenicurus ochruros), Mauersegler (Apus apus), Straßentaube (Columba livia f. domestica), Haussperling (Passer domesticus) Rote Liste Status: NRW: ungefährdet bzw. Vorwarnliste Biologie/Verbreitung: Brutvorkommen der Vogelarten dieser Gruppe liegen überwiegend in Siedlungsbereichen. Hausrotschwanz, Mauersegler und Straßentaube brüten fast ausschließlich in Gebäuden, die Dohle ist Brutvogel an Gebäuden sowie in Schwarzspechthöhlen. Erhaltungszustand laut LANUV (2012a) in der atlantischen Region Nordrhein-Westfalens: Der Erhaltungszustand aller nicht-planungsrelevanten Vogelarten ist „günstig“. Bei den Ortsbegehungen konnten keine Nachweise der vorgenannten Arten erbracht werden. 5.1.2 Planungsrelevante Vogelarten Zu den planungsrelevanten Vogelarten gehören laut MUNLV (2008) Arten des Anhangs I der Vogelschutzrichtlinie, Zugvogelarten laut Artikel 4 (2) Vogelschutzrichtlinie, Arten, die laut EG-Artenschutzverordnung „streng geschützt“ sind, weiterhin Arten, die in der Roten Liste NRW (SUDMANN et al. 2008) für das Bundesland in eine der Gefährdungskategorien 0, 1, 2, 3 oder R eingestuft sind sowie Koloniebrüter. Vorkommen von planungsrelevanten Vogelarten im Vorhabensbereich (Rasenfläche) können mit großer Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. 22 K ÖLNER B ÜRO FÜR F AUNISTIK 5. Vorkommen artenschutzrechtlich relevanter Arten 5.2 Arten des Anhangs IV FFH-Richtlinie Als potentiell vorkommende Arten des Anhangs IV der FFH-Richtlinie kommen für den Vorhabensbereich ausschließlich Fledermausarten infrage. Vorkommen von Anhang IV-Arten aus weiteren Tiergruppen können für das Betrachtungsgebiet aufgrund der vorhandenen Lebensraumausstattung ausgeschlossen werden. Die Kontrolle des Vorhabensbereichs im Mai / Juni 2012 auf Fledermausaktivitäten mittels Bat-Detektor und Ausflugkontrolle erbrachte lediglich den Nachweis der Art Zwergfledermaus. Im Bereich der der randlichen Gehölze, insbesondere an der Grenze zur Sportanlage, konnten Einzeltiere jagend festgestellt werden. Fledermausquartiere wurden nicht ermittelt. Es wurde zudem eine intensive Kontrolle der alten Ölmühle durchgeführt. Bei dieser Kontrolle konnten keine Fledermäuse direkt im Gebäude nachgewiesen werden. Es gelang auch kein indirekter Hinweise auf die Nutzung der Mühle durch Fledermäuse z.B. in Form von Kotspuren oder Nahrungsresten. Zwergfledermaus (Pipistrellus pipistrellus) Rote Liste Status: NRW: ungefährdet Tiefland in NRW: ungefährdet Zwergfledermäuse sind Gebäudefledermäuse, die verbreitet in Siedlungsbereichen vorkommen. Bevorzugte Jagdgebiete sind Gewässer, Kleingehölze sowie Laub- und Mischwälder, im Siedlungsbereich auch parkartige Gehölzbestände, Gärten sowie Straßenlaternen. Die Tiere jagen oft entlang von Waldrändern, Hecken und Wegen. Die individuellen Jagdgebiete sind durchschnittlich 19 ha groß und können in einem Radius von 50 m bis zu 2,5 km um die Quartiere liegen. Als Sommerquartiere und Wochenstuben werden fast ausschließlich Spaltenverstecke an und in Gebäuden aufgesucht, z.B. Hohlräume unter Dachpfannen, Flachdächern, hinter Wandverkleidungen, in Mauerspalten oder auf Dachböden. Baumquartiere sowie Nistkästen werden ebenfalls bewohnt. Die Weibchenkolonien sind ortstreu, sie nutzen aber meist mehrere Quartiere im Verbund. Auch Als Winterquartiere werden oberirdische Spaltenverstecke in und an Gebäuden, außerdem natürliche Felsspalten sowie unterirdische Quartiere in Kellern oder Stollen bezogen (MUNLV 2008). Die Art ist landesweit flächendeckend verbreitet, es sind zahlreiche Wochenstuben bekannt (LANUV 2012a). Erhaltungszustand laut LANUV (2012a) in der atlantischen Region Nordrhein-Westfalens: Günstig. 23 K ÖLNER B ÜRO FÜR F AUNISTIK 5. Vorkommen artenschutzrechtlich relevanter Arten Mögliches Vorkommen im Betrachtungsraum Die alte Ölmühle könnte Quartiermöglichkeiten für diese Gebäudefledermaus bieten. Eine Ausflugkontrolle und intensive Suche innerhalb des Gebäudes erbrachte jedoch diesbezüglich keine Hinweise. Nachgewiesen werden konnten einzelne Zwergfledermäuse als Nahrungsgäste insbesondere im Bereich der randlichen Gehölzflächen. 24 K ÖLNER B ÜRO FÜR F AUNISTIK 6. Konfliktprognose 6. Konfliktprognose: Betroffenheit artenschutzrechtlich relevanter Arten Auf Grundlage der Einschätzung zu Vorkommen artenschutzrechtlich relevanter Arten und der Prognose möglicher vorhabensbedingter Wirkungen (siehe Kapitel 4) erfolgt eine Einschätzung der Betroffenheit der relevanten Arten durch das geplante Vorhaben. Bei der Darstellung und Bewertung der artenschutzrechtlichen Betroffenheiten werden Vermeidungsmaßnahmen mitberücksichtigt. Diese Maßnahmen sind Kapitel 6.1 zusammengestellt. 6.1 Maßnahmen zur Vermeidung und Minderung artenschutzrelevanter Beeinträchtigungen und Maßnahmen zur Sicherung der ökologischen Funktion Ziel der Festlegung von Maßnahmen zur Vermeidung von artenschutzrelevanten Beeinträchtigungen ist es, das Eintreten der Verbotstatbestände des § 44 Abs. 1 BNatSchG zu verhindern.  Baubedingt: Zeitliche Begrenzung der Inanspruchnahme von Vegetationsflächen und Gehölzen sowie von Gebäuderückbaumaßnahmen. Die Räumung von Gehölzen und Vegetationsflächen sowie Gebäuderückbaumaßnahmen sind außerhalb der Brut- und Aufzuchtzeit wildlebender Vogelarten (Zeitraum für Revierbesetzung, Balz und Brut bis zum Ausfliegen der Jungtiere, 1. März bis 30. September) durchzuführen. Mit der Ausschlusszeit lassen sich vorhabensbedingte Verluste von Individuen sowie die Beschädigungen oder Zerstörungen von Nestern und Eiern brütender Vögel vermeiden (z.B. Brut des Stars). Falls vorhabensbedingte Eingriffe in Gehölze und Vegetationsflächen sowie Gebäuderückbaumaßnahmen innerhalb der Brutzeit wildlebender Vogelarten vorgesehen sind, sind geeignete Maßnahmen zur Vermeidung von Individuenverlusten bzw. Zerstörungen von Nestern und Eiern brütender Vögel vorzusehen, z.B. eine Vermeidung von Brutansiedlungen durch Verschluss von Höhlen und Nischen an Gebäuden sowie von Baumhöhlen oder eine ökologische Baubegleitung, die sicherstellt, dass Brutvorkommen rechtzeitig identifiziert und geschützt werden können. Die Maßnahmen sind erforderlich, um das Eintreten des Verbotstatbestands des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG (unmittelbare Gefährdung von Individuen, Entwicklungsstadien) sowie des Artikels 5 a) und b) der Vogelschutzrichtlinie für wildlebende Vogelarten zu vermeiden. 25 K ÖLNER B ÜRO FÜR F AUNISTIK  6. Konfliktprognose Baubedingt: Zur Vermeidung einer eingriffsbedingten Gefährdung von Fledermausindividuen sind unmittelbar vor Rückbau- bzw. Umbaumaßnahmen der Ölmühle sämtliche Quartiermöglichkeiten für Fledermäuse erneut auf Fledermausbesatz zu untersuchen, z.B. mit Hilfe einer Höhlenkamera. Bei positivem Befund sind weitergehende Schutzmaßnahmen zu treffen, z.B. ein Aufschieben der Maßnahme bis nach Aufgabe des Quartiers. Quartiermöglichkeiten, die nicht vollständig einsehbar sind und für die eine Nutzung durch Fledermäuse nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden kann, sind einseitig offen zu verschließen, so dass ein Ausfliegen ggf. vorhandener Tiere, aber kein Einflug möglich ist. Da die Quartiernutzung im Plangebiet in der sommerlichen Aktivitätsphase wahrscheinlicher ist als in der Überwinterungszeit, ist bei Durchführung der Rückbaumaßnahmen im Zeitraum 1. November bis 1. März von einer geringeren Gefährdung von Fledermausindividuen auszugehen. Die oben beschriebenen Kontrollmaßnahmen sind aber auch bei Durchführung der Arbeiten im Winter erforderlich, da eine Nutzung von Winterquartieren im Gebäudebestand nicht auszuschließen ist. Die Maßnahmen sind erforderlich, um das Eintreten des Verbotstatbestands des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG (unmittelbare Gefährdung von Individuen) für Fledermäuse als europarechtlich geschützte Arten des Anhangs IV zu vermeiden.  Baubedingt: Begrenzung der baubedingten Flächeninanspruchnahme: Flächeninanspruchnahmen, die über den Vorhabensbereich bzw. die vorgesehenen Baufelder hinausgehen, sind auf das unbedingt Notwendige zu beschränken. Insbesondere sind baubedingte Verluste und Beschädigungen des Gehölzbestandes im Randbereich des Plangebietes zu vermeiden. Die Durchführung von CEF-Maßnahmen (Maßnahme zur Sicherung der ökologischen Funktion im räumlichen Zusammenhang nach § 44 Abs. 5 BNatSchG) ist nicht erforderlich, da im Bereich des Vorhabensgebiets keine Fortpflanzungs- und Ruhestätten planungsrelevanter Tierarten festgestellt werden konnten. 26 K ÖLNER B ÜRO FÜR F AUNISTIK 6. Konfliktprognose 6.2 Artenschutzrechtliche Prüfung nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 unter Berücksichtigung von Abs. 5 Satz 2 BNatSchG 6.2.1 Europäische Vogelarten Nicht-planungsrelevante Vogelarten Für die im Betrachtungsraum potentiell vorkommenden nicht-planungsrelevanten Vogelarten (siehe Kapitel 5.1.1) kann ein Eintreten artenschutzrechtlicher Verbotstatbestände von vorneherein ausgeschlossen werden, wenn Maßnahmen zur Vermeidung eingriffsbedingter Gefährdungen von Individuen und Entwicklungsstadien vorgesehen werden (z.B. Ausschlusszeit für Inanspruchnahme von Gehölzen und Vegetation und für Gebäuderückbau, siehe 6.1). Mit diesen Maßnahmen können Tötungen im Sinne des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG vermieden werden. Erhebliche Störungen der Lokalpopulationen im Sinne des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG sind für die nicht-planungsrelevanten Arten ausgeschlossen: Vorhabensbedingte Störwirkungen sind zwar für einige Arten dieser Gruppe auf individueller Ebene (d.h. für einzelne als Brutvögel oder Gastvögel auftretende Individuen) denkbar. Die Störwirkungen betreffen allerdings nur sehr geringe Anteile der jeweiligen Verbreitungsräume der Lokalpopulationen. Aufgrund der weiten Verbreitung und geringen Spezialisierung dieser Arten sowie angesichts des günstigen Erhaltungszustandes der jeweiligen Lokalpopulationen kann mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass sich als Folge dieser Störung der Erhaltungszustand der Lokalpopulationen nicht verschlechtert. Eine Beschädigung oder Zerstörung von Fortpflanzungs-/Ruhestätten im Sinne des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG mit Auswirkungen auf die ökologische Funktion tritt ebenfalls nicht ein: Vorhabensbedingte Inanspruchnahmen oder Funktionsverluste von Brutvorkommen bzw. –stätten können zwar in Einzelfällen nicht ausgeschlossen werden (z.B. für den Star). Aufgrund vorhandener Ausweichmöglichkeiten für diese Brutvogelarten ist aber von einem Erhalt der ökologischen Funktion im räumlichen Zusammenhang auszugehen (vgl. MUNLV 2008). Planungsrelevante Vogelarten Im Betrachtungsraum (Vorhabensbereich und nahe Umgebung) konnten keine Fortpflanzungs- oder Ruhestätten planungsrelevanter Vogelarten festgestellt werden. Diese sind aufgrund der Biotopausstattung im Bereich der Eingriffsflächen auch nicht zu erwarten. 27 K ÖLNER B ÜRO FÜR F AUNISTIK 6. Konfliktprognose 6.2.2 Arten des Anhangs IV FFH-Richtlinie Nachfolgend werden mögliche vorhabensbedingte Auswirkungen auf die Zwergfledermaus beschrieben und hinsichtlich der Erfüllung artenschutzrechtlicher Verbotstatbestände bewertet. Zwergfledermaus (Myotis mystacinus)  Tötungstatbestand (§ 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG): Quartiere der Zwergfledermaus konnten im Vorhabensbereich nicht festgestellt werden. Das Vorhandensein von Wochenstuben kann ausgeschlossen werden. Einzelquartiere (insb. von Männchen) sind jedoch z.B. in der alten Ölmühle nicht vollkommen auszuschließen. Aus diesem Grunde sollte vor dem Abriss des Anbaus bzw. vor Beginn der Sanierungsarbeiten eine nochmalige Kontrolle auf Quartiernutzung stattfinden. Bei Berücksichtigung dieser Maßnahmen tritt der Tötungstatbestand nicht ein.  Störungstatbestand (§ 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG): Die Zwergfledermaus tritt im Plangebiet vor allem an den randlichen Gehölzstrukturen als Nahrungsgast auf. Vorhabensbedingt könnten sowohl baubedingt als auch dauerhaft (im Zusammenhang mit der Wohnnutzung) verstärkte optische und akustische Störwirkungen auf diese Bereiche wirken. Die Art gilt aber nicht als störempfindlich (vgl. BRINKMANN et al. 2008). Die betroffenen Bereiche sind (im Vergleich zum Gesamtangebot an potentiellen Lebensräumen einer evtl. vorhandenen Lokalpopulation) kleinflächig und durch die aktuelle Nutzung bzw. Lage im Siedlungsbereich deutlich vorbelastet. Erhebliche Auswirkungen im Sinne des § 44 Abs. 1 Nr. 2 sind daher auszuschließen. Der Tatbestand ist nicht erfüllt.  Schädigungstatbestand (§ 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG): Die Zwergfledermaus könnte Hohlräume und Spalten in der alten Mühle als Quartiere besetzen. Eine Kontrolle der Vorhabensfläche erbrachte jedoch keinen Hinweis auf Quartiernutzung. Dennoch ist eine sporadische Nutzung des Gebäudes durch einzelne Zwergfledermäuse denkbar. Im Zuge des geplanten Gebäuderückbaus (Anbau) und der Sanierungsarbeiten sind daher Verluste von Quartieren als Ruhestätten möglich. Da es sich jedoch höchstens um Einzeltiere handelt, sind geeignete Ausweichmöglichkeiten im räumlich-funktionalen Zusammenhang vorhanden. Die ökologische Funktion der Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang bleibt somit erhalten. Der Schädigungstatbestand ist nicht erfüllt. 28 K ÖLNER B ÜRO FÜR F AUNISTIK 7. Prüfung der Ausnahmetatbestände 7. Prüfung von Ausnahmetatbeständen Aus der vorliegenden artenschutzrechtlichen Betrachtung geht hervor, dass das Vorhaben unter Berücksichtigung geeigneter Vermeidungsmaßnahmen als zulässiger Eingriff einzustufen ist und im Sinne des § 44 Abs. 5 Satz 2, 3 BNatSchG keine Verbotstatbestände nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 BNatSchG eintreten, da die ökologischen Funktionen von Fortpflanzungs- und Ruhestätten der betroffenen Arten im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt werden (Kapitel 6.2). Da keine artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände des § 44 Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 BNatSchG erfüllt sind, bedarf das Vorhaben keiner Prüfung der Ausnahmetatbestände nach § 45 Abs. 7 BNatSchG. 29 K ÖLNER B ÜRO FÜR F AUNISTIK 8. Zusammenfassung und Fazit 8. Zusammenfassung und Fazit: Artenschutzrechtliche Zulässigkeit des Bebauungsplans „Mühlenpark“ in Pulheim - Geyen Die vorliegende Artenschutzprüfung (ASP) enthält eine Darstellung und Bewertung der artenschutzrechtlichen Konflikte, die im Zusammenhang mit der Realisierung des Bebauungsplanes „Mühlenpark“ in Pulheim - Geyen entstehen könnten. Entsprechend den gesetzlichen Vorgaben des BNatSchG sind in der Artenschutzprüfung nach § 44 BNatSchG die europäischen Vogelarten und Anhang IV Arten der Flora-Fauna-Habitat Richtlinie (FFH) zu berücksichtigen. Grundlage der vorliegenden Bewertung sind Potentialabschätzungen zum Vorkommen von Vogelarten und Arten des Anhangs IV der FFH-Richtlinie im Vorhabensbereich und der nahen Umgebung. Aufgrund der begrenzten Biotopausstattung des Vorhabensbereichs und der innerörtlichen Lage (Vorbelastung z.B. durch Störungen) ist diese Vorgehensweise ausreichend für eine Ermittlung der prüfrelevanten Arten. Im Mai / Juni 2012 wurden zudem Kontrollen zum Vorkommen der relevanten Artengruppen Vögel und Fledermäuse (insbesondere zum Angebot an Quartiermöglichkeiten) durchgeführt. Die vorliegende Artenschutzprüfung kommt zu dem Ergebnis, dass für die im Untersuchungsgebiet potentiell vorkommenden Vogelarten und Arten des Anhangs IV der FFHRichtlinie (Zwergfledermaus) artenschutzrechtliche Verbotstatbestände des § 44 Abs. 1 Nr. 1-3 i.V.m. Abs. 5 BNatSchG nicht eintreten, wenn die beschriebenen Vermeidungs- und Minderungsmaßnahmen (insbesondere Maßnahmen zur Vermeidung eingriffsbedingter Tötungen von Vogel- und Fledermausindividuen) durchgeführt werden. Unter diesen Voraussetzungen ist das Vorhaben aus artenschutzrechtlicher Sicht zulässig. Für die Richtigkeit: Köln, den 25.07.2012 __________________________ Dr. Thomas Esser 30 K ÖLNER B ÜRO FÜR F AUNISTIK 9.Literatur und sonstige Quellen 9. Literatur und sonstige verwendete Quellen BAUER, H.-G., BEZZEL, E. & FIEDLER, W. (2005a): Das Kompendium der Vögel Mitteleuropas. Nonpasseriformes – Nichtsperlingsvögel. – 2. Aufl., Aula-Verlag, Wiebelsheim: 808 S. BAUER, H.-G., BEZZEL, E. & FIEDLER, W. (2005b): Das Kompendium der Vögel Mitteleuropas. Passeriformes – Sperlingsvögel. – 2. Aufl., Aula-Verlag, Wiebelsheim: 622 S. BRINKMANN, R., BIEDERMANN, M., BONTADINA, F., DIETZ, M., HINTEMANN, G., KARST, I. , SCHMIDT, C., SCHORCHT, W. (2008): Planung und Gestaltung von Querungshilfen für Fledermäuse. – Ein Leitfaden für Straßenbauvorhaben im Freistaat Sachsen. Sächsisches Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit. EUROPEAN COMMISSION (2005): Guidance on the strict protection of animal species of community interest provided by the `Habitats´ Directive 92/43/EEC. Draft Version 5. EUROPEAN COMMISSION (2007): Guidance document on the strict protection of animal species of Community interest under the Habitats Directive 92/43/EEC. Final Version, February 2007. GLUTZ V. BLOTZHEIM, U. N. (1985): Handbuch der Vögel Mitteleuropas. Band 10/I Passeriformes (1. Teil). AULA-Verlag GmbH. GLUTZ V. BLOTZHEIM, U. N. (1993): Handbuch der Vögel Mitteleuropas. Band 13/III Passeriformes (4. Teil). AULA-Verlag GmbH. KIEL, E.-F. (2005): Artenschutz in Fachplanungen. Anmerkungen zu planungsrelevanten Arten und fachlichen Prüfschritten. LÖBF-Mitteilungen 1/2005, 12-17. LANA (2006): Hinweise der LANA zur Anwendung des europäischen Artenschutzrechts bei der Zulassung von Vorhaben und bei Planungen. Beschlossen auf der 93. LANA-Sitzung am 29.05.2006. LANUV (LANDESAMT FÜR NATUR, UMWELT UND VERBRAUCHERSCHUTZ NRW) (2012a): Ampelbewertung planungsrelevanter Arten NRW. Stand: 19.03.2012. LANUV (LANDESAMT FÜR NATUR, UMWELT UND VERBRAUCHERSCHUTZ NRW) (2012b): Geschützte Arten in Nordrhein-Westfalen. http://www.naturschutzinformationennrw.de/artenschutz/de/start. Stand März 2012. LANUV (LANDESAMT FÜR NATUR, UMWELT UND VERBRAUCHERSCHUTZ NRW) (2012c): „@LINFOS“ (Landschaftsinformationssammlung). – (http://93.184.132.240/osirisweb/ viewer /viewer.htm). Stand März 2012. MEINIG, H., BOYE, P. & R. HUTTERER (2009): Rote Liste und Gesamtartenliste der Säugetiere (Mammalia) Deutschlands. Stand Oktober 2008. – Natursch. Biol. Vielfalt 70 (1), BonnBad Godesberg: 115-153. MEINIG, H., VIERHAUS, H., TRAPPMANN, C. & R. HUTTERER (2010): Rote Liste und Artenverzeichnis der Säugetiere - Mammalia - in Nordrhein-Westfalen. Stand November 2010. – Herausgeber: LANDESAMT FÜR NATUR, UMWELT UND VERBRAUCHERSCHUTZ NRW. MUNLV (MINISTERIUM FÜR UMWELT UND NATURSCHUTZ, LANDWIRTSCHAFT UND VERBRAUCHERSCHUTZ DES LANDES NORDRHEIN-W ESTFALEN, Hrsg.) (2008): Geschützte Arten in Nordrhein-Westfalen. Vorkommen, Erhaltungszustand, Gefährdungen, Maßnahmen. – Düsseldorf: 257 S. SÜDBECK, P., H.-G BAUER, M. BOSCHERT, P. BOYE & W. KNIEF (2007): Rote Liste der Brutvögel Deutschlands. 4. Fassung, 30. November 2007. Berichte zum Vogelschutz, Heft 44. SUDMANN, S.R., C. GRÜNEBERG, A. HEGEMANN, F. HERHAUS, J. MÖLLE, K. NOTTMEYERLINDEN, W. SCHUBERT, W. VON DEWITZ, M. JÖBGES & J. W EISS (2008): Rote Liste der ge- 31 K ÖLNER B ÜRO FÜR F AUNISTIK 9.Literatur und sonstige Quellen fährdeten Brutvogelarten Nordrhein-Westfalens 5. Fassung. Stand Dezember 2008. Charadrius 44, 4, 137-230. TRAUTNER, J. (2008): Artenschutz im novellierten BNatSchG – Übersicht für die Planung, Begriffe und fachliche Annäherung, in Naturschutz in Recht und Praxis - online (2008) Heft 1, www.naturschutzrecht.net. 32