Daten
Kommune
Pulheim
Größe
151 kB
Datum
29.01.2013
Erstellt
21.01.13, 19:15
Aktualisiert
21.01.13, 19:15
Stichworte
Inhalt der Datei
Vorlage Nr.:
13/2013
Erstellt am:
09.01.2013
Aktenzeichen:
I/10.23.00
Verfasser/in:
Herr Krüger
Vorlage zur Beratung/Beschlussfassung
Gremium
TOP
ö. Sitzung
Rat
nö. Sitzung
X
Termin
29.01.2013
Betreff
Bürgerbegehren - Neugestaltung der Bäderlandschaft im Stadtgebiet Pulheim
hier: Prüfung der Zulässigkeit und weiteres Verfahren
Veranlasser/in / Antragsteller/in
Bürgerinitiative
Haushalts-/Personalwirtschaftliche Auswirkungen
Die Vorlage hat haushaltswirtschaftliche Auswirkungen:
― bei Einzahlungen bzw. Erträgen
ja
x nein
― bei Einzahlungen bzw. Erträgen
― bei Auszahlungen bzw. Aufwendungen
ja
x nein
― bei Auszahlungen bzw. Aufwendungen
Die Vorlage hat personalwirtschaftliche Auswirkungen:
ja
x nein
Finanzierungsbedarf gesamt:
(ggf. inkl. zusätzlicher Personalkosten)
€
— im Haushalt des laufenden Jahres
€
— in den Haushalten der folgenden Jahre
€
€
€
Die Mittel stehen haushaltswirtschaftlich zur Verfügung:
ja
nein
Finanzierungsvorschlag (und ggf. weitere Erläuterungen):
Beschlussvorschlag
Der Rat stellt fest, dass das Bürgerbegehren zur Neugestaltung der Bäderlandschaft im Stadtgebiet Pulheim unzulässig
ist.
Vorlage Nr.: 13/2013 . Seite 2 / 5
Erläuterungen
Am 09.01.2013 wurden der Stadtverwaltung von Vertretern der Bürgerinitiative ein offener Brief (Anl. 1) sowie zwei Ordner mit Unterschriftenlisten bzgl. eines Bürgerbegehrens zur Neugestaltung der Bäderlandschaft im Stadtgebiet Pulheim
überreicht. Eine Kopie einer Unterschriftenliste ist als Anlage 2 beigefügt.
Rechtsgrundlage für Bürgerbegehren und Bürgerentscheid ist § 26 Gemeindeordnung NRW (GO NRW). Danach können Bürgerinnen und Bürger beantragen (Bürgerbegehren), dass sie an Stelle des Rates über eine Angelegenheit der
Gemeinde selbst entscheiden (Bürgerentscheid) (§ 26 (1) GO NRW).
Gemäß § 26 (6) GO NRW hat der Rat unverzüglich festzustellen, ob das Bürgerbegehren zulässig ist. Unverzüglich
bedeutet ohne schuldhaftes Zögern. Nach Rehn/Cronauge (Kommentar zu § 26 GO NRW, Zi VII.1., 38. Erg., März
2012) bedeutet dies, dass die Zulässigkeitsentscheidung in der nächsten turnusmäßig anstehenden Ratssitzung erfolgen muss. Diese Forderung ist mit der Behandlung des Themas in der Ratssitzung am 29.01.2013 erfüllt.
Die Feststellungsentscheidung des Rates, ob das Bürgerbegehren zulässig ist oder nicht, ist keine politische, sondern
rein rechtliche Entscheidung (dazu Held/Becker, Kommentar zu § 26 GO NRW, Zi. 5.2: „Es handelt sich hierbei um eine
förmliche Feststellungsentscheidung und nicht etwa um eine Ermessensentscheidung.“)
Stellt der Rat die Unzulässigkeit fest, so können nur die Vertreter des Bürgerbegehrens (§ 26 (2) GO NRW) einen
Rechtsbehelf gegen diese Entscheidung des Rates einlegen.
Stellt der Rat die Zulässigkeit fest und tritt dem Bürgerbegehren nicht bei, so ist innerhalb von drei Monaten nach Feststellung der Zulässigkeit ein Bürgerentscheid durchzuführen.
Prüfung der Zulässigkeit:
Die Zulässigkeitsvoraussetzungen sind in § 26 GO NRW festgelegt.
Antragsberechtigt sind Bürgerinnen und Bürger, d. h. die Personen, die zu Gemeindewahlen wahlberechtigt sind
(§ 21 (2) GO NRW).
Das Bürgerbegehren muss sich gem. § 26 (1) GO NRW auf eine Angelegenheit beziehen, die in der Entscheidungskompetenz des Rates liegt.
Da es sich gegen den Beschluss des Rates zur Bäderlandschaft bezieht, ist diese Voraussetzung grundsätzlich gegeben.
Gem. § 26 (2) GO NRW muss das Bürgerbegehren schriftlich eingereicht werden und die zur Entscheidung zu bringende Frage sowie eine Begründung enthalten. Die Frage muss gem. § 26 (7) S. 1 GO NRW so gestellt sein, dass sie nur
mit Ja oder Nein beantwortet werden kann.
Des Weiteren muss das Bürgerbegehren bis zu drei Personen benennen, die die Unterzeichnenden vertreten.
Das Bürgerbegehren ist schriftlich eingereicht worden, enthält die zur Entscheidung zu bringende Frage, die nur mit Ja
oder Nein beantwortet kann. Des Weiteren werden drei vertretungsberechtigte Personen benannt.
Vorlage Nr.: 13/2013 . Seite 3 / 5
Gem. § 26 (2) S. 2 GO NRW teilen Bürgerinnen und Bürger, die beabsichtigen, ein Bürgerbegehren durchzuführen, dies
der Verwaltung schriftlich mit. Die von der Verwaltung mitgeteilte schriftliche Kostenschätzung ist bei der Sammlung der
Unterschriften anzugeben (§ 26 (6) S. 2 GO NRW).
Die Verwaltung ist mit Schreiben v. 21.11.2012 auf die beabsichtigte Durchführung eines Bürgerbegehrens hingewiesen
und um Mitteilung einer Kostenschätzung gebeten worden (Anl. 3). Die Verwaltung hat mit Schreiben v. 11.12.2012 eine
Kostenschätzung mitgeteilt (Anl. 4).
Diese Kostenschätzung ist auf den Unterschriftenlisten angegeben.
Gem. § 26 (4) S. 1 GO NRW müssen in einer Stadt der Größenordnung Pulheims 6% der Bürgerinnen und Bürger das
Begehren unterstützen.
Die Zahl der Abstimmungsberechtigten betrug zum Zeitpunkt der Überprüfung der Unterschriften 44.134. D. h., dass
gem. § 26 (4) S. 1 GO NRW 2.648 gültige Unterschriften für das Bürgerbegehren erforderlich sind.
Schon nach Auswertung von 310 der vorgelegten Unterschriftenlisten war mit 2.709 gültigen Unterschriften die nach §
26 (4) GO NRW erforderliche Stimmenzahl erreicht. Deshalb wurde auf eine Prüfung der restlichen Unterschriftenlisten
verzichtet.
Folgende Punkte sprechen für die Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens:
1. Verstoß gegen den Ausschließlichkeitskatalog von § 26 (5) GO NRW
Ein Bürgerbegehren ist grundsätzlich unzulässig, wenn einer der in § 26 (5) GO NW aufgeführten Ausschlusstatbestände erfüllt ist.
Hier könnte § 26 (5) Nr. 5 in Frage kommen:
Das Bürgerbegehren hat u. a. den Erhalt des Standortes des Hallenbades in Pulheim zum Ziel.
Das bestehende Hallenbad liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans 34 Pulheim und befindet sich innerhalb einer
entsprechend festgesetzten Fläche für Gemeinbedarf mit der Zweckbestimmung „Schwimmbad“. Der bestehende Bau
füllt ca. 2/3 des festgesetzten Baufensters aus. Sollte ein neues Hallenbad neben dem Altbau errichtet werden, wäre
aufgrund der fehlenden notwendigen überbaubaren Grundstücksflächen die vorherige Durchführung eines formellen
Bebauungsplanverfahrens zwingend erforderlich.
Fraglich ist, wie das Bürgerbegehren zu interpretieren ist. Betrachtet man allein die Abstimmungsfrage, kommt es den
Befürwortern des Bürgerbegehrens darauf an, dass der Standort des Hallenbades im Zentralort Pulheim bleibt. Dies
könnte auch in der Weise erfolgen, dass der Altbau saniert oder auf der Fläche des Altbaus bzw. innerhalb des im BP 34
festgesetzten Baufensters ein Neubau errichtet wird.
Allerdings ist den Unterschriftenlisten jeweils die Argumentation der Befürworter vorangestellt, das Hallenbadgelände im
Zentralort sei ausreichend groß, um ein Hallenbad neu zu errichten bei gleichzeitigem Weiterbetrieb des alten Hallenbades. Somit gelte das Argument nicht, das Hallenbad stehe bei einer Sanierung über einen Zeitraum von ca. zwei Jahren
weder der Öffentlichkeit, Schulen oder Vereinen zur Verfügung.
Es ist nicht ausgeschlossen oder sogar eher wahrscheinlich, dass sich zahlreiche das Bürgerbegehren unterstützende
Bürger/innen von dieser Argumentation haben leiten lassen.
Vorlage Nr.: 13/2013 . Seite 4 / 5
Legt man das Bürgerbegehren dahingehend aus, es sei ein Neubau des Hallenbades neben dem bestehenden beabsichtigt, so soll in der Sache eine Bauleitplanentscheidung (Änderung des BP 34 oder Neuaufstellung) getroffen werden,
obwohl formell eine andere Frage gestellt wird. Richtet sich das Bürgerbegehren aber materiell auf eine Bauleitplanung,
so ist es nach § 26 Abs. 5 Nr. 5 GO NRW unzulässig (OVG NRW, Beschluss vom 11.03.2009 – 15 B 329/09 – zu § 26
Abs. 5 Nr. 6 GO NRW a. F.).
In diesem Fall ist das Bürgerbegehren auch nicht lediglich auf die Entscheidung über die Einleitung des Bauleitplanverfahrens gerichtet, denn das Ergebnis der im Planverfahren erforderlichen Abwägung wird durch ein erfolgreiches Bürgerbegehren bereits vorweggenommen (Ausweisung einer weiteren Fläche für Gemeinbedarf mit der Zweckbestimmung
„Schwimmbad“).
Eine Bauleitplanentscheidung bedarf jedoch der planerischen Abwägung in den Ratsgremien nach den Vorschriften des
BauGB. Damit eignet sie sich nicht für ein notwendigerweise auf eine Ja- oder Nein-Entscheidung angelegtes Bürgerbegehren, in dem systembedingt eine sorgfältige Abwägung unter Einbeziehung aller relevanten Gesichtspunkte nicht
stattfinden kann (OVG NRW, Beschluss v. 11.03.2009, a.a.O.).
Damit ist das Bürgerbegehren gem. § 26 (5) Nr. 5 unzulässig.
2. Fristen (§ 26 (3) GO NRW)
Zu beachten ist die Fristvorschrift von § 26 (3) GO NRW. Gem. § 26 (1) S. 2 GO NRW muss ein Bürgerbegehren, das
sich gegen einen Beschluss des Rates richtet (kassatorisches Bürgerbegehren), der nicht der Bekanntmachung bedarf,
innerhalb von drei Monaten nach dem Sitzungstag eingereicht sein.
Das Bürgerbegehren richtet sich formal gegen den Beschluss des Rates zur Bäderlandschaft Pulheim v. 06.11.2012. Da
dieser Beschluss keiner Bekanntmachung bedarf, ist nach § 26 (3) S. 2 GO NRW eine Frist von drei Monaten nach
Beschlussfassung gegeben. Allerdings findet diese Frist aus folgenden Gründen hier keine Anwendung:
In der Begründung des Bürgerbegehrens wird angegeben, dass der Rat am 06.11.2012 seinen Beschluss aus dem Jahr
2008 zur Neugestaltung der Bäderlandschaft Pulheim in modifizierter Form erneut gefasst habe.
Der Rat hat in seiner Sitzung am 06.11.2012 folgenden Beschluss gefasst: „Der Rat lehnt die vorliegenden Anträge
gegen seinen Grundsatzbeschluss vom 16.12.2008 zum Standort des Hallenbades ab.“(Anl. 5). Damit hat er seinen
Beschluss aus dem Jahr 2008 zur Standortfrage (Anl. 6) nicht wiederholt oder bestätigt, sondern lediglich die vorliegenden Anträge gegen seinen alten Grundsatzbeschluss zum Standort des Hallenbades abgelehnt.
Das OVG NRW hat mit Urteil vom 28.01.2003 (15 A 203/02) ausgeführt, dass die Frist des § 26 Abs. 3 GO NRW nicht
erneut durch einen Ratsbeschluss ausgelöst wird, mit dem ein dem Bürgerbegehren entsprechender Sachantrag abgelehnt wird. Denn der Beschluss erschöpft sich darin, dem vorgelegten Sachantrag auf Änderung früherer Ratsbeschlüsse nicht zuzustimmen. Darin liegt keine Regelung, die Gegenstand eines kassatorischen Bürgerbegehrens sein könnte.
Diese Ausführungen entsprechen dem vorliegenden Sachverhalt.
Im Übrigen würde nach der Rechtsauffassung des OVG NRW auch eine ausdrückliche Bestätigung oder Wiederholung
der bisherigen sachlichen Regelung keine neue Frist auslösen. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn der Rat den
Vorlage Nr.: 13/2013 . Seite 5 / 5
alten Beschluss – etwa aufgrund zwischenzeitlicher neuer Entwicklungen – durch ein neues, wenngleich möglicherweise
inhaltlich gleiches Regelungsprogramm hätte ersetzen wollen.
Im vorliegenden Fall liegen zwischen den beiden Ratsbeschlüssen keine wesentlich neuen Entwicklungen, die den Rat
zu einem neuen Regelungsprogramm veranlasst hätten. Vielmehr haben sich die Umstände, auf denen der alte Beschluss zur Standortfrage beruhte, nicht nachhaltig geändert. Im Zeitpunkt des Grundsatzbeschlusses zur Standortfrage
gab es noch keine konkreten Planungsvarianten eines Hallenbadneubaus. Diese liegen mittlerweile vor. Dennoch gehen
Rat und Verwaltung nach wie vor – mangels anderweitiger Erkenntnisse – davon aus, dass durch die Bündelung von
Frei- und Hallenbad am Standort Stommeln mit gemeinsamer Technik und Infrastruktur Synergieeffekte zu erzielen sind.
Die Argumente der Befürworter des Bürgerbegehrens, das Hallenbadgelände im Zentralort sei groß genug, um ein neues Hallenbad bei gleichzeitigem Weiterbetrieb des alten errichten zu können, werden durch keine Untersuchung belegt.
Gleiches gilt für die These, ein Neubau des Hallenbades im Zentralort sei mit ca. 50 % geringeren Investitionskosten
möglich. Mithin ist nicht ersichtlich, dass durch eine wesentliche tatsächliche oder rechtliche Änderung der Verhältnisse
dem ersten Ratsbeschluss zur Standortfrage die Grundlage entzogen worden sei. Damit aber ist das – formal gegen den
Beschluss vom 06.11.2012 gerichtete – Bürgerbegehren unzulässig, da es sich inhaltlich gegen den Grundsatzbeschluss des Rates zur Bäderlandschaft v. 16.12.2008 richtet und damit verfristet ist.
Fazit:
Das vorgelegte Bürgerbegehren ist aus den o. a. Gründen unzulässig.
Ein weiterer Unzulässigkeitsgrund könnte sich aus der den Unterschriftenlisten jeweils vorangestellten Begründung
ergeben, wonach der Rat beschlossen hätte, den Neubau eines Hallenbades am Standort des Freibades Stommeln für
fast 13 Mio. € zu errichten.
Mit Schreiben v. 21.11.2012 hatten die Vertretungsberechtigten u. a. um Mitteilung einer Kostenschätzung gebeten
(Anl. 3). Im Antwortschreiben der Verwaltung v. 11.12.2012 (Anl. 4) sind auf S. 3 die Baukosten des Hallenbades Var. 6
mit Sauna in Stommeln mit ca. 12,175 Mio. € aufgeführt. Aus der Aufstellung wird ersichtlich, dass in dieser Summe
auch die Kosten für die Positionen Abbruch Bestand, Neubau Sportlertrakt, Neubau Freibadumkleiden sowie anteilige
Sanierung Freibadtechnik enthalten sind.
Somit ist die angegebene Summe in Höhe von 13 Mio. € unzutreffend.
Die nach § 26 (2) S. 1 GO NRW erforderliche Begründung dient dazu, die Unterzeichner/innen des Bürgerbegehrens
über den Sachverhalt aufzuklären. Deshalb müssen die dargestellten Tatsachen, soweit sie für die Entscheidung wesentlich sind, zutreffen.
Die Wiedergabe unrichtiger Tatsachen führt zur Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens, auch wenn die Initiatoren insoweit
keine Täuschungsabsicht haben (OVG NRW, Urteil v. 23.04.2002 – 15 A 5594/00; Rehn/Cronauge, § 26 GO NRW,
Anm. III.2.).
Gegen die Unzulässigkeitsentscheidung können gem. § 26 (6) S. 2 GO NRW nur die Vertretungsberechtigten gem.
§ 26 (2) S. 2 GO NRW einen Rechtsbehelf einlegen.
Die Vertretungsberechtigten erhalten einen entsprechenden Bescheid.