Daten
Kommune
Pulheim
Größe
185 kB
Datum
11.09.2012
Erstellt
25.06.12, 19:23
Aktualisiert
25.06.12, 19:23
Stichworte
Inhalt der Datei
Vorlage Nr.:
119/2012
Erstellt am:
16.05.2012
Aktenzeichen:
IV/661
Verfasser/in:
Herr Kleine-Erwig
Vorlage zur Beratung/Beschlussfassung
Gremium
TOP
Ausschuss für Tiefbau und Verkehr
1
ö. Sitzung
Haupt- und Finanzausschuss
nö. Sitzung
Termin
X
04.07.2012
X
11.09.2012
Betreff
Beseitigung von Niederschlagswasser
hier: Antrag der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen auf Änderung der Entwässerungssatzung
Veranlasser/in / Antragsteller/in
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Haushalts-/Personalwirtschaftliche Auswirkungen
Die Vorlage hat haushaltswirtschaftliche Auswirkungen:
― bei Einzahlungen bzw. Erträgen
ja
x nein
― bei Einzahlungen bzw. Erträgen
― bei Auszahlungen bzw. Aufwendungen
ja
x nein
― bei Auszahlungen bzw. Aufwendungen
Die Vorlage hat personalwirtschaftliche Auswirkungen:
ja
x nein
Finanzierungsbedarf gesamt:
(ggf. inkl. zusätzlicher Personalkosten)
€
— im Haushalt des laufenden Jahres
€
— in den Haushalten der folgenden Jahre
€
€
€
Die Mittel stehen haushaltswirtschaftlich zur Verfügung:
Finanzierungsvorschlag (und ggf. weitere Erläuterungen):
ja
nein
Vorlage Nr.: 119/2012 . Seite 2 / 5
Beschlussvorschlag
Beschlussvorschlag der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen
Die Verwaltung wird beauftragt, die Entwässerungssatzung (EWS) zu überarbeiten. Ziel der Überarbeitung ist die Nutzung von Niederschlagswasser auf dem Grundstück der Grundstückseigentümer.
Beschlussvorschlag der Verwaltung:
1) Der TVA empfiehlt dem HFA / der HFA beschließt, die Verwaltung zu beauftragen, im Rahmen der als nächstes
anstehenden Änderung der Entwässerungssatzung die Streichung des Zusatzes „Brauchwasser“ in § 11 der
Satzung zu berücksichtigen.
2) Der TVA empfiehlt dem HFA / der HFA beschließt die Verwaltung zu beauftragen, bei der Prüfung von Anträgen auf
Befreiungen von der Abwasserüberlassungspflicht der Frage der Gebührengerechtigkeit besonders Rechnung zu
tragen und die Haftungsrisiken der Stadt zu minimieren. Der TVA / HFA bestätigt die dargestellte Ermessensausübung der Stadt.
Erläuterungen
Mit Schreiben vom 06.12.2011 (Anlage) hat die Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen gebeten, den oben genannten Antrag
beschließen zu lassen.
Die Entwässerungssatzung wurde im Rahmen der Einführung der gesplitteten Abwassergebühr im Jahr 2008 auf
Grundlage der Empfehlungen der seinerzeit beauftragten Gutachter neu gefasst. Die im Antrag der Fraktion Bündnis 90
/ Die Grünen angesprochenen Regelungen im § 11 der Entwässerungssatzung (EWS) wurde seitdem nicht verändert.
Um die Nutzungen des Regenwassers als Brauchwasser zu fördern, wurde im vergangenen Jahr die Benutzungsgebührensatzung dahingehend geändert, dass für die Niederschlagswassergebühr bei ausreichend großen Regenspeichern
bei Nutzung des Regenwassers als Brauchwasser unter bestimmten Voraussetzungen ein Abschlag von 40% gewährt
wird. Wie in der Vorlage 81/2011 dargestellt, entspricht dieser Abschlag dem Abschlag für Ökopflaster, Rasengittersteine, Porenpflaster und Gründächer. In § 4 der Benutzungsgebührensatzung wurde hierbei folgender neuer Absatz 7
eingefügt:
Dachflächen, die
-
ordnungsgemäß und dauerhaft an geeignete Niederschlagswassersammelanlagen (Zisternen o. ä.) angeschlossen sind,
-
eine regelmäßige Brauchwassernutzung mittels sanitärer Anlagen und/oder Haushaltsgeräten ermöglichen,
-
mit gesonderten Zählern gemäß § 3 Abs. 5 ausgestattet sind
-
und regelmäßig Schmutzwasser in die städtische Abwasseranlage einleiten,
werden auf Antrag des Eigentümers mit 60% des Gebührensatzes gemäß Abs. 4 veranlagt, wenn das Regenwasserspeichervolumen mindestens 30 Liter je Quadratmeter an den Regenwasserspeicher angeschlossener
Dachfläche beträgt und ein Regenwasserspeichervolumen von mindestens 4 Kubikmeter genutzt wird.
Vorlage Nr.: 119/2012 . Seite 3 / 5
Der Abschlag wird nur für die Dachflächen gewährt, deren Regenwasserertrag den gemäß den allgemein anerkannten Regeln der Technik ermittelten Brauchwasserbedarf um maximal 100% übersteigt.
Der Antrag muss die Abnahmebescheinigung des Wasserversorgers, eine Bestätigung der ordnungsgemäßen
Errichtung durch einen Fachbetrieb sowie Pläne der gesamten Regenwassernutzungsanlage und der daran
angeschlossenen Dachflächen beinhalten.
Sofern eine andere Nutzung von Regenwasser – z.B. zur Gartenbewässerung – vorgesehen ist, erfolgt folglich kein
Gebührenabschlag. Eine Gebührenreduzierung auch für diese Fälle wäre aus Sicht der Verwaltung nicht sinnvoll, da
hier über das Jahr keine ständige Entnahme zu erwarten ist.
Das Muster einer Abwasserbeseitigungssatzung (Entwässerungssatzung) des Städte- und Gemeindebundes NRW
einschließlich der dazugehörigen Erläuterungen ist in SD.Net als Anlage zu dieser Vorlage einsehbar. In dieser Mustersatzung wurde im Rahmen der Überarbeitung 2010 – wie im Antrag dargestellt – der Text gegenüber der EWS geändert.
Gegen die in der Mustersatzung vorgenommene Streichung des Zusatzes „Brauchwasser“ in § 11 EWS bestünden
verwaltungsseitig keine Bedenken. Faktisch ergibt sich aus der Streichung allerdings keine substantielle Änderung.
Bereits heute ist es so, dass selbstverständlich jedem Grundstückseigentümer freigestellt wird, das von ihm gesammelte
Regenwasser nicht nur als Brauchwasser, sondern z.B. auch zur Gartenbewässerung zu nutzen und somit Kosten für
einen Frischwasserbezug zu sparen. Auf die Überlassung des entsprechend verwendeten Niederschlagswassers wird
dann natürlich verzichtet. Der Verzicht auf die Überlassung des Niederschlagswassers beschränkt sich allerdings auch
gemäß der modifizierten Mustersatzung auf das tatsächlich verwendete Niederschlagswasser. Die Gemeinde kann
folglich auch bei dieser Regelung darauf bestehen, dass der Überlauf des Regenwasserspeichers an die öffentliche
Kanalisation angeschlossen wird, so dass weiterhin Niederschlagswassergebühren anfallen.
Der Begründung des Antrags der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen ist zu entnehmen, dass das Ziel des Antrags weniger die Verbesserung der Nutzung von Niederschlagswasser ist. Im Kern geht es offenbar darum, den Grundstückseigentümern eine größere Wahlfreiheit einzuräumen, ob sie das Niederschlagswasser in die öffentliche Abwasseranlage
einleiten oder selber entsorgen.
Gemäß § 9 Abs. 2 und 5 EWS ist der Grundstückseigentümer vorbehaltlich der Einschränkungen der Satzung verpflichtet, auch Niederschlagswasser in die öffentliche Abwasseranlage einzuleiten, um seine Abwasserüberlassungspflicht nach § 53 Abs. 1c LWG zu erfüllen. Von der Abwasserüberlassungspflicht kann die Gemeinde den Nutzungsberechtigten des Grundstücks gemäß § 53 Abs. 3 a Satz 2 LWG NRW freistellen, wenn die ordnungsgemäße Beseitigung oder Verwendung des Niederschlagswassers durch den Nutzungsberechtigten des Grundstücks sichergestellt ist.
Die Gemeinde hat einen weiten Entscheidungs- und Beurteilungsspielraum, wie das Regenwasser von privaten Grundstücken beseitigt wird und der Gemeinde wurde vom Gesetzgeber explizit das Entscheidungsrecht zugestanden, ob sie
auf die Überlassung des Niederschlagswassers bei bereits an den Kanal angeschlossenen Grundstücken verzichtet.
Durch diese Regelungen wird sichergestellt, dass beispielsweise kein Regenwasserkanal unter erheblichem Kostenaufwand gebaut wird und im Nachgang hierzu dieser nicht zur Ableitung von Regenwasser von privaten Grundstücken
genutzt wird. Folglich wird hierdurch die Allgemeinheit davor geschützt, dass abgeschlossene Kanalnetzplanungen und
die im Anschluss hieran getätigten abwassertechnischen Investitionen nachträglich entwertet werden. Gleichzeitig hat
die Verwaltung die Möglichkeit im Einzelfall auf die Abwasserüberlassung zu verzichten, wenn für den betroffenen
Grundstückseigentümer der damit verbundene Aufwand unverhältnismäßig wäre. Dies ist regelmäßig z.B. bei hinter dem
Haus gelegenen Terrassen mit Gefälle auf den Zierrasen, Gartenhäusern und kleinen Haustürüberdachungen der Fall.
Vorlage Nr.: 119/2012 . Seite 4 / 5
In den Erläuterungen zu der Mustersatzung wird darauf hingewiesen, dass es sich in der Verwaltungspraxis empfiehlt,
den jeweiligen Einzelfall daraufhin zu überprüfen, ob eine Nichtableitung des Niederschlagswassers in den öffentlichen
Kanal für die Gemeinde Haftungsrisiken hervorrufen könnte. Im Kern gehe es bei der Niederschlagswasserbeseitigung
nach wie vor darum, dass eine ordnungsgemäße Ableitung des Niederschlagswassers von einem Grundstück erfolgen
müsse, damit unter anderem auf Nachbargrundstücken keine Schäden (z.B. Vernässungsschäden an Gebäuden)
entstehen. Denn trete ein Schaden auf dem Nachbargrundstück ein, weil die Gemeinde nicht auf die Erfüllung der
Abwasserüberlassungspflicht bzw. den Anschluss- und Benutzungszwang für Niederschlagswasser bestanden hat, so
sei sie grundsätzlich Amtshaftungsansprüchen aus Art. 34 GG, § 839 BGB ausgesetzt, weil sie dann ihrer Abwasserbeseitigungspflicht nicht ordnungsgemäß nachgekommen sei.
Nicht zuletzt um die Haftungsrisiken zu begrenzen, muss folglich in jedem Einzelfall eine gesonderte Prüfung erfolgen,
ob eine Befreiung von der Abwasserüberlassungspflicht ausgesprochen werden kann und beispielsweise eine – wasserrechtlich genehmigungsfreie – großflächige Verrieselung auf einer Wiese möglich ist. In der Praxis kam es zuletzt sogar
zu Fällen, bei denen zur Abwendung von Schäden an den Nachbargebäuden ein nachträglicher Anschluss an den Kanal
gestattet werden musste obwohl in der Vergangenheit eine Befreiung erteilt und auch eine gültige Versickerungsgenehmigung der Unteren Wasserbehörde vorlag. Eine ordnungsgemäße Entwässerung muss folglich von der Stadt immer
sichergestellt werden.
Zur Einschätzung, wie darüber hinaus das Ermessen, ob eine Abwasserüberlassung verlangt wird, derzeit von der Verwaltung ausgeübt wird, können folgende Beispiele dienen:
Neubauvorhaben in neuen Baugebieten
Hier wird bereits im Bebauungsplan die Art der Niederschlagswasserentsorgung festgesetzt.
Insbesondere wenn ein Trennsystem angelegt wurde, wird die komplette Überlassung des Niederschlagsabwassers verlangt.
Neubauvorhaben im Bestand
Sofern in der Kanalnetzplanung ein Anschluss des Grundstücks vorgesehen war und die hydraulische Leistungsfähigkeit des Kanalnetzes ausreichend ist, wird die Überlassung des Niederschlagsabwassers verlangt.
bestehende Objekte
Hier wird auf die Abwasserüberlassung verzichtet, wenn
-
in der Kanalnetzplanung ein Anschluss des Grundstücks nicht vorgesehen war,
-
die hydraulische Leistungsfähigkeit des Kanalnetzes bereits ausgereizt oder überschritten ist,
-
in der Vergangenheit aufgrund eines früher hydraulisch überlasteten Kanalnetzes die Übernahme des
Niederschlagswassers abgelehnt wurde und der Eigentümer folglich gezwungen wurde, zu versickern oder
-
der Anschluss einen unverhältnismäßig großen Aufwand darstellen würde, beispielsweise wenn
a) erhebliche Investitionen – z.B. durch Neuverlegung von unterirdischen Abwasserleitungen – erforderlich wären und es sich um eine kleinere Fläche wie bei einer Garage handelt,
b) der Bau einer neuen Abwasserleitung sehr aufwändig wäre, weil beispielsweise Gebäude für den
Anschluss hinterer Dachflächen unterquert werden müssten oder
c) Niederschlagswasser gepumpt werden müsste.
Ansonsten wird auch hier die Überlassung des Niederschlagsabwassers verlangt.
Vorlage Nr.: 119/2012 . Seite 5 / 5
Diese Vorgehensweise hat sich aus Sicht der Verwaltung bewährt. Auch als Folge dieser Vorgehensweise ist die
Abwassergebühr in Pulheim vergleichsweise niedrig. Somit bleibt die Gebührengerechtigkeit gewahrt und es werden
nicht diejenigen, die ihr Niederschlagswasser nicht versickern können, übermäßig belastet.
Bei einer möglichen Änderung der Vorgehensweise und einer weniger restriktiven Ermessensausübung müsste mit
erheblichen Auswirkungen auf die Niederschlagswassergebühr gerechnet werden. Während die variablen Kosten nur
einen geringen Anteil an der Gebühr ausmachen und die hohen Fixkosten der Abwasseranlage sich – wenn überhaupt –
nur mittel- bis langfristig beeinflussen lassen, würde sich eine weniger restriktive Ermessensausübung unmittelbar bei
dem Kostenträger – also den angeschlossenen Quadratmetern – auswirken. Die Niederschlagswassergebühren für die
weiterhin notwendigerweise angeschlossenen Eigentümer/innen würden als Folge stärker steigen, als wenn alle bisherigen Nutzer angeschlossen bleiben müssen.
Wenn beispielsweise 10% der Flächen vom Kanal abgekoppelt würden, könnte der Stromverbrauch aufgrund der
geringeren Pump- und Klärleistungen–allenfalls um 5% – gesenkt werden. Der Anteil der variablen Kosten für
Stromentgelte würde folglich von 4,7% der Gesamtkosten im Jahr 2011 um etwa 0,24 Prozentpunkte auf einen Anteil
von 4,46% der Gesamtkosten fallen. Andere Auswirkungen auf die variablen Kosten sind nicht erkennbar. Dieser Kostenreduzierung stünde eine Reduzierung des Kostenträgers um 10% gegenüber. Dies hätte folgende Auswirkung auf die
Gebühr:
Kostenreduzierung 0,24% von 100
=
verbleibende Kosten von 99,76%
Quadratmeterreduzierung 10% von 100
=
verbleibender Kostenträger von 90%
Gebühr neu: 99,76 / 90
=
1,108
Gebührensteigerung um 10,8%.
Bei der hydraulischen Kanalnetzplanung können Abkopplungen vom Kanal nur berücksichtigt werden, wenn diese verbindlich und dauerhaft sind. Folglich könnte der Umfang der Investitionen zur hydraulischen Sanierung nicht reduziert
werden, wenn es eine freie Wahlmöglichkeit gibt.
Aber selbst bei der theoretischen Annahme, dass fast alle geplanten hydraulischen Sanierungsmaßnahmen entbehrlich
würden, wären die Auswirkungen auf die Gebühr immer noch geringer als die der Flächenreduzierung. So führt vereinfacht betrachtet selbst eine Investition in Höhe von 10.000.000 Euro bei einer Abschreibungszeit von fünfzig Jahren nur
zu einer vergleichsweise geringen jährlichen Belastung des Gebührenhaushalts in Höhe von 200.000 Euro, so dass die
Gebühr bei Gesamtkosten in der Niederschlagsgebührenkalkulation von 5.000.000 Euro selbst bei dieser rein fiktiven
Betrachtung nur um 4% – also deutlich weniger als bei der Abkopplungsvariante – steigen würden.
Tatsächlich wirkt sich die Belastung der Investitionen zur hydraulischen Sanierung des Kanalnetzes auf die Gebühr
erheblich geringer aus als in dieser fiktiven Darstellung. Zum einen werden durch hydraulische Sanierungsmaßnahmen
Kanäle erneuert, so dass baulich bedingte Sanierungen oder Erneuerungen erheblich verschoben werden können. Zum
anderen blieb bei der Betrachtung unberücksichtigt, dass selbstverständlich die Investitionen zeitlich gestaffelt werden.
Der im Antrag als Beispiel aufgeführte Umbau des Beckens in Sinnersdorf muss im Übrigen bereits aus rein ökologischen Gründen erfolgen. Aufgrund der verschärften Umweltanforderungen verlangte die zuständige Wasserbehörde die
Ergänzung des vorhandenen Rückhaltebeckens durch eine Regenklärung, so dass die Maßnahme im Wesentlichen
selbst bei Annahme großflächiger Abkopplungen notwendig bliebe. Im Rahmen des erforderlichen Umbaus wird die
hydraulische Situation lediglich als Nebenprodukt verbessert. Rein hydraulisch bedingt sind allenfalls 10% der Kosten.