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Beschlussvorlage (Anlage 3)

Daten

Kommune
Kerpen
Größe
92 kB
Datum
30.03.2017
Erstellt
17.03.17, 13:16
Aktualisiert
17.03.17, 13:16
Beschlussvorlage (Anlage 3) Beschlussvorlage (Anlage 3)

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Inhalt der Datei

Anlage 3 zur Anfrage DIE LINKE, Sitzungsvorlage für den Jugendhilfeausschuss am 30.03.2017 Information zur Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII Der Begriff der seelischen Behinderung wird in § 35a SGB VIII definiert. Danach liegt eine seelische Behinderung dann vor, wenn 1. die seelische Gesundheit eines Menschen 2. mit hoher Wahrscheinlichkeit 3. länger als 6 Monate 4. von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht 5. und daher 6. die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist. Beeinträchtigungen der Teilhabe in der Gesellschaft können als Folgen verschiedener psychischer Störungsbilder (früher Krankheiten genannt) eintreten. Diese Störungen sind in der Internationalen Klassifikation psychischer Störungen (ICD-10 Kapitel V (F)) erfasst. Die Feststellung einer seelischen Störung ist Aufgabe 1. eines Arztes für Kinder- und Jugendlichenpsychiatrie und –psychotherapie, 2. eines Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten oder 3. eines Arztes oder eines psychologischen Psychotherapeuten, der über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfügt. Zu der Feststellung im Rahmen einer gutachterlichen Stellungnahme gehört auch, ob die Abweichung von der seelischen Gesundheit Krankheitswert hat oder auf einer Krankheit beruht. Als Fallgruppen seelischer Störung können demnach gelten: körperlich nicht begründbare Psychosen, Suchtkrankheiten, Neurosen und Persönlichkeitsstörungen, tiefgreifende Entwicklungsstörungen. Teilleistungsstörungen wie Legasthenie oder Dyskalkulie sind für sich gesehen keine seelischen Störungen, können aber eine solche auslösen. Die Feststellung einer aus der seelischen Störung resultierenden Behinderung oder zu erwartenden Behinderung bei der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft obliegt dem zuständigen Rehabilitationsträger (in diesem Fall der Jugendhilfe). Die Teilhabebeeinträchtigung kann sich zeigen aufgrund mangelnder Integration in der Familie, in der Schule, im Freundeskreis oder im Freizeitbereich. Drohende seelische Behinderung Nach der Definition des § 35a SGB VIII haben Kinder und Jugendliche auch Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn eine Beeinträchtigung ihrer Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu erwarten ist. Von einer seelischen Behinderung bedroht sind Personen, bei denen diese nach fachlicher Erkenntnis mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Dabei ist die „hohe Wahrscheinlichkeit“ auf der Skala zwischen der bloßen Wahrscheinlichkeit und der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit einzuordnen. Legasthenie / Dyskalkulie Legasthenie (Lese-Rechtschreib-Störung) und Dyskalkulie (Rechenstörung) sind umschriebene Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten (ICD-10: Legasthenie = F 81.0 oder 81.1, Dyskalkulie = F 81.2), d.h. Teilleistungsstörungen. Diese sind aber im Sinne der Sozialgesetzgebung (SGB V, Gesetzliche Krankenversicherung bzw. der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts) nicht als Krankheiten anerkannt. Teilleistungsstörungen bei schulischen Fertigkeiten stellen als solche noch keine seelische Störung im Sinne von § 35a SGB VIII dar. Jedoch können als Folge derartiger Teilleistungs-schwächen psychische Störungen eintreten (sogenannte sekundäre Neurotisierung), die zu einer seelischen Behinderung führen können. Die für eine Kostenübernahme erforderliche Beeinträchtigung der Fähigkeit zur Teilhabe in der Ge-2- -2- meinschaft setzt eine seelische Störung voraus, die so intensiv ist, dass sie über bloße Schulprobleme und Schulängste, die andere Kinder teilen, in behinderungsrelevanter Weise hinausgeht, z.B. eine auf Versagensängsten beruhende Schulphobie, eine totale Schul- und Lernverweigerung oder den Rückzug aus jedem sozialen Kontakt und der Vereinzelung in der Schule. Jugendhilfeleistungen sind im Verhältnis zum schulischen Förderunterricht zunächst immer als nachrangig anzusehen. Erst wenn bei einer diagnostizierten Legasthenie eine erhebliche, zusätzliche und längere schulische Förderung entsprechend des einschl. Runderlasses des Kultusministeriums (II A 3.70-20/0-1222/91 vom 19.07.1991 „mindestens ein halbes Schuljahr mit bis zu drei Wochenstunden“) keinen Erfolg zeigt, kann das Jugendamt zuständig werden. Für Dyskalkulie gilt ebenfalls eine allgemeine Förderverpflichtung der Schule. Dies bedeutet, dass sich die Eltern mit dem Wunsch nach Förderung an die besuchte Schule wenden. Sollte im Ausnahmefall die Schule das Kind nicht ausreichend fördern können, hat die Schule bei LRS den Nachweis über die erfolgten Fördermaßnahmen an das Schulamt zu schicken. Die Schulaufsicht stellt fest, ob die Schule ihre Fördermöglichkeiten ausgeschöpft hat. Der Antrag wird mit entsprechender Stellungnahme an das Jugendamt weitergeleitet. Das Vorliegen einer Teilleistungsstörung an sich begründet noch keinen Anspruch auf Hilfe nach § 35a SGB VIII. Erforderlich ist neben der Prognose des Arztes im Hinblick auf die zeitlich andauernde Abweichung der seelischen Gesundheit eine Prognose der Fachkraft im Jugendamt bezüglich der Teilhabebeeinträchtigung. Bitte berücksichtigen Sie außerdem: - - Der Nachrang der Jugendhilfe bezieht sich nicht nur auf die Schule, sondern auch auf die Krankenkasse (§ 10 SGB VIII). Die Erstellung von Gutachten und Berichten nimmt erfahrungsgemäß einige Zeit in Anspruch. Eine Entscheidung über den Antrag kann erst erfolgen, wenn alle entscheidungsrelevanten Unterlagen beim Jugendamt vorliegen. Das Jugendamt bittet daher ausdrücklich, den Beginn einer Therapie o.ä. bis zum Erhalt des schriftlichen Bescheides zu verschieben. Bei selbstbeschafften Jugendhilfeleistungen besteht keine Verpflichtung des Jugendamtes Kostenträger zu werden. Entstandene Kosten sind dann selbst zu begleichen (§ 36a SGB VIII). Sofern Jugendhilfe überhaupt als nachrangige Leistung infrage kommt, kann die Art der Leistung erst in einem qualifizierten Hilfeplangespräch unter Federführung des Jugendamtes bestimmt werden. Dabei kann auch das Ergebnis sein, dass z. B. nicht eine Legasthenikertherapie in einem Institut, sondern Angebote einer Erziehungsberatungsstelle geeignete Maßnahmen sind. Auf jeden Fall ist aus fachlicher Sicht ergänzend zu einer gezielten Therapie für das Kind immer eine Beratung der Eltern bei einer Beratungsstelle notwendig. Dadurch sollen die Eltern u. a. dabei unterstützt werden, dem Kind die Integration in die Gemeinschaft zu ermöglichen und den Leistungsdruck zu verringern, damit es seine Fähigkeiten voll entfalten kann. Als begleitende / ergänzende außerschulische Maßnahme kann das Aufsuchen einer Erziehungsberatungsstelle insbesondere angezeigt sein, wenn ausgeprägte Ängste vor Misserfolgen oder geringes Selbstvertrauen oder auch besondere Verhaltensauffälligkeiten in der Schule mit Lern- und Leistungsschwierigkeiten des Kindes einhergehen. Zur Information und Beratung stehen Ihnen die Jugendämter des Rhein-Erft-Kreises gerne zur Verfügung. Folgendes Jugendamt ist für Sie zuständig: Kolpingstadt Kerpen Abt.23.1 „Erzieherische Hilfen“ - Psychosozialer Dienst Jahnplatz 1 50171 Kerpen Tel. 02237/58-0 In Zusammenarbeit der Jugendämter des Rhein-Erft-Kreises (Stand: Juli 2016)