Daten
Kommune
Pulheim
Größe
171 kB
Datum
11.09.2012
Erstellt
03.09.12, 19:16
Aktualisiert
03.09.12, 19:16
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Auszug aus
Denkschrift 2012
zur Haushalts- und Wirtschaftsführung
des Landes Baden-Württemberg
Beitrag Nr. 12
Wirtschaftlichkeit von ÖPP-Projekten im
kommunalen Förderbereich
RECHNUNGSHOF
Rechnungshof Baden-Württemberg
Denkschrift 2012, Beitrag Nr. 12
Landtagsdrucksache 15/1912
Einzelplan 04: Ministerium für Kultus,
Jugend und Sport
Wirtschaftlichkeit von ÖPP-Projekten im
kommunalen Bereich (Kapitel 0402 und 0460)
Entgegen dem Beschluss der Landesregierung wurde eine Zuwendung
auch für ein unwirtschaftliches ÖPP-Projekt gewährt. Das Land muss
auf geeignete Weise sicherstellen, dass nur wirtschaftliche ÖPPProjekte gefördert werden.
1
Ausgangslage
Die Landesregierung beschloss 2005, Zuwendungen auch für kommunale
Projekte Öffentlich-Privater-Partnerschaft (ÖPP) zu gewähren. Voraussetzung sollte aber sein, „dass im Einzelfall die Wirtschaftlichkeit im Vergleich
zur Eigenrealisierung nachgewiesen wird“. Die Regierungspräsidien bewilligten bislang für sechs kommunale ÖPP-Projekte Zuwendungen von insgesamt 15,1 Mio. Euro.
Der Rechnungshof untersuchte exemplarisch zwei geförderte Projekte mit
Zuwendungen von 7,6 Mio. Euro.
2
2.1
Prüfungsergebnisse
Fördervorgaben
Zuwendungen des Landes für ÖPP-Projekte dürfen nur gewährt werden,
wenn die Wirtschaftlichkeit solcher Projekte nachgewiesen ist und die zuständige Kommunalaufsichtsbehörde die ÖPP-Projekte genehmigte.
Die Bewilligungsstellen bei den Regierungspräsidien prüfen die vorgelegten
Wirtschaftlichkeitsnachweise nicht. Sie unterstellen, dies sei Aufgabe der
Kommunalaufsicht.
Die Kommunalaufsicht beurteilt die ÖPP-Projekte im Wesentlichen jedoch
unter dem Gesichtspunkt einer geordneten Haushaltswirtschaft. Sie geht
davon aus, dass eine auf das Gesamtengagement bezogene Risikobeurteilung vorrangig Aufgabe der Kommune im Rahmen ihrer kommunalen
Selbstverwaltung sei.
113
2.2
Gewerbliche Schule Pforzheim
Die Stadt Pforzheim entschied auf der Grundlage des abschließenden Wirtschaftlichkeitsnachweises einer Projektsteuerungsgesellschaft, den Schulneubau als ÖPP-Projekt umzusetzen. Der Wirtschaftlichkeitsnachweis enthielt folgende Informationen zum Barwert.
Konventionelle Beschaffungsvariante
91.826.067 Euro
ÖPP-Variante
80.017.930 Euro
Effizienzrendite zugunsten der ÖPP-Variante
2.2.1
12,86 Prozent
Abschließender Wirtschaftlichkeitsnachweis
Nach dem abschließenden Wirtschaftlichkeitsnachweis betrugen die Gesamtinvestitionsausgaben für Planung, Bauerrichtung, Finanzierung und
Betrieb der konventionellen Beschaffungsform 170,8 Mio. Euro bei einer
Laufzeit von 31 Jahren und 4 Monaten. Der Kalkulationszinssatz wurde mit
4 Prozent angenommen.
2.2.1.1
Nicht ausgewiesene Risikokosten
In der Wirtschaftlichkeitsberechnung sind Risikokosten von 15,9 Mio. Euro
zulasten der konventionellen Beschaffungsvariante eingerechnet. In der
Darstellung des Gesamtergebnisses der Berechnung sind diese jedoch nicht
gesondert ausgewiesen.
Die Wirtschaftlichkeitsberechnung weist einen Barwert bei der konventionellen Beschaffungsvariante von 91,8 Mio. Euro und bei der ÖPP-Variante von
80,0 Mio. Euro aus. Die ÖPP-Variante ist um 11,8 Mio. Euro wirtschaftlicher
als die konventionelle Beschaffungsvariante. Die berechnete Effizienzrendite
beträgt 12,9 Prozent. Ohne die kalkulatorischen Risikoanteile von
15,9 Mio. Euro läge die Effizienzrendite im Barwert bei 3,8 Prozent und somit 9,1 Prozent unter der prognostizierten.
2.2.1.2
Überhöhte Planungs- und Baukosten
Der Generalplaner ermittelte für den Neubau Gesamtbaukosten von
49,9 Mio. Euro. Demgegenüber errechnen sich Gesamtbaukosten auf der
Basis der Planungs- und Kostendaten der Bauverwaltungen (PLAKODA)
von 42,8 Mio. Euro und auf der Basis der Richtlinien für die Baukostenplanung (RBK) von 44,5 Mio. Euro.
Die vom Generalplaner ermittelten Gesamtbaukosten für die Wirtschaftlichkeitsberechnung sind an den Werten nach PLAKODA bzw. nach RBK gemessen, um 14,3 Prozent bzw. um 10,9 Prozent überhöht festgesetzt.
Wesentlicher Grund dafür ist, dass der Generalplaner die Baunebenkosten
im Vergleich zu PLAKODA, RBK und am Markt üblichen Baunebenkosten
um nahezu das Doppelte überhöht ansetzte.
114
2.2.1.3
Hohe Betriebskosten und Nutzungsentgelte
Die monatlichen Nutzungsentgelte der ÖPP-Variante liegen mit anfänglich
56.000 Euro bzw. 13 Prozent erheblich unter denen der konventionellen
Beschaffungsvariante. Auch bei den laufenden Kosten des Gebäudebetriebs
wurden der konventionellen Beschaffungsvariante kalkulatorische Risikokosten in erheblicher Höhe zugerechnet.
2.2.1.4
Unberücksichtigte Transaktionskosten
Die Transaktionskosten (Kosten für die ÖPP-Wirtschaftlichkeitsprognose
sowie rechtliche Beratung) von 281.000 Euro blieben in der Wirtschaftlichkeitsberechnung zulasten der ÖPP-Variante fälschlicherweise unberücksichtigt. Das Gleiche gilt für die Personalkosten der Kommune für das Projektcontrolling bei einer Umsetzung des Neubaus als ÖPP-Modell.
2.2.2
Vergleichsberechnung
Der Rechnungshof berechnete auf der Grundlage seiner Untersuchungsergebnisse die Kosten der Realisierung des Neubaus der Gewerblichen
Schule Pforzheim für die konventionelle Variante und die ÖPP-Variante und
stellte die Ergebnisse gegenüber.
Der ÖPP-Variante wurden die Daten und Parameter des ÖPP-Angebots
zugrunde gelegt, erhöht um die Transaktionskosten und die Kosten für das
Projektcontrolling.
Das Ergebnis der Vergleichsberechnung ist in Tabelle 1 dargestellt.
Tabelle 1: Vergleichsberechnung
Konventionelle
Beschaffungsvariante
ÖPP-Variante
Differenz
Werte
Absolut
in Euro
Zeitwert
1
Zeitwert
ohne Risikokosten
Barwert
2
Barwert
ohne Risikokosten
1
2
Relativ
in Prozent
Absolut
in Euro
Relativ
in Prozent
Absolut
in Euro
Relativ
in Prozent
147.459.521
100
151.107.338
102,5
3.647.817
2,5
133.798.971
100
151.107.338
112,9
17.308.367
12,9
77.396.706
100
78.731.679
101,7
1.334.973
1,7
70.116.938
100
78.731.679
112,3
8.614.741
12,3
Zeitwerte geben an, welche Zahlungen über die Gesamtlaufzeit zu leisten sind.
Barwerte sind der Maßstab für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit; sie ergeben sich durch
die Diskontierung der jährlichen Zahlungsströme auf den Entscheidungszeitpunkt.
115
Betrachtung Zeitwert
Die konventionelle Beschaffungsvariante ist um 3,6 Mio. Euro günstiger als
die ÖPP-Variante. Ohne die Risikoanteile von 13,7 Mio. Euro wäre rechnerisch sogar eine Einsparung von 17,3 Mio. Euro möglich gewesen.
Betrachtung Barwert
Die konventionelle Beschaffungsvariante ist um 1,3 Mio. Euro wirtschaftlicher als die ÖPP-Variante. Die berechnete Effizienzrendite beträgt
1,7 Prozent. Ohne die Risikoanteile liegt der Wirtschaftlichkeitsvorteil der
konventionellen Beschaffungsvariante bei 8,6 Mio. Euro. Dies entspricht
einer Effizienzrendite von 12,3 Prozent.
2.3
Multifunktionshalle Ludwigsburg
Die Stadt Ludwigsburg ließ den Wirtschaftlichkeitsnachweis durch eine
Unternehmensberatung erstellen.
2.3.1
Konventionelle Beschaffungsvariante
Die ermittelten Kosten für die konventionelle Beschaffungsvariante waren
grundsätzlich plausibel.
2.3.2
ÖPP-Angebot
Die Stadt vereinbarte bei der ÖPP-Variante, von den Gesamtinvestitionsausgaben für die Multifunktionshalle von 24,5 Mio. Euro an den Investor nur
17,85 Mio. Euro zu refinanzieren. Davon sollten 9,52 Mio. Euro nach Baufortschritt und 8,33 Mio. Euro des Werklohns über 20 Jahre zu 4,6 Prozent
gestundet werden.
Von den 24,5 Mio. Euro Gesamtinvestitionsausgaben für die Multifunktionshalle waren nach Abzug des Finanzierungsanteils der Stadt somit
6,7 Mio. Euro vom Investor in eigener Verantwortung vorzufinanzieren.
Neben dem Investitionsanteil verpflichtete sich die Stadt zur Zahlung eines
wertgesicherten Betriebskostenzuschusses von 357.000 Euro je Jahr.
2.3.3
Vergleichsberechnung Rechnungshof
Der Rechnungshof berechnete auf der Grundlage seiner Untersuchungsergebnisse die Kosten der Realisierung des Neubaus der Multifunktionshalle
für die konventionelle Variante und die ÖPP-Variante und stellte die Ergebnisse gegenüber.
Der ÖPP-Variante wurden die Daten und Parameter des ÖPP-Angebots
zugrunde gelegt.
Das Ergebnis der Vergleichsberechnung ist in Tabelle 2 dargestellt.
116
Tabelle 2: Vergleichsberechnung
Konventionelle
Beschaffungsvariante
ÖPP-Variante
Differenz
Werte
Absolut
in Euro
Zeitwert
1
Zeitwert
ohne Risikokosten
Barwert
2
Barwert
ohne Risikokosten
1
2
Relativ
in Prozent
Absolut
in Euro
Relativ
in Prozent
Absolut
in Euro
Relativ
in Prozent
44.846.031
100
36.910.018
82,3
-7.936.013
-17,7
41.528.590
100
36.767.804
88,5
-4.760.786
-11,5
29.095.781
100
23.051.965
79,2
-6.043.816
-20,8
26.674.697
100
22.909.751
85,9
-3.764.947
-14,1
Zeitwerte geben an, welche Zahlungen über die Gesamtlaufzeit zu leisten sind.
Barwerte sind der Maßstab für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit; sie ergeben sich durch
die Diskontierung der jährlichen Zahlungsströme auf den Entscheidungszeitpunkt.
Betrachtung Zeitwert
Die ÖPP-Variante ist um 7,9 Mio. Euro günstiger als die konventionelle Beschaffungsvariante. Die Einsparung entspricht 17,7 Prozent. Ohne die kalkulatorischen Risikoanteile von 3,3 Mio. Euro wäre die Einsparung mit
4,8 Mio. Euro rechnerisch etwas geringer ausgefallen.
Betrachtung Barwert
Die ÖPP-Variante ist um 6,0 Mio. Euro wirtschaftlicher als die konventionelle
Beschaffungsvariante. Die berechnete Effizienzrendite beträgt 20,8 Prozent.
Ohne die kalkulatorischen Risikoanteile von 3,3 Mio. Euro liegt die Effizienzrendite im Barwert bei 14,1 Prozent.
Der hohe Wirtschaftlichkeitsvorteil der ÖPP-Variante basiert im Wesentlichen darauf, dass die Stadt von den Investitionsausgaben für den Neubau
der Multifunktionshalle von 24,5 Mio. Euro lediglich 17,85 Mio. Euro refinanziert und die verbleibenden Kosten vom Investor getragen werden. Möglich
war dies, da der Investor auf dem angrenzenden eigenen Grundstück und
auf eigene Rechnung ein Hotel sowie ein weiteres Nebengebäude errichten
konnte und sich dadurch Synergieeffekte ergeben sollten.
3
Bewertung
Entgegen dem Beschluss der Landesregierung wurde auch ein unwirtschaftliches ÖPP-Projekt gefördert. Die Kommunalaufsicht prüft bei ÖPPProjekten nur einzelne Aspekte, wie beispielsweise die damit verbundenen
kreditähnlichen Rechtsgeschäfte. Aufgrund des kommunalen Selbstverwaltungsrechts ist die Kommune vorrangig für ihr eigenes wirtschaftliches Verhalten verantwortlich. Die Wirtschaftlichkeit der jeweiligen Projekte wird deshalb von der Kommunalaufsicht nicht umfassend geprüft. Die Bewilligungsstellen sind nach der Richtlinie zur Prüfung der Wirtschaftlichkeitsnachweise
117
nicht verpflichtet. Letztlich prüft die Kommune selbst die Wirtschaftlichkeit als
Voraussetzung der Förderfähigkeit der Maßnahme.
Mit Mängeln behaftete Wirtschaftlichkeitsberechnungen können die ÖPPVariante im Vergleich zur konventionellen Beschaffungsvariante wirtschaftlicher erscheinen lassen. Wirtschaftlichkeitsnachweise sind jedoch für sachgerechte Entscheidungen ungeeignet, wenn
• die Kosten für die konventionelle Beschaffungsvariante überhöht angesetzt,
• die kalkulierten Risikoanteile in der Darstellung des Gesamtergebnisses
nicht ausgewiesen,
• die kalkulierten Risikoanteile in voller Höhe während der gesamten Projektlaufzeit der konventionellen Beschaffung zugerechnet,
• die Risikokosten und ihre angenommene Eintrittswahrscheinlichkeit den
Entscheidungsträgern nicht offen gelegt,
• die Transaktionskosten sowie die Projektcontrollingkosten der Kommune
zulasten der ÖPP-Variante nicht berücksichtigt und
• die Kosten für unüberschaubare Zeiträume kalkuliert werden.
Der Neubau der Gewerblichen Schule in Pforzheim wäre bei der konventionellen Beschaffungsvariante wirtschaftlicher gewesen. Die Fördervoraussetzung war nicht erfüllt.
Der Neubau der Multifunktionshalle in Ludwigsburg als ÖPP-Projekt war im
Vergleich zur herkömmlichen Beschaffung wirtschaftlicher. Die Fördervoraussetzung war erfüllt.
4
Empfehlungen
Der Rechnungshof empfiehlt sicherzustellen, dass
• unwirtschaftliche ÖPP-Projekte nicht mehr gefördert und
• Mindestanforderungen an Wirtschaftlichkeitsnachweise und Bewertungsmaßstäbe für deren inhaltliche Prüfung festgelegt werden.
Eine entsprechende Regelung sollte für alle vom Land geförderten ÖPPProjekte gelten.
118
5
Stellungnahmen der Ministerien
Das Innenministerium verweist zu den kommunalaufsichtsrechtlichen Aspekten auf die Kabinettsvorlage des Staatsministeriums vom 12.09.2005 und
den Ministerratsbeschluss vom 20.09.2005. Danach müsse u. a. die Wirtschaftlichkeit des ÖPP-Vorhabens im Vergleich zur konventionellen Lösung
nachgewiesen werden. Ein solcher Wirtschaftlichkeitsvergleich sei bei Bedarf im Auftrag der Kommune von externen Beratungsunternehmen durchzuführen. Davon ausgehend sei nicht zu beanstanden, wenn die Rechtsaufsichtsbehörde sich für die Wirtschaftlichkeitsprüfung auf die von den Kommunen vorgelegten externen Gutachten stütze.
Das Kultusministerium vertritt die Auffassung, die Fördervoraussetzungen
nach den Schulbauförderungsrichtlinien hätten für die Gewerbliche Schule in
Pforzheim vorgelegen, der Landeszuschuss sei zu Recht bewilligt worden.
Im Blick auf die in den Schulbauförderungsrichtlinien getroffene Formulierung sei der Wirtschaftlichkeitsnachweis nicht durch die Bewilligungsstelle
für den Schulbauzuschuss (erneut) zu prüfen.
Die Ministerien verweisen auf den Ministerratsbeschluss vom 20.09.2005,
der nach wie vor gelte. Allerdings sollen jetzt nach der Koalitionsvereinbarung ÖPP-Projekte deutlich zurückgenommen werden. Die bisherige Beschlusslage müsse daher zunächst mit den Aussagen in der Koalitionsvereinbarung und den Empfehlungen in Übereinstimmung gebracht werden.
Anschließend sei vom jeweiligen Fachressort zu entscheiden, ob die Förderrichtlinien anzupassen seien.
6
Schlussbemerkung
Der Rechnungshof bleibt bei seiner Auffassung, dass der Neubau der Gewerblichen Schule in Pforzheim bei der konventionellen Beschaffungsvariante wirtschaftlicher gewesen wäre und die Fördervoraussetzung nicht erfüllt
war.
Das Land sollte an seinem Grundsatz festhalten, nur wirtschaftliche ÖPPProjekte zu fördern.
119