Daten
Kommune
Pulheim
Größe
116 kB
Datum
16.04.2013
Erstellt
08.04.13, 19:33
Aktualisiert
08.04.13, 19:33
Stichworte
Inhalt der Datei
Vorlage Nr.:
123/2013
Erstellt am:
20.03.2013
Aktenzeichen:
Verfasser/in:
Frau Bunk
Mitteilungsvorlage
Gremium
TOP
Ausschuss für Bildung, Kultur, Sport und Freizeit
5
ö. Sitzung
X
nö. Sitzung
Termin
16.04.2013
Betreff
Alphabetisierung
Veranlasser/in / Antragsteller/in
SPD Fraktion
Mitteilung
Aufgrund des Schreibens der SPD Fraktion vom 08.11.2012 (Anlage 1) hat die Verwaltung das Thema mit der VHSLeitung erörtert. Daraus folgend hat die VHS Rhein-Erft nachfolgende Stellungnahme vorgelegt:
Seit Februar 2011 liegt die Literalitätsstudie Leo.* der Universität Hamburg vor. Danach können 7,5 Millionen Menschen
in Deutschland nicht so gut lesen und schreiben, wie es erforderlich ist, um am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.
Das bedeutet, dass 14,5 % der erwerbsfähigen Erwachsenen zwischen 18 und 64 Jahren in Deutschland betroffen sind.
Auf Pulheim herunter gebrochen wären rechnerisch etwa 7000 Pulheimer/-innen funktionale Analphabeten**. Dabei ist
funktionaler Analphabetismus nicht primär ein Problem von Menschen mit Migrationshintergrund. 58% der funktionalen
Analphabeten sind deutsche Muttersprachler. Menschen mit Lese- und Schreibschwierigkeiten sprechen häufig nicht
darüber, da sie Angst haben, bloßgestellt zu werden. Aus diesem Grund wollen Betroffene unerkannt bleiben. In unserer
Gesellschaft ist funktionaler Analphabetismus immer noch ein Tabuthema. Es ist deshalb schwierig, diese Personengruppe zu erreichen.
Volkshochschulen sind die Einrichtungen, in denen der weitaus größte Teil von Kursen für Analphabeten durchgeführt
wird. Seit den 70er Jahren bietet die VHS Rhein-Erft Alphabetisierungskurse auf unterschiedlichem Niveau mit kleinen
Gruppen an. Seit dem Konsolidierungsprogramm der VHS werden ab 2007 für die Kurse reduzierte Gebühren *** erhoben. Bis 2009 haben in Pulheim regelmäßig und fortlaufend Kurse stattgefunden. Seit dieser Zeit gelingt es nicht mehr,
genügend Teilnehmerinnen und Teilnehmer für einen fortlaufenden Kurs zu gewinnen. Dies mag auch damit zusammenhängen, dass es seit der Änderung des Zuwanderungsgesetzes im Jahr 2005 für Analphabeten mit Migrationshintergrund die Möglichkeit der finanziellen Förderung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtige (BAMF) gibt. Die
geförderten Kurse umfassen 1.260 Unterrichtsstunden. Die entsprechenden Personen können durch das Job-Center zu
einer Teilnahme verpflichtet werden. Es ist aus pädagogischer Sicht sicherlich sinnvoll diese Teilnehmer in eigenen
Kursen zu betreuen, da sie nicht nur alphabetisiert werden müssen, sondern auch noch Deutsch lernen müssen. Das
bedeutet aber auch, dass die Nachfrage in den nicht geförderten Kursen zurückgeht.
Mit großem Erfolg lief in Pulheim ein durch die Stadt geförderter Deutsch-Kurs für Asylbewerber, in dem viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer Alphabetisierungsbedarf hatten. Eine große Zahl wird nach dem Auslaufen des Kurses in
reguläre Integrationskurse mit Förderung des BAMF wechseln.
Vorlage Nr.: 123/2013 . Seite 2 / 2
Für das nächste Semester ist ein Alphabetisierungsintegrationskurs geplant. Außerdem wird die VHS wieder einen allgemeinen Alphabetisierungskurs anbieten.
Die Verwaltung wird darüber hinaus versuchen, zu ermitteln, wie über die institutionellen Angebote der VHS hinaus
bedarfsdeckende Angebote vorbereitet und gestaltet werden können.
* ist beigefügt (Anlage 2)
Literalität:von lateinisch littera = Buchstabe; verwandt mit dem englischen Literacy = Lese- und Schreibfähigkeit oder Bildung. Wird
als Fremdwort auch in der deutschen Sprache mit dieser Bedeutung verwendet.
** Funktionaler Analphabetismus bedeutet die Unterschreitung der gesellschaftlichen Mindestanforderungen an die Beherrschung
der Schriftsprache, deren Erfüllung Voraussetzung ist zu sozial streng kontrollierten Teilnahme an schriftlicher Kommunikation in
allen Arbeits- und Lebensbereichen.(Drecoll 1981)
Drecoll, Frank: Funktionaler Analphabetismus – Begriff, Erscheinungsbild, Psycho-soziale Folgen und Bildungsinteressen, In: Drecoll, Fran/Müller, Ulrich /Hrsg.): Für
ein Recht auf Lesen. Analphabetismus in der Bundesrepublik Deutschland. Frankfurt/M. 1981, S.3.
*** Die Alphabetisierungskurse tragen die Bezeichnung “Deutsch für Deutschsprachige, Deutsch - lesen und schreiben“. In 19 Einheiten a 2 ¼ Stunden werden etwa sechs bis acht Personen unterrichtet. Die Teilnahmegebühr beläuft sich auf 25 Euro. Der finanzielle Aufwand für die VHS beträgt pro Kurs rund 15.000 Euro.