Daten
Kommune
Inden
Größe
129 kB
Datum
13.12.2017
Erstellt
13.11.17, 14:14
Aktualisiert
13.11.17, 14:14
Stichworte
Inhalt der Datei
ich.sehe.zukunft.
Asylkreis lnden
Evangelische Kirchengemeinde
Inden-Langerwehe
Sprecherteam
Reiner Lövenich, Karoline Pinkert
Corneliusstr. 55b
52459 Lamersdorf
Antrag auf
„Soziale Betreuung der Flüchtlingsarbeit“
vom 19.05.2017
02465 / 300 750
rloevenich@asylkreis-inden.de
www.asylkreis-inden.de
AKTUELLE ERGÄNZUNG
27. Oktober 2017
„... und es kommen Menschen!“
Beantragt wird eine
psycho-soziale Betreuung & Beratung der Flüchtlingsarbeit in der Gemeinde Inden
Hinweis:
Damit ist KEIN Integrationshelfer, kein Flüchtlings- oder Ehrenamtskoordinator
und auch kein Hausmeister gemeint.
Allgemeiner Hintergrund
Seit Ende 2014 kommen wieder verstärkt Menschen aus Kriegs- und Krisengebieten zu
uns. Nach unserer Zählung leben mit heutigem Datum 178 geflohene Menschen in der
Gemeinde Inden; mit unterschiedlichem Aufenthaltsstatus. Diese Menschen sind hier mit
alltäglichem Rassismus, bürokratischen und juristischen Hürden konfrontiert und haben
Bedarf an Betreuungs- und Unterstützungsangeboten. Leider ist die psycho-soziale Betreuung dieser Menschen nach wie vor ein Randthema in unserer Gemeinde & Gesellschaft. Dabei müsste durch Beratung und Unterstützung ein gleichberechtigter Zugang zu
gesellschaftlichen Ressourcen wie Bildung und Arbeit zu ermöglicht werden.
Geflüchtete Menschen leben in sehr belastenden und chronisch traumatisierenden Kontexten, geprägt von Unsicherheit, Perspektivlosigkeit und Abhängigkeit. Psychiatrische
und psychotherapeutische Betreuungsangebote sind nur sehr begrenzt verfügbar; sichere
Räume für eine effektive psychosoziale Arbeit existieren kaum.
Viele Flüchtlinge leiden unter psychosozialen Belastungen und brauchen Unterstützung
im Alltag zur Bewältigung der Symptome. Psychosoziale Unterstützung muss die Selbstbestimmung über die persönlichen Lebensumstände, in der Familie, aber auch innerhalb
der Gemeinde ermöglichen. Sie muss ferner lokale Strukturen, vorhandene positive Bewältigungsstrategien, individuelle und kollektive Stärken sowie kulturelle Ressourcen berücksichtigen.
Auch Menschen (Freiwillige), die in solchen vielschichtigen, unsicheren Kontexten arbeiten, benötigen dringend psycho-soziale Unterstützung.
Konkreter Hintergrund
Bereiche der Flüchtlingsarbeit im Zeitraum 10/2014 - 10/2017,
bislang aufgefangen durch die freiwillige Arbeit im Asylkreis Inden
• Notfälle, (lebensbedrohliche, lebenslange) Krankheiten, ...
d.h. Begleitung einer Mutter, die in unserem Land die Diagnose erhält, dass sie sich in
den kommenden Jahren immer weniger wird bewegen können. Die Frage, ob sie ihre
Kinder noch als Erwachsene erleben wird, bleibt unbeantwortet im Raum.
d.h. Begleitung eines jungen Mannes, der in unserem Land die Diagnose einer lebensbedrohlichen Krankheit erhält, die in seinem Land nicht behandelbar ist und den sicheren schnellen Tod bedeutet; er aber trotzdem einen ablehnenden Asylbescheid erhält.
(Verfahren läuft)
d.h. ...
• Schwangerschaften, Kindererziehung, Kindergarten, Schule
d.h. vorbereiten auf einen Geburtsvorgang in einem unbekannten Land, wo keiner der
Anwesenden im Kreissaal die Sprache der Mutter spricht. Dolmetscher werden nicht
bezahlt.
d.h. Klärung der Erwartungen beim Aufeinandertreffen völlig verschiedener Kulturen
der „Kindererziehung“ zwischen (z.B.) syrischen Eltern und deutschem Kindergarten.
d.h. ...
• Familiennachzug, Probleme Familie im Heimatland (Tod, Anschläge, ....)
d.h. plötzliche Trauerbegleitung eines afrikanischen jungen Mannes, dessen Bruder in
seiner Unterkunft (in Aachen) tot umgefallen ist.
d.h. zuhören bei der Frage, warum dürfen meine Mutter und Geschwister (sind bereits
seit 2 Jahren in einem Camp in Griechenland) nicht zu uns nach Inden kommen, wir
haben doch einen positiven Asylbescheid. Ja, aber leider nur subsidiären Schutz (1
Jahr plus Verlängerung möglich). Und damit, so hat unsere Bundespolitik entschieden,
dürfen deine Mutter und Geschwister nicht kommen.
d.h. Unterstützung notwendiger Anträge zum Familiennachzug aus Afghanistan, die
nur per Internet möglich sind. In den Unterkünften in Inden gibt es weder WLAN noch
PC.
d.h. ....
• Alleinerziehende Mütter (Gewalterfahrung / Kinderbetreuung für Ausbildung,
Schule, ...)
d.h. eine Mutter mit Kleinkindern hat vor ihrem Aufenthalt in Inden Gewalt durch ihren
Ehemann erfahren und muss sich vor ihm verstecken; bei uns in Inden. Nicht nur die
Mutter ist krank und benötigt (professionelle) Hilfe im Alltag.
d.h. eine junge Frau flieht vor Zwangsheirat und Sklavenarbeit aus ihrem Heimatland
nach Deutschland. Dort wird sie auf Grund falscher Beratung aufgefordert das Land
wieder zu verlassen (negativer Asylbescheid). Einzige Möglichkeit hier zu bleiben - und
der Zwangsheirat zu Hause zu entkommen - ist eine Berufsausbildung (ohne Schulbildung). Ausbildungsplatz und Lernförderung können vermittelt werden. Zeitgleich „wird“
sie (kriminell?) in einer hessischen Stadt mit einem afrikanischen Mann muslimisch
verheiratet und von ihm schwanger. ...
d.h. ...
• (größere) Unterkünfte: Perspektivlosigkeit, verschiedene Nationalitäten / Religionen /
Kulturen, Hygiene, Zerstörung, Gewalt (Notarzt, Polizei, Gefahr) ... Betreuung (sozial +
Hausrecht / kleinere Unterkunft / sofortige Reparaturen / Perspektive)
d.h. nur eine tägliche Betreuung und Aufsicht (mit Hausrecht) im Container, verbunden
mit mehr räumlicher Möglichkeit auf Privatsphäre dort, hätte eine kleine Chance auf
menschenwürdige Unterbringung. Aktuell ist dies im EG nicht gegeben und dieses wird
von uns nicht mehr betreut.
d.h. ...
2
• Perspektive für Sprache, Ausbildung, Integration
d.h. Sprach- und Integrationskurse sind „wie Schule“; Analphabeten, erwachsene
Männer, .... kommen mit dieser Methode Schule nicht zurecht. Sie sprechen auch im
dritten Jahr in Inden kaum deutsch, ...
d.h. bei uns wohnen Männer aus Afghanistan, deren Freunde und Familienangehörige
von der Taliban oder dem IS getötet wurden, weil sie nicht für sie kämpfen wollten. Sie
wollten nicht warten, bis auch sie tot waren und sind (kurz) vorher geflohen. Dies reicht
nicht für einen positiven Bescheid, um in Deutschland zu bleiben. Eine Möglichkeit vorerst hier zu bleiben, ist die Aufnahme einer Ausbildung. Sie gehen in Berufsfelder, die
„wir“ nicht besetzten (Bäcker, Koch, ...). Bei der Suche nach Betrieben, beim Start in
der Berufsschule, beim komplexen Antragsverfahren benötigen sie unsere monatelange Hilfe.
d.h. ....
• Rolle Mann / Frau (vor allem in Familien)
d.h. wir begleiten Frauen, die wesentlich schneller die deutsche Sprache lernen, als ihre - oft wesentlich älteren - Männer. Damit erhalten diese Frauen automatisch eine Rolle in der Familie, die es so in ihrer Kultur nicht gibt. Dies wiederum führt zu Konflikten
nicht nur in der Familie.
d.h. wir begleiten eine Familie, die nach eigenen Angaben auf der Flucht geheiratet hat
und damit nun Mann und Frau sind. Endlich zur Ruhe gekommen, werden große Unterschiede (nicht nur in der Religion und der damit verbundenen Rolle von Mann und
Frau) sichtbar, die einer Anbindung an eine Eheberatungsstelle notwendig macht. Da
das Asylverfahren immer noch nicht abgeschlossen ist (- wo wird in Zukunft ihre Heimat sein - ), ist eine Eheberatung nicht möglich. Die Probleme bleiben aber ...
d.h. ...
• Freiwillige: Überlastung, Krankheit (lösbare Situationen werden nicht gelöst = Verwaltungen, Behörden, Wohnsituation = Politik), Kollegiale Beratung / fachliche Begleitung, Moderation,
d.h. je besser die geflohenen Menschen deutsch sprechen, je mehr erfahren wir über
ihre Geschichte, über die Zustände in ihrem Land und die Sorge über die dort noch lebenden Familienangehörigen. Sie konfrontieren uns im Gespräch - teilweise unausgesprochen - mit der Bitte um Hilfe: Wie kann ich meine Frau aus Eritrea nach Inden holen? Wie können meine Mutter und Geschwister (notfalls auch illegal) aus dem Camp
in Griechenland zu uns nach Inden kommen? ...
d.h. Schule und Kindergarten bitten uns - als Freiwillige - um Hilfe, weil sie bei den
Kindern aus Flüchtlingsfamilien nicht „weiter kommen“ (Trauma / Rolle der Familie /
Sprachprobleme - als ob wir arabisch oder farsi könnten.)
d.h. seit 2014 steigen die Zahlen in Inden ankommender geflüchteter Menschen stetig
an. Ein gemeinsam arbeitendes Netzwerk - für die Integration dieser Menschen - von
Politik, Verwaltung und Bürgerschaft gibt es immer noch nicht.
d.h. in 2016 und 2017 wurden in Inden 9 Kinder geboren, deren Familien zu uns geflüchtet sind. 9 Kinder, diese Anzahl ist wesentlich höher als die Zahl der Ratsmitglieder, die persönlichen Kontakt zu geflohenen Menschen haben. Es kommen Menschen
zu uns, deren Schicksal auch abhängig ist vom (Nicht-)Tun örtlicher Politik.
d.h. auch wir benötigen dringend eine unabhängige fachliche Moderation und psychosoziale Betreuung und Beratung
d.h. ...
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Aufgaben
Diese Aufgaben (Auszug) fallen bereits seit Oktober 2014 regelmäßig an. Ihre Intensität
steigt und steigt.
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Kooperation mit Behörden und Institutionen
Unterstützung bei der Abgabe/Verfassen von geforderten Rückmeldungen, Ausfüllen
von Formularen
(Aufsuchende) Begleitung und Betreuung von kranken und traumatisierten Flüchtlingen
Zusammenarbeit mit medizinischen und therapeutischen Einrichtungen
Angebote für schutzbedürftige Personen, insbesondere: Menschen mit einer Behinderung, ältere Menschen, Schwangere, Alleinerziehende Personen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben
Weitervermittlung an die jeweils zuständigen Fachstellen.
Entwicklung von Hilfsangeboten bei psychosozialen Problemen, Kriseninterventionen
sowie die Erarbeitung entsprechender Hilfemaßnahmen
Beratung bei finanziellen Schwierigkeiten
Zusammenarbeit mit Kindergärten, Schulen und anderen schulischen Kooperationsgruppen
Aufklärung über rechtliche Grundlagen und strafrechtliche Auswirkungen
Hilfe/Vermittlung bei Konflikten innerhalb der Familien oder in der Unterkunft
Psychosoziale Betreuung bei Problemen und Schwierigkeiten im täglichen Leben innerhalb des sozialen Umfelds
Organisation und Vermittlung von Sprachmittlern für Arztbesuche und Krankenhausaufenthalte
Unterstützung bei der Beantragung medizinischer Hilfsmittel
Anträge auf Befreiung von Zuzahlungen
Organisation von Hauskrankenpflege & Betreuungen
u.v.ä.m.
Information über grobe Systematik des Asyl- und Aufenthaltsrechts
Vermittlung zu Beratungsstellen und Rechtsanwälten
Anträge auf Kostenübernahme
Unterstützung bei der Mitwirkungspflicht zur Passbeschaffung
Formulierung von Anträgen für Aufenthaltstitel oder Duldung
Vermittlung zwischen Ausländerbehörde und geflohenem Menschen
Perspektivberatung
Beratung nach Anerkennung als Flüchtling oder Erteilung eines Aufenthaltstitels zu
neuen Rechten, Pflichten und Perspektiven
Hilfen bei der Beantragung von Umverteilungen und Familienzusammenführung
Vermittlung zu Rechtsanwälten, Menschenrechtsorganisationen und Fachdiensten
u.v.ä.m.
Anstellungsträger
Evangelische Kirchengemeinde Inden-Langerwehe
Beschäftigungsumfang von mindestens 50% (im Prinzip viel zu wenig)
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Finanzierungsmöglichkeiten dieser Arbeit
durch die Gemeinde Inden (Auswahl):
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Weiterleitung aller zweckgebundenen Landesmittel an die evangelische Kirchengemeinde.
- auch aus den Jahren 2014-2017; wo sind diese?
- ein Hausmeister hat eine andere Qualifikation, als ein Sozialarbeiter und kann aus
diesen zweckgebundenen Mitteln (für soziale Betreuung) nicht finanziert werden.
Anträge auf Fördermittel (z.B. Kreis / Land / Bund / Europa / Stiftungen / ...)
(Mögliche Quelle: http://www.bpb.de/partner/akquisos/222387/foerdermittel)
Kooperation mit weiteren Trägern (Kirchen, Wohlfahrtsverbände, ....)
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Schlussbemerkung
Die Integration von Flüchtlingen kann nur vor Ort geleistet werden. Hier leben die Menschen, hier spielt sich Alltag ab, hier finden Begegnungen statt - oder auch nicht. Hier
entscheidet sich, wie die Integration der Menschen unterschiedlicher Herkunft und Religion gelingt. Das gesellschaftliche Klima wird maßgeblich durch eine klare Positionierung
der Repräsentanten der jeweiligen Kommune für die Integration der Flüchtlinge in die örtliche Gesellschaft beeinflusst.
Die Frage, „benötigen wir in Inden eine psycho-soziale Betreuung & Beratung der Flüchtlingsarbeit“ darf es nicht geben. Ihr Bedarf zeigt sich täglich in der Arbeit mit den geflohenen Menschen und Freiwilligen; und konnte oben nur unvollständig aufgeführt werden.
Eine klare Positionierung von Seiten der Politik ist die Sicherstellung einer solchen Stelle.
Die Frage, „können wir eine solche Stelle finanzieren“, stellt sich mit so einer Positionierung ebenfalls nicht. Der persönliche Auftrag jedes Ratsmitgliedes lautet, wie stellen wir
die Finanzierung einer solchen Stelle spätestens zum 01. Januar 2018 sicher.
„Wird es nicht sehr viel teurer, wenn wir weiterhin nicht tun?“; könnte eine Frage sein, die
sich leicht mit JA beantworten lässt.
Weitere Informationen zu diesem Thema,
aber auch rund um die Arbeit mit geflohenen Menschen,
finden Sie auf unserer Homepage:
www.asylkreis-inden.de
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