Daten
Kommune
Brühl
Größe
102 kB
Datum
25.09.2014
Erstellt
08.10.13, 18:20
Aktualisiert
08.10.13, 18:20
Stichworte
Inhalt der Datei
Fraktion im Brühler Stadtrat
DIE LINKE.Fraktion Brühl, Rathaus, Fraktionsvorsitzender, Eckhard Riedel, Uhlstr. 3, 50321 Brühl
Eckhard Riedel
Fraktionsvorsitzender
Rathaus Brühl
Uhlstraße 3
50321 Brühl
Telefon 02232 / 79 - 21 55
Telefax 02232 / 79- 21 56
Mobil
0175 / 79 49776
An den
Rat der Stadt Brühl
Herrn Bürgermeister
Michael Kreuzberg
Rathaus
Uhlstraße 3
riedel@dielinke-bruehl.de
www.dielinke-bruehl.de
Bankverbindung:
DIE LINKE.Fraktion
im Brühler Stadtrat
VR-Bank Rhein-Erft e.G.
BLZ 371 612 89
Kto-Nr. 404 160 13
50321 Brühl
Brühl, den 20.09.2013
Konzept einer dezentralen Unterbringung von AsylbewerberInnen und geduldeten
MigrantInnen für die Stadt Brühl
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
die Fraktion DIE LINKE beantragt, der Rat möge in seiner Sitzung am 14.10.2013
beschließen:
1. Der Bürgermeister wird beauftragt, ein Konzept zu erarbeiten, wie sichergestellt
werden kann, dass bis zum 31.12.2015 alle Brühler AsylbewerberInnen und
Asylbewerber (Aufenthaltsgestattung), geduldeten Migrantinnen und Migranten, die
derzeit zentral in Übergangswohnheimen untergebracht sind, dezentral in
Wohnungen untergebracht werden können.
2. In die Erarbeitung sind sowohl die Betroffenen, als auch die Betreiber, die
Wohnungsgesellschaft, die migrationspolitischen Vereine der Stadt und der
Integrationsausschuss einzubeziehen.
3. Das Konzept ist dem Stadtrat bis zum 30.06.2014 vorzulegen und soll u.a. auch die
weitere soziale und gesundheitliche Betreuung der oben erwähnten MigrantInnen
berücksichtigen.
4. Neu einreisende Asylsuchende oder Geduldete sollen nach spätestens 6 Monaten
dezentral untergebracht werden.
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Begründung:
Derzeit leben in Brühl 85 Personen, darunter 14 Kinder, zentral in 3 Übergangswohnheimen (Willi-Brand-Straße, Willestraße, Volkspark).
In Brühl werden AsylbewerberInnen, Geduldete sowie MigrantInnen mit einer
Aufenthaltserlaubnis nach § 25 überwiegend in zentralen Gemeinschaftsunterkünften
untergebracht, die beträchtliche Kosten verursachen.
Bezüglich der Beachtung des öffentlichen Interesses als auch der Belange des Ausländers
muss eine dezentrale Unterbringung angestrebt werden. Die dezentrale Unterbringung von
AsylbewerberInnen und anderen MigrantInnen ist eine wichtige Säule für eine erfolgreiche
Integrationsarbeit.
Die konzentrierte und isolierte Unterbringung der AsylbewerberInnen verhindert häufig den
notwendigen Kontakt zur einheimischen Bevölkerung und trägt zur Stigmatisierung vor
allem dort lebender Kinder und Jugendlicher bei. Zudem ist den Brühler Bürgern und
Bürgerinnen der Einblick in das Alltagsleben der dort lebenden Menschen weitestgehend
verwehrt und eine differenziertere Bewertung gegenüber ausländischen Mitbürgern
erschwert. Eine dezentrale Unterbringung verbessert in den allermeisten Fällen die
Lebenssituation der benannten MigrantInnen nachhaltig und hilft, die Integrationsfähigkeit
dieser Menschen zu erhalten bzw. erst deren Erwerb.
Angesichts der langen Dauer mancher Asylverfahren muss hier ein Hauptaugenmerk der
Integrationspolitik liegen, denn diese Integrationsfähigkeit ist entscheidend sowohl bei einer
möglichen Rückkehr in das Herkunftsland als auch bei einer positiven Aufenthaltsbescheinigung für die Bundesrepublik. Der Erhalt bzw. die Förderung dieser
Intergrationsfähigkeiten wird jedoch erschwert bis verhindert, wenn diese Menschen in den
Möglichkeiten, ihr Leben selbstbestimmt zu führen, den Lebensalltag selbst zu
organisieren, eingeschränkt werden.
Auch hinsichtlich des öffentlichen Interesses an sparsamem Wirtschaften erscheint die
dezentrale
Unterbringung klar von Vorteil (s. Anlage Bericht Stadtanzeiger Beispiel Leverkusen).Die
Unterbringung in Heimen führt zu Entmündigung und Unselbständigkeit. Hinzu kommt ein
absoluter Mangel an Rückzugsmöglichkeiten. Kontrollmaßnahmen vermitteln den
Betroffenen das Gefühl des Ausgeliefertseins. Diese Umstände verursachen erhebliche
Spannungen sowie physische und psychische Beeinträchtigungen. Viele der
untergebrachten Flüchtlinge klagen über krankhafte Störungen. Beschwerden über zum
Teil körperliche Auseinandersetzungen aufgrund der benannten Zwangsumstände sind
ebenfalls bekannt. Die zentrale Unterbringung verschärft den Zustand der ohnehin
vorhandenen teilweise jahrelangen Unsicherheit, in dem diese Menschen leben. Sie ist mit
der Würde des Menschen und auch grundlegenden Prinzipien des Sozialstaats kaum
vereinbar.
Aus diesen Gründen forderte die Liga der Freien Wohlfahrtsverbände Hessen bereits im
November 1992 „Die eigene Wohnung ist neben der Arbeit, der sozialen, kulturellen und
politischen Partizipation ein Grundbedürfnis für ein menschenwürdiges Leben.“
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Zahlreiche Bundesländer, aber auch einzelne Kommunen haben sich inzwischen dieser
Sichtweise angeschlossen.
Mit freundlichen Grüßen
Eckhard Riedel
Fraktionsvorsitzender
Anlage
Beispiel Leverkusen
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Kölner Stadtanzeiger 28.8.2013
Im Frieden mit den Nachbarn
Das "Leverkusener Modell" ist erfolgreich mit der dezentralen Unterbringung von Flüchtlingen und
Asylbewerbern
VON MIRIAM BETANCOURT
Leverkusen. Die Szenen häufen sich: Da gibt es gewalttätige Auseinandersetzungen um ein Flüchtlingsheim
in Berlin-Hellersdorf, als die ersten Bewohner aus Afghanistan, dem Balkan und Syrien einzogen. Da
entzündet sich ein aggressiver Streit um ein vorwiegend von Ausländern bewohntes Hochhaus in Duisburg.
Oder Rassisten schmieren rechtsextreme Parolen an eine Flüchtlingsunterkunft im mecklenburgischen
Wolgast. Die Emotionen schlagen hoch, wenn es um das Thema Flüchtlingsunterbringung geht.
Solche Szenen gibt es in Leverkusen nicht. Seit rund elf Jahren praktiziert die Stadt erfolgreich das
sogenannte Leverkusener Modell. Anstatt auf die Unterbringung in Übergangsheimen zu setzen, quartiert
die Stadt Flüchtlinge in Privatwohnungen ein. Asylbewerber oder Menschen mit einer Duldung können
bereits nach wenigen Monaten in ihre eigenen vier Wände ziehen. "In all den Jahren hatten wir kein einziges
Problem mit Nachbarn. Darauf bin ich richtig stolz", sagte Sozialdezernent Frank Stein.
Rund 200 Flüchtlinge leben in ihren eigenen Wohnungen übers Stadtgebiet verteilt. Rund 300 sind in einem
noch verbliebenden Übergangsheim. "Da gab es kürzlich eine kleine Verschiebung in der Relation, weil wir
ein paar Zuwächse hatten. Und erst einmal wohnen die Menschen in der Sammelunterkunft. Manche
möchten dort aber auch bleiben." Vor allem für Familien mit Kindern sei es jedoch wichtig, die eigenen vier
Wände zu haben, sagte Stein. Darüber hinaus kann sich der zukünftige Kämmerer der hoch verschuldeten
Stadt freuen, dass das Konzept sogar Geld spart. Die Stadt übernimmt zwar die Miete von bis zu maximal
256 Euro pro Person. Da die Personal- und Sanierungskosten aber wegfallen, hat die Stadt laut
Berechnungen von Stein in den vergangenen Jahren rund eine Million Euro gespart. Übergangsheime sind
schnell sanierungsbedürftig. "Wenn 300 Menschen auf engstem Raum zusammenleben, dann sieht es danach kürzester Zeit nicht mehr toll aus", sagte Stein. Die Betreuung hat die Stadt an den Flüchtlingsrat und
die Caritas abgegeben. Die kirchliche Organisation kümmert sich unter anderem um Sprachkurse oder hilft
bei Behördengängen
Doch der finanzielle Aspekt war nicht das ausschlaggebende Argument, warum sich Politik und
Verwaltung vor über zehn Jahren zu diesem Schritt entschieden hatten. "Im Jahr 2000 stand Leverkusen
vor der Entscheidung, was mit den damaligen maroden Übergangsheimen mit teilweise unhaltbaren
Zuständen geschehen sollte. Anstatt zu sanieren, haben sich alle Parteifraktionen für die Unterbringung in
Wohnungen ausgesprochen - aus humanitären Gründen. Das war Konsens", erinnert sich der
Sozialdezernent.
Auch die Umsetzung erfolgte von Anfang an auf einer breiten Basis. Das kommunale
Wohnungsunternehmen WGL, Bauvereine und auch private Vermieter beteiligten sich. Zu Anfang mietete
noch die Caritas die Wohnungen. Mittlerweile unterschreiben die Flüchtlinge selbst ihren Vertrag. Die
Wohnungen zu finden war also zunächst nicht schwer. Das ändert sich zurzeit aus wirtschaftlichen Gründen.
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"Auch in Leverkusen merken wir den zunehmenden Druck auf den Wohnungsmarkt. Die Anspannung ist
bestimmt noch nicht so stark wie in Köln. Aber große Wohnungen für Familien zu finden ist schwieriger
geworden", so Stein.
Das Leverkusener Modell macht Schule. Von ihm scheinen alle Beteiligten zu profitieren. Das haben auch
viele andere Städte beobachtet: Die Flüchtlinge können weitgehend ein selbstbestimmtes Leben mit einer
Privatsphäre führen; die Stadt beklagt keine Ghettoisierung, und das Ganze spart noch Geld. Der
Leverkusener Sozialdezernent stellte das Konzept auch in anderen Bundesländern vor. Wütend wird Stein
jedoch, wenn er das Wort "Flüchtlingswelle" hört. "Wir haben zurzeit weit weniger Flüchtlinge als in den
1990er und 1980er Jahren." Das liege aber nicht daran, dass es weniger Menschen in Not gebe. "Europa
schottet sich total ab. Es schafft doch kaum noch jemand zu uns." Auch durch den Konflikt in Syrien würde
sich nicht viel an der Lage ändern. "Wenn rund 5000 Menschen aus Syrien zu uns kommen, bleiben etwa
1000 in NRW. Und nach dem Bewohnerschlüssel gerechnet, kommen dann zehn Menschen nach
Leverkusen." Da könne wirklich nicht die Rede von Flüchtlingsströmen sein.
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