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Beschlussvorlage (Anlage zur Beschlussvorlage 45/2012)

Daten

Kommune
Pulheim
Größe
2,0 MB
Datum
27.03.2012
Erstellt
01.03.12, 16:36
Aktualisiert
04.05.12, 19:24

Inhalt der Datei

Düsseldorf, Dezember 2011 Sonderausgabe zum Schulkonsens und zur Sekundarschule Spiegel der Wirklichkeit: Der Schulkonsens Statements zum Schulkonsens Schulträger – Beispiele innovativer Ansätze Mehr Zeit zum Lernen – Ganztag in der Sekundarschule Zukunft der Gemeinschafts- und Verbundschulen www.schulministerium.nrw.de Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen D I E M I N I ST E R I N Der schulpolitische Konsens in Nordrhein-Westfalen Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, hätte mir jemand vor einem Jahr gesagt, dass wir es schaffen, uns in einem breiten gesellschaftlichen Bündnis auf eine Veränderung der Schulstruktur zu einigen, hätte ich das kaum für möglich gehalten. Als es uns aber in der Bildungskonferenz gelang, mit allen am Schulleben beteiligten Akteuren und den für die Bildungspolitik in Nordrhein-Westfalen politisch Verantwortlichen gemeinsame Empfehlungen für die Weiterentwicklung unseres Schulsystems zu erarbeiten und mit einem hohen Maß an Konsens die Reformziele zu identifizieren, war ich sicher, dass es gelingen würde. Wer an die 40 langen Jahre der teilweise stark ideologisch geprägten Auseinandersetzungen zwischen den Parteien zurückdenkt, erkennt: Der Schulkonsens ist großartig für alle am Schulleben Beteiligten in Nordrhein-Westfalen! Aber diese Verständigung ist weit mehr als das Auflösen des Streits um die Schulstruktur. Das besondere an dem Konsens: Alle Beteiligten haben gewonnen, finden sich wieder, und niemand ist beschädigt. Es gibt keine Verlierer, sondern nur Gewinner. Das gilt nicht nur für die Parteien und Verbände, das gilt auch für die anderen Schulformen – insbesondere aber für die Kinder und Jugendlichen in Nordrhein-Westfalen. Deren Eltern wissen längst, was sie möchten: Ein wohnortnahes und umfassendes Schulangebot. Eine Schule, die alle Kinder willkommen heißt und allen Talenten entspricht. Vielfältig, leistungsstark, gerecht. Eine Schule, die konsequent und mit individueller Förderung die Kinder in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellt. Mit dem 6. Schulrechtsänderungsgesetz, das im Oktober im Landtag verabschiedet wurde und am 22. November in Kraft getreten ist, haben wir nun endlich den Rahmen dafür geschaffen. Jetzt gilt es, die daraus folgenden Gesetze und Verordnungen mit Leben zu füllen. Dies wird nur gelingen, wenn wir die Schulen und Kommunen mitnehmen. Denn es sind die Städte und Gemeinden, die in kommunaler Selbstverwaltung entscheiden, wie sie den durch das Land geschaffenen Rahmen ausfüllen. Neben den Kommunen sind natürlich die Schulleitungen und Kollegien die Hauptakteure, die diese Vorgaben einem Realitätstest unterziehen werden. Die Landesregierung wird alles daran setzen, den bevorstehenden Veränderungen zum Erfolg zu verhelfen. In den nächsten Monaten werden wir die weiteren Bestandteile des Konsenses für Nordrhein-Westfalen umsetzen. Dazu gehört auch, dass in absehbarer Zeit Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter meines Hauses und der Bezirksregierungen mit interessierten Schulträgern Ministerin Sylvia Löhrmann über den Schulversuch zum Zusammenschluss von Grundschulen und Schulen der Sekundarstufe sprechen. Im Frühjahr 2012 erfolgt dann die Ausschreibung für die Teilnahme an diesem Schulversuch. In der vorliegenden Sonderausgabe von Schule NRW nehmen Vertreterinnen und Vertreter der politischen Parteien sowie der Lehrer- und Elternverbände, die an der Bildungskonferenz beteiligt waren, zum schulpolitischen Konsens und zur Sekundarschule Stellung. Dabei wurden bewusst auch kritische Stimmen aufgenommen. Die mit Namen gekennzeichneten Beiträge geben die Meinung der jeweiligen Autoren wieder, die nicht unbedingt mit der Auffassung der Landesregierung identisch ist. In diesem Zusammenhang möchte ich auch darauf hinweisen, dass die Sekundarschule erst als Ergebnis des politischen Entscheidungsprozesses im Anschluss an die Bildungskonferenz beschlossen wurde, und daher in der Bildungskonferenz selbst noch nicht erörtert werden konnte. Mein großer Wunsch ist, dass das konstruktive Arbeitsklima, das die Arbeit in der Bildungskonferenz und den Schulkonsens geprägt hat, zur ziel- und sachorientierten Erledigung der noch bevorstehenden Herausforderungen und Aufgaben erhalten bleibt und dass dieser Prozess der Zusammenarbeit auch weiterhin Strahlkraft haben wird. Der Vertreter des Evangelischen Büros, Dr. Wolfram von Moritz, hat es in der Anhörung im Landtag am 4. Oktober sehr treffend formuliert: „Der Weg, den wir gegangen sind“, so meinte er, sei auch „ein Zugewinn an politischer Kultur, die mich hoffen lässt, dass aus Politikverdrossenheit auch wieder Vertrauen in die Gestaltungskraft der Politik und Lust zum Mitwirken werden kann.“ Ich bin zuversichtlich, dass wir diese Hoffnung erfüllen können. Ihre Sylvia Löhrmann Schule NRW Sonderausgabe Schulkonsens/Sekundarschule – 12/2011 3 I N H A LT Schule NRW Düsseldorf Dezember 2011 Die Ministerin 3 Der schulpolitische Konsens in Nordrhein-Westfalen Wissenschaftliche Einordnung 6 Spiegel der Wirklichkeit: Der Schulkompromiss Dr. Ernst Rösner 16 Landeselternschaft der Realschulen in NRW Vorsitzender Johannes Papst 16 Städtetag NRW Vorsitzender Oberbürgermeister Peter Jung 17 Städte- und Gemeindebund NRW Hauptgeschäftsführer Dr. Bernd Jürgen Schneider 17 Landkreistag NRW Hauptgeschäftsführer Dr. Martin Klein 18 Evangelische Landeskirchen NRW Oberkirchenrat Klaus Eberl, Landeskirchenrat Dr. Wolfram von Moritz 18 Katholisches Büro NRW Prälat Martin Hülskamp 19 Landesvereinigung der Unternehmerverbände NRW Präsident Horst-Werner Maier-Hunke Statements zum Schulkonsens 4 10 Landtagsfraktion der SPD, Vorsitzender Norbert Römer Schulfrieden ist gut für Kinder und Kommunen 11 Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen Vorsitzender Reiner Priggen, Ein Akt politischer Vernunft 12 Landtagsfraktion der CDU Vorsitzender Karl-Josef Laumann, Schülerinnen und Schüler zu Gewinnern machen 13 Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) NRW vorsitzende Dorothea Schäfer 13 Verband Bildung und Erziehung Vorsitzender Udo Beckmann 14 Philologen-Verband NW Vorsitzender Peter Silbernagel 14 Gemeinnützige Gesellschaft Gesamtschule (GGG) NRW Vorsitzender Werner Kerski 15 Elternnetzwerk NRW – Integration miteinander Vorsitzender Erol Celik 15 Landeselternschaft der Gymnasien in NRW Vorsitzender Dr. Uwe Maerz Gemeinsame Pressekonferenz zum Schulkonsens in NRW; Foto: www.nrw.de Schule NRW Sonderausgabe Schulkonsens/Sekundarschule – 12/2011 I N H A LT Schulträger – Beispiele innovativer Ansätze 20 Sekundarschule Lohmar – Die Kommune setzt auf Beteiligung Bürgermeister Wolfgang Röger, 1. Beigeordneter Dirk Brügge 24 Gleiches Ziel, neuer Name – Bochum plant zwei Sekundarschulen Oberbürgermeisterin Dr. Ottilie Scholz Ganztag – Mehr Zeit zum Lernen 30 Auswirkungen auf Gemeinschafts- und Verbundschulen 33 Die wichtigsten Neuerungen im Überblick 26 Fragen und Antworten zur neuen Sekundarschule Rainer Michaelis IMPR ESSUM Ganztag in der Sekundarschule Dr. Norbert Reichel Die Zukunft der Gemeinschafts- und Verbundschulen Reinhold Heimer Diese Ausgabe ist über die Internetseite www.schulministerium.nrw.de > Publikationen kostenlos erhältlich. Sie steht dort auch zum Download bereit. Amtsblatt des Ministeriums für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen H ERAUSGEBER Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes NordrheinWestfalen, Völklinger Straße 49, 40221 Düsseldorf Referat 133, Leitung: Gregor Berger, Telefon: 0211 5867-3426 REDAKTION FÜ R DI ESE AUSGABE Chefredakteur Gregor Berger, Telefon: 0211 5867-3426 Nina Braun, Redakteurin Frauke König, Redakteurin E-Mail: schule-nrw@msw.nrw.de Meinungen der Autorinnen und Autoren entsprechen nicht in jedem Fall der Meinung des Herausgebers. Die Redaktion freut sich über jede Einsendung. Sie bittet aber um Verständnis, dass nicht alle Zuschriften beantwortet werden können. VERLAG, VERTRI EB Ritterbach Verlag GmbH, Rudolf-Diesel-Straße 5–7, 50226 Frechen ANZEIGENABWICKLUNG A. V. I. Allgemeine Verlags- und Informationsgesellschaft mbH, Am Ortfelde 100, 30916 Isernhagen, Telefon: 0511 779538-0, Fax: 0511 779538-10 ANZEIGEN PREISLISTE Es gilt der Tarif Nr. 8 vom 1. 1. 2011 ERSCHEINUNGSWEISE monatlich ABON N EMENTBESTELLU NG Das Abonnement besteht aus den Monatsausgaben, der Jahresbeilage „Bereinigte Amtliche Sammlung der Schulvorschriften – BASS“, sonstigen Beilagen und einem kostenlosen Online-Zugang zu Schule NRW sowie zur BASS und kostet 56,00 Euro jährlich. Das Abonnement läuft vom 1. 1. bis zum 31. 12. Es verlängert sich jeweils um ein Kalenderjahr, wenn es nicht bis zum 30. 9. des Vorjahres schriftlich gekündigt wird. Die Abonnementgebühren sind jeweils ein Jahr im Voraus fällig. EI NZELBESTELLU NG Schule NRW: 4,70 Euro pro Ausgabe BASS 2011/2012: 56,00 Euro (Abonnenten erhalten Zusatzexemplare der BASS 2011/2012 zum Vorzugspreis von 48,00 Euro) Einzellieferung erfolgt gegen Rechnung (zzgl. Portokosten). Die Abonnementgebühren und Einzelpreise enthalten 7 % MwSt. Bestellungen und Anfragen nimmt der Ritterbach Verlag GmbH, Rudolf-Diesel-Straße 5–7, 50226 Frechen, Tel: 02234 1866-0, Fax: 02234 1866-90, entgegen. Internet: www.schul-welt.de E-Mail: service@ritterbach.de ISSN 1615-309X · Hergestellt aus chlorfrei gebleichtem Papier Schule NRW Sonderausgabe Schulkonsens/Sekundarschule – 12/2011 5 WISSENSCHAFTLICHE EINORDNUNG Dr. Ernst Rösner, Institut für Schulentwicklungsforschung, Technische Universität Dortmund Spiegel der Wirklichkeit: Der Schulkompromiss Die Parteien reagieren mit dem Schulkompromiss auf eine Schulrealität, die die demografische Entwicklung und der Wille der Eltern geschaffen haben. Zukünftig werden Gymnasien und Schulen des längeren gemeinsamen Lernens bestehen bleiben. Anmerkungen zur Novellierung des nordrheinwestfälischen Schulgesetzes. Die Lektüre alter Plenarprotokolle aus dem nordrheinwestfälischen Landtag ist meistens ermüdend, manchmal aber auch unterhaltsam, vor allem wenn diese die zahllosen Scharmützel zur Bildungspolitik dokumentieren. So wie am 13. November 1985. Da fing der bedächtige Abgeordnete Frey (SPD) gerade an zu sprechen: „Ja, meine Damen und Herren, wir haben ungefähr 60 Gesamtschulen…“, da fuhr ihm schon der CDU-Abgeordnete Nagel dazwischen: „Weg mit den Dingern!“ Die „Dinger“ sind immer noch da, im Schuljahr 2010/2011 waren es sogar 225, und wie es aussieht, kommen weitere hinzu. Daneben zeichnet sich ein Gründungsboom von Sekundarschulen ab, die gewissermaßen die kleine Schwester der Gesamtschule sind. Den Weg dazu hat ein Kompromiss zwischen der rotgrünen Landesregierung und der oppositionellen CDU freigemacht, dem nach Bekanntwerden am 19. Juli 2011 sofort das Attribut „historisch“ zugeordnet wurde. 6 Historisch war diese Übereinkunft insofern, als nach vier Jahrzehnten heftigster Auseinandersetzungen auf allen Ebenen der bildungspolitischen Akteure nunmehr ein Schlussstrich unter diesen bisweilen unwürdigen Streit um Grundüberzeugungen gezogen wurde. Doch jenseits aller Freudenbekundungen über den neuen Schulfrieden – der, wie Ministerpräsidentin Kraft es formulierte, beiden Verhandlungsseiten auch das Schlucken von Kröten abnötigte – bleibt die nüchterne Feststellung, dass der Kompromiss eine Kapitulationserklärung der Schulpolitik vor der Macht der Fakten war, letztlich eine Verbeugung vor den Eltern als den wahren Gestaltern des Schulwesens. Ja, die Eltern: Zuerst hatten sie für einen Geburtenrückgang gesorgt, dessen Dimensionen ebenfalls als historisch bezeichnet werden können. Das belegen wenige Eckdaten: 1964 zählte das Land noch 300.000 Geburten, bis 1978 verringerte sich die Zahl auf 158.000 Der erwartbare Wiederanstieg der Geburtenzahlen („Echoeffekt“) blieb allerdings mit 199.000 im Jahr 1990 Schule NRW Sonderausgabe Schulkonsens/Sekundarschule – 12/2011 WISSENSCHAFTLICHE EINORDNUNG weit unter dem Spitzenwert aus den sechziger Jahren. Seither geht es bergab. In den letzten beiden Kalenderjahren wurden nicht einmal 150.000 Geburten gezählt. Längerfristige Prognosen des Landes gehen davon aus, dass in den nächsten zwanzig Jahren kein Aufwärtstrend mehr zu erwarten ist. Weniger Geburten haben Folgen für Grundschulen Gewiss, die Verluste streuen nicht unbeträchtlich nach Verwaltungsbezirken. In einigen Städten halten sie sich in überschaubaren Grenzen, vereinzelt werden sogar Geburtenanstiege prognostiziert. Aber in den weit überwiegenden Teilen des Landes halten die Verluste an. In Nordrhein-Westfalen sanken die Geburtenzahlen von 2000 bis 2010 um 16 Prozent, doch die heute schon dünnbesiedelten Regionen trifft es noch viel härter. So sank im Kreis Höxter die Geburtenzahl im selben Zeitraum um 31 Prozent. Nicht viel besser erging es dem Hochsauerlandkreis. Die ausgebliebenen Kinder wirken sich zunächst im Primarbereich aus. Grundschulschließungen und Schulverbünde sind die Folgen. Die Problematik der Standortgefährdungen von Grundschulen ist lange bekannt, doch im Streit über den Aufbau des weiterführenden Schulwesens in Nordrhein-Westfalen stand diese bildungspolitische Herausforderung häufig im Schatten der Sekundarstufe. Immerhin fanden die Verhandlungspartner des Kompromisses vom 19. Juli 2011 unter Punkt 8 einige beruhigende Worte für die Grundschulen: „Um dem Prinzip ‚Kurze Beine – Kurze Wege‘ Rechnung zu tragen, wollen wir kleine wohnortnahe Grundschulstandorte möglichst erhalten, auch durch die Intensivierung von Teilstandorten. Dies erfordert pädagogisch-innovative Konzepte wie z.B. jahrgangsübergreifendes Lernen, damit die Fachlichkeit und der effektive Mitteleinsatz gewahrt bleiben.“ Konkret wurde darüber hinaus eine schrittweise Absenkung des Klassenfrequenzrichtwertes von 24 auf 22,5 vereinbart. Schule NRW Sonderausgabe Schulkonsens/Sekundarschule – 12/2011 7 WISSENSCHAFTLICHE EINORDNUNG Damit erspart das Land den Schulträgern nicht die Schließung weiterer Grundschulen, aber deren Zahl könnte nun geringer ausfallen. Es ist allerdings ein offenes Geheimnis, dass diese Perspektive bei Schulträgern keine ungeteilte Freude auslöst – zumal dann nicht, wenn sie als finanzschwache Kommunen und unter dem Druck der Gemeindeprüfungsämter zwischen Haushaltskonsolidierung und populärer Erhaltung räumlich überdimensionierter, aber wohnungsnaher Grundschulen abwiegen müssen. Keine leichte Aufgabe. Breiten Raum nimmt im Kompromiss die künftige Gestalt des weiterführenden Schulwesens ein. Auch hier sind die Vereinbarungen letztlich eine Referenz an die Eltern. Diese haben die Bildungsgänge der Sekundarstufe I in schweres Fahrwasser gebracht, denn beim Übergang am Ende der Grundschulzeit entscheiden sie sich immer häufiger für anspruchsvollere Bildungsgänge mit ihren besseren Abschluss-Optionen. Dieser Wandel ist keineswegs neu, und er betrifft auch nicht nur das Land Nordrhein-Westfalen, sondern ist ein bundesweit universales Phänomen. Kein Bundesland hat diesen Trend politisch beeinflussen können, nicht einmal Bayern mit seinen überaus restriktiven Zugangsbeschränkungen für Gymnasien und Realschulen. „Der Schülerrückgang und das veränderte Elternwahlverhalten zwingen zu Veränderungen der Schulstruktur“, räumen folgerichtig die Verhandlungspartner des Kompromisses ein. Verfassungsrang der Hauptschule ist anachronistisch Es ist ein naheliegendes Eingeständnis, denn die kumulierte Wirkung von Demografie und Schulwahlverhalten ist nicht mehr nur aus Prognosen abzuleiten, sondern bereits in der Realität erfahrbar. Mit einer Übergangsquote von zuletzt 12,3 Prozent (Schuljahr 2010/2011) geht die Hauptschule den Weg eines aussterbenden Bildungsgangs. Seit 2001 hat sich die Zahl der Übergänger aus Grundschulen in Hauptschulen fast halbiert. Diesen Prozess können auch exzellente pädagogische Arbeit und engagierte Kollegien nicht aufhalten. „Trotz guter Arbeit wird die Hauptschule vielfach nicht mehr angenommen“, bedauern die Beteiligten des Schulkompromisses und kommen zu einen längst überfälligen Eingeständnis: „Sie spiegelt daher den Verfassungsanspruch nicht mehr wider.“ Der Verfassungsrang der Hauptschule (eigentlich handelt es sich ja immer noch um den der alten Volksschule, die es seit 1968 nicht mehr gibt) war am Ende ein unfassbarer Anachronismus. Während die Verpflichtung der Schulträger, ein Basisbildungsangebot vorhalten zu müssen, bei der Verabschiedung der Landesverfassung am 18. Juni 1950 durch Volksentscheid noch eine gewisse Berechtigung für sich in Anspruch genommen haben mag, drifteten Verfassungsnorm und Verfassungswirklichkeit seit der Welle der ersten Hauptschulschließungen – in der Folge des Pillenknicks der sechziger und siebziger Jahre – auf groteske Weise auseinander. Ob ohne Kompromiss von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU der Verfassungsrang der Hauptschule eine weitere Prüfung vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster überstanden hätte, bleibt nun spekulativ. Ebenfalls spekulativ ist, ob der Verzicht auf die Verankerung der Hauptschule in der Landesverfassung nun zu einem noch schnelleren Niedergang dieses Bildungsgangs führen wird. Mit einigem Recht könnte argumentiert werden, auch der Schutz durch die Verfassung habe den Erosionsprozess nicht aufhalten können: Von den 2010 noch bestehenden 589 Hauptschulen, die noch eine Jahrgangsstufe 5 haben, erreichten nur 142 die Eltern und Kinder entscheiden sich immer häufiger für Bildungsgänge mit besseren Abschlussmöglichkeiten; Foto: Gudrun Petersen 8 Schule NRW Sonderausgabe Schulkonsens/Sekundarschule – 12/2011 WISSENSCHAFTLICHE EINORDNUNG vorgeschriebene Mindestgröße von 48 Schülerinnen und Schülern in den Eingangsklassen. Die ausnahmsweise zulässige Einzügigkeit ist längst zur Regelgröße geworden. Mit dem absehbaren Ende der Hauptschule verändert sich die Perspektive der Realschule. Ohne Hauptschule ist sie kein mittlerer Bildungsgang mehr und ihr kommt die identitätsstiftende Zwischenposition abhanden. Auf der einen Seite sind Realschulen Leidtragende der stetig steigenden Übergangsquoten zum Gymnasium, auf der anderen Seite sind sie hilflos, was die Kompensation dieser Verluste aus dem Potenzial der Hauptschule betrifft. Ein seit Jahrzehnten ablaufender Austauschprozess zwischen den drei traditionellen Bildungsgängen geht zu Ende. Die Realschule wird nolens volens zum neuen Basisbildungsgang. Diese Entwicklung ist in den Realschulen nicht unbemerkt geblieben, und es ist folgerichtig, dass hier immer häufiger in den Sekundarschulen eine bessere Zukunft gesehen wird. Sekundarschulen unterrichten auch nach gymnasialen Standards – das ist der zentrale Unterschied im Angebot der beiden Bildungsgänge, und genau hier dürfte die Grenzlinie zwischen Schulen verlaufen, die sich unter den Marktbedingungen des Schulsystems behaupten können oder eben in Bestandsnot geraten. Sekundarschule führt letztlich zu weniger Schulformen Dass mit dem bildungspolitischen Kompromiss vom Juli 2011 das Angebot weiterführender Schulen um die Sekundarschule erweitert wurde, fand keinen ungeteilten Beifall. Bei sinkenden Schülerzahlen sei es nicht nachvollziehbar, das Angebot an Bildungsgängen zu vergrößern, statt zu reduzieren. Diese Bedenken mögen auf den ersten Blick verständlich sein, bei näherem Hinsehen aber war die Entscheidung wohl richtig. Sekundarschule heißen musste, ist nicht nur ein Schönheitsfehler, sondern auch ein Beitrag zur weiteren Unübersichtlichkeit des weiterführenden Schulwesens. Jetzt haben wir nach Berlin und Sachsen-Anhalt die dritte Bedeutung dieses Schulnamens. Etwas ärgerlicher aber ist, dass die Sekundarschulen keine Oberstufen haben dürfen. Das könnte ihre Attraktivität mindern, und der Verweis auf die nun leichter zu gründenden Gesamtschulen verkennt die vereinzelt noch starke emotionale Besetzung der Schulbezeichnung. Und der Rest? Lediglich Marginalien. Bleibt zum Schluss noch der Blick auf die „Dinger“ des Abgeordneten Nagel, auf die Gesamtschulen. Hier stellt sich allmählich eine rationale Sichtweise ein. Bei Eltern sind sie populär, weil sie die inzwischen mehrheitlich abgelehnte Frühauslese erübrigen und sich – spätestens nach der Einführung der verkürzten Gymnasialschulzeit – zu einer ernsthaften Alternative zum Gymnasium entwickelt haben. Das Abitur als Ziel steht für die Hälfte aller Eltern nicht zur Diskussion, über den Weg dorthin kann man sprechen. Ein Blick in die Zukunft? Das neue nordrhein-westfälische Schulsystem wird den Prozess der Entstehung eines zweigliedrigen Schulsystems beschleunigen, wie es sich in den meisten Bundesländern abzeichnet: Mal mit klaren gesetzlichen Regelungen wie das Saarland, mal in Angebotsform wie in Schleswig-Holstein, mal als Ergebnis einer Abstimmung mit den Füßen. Den Rest erledigt die Demografie quasi von selbst. Am Ende bleibt die Wahl zwischen Gymnasien und Schulen des gemeinsamen Lernens. Mehr geht wohl nicht. Aber es ist ja auch nicht gerade wenig. Wenn die Zeichen aus allen Regionen Nordrhein-Westfalens nicht täuschen, steht dem Land eine umfassende Neustrukturierung des weiterführenden Schulwesens bevor. (Schleswig-Holstein hat dies bereits vorgemacht.) Als Gemeinschaftsschulen waren die späteren Sekundarschulen schon vor dem schulpolitischen Kompromiss attraktiv; und jetzt, da keine falschverstandene Parteisolidarität den Neugründungen mehr entgegensteht, prüfen zahlreiche Schulträger nüchtern die Vorzüge der Schulen des gemeinsamen Lernens. Solche Schulen aber werden in aller Regel die Hauptund Realschulen ersetzen. Anders gewendet: Nur durch eine attraktive zusätzliche Schule eröffnet sich die Chance, am Ende zu weniger Schulen zu kommen – Dialektik einer Schulreform. Kein Kompromiss ist gänzlich schmerzfrei. Dass die Gemeinschaftsschule Gemeinschaftsschule bleiben konnte, aber Schule NRW Sonderausgabe Schulkonsens/Sekundarschule – 12/2011 9 STAT E M E N T S Z U M S C H U L KO N S E N S FRAKTIONEN Der Schulfrieden ist gut für Kinder und Kommunen Landtagsfraktion der SPD Norbert Römer, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Landtag Nordrhein-Westfalen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU haben einen Kompromiss in der Schulpolitik vereinbart, der zweierlei deutlich macht: Konzept einer vorsorgenden Politik mit einer stärkeren Förderung von Kindern und Jugendlichen vor der Schule, in der Schule und nach der Schule. Erstens, über Parteigrenzen hinweg kann Politik immer dann konstruktive Lösungen finden, wenn die Sache in den Mittelpunkt gestellt wird. Zum nächsten Schuljahr geht die neue Sekundarschule an den Start. Endlich gibt es damit Möglichkeiten für die Kommunen, auf den rasanten Rückgang der Zahl der Schülerinnen und Schüler zu reagieren, und Schulen aus pädagogischen oder organisatorischen Gründen zusammenzulegen. Damit besteht die Möglichkeit, vor Ort ein attraktives, wohnortnahes Angebot zu schaffen, das mit einem längeren gemeinsamen Lernen den Weg zu allen Bildungsgängen offen hält. Gleichzeitig werden mehr Qualität und stärkere individuelle Förderung in unseren Schulen möglich. Auch so können wir die Quote der Schulabbrecher senken. Zweitens, wir modernisieren die Schullandschaft in unserem Land und passen die Verfassung der Schulwirklichkeit an. Das ist nicht nur ein gutes Signal für die Menschen, es ist vor allem ein wichtiger Schritt, damit die Kommunen als Schulträger vor Ort handlungsfähig bleiben. Die Streichung der Hauptschule aus der Verfassung war sehr lange umstritten. Die jetzt gefundene Vereinbarung ermöglicht dort klare Entscheidungen, wo die Hauptschule nicht mehr von den Eltern als Schule für ihre Kinder gewählt wird. Das ist keine Geringschätzung der hervorragenden Arbeit an vielen Hauptschulen, sondern lediglich die Anerkennung der Realität. Das eröffnet neue Chancen für alle Kinder, die Schule mit einem Bildungsabschluss zu verlassen, der in eine Berufsausbildung oder in ein Studium führt. Gleichzeitig ist das Schulgesetz geändert worden, um Schulentwicklungen vor Ort den demografischen Veränderungen und dem veränderten Wahlverhalten der Eltern anpassen zu können. Mit der Einführung der Sekundarschule als Regelschule wird eine jahrzehntelange oft irrationale Auseinandersetzung über die Schulpolitik beendet. Nun bekommt das Konzept des längeren gemeinsamen Lernens und der individuellen Förderung endlich den notwendigen Stellenwert. Wir finden im Schulkompromiss viel von unserer Idee „Beste Bildung für alle“ wieder. Die passt sich ein in unser 10 „Beste Bildung für alle“ – die Schulen in NRW setzen auf Qualität und individuelle Förderung Schule NRW Sonderausgabe Schulkonsens/Sekundarschule – 12/2011 STAT E M E N T S Z U M S C H U L KO N S E N S FRAKTIONEN Ein Akt politischer Vernunft Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Reiner Priggen, Vorsitzender der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Landtag Nordrhein-Westfalen Beim letzten Schulkonsens in NRW 1968 wurde die Volksschule abgeschafft und die Hauptschule als Pflichtschule in der Verfassung verankert. Seither hat sich die Welt und auch die Schule weiterentwickelt. Mit der Gesamtschule wurde eine Schule integrierten Lernens in NRW eingeführt. Scharfe ideologische Grabenkämpfe darum prägten in den letzten 40 Jahren die Schulpolitik. Seit PISA ist klar: Das Schulsystem in Deutschland und damit auch in NRW ist alles andere als Spitze. Bildungserfolg hängt viel zu sehr vom sozialen Status der Eltern ab, Migrantinnen und Migranten haben schlechtere Chancen und die Leistungen der Schülerinnen und Schüler sind teilweise unterdurchschnittlich. NRW braucht ein leistungsfähigeres und gerechteres Schulsystem. Die schwarz-gelbe Landesregierung versuchte, das alte dreigliedrige Schulsystem zu stützen, mit einer Hauptschuloffensive den Abwärtstrend zu stoppen und mit der Verbundschule ein Lösungsmodell für zurückgehende Schülerzahlen anzubieten. Die Ergebnisse waren für die Regierung mehr als enttäuschend: Noch nie war der Ansturm auf die Gesamtschule so groß wie unter Schwarz-Gelb. Der Abwärtstrend der Hauptschule wurde nicht gestoppt – im Gegenteil: Er hat sich beschleunigt. Die Verbundschule überzeugte nicht, denn sie hält an der Trennung von Haupt- und Realschulbildungsgang fest und bietet keine gymnasialen Standards. Eltern wählen zunehmend die Schulen, die ihren Kindern die Bildungslaufbahn möglichst lange offen halten. Längeres gemeinsames Lernen bietet das. Es erfordert aber auch pädagogische Konzepte, die individuelle Förderung beinhalten und sicherstellen, dass kein Kind über- oder unterfordert wird. Zahlreiche Kommunen in NRW hatten Konzepte für solche Schulen entwickelt, wurden aber unter Schwarz-Gelb blockiert. Schulpolitik kann nur erfolgreich sein kann, wenn sie die Menschen mitnimmt. Zentrale Steuerung funktioniert nicht. Das Land sollte einen klaren Rahmen setzen und Dinge, die vor Ort gewollt sind, ermöglichen, wenn Standards gesichert sind. Ganz im Sinne der Ermöglichungsstrategie wurde direkt nach der Wahl der Modellversuch Gemeinschaftsschule gestartet, sodass die Kommunen, die bislang ausgebremst waren, ihre Konzepte umsetzen konnten. Das löste einen Aufbruch aus. Schon bald hatten über 100 Kommunen Interesse angemeldet. Diese Dynamik und der Druck von unten haben offensichtlich auch die CDU zum Umdenken veranlasst. Dazu hatte auch die Bildungskonferenz geraten, in der über 50 Verbände auf Einladung der Ministerpräsidentin und der Schulministerin Empfehlungen für die Schulpolitik erarbeiteten – ganz im Sinne des Mottos „Betroffene zu Beteiligten“ zu machen. Es ist gut, dass sich SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU im Sommer auf gemeinsame Leitlinien einigten. Damit wissen Kommunen, Eltern, Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler, dass die große Linie Bestand haben wird. Und die ist davon geprägt, das Schulsystem zukunftsfest zu machen: Schulträger können auf den demografischen Wandel und das veränderte Elternwahlverhalten flexibel reagieren. Keine Schule und keine Schulform werden von Landesseite abgeschafft, mit der Sekundarschule wird aber eine neue Schulform angeboten, die längeres gemeinsames Lernen umfasst, gymnasiale Standards beinhaltet und auch mit drei, in Ausnahmefällen sogar mit zwei Zügen, funktioniert. Damit kann in vielen Gemeinden ein weiterführendes Schulangebot vor Ort gehalten werden. Dort, wo (ausreichender) Bedarf für eine Schule mit Sekundarstufe II besteht, ist eine Gesamtschule zu gründen. Die Bedingungen dafür wurden erleichtert. Im Konsens wurde außerdem verabredet, kleine Grundschulstandorte besser zu sichern, damit die Schule auch zukünftig im Dorf bleibt. Vor dem Hintergrund, dass wir bis 2020 rund 20 Prozent weniger Kinder in den Schulen haben werden, ist das gemeinsame Schulgesetz und die damit verbundene Verfassungsänderung eine vernünftige Antwort der drei Parteien. Die Arbeit wird nun sein, die vielfältigen Probleme, die sich durch den starken Rückgang der Kinderzahlen ergeben, konkret in den Orten zu lösen. Die Schulverwaltungen bei den Bezirksregierungen stehen vor der großen Herausforderung, flexibel auf die anstehenden Probleme zu reagieren und Lösungen zu ermöglichen. Schule NRW Sonderausgabe Schulkonsens/Sekundarschule – 12/2011 11 STAT E M E N T S Z U M S C H U L KO N S E N S FRAKTIONEN Schülerinnen und Schüler zu Gewinnern machen Landtagsfraktion der CDU Karl-Josef Laumann, Vorsitzender der CDU-Fraktion im Landtag Nordrhein-Westfalen Der Schülerrückgang und das veränderte Elternwahlverhalten zwingen zu einer Veränderung der Schulstruktur. Am deutlichsten sichtbar ist das Problem bei den Hauptschulen. Sie leisten hervorragende Arbeit. Trotz der Riesenanstrengungen des Landes in der vergangenen Wahlperiode haben sie aber in vielen Gemeinden keine sichere Zukunft mehr. Anpassungen der Schulstruktur sind nicht nur in NordrheinWestfalen erforderlich. Auch alle anderen Bundesländer stehen vor dieser Aufgabe. Die CDU stand als Oppositionspartei und Oppositionsfraktion in Nordrhein-Westfalen vor der Frage, ob sie an der notwendigen Fortgestaltung unseres Schulwesens konstruktiv mitarbeiten soll. Nach dem CDU-Landesparteitag in Siegen vom 12. März dieses Jahres haben wir unsere Bereitschaft erklärt, Verantwortung zu übernehmen und die Zukunft unseres Schulwesens aktiv mitzugestalten. Wir haben die Landesregierung und die demokratischen Parteien und Fraktionen mehrfach zu Gesprächen eingeladen. Die Initiative war richtig. Es geht nicht darum, dass eine politische Partei in der Schulpolitik den Sieg davon trägt. Schulpolitik ist gut, wenn sie die Schülerinnen und Schüler zu Gewinnern macht. Bis zum Erreichen des Konsenses hat es zahlreiche Gespräche unter den beteiligten Parteien und Fraktionen gegeben. Sie waren vertrauensvoll und konstruktiv. Im Verlauf der Gespräche konnten viele ideologische Vorurteile über Bord geworfen werden, die in der Vergangenheit die schulpolitische Debatte schwer belastet und blockiert hatten. So ist eine Verständigung auf schulpolitische Eckpunkte gelungen, die wir für richtungsweisend – auch über Nordrhein-Westfalen hinaus – halten. Sie sind nun mit dem Schulrechtsänderungsgesetz umgesetzt worden. Unser Ziel beim Konsens war nicht der kleinste gemeinsame Nenner. Unser Ziel war die größtmögliche Sicherheit für die vernünftige und pragmatische Fortentwicklung unseres bewährten vielfältigen Schulwesens unter den Bedingungen des demografischen Wandels. 12 Wir haben uns auf die gemeinsame Anerkennung und dauerhafte Sicherung eines vielfältigen Schulwesens in Nordrhein-Westfalen verständigt. Dies haben wir nun in der Verfassung festgeschrieben. Als wichtigen Beitrag zur Lösung des demografischen Problems haben wir uns darauf verständigt, mit der Sekundarschule eine neue und zukunftssichere Schulform einzuführen. Sie wird die Aufrechterhaltung ortsnaher Schulangebote erleichtern. Wir haben uns darauf verständigt, dass die Sekundarschule keine Oberstufe hat. Sie wird Schülerinnen und Schüler gleichwertig sowohl auf die berufliche Ausbildung vorbereiten wie auch den Besuch einer Oberstufe durch die vorgeschriebene Kooperation mit der Oberstufe eines Gymnasiums oder eines Berufskollegs ermöglichen. Wir haben uns darauf verständigt, dass die neu zu entwickelnden Lehrpläne für die Sekundarschule sich an den Lehrplänen der Realschule und der Gesamtschule orientieren. Wir haben uns darauf verständigt, dass in den Jahrgangsstufen 5 und 6 der Sekundarschule gemeinschaftlich und differenzierend gelernt wird. Durch Binnendifferenzierung wird gewährleistet, dass keine Schülerin und kein Schüler über- oder unterfordert wird. Eine zweite Fremdsprache in der Jahrgangsstufe 6 wird nicht verpflichtend, sondern als Wahlmöglichkeit angeboten. Wir haben uns darauf verständigt, dass alle Sekundarschulen ausstattungsmäßig gleich behandelt werden, unabhängig davon, ob sie ab Klasse 7 integrativ, teilintegrativ oder kooperativ (mit getrennten Bildungsgängen) arbeiten. Mit der Umsetzung der schulpolitischen Eckpunkte wird die Stellung des Gymnasiums als unentbehrliche Säule unseres Bildungswesens gestärkt. Die Realschulen bekommen eine klare Entwicklungsperspektive, die ihrer hervorragenden Leistung und Bedeutung entspricht: Sie werden selbstständig fortbestehen oder faktisch zum verlässlichen und bewährten Kern der anderen Säule unseres Schulwesens. Alle Schülerinnen und Schüler, die einen Hauptschulabschluss anstreben, haben die Gewähr, dass sie beim Besuch einer Sekundarschule von Beginn an spezifisch gefördert werden. Schule NRW Sonderausgabe Schulkonsens/Sekundarschule – 12/2011 STAT E M E N T S Z U M S C H U L KO N S E N S LEH RERVERBÄN DE Dorothea Schäfer Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) NRW Udo Beckmann Vorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) Sekundarschule – ein Weg zum längeren gemeinsamen Lernen NRW auf dem Weg zu mehr Bildungsgerechtigkeit Für die GEW NRW ist die Sekundarschule die kleine Schwester der Gesamtschule. Daher begrüßen wir, dass mit der Schulgesetzänderung zum einen die Sekundarschulen in der Regel als Ganztagsschulen ermöglicht werden, und zum zweiten die Gründung von Gesamtschulen erleichtert wird. Gesamtschulen sollten überall dort gegründet werden, wo der Bedarf nach einer mindestens vierzügigen Schule mit eigener gymnasialer Oberstufe besteht. Von Anfang an gewährleistet die Sekundarschule gymnasiale Standards, ohne dass Schülerinnen und Schüler – wie an Gymnasien – in der auf fünf Jahre verkürzten Sekundarstufe I lernen müssen. Durch die enge Kooperation mit Oberstufen von Gymnasien, Gesamtschulen oder Berufskollegs werden alle Bildungsabschlüsse vorbereitet, ohne dass in Klasse 4 eine Vorentscheidung getroffen werden muss. Die Konzepte der Gemeinschaftsschulen können für die Sekundarschulkonzepte Pate stehen. Positiv ist, dass in Klasse 6 die zweite Fremdsprache als Wahlpflichtfach angeboten wird. Schülerinnen und Schüler können auch erst in Klasse 8 die zweite Fremdsprache wählen und haben trotzdem alle Optionen für den angestrebten Schulabschluss. Das Schulgesetz erlaubt unterschiedliche Organisationsformen ab Klasse 7. Die GEW NRW rät den Entscheidungsträgern in den Kommunen, sich möglichst für die integrierte oder teilintegrierte Form auszusprechen. Eltern haben ein hohes Interesse daran, dass der angestrebte Bildungsabschluss für ihr Kind nicht zu früh festgelegt wird. Eine Aufteilung der Kinder nach dem sechsten Schuljahr in verschiedene Anforderungsebenen ist in vielfacher Hinsicht kontraproduktiv. Eine heterogene Zusammensetzung der Lerngruppe ist eine Chance für gelingende Lernprozesse. Dazu bedarf es selbstverständlich einer Fortbildungsinitiative des Landes, um die Lehrkräfte zu befähigen, die individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler in ihrem Unterricht zu verwirklichen. Die Klassengröße von maximal 25 Schülerinnen und Schülern sowie die einheitliche Unterrichtsverpflichtung von 25,5 Wochenstunden für die Lehrkräfte sind gute Entscheidungen, die zum Gelingen der Sekundarschulen beitragen werden. Was lange währt, wird endlich wahr: Nach langen Diskussionen schreibt die Politik mit dem 6. Schulrechtsänderungsgesetz nun endlich das fest, was der Verband Bildung und Erziehung (VBE NRW) als Expertise von Dr. Ernst Rösner unter dem Titel „Allgemeine Sekundarschule“ 2005 in die öffentliche Debatte gebracht hat. Und das begrüßen wir ausdrücklich. Wir freuen uns, dass ein fast 40 Jahre dauernder Schulstreit beendet und NRW zu einem Schulkonsens gekommen ist. Für den VBE handelt es sich bei der neuen Schulform „Sekundarschule“ um eine notwendige Weiterentwicklung der Schulstruktur. Diese wird dazu führen, dass mehr gemeinsames Lernen möglich ist und zukünftig mehr Schülerinnen und Schüler zu einem höherwertigen Schulabschluss geführt werden können. Zudem wird die Einführung der Sekundarschule dazu beitragen, die Durchlässigkeit des Schulsystems deutlich zu erhöhen. Unserer Meinung nach wird die neue Schulform davon profitieren, dass in ihr die Stärken der bereits bestehenden Schulformen einfließen. Dies kommt allen Schülerinnen und Schülern zugute. Gleichzeitig stehen die Lehrkräfte im Zuge der Gesetzesänderungen vor einer umfassenden Neuerung des Schulformangebots, dem es durch Aufklärung und Unterstützung in Form eines breit gefächerten Fortbildungsangebots Rechnung zu tragen gilt. Es muss sichergestellt werden, dass ein gemeinsames Schulverständnis entsteht, sodass die fachbezogenen Unterrichtsangebote gemeinsam und kompetent gestaltet werden können. Um zukünftig mehr Bildungsgerechtigkeit zu gewährleisten, ist die Entwicklung pädagogischer Konzepte erforderlich, die den Anforderungen im Umgang mit einer heterogenen Schülerschaft durch zielgerichtete, individuelle Förderung gerecht werden. Aus gewerkschaftlicher Sicht muss der Weiterentwicklung in der Schulstruktur endlich auch eine Weiterentwicklung in der Besoldungsstruktur folgen, hin zu einer gleichen Bezahlung für alle Lehrerinnen und Lehrer. Schule NRW Sonderausgabe Schulkonsens/Sekundarschule – 12/2011 13 STAT E M E N T S Z U M S C H U L KO N S E N S Peter Silbernagel Vorsitzender des Philologen-Verbands NW Schulkonsens: 12 Jahre Laufzeit, 12 Argumente Warum feiern drei Parteien einen Kompromiss, der doch so völlig Neues nicht bringt? Warum sind sich Lehrer- und Elternverbände einig, dass die Schulverständigung in NRW ein historisches Datum sei und in einem jahrzehntelang andauernden Strukturk(r)ampf gleichsam der Gordische Knoten zerschlagen wurde? Positiv bewertet der Philologen-Verband folgende Ergebnisse: 1. Ende der Schulstrukturdebatte 2. Bestandsgarantie für Schulformen und die Sicherung des achtjährigen Gymnasiums. Den Schulformen, die trotz der demografischen Entwicklung eine relativ stabile Schülerzahl aufweisen und von Eltern wie Schülerinnen und Schülern nachgefragt werden, wird de facto eine Bestandsgarantie gegeben. 3. Ende der Experimente in der Schulstruktur. 4. Klare Konturen der Sekundarschule. 5. Transparenz bei der Gründung einer Sekundarschule und die Entscheidungsvorgaben für die Kommunen. Aktuell planen leider zahlreiche Kommunen überstürzt und ohne Einbezug der betroffenen Schulen die Umwandlung stabiler Realschulen in Sekundarschulen. 6. Verhinderung eines „Windhundrennens“ unter den Kommunen. 7. Verpflichtung zur Verständigung auf regionaler Ebene. 8. Abschaffung der Privilegien für eine Schulform. 9. Neue Vorgaben zur Gründung einer Gesamtschule. 10. Perspektiven für bessere Rahmenbedingungen bisheriger Schulformen (vergleiche Klassenfrequenzrichtwerte). 11. Erhalt wohnortnaher Grundschulstandorte. 12. Auswirkung der Schulverständigung auf die Diskussion in anderen Bundesländern. Mag sein, dass die Situation der Minderheitenregierung, die Situation der Oppositionsparteien, die ernüchternden Erfahrungen mit Schulversuchen, das Agieren der Kommunen, die Erfahrungen mit Schulstrukturen und deren Einfluss beziehungsweise Nicht-Einfluss auf Landtagswahlergebnisse, der persönliche Einsatz der Handelnden und selbstverständlich auch die positiven Erfahrungen der Bildungskonferenz in NRW einen begünstigenden Einfluss auf das „Zeitfenster“ der Schulverständigung hatten. Im Endeffekt ist das Ergebnis belastbar, überzeugend und vor allem für die Schülerinnen und Schüler gut. 14 LEH RERVERBÄN DE Werner Kerski Vorsitzender der Gemeinnützigen Gesellschaft Gesamtschule NordrheinWestfalen e.V. (GGG NRW) Abschieben der Kinder verhindern „Die GGG NRW geht davon aus, dass die veränderten und erhöhten Ansprüche von Gesellschaft und Individuum eine Revision von Schulstruktur und Bildungsinhalten unumgänglich machen. In diesem Zusammenhang erscheint die Zusammenfassung aller Schulformen zu einer Schule für alle als das Modell einer adäquaten Schulstruktur, die einzuführen, zu entwickeln und auszuformen ist.“ So heißt es in unserer Satzung. Der Konsens ist ein Kompromiss zwischen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU und – je nach Einschätzung ein größerer oder auch kleinerer Schritt in Richtung längeres gemeinsames Lernen. Ob mit dem Konsens ein wirklich großer Schritt auf dem Weg zu mehr gemeinsamen Lernen bis hin zu einem inklusiven Schulsystem getan wurde, das wird sich erst in der Ausgestaltung und Umsetzung zeigen. Die Gemeinnützige Gesellschaft Gesamtschule Nordrhein-Westfalen wird sich weiter – gemäß ihrer Satzung – für dieses Ziel einsetzen. Diese Aufgabe ist mit dem Konsens nicht beendet. Die Fülle an möglichen Schulformen gibt den Kommunen einen erheblichen Spielraum, ihr regionales Schulangebot zu gestalten. Aus diesem Ansatz folgt, dass die Auseinandersetzung um die richtige Schulform nun kommunalisiert wird. Mutige Politiker mit der Zielsetzung, die Schullandschaft vor Ort in Richtung Integration zu gestalten, erhalten so den gewünschten Entscheidungsspielraum. Leider sind weder alle Kommunalpolitiker mutig, noch haben sie immer Gestaltungswillen. Die GGG NRW erwartet von Gesetzgeber und Landesregierung, dass sie weitere Impulse für längeres gemeinsames Lernen setzen: Mit der Aufnahme eines Kindes übernimmt jede Schule die Verantwortung für dessen schulischen Werdegang bis zum Schulabschluss der Sekundarstufe I. Ein Abschieben an eine andere Schule darf nicht mehr möglich sein. Inklusion ist eine Aufgabe aller Schulen und aller Schulformen. Schulen mit anregungsarmen Entwicklungsmilieus – das heißt neue „Restschulen“ – müssen verhindert werden. Ziel muss es sein, gerade den benachteiligten Kindern eine Zukunftschance zu geben. Eine heterogen zusammengesetzte Schülerschaft an jeder Schule ist dazu eine wesentliche Voraussetzung. Die Gewinne aus der Demografie sind mit Vorrang für die Entwicklung des Sozialindexes, der Integrationsstellen und des Inklusionsindexes zu nutzen, um den Herausforderungen von Chancengleichheit und Inklusion Rechnung zu tragen. Schule NRW Sonderausgabe Schulkonsens/Sekundarschule – 12/2011 STAT E M E N T S Z U M S C H U L KO N S E N S E LT E R N V E R B Ä N D E Erol Celik Vorsitzender Elternnetzwerk NRW – Integration miteinander Dr. Uwe Maerz Vorsitzender der Landeselternschaft der Gymnasien in NRW e.V. Heterogenität als Bereicherung Ressourcen gerecht verteilen Die von der Pisa-Studie nachgewiesene schulische Benachteiligung von Kindern aus sozial schwachen Schichten sowie aus Familien mit Migrationshintergrund hat bei allen Eltern, auch bei Migranten, das Bedürfnis nach einer Schulform geweckt, in der alle Kinder gleichwertig ausgebildet werden. Daraus resultiert der Wunsch nach Schulen, die sich besonders durch zwei Merkmale auszeichnen: Zum einen durch individuelle fachliche und menschliche Förderung jedes einzelnen Kindes, unabhängig von Herkunft, Geschlecht, sozialen und ökonomischen Rahmenbedingungen. Zum anderen durch hohe Durchlässigkeit, die allen die gleiche Chance zur fachlichen und menschlichen Weiterbildung nach Abschluss der Schullaufbahn ermöglicht. Jenes Anliegen findet seine praktische Umsetzung und zweckdienliche Einbindung ins Schulsystem im Konzept der Sekundarschule. Diese sieht ein gemeinsames Lernen über die Dauer von zehn Jahren vor. Die längere gemeinsame Teilnahme aller Schülerinnen und Schüler am Unterricht soll die individuelle Förderung jedes Kindes durch das Vermeiden vorzeitiger Selektion gewährleisten. Aufgrund der nachweisbaren Erfolge kooperativer Lehr- und Lernformen in anderen europäischen Ländern, befürworten die meisten Migranteneltern die Gründung von Sekundarschulen. Auch das Elternnetzwerk NRW ist der Ansicht, dass die Sekundarschule zur erfolgreichen Integration von Migrantenkindern beitragen kann. Wir sehen Heterogenität und Multikulturalität zwar als eine Herausforderung, viel mehr jedoch als Bereicherung für das Schulwesen, dem in einer Einwanderungsgesellschaft wie der unseren die Pflicht der gesellschaftlichen und schulischen Integration und Förderung zukommt. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, bedarf es jedoch der gegenseitigen Kommunikation und Kenntnis. Hier können das Elternnetzwerk und die Migrantenorganisationen eine entscheidende Rolle bei der Vermittlung spielen. Wir verfügen über ein weitreichendes Netzwerk, das es uns erlaubt, Informationen weiterzugeben und so unsere Brückenfunktion zwischen Behörden und Familien auszuüben. Dafür werden wir den Integrations- und Schulbehörden sowie den Familien unsere Kompetenzen und unsere Unterstützung zur Verfügung stellen, etwa in Form von Informationsveranstaltungen und Beratung. Nach vielen Reformen, die lediglich den wechselnden parlamentarischen Mehrheiten geschuldet waren, ist der Schulkonsens für alle – Schülerinnen und Schüler, Eltern, Lehrkräfte und Kommunen – ein Wert an sich. Die Schülerinnen und Schüler brauchen dringend Ruhe, um gerne und erfolgreich lernen zu können. Die Gymnasien brauchen Ruhe, um guten Unterricht zu erteilen und die Umsetzung des achtjährigen Gymnasiums optimieren zu können. Sie können sich nun wieder der Straffung des Unterrichtsstoffs, gymnasialen Hausaufgabenkonzepten, Strategien zur effektiven Nutzung der Ergänzungsstunden zur individuellen Förderung sowie der Weiterentwicklung des Ganztags und der pädagogischen Übermittagbetreuung zuwenden. Wir begrüßen daher den Schulkonsens, der das gegliederte Schulwesen in der Verfassung festschreibt und daneben mit den Sekundarschulen sowohl kooperative als auch integrative Lernformen in der Sekundarstufe I ermöglicht. Sehr aufmerksam werden wir allerdings die Umsetzung des Schulkonsenses begleiten. Es ist uns ein wichtiges Anliegen zu verhindern, dass in einem allgemeinen Umwandlungsprozess gut funktionierende Realschulen ohne Not und gegen den Willen der Eltern durch Sekundarschulen verdrängt werden. Die kleinere Klassengröße bei der Gründung der Sekundarschule sollte nicht bewirken, dass die Demografiegewinne, die allen Schulen nutzen sollen, vorwiegend von nur einer Schulform beansprucht werden, ohne den Schülerinnen und Schülern greifbare Vorteile zu bringen. Wir wiederholen ausdrücklich unsere Forderung, dass die Ressourcen auf alle Schulformen gleichmäßig und gerecht verteilt werden. Die Gymnasien benötigen diese Mittel dringend für kleinere Klassen zur individuellen Förderung der Schülerinnen und Schüler, für die Optimierung des achtjährigen Bildungsganges und für den Ausbau des Ganztags. Die Grundsteine sind gelegt. Es bleibt noch viel zu tun. Schule NRW Sonderausgabe Schulkonsens/Sekundarschule – 12/2011 15 STAT E M E N T S Z U M S C H U L KO N S E N S E LT E R N V E R B Ä N D E I KO M M U N A L E S P I T Z E N V E R B Ä N D E Johannes Papst Vorsitzender der Landeselternschaft der Realschulen in NRW e.V. Oberbürgermeister Peter Jung Vorsitzender des Städtetages NRW Geist der Bildungskonferenz nicht erkannt Mehr Handlungsmöglichkeiten für Schulträger Einfühlsam und umsichtig setzte Frau Ministerin Löhrmann die Positionierung der „Gemeinschaftsschule“ mit der Bildungskonferenz um. Umso ernüchtender wird nun die „Sekundarschule“ vollzogen. Diese Schulform ist für uns nirgendwo mit den in der Konferenz eingebrachten Wertvorstellungen in Einklang zu bringen. „Konsens“ als Qualitätsbezeichnung der Bildungskonferenz hat mit der politischen Lösung „Sekundarschule“ nichts zu tun. Der hochgehaltene Leitgedanke – den Geist zweier Schulen in eine Dritte zu vereinigen – ist in der bisherigen Vorbereitungspraxis nirgendwo erkennbar. Ausrichtung und Vorgehensweise lassen das erkennen, was beratende Fachleute vortragen: „Die Sekundarschule ist eine kleine Gesamtschule“. Sie kommt im soliden „Realschul-Pelz“ als „Gesamtschul-Wolf“. Kurzformel: Sekundarschule = Gesamtschule-Light. Die bekannte Praxis sowie die ersten Ergebnisse der Qualitätsanalyse zeigen die bekannten, mehr als umstrittenen Gesamtschulergebnisse! • Warum wird in NRW wieder eine Schulform ohne Evaluierung als Regelschule akzeptiert? • Die Aussagen, „Wir wollen auf keinen Fall eine zweite Gesamtschule beziehungsweise wir haben aus den Fehlern gelernt“, sind aus heutiger Sicht eine Phrase. • War der Aufwand „Bildungskonferenz“ das Werkzeug, alle Beteiligten zu überfordern, um sich so in diesem Schatten dem zu widmen, was nun praktiziert wird? • Warum werden nicht wenigstens die bekannten Mängel der „Mutter-Gesamtschule“ zunächst aufgearbeitet? • Warum werden die „konsensualen“ Bemühungen der Realschuleltern so mit Füßen getreten? Themen, die in der Bildungskonferenz sehr aufwendig „konsensual“ gefasst wurden, werden vor Ort häufig übergangen und nur selten qualifiziert beantwortet. Es macht den Anschein, als ob die Kommunalpolitiker den Geist der Bildungskonferenz nicht erkannt hätten und dass das Schulministerium zuschaut – so entwickeln sich in ganzen Regionen desaströse Zustände. Wegen des großflächigen Realschulsterbens wird der Elternwille zur Realschule in gewissen Regionen zur Unmöglichkeit. Realschule nach dem „Sankt-Florian-Prinzip“ kann nicht funktionieren. Warum wird ein bewährtes Schulsystem ohne ernsthafte Alternative „auf dem kleinen Dienstweg“ entsorgt? 16 Der Schulkonsens wird vom nordrhein-westfälischen Städtetag außerordentlich begrüßt. Es ist zu hoffen, dass schulstrukturpolitische Diskussionen künftig zugunsten der wichtigen bildungspolitischen Herausforderungen (zum Beispiel Schaffung von mehr Bildungsgerechtigkeit, Verbesserung individueller Förderung, Umsetzung der Inklusion) zurücktreten. Besonders positiv hervorzuheben ist die mit dem Schulkonsens verbundene Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten der kommunalen Schulträger, die nunmehr flexibler auf den demografischen Rückgang und das geänderte Schulwahlverhalten reagieren und ihr örtliches Schulangebot entsprechend gestalten können. Die Änderung des Artikels 10 der Landesverfassung stellt den kommunalen Schulträgern einen Rahmen zur Verfügung, aus dem sie einzelne Schulformen zur Gestaltung ihres Schulangebotes nach dem örtlichen Bedürfnis auswählen können. Ferner sind die neue Schulform der Sekundarschule, das bei kommunalen Schulentwicklungsverfahren vorgesehene Moderationsverfahren als Instrument der Konfliktvermeidung beziehungsweise -lösung sowie die vorgesehene Erleichterung der Bildung von Grundschulverbünden zu begrüßen. Sofern der Schulkonsens vorsieht, dass demnächst die Klassenfrequenzrichtwerte abgesenkt werden sollen, muss für die Städte, die keine demografiebedingten Schülerrückgänge haben, allerdings bereits jetzt auf die deutlichen finanziellen Belastungen hingewiesen werden, die aufgrund der pädagogisch guten geplanten Reduzierung des Klassenfrequenzrichtwertes entstehen werden. Das Land ist hier zu einem entsprechenden Ausgleich aufgefordert. Die überfällige Umsetzung des Artikels 24 UN-Behindertenrechtskonvention (Inklusion) erfolgt auch mit der 6. Schulrechtsänderung leider nicht. Die kommunalen Schulträger brauchen aber baldmöglichst einen klaren gesetzlichen Rahmen seitens des Landes, der auch die erforderliche Ressourcenbereitstellung regelt. Nach der Vereinbarung des Schulkonsenses bedarf es somit nunmehr auch eines breit getragenen Inklusionskonsenses. Schule NRW Sonderausgabe Schulkonsens/Sekundarschule – 12/2011 STAT E M E N T S Z U M S C H U L KO N S E N S KO M M U N A L E S P I T Z E N V E R B Ä N D E Dr. Bernd Jürgen Schneider Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes NRW Dr. Martin Klein Hauptgeschäftsführer des Landkreistages Nordrhein-Westfalen Keine Schulform bevorzugen Schulfrieden – auch unter Kommunen! Der Städte- und Gemeindebund NRW begrüßt den schulpolitischen Konsens für Nordrhein-Westfalen ausdrücklich. Mit der Einführung der Sekundarschule erhalten die Schulträger ein neues Steuerungsinstrument, um vor Ort – trotz des erfolgten und noch bevorstehenden demografischen Wandels sowie der Veränderungen beim Schulwahlverhalten der Eltern – ein attraktives und wohnortnahes Schulangebot in der Sekundarstufe I zu ermöglichen. Der Landkreistag Nordrhein-Westfalen begrüßt nicht nur den schulpolitischen Konsens vom 19. Juli 2011, sondern auch die vorgenommene Verfassungs- und Schulgesetzänderung. Die gefundene Einigung, namentlich die Einführung einer Sekundarschule und die Flexibilisierungen im Grundschulbereich, lassen hoffen, dass die gerade im ländlichen Raum bestehenden Herausforderungen für die weitere Schulentwicklung besser bewältigt werden können. Die am Schulkonsens beteiligten Fraktionen haben sich auf einen Schulfrieden bis zum Jahr 2023 geeinigt. Dies stellt einen Wert an sich dar, da die Frage der Schulstruktur für die Zeitdauer der Vereinbarung nicht länger Spielball wechselnder politischer Mehrheiten im Landtag ist. Aus Sicht des Landkreistages NRW war an den vorgelegten Entwürfen, namentlich im Bereich der längerfristigen Schulentwicklungsplanung im überörtlichen Kontext und der Durchführung eines Moderationsverfahrens durch die Bezirksregierungen, Kritik zu üben. Diese Kritikpunkte wurden, nachdem sie in der öffentlichen Anhörung vom 4. Oktober 2011 vorgetragen worden sind, durch entsprechende Änderungsanträge weitgehend aufgegriffen. Die Sekundarschulen sollen „in der Regel“ als Ganztagsschulen geführt werden. Der Städte- und Gemeindebund NRW setzt sich dafür ein, dass von dieser Regel bei entsprechendem Bedarf vor Ort auch Ausnahmen zugelassen werden. Wir legen zudem Wert darauf, dass es nicht zu einer Bevorzugung der Sekundarschule gegenüber anderen Schulformen kommt. Dies gilt insbesondere für den Ganztagsbetrieb. Wenn der Sekundarschule der Ganztagsbetrieb ermöglicht wird, so muss diese Möglichkeit auch den anderen Schulformen der Sekundarstufe I zustehen. Im Zusammenhang mit dem Modellprojekt Gemeinschaftsschule hat es auch Streitigkeiten der Kommunen untereinander gegeben. Der Städte- und Gemeindebund NRW hat sich bereits frühzeitig mit dem Thema beschäftigt und ein zweistufiges Moderationsverfahren unter Beteiligung der Bezirksregierungen erarbeitet. Wir begrüßen es, dass dieses Moderationsverfahren im schulpolitischen Konsens ausdrücklich hervorgehoben wird. Auf dieser Grundlage wird es möglich sein, dass Streitigkeiten der Schulträger bei der Errichtung einer Sekundarschule – unter Mitwirkung eines Moderators der Bezirksregierung – möglichst frühzeitig beigelegt werden. Die Schulentwicklungsplanung kann – gerade im kreisangehörigen Raum – nur durch regionale Abstimmung und Zusammenarbeit gelingen. Ein „Kirchturmdenken“, das dies außer Acht lässt, wird daher zu Recht als anachronistisch angesehen. Dennoch kommt es immer wieder zu Konflikten zwischen benachbarten Städten und Gemeinden, die ihre Schulentwicklung nicht abstimmen, sondern konfrontativ gegeneinander betreiben. Solche Auseinandersetzungen können vermieden werden durch eine vorausschauende, konsensuale und gebietsgrenzenübergreifende – gegebenenfalls auch kreisweite – Schulentwicklungsplanung, die nicht erst im Streitfall beginnt, sondern frühzeitig Konflikte vermeidet. Der Kreis Heinsberg, in dem eine kreisweite Schulentwicklungsplanung unter Beteiligung aller Schulträger bereits existiert, ist insofern beispielgebend. Auch die anderen Kreise in NRW sind grundsätzlich bereit, eine Mediatorenrolle zu übernehmen, sofern dies von den kreisangehörigen Städten und Gemeinden gewünscht wird. Darüber hinaus können die Regionalen Bildungsnetzwerke, die mittlerweile in fast allen Kreisen und kreisfreien Städten in NRW existieren, als Plattform dienen, da sie alle mit Bildungsfragen befassten Akteure im Kreisgebiet an einem Tisch versammeln. Schule NRW Sonderausgabe Schulkonsens/Sekundarschule – 12/2011 17 STAT E M E N T S Z U M S C H U L KO N S E N S KIRCHEN Prälat Martin Hülskamp Katholisches Büro Nordrhein-Westfalen Individuelle Förderung im Blick behalten Oberkirchenrat Klaus Eberl (Evangelische Kirche im Rheinland) Landeskirchenrat Dr. Wolfram von Moritz (Evangelische Kirche von Westfalen) Verfassung an Wirklichkeit angepasst Die evangelischen Kirchen in Nordrhein-Westfalen begrüßen, dass die drei großen Landtagsfraktionen auf der Grundlage der Ergebnisse der Bildungskonferenz einen tragfähigen Konsens für die notwendige Weiterentwicklung des Schulsystems in NRW gefunden haben. Der schulpolitische Konsens nimmt wesentliche Forderungen landeskirchlicher Stellungnahmen auf. Das Gesetz gibt den Schulträgern die notwendige Rechtssicherheit, um langfristig planen zu können. Lehrerkollegien, Eltern, Schülerinnen und Schüler können auf einer soliden Basis und gleichzeitig mit großem Gestaltungsraum gemeinsam mit dem Träger ihre Schule pädagogisch weiterentwickeln. Die Streichung der „Hauptschulgarantie“ aus der Landesverfassung ist die überfällige Anpassung der Verfassung an die Wirklichkeit im Land NRW. Diese Anpassung ist notwendig, um den Kommunen den erforderlichen Handlungsspielraum zu geben. Die neu zu schaffende Sekundarschule stellt eine attraktive neue Schulform dar, die wichtige Elemente des Modellversuchs Gemeinschaftsschule aufnimmt. Sie ist eine sinnvolle Antwort auf die demografische Entwicklung. So kann die weiterführende Schule auch in ländlichen Gebieten und in Kleinstädten vor Ort bleiben und das mit einem differenzierten Angebot, das hilft, die Vielfalt der Begabungen der Kinder und Jugendlichen zu entfalten. Damit wird dem kirchlichen Anliegen, Bildungsgerechtigkeit zu fördern und längeres gemeinsames Lernen zu ermöglichen, ein gutes Stück Rechnung getragen. Es ist dringend geboten, dass die neu gestaltete Schulstruktur auch die finanzielle Ausstattung erfährt, die notwendig ist, um an allen Schulen die hohen Ziele der individuellen Förderung, der Weiterentwicklung des Ganztags und der Inklusion voranzubringen. Unabhängig von Fragen des gegliederten oder integrierten Schulsystems ist dies eine notwendige Investition in die Zukunft unserer Kinder. 18 Die (Erz-)Bischöfe in Nordrhein-Westfalen, in deren Namen das Katholische Büro Nordrhein-Westfalen spricht, befürworten den aus dem Schulkonsens hervorgegangenen Gesetzentwurf grundsätzlich. Insbesondere ist hervorzuheben, dass im Mittelpunkt der Schulpolitik die Kinder und Jugendlichen stehen und nicht die Strukturen. In unserer ausführlichen schriftlichen Stellungnahme anlässlich der Anhörung im Landtag haben wir aber auch auf Folgendes hingewiesen: Die neu zu schaffende Sekundarschule tritt neben die bestehenden Schulformen. Sie mag – so kann man das bewerten – die richtige Antwort auf den prognostizierten demografischen Wandel sein, wenn der Kommunalpolitik ermöglicht wird, weiterführende Schulen auch in ländlichen Gebieten und in kleinen Städten zu erhalten. Es muss aber weiterhin in erster Linie darum gehen, Bildungsgerechtigkeit zu fördern und die Vielfalt der Begabungen zu entfalten. Deshalb bleibt abzuwarten, ob die neue Schulstruktur die finanzielle Ausstattung erfahren wird, um an allen Schulen, also auch an den Hauptschulen und – das ist aus unserer Sicht besonders wichtig – den konkordatär vereinbarten, und im Übrigen gut funktionierenden Bekenntnishauptschulen, die individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler, unabhängig von Fragen des gegliederten oder integrierten Schulsystems – neben der Weiterentwicklung des Ganztags und der Inklusion – zu erhalten beziehungsweise zu erreichen. So darf die Finanzknappheit, auch der Kommunen, nicht dazu führen, dass die geplanten Gesetzesänderungen faktisch eine weitgehende Überleitung der Hauptschulen in Sekundarschulen zur Folge hat, und dies für die Bekenntnishauptschulen mittelfristig die ersatzlose Streichung bedeutet. Es ist aus der Sicht der (Erz-)Bistümer in Nordrhein-Westfalen wichtig, dass die bestehenden (Bekenntnis-)Hauptschulen, von denen viele als Erfolgsmodell gelten, im Bestand erhalten und gesichert bleiben. Schule NRW Sonderausgabe Schulkonsens/Sekundarschule – 12/2011 STAT E M E N T S Z U M S C H U L KO N S E N S U NTERN EHMERVERBÄN DE Horst-Werner Maier-Hunke Präsident „unternehmer nrw“, Landesvereinigung der Unternehmensverbände Nordrhein-Westfalen e.V. Gute Berufsorientierung sicherstellen Unternehmer nrw begrüßt das 6. Schulrechtsänderungsgesetz, nicht zuletzt deshalb, weil damit die jahrzehntelangen ideologischen Kämpfe um die „richtige Schulstruktur“ beigelegt werden. Der Gesetzentwurf reagiert auf die rückläufigen Schülerzahlen und das veränderte Schulwahlverhalten der Eltern, die den Bildungsweg ihrer Kinder länger offen halten wollen. Damit ist der Weg frei für ein pragmatisches Nebeneinander integrierter und gegliederter Schulformen zur Realisierung eines differenzierten und wohnortnahen Schulangebots. Wohnortnähe und Erreichbarkeit sind auch für die Wirtschaft von Bedeutung, wenn es um die Sicherung des Fachkräftenachwuchses geht. Denn die Mobilität von Jugendlichen, die einen Ausbildungsplatz suchen, ist erfahrungsgemäß gering. Die Sekundarschule sollte daher ein besonderes Augenmerk auf den Übergang in die Berufsausbildung legen und eine gute Berufsorientierung sicherstellen. Die Wirtschaft bietet hier ihre Unterstützung an. Unternehmer nrw begrüßt, dass die Sekundarschule im Kern nur den Sekundarstufe I-Bereich umfasst, auf die Berufsausbildung vorbereitet und die Möglichkeit zum Abitur eröffnet. Der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf dient, dass sie in der Regel als Ganztagsschule geführt werden soll. Unternehmer nrw unterstützt ausdrücklich das Ziel der individuellen Förderung, die leistungsstarke und -schwächere Schülerinnen und Schüler gleichermaßen im Blick haben muss. Zur Verbesserung der Unterrichtsqualität sind entsprechende Lehrerfortbildungsangebote erforderlich. Bis zum 31. Dezember 2016 muss die Landesregierung dem Landtag über die Auswirkungen der Einführung der Sekundarschule berichten. Spätestens dann ist zu bilanzieren, ob das Ziel des Schulrechtsänderungsgesetzes erreicht worden ist, und ob sich die Sekundarschule mit ihrem pädagogischen Konzept des längeren gemeinsamen Lernens bewährt hat. Wichtige Indikatoren sind die Ergebnisse der Lernstandserhebungen und der Qualitätsanalyse sowie die Entkopplung von Schulerfolg und sozialer Herkunft. Das einzelne Kind in den Blick nehmen Die Redaktion hat die größten vom Schulkonsens betroffenen Lehrer- und Elternverbände um eine Stellungnahme gebeten. Die Statements der Verbände, die dieser Bitte nachgekommen sind, wurden hier abgedruckt. Schule NRW Sonderausgabe Schulkonsens/Sekundarschule – 12/2011 19 S C H U LT R Ä G E R STA DT L O H M A R Sekundarschule Lohmar Die Kommune setzt auf Beteiligung Bürgermeister Wolfgang Röger (lks.), 1. Beigeordneter Dirk Brügge Stadt Lohmar Analog zur Schülerzahlenentwicklung des Landes NordrheinWestfalen vollziehen sich auch in Lohmar, einer Stadt im RheinSieg-Kreis mit etwa 32.000 Einwohnerinnen und Einwohnern, spürbare Veränderungen im Schüleraufkommen. Die von der Stadt in Auftrag gegebene Schulentwicklungsplanung zeigt deutlich, dass auch in Lohmar mit sinkenden Schülerzahlen zu rechnen ist. Unproblematisch ist diese Entwicklung für das städtische Gymnasium; für die Realschule zeigt sich der Schülerrückgang bereits deutlicher, und Existenz gefährdend wird er für die Gemeinschaftshauptschule Lohmar. Die Begründung hierfür liegt zum einen im demografischen Wandel, zum anderen aber in der gesellschaftlichen Bedeutung des Schulabschlusses. Viele Eltern fragen bei dem weiterführenden Schulangebot für ihre Kinder immer häufiger insbesondere Bildungsgänge mit einem hohen Niveau des Schulabschlusses beziehungsweise Abituroption nach. Das veränderte Elternwahlverhalten ist dem Umstand geschuldet, dass Eltern sich für ihr Kind zumindest den gleichen „sozialen Status“ erhoffen, den sie selbst innehaben. Aufgrund der Änderungen bei den Berufs-, Ausbildungs- und Studiengängen sind jedoch für die Berufsausbildungen, die die Eltern durchlaufen haben, heute häufig „höhere“ Schulabschlüsse erforderlich. Diese Tendenzen verlangen nach einer neuen Weichenstellung. Ein „Arbeitskreis Modellschule Lohmar“, bestehend aus den Schulleitungen des Gymnasiums Lohmar, der Hauptschule und der Realschule Lohmar, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung, Vertretungen der Lohmarer Grundschulen, je einem externen Experten für Organisationsentwicklung und für Schulentwicklung, Teamentwicklung und Evaluation, hat unter Berücksichtigung des „Leitfadens für Schulen und Gemeinden, die sich am Schulversuch „Längeres gemeinsames Lernen – Gemeinschaftsschule“ beteiligen wollen“ ein pädagogisches (Kurz-)Konzept für die Modellschule Lohmar entwickelt. Dieses Kurzkonzept wurde den Eltern der Lohmarer Grundschulkinder in einer Informationsveranstaltung Ende November vorgestellt. Zeitgleich wurden die Schulkonferenzen der Haupt- und Realschule Lohmar beteiligt sowie die erforderliche Die Stadt als Schulträger ist aufgefordert, ihr Schulangebot weiterzuentwickeln, um auch zukünftig dem selbst gesetzten Anspruch gerecht zu werden, für alle Lohmarer Kinder ein passendes Bildungsangebot bereit zu halten. Rat entschied im September 2010 Aus diesem Grund hat der Rat der Stadt Lohmar bereits im September 2010 beschlossen, dass zur nachhaltigen Sicherung und Weiterentwicklung des städtischen Schulangebots geprüft werden soll, inwieweit mittelfristig eine „Sekundarstufenschule“ mit den Jahrgängen 5 bis 10 in Lohmar errichtet werden kann, die in Kooperation mit dem Gymnasium Lohmar alle Schulabschlüsse anbietet. Der Rat legte bereits damals fest, dass die Schule dem längeren gemeinsamen Lernen und der individuellen Förderung verpflichtet sein soll. 20 Die Kommune fragte auch die Schülerinnen und Schüler nach ihrer „Traumschule“; Foto: Alex Büttner Schule NRW Sonderausgabe Schulkonsens/Sekundarschule – 12/2011 S C H U LT R Ä G E R STA DT L O H M A R Elternbefragung erfolgreich durchgeführt. Der Rat der Stadt Lohmar hat Anfang Dezember dieses Kurzkonzept beschlossen, die Verwaltung beauftragt, die Einrichtung der Modellschule zum Schuljahr 2012/2013 zu beantragen und die Arbeitsgruppe gebeten, bis zum Sommer 2011 eine ausführliche pädagogische Konzeption partizipativ zu erarbeiten. Der Politik und Verwaltung war von Anfang an bewusst, dass eine so grundlegende Umgestaltung des örtlichen Schulsystems nur gelingen kann und von Eltern sowie Lehrerinnen und Lehrern, aber auch der allgemeinen Öffentlichkeit akzeptiert wird, wenn das Konzept von überzeugender Qualität ist und dem Planungsprozess ausreichend Zeit eingeräumt wird, insbesondere um Schülerinnen und Schüler, Eltern, Lehrerinnen und Lehrer, aber auch die allgemeine Öffentlichkeit intensiv zu beteiligen. Diesem Auftrag ist die um je eine Lehrerin beziehungsweise einen Lehrer des Gymnasiums, der Hauptschule und der Realschule erweiterte Arbeitsgruppe nachgekommen und hat ein Konzept für eine Modellschule Lohmar vorgelegt, die auf einem hohen Niveau in zeitgemäßer Form die unten stehenden acht Ziele sicherstellen wird (siehe Abbildung). Die Modellschule Lohmar ist eine Schule, die sich der Inklusion verpflichtet fühlt. Sie setzt die erfolgreiche integrative Arbeit der Lohmarer Kindergärten und Lohmarer Grundschulen fort. Voraussetzung hierfür ist, dass die Modellschule Lohmar über ausreichend Förderschullehrkräfte verfügt. Integratives Lernen macht zusätzliche Kleingruppenräume und ein breites Spektrum an Fördermaterialien notwendig. Die Stadt Lohmar wird die notwendigen finanziellen Mittel bereitstellen, wenn das Land seiner Verpflichtung ebenfalls nachkommt. Damit Inklusion in der Modellschule Lohmar gelingt, erstellt eine um Förderschullehrkräfte ergänzte Unterarbeitsgruppe ein Inklusionskonzept für die Modellschule Lohmar, das die Aussagen zur Inklusion im pädagogischen Konzept vertieft. Schüler entwickeln ihre Traumschule Die „Arbeitsgruppe Modellschule“ hat die pädagogische Konzeption nicht hinter verschlossenen Türen erarbeitet, sondern dem Leitbild „Die Menschen nicht nur mitnehmen, die Menschen zu Mitstreitern für die gute Sache machen!“ folgend, die intensive Beteiligung von Schülerinnen und Schülern, Eltern sowie Lehrkräften zu einem Kernbestandteil der Erstellung des ausführlichen pädagogischen Konzepts gemacht. Abbildung: Die acht Ziele der Modellschule Lohmar Schule NRW Sonderausgabe Schulkonsens/Sekundarschule – 12/2011 21 S C H U LT R Ä G E R STA DT L O H M A R Die Modellschule soll – neben dem Gymnasium Lohmar – eine Alternative bieten; Foto: Alex Büttner Dieser Beteiligungsprozess, der bei aller Diskussion, die es auch in Lohmar gegeben hat, ganz wesentlich zur Akzeptanz des Transformationsprozesses beigetragen hat, sei im Nachfolgenden ausführlich dargestellt. Die Schülerinnen und Schüler der Klassen 3 der Lohmarer Gemeinschaftsgrundschulen waren aufgerufen, im Rahmen von Projekttagen ihre Anregungen zum Thema „Meine Traumschule“ vorzustellen. Moderiert und begleitet, haben die Kinder nach einer kurzen Ideensammlung in Projektgruppen ihre „Traumschulen“ beispielsweise in Form von Gedan ken netzen, Bildern aber auch plastischen Werken gestaltet. Viele der sehr gelungenen Arbeiten wurden dem Schulausschuss präsentiert. 22 2. Wie können Sie sich als Eltern eine Mitarbeit/Unterstützung der „Modellschule Lohmar“ vorstellen? 3. In welchen Bereichen (zum Beispiel Öffnung von Schule, musischer Bereich, Unterrichtsmethoden) sollte die „Modellschule Lohmar“ spezielle Schwerpunkte setzen? Die Eltern von Schülerinnen und Schülern der Hauptschule Lohmar und die der Realschule Lohmar wurden ebenso an der Konzepterstellung beteiligt, wie Lehrerinnen und Lehrer. Letztere haben in zwei Workshops nachstehende Fragen bearbeitet: Wie stellen Sie sich eine gute Schule vor, in der Sie gern Lehrerin oder Lehrer wären? Welche Schwerpunkte (pädagogisches Profil) sollte sich die „Modellschule Lohmar“ geben? Welche Aspekte in Bezug auf die Planungs- und Aufbauphase sind Ihnen wichtig? Neben einem Workshop für Schülerinnen und Schüler der weiterführenden Schulen fanden Workshops für Eltern der Klassen 2 und 3 der Lohmarer Grundschulen statt, also für denjenigen Eltern, für die die Modellschule Lohmar zum Schuljahresbeginn 2012/2013 – neben dem Gymnasium Lohmar – als mögliche weiterführende Schule für ihre Kinder in Frage kommt. Beiden Gruppen wurden zudem Informationen zum Auslaufen „ihrer“ Schulen an die Hand und insbesondere die Zusage gegeben, dass Unterricht an der Hauptschule und der Realschule auch im Prozess des Auslaufens die gewohnt hohe Qualität haben wird. Nach einer kurzen Einführung in die Thematik hatten die Eltern die Möglichkeit, im Rahmen von Kleingruppenarbeit ihre Ideen und Vorstellungen zu folgenden Fragen einzubringen: 1. Was zeichnet die Schule aus, in die Ihr Kind gerne geht und gut lernt? Der Beteiligungsprozess wurde mit einer Exkursion mit Eltern, Lehrerinnen und Lehrern zur Laborschule Bielefeld fortgesetzt. Die Ergebnisse der Workshops sind ebenso in die Konzepterstellung mit eingeflossen, wie Zuschriften und E-MailDiskussionen, die sich im Anschluss an die Workshops ergaben. Schule NRW Sonderausgabe Schulkonsens/Sekundarschule – 12/2011 S C H U LT R Ä G E R STA DT L O H M A R Modellschule wurde zur Sekundarschule In den Workshops hatten sich Eltern sowie Lehrerinnen und Lehrer zur weiteren Mitarbeit an der pädagogischen Konzeption bereit erklärt. So konnte der „Rohentwurf“ der pädagogischen Konzeption mit etwa 30 Eltern, Lehrerinnen und Lehrern in themenbezogenen Arbeitsgruppen jeweils unter der Leitung von Mitgliedern der „Arbeitsgruppe Modellschule“ diskutiert werden. Der Schulausschuss der Stadt Lohmar, der fortlaufend über den Prozess informiert wurde, hat das so erarbeitete pädagogische Konzept am 20. Juli 2011 und damit einen Tag nach dem Bildungskonsens beschlossen. Da die Modellschule Lohmar von Beginn an als Schule der Sekundarstufe I vorgesehen war, musste das Konzept nur hinsichtlich der Verbindlichkeit der zweiten Fremdsprache ab Klasse 6 an den Bildungskonsens angepasst werden. neuen Lehr- und Lernmaterialien der Modellschule erfolgen. An einem Fortbildungskonzept für die zukünftigen Lehrerinnen und Lehrern wird derzeit ebenso gearbeitet, wie an einem Raum- und Ausstattungskonzept. Die Modellschule Lohmar ist in ihrer konzeptorientierten Form nicht nur eine überzeugende Antwort auf die zurückgehenden Schülerzahlen. Die Modellschule Lohmar trägt, dies hat der Beteiligungsprozess gezeigt, den dringenden und berechtigten Wünschen der Eltern Rechnung, dass ihre Kinder einen möglichst hochwertigen Schulabschluss erreichen und die Bildungsgänge möglichst lange offen gehalten werden. Die vorgelegte Konzeption verbindet bewährte Pädagogik mit neueren Formen des Lernens, das sich an guten und preisgekrönten Schulen bewährt hat. Wir werden, orientiert an den Kriterien des deutschen Schulpreises, die Arbeit der Schule durch kontinuierliche Selbst- und Fremdüberprüfung weiterentwickeln. Den Eltern der Lohmarer Grundschulen ist die Modellschule Lohmar in drei Informationsveranstaltungen vorgestellt worden. In diesen, wie auch in den Workshops hat sich gezeigt, dass es hilfreich ist, Eltern anhand von Beispielen und Unterrichtsmaterialien zu erläutern, wie längeres gemeinsames Lernen und individuelle Förderung konkret geschieht. Eine häufig gestellte Frage war zudem, wie die Modellschule Lohmar im Hinblick auf längeres gemeinsames Lernen und individuelle Förderung qualifiziertes Lehrpersonal rekrutieren kann. Hier war hilfreich, auf Erfahrungen aus dem Gründungsprozess der Gemeinschaftsschulen zurückgreifen zu können. Ebenso wichtig war, dass der Schulausschuss mit dem einstimmigen Beschluss der pädagogischen Konzeption ausdrücklich anerkannt hat, dass individuelle Förderung und längeres gemeinsames Lernen ein breites Spektrum an modernen Lehr- und Unterrichtsmaterialien erforderlich macht und die Zusage gegeben hat, dass die notwendigen finanziellen Mittel für eine optimale Ausstattung der Modellschule Lohmar bereit gestellt werden. Der intensive Beteiligungsprozess soll mit weiteren Informationsveranstaltungen fortgesetzt werden. Bereits heute ist ein Tag der offenen Tür für den 21. Januar 2012 geplant, an dem Eltern in den zukünftigen Räumlichkeiten der Modellschule Lohmar das Leben und Lernen in der neuen Schule gezeigt werden soll. Auch sind Informationsveranstaltungen für Lehrkräfte der Hauptschule und der Realschule beabsichtigt. Für die vorgenannten Lehrkräfte soll zudem Ende November oder Anfang Dezember eine Fortbildungsveranstaltung zu den Längeres gemeinsames Lernen und individuelle Förderung sind Schwerpunkte; Foto: Alex Büttner Schule NRW Sonderausgabe Schulkonsens/Sekundarschule – 12/2011 23 S C H U LT R Ä G E R STA DT B O C H U M Gleiches Ziel, neuer Name – Bochum plant zwei Sekundarschulen Dr. Ottilie Scholz, Oberbürgermeisterin der Stadt Bochum Als Hochschulstandort hat die Universitätsstadt Bochum stets darauf geachtet, das schulische Bildungsangebot vor Ort anforderungsgerecht weiterzuentwickeln. Dabei waren und sind neben neuen pädagogischen Erkenntnissen immer auch gesellschaftliche Rahmenbedingungen und deren soziale Auswirkungen einzubeziehen. Schließlich möchten wir den Eltern trotz zurückgegangener Schülerzahlen auch zukünftig Schulen anbieten, die ihren Kindern nicht nur beste Bildungschancen eröffnen, sondern auch aus allen Teilen des Stadtgebiets gut erreichbar sind. Dieses Ziel war aufgrund des sogenannten „HauptschulSterbens“, aber auch wegen zurückgehender Anmeldezahlen an einigen Realschulen zunehmend gefährdet. In einigen Stadtteilen beziehungsweise -bezirken drohten – vor allem im Hauptschulbereich Schulschließungen – die dort zu einer schulischen Unterversorgung und nicht hinnehmbaren weiten Wegen für die zukünftigen Schülerinnen und Schüler geführt hätten. In dieser Situation kam vor etwa einem Jahr das Angebot des Landes zur Errichtung von Gemeinschaftsschulen genau zum richtigen Zeitpunkt. Weil das – bis dahin nur an den vier städtischen Gesamtschulen der Stadt – praktizierte „längere gemeinsame Lernen“ ein vielversprechender Weg zu mehr Bildungsgerechtigkeit und -chancen ist, hat Bochum sofort zugegriffen und sich mit Erfolg um eine Teilnahme an diesem Projekt beworben. Gemeinschaftsschule Bochum-Mitte startete im Sommer 2011 Mit Beginn des Schuljahres 2011/2012 hat die „Gemeinschaftsschule Bochum-Mitte“ ihren Betrieb aufgenommen – vierzügig und mit 92 Schülerinnen und Schülern. Sie ist die einzige Schule dieses Typs im ganzen Ruhrgebiet. Eltern von über 30 Grundschulen aus dem gesamten Stadtgebiet haben ihre Kinder an dieser neuen Schule angemeldet und damit dokumentiert, dass ein entsprechender Bedarf besteht. Diese Resonanz hat jeweils zwei Haupt- und Realschulen im Bochumer Osten und Südwesten veranlasst, wo ähnlich wie im Stadtbezirk Mitte die Möglichkeit von Schulschließungen Gemeinsames Lernen in der Sekundarschule Bochum-Ost ; Fotos: André Grabowski/Stadt Bochum, Presseamt 24 Schule NRW Sonderausgabe Schulkonsens/Sekundarschule – 12/2011 S C H U LT R Ä G E R STA DT B O C H U M bestand, sich in Vorbereitung auf die zweite Bewerbungsrunde ebenfalls auf den Weg zur „Gemeinschaftsschule“ zu machen. Da der Schulversuch nicht erweitert wurde, konnte dieser Weg leider nicht weiter verfolgt werden. Mit der neuen Schulform „Sekundarschule“ bot sich jedoch eine Alternative mit (fast) gleichen Chancen für ein „längeres gemeinsames Lernen“. Diesmal sogar als reguläre Schulform! Schulentwicklungsplanung entschieden haben. Er wird unabhängig vom jeweiligen Leistungsvermögen, der Nationalität oder der sozialen Herkunft allen Kindern beste Bildungschancen eröffnen: In einer vielfältigen Schullandschaft, in der bestehende Gesamt- und Gemeinschaftsschulen sowie zukünftig auch Sekundarschulen „längeres gemeinsames Lernen“ anbieten, und – bei entsprechendem Bedarf – die bewährten Gymnasien, Realschulen und Hauptschulen ergänzen. Gemeinsames Lernen ermöglichen Noch während der Sommerferien wurden die bereits fertigen Konzepte redaktionell überarbeitet und anforderungsgerecht angepasst. Dies gelang, ohne den bewusst gewollten integrativen wie inklusiven Ansatz aufzugeben. Hierdurch werden in den beiden Schulen im Osten und Südwesten unserer Stadt zukünftig alle Kinder, unabhängig von der jeweiligen Grundschulempfehlung, gleichermaßen willkommen sein und die Möglichkeit haben, bis zum Ende der Klasse 10 gemeinsam zu lernen. Der Ausschuss für Bildung und Wissenschaften der Stadt Bochum hat einstimmig beide beabsichtigten neuen Schulgründungen, für die bereits geeignete Gebäude zur Verfügung stehen, unterstützt und die Schulverwaltung beauftragt, die entsprechenden Errichtungsbeschlüsse umgehend vorzubereiten. Wenn die in diesen Tagen befragten Eltern der Dritt- und Viertklässler aller Bochumer Grundschulen – wie erwartet – ihr Interesse an der neuen Schulform bekunden, wird der Rat der Stadt noch in diesem Jahr den Gründungen der ersten beiden Bochumer Sekundarschulen zustimmen. Traditionelle Schulformen bestehen weiter Vermutlich werden es nicht die einzigen bleiben. Denn obwohl die noch bestehenden Haupt- und Realschulen nach wie vor gute Arbeit leisten, kann nicht ausgeschlossen werden, dass Eltern in unserer Stadt ihre Kinder vermehrt in integrativ arbeitenden Schulen anmelden. Das wiederum könnte zu neuen Schulgründungen in weiteren Stadtbezirken führen. Dies be deutet keinesfalls, dass es in Bochum zukünftig keine Angebote in den beiden traditionellen Schulformen mehr geben wird. Nach derzeitigem Stand der Schulentwicklungsplanung bleiben in den kommenden Jahren bedarfsgerecht Real- und Hauptschulen jeweils dort erhalten, wo die Eltern dies durch die Anmeldung ihrer Kinder gewährleisten. Dieses „Bochumer Modell“ beruht auf dem Willen aller (Schul-)Politiker, die sich einmütig für einen neuen Weg in der Konzept der Sekundarschule Bochum Südwest Schule NRW Sonderausgabe Schulkonsens/Sekundarschule – 12/2011 25 S E K U N DA R S C H U L E Die wichtigsten Neuerungen im Überblick Die neue Sekundarschule auf der Grundlage des Rainer Michaelis, MSW Leiter der Projektgruppe Regionale Schulentwicklung – Sekundarschule 6. Schulrechtsänderungsgsetzes (Stand 31. Oktober 2011) Das 6. Schulrechtsänderungsgesetz wurde am 20. Oktober 2011 beschlossen. Kernelement des neuen Schulgesetzes ist die Sekundarschule als neue Schulform der Sekundarstufe I. Sie wird – neben den anderen Schulformen – im Schulgesetz verankert. In Folgenden sind die wichtigsten Neuerungen im Hinblick auf die neue Schulform in einem Frage-Antwort-Text zusammengefasst. Warum soll es Sekundarschulen geben? Die Sekundarschule ist eine zukunftsfeste Schule, die den Kommunen die Möglichkeit bietet, ein wohnortnahes, attraktives, umfassendes Schulangebot zu erhalten beziehungsweise zu schaffen. Sie ist damit eine Antwort auf die zurückgehenden Schülerzahlen und das veränderte Elternwahlverhalten. Die Sekundarschule hält die Bildungsgänge länger offen und kommt dem Wunsch vieler Eltern nach längerem gemeinsamem Lernen nach. Diese Schule der Zukunft ist leistungsstark, vielfältig und gerecht. In ihr kommen die Stärken aller Schulformen zum Wohl aller Kinder zusammen. Was ist die Sekundarschule? Sie ist eine Schule der Sekundarstufe I, führt zu allen Schulabschlüssen der Sekundarstufe I und ermöglicht durch eine verbindliche Kooperation mit einem Gymnasium, einer Gesamtschule oder einem Berufskolleg den Anschluss an die gymnasiale Oberstufe. Sie umfasst die Jahrgänge 5 bis 10 und ist in der Regel eine Ganztagsschule. Wie wird in der Sekundarschule gelernt? In den Klassen 5 und 6 wird unter besonderer Berücksichtigung der individuellen Förderung gemeinsam gelernt (integriert), danach kann dieses integrierte Konzept über differenzierte Angebote bis zur Klasse 10 fortgeführt werden. Ab Klasse 7 kann der Unterricht aber auch entweder teilintegriert oder in einer kooperativen Organisationsform erteilt werden. In der teilintegrierten Form werden ab Klasse 7 unter Beibehaltung der Klassenverbände in einzelnen Fächern Neigungs- und Leistungsprofile gebildet. In der 26 kooperativen Form werden entweder schulformbezogene Klassen (entsprechend Hauptschule, Realschule und Gymnasium) gebildet oder es werden ab Klasse 7 zwei Bildungsgänge auf unterschiedlichen Anforderungsebenen (Grundund Erweiterungsebene) eingerichtet. Auch bei der kooperativen Form kann der Unterricht teilweise in gemeinsamen Lerngruppen erteilt werden. Wie führt die Sekundarschule Kinder zum Abitur? Die Sekundarschule hat zwar keine eigene Oberstufe, geht aber eine oder mehrere verbindliche Kooperationen mit der Oberstufe eines Gymnasiums, einer Gesamtschule oder eines Berufskollegs ein (Kooperationsvereinbarung). In der Regel dauert der Bildungsgang zum Abitur neun Jahre (sechs Jahre an der Sekundarschule, drei Jahre in der Oberstufe der kooperierenden Schulen). Die Eltern wissen also schon bei der Anmeldung, an welchen Schulen ihr Kind bei guter Leistungsentwicklung den Weg zum Abitur fortsetzen kann. Eine individuelle Schulzeitverkürzung ist bei Vorliegen der entsprechenden Qualifikation möglich. Wie bereitet die Sekundarschule auf eine berufliche Qualifikation vor? Eine frühzeitige und praxisnahe Berufsorientierung gehört zu den pädagogischen Schwerpunkten jeder Sekundar schule. Die schulische Berufsorientierung unterstützt und begleitet die Schülerinnen und Schüler mit Blick auf den Einstieg in das Berufsleben. Dazu werden unterschiedliche Maßnahmen und Projekte wie zum Beispiel Betriebs praktika, Schülerfirmen, Lernwerkstätten, Kooperationen mit Betrieben, Berufswahlpass, Kompetenzcheck und so weiter angeboten. Auf diese Weise wird ein leichter, durch individuelle Beratung begleiteter Übergang in die duale Ausbildung und zum Berufskolleg mit seinen vielfältigen Möglichkeiten der beruflichen Qualifikation sichergestellt. Vor Ort können Kooperationen mit einem oder mehreren Berufskollegs den gezielten Übergang zum Beruflichen Gymnasium oder zu Schule NRW Sonderausgabe Schulkonsens/Sekundarschule – 12/2011 S E K U N DA R S C H U L E anderen beruflichen Bildungsgängen aus den sieben Bereichen Agrarwirtschaft, Ernährung/Hauswirtschaft, Gestaltung, Gesundheit/Soziales, Informatik, Technik/Naturwissenschaften oder Wirtschaft und Verwaltung vorbereiten. Wer entscheidet über die Organisationsform der Sekundarschule? Die Grundsatzentscheidung über die Organisationsform trifft der Schulträger. Er kann die Organisationsform zum Beispiel auf Vorschlag der Schulkonferenz zu einem späteren Zeitpunkt auch neu bestimmen. Lernen in der Sekundarschule alle Kinder nach gymnasialen Standards? Das hängt von ihrem Leistungspotenzial ab. Alle Kinder werden nach ihren Talenten und Begabungen individuell gefördert. Niemand wird überfordert, aber auch nicht unterfordert. Die Sekundarschule gewährleistet in allen Organisations formen auch gymnasiale Standards. Die zweite Fremdsprache kann ab Klasse 6 gewählt werden. Wie im Gymnasium und in der Gesamtschule gibt es ab Klasse 8 ein weiteres Fremdsprachenangebot. In der integrierten und teilintegrierten Form werden die gymnasialen Standards durch unterschiedliche Anforderungen gesichert. In der kooperativen Form mit schulformbezogenen Bildungsgängen ge schieht dies, indem die Schülerinnen und Schüler ab Klasse 7 unter Fortführung der zweiten Fremdsprache einen gymnasialen Bildungsgang besuchen können. In der kooperativen Form mit zwei Anforderungsebenen werden gymnasiale Standards in der Erweiterungsebene berücksichtigt. Wie groß ist eine Sekundarschule? Sie ist mindestens dreizügig. Der Errichtungsgröße beträgt 25 Schülerinnen und Schüler pro Klasse. Wenn Bedarf für eine integrierte Schule mit einer eigenen gymnasialen Oberstufe besteht, kann eine mindestens vierzügige Gesamtschule gegründet werden. Die bisher für Gesamtschulen geltende Errichtungsgröße von 28 Schülerinnen und Schülern pro Klasse wird auf 25 (wie bei der Sekundarschule) abgesenkt. Kann die Sekundarschule auch mit Teilstandorten geführt werden? Horizontale Teilstandortbildungen mit allen Parallelklassen mehrerer Jahrgänge an einem und allen Parallelklassen der übrigen Jahrgänge an anderen Teilstandorten sind möglich. Eine insgesamt mindestens fünfzügige Sekundarschule kann auch einen Teilstandort mit zwei Parallelklassen aller Jahrgänge führen (vertikale Gliederung), wenn damit das letzte weiterführende Schulangebot in einer Gemeinde gesichert wird. Dadurch soll gerade im ländlichen Raum ein wohnortnahes Schulangebot gesichert werden. Weitere Karl-Josef Laumann (CDU), Sylvia Löhrmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Norbert Röttgen (CDU) und Hannelore Kraft (SPD) bei der Pressekonferenz zum Schulkonsens am 19. Juli 2011; Foto: www.nrw.de Schule NRW Sonderausgabe Schulkonsens/Sekundarschule – 12/2011 27 S E K U N DA R S C H U L E (Obere Schulaufsicht) oder durch eine andere Stelle ein Moderationsverfahren durchführen lassen. Die kommunalen Schulträger und die Träger von privaten Ersatzschulen informieren sich gegenseitig über ihre Planungen. Was wird jetzt aus Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien? Die Sekundarschule ist Lern- und Lebensort für alle Kinder. Ausnahmen sind in begründeten Einzelfällen möglich, wenn dadurch das fachliche Angebot und die Qualitätsstandards nicht eingeschränkt werden. Wenn sie vor Ort gewollt sind und genügend Anmeldungen haben, bleiben sie bestehen. Von Landesseite wird keine Schulform abgeschafft. Löst ein kommunaler Schulträger eine Schule auf, werden keine Eingangsklassen mehr gebildet. Die aufzulösende Schule behält ihre bisherigen Schülerinnen und Schüler, damit sie ohne Schulwechsel den begonnenen Bildungsgang abschließen können (Vertrauensschutz). Wer entscheidet, wo eine Sekundarschule gegründet wird? Gibt es weiterhin Gesamtschulen? Die Schulentwicklungsplanung ist Aufgabe der kommunalen Schulträger (Städte und Gemeinden). Die Gründung einer Sekundarschule, die in der Regel aus der Zusammenführung verschiedener Schulformen erfolgt, ist möglich, wenn hierfür ein Bedürfnis besteht (Schülerzahlentwicklung und Elternwille) und die Mindestgröße gesichert ist. Sekundarschulen können auch durch den Zusammenschluss von Schulen benachbarter Schulträger entstehen. Die Errichtung einer Sekundarschule und die damit einhergehende Auflösung bestehender Schulen wird vom kommunalen Schulträger unter Einbindung der betroffenen Schulkonferenzen und in Abstimmung mit gegebenenfalls betroffenen benachbarten kommunalen Schulträgern beschlossen. Der Beschluss bedarf der Genehmigung durch die zuständige Schulaufsichtsbehörde und der Zustimmung des Schulministeriums NRW. Sekundarschulen können auch von privaten Schulträgern errichtet werden, wenn dabei das Prinzip der Gleichwertigkeit gewahrt wird. Ja. Für neue Gesamtschulen gilt künftig eine niedrigere Errichtungsgröße. Statt 112 Anmeldungen sind künftig nur noch mindestens 100 Anmeldungen für vier Parallelklassen erforderlich. Wann können die ersten Sekundarschulen starten? Das 6. Schulrechtsänderungsgesetz, dessen Kernelement die Sekundarschule ist, wurde am 20. Oktober 2011 von den Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU im Landtag verabschiedet. Auf dieser gesetzlichen Grundlage können die ersten Sekundarschulen zum Schuljahr 2012/2013 an den Start gehen. Kommunen, die bisher eine Gemeinschaftsschule oder eine Verbundschule gründen wollten, können nun stattdessen eine Sekundarschule oder eine Gesamtschule planen. Was geschieht, wenn es über die Gründung unter den Kommunen Streit gibt? Die Errichtung einer Sekundarschule soll im größtmöglichen regionalen Konsens erfolgen. Gelingt dies nicht, kann jeder der beteiligten Schulträger durch die jeweilige Bezirksregierung 28 Weitere Informationen zur Sekundarschule unter: www.schulministerium.nrw.de/BP/Sekundarschule/ index.html Schule NRW Sonderausgabe Schulkonsens/Sekundarschule – 12/2011 S E K U N DA R S C H U L E Leitfaden für Schulen und Gemeinden Schulträger, die eine Sekundarschule errichten möchten, finden dazu einen Leitfaden im Bildungsportal. Dieser soll die Akteure vor Ort bei ihren Planungen unterstützen. Das nachstehend abgedruckte Antrags- und Genehmigungsverfahren ist Teil des Leitfadens. „Antrags- und Genehmigungsverfahren Schulträger können ab sofort Anträge auf Errichtung einer Sekundarschule stellen. Anträge auf Errichtung zum 1.8.2012 müssen der zuständigen Bezirksregierung bis zum 31.12.2011 vorliegen. Die Genehmigungen werden durch die Bezirksregierungen erteilt. Sie bedürfen der vorherigen Zustimmung des Ministeriums für Schule und Weiterbildung. Zu den Antragsunterlagen gehören insbesondere die Beschlussfassung des Rates der Stadt/Gemeinde zur Errichtung der Schule, das Ergebnis der Bedürfnisprüfung, das Ergebnis der interkommunalen Abstimmung, eine anlassbezogene Schulentwicklungsplanung der Kommune, die Vorlage mindestens einer Vereinbarung zur verbindlichen Kooperation mit einer Schule, die den Erwerb der allgemeinen Hochschulreife ermöglicht, die Schulkonferenzbeschlüsse der Schulen, deren schrittweise Auflösung ggf. geplant ist sowie Aussagen zu baulichen Voraussetzungen für die zu errichtende Schule. Der Antrag muss auch Aussagen zur beantragten Zügigkeit der Schule und zur geplanten Organisationsform der Sekundar- schule (integriert, teilintegriert oder kooperativ) enthalten. Sofern Teilstandorte eingerichtet werden sollen, muss mit der Antragstellung dargelegt werden, wie dies schulorganisatorisch umgesetzt wird und wie die Vorgaben der APO-S I an allen Standorten erfüllt werden können. Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner Für die Antragstellung zur Errichtung einer Sekundarschule sind die Bezirksregierungen zuständig. Bezirk Arnsberg – Frau Ines Verhaaren, Tel.: 02931-823313, Mail: ines.verhaaren@bezreg-arnsberg.nrw.de Bezirk Detmold – Frau Maria Kisting-Dierker, Tel.: 05231-714800, Mail: maria.kisting-dierker@brdt.nrw.de Bezirk Düsseldorf - Frau Brunhilde Schoel, Tel.: 0211-4755665, Mail: brunhilde.schoel.@brd.nrw.de Bezirk Köln – Frau Marianne Moors, Tel.: 0221-1472548, Mail: marianne.moors@brk.nrw.de Bezirk Münster – Herr Martin Risse, Tel: 0251-4114109, Mail: martin.risse@brms.nrw.de Auskünfte zu allgemeinen Fragen der Sekundarschule erhalten Sie bei der Projektgruppe „Regionale Schulentwicklung – Sekundarschule“ im Ministerium für Schule und Weiterbildung NRW. Rainer Michaelis, Leiter der Projektgruppe „Regionale Schulentwicklung – Sekundarschule“ im MSW, Tel. 0211-5867-3630, rainer.michaelis@msw.nrw.de.“ Zeitplan für den Start von Sekundarschulen im Schuljahr 2012/2013 Stand: 15.11.2011 Genehmigungsverfahren Zeitplan Abstimmung mit Nachbarkommunen 11 – 12 / 2011 Entscheidung der Schulkonferenzen 11 – 12 / 2011 Entscheidung der kommunalen Gremien 11 – 12 / 2011 Antragstellung über BR an MSW Eingang BR bis 31.12.2011 Entscheidung MSW Bis spätestens Anfang 02 / 2012 Anmeldeverfahren und Vorbereitung des Schulstarts Zeitplan Bestellung der kommissarischen Schulleitung durch BR Bis Mitte 02 / 2012 (Anmeldeverfahren) Anmeldeverfahren 02 / 03 2012 Organisatorische + pädagogische Vorbereitung erstes Schuljahr Ab 01 / 2012 (Zeitpunkt der Genehmigung) Personalmaßnahmen Lehrer durch BR Ab 01 / 2012 (Zeitpunkt der Genehmigung) Start 22.08.2012 Schule NRW Sonderausgabe Schulkonsens/Sekundarschule – 12/2011 29 G A N Z TA G Ganztag in der Sekundarschule Rechtliche und pädagogische Rahmenbedingungen in der Schule der Zukunft Dr. Norbert Reichel, MSW, Referatsleiter: Ganztag in der Schule, Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe In Nordrhein-Westfalen gibt es Ganztagsschulen seit den siebziger Jahren, zunächst in den Gesamtschulen, später auch in anderen Schulformen. Seit 2003 stieg die Zahl der Ganztagsschulen sprunghaft an, erst im Primarbereich, später in der Sekundarstufe I. Inzwischen haben etwa 70 Prozent der Schulen einen Ganztagsbetrieb – im Primarbereich in der Regel in offener Form, in der Sekundarstufe I in gebundener Form. Die zukünftigen Sekundarschulen werden in der Regel alle im gebundenen Ganztagsbetrieb arbeiten. Regelmäßige Teilnahme führt zum Erfolg In offenen Ganztagsschulen nimmt nur ein Teil der Schülerinnen und Schüler am Ganztag teil, in gebundenen hingegen die gesamte Schülerschaft. In Nordrhein-Westfalen gibt es beide Formen des Ganztags als Mischung von freiwilligen und verpflichtenden Angeboten. So verfügt etwa die gebundene Ganztagsschule in der Sekundarstufe I über einen pflichtigen Zeitrahmen von drei Tagen zu jeweils sieben Zeitstunden, sie ist jedoch verpflichtet, darüber hinaus im Rahmen ihres Stellenzuschlags auch freiwillige Angebote durchzuführen. Die beiden größten wissenschaftlichen Untersuchungen zum Ganztag sind die bundesweite Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen (www.projekt-steg.de) und die nordrhein-westfälische Bildungsberichterstattung Ganztagsschule (www.bildungsberichtganztag.de). Sie belegen, unter welchen Bedingungen der Ganztag das Lernverhalten und das soziale Klima der Schulen deutlich positiv beeinflusst: Belegbar ist, dass wenn Kinder und Jugendliche regelmäßig am Angebot teilnehmen, Ziele der Ganztagsbildung befördert werden, 30 heterogene Lerngruppen im Ganztag die Akzeptanz und Qualität positiv beeinflussen, eine gute Rhythmisierung des Ganztags aus der Sicht des einzelnen Kindes beziehungsweise Jugendlichen den größten Erfolg verspricht, dieser Rhythmisierung Grenzen gesetzt sind, wenn nur ein Teil der Kinder der jeweiligen Schule am Ganztag teilnimmt, die Weiterentwicklung von Hausaufgaben zu Schulaufgaben die schulischen Lernleistungen ebenso wie die außerschulischen Aktivitäten befördert und für eine erfolgreiche Bildungsförderung die enge Verknüpfung schulischen und außerschulischen, formellen und informellen Lernens hilfreich ist. Ganztagsbildung als Leitbild zukunftsorientierter Schulentwicklung Ganztagsbildung fungiert als Leitbild für umfassende wohnortnahe Bildungs- und Erziehungsangebote. Sie wird nachgefragt und angeboten in der Schule – auch in Räumen im Umfeld der Schule – aber immer unter dem Dach des Ganztags und Gesundes Mittagessen im Ganztag; Foto: Alex Büttner Schule NRW Sonderausgabe Schulkonsens/Sekundarschule – 12/2011 G A N Z TA G ausgeführt von einem multiprofessionellen Team. Die Schulentwicklung weist hier somit weit über traditionell schulische Ansätze hinaus. Denn: Wer eine nachhaltig wirksame Schulentwicklung betreibt, muss sich auch auf die Entwicklungsbedarfe anderer Einrichtungen einstellen, in denen Kinder und Jugendliche leben und lernen. Grundsätzlich enthält die Ganztagsbildung drei Elemente: In Ganztagsschulen entstehen neue Formen der Rhythmisierung, der Stundentaktung, neue Modelle für Pausenzeiten, für Bewegung, gesunde Ernährung und kulturelle Angebote. Hausaufgaben gehen zunehmend in integrierte Lernzeiten auf, auch um Kinder und Jugendliche sowie Eltern weitestgehend davon zu entlasten, sich zu Hause mit schulischen Angelegenheiten zu befassen. Im Ganztag erhält – neben der Bildungsförderung – die erzieherische Förderung einen neuen Stellenwert. Von Bedeutung sind gleichermaßen eine zielgruppendifferenzierte Elternarbeit, die Beteiligung der Kinder und Jugendlichen an Konzeption und Umsetzung der Angebote sowie die Zusammenarbeit der Schule mit Einrichtungen der Hilfen zur Erziehung. Ganztagsbildung trägt in diesem Sinne auch zur Familienbildung bei. Schule öffnet sich seit der Einführung von Ganztagsangeboten immer mehr für die Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern aus Jugendhilfe, Kultur, Sport und Wirtschaft, die sich wiederum deutlich und mehrheitlich für die Schule öffnen. Schule könnte sich in manchen Regionen so zu einem sozialen oder kulturellen Zentrum des Stadtteils, der Gemeinde oder sogar der Region entwickeln. Trägermodell führt Schule, Jugendhilfe, Kultur und Sport zusammen Das Landesprogramm „Geld oder Stelle“ sorgt dafür, dass Schulen die Mitwirkung des Personals von außerschulischen Trägern finanzieren können. Für diesen Zweck kann etwa ein Drittel der Lehrerstellen genutzt werden, die für den Ganztag zusätzlich zur Verfügung stehen. Kern des nordrhein-westfälischen Ganztags ist das sogenannte „Trägermodell“, die Aufteilung der Anstellungsträgerschaften für das im Ganztag tätige Personal zwischen dem Land auf der einen Seite und den Kommunen oder freien Trägern auf der anderen Seite. Das Land ist ausschließlich für die Anstellung von Lehrkräften und in Ausnahmefällen auch für Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen zuständig, die auf Lehrerstellen beschäftigt sind. Alle anderen im Ganztag tätigen Personen werden entweder von der Kommune als Schulträger oder Träger der öffentlichen Jugendhilfe oder von einem Träger der freien Jugendhilfe, des Sports, der kulturellen Bildung oder eines weiteren Bildungsangebots angestellt. Die Auswahl des Personals erfolgt im Einvernehmen zwischen allen Beteiligten, das heißt Schule, Kommune und außerschulischem Träger. Auf diese Weise wird die Autonomie der beteiligten Träger gewährleistet. So sichern sich diese ihre rechtlichen Vorteile, beispielsweise im Hinblick auf das Arbeits- und Steuerrecht. Die konkrete Zusammenarbeit wird in Kooperationsvereinbarungen geregelt. Diese Vereinbarungen, die Schulträger, Schulen und freie Träger miteinander abschließen, um ihre Zusammenarbeit zu regeln, sind eine Art Geschäftsordnung, die klärt, wie beispielsweise Konzepte entwickelt und um gesetzt werden. Sie sollten auch Verfahren enthalten, mit denen Konflikte konstruktiv ausgetragen werDer Ganztag bietet mehr Zeit fürs Lesen und andere kulturelle Angebote; Foto: Gudrun Petersen den können. Schule NRW Sonderausgabe Schulkonsens/Sekundarschule – 12/2011 31 G A N Z TA G Ausblick Am 20. Mai 2011 hat die von der Landesregierung einberufene Bildungskonferenz Empfehlungen zur Zukunft des Ganztags vorgelegt. Beteiligt waren alle Verbände und Institutionen, die sich maßgeblich im Ganztag engagieren. Ein flächendeckendes Ganztagsangebot bis 2020 erscheint den beteiligten Verbänden erreichbar. Wesentliche Rahmenbedingungen sollten gesetzlich geklärt, Standards entwickelt und vereinbart werden. Neue Modelle für Pausenzeiten und Bewegung im Ganztag In welcher Geschwindigkeit der Ganztag sich jedoch weiterentwickelt, hängt nicht zuletzt von der Finanzausstattung in Bund, Ländern und Kommunen ab, sowie von der wachsenden Nachfrage von Eltern, Kindern und Jugendlichen. Gefordert sind gleichermaßen Land, Kommunen und der Bund. So sollte das sogenannte „Kooperationsverbot“ zwischen Bund, Ländern und Kommunen möglichst bald aufgehoben werden. Zum Weiterlesen: Einige zentrale Unterstützungsleistungen im Überblick Rechtliche Rahmenbedingungen: Erlasse unter: www.schulministerium.nrw.de, dort unter: Ganztag Arbeitshilfe Recht im Ganztag unter: www.ganztag.nrw.de/recht Unterstützungsangebote für kommunale Vernetzung: Regionale Bildungsnetzwerke unter: www.schulministerium.nrw.de, dort unter: Regionale Bildungsnetzwerke Unterstützung von Qualitätszirkeln zum Ganztag unter: www.ganztag.nrw.de/front_content.php?idcat=222 Fachliche Beratung, Qualifizierung und Unterstützung: Serviceagentur Ganztägig Lernen in Nordrhein-Westfalen unter: www.ganztag.nrw.de Kulturelle Bildung unter: www.kulturellebildung-nrw.de Schulverpflegung unter: www.schulverpflegung.vz-nrw.de Bewegung, Spiel und Sport unter: www.wir-im-sport.de Fortbildung unter: www.ganztag-blk.de Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung: QUIGS unter: www.ganztag.nrw.de/front_content.php?idcat=597&idart=846 Qualitätsrahmen für den Ganztag für die Weiterbildung unter: www.schulministerium.nrw.de/BP/Schulsystem/ Ganztagsbetreuung/Qualitaetsentwicklung_Fortbildung/Vereinbarung.pdf Ein Ausblick auf Entwicklungen in anderen Bundesländern: www.ganztaegig-lernen.org www.ganztagsschulen.org 32 Schule NRW Sonderausgabe Schulkonsens/Sekundarschule – 12/2011 GEMEINSCHAFTSSCHULEN I VERBUNDSCHULEN Die Zukunft der Gemeinschaftsund Verbundschulen Reinhold Heimer, MSW Mitglied der Projektgruppe Regionale Schulentwicklung-Sekundarschule Das 6. Schulrechtsänderungsgesetz enthält als ein Kernelement die Einführung der Sekundarschule als neue Regelschulform neben den anderen bereits existierenden Schulformen. Die neue Regelschulform Sekundarschule stellt einen Kompromiss dar zwischen den Konzepten der Gemeinschaftsschule, die in einem begrenzten Schulversuch gemäß § 25 SchulG an zwölf Standorten erprobt wird, und des organisatorischen Zusammenschlusses von Schulen gemäß § 83 SchulG, der sogenannten Verbundschule. Schulen haben Vertrauensschutz Beide bisherigen Konzepte werden mittelfristig zugunsten der neuen Sekundarschule aufgegeben. Diese Konsequenz ist folgerichtig, zumal die Sekundarschule nach Entscheidung der zuständigen Gremien ab Klasse 7 sowohl integriert, teilintegriert als auch kooperativ geführt werden kann. Für die Betroffenen besteht aber kein Grund zur Sorge: Alle Schulen im organisatorischen Verbund (Verbundschulen) und alle Gemeinschaftsschulen (Schulversuch) können bis zum Ablauf des Schuljahres 2019/2020 und danach auslaufend nach den geltenden Bestimmungen arbeiten. Damit wird gewährleistet, dass jedes Kind, das bis zu diesem Zeitpunkt an einer Gemeinschaftsschule oder an einer Schule im organisatorischen Verbund (Verbundschule) eingeschult wurde, seinen Bildungsgang unter den Aufnahmebedingungen durchlaufen und die jeweils angestrebten Abschlüsse erwerben kann. Ab dem 1. August 2020 werden diese Schulen gesetzlich aufbauend überführt: Die Schulen im organisatorischen Verbund (Verbundschulen) werden zu Sekundarschulen. Die Schulen, die am Schulversuch „Längeres gemeinsames Lernen – Gemeinschaftsschule“ teilneh- men, werden zu Sekundarschulen, sofern sie nur die Sekundarstufe I umfassen, oder zu Gesamtschulen, sofern sie die Sekundarstufen I und II umfassen. Dabei muss jeweils die gesetzliche Mindestgröße (Sekundarschulen: dreizügig; Gesamtschulen: vierzügig) gewährleistet sein. Auf Antrag des Schulträgers ist die Überführung auch schon vorher möglich. Bis zu neun Jahre Zeit für Planung Für die Akteure an jedem einzelnen Standort – Schulträger, Eltern, Schülerinnen und Schüler sowie Schulleitung, Lehrkräfte, außerschulische Kooperationspartner und die Schulaufsicht – ergibt sich ein hinreichend bemessener Planungszeitraum von bis zu neun Jahren, um sich konzeptionell und organisatorisch auf die Überführung in eine Sekundarschule oder in eine Gesamtschule vorzubereiten. In diesem Prozess, der von der Schulaufsicht begleitet werden wird, können die betroffenen Schulen rechtzeitig und ohne Zeitdruck ihre Profile und pädagogischen Konzepte an die neue Schulform anpassen. Dabei werden sie auch profitieren können von dem zu erwartenden jährlichen Zuwachs an Sekundarschulen und den dort gemachten Erfahrungen. Die Gemeinschaftsschule Rheinberg arbeitet bereits seit September 2011; Foto: Gudrun Petersen Schule NRW Sonderausgabe Schulkonsens/Sekundarschule – 12/2011 33 BASS 2011/2012 gibt Halt in allen Fragen des Schulrechts Die BASS bietet Ihnen l alle am 1. 7. 2011 gültigen Schulvorschriften l einfache Handhabung: OM R D LS C A H H! C AUC I L T L ERHÄ Jetzt wieder mit praktischem Griffregister l umfangreiches Stichwortverzeichnis l chronologische/systematische l intelligentes Übersichten Querverweissystem Jetzt bestellen! Die BASS ist l amtlich l verbindlich l unentbehrlich Telefon: 02234.18660 Email: schule@ritterbach.de www.schul-welt.de Die BASS (Bereinigte Amtliche Sammlung der Schulvorschriften des Landes NRW) kostet 56,- Euro. Abonnenten von Schule NRW erhalten die BASS kostenlos. Ein zusätzliches Exemplar für Abonnenten kostet 48,- Euro. Bestellen Sie jetzt!