Daten
Kommune
Pulheim
Größe
3,2 MB
Datum
01.02.2012
Erstellt
23.01.12, 19:35
Aktualisiert
23.01.12, 19:35
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Herausforderungen der ‚StadtLandschaft‘
in der Metropolregion Köln /Bonn
Zukunft gemeinsam gestalten
‚masterplan :grün’, Version 3.0
Entwurf zur regionalen Abstimmung, Stand: Oktober 2011
Herausforderungen der ‚StadtLandschaft‘
in der Metropolregion Köln /Bonn
Zukunft gemeinsam gestalten
‚masterplan :grün’, Version 3.0
Entwurf zur regionalen Abstimmung, Stand: Oktober 2011
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Inhaltsverzeichnis
Seite
Seite
Seite
Seite
Seite
Seite
05 Zusammenfassung
07 Vorwort
09 Präambel: Was Ihnen der Masterplan 3.0 bietet
13 Die einführende Idee: Die Herausforderungen der ‚StadtLandschaft’ gemeinsam meistern
17 Vielfalt im Herzen Europas: Beschreibung und Genese der Landschaften in der Metropolregion Köln/Bonn
23 Der Blick nach vorn: Perspektiven der Raumentwicklung in der Region
Seite 27 Natur und Kultur in ihrer höchsten Verdichtung: Das Netzwerk der Kulturlandschaften
Seite 53 Aus Sicht der einzelnen Disziplinen: Sektorale Anforderungen an das Netzwerk der Kulturlandschaften
Seite 54
Seite 58
Seite 62
Seite 68
Seite 72
Seite 78
Seite 82
Seite 86
Seite 90
Seite 96
• Fachbeitrag Siedlungsentwicklung: Wachstum und Stabilität in der ‚StadtLandschaft’ steuern
• Fachbeitrag Wasser: Qualität im Fluss
• Fachbeitrag Kulturlandschaft und kulturelles Erbe: Die Grundlage regionaler Identität
• Fachbeitrag Naturschutz und Landschaftspflege: Lebensräume sichern und verbinden
• Fachbeitrag Klimawandel und Luftreinhaltung: Mit dem Klimawandel leben
• Fachbeitrag Landwirtschaft und Gartenbau: Gemeinsam für lebendige Landschaften
• Fachbeitrag Forstwirtschaft: Wald und Holz als Ressource der Zukunft
• Fachbeitrag Ressourcenlandschaft: Behutsamer und vorausschauender Umgang mit Ressourcen
• Fachbeitrag Freizeit und Erholung: Erholungswert als Lebensqualität und Standortfaktor
• Fachbeitrag Rhein: Stromlage Rhein – Neue Dynamik am Fluss
Seite 101 Auf den Punkt gebracht: Chancen- und Konfliktfelder in der Region
Seite 121 Leitlinien für die Gestaltung der Region: eine Zusammenschau der Herausforderungen und Qualitätsziele
Seite 127 Innovation und Qualität als Marke: Das Zusammenspiel von informeller und formeller Planung
Seite 130 Anhang
Seite 136 Impressum
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Zusammenfassung
Die Region Köln/Bonn ist eine „grüne Metropolregion“ mit
großer Wirtschaftskraft und zugleich hoher Lebensqualität.
Wie keine andere Metropolregion in Europa ist sie geprägt
vom räumlichen Mit- beziehungsweise „In“-einander der
städtischen Zentren am Rhein und der vielfältigen Landschaftsräume rechts und links des Stroms. Zwischen dem
Bayer-Kreuz im Norden und dem Drachenfels im Süden, den
Braunkohletagebauen im Westen und der oberbergischen
Talsperrenlandschaft im Osten der Region spannt sich ein
Raum auf, der durch seine Vielfalt besticht.
Für die Region Köln/Bonn erwächst daraus die Aufgabe,
ihren Raum als Basis-Infrastrukturgut für jegliches gesellschaftliches Wirken qualitativ und zukunftsfähig zu gestalten.
Diese Absicht liegt dem vorliegenden ‚masterplan :grün’
in seiner nunmehr dritten Fassung zugrunde. Es geht um
die Infrastruktur einer dynamischen Landschaft, die sich
entsprechend ihrer Nutzung im Laufe der Zeit verändert hat
und weiter verändert. Ziel des Masterplans ist es auch, diese
Landschaft intensiver als bisher erfahren und erleben zu
können. Das reicht von ihrem Erhalt über die Entwicklung
und Aufwertung der Landschaft bis zu ihrer nachhaltigen
Nutzung.
Das Fundament für die Schaffung dieser Infrastruktur der
Gegenwart und Zukunft bildet eine Analyse der Großland
schaften und Naturräume von der Börde über den Bal
lungsraum Rhein-Sieg bis hin zum Bergischen Land und
zur Mittelrheinischen Pforte. Zu den Ergebnissen dieser
Beschreibung gehören die Erfassung der Genese der Land
schaften, das Herausstellen ihrer Charakteristika und eine
Untersuchung der Perspektiven der Landschaftsentwicklung.
Diese bezieht sich in erster Linie auf das Natur- und Kultur
erbe der Landschaft. So können jene Kulturlandschaftsbereiche herausgearbeitet werden, die eine besonders
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wertvolle und für die Großlandschaften beispielhafte kultu
relle und ökologische Ausstattung besitzen. Sie werden über
Auen-, Wald- und Freiraumkorridore mit den feinnervigen
Gewässernetzen der Quellregionen der Flüsse und den inner
städtischen Freiraumnetzen verbunden. So entsteht ein „blaugrünes“ Netzwerk der Kulturlandschaften in der Metropol
region Köln/Bonn mit dem Rhein als zentralem Rückgrat.
Dessen Mittelpunkt bildet die ‚StadtLandschaft´. Ihre aktive
zukünftige Gestaltung ermöglicht es, dass die Übergänge
zwischen Stadt und Landschaft erkennbar bleiben und beide
nicht in einem urbanen „Einheitsbrei“ ihr Gesicht verlieren.
Oberstes Ziel der Masterplanung ist daher die Erhaltung
und Entwicklung einer vielfältigen und facettenreichen
‚StadtLandschaft’ mit klar definierten Räumen und Identitäten.
Um auch praxis- und zukunftsorientierte Projekte vor Ort in
das Netzwerk der Kulturlandschaften einbetten zu können,
werden über Fachbeiträge einerseits die Grundgüter und
Ressourcen, die die Landschaft bestimmen, sowie anderer
seits die die Landschaft verändernden und gestaltenden
Nutzungen dargestellt. So stehen die Themen Wasser, Naturschutz, Landschaftspflege, Klima und Luftreinhaltung
den Themen Siedlungsentwicklung, Landwirtschaft, Gartenbau, Forstwirtschaft, Rohstoff- und Energiegewinnung
sowie Freizeit und Erholung gegenüber. Eine besondere
Rolle kommt dem Rhein zu: Er wird als Querschnittsthema
in einem eigenen Fachbeitrag hervorgehoben.
Eine Realisierung der Projekte vor Ort kann aber nur erfolg
reich sein, wenn darüber hinaus eine Bewertung des Raumes vorgenommen wird und die regionalen Chancen- und
Konfliktfelder in einer Raumanalyse einander gegenübergestellt werden. Dies erfolgt in engem Bezug zu den zuvor
dargestellten Fachbeiträgen. So erst wird es möglich,
landschaftsbezogene Herausforderungen und Qualitäts-
ziele themenbezogen zu formulieren und ein Instrumentarium zum Schutz, zur Pflege und zur Gestaltung einer
nachhaltigen Landschaft zu entwickeln.
Aus der Zusammenfassung aller Herausforderungen und
Qualitätsziele resultiert dabei eine zentrale Leitlinie für
die Siedlungsentwicklung der ‚StadtLandschaft“. Zugleich
lassen sich sowohl ökologisch-kulturelle Leitlinien zu
den Themen Wasser, Natur- und Kulturerbe und Klima
als auch ökologisch-ökonomische Leitlinien zu Land- und
Forstwirtschaft und Ressourcenlandschaft definieren.
Abgerundet werden die Ausführungen des Masterplans
durch soziale Leitlinien zu Freizeit und Erholung sowie
querschnittsorientierte Leitlinien zum Thema Rhein.
So gesehen gibt der ‚masterplan :grün’ mit seinem
Kulturlandschaftsnetzwerk und seinen Fachbeiträgen
eine Matrix und Leitlinien für eine zukunftsweisende
Gestaltung und Entwicklung der Landschaft in der
Metropolregion Köln/Bonn vor. Er wird zur Grundlage für
Projekte und Maßnahmen, die die Qualitäten von Landschaft verbessern, wiederherstellen oder neu schaffen.
Auf diese Art und Weise lenkt er vor Ort qualitativ die
Konzeption und Umsetzung der einzelnen Projekte.
Gleichermaßen funktioniert der ‚masterplan :grün’ jedoch
nur, wenn die regionalen Akteure sich kooperativ zusammenfinden. Daher ruft er zu einer umfassenden interkommunalen und regionalen Kommunikation und Information
über die Landschaften der Region auf. Durch Information
und Diskussion sowie durch Bildung und Ausbildung soll
die vielfältige Bedeutung des räumlichen Umfeldes für die
Lebensqualität in der Region vermittelt werden. So ist jede
Bürgerin und jeder Bürger der Metropolregion Köln/Bonn
aufgerufen, seine Region aktiver und bewusster als zuvor
zu erfahren und zu erleben.
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Von der Historie bis zur Gegenwart
Mit dem Brief vom 9. Februar 2001 regt der Landrat des
Rhein-Erft-Kreises Werner Stump beim Oberbürgermeister
der Stadt Köln an, raumübergreifend einen weiteren Grüngürtel linksrheinisch von Köln anzulegen und zu gestalten,
in den schließlich der gesamte Großraum Köln/Bonn
einbezogen wurde. Dies war die Grundlage und Geburtsstunde einer Grünraumplanung, aus der der spätere
Masterplan hervorgegangen ist.
Vorwort
Wer schon einmal versucht hat, sich der Metropolregion
Köln/Bonn und ihren Landschaften anzunähern, der weiß,
wie unterschiedlich und spannend diese sind. Die Vielfalt
mit ihren besonderen Qualitäten ist es, die das landschaftliche Gesamtbild der Region prägt. Da sind im Osten die
bewaldeten Höhenzüge des Bergischen Landes mit seinen
zahlreichen Tälern, die schon früh industriell genutzt wurden. Sie gehen über in die dicht besiedelte Rheinschiene
mit den wirtschaftlichen und kulturellen Zentren Köln,
Bonn und Leverkusen. Im Westen der Region folgt eine
Landschaft, die von gewaltigen Tagebaugebieten sowie
Wäldern, Seen und ausgedehnten Agrarflächen geprägt
ist. Vom Worringer Bruch im Norden bis zum Siebengebirge im Süden spannt sich so entlang des Rheins und seiner
zahlreichen Nebenflüsse eine Kulturlandschaft auf, die
ihresgleichen sucht. Trotz aller Vielfalt sind ihre unterschiedlichen Bereiche dabei stets ein Teil des Ganzen –
der Metropolregion Köln/Bonn.
Als bauliche Zeichen der Geschichte und Kultur dieser Region finden sich hier sowohl Klöster und Burgen als auch
alte Römerstraßen und Relikte der Industriegeschichte.
Sie sollen ebenso geschützt und behutsam weiter entwickelt werden wie die Landschaften mit ihrem reichen
Naturerbe. Denn sie sind es, die dafür sorgen, dass die
Region Köln/Bonn eine „grüne Metropolregion“ mit großer
Wirtschaftskraft und zugleich hoher Lebensqualität ist
und bleibt. Wussten Sie, dass es im europäischen Maßstab
keine andere Metropolregion gibt, die bezüglich des Flächenanteils so grün ist wie die Region Köln/Bonn?
Dies zeigt: Die Lebensqualität in der Metropolregion
Köln/Bonn ist hoch. Und sie ist im Wettbewerb der Regionen längst zum Standortfaktor geworden, den es zu
nutzen und auszubauen gilt. Daher sollte es ein wesentliches Ziel sein, diese Attraktivität strategisch weiterzu-
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entwickeln, die unmittelbare Verzahnung zwischen dem
Landschaftsraum und den städtischen Arbeitszentren zu
wahren und zugleich Freiräume zu sichern und zu vernetzen. Mit dieser Masterplanung geht die Metropolregion Köln/Bonn einen innovativen Weg, auch hinsichtlich
der Aufwertung der regionalen Potenziale in Tourismus
und Naherholung.
Eines sollte in diesem Zusammenhang besonders betont
werden: Landschaften enden nicht an kommunalen Grenzen oder den Grenzen der Landkreise. Sie orientieren sich
vielmehr an den waldreichen Höhenzügen der Mittelgebirge,
den Ebenen der Börde sowie insbesondere am Verlauf von
Flüssen wie Rhein, Erft, Wupper, Dhünn, Sieg, Agger oder
Bröl, die ein System der „blauen Adern“ in der Region
bilden. Aufgabe für die Zukunft wird es daher sein, die
Entwicklungen dieser Landschaftsräume mit ihren Flusssystemen in der Metropolregion Köln/Bonn gemeinsam
zu gestalten. Das ist die große Herausforderung, der wir
uns mit dem ,masterplan :grün’ und seinem Netzwerk der
Kulturlandschaften stellen.
Der Schlüssel dazu ist die regionale Kooperation. Dabei
wurden erste Schritte einer regionalen Zusammenarbeit
zum Thema „Grün“ bereits im Dezember 2000 eingeleitet,
als der regionale Arbeitskreis Natur und Landschaft ins
Leben gerufen wurde. Heute wird regionale Kooperation in
der Metropolregion Köln/Bonn als ein Selbstverständnis
von Politik, Wirtschaft, Bürgerinnen und Bürgern verstanden. Unsere Chance liegt darin, dass wir als „grüne
Metropolregion“ bereits sehr gut aufgestellt sind. Auf die
Zukunft gerichtet, müssen wir diese Chance gemeinsam
anpacken und nutzen. Natürlich wollen wir dabei künftig
auch eine wirtschaftlich starke und prosperierende Region
sein und bleiben. Die starke Vernetzung der Zentren mit
der Landschaft jedoch ist ein wesentlicher Aspekt der
angestrebten Entwicklung, gerade in einer Region, die in
den nächsten Jahren weiter wachsen wird.
Wie dies in der Praxis aussehen könnte, beschreibt Ihnen
die vorliegende Version 3.0 des ,masterplan :grün’. Über
das Netzwerk unserer Kulturlandschaften werden so die
Wettbewerbsfähigkeit und Lebensqualität der R
egion
verbessert. Der Masterplan versteht sich in diesem
Sinne als Qualitätskompass für die Umsetzung einer Art
Landschaftskonvention der Metropolregion Köln/Bonn im
Sinne der Europäischen Landschaftskonvention. Dies alles
fordert ein umfassendes und ganzheitliches Verständnis
von Landschaft. Landschaft ist der Raum, wie er von
seinen Bewohnern und Besuchern wahrgenommen wird,
und zugleich das Ergebnis der Einwirkungen von Natur
und Mensch.
Gelingt es dem ‚masterplan: grün’ der prosperierenden
Metropolregion Köln/Bonn neue Impulse für eine nachhaltige Infrastruktur der Zukunft zu geben, dann wird
diese Region für Deutschland und Europa nicht nur ein
wirtschaftlicher, sozialer und kultureller, sondern auch
ein „grüner Motor“ sein. In diesem Sinne sind wir alle
aufgefordert, an der Idee und den Zielen der Masterplanung sowie vor allem an deren erfolgreicher Realisierung
mitzuwirken.
Werner Stump, Landrat Rhein-Erft-Kreis,
Vorsitzender des Region Köln/Bonn e.V.
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Kapitelbezeichnung
Präambel: Was Ihnen der Masterplan 3.0 bietet
Ihre Wurzeln hat die Erarbeitung des ‚masterplan :grün’
in der Gründung des regionalen Arbeitskreises Natur und
Landschaft im Jahr 20001. In diesem Jahr hatte Werner
Stump, Landrat des Erftkreises (heute Rhein-Erft-Kreis),
dem damaligen Kölner Oberbürgermeister Fritz Schramma
vorgeschlagen, im Linksrheinischen eine gemeinsame
regionale Grünvernetzung unter dem Arbeitstitel „Dritter
Grüngürtel Köln“ zu planen und zu realisieren. Der Kölner
Oberbürgermeister stimmte dem Vorschlag zu. Es war die
Geburtsstunde der Kooperation zur regionalen Grünvernetzung der Region und zugleich das Startsignal für den
Arbeitskreis. Eine Neuorientierung der regionalen Zusam
menarbeit war auch deshalb wichtig, weil seinerzeit vor
allem das Fehlen auf die Region Köln/Bonn bezogener
Planungsgrundlagen beklagt wurde.
ten sowie sektorale Anforderungen an die Kulturlandschaften anriss. Die 2007 erschienene Version 2.0 ging
da schon erheblich weiter. Hier wurden in ausführlicher
Form die Landschaften und ihre Genese beschrieben, das
Kulturlandschaftsnetzwerk dargestellt sowie vertiefende
Fachbeiträge zu sektoralen Anforderungen formuliert.
Zusätzlich wurden erstmals auch die Perspektiven der
Landschaftsentwicklung sowie mögliche Konfliktfelder
thematisiert. In diesem Kontext wurde die Entwicklung
eines Kulturlandschaftsnetzwerks zum Handlungsrahmen
der Metropolregion Köln/Bonn. Der ‚masterplan :grün’ in
der Version 2.0 drückt den gemeinsamen Gestaltungs
willen aus, den die Region sich selbst gegeben hat. Zugleich
definiert er Qualitäts- und Gestaltungsziele für die verschiedenen Landschaften.
Die Anfang des Jahrtausends begonnene Zusammenarbeit brachte erstmals über kommunale Grenzen hinweg
Konzeptionen für regionale Grünzüge und Erlebnisrouten
hervor. Als dann im Zusammenhang mit dem Strukturprogramm Regionale 2010 deutlich wurde, dass es einer
Rahmenvorgabe und eines Qualitätsmaßstabes für landschaftsbezogene Projekte der Arbeitsbereiche :grün und
:kulturelles erbe bedurfte, verständigten sich die regionalen Akteure im Jahr 2004 darauf, einen Masterplan als
qualitative Grundlage zu erarbeiten.
Mit der vorliegenden Version 3.0 schreibt die Metropol
region Köln/Bonn nun die Masterplanung fort. Diese wird
als Anreiz für eine zukunftsfähige Entwicklung der Kulturlandschaften verstanden, die weit über den Zeithorizont
des Strukturprogramms Regionale 2010 hinausreicht. In
der vorliegenden Fassung werden die Inhalte der Version
2.0 weitergeführt sowie erweitert und um neue Themen
ergänzt. Ein zentraler Aspekt ist dabei das für die Region
typische Ineinandergreifen von Stadt, Zwischenstadt,
Stadtumfeld und freier Landschaft – die ‚StadtLandschaft’.
Deren Herausforderungen und die damit verbundenen
Qualitätsziele der Raumentwicklung werden folgend in
ausführlicher Form abgehandelt. Dies erfolgt ausgehend
von dem Grundgedanken, dass Landschaft in einer
dynamischen ‚StadtLandschaft’ wie der Metropolregion
Die Version 1.0 des ,masterplan :grün’ erschien ein Jahr
später. Dabei handelte es sich um einen Vorentwurf, der
eine Beschreibung der Landschaften der Region vornahm
und den Aufbau eines Netzwerkes der Kulturlandschaf-
1
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Köln/Bonn längst zu einem wertvollen „Infrastrukturgut“ geworden ist, an das eine Vielzahl von Nutzungsansprüchen gestellt wird. Dabei ist die Entwicklung in der
Metropolregion Köln/Bonn jedoch weder mit dem tief
greifenden Strukturwandel im Ruhrgebiet noch mit den
„Schrumpfungsprozessen“ in weiten Teilen Ostdeutschlands vergleichbar.
Demographische Untersuchungen prognostizieren den
Kreisen im direkten Umfeld der Großstädte Köln, Bonn,
Leverkusen und Bergisch Gladbach in den nächsten
Jahren einen weiteren Anstieg der Bevölkerungszahlen.
Der bereits heute in der Landschaft ablesbare Prozess
der Verstädterung wird sich somit fortsetzen. Nicht zuletzt deshalb spielen die Sicherung und Entwicklung von
Landschaften und Freiräumen in der Region eine wichtige
Rolle. Sie bedürfen einer expliziten und perspektivischen
Steuerung – einer Haltung für die Zukunft sowie eines
zukunftsfähigen Qualitätsrahmens.
Zukunft in der ,StadtLandschaft’
Die daraus resultierenden Anforderungen an die Raumentwicklung beziehen sich nicht auf einen abgegrenzten
Sektor oder eine abgegrenzte Landschaft, sondern auf
das Zusammenspiel der verschiedenen Landschaften
in der ‚StadtLandschaft’. Dies gilt insbesondere für jene
Regionen, in denen Stadt und Land eng miteinander
verwoben sind und die eine beeindruckende Vielfalt von
Landschaftstypen aufweisen wie in der Metropolregion
Köln/Bonn. Deren Großlandschaften und Teilräume wer-
Der Arbeitskreis Natur und Landschaft des Region Köln/Bonn e.V. wurde im Jahr 2000 mit dem Ziel gegründet, die regionale Zusammenarbeit in den Bereichen Natur und Landschaft zu verbessern. Die Bewerbung um die Ausrichtung der Regionale 2010 bestimmte von Anfang seine Themen. Neben der Idee des ,masterplan :grün’ sind zahlreiche regional vernetzte Grünprojekte aus dem Arbeitskreis hervorgegangen. Seine Mitglieder sind Verwaltungsmitarbeiter der Kreise und kreisfreien Städte, Vertreter der Landwirtschaftskammer, der Gewerkschaften, der regionalen Sparkassen, der Naturparke , des Landschaftsverbandes Rheinland, der Bezirksregierung Köln sowie der Regionale
2010 Agentur und des Region Köln/Bonn e.V.
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den im Rahmen der Masterplanung sowohl unter naturräumlichen Aspekten als auch hinsichtlich ihrer Genese
und Potenziale beschrieben und ausgewertet. Dabei wird
das Natur- und Kulturerbe der Landschaften besonders
berücksichtigt. So erwächst eine Grundlage, auf der Perspektiven für die verschiedenen Kulturlandschaftsräume
formuliert werden können. Sie stellen eine wesentliche
Voraussetzung dar, um ein regionales Netzwerk der Kulturlandschaften als Gerüst für die künftige Raumentwicklung zu schaffen.
Die Verknüpfung der einzelnen Landschaftsräume innerhalb des Netzwerkes erfolgt ohne eine „großflächige Umgestaltung“. Es ist ein zentraler Gedanke des ,masterplan
:grün’, dass Landschaft an sich nicht grundlegend verändert werden soll. Vielmehr werden die charakteristischen
Eigenschaften des natürlichen und kulturellen Erbes
der Landschaft herausgearbeitet und sichtbar gemacht.
Auf diese Weise wird der regionale Bezug zu vertrauten
Landschaftselementen hergestellt. Das in den Köpfen
verankerte Bild von Landschaft bleibt erhalten und wird
doch erweitert, indem es in einen regionalen Zusammenhang gebracht wird. Es wird mit Neuem verbunden und
in geeigneter Weise präsentiert. Neben dem Aufzeigen
regionaler Bezüge sowie der Vernetzung und Aufwertung
einzelner Landschaftsräume sorgt ein derartiger Ansatz
auch dafür, dass das Alltägliche und das Besondere in der
Region erkennbar und erlebbar werden.
Als Basis für die Projekte der Regionale 2010 werden darüber hinaus – wie bereits in der Version 2.0 – die sektoralen Anforderungen einzelner Disziplinen an das Netzwerk
der Kulturlandschaften herausgearbeitet. In Version 3.0
ist dies um Fachbeiträge zum Klima, zur Ressourcenlandschaft und zum Rhein erweitert worden. Zugleich wurden
die raumwirksamen Fachbeiträge zur Siedlungsentwick
Präambel: Was Ihnen der Masterplan 3.0 bietet
lung, zum Wasserschutz und zur Wasserwirtschaft, zum
Schutz des kulturellen Erbes, zu Naturschutz und Landschaftspflege, zu Land- und Forstwirtschaft sowie zu
Freizeit und Erholung aktualisiert.
Die europäische Dimension
Die erfolgreiche Umsetzung des ‚masterplan :grün’ mit
Blick auf eine „regionale Übersetzung“ der Europäischen
Landschaftskonvention macht die Metropolregion Köln/
Bonn zum Vorreiter in Deutschland. Auch wenn sich andere
europäische Regionen längst ähnlichen Herausforderungen
stellen, ist die Vorgehensweise der Region nicht nur bundesweit einzigartig – sie besitzt eindeutig Pilotcharakter.
Indem der Masterplan im Sinne der Europäischen Landschaftskonvention die Entwicklung der Landschaft in den
Mittelpunkt stellt und dabei in besonderem Maße deren
natürliches und kulturelles Erbes berücksichtigt, sichern
seine Maßnahmen und Projekte durch eine bürgernahe
Landschaftsentwicklung stabile und gesunde Lebensverhältnisse in der Region. Dabei beziehen sich die Ziele der
Masterplanung nicht nur auf außergewöhnliche, wilde
oder unberührte Landschaften, sondern auch auf diejeni
gen, die städtisch oder industriell genutzt und beeinträchtigt werden. Dies regt neue Prozesse im Umgang mit der
Landschaft an, die über die Grenzen von Kommunen und
Fachdisziplinen hinweg betrachtet, erörtert und dem Prinzip der Nachhaltigkeit folgend behutsam gestaltet werden
kann.
ausgewiesenen Bestandteile des Kulturlandschaftsnetzwerkes, sondern für alle Teilräume der Region. Um diesem Anspruch gerecht werden zu können, formuliert die
aktuelle Fassung die wichtigsten Herausforderungen und
Qualitätsziele für die Entwicklung der Kulturlandschaften.
In gemeinsamer Verantwortung für die Zukunft können
und sollen sich einzelne Planungen an diesen orientieren
und die Zielsetzungen des Masterplans in konkreten Projekten vor Ort umsetzen. Dabei werden den bereits in Version
2.0 beschriebenen Konfliktfeldern, die sich bezogen auf
eine Analyse der Fachbeiträge für die Region ergeben,
nun auch die Stärken der Region und daraus resultierende
themengleiche Chancenfelder gegenüber gestellt. Somit
liegt erstmals eine Art Raumanalyse für die Metropol
region Köln/Bonn vor. Sie ist eine weitere wichtige Voraussetzung für die Umsetzung der Projekte.
Darüber hinaus spielt auch das Thema „Raumerfahrung“
eine wichtige Rolle. Es ist eine wesentliche Grundidee
in der Strategie der Metropolregion Köln/Bonn, dass ein
Raum erst durch die Kommunikation über den Raum und
seine generationenübergreifende Erfahrbarkeit begreifbar
wird. Die „Verantwortung für eine ganzheitliche Raumentwicklung“ baut daher grundsätzlich auf zwei wesentlichen
Voraussetzungen auf: Die Menschen sollen ihren dynamischen und sich stets verändernden Lebensraum von der
Kindheit bis in das Alter immer wieder neu erfahren und
erleben können. Sie sollen zugleich aber auch verstehen
und erlernen, dass nur eine breit angelegte Zusammenarbeit aller Akteure eine erfolgreiche Raumentwicklung
ermöglicht.
Ziele und Leitlinien der Entwicklung
Eine wesentliche Aufgabe des Masterplans ist es, die Qualitäten der regionalen Kulturlandschaften mittelfristig zu
sichern und zu verbessern. Das gilt nicht nur für die hier
Sichtbar wird dies beispielsweise in den Projekten, seien
es die der Regionale 2010 oder aber die vielen anderen
Einzelprojekte und Maßnahmen auf Ebene der Kreise
und Kommunen. Indem sie den Raum erlebbar machen,
Präambel: Was Ihnen der Masterplan 3.0 bietet
schaffen sie eine Basis für dessen Wahrnehmung. In
der vorliegenden Version des Masterplans werden die
raumgestaltenden Projekte der Regionale 2010 der Arbeitsbereiche :grün und :kulturelles Erbe der Regionale
2010 kurz vorgestellt und beschrieben. Gleichzeitig wird
ausgeführt, welchen Herausforderungen und Qualitätszielen sie sich stellen und welche Probleme der Raumentwicklung auf diese Art und Weise gelöst werden können.
Viele der Projekte reichen in ihrer Wirkung weit über die
Jahre 2011, 2012 weiter hinaus. Sie deuten somit bereits
an, dass die mit dem Masterplan erarbeitete Strategie der
Raumentwicklung nur dann erfolgreich sein kann, wenn
sie auf Langfristigkeit angelegt ist. Wesentlich für den
Erfolg ist, wie es gelingt, die informelle Planung an die
formelle Planung der Gebietskörperschaften zu koppeln
und so ein synergetisches Zusammenspiel von informeller
und formeller Planung zu schaffen.
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Die einführende Idee: Die Herausforderungen der ‚StadtLandschaft’ gemeinsam meistern
13
Die Metropolregion Köln/Bonn umfasste ursprünglich
eine Fläche von nahezu 4.000 Quadratkilometern. Mit dem
Beitritt des Rhein-Kreises Neuss im September 2009 ist
diese auf über 4.500 Quadratkilometer angestiegen, in der
Region leben nunmehr rund 3,5 Millionen Einwohnern,
das entspricht einem Fünftel der Bevölkerung NordrheinWestfalens. Auch die Zahl der Kommunen und Kreise hat
sich durch den Beitritt verändert: Waren es zunächst 53
Kommunen und vier Landkreise, so zählen seit September
2009 61 Kommunen und fünf Landkreise zur Metropolre
gion Köln/Bonn2.
reich ist wie keine andere Region in Nordrhein-Westfalen
Börde, Ville, Siebengebirge und Bergisches Land verbinden
sich in der `Stadtlandschaft´ mit den urbanen Zentren der
Rheinschiene. Diese befindet sich über alle kommunale
Grenzen und Kreisgrenzen hinweg in ständiger Veränderung und gibt der Region ihre Basisinfrastruktur sowie ihr
räumliches Gerüst.
trittsteinartig in das Umland – mehr Zwischenstädte
entstehen;
• wichtige Klimaschneisen zwischen Stadt und Umland
verschwinden – der Klimawandel wird die Städte weiter
aufheizen;
• Mobilitätsachsen zwischen Stadt und Land werden größer –
der Verbrauch teurer Energie nimmt zu.
Für den ,masterplan :grün’ der Metropolregion Köln/Bonn
leiten sich daraus zwei zentrale gesellschaftliche Herausforderungen ab:
Seit 1992 kooperieren in der Region die drei kreisfreien
Städte Köln, Bonn und Leverkusen, der Rhein-Erft-Kreis,
der Rhein-Sieg-Kreis, der Rheinisch-Bergische Kreis und
der Oberbergischer Kreis sowie 50 kreisangehörige Kommunen. Sie sehen sich mit in ihren Kooperationsstrukturen
und in ihren Projekten sowie raumkooperativen Strategien
zunehmend in einer Situation, in der sie offensiv mit den
gestalterischen Aufgaben der Raumentwicklung umgehen
müssen, um im Wettbewerb mit anderen Regionen natio
nal und international bestehen zu können. Nicht zuletzt
vor diesem Hintergrund formt sich die Region Köln/Bonn
aktuell zu einer eigenständigen Metropolregion und firmiert im Initiativkreis der Metropolregionen (IKM) bereits
als eigene Raumkulisse3.
• Die Einheit von Stadt und Land mit einem Netzwerk der
Kulturlandschaften aus charakteristischen Strukturen
und Flächen der Stadt- und Landschaftsräume herstellen und dabei die Entwicklung eines gesichtslosen
„Einheitsbreis“ in der ‚StadtLandschaft’ verhindern.
• Den Landschaftswandel gemeinsam mit den gestaltenden Akteuren begleiten und steuern.
Gerade in prosperierenden, polyzentrischen Stadtregionen
kommt dem intakten „Miteinander von Stadt und Umland“
eine große Bedeutung zu. Sie benötigen daher ein raumübergreifendes planerisches Netzwerk. Das gilt für die
Metropolregion Köln/Bonn ebenso wie beispielsweise
für den Raum München, das Rhein-Main-Gebiet oder die
Region Stuttgart. Die räumliche Entwicklung zwischen
Stadt und Land mit Blick auf die Stadtkontur und die Zwischenstädte hat auch für den Stadtumbau in NordrheinWestfalen insgesamt eine große Bedeutung. Die entsprechenden Entwicklungsplanungen können nur durch eine
umfassende stadtregionale Kooperation der Kommunen
und weiterer Partner erfolgreich umgesetzt werden.
Dieses Ziel hat sich die Metropolregion Köln/Bonn gesetzt.
Geprägt wird das Bild der Metropolregion Köln/Bonn von
ihrer ‚StadtLandschaft’, die eine ungeheure Dichte an unterschiedlichen Stadt- und Landschaftsräumen aufweist
und in ihrer landschaftlichen Vielfalt so abwechslungs-
2
3
‚StadtLandschaft’ – Stadtkontur und Zwischenstadt
In der Metropolregion Köln/Bonn nimmt im Gegensatz zu
den meisten deutschen Regionen die Bevölkerung nach
wie vor zu. Mit der steigenden Einwohnerzahl wächst zugleich aber auch der Verbrauch von Freiraum. Neben den
daraus resultierenden innerstädtischen Veränderungen
bringt dies folgende Probleme mit sich:
• Stadtgrenzen verwischen – Stadtkonturen gehen verloren;
• Städte wachsen entlang von Verkehrsachen sowie
Seit dem 28. September 2009 ist der Rhein-Kreis Neuss Mitglied des Region Köln/Bonn e.V. Da die vorliegende Version 3.0 der Masterplanung schon weit fortgeschritten war, bezieht sie sich im Wesentlichen auf die Raumkulisse der
Region ohne den Rhein-Kreis Neuss. Im südlichen Teil wurden jedoch die Verbindungen des Kreises zur Erft, zum Rheinischen Braunkohlerevier und am Rhein zum Worringer Bruch thematisiert. Dies erfolgte auch deshalb, da hier
ohnehin die territorialen Grenzen zum Naturraum übersprungen werden.
Die deutschen Metropolregionen haben sich 2001 zum Initiativkreis Europäische Metropolregionen in Deutschland (IKM) zusammengeschlossen. Der Region Köln/Bonn e.V. vertritt die Interessen der Metropolregion Köln/Bonn im IKM.
14
Wie alle Metropolregionen in Deutschland sieht sie sich
im Sinne des „Memorandums zur Nationalen Stadtentwicklungspolitik“4 einer perspektivischen Gestaltungsund Raumentwicklungsverpflichtung gegenüber. Diese
beschränkt sich nicht nur darauf, stadträumliche und
stadtregionale Qualitäten zu sichern, sie rückt auch deren
künftige Entwicklung verstärkt in den Fokus.
In der Metropolregion Köln/Bonn hat die gleich bleibend
hohe Flächeninanspruchnahme durch das Vorhalten
raumgreifender Wohnstandorte, Gewerbegebiete und
Verkehrsinfrastruktur insbesondere in der R
heinschiene
zu einem Verlust von Raumidentität und -qualität g
eführt.
Damit einher geht ein kultureller, sozialer und ökologischer
Qualitätsverlust, der sowohl im engeren Bereich der Stadt
als auch in der Offenlandschaft und vor allen Dingen im
Bereich „dazwischen“ sichtbar wird. Genau an diesen
Stellen setzt der ,masterplan :grün’ an.
Das Kulturlandschaftsnetzwerk – Einheit aus Stadt und Land
Mit dem ,masterplan :grün’ und den hier definierten
Kulturlandschaften erhält die Metropolregion Köln/Bonn
ein raumbezogenes Netzwerk, das die Städte, Stadtränder
und Zwischenstädte mit den umgebenden Landschaften
zu einer Einheit von Stadt und Land verknüpft. Die urbanen und ländlichen Kulturlandschaften der Region werden
über Freiraum-, Wald- bzw. Gewässerkorridore mitein
ander verbunden – das Umland verzahnt sich mit den
Städten und umgekehrt. Eine zentrale Bedeutung innerhalb des Netzwerkes kommt dem Rhein als „Rückgrat der
Region“ zu.
4
Die einführende Idee: Die Herausforderungen der ‚StadtLandschaft’ gemeinsam meistern
Die Flächen und Landschafts-Korridore des Netzwerkes
erhalten eine wichtige Funktion zur Sicherung der Umweltgrundgüter. Die offenen „grünen und blauen Korri
dore“ sind jedoch nicht nur für die Gesundheits- und
Wohlfahrtsfürsorge der Menschen in der Region von hoher
Bedeutung. Sie werden in Zukunft auch eine immer größer
werdende Rolle hinsichtlich der Nah- und Unmittelbar
erholung einnehmen.
In erster Linie aber wird das Kulturlandschaftsnetzwerk
eine wichtige Grundlage zur Neugestaltung der Stadtränder
und damit der Stadtkonturen sein. Es könnte einen ent
scheidenden Beitrag dazu leisten, das Wachstum der
Zwischenstädte zu lenken und letztlich eine neue Einheit
aus Stadt und Land zu schaffen.
Landschaft im Wandel – Akteure begleiten und steuern
Landschaft steht zwar für Heimat und Lebensqualität
sowie für den Wunsch nach etwas, das bleibt. Doch sie
unterliegt immer auch einem Wandel, weil jede Genera
tion die Landschaft genutzt und gestaltet hat, wie es ihren
wirtschaftlichen Bedürfnissen und ihren technischen
Möglichkeiten entspricht. Im Interesse einer Balance
zwischen Bewahren und Fortschritt bedarf die Sicherung
und Entwicklung dieser Landschaft in einer dynamischen
Region wie der Metropolregion Köln/Bonn daher zukünftig
einer konkreten Perspektive.
Das Kulturlandschaftsnetzwerk der Metropolregion Köln/
Bonn stellt einen wichtigen Schritt in diese Richtung dar.
Als gemeinschaftliche Anstrengung der Kommunen,
Kreise sowie übergeordneten Behörden, Fachdisziplinen,
Förderer und Nutzer wird Landschaft mehr als ein Zufallsoder Auflösungsprodukt. Als bedachtsam entwickelte und
gestaltete Infrastruktur wird sie zur Basis aller nachhaltigen Aktivitäten in der Region – von der Erzeugung
gesunder Nahrungsmittel und der Bereitstellung von
Trinkwasser über die Energiegewinnung, den Klima- und
Bodenschutz sowie die Freizeitgestaltung bis hin zur
weiteren Bereitstellung von Flächen für Verkehr, Siedlung
und Gewerbe.
Um dies zu erreichen, ist nicht nur ein kontinuierlicher
Diskurs zwischen den gestaltenden Akteuren in der
Region unabdingbar, sondern ebenso ein Disput, der sich
kritisch und konstruktiv mit der Frage des geeigneten
Weges in Richtung Zukunft auseinandersetzt. In diesem
Sinne versteht sich die vorliegende dritte Version des
Masterplans als Plattform und Diskussionsgrundlage für
die nachhaltige Entwicklung der Region und ihrer Landschaften. Sie ersetzt dabei ausdrücklich keine vorhandene
oder rechtlich festgeschriebene Planungsebene, sondern
ergänzt diese um qualitative Aspekte.
Dargestellt wird das Gesamtbild der räumlichen Infra
struktur, die die Region künftig anstrebt – eine Art „Leit
linie“ für die Zukunft. Insofern ist es ein besonderes
Anliegen des Masterplans, dazu notwendige Qualitäts
definitionen zwischen den Akteuren auszuhandeln und
viele sektorale und interkommunale Belange zu einem
dynamischen Gesamtbild der ‚StadtLandschaft’ zusammenzuführen. Wegen des ständigen Landschaftswandels
muss dies mit einer permanenten Risikoeinschätzung
Das Memorandum zur Nationalen Stadtentwicklungspolitik wurde im Jahr 2008 vom damaligen Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee vorgestellt. Es thematisiert die Zukunft der Städte und des ländlichen Raums in Deutschland und formuliert einen Katalog von Zielen, die Bund, Länder und Gemeinden gemeinsam umsetzen sollen.
Die einführende Idee: Die Herausforderungen der ‚StadtLandschaft’ gemeinsam meistern
hinsichtlich der möglichen Konsequenzen für die Raumentwicklung verbunden sein.
die Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie
(EU-WRRL)5.
Projekte als sichtbares Zeichen
Zusammenfassend kann also konstatiert werden: Über
das Kulturlandschaftsnetzwerk findet in der Metropol
region Köln/Bonn bereits jetzt eine lebendige und in Teilen
auch kontrovers geführte Diskussion statt. Das Netzwerk
lebt dabei vom aktiven Austausch der Kommunen und
der vielen unterschiedlichen Akteure in der Region. Mit
der vorliegenden Version 3.0 soll diese Diskussion sowohl
inhaltlich als auch bezüglich der konkreten Möglichkeiten
zu gemeinsamen Ansätzen und Projekten weiter voran
gebracht werden.
Wie der Raum aus ökonomischer, ökologischer, kultureller
und sozialer Sicht gemeinsam gestaltet werden kann, das
zeigt sich exemplarisch in konkreten Projekten der Umsetzung. Dabei handelt es sich um Maßnahmen, die dem
Standort auf der Basis von gesellschaftlichen Entwicklungen Impulse geben sollen (Impulsprojekte), die jeweiligen Realitäten vor Ort gestalterisch aufgreifen und sich
konsequent dem gemeinsamen übergeordneten Gesamtziel verpflichten. Im Prozess der Regionale 2010 erwies es
sich als ermutigend, wie und in welcher Form Projektkonsortien kooperieren, um gemeinschaftlich auf Basis des
Kulturlandschaftsnetzwerkes Gestaltungsvorstellungen
für den jeweiligen Teilraum zu entwickeln. Dies erfolgt
über kommunale, fachliche und Kreisgrenzen hinweg.
15
Darüber hinaus beeinflusst die Perspektive des Kulturlandschaftsnetzwerkes schon jetzt auch wichtige raumwirksame Planungen in der Region. Ob bei der Überarbeitung von Flächennutzungsplänen oder im Rahmen von
anderen Planungsprozessen – viele Kommunen haben
erklärt, den ,masterplan :grün’ und seine Idee eines Netzwerkes der regionalen Kulturlandschaften als Grundlage
für ihre Zukunftsplanungen heranziehen zu wollen. Die
Diskussion über die Gestaltung der Landschaften nimmt
dabei auch bereits Aspekte auf, die sich zukünftig ohnehin
stärker auf den Tagesordnungen der Kommunen, Behörden und Verbände wieder finden werden: beispielsweise
5
Mit der Europäische Wasserrahmenrichtlinie (EU-WRRL) haben das Europäische Parlament und der Europäische Rat einen Ordnungsrahmen für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik geschaffen. Das Inkrafttreten der Richtlinie im Jahr 2000 verpflichtet die Mitgliedstaaten, sowohl in den Oberflächengewässern als auch im Grundwasser innerhalb von 15 Jahren einen guten Zustand zu erreichen.
Vielfalt im Herzen Europas: Beschreibung und Genese der Landschaften in der Metropolregion Köln/Bonn
Europa wächst zusammen. Eine Entwicklung, die auf
europäischer Ebene zu neuen politischen, wirtschaftlichen,
sozialen, kulturellen und ökologischen Maßstäben führt.
Ein wichtiger Grundsatz ist dabei der Erhalt und die
Entwicklung der kulturellen und ökologischen Vielfalt. In
diesem Zusammenhang sind die Eigenschaften und Identitäten der europäischen Regionen und ihrer Bewohnerinnen und Bewohner ein hohes Schutzgut, das es zu sichern
und zu fördern gilt. Ein „Europa der regionalen Vielfalt“ ist
ein Grundsatz der Verfassung der Europäischen Union6.
Ein solches Europa ist jedoch nur realisierbar, wenn die
vielfältigen europäischen Landschaften ihre Eigenarten
behalten. Die dort lebenden Menschen müssen diese
Landschaften mit ihrem jeweiligen Natur- und Kulturerbe
weiterhin als ihre Heimat empfinden, sie müssen ihnen
mit ihren Traditionen verbunden bleiben, sich mit ihnen
identifizieren sowie sich für ihren Erhalt und ihre Entwicklung einsetzen. Die Kulturlandschaften Europas sind die
Wiege der Vielfalt der europäischen Kulturen, Traditionen
und Naturen.
Die Metropolregion Köln/Bonn umfasst per Definition vier
europäisch bedeutsame Großlandschaften: den Mittelgebirgs
raum des Bergischen Landes, Teile des Mittelrheinischen
Schiefergebirges und des Eifelrandes, die Rheinterrassen
zwischen Köln und Bonn als Teile des Ballungsraumes
Rhein-Ruhr und die Kölner Bucht als Teil der Niederrheini
schen Bucht. Das Kulturlandschaftsnetzwerk integriert
darauf aufbauend folgende Großlandschaften der Region:
6
7
• den Ballungsraum Rhein-Sieg,
• die Landschaft von Börde und Ville,
• das Bergische Land
• und die Mittelrheinische Pforte.
Im Rahmen der Masterplanung werden die landschaftlichen
Eigenarten der Großlandschaften und ihrer Teilräume,
ihre Genese sowie ihre Qualitäten hinsichtlich der Entwicklung künftiger Qualitätsziele und Gestaltungsgrundsätze betrachtet.
Der Ballungsraum Rhein-Sieg – Das wirtschaftliche
Zentrum der Region
Die heutigen Kulturlandschaften der Metropolregion Köln/
Bonn sind das Ergebnis der jahrtausendelangen Nutzung
und Kultivierung der einstigen Naturlandschaft durch den
Menschen. Der Rhein hat dabei stets eine dominierende
Rolle gespielt. Seit der Kulturnahme der Landschaft ist
der Fluss eine der wichtigsten Verkehrsachsen in Europa.
Bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts kam es zu den
ersten Industrieansiedlungen an seinen Ufern. Darüber
hinaus ist der Rhein auch als gesellschaftlich-kulturelle
Achse mit hoher identitätsstiftender Wirkung für die hier
lebenden Menschen wichtig.
Heute ist das Relief zwischen dem Eintritt des Flusses in
die niederrheinische Tiefebene und dem Bayer-Kreuz in
Leverkusen von einer fest eingebetteten Flusslandschaft
17
geprägt, die nur zum Teil noch erkennbare naturnahe
Räume aufweist (Karte der Großlandschaften und Naturräume). Die Großlandschaft des Ballungsraumes RheinSieg ist der am dichtesten besiedelte Teil der Region. Sie
besteht aus der Rheinaue und den Ausweitungen an den
Mündungen von Wupper und Sieg sowie den Niederterras
sen und den höher gelegenen Mittelterrassen auf der rechtsund linksrheinischen Seite.
Sowohl die flussnahen Bereiche als auch die Nieder- und
Mittelterrasse rechts und links des Rheins sind durch Besiedlung, Industrie und Verkehr gekennzeichnet. „Verträumte
Reste“ der alten Kultur- und Naturlandschaft sowie attraktive
Parks und Grünflächen ergänzen die Strukturen. Die Städte
und Gemeinden sind zu einem Ballungsraum mit rund
zwei Millionen Einwohnern zusammengewachsen7. Die
Rheinschiene bündelt zudem frachtgünstige Verkehrswege
und Industriestandorte wie zum Beispiel den Ballungsraum der Chemie zwischen Leverkusen und Wesseling.
In den Rheinauen sind die ursprünglichen Auenwälder
größtenteils verschwunden. Sie wurden durch Äcker,
Grünland und Pappelpflanzungen ersetzt. Zum Teil wird
dieser Bereich heute noch infolge des hohen Grundwasserstandes und der periodischen Überschwemmungen
als Dauergrünland genutzt. Einen besonderen Wert im
Komplex der Rheinwiesen haben die seltenen Salbeiwiesen, die vor allem auf den kalkhaltigen Aueböden an den
Böschungen der Rheindeiche gedeihen.
Der Vertrag über die Verfassung für Europa wurde 2009 von allen Mitgliedstaaten unterzeichnet. Der Leitspruch des ersten Teils zur Definition und den Zielen der Union (Artikel I-8) lautet „In Vielfalt geeint“. Damit ist sowohl die
kulturelle Vielfalt wie auch die räumliche und ökologische Vielfalt Europas und seiner Menschen gemeint. Dies wird auch in der Präambel zu Teil II mit der „Vielfalt der Kulturen und Traditionen“ angesprochen. In Artikel III-233 wird in
diesem Zusammenhang zudem die „umsichtige und rationelle Verwendung der natürlichen Ressourcen“ hervorgehoben.
Bei den Städten und Gemeinden im Ballungsraum handelt es sich linksrheinisch um Köln, Pulheim, Frechen, Hürth, Brühl, Wesseling, Bornheim, Alfter und Bonn sowie rechtsrheinisch um Leverkusen, Bergisch-Gladbach, Rösrath,
Niederkassel, Troisdorf, Lohmar, St. Augustin und Siegburg.
18
Zu beiden Seiten des Stroms schließen sich naturräumlich
die Niederterrassen an, die im Norden der Region an der
Grenze des Rhein-Kreises Neuss bei Köln-Worringen und
Leverkusen eine Breite von bis zu zwölf Kilometern erreichen. Früher waren sie von fruchtbaren, dicht besiedelten
Bauernfluren geprägt, was im Süden der Region noch
erkennbar ist. Zwischen Köln und Bonn sind einzelne Teile
der alten und reichen bäuerlichen Kulturlandschaft erhalten geblieben. Sie stehen heute jedoch in Konkurrenz zu
Siedlungsentwicklung, Wasserwirtschaft und Kiessandabbau. Neben Weizen-, Gerste- und Rübenanbau findet man
hier noch größere Garten-, Obst- und Gemüseflächen.
Das Gebiet ist Teil des rheinischen Obst- und Gemüsegartens, eines der größten Anbaugebiete dieser Art in ganz
Deutschland.
Derweil wird die rheinische Mittelterrasse rechtsrheinisch
vom Naturraum „Bergischen Heideterrasse“ geprägt. Sie
erstreckt sich zwischen der Sieg im Süden und Leichlingen
im Norden entlang des Ostrandes der Kölner Bucht und
wird von den Tälern der Agger, Dhünn und Wupper sowie
von einigen kleineren Bachläufen durchschnitten. Trotz
dichter Besiedlung und Nutzung durch den Verkehr wird
die Landschaft noch von großen Waldgebieten dominiert
und weist Landmarken wie den weithin sichtbaren Bergkegel des Michaelsberges bei Siegburg auf. Eine Besonderheit in diesem Bereich ist die zwischen Köln-Porz
8
9
Vielfalt im Herzen Europas: Beschreibung und Genese der Landschaften in der Metropolregion Köln/Bonn
und Troisdorf gelegene Wahner Heide, eines der größten
Naturschutzgebiete Nordrhein-Westfalens und zugleich
eines der landesweit artenreichsten Heide-, Moor- und
Waldgebiete. Sie zählt heute zum Nationalen Naturerbe
der Bundesrepublik Deutschland8.
Der Naturraum der linksrheinischen Mittelterrasse ist
wie derjenige der rechtsrheinischen Mittelterrasse durch
trockene Böden geprägt, fruchtbare Lössauflagen
schaffen hier jedoch sehr günstige Bedingungen für die
Landwirtschaft. Es handelt sich um ein altbäuerliches
Siedlungsgebiet mit kleinen Waldresten. Typische Nutzungsformen sind ein intensiver Ackerbau im Norden sowie
der Anbau von Obst, Gemüse und Zierpflanzen südlich
von Hürth und Brühl. Eine andere Art von Grünnutzung
zeigt sich in der Rheinischen Gartenlandschaft, einem der
Schauplätze entlang der nordrhein-westfälischen „Straße
der Gartenkunst“9. Die Garten- und Gebäudeanlagen
der Schlösser Augustusburg und Falkenlust gelten als
bedeutendes Beispiel der europäischen Gartenkunst und
gehören zum Weltkulturerbe der UNESCO10.
Die Landschaft von Börde und Ville – Acker, Wald und
Braunkohle
Die zweite prägende Großlandschaft der Metropolregion
Köln/Bonn ist das Gebiet von Börde und Ville, das die aus-
gedehnten und klimatisch begünstigten Lössgebiete der
Zülpicher und Jülicher Börde, die Erftaue sowie die Sandund Kiesschollen der waldreichen Ville umfasst und bis in
den Rhein-Kreis Neuss hinein ragt (Karte der Großlandschaften und Naturräume). Die Bördelandschaft ist vom
Relief her eben und leicht wellig11. Sie ermöglichen eine
hoch entwickelte Landwirtschaft auf fruchtbaren Böden.
Der Ackerbau hat hier eine lange Geschichte: Seine Anfänge gehen bis ins Neolithikum zurück. Bereits damals
hatte der Mensch die hohe Fruchtbarkeit der Lössböden
für eine ackerbauliche Nutzung erkannt. Heute hat der
Braunkohletagebau die Ackerflächen der Börde erreicht.
Die Ville ist ein schmaler, durchschnittlich nur fünf Kilometer breiter Höhenzug, der nach beiden Seiten durch
zum Teil steil abfallende Ränder scharf abgegrenzt ist.
Sie ist die „grüne Hecke“ der Börde12. Zu Beginn des
20. Jahrhunderts war sie noch nahezu vollständig bewaldet.
Während der südliche Teil nach wie vor Waldville genannt
wird und große geschlossene Waldbereiche aufweist,
wird das Landschaftsbild im Norden und im mittleren Teil
vom hier nahezu abgeschlossenen Braunkohletagebau
bestimmt. Kennzeichnend sind die letzten Reste großer
Braunkohle-Tagebaubetriebe, die die Landschaft völlig
neu gestaltet haben. Entstanden ist eine Landschaft mit
von Menschenhand geschaffenen „großen Löchern“,
die den Spagat zwischen Bewahrung und Entwicklung
Zum Nationalen Naturerbe gehören herausragende, charakteristische Schutzgebiete, für die Deutschland auf nationaler, europäischer und globaler Ebene eine besondere Verantwortung besitzt.
Die Initiative der „Straße der Gartenkunst zwischen Rhein und Maas“ entwickelte sich aus der Dezentralen Landesgartenschau NRW 2002. Ihr Ziel ist es, die Gartenschätze diesseits und jenseits der deutsch-niederländischen Grenze
zu heben und touristisch zu vermarkten.
10
Die Welterbe-Liste der UNESCO beinhaltet insgesamt 830 Denkmäler in 138 Staaten. Das Welterbe besteht aus 582 Kulturdenkmälern und 149 Naturdenkmälern. Zudem sind 23 Denkmäler als Kultur- und Naturdenkmal klassifiziert.
11
In der Bördelandschaft liegen die Städte und Gemeinden Bedburg, Bergheim, Elsdorf, Kerpen, Erftstadt, Swisttal, Meckenheim und Rheinbach.
12
Dabei berührt die Ville die Städte und Gemeinden Bergheim, Pulheim Frechen, Kerpen, Hürth, Erftstadt, Brühl, Bornheim, Swisttal und Alfter.
Vielfalt im Herzen Europas: Beschreibung und Genese der Landschaften in der Metropolregion Köln/Bonn
sichtbar und erlebbar macht: eine bizarre, aufregende
Landschaft, die sich im ständigen Wandel befindet. Große
Teile der Braunkohleville wurden in den letzten 50 Jahren
bereits erfolgreich rekultiviert. So findet man unmittelbar
neben der Industriekulisse mit riesigen Schaufelradbaggern eine Seenplatte mit neuen Wäldern und Aussichtspunkten, die zahlreiche Menschen zu Freizeitgestaltung
und Erholung anzieht. Auch das ist typisch für die Bilder
von Landschaft in der Region.
Der dritte Teilraum der Börde und Ville ist die Erftaue. Hat
sie im Norden im Übergang zum Rhein-Kreis Neuss eher
den Charakter eines engen Durchbruchtals, so ist sie im
Süden breit angelegt. Die Erftufer sind hier von Wiesen,
Weiden und Ackerland geprägt. In der Nähe der benachbarten Ortschaften zeugen alte Schlösser, Wasserburgen
und Mühlen wie Schloss Gymnich und die Gymnicher Mühle
sowie andere Baudenkmäler von der kulturhistorischen
Bedeutung der Region. Bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts
floss die Erft noch weitgehend naturnah in einer extensiv
genutzten, arten- und strukturreichen Talaue, die sich in
die Börde eingeschnitten hatte. Mitte des 19. Jahrhunderts
änderte sich dies: Ein Großteil der Flächen wurde entwässert, umgestaltet und größtenteils in Äcker umgewandelt.
Im Norden beeinträchtigen zudem die für den Braun
kohletagebau notwendigen Grundwasserabsenkungen
den Fluss, der aufgrund der industriellen Einleitungen zu
einem künstlichen Gewässer mit stark erhöhter Wasserführung geworden ist.
13
Das Bergische Land – Industrietradition zwischen Bergen
und Tälern
Ursprünglich bedeckten geschlossene Buchenwälder die
Großlandschaft des Bergischen Landes, das sich naturräumlich in die Bergischen Hochflächen, das OberaggerWiehl-Bergland sowie das Mittelsieg-Bergland gliedert
(Karte der Großlandschaften und Naturräume). Die
Naturräume mit ihren Kulturlandschaften unterscheiden sich dabei jedoch nur geringfügig voneinander13.
Das Relief des Bergischen Landes ist gekennzeichnet
von topographischer Zerrissenheit, steilen Böschungen,
relativ armen Böden und einem rauen Klima. Prägend für
die Landschaft sind im Norden wie im Süden wasserreiche
Netze aus kleinen Flüssen, Bächen, Siefen, Quellen und
Quellfluren. Die Besiedlung und der Verlauf der Verkehrswege konzentrierten sich zunächst auf die Berghöhen und
später auf die grünlanddominierten Täler. Während an
den Talhängen vorwiegend Buchen- und Buchen-EichenMischwälder stehen, werden die Bergkuppen und Hochflächen heute oft noch ackerbaulich genutzt.
Die Besiedlung des Bergischen Landes durch den Menschen erfolgte vor allem aufgrund des Ressourcenreichtums. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts garantierten
dabei Holz und Wasser eine vorindustrielle Blüte von Köhlerei und wasserbetriebener Kleinindustrie. So entstanden
beispielsweise entlang vieler Flüsse und Bäche metallverarbeitende Industrieunternehmen. Außerhalb der Täler
entwickelte sich eine auf Selbstversorgung ausgerichtete
Landwirtschaft. Die jüngere Industriegeschichte des
19
Bergischen Landes konzentrierte sich mit Beginn des
20. Jahrhunderts in der Region auf den Westrand des
Mittelgebirges und die Täler. Dabei fand das städtische
und industrielle Wachstum aufgrund des Wasserreichtums
insbesondere in den Tälern der oberen Wupper und der
Agger statt. Viele Entwicklungen konnten auf die Strukturen der alten Metallverarbeitung mit ihren Hämmern,
Schmieden, Wassermühlen und Sägewerken aufbauen.
So entstanden die Stadt- und Industrietäler von Gummers
bach, Wipperfürth, Engelskirchen und Bergneustadt, in
denen es nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem enormen
Wachstum der Siedlungs-, Industrie- und Verkehrsflächen
kam. Heute ist beispielsweise nahezu der gesamte Talkorridor der Agger dicht besiedelt.
Das Gewässernetz des Bergischen Landes hat auch weit
über seinen Beitrag zum städtischen und industriellen
Wachstum der Region hinaus Bedeutung. Es bildet ein
natürliches Landschaftsnetzwerk und Biotopverbundsystem mit einzigartiger Tier- und Pflanzenwelt. Zudem
macht es das Bergische Land zum wichtigsten Wasserspeicher Westdeutschlands. Die bergische Wasserwirtschaft hat bereits frühzeitig das Wissen der Menschen
um den Bau von Stauanlagen genutzt und zahlreiche
Talsperren errichtet. Eine besondere Bedeutung haben
dabei die kleineren und größeren Trinkwassertalsperren
mir ihren Ausgleichsgewässern und Wasserschutzzonen.
Sie versorgen heute zahlreiche Großstädte am Rhein mit
lebensnotwendigem Trinkwasser.
Die Bergischen Hochflächen im Norden beziehen sich im Schwerpunkt auf die Städte und Gemeinden Radevormwald, Hückeswagen, Wermelskirchen, Leichlingen, Burscheid, Odenthal, Kürten, Wipperfürth, Marienheide, Lindlar,
Bergisch Gladbach, Rösrath, Lohmar, Neunkirchen-Seelscheid und Much. Das Oberagger-Wiehl-Bergland in der Mitte steht im Kontakt zu den Städten und Gemeinden Bergneustadt, Gummersbach, Engelskirchen, Wiehl, Reichshof,
Nümbrecht, Ruppichteroth, Waldbröl und Morsbach. Die Städte und Gemeinden Hennef, Eitorf und Windeck repräsentieren in wesentlichen Teilen das Mittelsieg-Bergland im Süden.
20
Aufgrund dieser naturräumlichen Gegebenheiten dient das
Bergische Land heute als beliebtes Ausflugsziel für Erholungssuchende aus den benachbarten Ballungsräumen.
Seit 1973 entwickelt der Naturpark Bergisches Land14 mit
seiner Arbeit dieses Potenzial weiter. Neben konkreten
Maßnahmen wird dabei auch aktiv ein neues Bewusstsein
für die naturräumlichen Qualitäten dieses Lebensraumes
vermittelt. Im Vordergrund steht ein Ausgleich zwischen
Naturerhaltung und angemessener Naherholung.
Die Mittelrheinische Pforte – Das Tor zur Region
Im Süden der Region gehen die Landschaften um das
Siebengebirge und den Kottenforst in die mittelrheinischen
Großlandschaften des Westerwaldes und des unteren
Mittelrheins über. Nicht weit entfernt liegt das Mittlere
Rheintal, das die UNESCO im Jahr 2002 in Teilbereichen
zum Weltkulturerbe erklärte15.
Der Rhein tritt zwischen den alten Vulkankegeln von
Siebengebirge und Drachenfelser Ländchen in die Region
ein. Der Bereich wird daher als Mittelrheinische Pforte
bezeichnet (Karte der Großlandschaften und Naturräume) –
er stellt „das Tor zur Region“ dar, einen Übergang, der
von zwei Landschaften mit einzigartigem Natur- und
Kulturwert eingerahmt wird: dem Siebengebirge und dem
14
Vielfalt im Herzen Europas: Beschreibung und Genese der Landschaften in der Metropolregion Köln/Bonn
Pleiser Ländchen (Hügelland) auf der rechtsrheinischen
sowie dem Drachenfelser Ländchen und dem Kottenforst
auf der linksrheinischen Seite16.
Die Landschaften der Mittelrheinischen Pforte besitzen
überwiegend eine „feurige Vergangenheit“. Ihre Ent
stehung verdanken sie mit Ausnahme des Kottenforstes
dem tertiären Vulkanismus, der am Südrand der Kölner
Bucht einen seiner Ausbruchsherde hatte. Geologisch
wird dieser Bereich als Siebengebirgs-Vulkanfeld bezeichnet, das sich zwischen der Siegmündung im Norden
und Bonn-Bad Godesberg im Süden sowie zwischen dem
Pleiser Ländchen (Hügelland) im Osten und dem Rand
der Eifel im Westen erstreckt. Herausragend ist dabei
das geologisch, ökologisch und kulturhistorisch bedeutsame Siebengebirge, das von kegelförmigen Vulkankuppen geprägt wird. Typische Merkmale sind seine Wälder
und Weingärten sowie sein Reichtum an hoch gefährdeten, Wärme liebenden Tier- und Pflanzenarten. Eine
Besonderheit stellen auch die historischen Steinbrüche
dar, die zum Teil bereits zur Zeit der Römer betrieben
wurden. Bei vielen Bauten der rheinischen Romanik und
Gotik verwendete man Trachyt beziehungsweise Latit aus
dem Siebengebirge. Die Steinbruchtätigkeit endete mit
der Fertigstellung des Kölner Doms in der Blütezeit der
deutschen Romantik.
Hier liegt auch die Geburtstunde des Deutschen Natur- und
Landschaftsschutzes: Das Siebengebirge ist das älteste
deutsche Naturschutzgebiet. Im Jahre 1834 wurde es unter
Schutz gestellt. 1958 folgte die Deklaration zum ersten
nordrhein-westfälischen Naturpark17. Den Übergang vom
Siebengebirge zum Westerwald stellt das Pleiser Ländchen
(Hügelland) dar, dessen breite Täler als Flächen für Ackerbau und Grünland genutzt werden. Daneben gibt es große
Obstwiesen und kleinflächigen Gemüseanbau. Besonders
bekannt sind die Baumschulen von Oberpleis.
Die linke Rheinseite wird vom Kottenforst und dem Drachenfelser Ländchen gebildet, die beide Teil des Naturparks Rheinland18 sind. Neben zahlreichen Blick- und
Aussichtspunkten auf den Gipfeln alter Vulkankegel sind
kleine Dörfer mit benachbarten Obstwiesen und Wasserburgen inmitten fruchtbarer Äcker charakteristisch für die
Landschaft des „Ländchens“. Ganz anders der Kottenforst:
Seine großen zusammenhängenden Waldgebiete schließen
sich unmittelbar an die nördlich gelegene Waldville an. Von
der nacheiszeitlichen Waldentwicklung bis heute war der
Kottenforst ununterbrochen ein bewaldetes Gebiet, das als
Jagdrevier geschätzt wurde. Im Naturschutzgebiet Kottenforst sind in den ältesten Waldbereichen einzelne mächtige
Bäume zusätzlich als Naturdenkmäler ausgewiesen, beispielsweise die Königsbuche bei Alfter-Heidgen.
Der Naturpark Bergisches Land erstreckt sich auf einer Fläche von über 2.000 Quadratkilometern zwischen dem Ballungsraum der Rheinschiene im Westen, den Ausläufern des Sauerlands im Osten, dem Westerwald im Süden und
dem Bergischen Städtedreieck Wuppertal, Remscheid, Solingen im Norden.
15
Die Welterbe-Liste der UNESCO beinhaltet insgesamt 830 Denkmäler in 138 Staaten. Das Welterbe besteht aus 582 Kulturdenkmälern und 149 Naturdenkmälern. Zudem sind 23 Denkmäler als Kultur- und Naturdenkmal klassifiziert.
16
Die Großlandschaft bezieht sich linksrheinisch auf die Städte und Gemeinden Bonn und Wachtberg, rechtsrheinisch auf St. Augustin, Hennef, Königswinter und Bad Honnef.
17
18
Der Naturpark Siebengebirge zieht sich vom Bonner Stadtgebiet über Königswinter bis nach Bad Honnef. Dabei ist das Siebengebirge eines der ältesten Naturschutzgebiete Deutschlands – es wurde bereits 1923 anerkannt. Seit 1956
ist es zudem auch Naturpark – der erste dieser Art in Nordrhein-Westfalen.
Der Naturpark Rheinland liegt westlich von Köln eingebettet zwischen Rhein und Eifel. Auf über 1.000 Quadratkilometern umfasst er so unterschiedliche Landschaften wie das Rheinische Braunkohlerevier und die rekultivierten
Flächen der Ville, den Kottenforst, das Drachenfelser Ländchen und die Bördelandschaft um Zülpich und Euskirchen.
21
22
Der Blick nach vorn: Perspektiven der Raumentwicklung in der Region
Die natürlich und kulturell bedingten Eigenarten der Landschaften in der Metropolregion Köln/Bonn stellen gleichzeitig
die Basis für deren Entwicklungsmöglichkeiten dar. Die
Vielfalt der Region ist dabei Chance und Aufgabe zugleich.
Sie führt zu unterschiedlichen Perspektiven für die Großlandschaften entsprechend ihrer Ausstattung und Potenziale.
Der Ballungsraum Rhein-Sieg – Dynamische Entwicklung
setzt sich fort
Der überwiegende Teil der Bevölkerung in der Region lebt
und arbeitet nach wie vor in der Rheinschiene. Hier konzentriert sich die Siedlungs- und Wirtschaftstätigkeit, hier
befinden sich die Zentren der Verwaltung, Versorgung und
Bildung sowie von Kunst und Kultur. Dieser Trend wird
sich fortsetzen beziehungsweise noch intensivieren.
Kennzeichnend für die Großlandschaft des Ballungsraumes
Rhein-Sieg wird dabei auch in Zukunft ihre hohe Komplexität und Entwicklungsdynamik sein. Die Offenlandbereiche
dienen der acker- und gartenbaulichen Nutzung sowie
der Freizeitnutzung und Naherholung. Sie werden jedoch
nicht nur in ökologischer und kultureller Hinsicht weiter an
Bedeutung gewinnen, auch ihre Funktion als Standortfaktor
nimmt zu. In einer wachsenden Wissens- und Technologiegesellschaft spielen landschaftliche Potenziale und andere
Aspekte der Lebensqualität eine immer wichtigere Rolle bei
der Ansiedlung von Unternehmen.
Bevorzugter Bereich der Stadtentwicklung wird wie bisher
die Niederterrasse sein; nur noch auf wenigen Landschaftsresten wird hier acker- und gartenbauliche Nutzung
stattfinden. Diese wird sich weiterhin auf die fruchtbaren
Böden der linksrheinischen Mittelterrasse zwischen Köln
und Bonn konzentrieren – sie bleiben die „Rheinischen
Gärten“ und ein Vorranggebiet für die Landwirtschaft.
Im Gegensatz zur linksrheinischen Mittelterrasse geht es
im Rechtsrheinischen perspektivisch vor allem darum,
den durchgehenden Waldkorridor zwischen Leverkusen
und Siegburg zu erhalten. Ein besonderes Augenmerk
kommt der Wahner Heide und dem Königsforst zu. Betrachtet man die Stadt- und Industriezentren von Köln und
Bonn, so fällt auf, dass diese – in Köln noch stärker als in
Bonn – mit einem feinmaschigen Netz urbaner Freiräume
verwoben sind. Diese sind in der Regel als Grünanlagen,
Grünringe und -achsen beziehungsweise als Landschaftsparks oder -achsen gestaltet.
Für die Zukunft ist es ein wichtiges Ziel, die innerstädtischen
Grünnetze zu erhalten und nachhaltig auszubauen und
sie noch stärker mit den Freiräumen des Umlandes zu
vernetzen. Dabei kommt in allen Bereichen des Ballungsraumes der Ablesbarkeit von kulturlandschaftlicher Entwicklung und dem Erhalt sowie der Herausarbeitung von
historischen Strukturen und Elementen des Natur- und
Kulturerbes eine große Bedeutung zu. Beispielhaft hierfür
seien alte Ortskerne und Zeugnisse der Industrialisierung
sowie Reste von Niederungen in den Auenbereichen von
Rhein, Sieg und Wupper genannt.
Die Landschaft von Börde und Ville – Neue Herausforderungen vor und nach dem Ende des Braunkohleabbaus
Die fruchtbaren Böden der Jülicher und Zülpicher Börde
werden auch in Zukunft ein Vorranggebiet für die Landwirtschaft in der Metropolregion Köln/Bonn sein. Die derzeit
noch im Braunkohleabbau stehenden Teile der Jülicher
Börde westlich von Kerpen können jedoch nicht so rekultiviert werden, dass wieder fruchtbare Lössäcker entstehen
und die landwirtschaftliche Nutzfläche entsprechend
erhalten werden könnte. Wertvolle Kulturlandschafts
bereiche dieser Teilregion reichen bis in die Abbaubereiche
23
des Tagebaus Hambach hinein. Das hier zu gestaltende
„neue Land“ ist eine besondere Herausforderung für die
zukünftige Landschaftsentwicklung.
Hinsichtlich der landwirtschaftlichen Nutzung der Börde
ist es die kulturlandschaftliche Hauptaufgabe, die zusammenhängende Ackerlandschaft mit ihren charakteris
tischen Silhouetten zu erhalten und mit gliedernden und
belebenden Elementen anzureichern. In der Erftaue wird
es zudem zur kleinräumigen Umwandlung von Ackerfläche
in Grünland kommen. Ziel ist es hier, ein naturnäheres
Fließregime der Erft herzustellen, ihre Uferbereiche
entsprechend zu gestalten und Retentionsräume zurück
zu gewinnen.
In der Ville sind im Zuge der Rekultivierung der letzten
ehemaligen Braunkohletagebaue neben großen landwirtschaftlichen Flächen auch naturnahe Bereiche entstanden,
die als Erholungsraum für die Menschen im Ballungsraum
sowie als Refugium für wildlebende Tier- und Pflanzenarten
dienen sollen. Das Auslaufen des Braunkohletagebaus
bringt hier völlig neue Chancen und Herausforderungen
für die Weiterentwicklung der Kulturlandschaft mit sich.
In jedem Fall müssen die weiträumigen Blickbeziehungen,
die ein spezifisches Charakteristikum der Bördelandschaft bilden, erlebbar bleiben. Sie sind ein wesentliches
Element des Natur- und Kulturerbes der Landschaft und
somit in hohem Maß identitätsstiftend. Zugleich geht es
auch darum, die noch vorhandenen und nicht für Siedlungszwecke beanspruchten Tal- und Auenbereiche als
lineare Verbindungselemente in der Kulturlandschaft zu
erhalten und sie weiterhin vor einer Bebauung mit Siedlung oder infrastrukturellen Einrichtungen zu bewahren.
24
Das Bergische Land – Naherholung als sinnvolle Ergänzung
Die funktionale Teilung in Höhenrücken und Täler ist ein
hervorragendes und zu wahrendes Charakteristikum der
Kulturlandschaft des Bergischen Landes. Sie spiegelt
die Vielschichtigkeit der Großlandschaft in ihrem Landschaftsbild und ihren Funktionen wider. Auf der einen Seite
bleibt die bäuerliche Struktur mit ihren kleinräumigen
Siedlungsmustern in den höheren und mittleren Lagen
sowie den zugehörigen Ortsbildelementen wie Gärten und
Obstwiesen dominant. Der für das Landschaftsbild typische Wechsel von Offenland und Wald sollte dabei auch
künftig in jedem Fall erhalten bleiben. Auf der anderen
Seite haben sich in den Tälern große Gewerbe-, Industrieund Siedlungsbänder herausgebildet, die zahlreiche Elemente und Strukturen der Industriegeschichte aufweisen.
Diese gilt es im landschaftlichen Kontext zu sichern und
behutsam weiterzuentwickeln.
Innerhalb der Region kommt dem Bergischen Land aufgrund seiner landschaftlichen und ästhetischen Reize eine
herausragende Rolle als Naherholungsraum zu. Dies wird
durch die Ausweisung großer Teile als Naturpark bestätigt. Bereits heute stellen Freizeit und Naherholung hier
eine sehr sinnvolle Ergänzung zur landwirtschaftlichen
und industriellen Nutzung dar. Diese gilt es in Zukunft
ressourcenschonend auszubauen und im Sinne einer
nachhaltigen Wertschöpfung zu stabilisieren.
Eine wichtige Rolle spielt dabei das Gewässernetz, das von
zentraler Bedeutung für die Kulturlandschaftsentwicklung
des Raumes war und ist. Die zahlreichen Talsperren des
Bergischen Landes sind Ausdruck der intensiven Nutzung
des Wassers als bergischer Gunstfaktor. Sie gewährleisten
unter anderem die Trinkwasserversorgung der dicht besiedelten Rheinschiene. Darüber hinaus liefern sie einen
Der Blick nach vorn: Perspektiven der Raumentwicklung in der Region
wesentlichen Beitrag zur Attraktivität des Landschaftsbildes und somit zum Erholungsangebot der Großlandschaft
Bergisches Land.
Die Mittelrheinische Pforte – Weltkulturerbe greifbar nah
Die künftige kulturlandschaftliche Entwicklung stellt in
der Mittelrheinischen Pforte den Erhalt einer umweltverträglichen Acker- und Grünlandnutzung sowie die behutsame Weiterentwicklung des Obst- und Weinanbaus in den
Vordergrund. Ein wichtiges Kriterium ist dabei die Offenhaltung von Bestandteilen und Strukturen der alten Kulturlandschaft. In einzelnen Bereichen sind eine Erweiterung
der vorhandenen sowie die Anlage neuer Anbauflächen –
beispielsweise für die Kultivierung von Wein – denkbar. Teilweise wird es auch zu einer Umwandlung intensiv genutzter
Obstplantagen in Obstwiesen mit Hochstämmen kommen.
Große Teile der Landschaft der Mittelrheinischen Pforte
sind mit Wald bedeckt. Hier sollte es auch in Zukunft darum
gehen, Wärme liebende Trockenwälder, die einzigartig für
Nordrhein-Westfalen sind, zu fördern und zu vermehren.
Fasst man die Bedeutung der Mittelrheinischen Pforte als
südlichen Einstieg in die Region zusammen, so schließen
die Weinorte und Burgen beziehungsweise Burgruinen
am Siebengebirge die weltweit einzigartige Wein- und
Burgenlandschaft des Mittelrheins zum Tiefland im Norden
hin ab. Die Burgen sind dabei die „Tore zum romantischen
Rheintal“. Dieser besonderen Eingangssituation gilt es bei
der künftigen natur- und kulturräumlichen Entwicklung der
Mittelrheinischen Pforte Rechnung zu tragen.
25
26
Kapitelbezeichnung
Natur und Kultur in ihrer höchsten Verdichtung: Das Netzwerk der Kulturlandschaften
Legt man das Natur- und Kulturerbe der Metropolregion
Köln/Bonn sinnbildlich übereinander, so entsteht ein Netzwerk der Kulturlandschaften, das aus drei wesentlichen
Elementen besteht und die naturräumliche und kulturelle
Ausstattung der Region in ihrer höchsten Verdichtung
repräsentativ abbildet. Die einzelnen Grundelemente sind
dabei:
• die Wertvollen Kulturlandschaftsbereiche;
• die Freiraum- und Gewässernetze;
• die Auen-, Wald- und Freiraumkorridore.
Als „Knoten“ des Netzwerkes fungieren die Wertvollen
Kulturlandschaftsbereiche, die über so genannte Kulturlandschaftskorridore miteinander verbunden sind und zugleich auch die Freiraum- und Gewässernetze einbeziehen
und vernetzen19. Die zentrale Idee dabei ist, den „dynamischen Lebensraum des Menschen“ in der Metropolregion
Köln/Bonn in Form eines Rückblicks auf die Entwicklung
der Kulturlandschaften abzubilden. So wird zugleich ein
Erkennen der aktuellen Situation ermöglicht und eine
kulturlandschaftliche Raumeinteilung geschaffen, die
relevante Besonderheiten der Großlandschaften in der
Region abbildet sowie zueinander in Bezug setzt.
Das Netzwerk der Kulturlandschaften ist jedoch mehr
als eine Erfassung des Ist-Zustandes und der Genese. Es
dient auch als Wegweiser für die zukünftige Entwicklung
der Kulturlandschaft durch nachhaltiges Handeln. Auf
diese Art und Weise wird der grundlegende Gedanke des
19
20
UNESCO-Programms „Man and Biosphere“20 und der
Europäischen Landschaftskonvention aufgenommen: das
Leitbild des nachhaltigen Handelns in allen Landschaften.
Wichtig ist dabei: Das Netzwerk der Kulturlandschaften
verfolgt keinen konservierenden, sondern einen perspektivischen Ansatz. Die Ausweisung und Umsetzung regional
bedeutsamer Projekte konzentriert sich in diesem Kontext
nicht nur auf die Wertvollen Kulturlandschaftsbereiche
und ihre Korridore. Sie erstreckt sich – wie das Kulturlandschaftsnetzwerk generell – auf die gesamte Region.
Auf der Basis dieses Ansatzes werden in der Metropolregion Köln/Bonn wertvolle Kulturlandschaftsbereiche
abgegrenzt und beschrieben. Ihre Darstellung dient dem
Ziel, repräsentative Ausschnitte der Kulturlandschaften
konkret zu definieren und in ihrem Wert für die Gesamt
region zu fördern.
Die Abgrenzung und Beschreibung der Wertvollen Kulturlandschaftsbereiche erfolgte im Wesentlichen aus
folgenden Gründen: Die ausgewählten Bereiche bilden
exemplarisch das charakteristische und nahezu vollständige Inventar des Natur- und Kulturerbes in den Großlandschaften der Region ab, wobei dieses je nach Kulturlandschaftsbereich unterschiedlich ist. So gibt es sowohl
Bereiche, die im naturräumlichen Sinne repräsentativ
sind, als auch solche, die aufgrund ihres kulturellen Erbes
als wertvoll eingestuft wurden. In den meisten Fällen sind
jedoch beide Aspekte vertreten. Hinzu kommt, dass sich
die Wertvollen Kulturlandschaftsbereiche in idealer Weise
27
eignen, um anhand ihrer beispielhaften Ausprägungen
Perspektiven für den künftigen Umgang mit den Kulturlandschaften in der Region aufzuzeigen.
Das Netzwerk der Kulturlandschaften muss als eine Art
„Partitur“ für dieses Vorgehen betrachtet werden. Dabei
werden die Wertvollen Kulturlandschaftsbereiche durch
Freiraum- und Gewässernetze sowie ein System von
Korridoren ergänzt. Die Freiraumnetze beziehen sich im
Ballungsraum auf die Städte Köln und Bonn. Sie sollen die
Offenheit der Städte sichern beziehungsweise neu schaffen.
Die Gewässernetze erfassen die Quell- und Entstehungsgebiete der Fließgewässer in der Region. Sie sorgen
dafür, dass die kostbare Ressource Wasser im Sinne der
Europäischen Wasserrahmenrichtlinie großflächig und
nachhaltig geschützt und weiterentwickelt werden kann.
Weder die Wertvollen Kulturlandschaftsbereiche noch
die Freiraum- und Gewässernetze dürfen jedoch isoliert
voneinander betrachtet werden. Sie sind über landschaftsverbindende Achsen, so genannte Korridore, miteinander
verknüpft. Der ,masterplan :grün’ unterscheidet zwischen
Auen-, Wald- und Freiraumkorridoren. Sie alle fungieren
einerseits als Verbindungselemente in der Landschaft, zum
anderen sind sie aber auch selbst flächenwirksam. Bestes
Beispiel ist der Rhein-Auenkorridor, der landschaftsgestalterisch eine Art „Rückgrat der Region“ bildet.
Die Projekte innerhalb des Kulturlandschaftsnetzwerkes
haben Leuchtturmfunktion. Unabhängig davon ob sie in
Das Netzwerk der Kulturlandschaften der Metropolregion ist insbesondere über die Landschaftskorridore mit den anderen Kulturlandschaften in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz verbunden. Zugleich werden beispielsweise
über den Rhein Landschaftsverbindungen geknüpft, die von nationaler und europäischer Bedeutung sind.
Im Oktober 1970 rief die UNESCO das Umweltprogramm „Der Mensch und die Biosphäre“ („Man and Biosphere“ – kurz MAB) ins Leben. Ziel war es, auf internationaler Ebene Grundlagen für den Schutz der natürlichen Ressourcen
sowie für eine nachhaltige Nutzung der Biosphäre zu schaffen. Dabei ging es unter anderem um die Errichtung eines globalen Netzes repräsentativer Schutzgebiete, der so genannten Biosphärenreservate.
28Natur und Kultur in ihrer höchsten Verdichtung: Das Netzwerk der Kulturlandschaften
den wertvollen Kulturlandschaftsbereichen, den Auen-,
Wald- und Freiraumkorridoren oder in den Gewässer-
beziehungsweise Freiraumnetzen liegen, sind sie beispiel
hafte Modelle und Vorbilder für weitere Vorhaben und
Maßnahmen der Raumentwicklung in der gesamten Region.
Ihre derartige Realisierung kann somit richtungweisenden
Charakter für viele andere Projekte haben.
Die Wertvollen Kulturlandschaftsbereiche
der Metropolregion Köln/Bonn
Im Folgenden werden die Wertvollen Kulturlandschafts
bereiche der Region – ausgehend von der kulturlandschaftlichen Gliederung (in der Reihenfolge von Norden
nach Süden) – kurz beschrieben. Sie sind sozusagen „das
Herz der regionalen Naturräume“. Einen landschaftsräumlichen Überblick bietet die Karte auf Seite 132.
Der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich Bürge
Als typischer Landschaftsausschnitt für den Naturraum
Börde reicht der wertvolle Kulturlandschaftsbereich Bürge
von der Erftaue zwischen Kerpen-Horrem und KerpenTürnich im Osten bis an den Rand des Braunkohletage
baus Hambach im Westen. Nördlich und südlich bilden
die Autobahn Köln-Aachen (A 4) beziehungsweise der
Ortsrand von Kerpen die Grenzen des Wertvollen Kulturlandschaftsbereiches. Kennzeichnend sind fruchtbare
Lössäcker sowie kleinere Wälder und Strukturelemente
der Auenlandschaft.
Das Naturerbe bezieht sich hier im Wesentlichen auf die
ökologisch bedeutsamen, staunassen Eichen-Hainbuchen
21
wälder der Bürge, die naturnahen Auenwälder der Erft und
einen charakteristischen Teil des Neffelbaches. Dabei
besteht der Waldkern aus den drei geschlossenen Waldgebieten Dickbusch, Lörsfelder Busch und Steinheide
westlich der Erfttalniederung. Als Inselbiotope gehören
diese zu den Restflächen der durch den Braunkohletagebau Hambach in Anspruch genommenen Bürgewälder.
Sie sind von großer Bedeutung für den Artenschutz
und die Wiederbesiedlung der Rekultivierungsflächen
nach dem Braunkohleabbau und stehen somit in engem
Zusammenhang mit einem der Hauptthemen in diesem
Teil der Region.
Eine weitere Kernzelle liegt mit dem Kerpener Bruch und
dem Parrig in der Erftaue. Dieses Gebiet repräsentiert
einen der landesweit größten Hartholzauenwälder mit einem hohen Altholzanteil. Neben anderen Faktoren ist der
Altholzanteil eine wesentliche Grundlage für die Existenz
einer sehr artenreichen Fauna und Flora mit zahlreichen
gefährdeten Tier- und Pflanzenarten.
Aus kulturgeschichtlicher Sicht gehören die Bürgewälder
zu den ältesten Waldstandorten in Nordrhein-Westfalen.
Dabei wurden sie früher in so genannten „Quartieren“
und „Laags“ eingeteilt, was für den jährlichen Eintrieb der
Hausschweine zur Eichel- und Eckernmast von Bedeutung
war. Heute gibt es nur an wenigen Stellen noch Hinweise
auf diese Tradition. Eingebettet sind die Wälder zum Teil in
historische Feldfluren und Gutsanlagen wie Haus Dorsfeld,
Gut Seelrath und Haus Forst. Auch die Ortsbilder sind zum
Teil von Herrenhöfen, fränkischen Vierkantbauernhöfen
sowie historischen Schloss- und Burganlagen wie der
Kommandeursburg und Schloss Bergerhausen geprägt.
Ein Beispiel dafür ist Kerpen-Blatzheim, ein Ort, der
exemplarisch für die Zielsetzung einer landschaftsbezogenen Dorfentwicklung stehen könnte. Weitere Herausforderungen für die künftige Gestaltung des wertvollen
Kulturlandschaftsbereiches sind die Anreicherung der
Agrarlandschaft mit typischen Strukturen, der Wiederaufbau von Wäldern sowie eine landschaftsbezogene Stadtentwicklung der in der Kulturlandschaft liegenden Stadt
Kerpen mit ihrer historisch bedeutsamen Stadtanlage21.
Der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich Ville
Beim wertvollen Kulturlandschaftsbereich Ville handelt es
sich um einen landesweit bedeutsamen Landschaftsausschnitt, der im Süden bis an den Rand des Kottenforstes
und im Norden bis an die Grenze der Stadt Hürth reicht.
Die Westgrenze verläuft parallel zur Erftaue, im Osten
schließt der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich Ville mit
dem Siedlungsrand des Vorgebirges ab. Die kulturhistorische Besonderheit liegt vor allem in der Geschichte des
Braunkohleabbaus, der sich bereits um das Jahr 1900
westlich von Brühl, Frechen und Hürth konzentrierte.
Nach 1950 erfolgte der Übergang zu Großtagebauen. Dies
ging und geht sowohl mit vorhergehenden Umsiedlungen
der Menschen als auch mit anschließender großflächiger
Rekultivierung einher. Die Rekultivierung ist in der Ville
größtenteils abgeschlossen. Die so genannten Bergbaufolgelandschaften schließen sich im Norden und Nordosten
an die ältere Braunkohlerekultivierungszone an.
Heute dienen die ehemaligen Grubenfelder der südlichen
Ville vor allem der Naherholung. Aus ihnen ist eine
Seenlandschaft mit umliegenden Wäldern entstanden.
Der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich Bürge hat im Kulturlandschaftsnetzwerk direkte Verbindungen zum Erft-Swist-Auenkorridor und einen mittelbaren Kontakt zur Freiraumspange „Terra Nova“.
Natur und Kultur in ihrer höchsten Verdichtung: Das Netzwerk der Kulturlandschaften
Erste Ansätze zu diesem Umgestaltungsprozess hatte es
bereits in der Erprobungsphase der 1920er Jahre gegeben, erst aus der Zeit nach 1945 stammen die heute das
Landschaftsbild prägenden artenreichen und gemischten
Waldbestände.
Im Süden der Waldville findet man darüber hinaus bemerkenswerte Reste der römischen Wasserleitung (Römerkanal), die aus der Eifel in die Kölner Bucht führte. Auch
die alten Wegenetze und Waldalleen sind hinsichtlich des
Kulturerbes relevant.
Die ökologisch bedeutsamen Flächen des Wertvollen
Kulturlandschaftsbereiches konzentrieren sich auf die
zusammenhängenden großen Altwaldbereiche sowie die
Renaturierungen des Braunkohletagebaus. Die Waldville zeichnet sich als großer und zusammenhängender
Waldkomplex auf Wasser stauenden Gleyböden durch das
Nebeneinander ausgedehnter Eichen-Mischwälder und
bruchwaldartiger Erlen- und Moorbirkenwälder aus. Sie
bieten Lebensraum für fast die Hälfte aller in NordrheinWestfalen lebenden Amphibienarten.
Forstwirtschaftlich hervorzuheben ist ein Gebiet zwischen
den Orten Swisttal-Heimerzheim und Meckenheim-Lüftelberg, das ein landesweit einzigartiges zusammenhängendes Hauptvorkommen an Eichen-Hainbuchenwäldern
aufweist. Ein zweites Kerngebiet befindet sich bei Bornheim. Die Villewälder sind extrem strukturreich mit
hohem Alt- und Totholzanteil. Gemeinsam mit den sich
22
23
südöstlich anschließenden Wäldern des Kottenforstes
bilden sie einen ausgeprägten Laubwaldkorridor (siehe
Ville-Kottenforst-Waldkorridor Seite 45).
Im Rahmen der weiteren Entwicklung des Kulturlandschaftsnetzwerkes soll der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich Ville Beispiele für eine nachhaltige Waldwirtschaft
sowie für die Waldvermehrung und standortgerechte
Rekultivierung von Wäldern auf ehemaligen Abgrabungsflächen des Braunkohletagebaus liefern. Dies hat immer
auch einen Effekt auf die nachhaltige Nutzung im Sinne
von Freizeit und Naherholung22.
Der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich
Urdenbach-Worringen
Der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich Urdenbach-Worringen beginnt im Norden Kölns oberhalb des Ortsteils KölnLangel mit dem Worringer Altrhein. Er reicht über die Grenzen der Stadt Köln in den Rhein-Kreis Neuss hinein, berührt
den Stadtrand von Düsseldorf und deckt einen typischen
Ausschnitt des Naturraumes Rheinaue mit ausgedehnten
Überflutungswiesen, Bruchwäldern und Flussdeichen ab.
Betrachtet man den naturräumlichen Aspekt, so bildet das
Naturschutzgebiet Worringer Bruch neben dem Zonser Grind,
den Urdenbacher Kämpen und den Rheinufern zwischen
Neuss und Köln eine ökologische Kernfläche des euro
päischen Schutzgebietssystems NATURA 200023. Es handelt
sich um einen ehemaligen, beinahe vollständig verlandeten
29
Altarm des Rheins, der stark schwankende, dem Rheinwasserspiegel angepasste Grundwasserstände aufweist.
Da derart großflächige auentypische Biotopkomplexe in
der Rheinaue mittlerweile eher selten geworden sind, spielt
das Gebiet eine wichtige Rolle als ökologischer Rückzugsraum und Ausbreitungsweg im Korridor der Rheinschiene.
Das Mosaik der Vegetation ist repräsentativ für den Naturraum der Rheinebene. Herausragend sind die Funktion als
Lebensraum des Erlen-, Eschen- und Weichholzauenwaldes
sowie die großflächigen Primärröhrichte des verlandeten
Altarms. Zudem findet man hier eine Reihe seltener
Pflanzen- und Tierarten sowie eine bemerkenswerte
Totholz-Käferfauna mit über 100 Arten. Neben dem Worringer Bruch gibt es ein weiteres, kleineres Naturschutzgebiet auf einem alten Ziegeleigelände sowie – wie oben
bereits erwähnt – mehrere großflächige Naturschutzgebiete wie die Urdenbacher Kämpe und den Zonser Grind,
die sich jedoch außerhalb der Stadt Köln befinden.
Kulturräumlich sind in erster Linie Dokumente aus der
provinzial-römischen Zeit hervorzuheben, beispielsweise
die Reste der Kastelle in Dormagen, der Wachturm auf
dem Reckberg bei Neuss und Haus Bürgel sowie die
Limesstraße entlang des Rheins zwischen Köln und Neuss.
Herausragend unter den historischen Bauanlagen ist die
mittelalterliche Stadtbefestigung von Dormagen-Zons im
Rhein-Kreis Neuss, die unmittelbar an den Wertvollen
Kulturlandschaftsbereich Urdenbach-Worringen anschließt.
Historische Relevanz für die Region besitzt das Gebiet
Der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich Ville weist im Kulturlandschaftsnetzwerk Verbindungen mit den suburbanen Freiraumkorridoren um Köln (Seite 46), dem Freiraumkorridor „Agrippastraße“ (Seite 48) und dem Ville-Kottenforst-Waldkorridor Seite 45) auf. Darüber hinaus gibt es Kontakte zum Erft-Swist-Auenkorridor (Seite 43) und zum Freiraumkorridor „Römerkanal“ (Seite 49).
Natura 2000 ist ein EU-weites Netz von Schutzgebieten zum Erhalt gefährdeter Lebensräume und Arten. Es setzt sich zusammen aus den Schutzgebieten der Vogelschutz-Richtlinie (Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979
über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten) und den Schutzgebieten der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden
Tiere und Pflanzen).In Deutschland sind rund 14 Prozent der Landesfläche und 31 Prozent der Meeresfläche als Natura 2000-Gebiete gemeldet.
30
zudem als Schauplatz der berühmten Schlacht bei Wor
ringen, die 1288 das kriegerische Finale des zuvor bereits
sechs Jahre währenden Limburger Erbfolgestreites
darstellte. Ihr Ausgang veränderte seinerzeit das gesamte
Machtgefüge im Westen Mitteleuropas.
Der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich UrdenbachWorringen eignet sich heute insbesondere, um Beispiele
für eine nachhaltige Grünlandnutzung, eine auentypische
Hochwasserrückhaltung und den ökologisch orientierten
Bau sowie die Unterhaltung von Flussdeichen aufzuzeigen.
Hinzu kommt ihre besondere Bedeutung für den Schutz
von Trinkwasserfiltraten und die Gestaltung von Fischschutzzonen. Da der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich
über die Grenzen der Stadt Köln hinausreicht, müssen
sowohl naturräumliche als auch kulturelle Bezüge zu den
angrenzenden Naturschutzgebieten und den kulturhistorischen Besonderheiten im Rhein-Kreis Neuss und in der
Stadt Düsseldorf berücksichtigt werden24.
Der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich Köln
Köln gilt als weltweit bedeutsame Stadt mit langer Kulturgeschichte vor allem unter dem Gesichtspunkt des kulturellen Erbes als Wertvoller Kulturlandschaftsbereich. Hinzu
kommt, dass die Stadt über ein Grün- und Freiraumsystem
verfügt, das in seiner räumlichen Ausdehnung einzigartig in
Europa ist und dessen Ursprünge bereits in den 20er Jahren
des vergangenen Jahrhunderts liegen.
Betrachtet man die Siedlungsgeschichte Kölns, so gibt
24
25
Natur und Kultur in ihrer höchsten Verdichtung: Das Netzwerk der Kulturlandschaften
es sowohl oberirdisch als auch unterirdisch eine Vielzahl
von Spuren, die noch heute erkennbar sind. Ein Beispiel
ist der römische Mauerring, der mit seinen Toren und
Türmen ein dicht bebautes Siedlungsareal mit herausragender Infrastruktur umschloss. Einige bis heute wichtige
Straßenverläufe basieren auf römerzeitlichen Festlegungen,
zahlreiche Überreste zeugen zudem von der blühenden
Vergangenheit der Stadt. Die herausragende Stellung Kölns
in jener Zeit als weltliches, kirchliches und wirtschaftliches
Zentrum ist auch an der Bezeichnung „Rom des Nordens“
ablesbar.
Auch die mittelalterlichen Wachstumsphasen, die das
römische Areal nach und nach erweiterten, lassen sich
heute noch gut im Stadtbild Kölns nachvollziehen. Die
Stadtmauer von 7,5 Kilometer Länge wies Ende des 12.
Jahrhunderts zwölf Torburgen und 52 Wehrtürme auf,
sie umschloss eine Fläche von 450 Hektar. Hinzu kam die
wachsende Bedeutung der Stadt als erzbischöflicher Sitz
und Wallfahrtsort, die mit dem Bau des erst im 19. Jahrhundert vollendeten Kölner Doms, der heute zum Weltkulturerbe gehört, ihren Höhepunkt fand. Zahlreiche romanische Kirchen und Klosteranlagen prägten das Stadtbild
bereits im Mittelalter, während die Zünfte und Gaffeln das
wirtschaftliche Leben dominierten und die freie Reichsstadt Köln aufgrund des Stapelrechtes den Warenverkehr
auf dem Rhein kontrollierte.
Zum Ende des 19. Jahrhunderts wurde der mittelalterliche
Stadtring aufgehoben – Köln expandierte in der Folgezeit
mit der Industrialisierung entlang von Wachstumsachsen,
deren gründerzeitliche Anlage man immer noch im Stadtbild erkennen kann. Das aus dieser Zeit stammende industriegeschichtliche Erbe ist heute durch Bauaktivitäten
im Rahmen des Strukturwandels zum Messe-, Verkehrsund Medienzentrum gefährdet. Es ist ein wesentliches
Anliegen, das kulturelle Erbe aus dieser Zeit zu erhalten
und wieder sichtbar zu machen.
Grundsätzlich kann gesagt werden, dass die Kölner
Industrielandschaft sich in „ältere Industrieballungen“ –
beispielsweise in den Stadtteilen Ehrenfeld, Nippes, Kalk,
Mülheim, Porz und im nördlichen Deutz – sowie in „neue
Industrieballungen“ unterteilt. Hinzu kommen Bereiche
mit „älteren Industriedurchsetzungen“, die für Vororte
wie Sülz oder Raderthal typisch sind. All diese Standorte
erstrecken sich über größere Flächen, ihr optisches
Erscheinungsbild wurde durch das Alter der Bauten, die
Größe der Niederlassungen und die Nutzung durch einen
speziellen Industriezweig erheblich beeinflusst.
Die Grün- und Freiraumentwicklung der Stadt Köln steht in
einem engen Zusammenhang zur neuzeitlichen Stadterweiterung. So entstand mit dem Wachstum und der Ausdehnung
der Stadt eine Vielzahl inselartig um das Stadtgebiet verteilter
Grünanlagen, die in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in das Grünsystem der Stadt Köln integriert wurden.
Dessen Grundlagen legten der Städtebauer Fritz Schumacher
und der damalige Oberbürgermeister der Stadt Köln, Konrad
Adenauer25. Trotz wechselnder Leitbilder hat sich das von
Schumacher vorgegebene Grundgerüst des Grünsystems
bis heute als tragfähig erwiesen. Mit dieser städtebaulichen
Der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich Urdenbach-Worringen ist im Kulturlandschaftsnetzwerk eng mit dem Rhein-Auenkorridor (Seite 42) verzahnt. Es gibt Kontakte zum Kölner Freiraumnetz (Seite 39), zum Freiraumkorridor
„Zu den Hitdorfer Seen“ (Seite 47) und zum Freiraumkorridor „Limesstraße“ (Seite 48).
Konrad Adenauer war von 1917 bis 1933 Oberbürgermeister der Stadt Köln. Vieles von dem, was er initiierte, prägt bis heute das Leben in Köln. Ein Beispiel ist die Idee der Kölner Grüngürtel.
Natur und Kultur in ihrer höchsten Verdichtung: Das Netzwerk der Kulturlandschaften
und grünplanerischen Kontinuität hebt sich Köln deutlich von
anderen Städten im deutschsprachigen Raum ab. Weite Teile
des Grünsystems wurden im Laufe der Zeit als zusammenhängende Volksparke ausgebaut. Aufgrund dieser Entwicklung hat das Grünsystem Kölns heute auch eine wichtige
Bedeutung für den urbanen Biotopverbund, der dem Schutz
und der Entwicklung von Natur und Landschaft in ökologisch
wertvollen Bereichen Vorrang einräumt.
Anhand des Wertvollen Kulturlandschaftsbereiches Köln
lassen sich daher sowohl Beispiele für die Fortführung
einer nachhaltigen Stadtentwicklung – beispielsweise durch
Verknüpfung der Grüngürtel und Grünachsen mit den Frei
raumkorridoren – als auch Beispiele für eine dem kulturellen Erbe gerecht werdende Stadtgestaltung entwickeln.
Dabei sollten unter anderem die Gestaltung der Stadtsilhouette am Rhein, die Neugestaltung ehemaliger Indus
trie- und Verkehrsanlagen und die weitere Profilierung
des provinzial-römischen Erbes berücksichtigt werden26.
Der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich
Wahner Heide-Königsforst-Siegmündung
Der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich Wahner HeideKönigsforst-Siegmündung erstreckt sich vom Gebiet des
Königsforstes über die offenen Flächen der Wahner Heide
im Osten bis zur Sülzaue. Südlich reicht er bis an den Siedlungsrand von Troisdorf, im Westen bis an die Siedlungsränder von Köln-Porz, Köln-Wahn und Troisdorf. Im Süden
des Gebietes schließt sich die Siegmündung an. Heute gibt
es im Gebiet des Wertvollen Kulturlandschaftsbereiches
26
ein enges Nebeneinander von intensiver Verkehrsnutzung
(Flughafen und Autobahnen) und Naturschutz.
In seiner Ausstattung ist dieser Bereich recht heterogen;
er weist typische Merkmale für die Naturräume Rheinaue
und Bergische Heideterrasse auf. Es handelt sich um einen
landesweit und europäisch bedeutsamen Landschaftsraum
gemäß NATURA 2000, der ein Gebiet des Nationalen Naturerbes Deutschlands und eine Vielzahl ökologisch sensibler
Flächen beinhaltet. Dabei stellt die Siegmündung hinsichtlich ihres Naturerbes einen repräsentativen Ausschnitt der
Auenlandschaft an Rhein und Sieg dar. Kennzeichnend sind
ausgedehnte ökologisch bedeutsame Weichholzauen sowie
Überflutungswiesen und alte Weidenbestände. Die strukturreiche Flussauenlandschaft der ökologischen Kernzone
ist vor allem für Wasser- und Watvögel als Brutplatz sowie
als Nahrungs-, Durchzugs- und Überwinterungsbiotop
wertvoll. Sie wird zudem von zahlreichen hochgradig gefährdeten Vogelarten genutzt.
Auch die landesweit bedeutsamen Bestände an einzelnen
Fischarten haben dazu beigetragen, dass die Altwässer
und die Restbestände der Weichholz-Auenwälder inzwischen
als sehr seltene Fauna-Flora-Habitat-Lebensräume (FFH)
der NATURA 2000-Richtlinie anerkannt sind. Als weitere
naturräumliche Besonderheit gilt, dass die Siegmündung
geomorphologisch die am besten ausgebildete Flussmündung des mittleren Rheintales mit naturnaher Überflutungs
dynamik ist. Diese Entwicklungszone dient als Modell für
eine nachhaltige Grünlandnutzung. Sie liefert zudem Beispiele für die Pflege und Entwicklung von Weidenwäldern.
31
Anders gestaltet sich die Situation des Naturerbes in der
Wahner Heide. Das von der Relief- und Bodenausstattung
her äußerst abwechslungsreiche FFH- und EU-Vogelschutzgebiet ist ein Rest der typischen Sandlandschaft der
Bergischen Heideterrasse und darüber hinaus ein wichtiger Bestandteil des europäischen Schutzgebietssystems
NATURA 2000. Die Landschaft weist in ihren ökologischen
Kernflächen ein Naturschutzgebiet mit sehr hoher Biotopund Artenvielfalt auf, das in seiner Vielfalt und Ausdehnung repräsentativ für den südlichen Niederrhein ist. Als
Nationales Naturerbe ist es hinsichtlich seiner Wertigkeit
in dieser Form sowohl im landes- als auch im bundesweiten Kontext einmalig.
Interessant ist auch die Kulturhistorie der Wahner Heide.
Einerseits weist sie zahlreiche vor- und frühgeschichtliche
Fundplätze auf, andererseits ist sie aufgrund ihres wenig
ertragreichen Bodens seit dem frühen Mittelalter das am
dünnsten besiedelte Gebiet der Region. Seit dem 19. Jahrhundert wird die Wahner Heide zudem als militärisches
Gelände genutzt, was zu einem hohen Anteil an Magerstandorten mit einer Vielzahl gefährdeter Pflanzen- und
Tierarten geführt hat.
Als Wertvoller Kulturlandschaftsbereich wird die Heide
vollständig erhalten, da sie aufgrund ihrer bestehenden
Ausprägung eine ideale Grundlage für eine nachhaltige
und schonende historische Heidenutzung bietet. Eine behutsame Erschließung im Sinne ruhiger und landschaftsgebundener Erholung ist damit durchaus vereinbar.
Der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich Köln ist im Kulturlandschaftsnetzwerk räumlich weitgehend deckungsgleich mit dem Kölner Freiraumnetz (Seite 39). Er hat enge Verbindungen mit dem Rhein-Auenkorridor (Seite 42) und den
suburbanen Freiraumraumkorridoren (Seite 46), die radial auf Köln zulaufen. Gleiches gilt für die Freiraumkorridore „Agrippastraße“ (Seite 48), „Via Belgica“ (Seite 48), „Römerkanal“ (Seite 49) und „Limesstraße“ (Seite 48). Zudem
gibt es einen mittelbaren Kontakt zum Vorgebirgs-Gewässernetz (Seite 40).
32Natur und Kultur in ihrer höchsten Verdichtung: Das Netzwerk der Kulturlandschaften
Im Nordosten des Wertvollen Kulturlandschaftsbereiches
– auf der rechtsrheinischen Mittelterrasse – liegt der Königsforst mit seinen sauren Eichen- und Buchenwäldern.
Er ist ebenfalls NATURA 2000-Schutzgebiet und steht mit
der Wahner Heide in einem direkten Biotopverbund. Seine
ökologische Bedeutung resultiert aus der naturräumlichen
Vielfalt mit ausgedehnten Eichenmischwäldern auf Sand
im Wechsel mit sauren Buchenwäldern sowie aus seinem
in Teilen naturnahen Fließgewässersystem.
Kulturgeschichtlich diente das 3.000 Hektar große Areal
des Königsforstes im Mittelalter als Jagdrevier. Seit dem
20. Jahrhundert ist es ein wichtiges Naherholungsgebiet
mit Ausflugslokalen, Tiergehegen und entsprechender
Wegeführung. Der Königsforst ist ein gelungenes Beispiel
für das Beibehalten von Forstflächen in unmittelbarer
Nachbarschaft intensiver Acker- und Siedlungsflächen,
was allerdings nur vor dem Hintergrund der langen Jagdgeschichte erklärbar ist.
Perspektivisch wird es darum gehen, die Waldbestände
des Wertvollen Kulturlandschaftsbereiches Wahner
Heide-Königsforst-Siegmündung naturnah zu bewirtschaften und die vorhandenen Nadelwälder sukzessiv in
naturnahe Laubwälder umzuwandeln. Auch die Fließgewässersysteme sollten im umweltverträglichen Sinne
weiterentwickelt und vor eutrophierenden Einflüssen
geschützt werden. Darüber hinaus sollte die Beibehaltung
des Biotopverbundes zwischen dem Königsforst und dem
angrenzenden Bergischen Land gesichert und die direkte
Verbindung zur Wahner Heide wieder hergestellt werden.
Hier könnten Beispiele für die Abpufferung ökologisch
sensibler Flächen – beispielsweise gegenüber Siedlungs27
und Verkehrsnutzung – sowie für die Waldvermehrung
aufgezeigt werden27.
Der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich Bonn
Wie das Siebengebirge so hat auch die Stadt Bonn eine
Bedeutung, die weit über die Region hinausreicht. Der
Wertvolle Kulturlandschaftsbereich erstreckt sich entlang
des Rheins von der Nordgrenze der Stadt bis zum Vorort
Mehlem, nach Osten und Westen wird er von randlich gele
genen Vororten begrenzt. Er ist typisch für den Ballungs
raum Rhein-Sieg, seine Herausbildung geht auf verschiedene, die Stadtstruktur prägende Phasen zurück.
Die ältesten, heute noch im Stadtbild ablesbaren Strukturen reichen dabei bis in die Zeit der Römer zurück, in der
sich nördlich des späteren mittelalterlichen Stadtkerns ein
Legionärslager befand. Die eigentliche Stadtwerdung Bonns
erfolgte jedoch erst in der mittelalterlichen „Villa Basilica“
zwischen dem heutigen Münster und dem Ufer des Rheins.
Dabei lassen sich im Stadtgrundriss vier mittelalterliche
Siedlungsbereiche unterscheiden: die Stiftstadt, das Markt
viertel sowie das Fähr- und das Fischerdorf. Einen Einschnitt
erfuhr die Entwicklung Bonns in der Phase als Residenzstadt der Kölner Kurfürsten im 18. Jahrhundert. In diesem
Zusammenhang sind insbesondere das Bonner Stadtschloss
und das Poppelsdorfer Schloss mit der verbindenden Achse
Poppelsdorfer Allee sowie der Hofgarten erwähnenswert. Im
18. und 19. Jahrhundert schließlich entwickelte sich Bonn
zur Universitäts- und Beamtenstadt.
geschichte des 19. Jahrhunderts erinnern, beispielsweise
die Zementfabrik in Oberkassel, die ehemalige Tapeten
fabrik in Beuel und die Fabrikantenvilla Soennecken.
Erst im 19. und 20. Jahrhundert wuchsen die zahlreichen
Dörfer und Vororte zum heutigen Stadtkörper zusammen.
Die Struktur, die sich vor allem im 20. Jahrhundert herausbildete, wurde entscheidend von der Tatsache geprägt,
dass Bonn zum zweiten Mal in seiner Geschichte Sitz
einer Regierung wurde: Den Kölner Kurfürsten folgte die
Bundesregierung. Bonn rückte als Bundeshauptstadt in
den Fokus der weltweiten Öffentlichkeit.
Zudem führte die Verlegung der Bundesregierung an den
Rhein zu einer regen Bautätigkeit, in deren Rahmen neben
dem Regierungsviertel über die Stadt verstreute Ministeriumskomplexe und Wohnsiedlungen für Beamte entstanden. Auch kulturell und infrastrukturell wuchs die Stadt
in dieser Zeit enorm. Einrichtungen wie die Anfang der
1990er Jahre eröffnete Museumsmeile und das U-BahnNetz dokumentieren diese für eine Stadt der Größenordnung Bonns normalerweise eher untypische Dynamik.
Naturräumlich wird Bonn dadurch geprägt, dass die Stadt
von großen Waldgebieten wie Kottenforst, Ville und Siebengebirge umgeben ist. In der Zeit als Bundeshauptstadt
versuchte die Grünplanung zwar, das rasche Wachstum
der Stadt zu kontrollieren und eine Verbindung zum Umland zu sichern beziehungsweise herzustellen. Es muss
jedoch konstatiert werden, dass eine Vielzahl massiver
Landschaftszerschneidungen – vor allem durch verkehrsplanerische Maßnahmen – aus dieser Phase stammen.
Besonders in den ehemaligen Vororten der Stadt befinden
sich noch heute zahlreiche Bauten, die an die Industrie-
Der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich Wahner Heide-Königsforst-Siegmündung ist im Kulturlandschaftsnetzwerk mit dem Bergischen-Heideterrassen-Waldkorridor verwoben (Seite 45). Es gibt Verbindungen zu den rechtsrheinischen
suburbanen Freiraumkorridoren um Köln (Seite 46), zum Freiraumkorridor „Grünes C“ (Seite 47) und zum Sieg-Auenkorridor (Seite 44) sowie Kontakte zum Sülz-Auenkorridor (Seite 44) und zum Agger-Auenkorridor (Seite 44).
Natur und Kultur in ihrer höchsten Verdichtung: Das Netzwerk der Kulturlandschaften
Damals wurde es versäumt, größere Grünachsen in die
Stadtplanung zu integrieren. Im Stadtbereich selbst ist
das Naturerbe des wertvollen Kulturlandschaftsbereichs
nur noch in der Rheinaue und an den Hängen des Venusberges zwischen Bonn und Bad Godesberg sowie in der
Siegaue erkennbar. Als ökologisch bedeutsame Grünachse
mit naturnah gestalteten Parkanlagen ist die Rheinaue mit
dem Kölner Rheinpark vergleichbar. Eine zweite Grünachse mit Wärme liebenden Eichen-Buchenwäldern und
Resten einer Grünland-Heckenriegel-Landschaft verläuft
am westlichen Stadtrand Bonns.
Die zukünftige Entwicklung des Wertvollen Kulturlandschaftsbereiches Bonn sollte die Bewahrung der Merkmale der Residenzstadt zu einem zentralen Thema machen.
Dies gilt für das Erbe der kurfürstlichen Residenz ebenso
wie für das Erbe der Gründerjahre der Bundesrepublik
Deutschland. Viele bauliche Dokumente aus diesen
Epochen könnten über „grüne Verbindungen“ in Kontakt
zum Rhein aufeinander bezogen und in das einmalige
architektonische Stadtbild des 19. und 20. Jahrhunderts
eingebettet werden. Hohes Zukunftspotenzial weist zudem
die „grüne Einrahmung“ der Stadt durch Siebengebirge/
Ennert und Kottenforst auf28.
Der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich
Kottenforst-Drachenfelser Ländchen
Das zusammenhängende große Waldgebiet des Kottenforstes und die im Süden angrenzenden landwirtschaftlich
geprägten Flächen des Drachenfelser Ländchens bilden
diesen Wertvollen Kulturlandschaftsbereich. Der landes-
28
weit und europäisch bedeutsame Landschaftsraum ist
typisch für die Naturräume der Mittelrheinischen Pforte.
Das Naturerbe konzentriert sich auf den Kottenforst, einen
der größten zusammenhängenden Waldkomplexe der
Region. Ökologisch zeichnet er sich durch großflächige
Linden-Eichen-Hainbuchen-Altholzbestände, viele kleinere
Buchen-Altholzbestände sowie sumpfige Erlen-Auenwälder
und Quellsümpfe an Bachläufen aus. Hinzu kommt eine
bemerkenswerte Vielfalt der Fauna und Flora mit zahl
reichen geschützten Tier- und Pflanzenarten.
Ebenfalls erwähnenswert ist das Naturschutzgebiet Rodderberg im Drachenfelser Ländchen, das die Kraterreste
eines vor 30.000 Jahren ausgetrockneten Tuffvulkans
umfasst. Neben seiner geologischen Bedeutung spielt der
Rodderberg als weit nördlich liegende Wärmeinsel eine
wichtige Rolle als Lebensort für Wärme liebende Tiere
und Pflanzen, die hier zum Teil ihre nördliche Verbreitungsgrenze in Mitteleuropa erreichen.
Kulturhistorisch zeichnet sich das Drachenfelser Ländchen durch eine stark reliefierte Landschaft mit landwirtschaftlichen Nutzflächen und Wäldern sowie durch vom
Vulkanismus geprägte Silhouetten und historische Ortsbilder aus. Aufgrund der Vielzahl der hier vorhandenen Kulturlandschaftselemente lassen sich die unterschiedlichen
Aspekte menschlichen Wirkens verdeutlichen. Darüber hin
aus gibt es eine Reihe von Aussichtspunkten mit großem
ästhetischem Reiz. Sie ermöglichen es, geologisch und
kulturlandschaftlich interessante Aspekte – beispielsweise
den landschaftlichen Übergang zur Börde – zu erkennen
und aus der Landschaft abzulesen.
33
Die Entwicklung des Drachenfelser Ländchens wurde entscheidend durch den Vulkanismus und das Töpfergewerbe
geprägt. Die Siedlungen der einstigen „terrula drachenfeldiensis“ fanden größtenteils bereits im 13. Jahrhundert
Erwähnung und haben bis heute ihre Standorte bewahrt.
Eine zentrale Bedeutung kommt dabei dem ehemaligen
administrativen Zentrum der Gegend zu: der im Quellgebiet des Godesberger Baches bei Wachtberg-Villip gelegenen Wasserburg Gudenau. Ganz in der Nähe der Burg
befindet sich eine Allee, die exemplarisch für das dichte
historische Straßennetz des Drachenfelser Ländchens ist.
Eine größere Anzahl von Steinbrüchen, die teilweise
bereits in römischer Zeit angelegt wurden, sowie mehrere
Tongruben verdeutlichen den engen Zusammenhang
zwischen vulkanischem Einfluss und wirtschaftlicher
Tätigkeit. Die Tongruben sind durch archäologische Funde
datiert. Noch heute gibt es im Ort Wachtberg-Adendorf
eine lebendige Töpfertradition, die sich bis ins 17. Jahrhundert zurückverfolgen lässt.
Kennzeichnend für das Kulturerbe des Kottenforstes ist
die Vielzahl der Kleinelemente wie historische Wegekreuze
und Gedenksteine. Sie dienten entweder als Orientierungs
punkte für die Jagd oder als Grenzmarkierung. Reste
mehrerer Übungslager der seinerzeit in Bonn stationierten
römischen Legion deuten darauf hin, dass der Kottenforst
einstmals im römischen Staatsbesitz war. In fränkischer
Zeit wurde er wie die Wälder der Ville Königsgut, was eine
rege Rodungstätigkeit sowie die Nutzung als Waldweide
oder zur Holzgewinnung mit sich brachte. Da der Wald
auch in den folgenden Jahrhunderten sehr intensiv genutzt
Der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich Bonn ist im Kulturlandschaftsnetzwerk zum Teil flächengleich mit dem Bonner Freiraumnetz (Seite 39) und eng verwoben mit dem Rhein-Auenkorridor (Seite 42). Er weist Verbindungen zum
Freiraumkorridor „Grünes C“ (Seite 47) und Kontakte zu den Wertvollen Kulturlandschaftsbereichen Kottenforst-Drachenfelser Ländchen (siehe folgend) und Siebengebirge-Pleiser Ländchen (Seite 34) auf. Hinzu kommt, dass der
Freiraumkorridor „Limesstraße“ Bonn quert (Seite 48).
34
Natur und Kultur in ihrer höchsten Verdichtung: Das Netzwerk der Kulturlandschaften
wurde, kam es zu einer Verwüstung weiter Bereiche. Eine
besondere Beachtung erfuhr der Kottenforst erst wieder
im 18. Jahrhundert unter dem Kurfürsten Clemens August
von Köln. Nun diente er hauptsächlich als Jagdrevier. Das
heutige Wegenetz des Waldes hat seinen Ursprung in der
besonderen Neigung der Landesfürsten zur Parforcejagd.
Funktionsräumlich gesehen spielt er als Wohn- und
Residenzgebiet von Unternehmen, als Alterssitz sowie als
Ziel für Freizeit und Naherholung eine wichtige Rolle. Die
Entwicklung des Fremdenverkehrs steht hier seit Ende
des 19. Jahrhunderts in einem engen Zusammenhang mit
dem Begriff der „Rheinromantik“.
Die nachhaltige Entwicklung dieses Wertvollen Kultur
landschaftsbereiches verlangt eine kategorische Siche
rung der zusammenhängenden Waldflächen. Dies schließt
insbesondere eine weitere Erschließung durch Verkehrswege aus. Das gilt auch für das Drachenfelser Ländchen,
das als historisch bedeutsame Dorf- und Bauernlandschaft gefördert werden muss. Im Kottenforst geht es
darum, ein ausgewogenes Nebeneinander von natürlicher
Waldentwicklung, Erhaltung der Elemente des kurfürst
lichen Jagdwaldes und einer sanften Freizeit- und Erholungsnutzung zu finden29.
Kulturhistorisch ist die lange und bewegte Entwicklungsgeschichte des Siebengebirges hervorzuheben. Hier findet
man noch heute Überreste aller geschichtlichen Perioden.
Die Landschaft zeigt dabei gestalterische Aktivitäten und
Bewirtschaftungsformen von Land-, Wald- und Forstwirtschaft und Weinbau bis hin zu Gewerbe, Industrie, Wohnen
und Tourismus auf. Als besondere Wirtschaftsform hat
sich zudem der Steinabbau erwiesen. Zahlreiche Steingruben und -brüche dokumentieren dies bis heute. Ihre
Vorkommen hatten erheblichen Anteil am Entstehen des
Weltkulturerbes Kölner Dom und vieler anderer rheinischer
Baudenkmale – beispielsweise des Altenberger Domes.
Der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich
Siebengebirge-Pleiser Ländchen
Der weltweit bedeutsame Landschaftsraum des Sieben
gebirges und des Pleiser Ländchens ist repräsentativ für
die Großlandschaft der Mittelrheinischen Pforte. Neben
dem Siebengebirge einschließlich des Identifikations
punktes Drachenfels reicht er im Osten über den Pleisbach hinaus bis ins Pleiser Ländchen.
29
30
Im 19. Jahrhundert erhielt die Siebengebirgslandschaft
entlang des Rheins eine romantische Assoziation, die
durch englische und deutsche Maler sowie durch Literaten
vermittelt wurde. Diese Zeit ist insofern lebendig geblieben,
als dass das Siebengebirge mit seiner reizvollen landschaftlichen Gliederung und Attraktivität immer noch viele
Attribute einer pittoresken Wunschlandschaft erfüllt. Nicht
zuletzt daher rührt seine wichtige Wohn- und vor allem
Naherholungsfunktion für den Ballungsraum Rhein-Sieg.
Hinzu kommt, dass der Raum auch eine Vielzahl kultureller
Besonderheiten und Sehenswürdigkeiten bietet. Angefangen vom Petersberg mit dem ehemaligen Gästehaus der
Bundesrepublik Deutschland reicht dies über die Burgruine
des Drachenfels und den Ort Königswinter bis zur Klosterlandschaft der ehemaligen Zisterzienserabtei Heisterbach.
An deren Beispiel ist das Thema Kulturlandschaft in einem
bundesweit einzigartig innovativen Forschungsprojekt
intensiv untersucht worden30. Die Vorgehensweise und die
Konzeption der Untersuchung lassen sich gut auf die weiteren Kulturlandschaften der Region übertragen.
Die Raumwirksamkeit der Abteigründung um 1189 entfaltete sich einerseits baulich – beispielsweise mit der 1237 fertig gestellten Abteikirche, andererseits aber auch durch die
sie umgebende Nutzungsvielfalt. Das klösterliche Ideal des
„ora et labora“ prägte hier ein nachhaltiges Konzept mittelalterlicher Landschaftsnutzung. Auch über die Säkularisierung Anfang des 19. Jahrhunderts hinaus hat Heisterbach
seine Bedeutung für das Kulturerbe der Region behalten.
Eingebettet in zahlreiche Relikte vergangener Kulturlandschaftsphasen bietet das Tal um die wieder hergerichtete
Abtei auch aktuell ein herausragendes Potenzial der kulturellen Wertschöpfung für die Region und darüber hinaus.
Das benachbarte Pleiser Ländchen ist trotz einer sehr viel
weiter zurück reichenden Siedlungsgeschichte vor allem
deshalb kulturhistorisch interessant, weil es die erste neu
besiedelte mittelalterliche Kleinlandschaft der Region
Der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich Kottenforst-Drachenfelser Ländchen hat im Kulturlandschaftsnetzwerk ein enge Verbindung zum Ville-Kottenforst-Waldkorridor (Seite 45). Ferner verfügt er über Kontakte zu den Wertvollen
Kulturlandschaftsbereichen Ville (Seite 28) und Bonn (Seite 32), dem Bonner Freiraumnetz (Seite 39), dem Swist-Gewässernetz (Seite 40) sowie zum Freiraumkorridor „Grünes C“ (Seite 47).
Innerhalb eines interdisziplinär besetzten Arbeitskreises unter Federführung der Stiftung Abtei Heisterbach wurden mehrere Fachgutachten erstellt, die sich mit der Klosterlandschaft der ehemaligen Zisterzienserabtei Heisterbach beschäftigen. Dabei ließ der Rheinische Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz ein Forschungsprojekt bei der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) beantragen und durchführen – eine wichtige Grundlage für die
modellhafte Konzeptentwicklung einer historischen Kulturlandschaft. Die Ergebnisse des Kulturlandschaftskonzepts wurden in verschiedenen Einzelbeiträgen publiziert.
Natur und Kultur in ihrer höchsten Verdichtung: Das Netzwerk der Kulturlandschaften
darstellt. Dies ist auf die fruchtbaren Lössböden zurückzuführen, sichtbarer Ausdruck des Reichtums jener Zeit
ist das Fußbodenmosaik in der Kirche von Oberpleis.
und steht in einem engen Zusammenhang mit einer landschaftsverträglichen Nutzung durch den Tourismus31.
Der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich Dhünn-Altenberg
Hinsichtlich des Naturerbes ist das Siebengebirge von
einem großen Kerngebiet aus Wärme liebenden Wäldern
mit angrenzenden Wein- und Obstgärten geprägt. Dabei
findet man die größten zusammenhängenden Buchenwaldgesellschaften in der Region sowie seltene Laubwälder wie den Eichen-Elsbeerenwald. Darüber hinaus
zeichnet sich der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich
durch eine große Zahl landesweit gefährdeter Biotoptypen
und die Präsenz zahlreicher in Nordrhein-Westfalen vom
Aussterben bedrohter Tier- und Pflanzenarten aus. Die
Steinbrüche des Teilraumes gehören zu den Schwerpunkten des Artenschutzprogramms für die Mauereidechse.
Auch Amphibien wie die Gelbbauchunke sowie zahlreiche
seltene Arten der EU-Vogelschutzrichtlinie haben im Siebengebirge und im Pleiser Ländchen ihren landesweiten
Verbreitungsschwerpunkt.
Aufgrund dieser naturräumlichen und kulturräumlichen
Privilegien sind das Siebengebirge und das Pleiser Ländchen als geschlossene Einheiten vollständig zu erhalten. In
seiner bestehenden Ausprägung bietet der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich eine ideale Grundlage für eine nachhaltige und schonende wirtschaftliche Nutzung. Er stellt
ein gutes Beispiel für nachhaltigen Wein- und Obstbau
sowie nachhaltige Waldbewirtschaftung dar. Ein zentrales
Thema ist darüber hinaus die Wiedereinbindung herausragender Kulturdenkmäler in die Landschaft. Dies lässt sich
exemplarisch am Beispiel des Drachenfels verdeutlichen
31
Von der Gemeinde Odenthal im Süden bis nach Hückes
wagen im Norden reicht der Raum des Wertvollen Kulturlandschaftsbereiches Dhünn-Altenberg, der typisch für
den Naturraum Bergische Hochflächen ist. Hinsichtlich
seines Naturerbes stellt er einen Ausschnitt des nördlichen
Bergischen Landes dar. Dabei umfasst der regional
bedeutsame Bereich nahezu das gesamte Fließgewässersystem der Dhünn und der Dhünntalsperre.
Eine besondere Konzentration des Naturerbes findet man
in den ökologisch bedeutsamen Tälern der Dhünn und des
Eifgenbachs. Sie weisen repräsentative Erlen- und ErlenEschen-Auenwälder auf, die hervorragend erhalten sind.
Gleiches gilt für die Sternmieren-Eichen-Hainbuchenwälder in den Tälern und die ausgedehnten HainsimsenBuchenwälder an den Talhängen des Kulturlandschaftsbereiches Dhünn-Altenberg. Sowohl das Tal der Dhünn als
auch das des Eifgenbachs stehen beispielhaft für ausgeprägte Mittelgebirgsfließgewässer mit einer fluss- und
bachtypischen Flora und Fauna. Sie sind von landesweiter
Bedeutung und beherbergen mit den feuchten Hochstaudenfluren und den Auenwälder international herausragende
Lebensräume der Vegetation. Im Rahmen der landesweiten
Biotopvernetzung bildet das Talsystem von Dhünn und
Eifgenbach eine Kernfläche des Naturparks Bergisches
Land. Zudem ist es Teil des Dhünn-Eifgenbach-Auenkor
ridors, der die Vernetzung zwischen den Bergischen
35
Hochflächen und der Bergischen Heideterrasse herstellt.
Ökologisch höchst wertvoll sind auch die Trinkwasserschutzzonen im Umfeld der Dhünntalsperre. Hier kommen
eine Reihe seltener Tiere und Pflanzen vor, die Talsperre
selbst ist Rast- und Überwinterungsplatz für durchziehende
Vogelarten.
Die ausgeprägte Beziehung zum Wasser in diesem Teilraum der Region verdeutlichen zahlreiche Kulturdenkmale,
beispielsweise die historischen Mühlen in den Tälern des
Eifgenbachs und der Dhünn. Sie dokumentieren die lange
Tradition der Wasserkraftnutzung, selbst wenn man dem
Tal dies heute in seiner stillen Abgeschiedenheit nicht
mehr ansieht. In Resten jedoch sind hier zahlreiche alte
Öl- und Getreidemühlen erhalten – beispielsweise die
Markusmühle, die Neue Mühle oder die Finkenholler
Mühle als reine Getreidemühlen sowie die Rausmühle und
die Odenholler Mühle als Öl- und Getreidemühle. Hinzu
kommen weitere historische Mühlen an den Nebenflüssen
und -bächen des Fließgewässersystems.
Eine zentrale Bedeutung hinsichtlich des Kulturerbes im
Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Dhünn-Altenberg hat
das Abteigelände des ehemaligen Klosters Altenberg. Das
Kloster wurde im Jahr 1133 gegründet. Erster Standort
war die alte Burg Berge der Grafen zu Berg oberhalb der
Dhünn, einige hundert Meter südlich der späteren Abteikirche. Entsprechend der Regelungen zur Ansiedlung von
Zisterziensern durfte das Kloster nicht in bestehenden
Siedlungen errichtet werden, die Mönche sollten zudem
„von ihrer Hände Arbeit, Ackerbau und Viehzucht“ leben.
Dieser Autarkieansatz bedingte Wirtschaftsanlagen wie
Der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich Siebengebirge-Pleiser Ländchen hat im Kulturlandschaftsnetzwerk eine enge Verbindung zum Rhein-Auenkorridor Seite 42) und zum Freiraumkorridor „Grünes C“. Es gibt Kontakte zur Wertvollen Kulturlandschaft Bonn (Seite 32) und zum Bonner Freiraumnetz (Seite 39).
36
Werk- und Gewerbestätten sowie Mühlen. Wie in allen
Zisterzienserklöstern spielte auch in Altenberg von Beginn
an das Wasser eine dominante Rolle zur Organisation des
Alltags und der Arbeit: sowohl als Trink- und Brauchwasser
sowie als Wasserkraft zum Antrieb der Mühlen als auch zur
Anlage von Fischteichen und zur Bewässerung der Wiesen.
Der Grundstein zur heutigen, hochgotischen Klosterkirche
wurde 1259 nach dem architektonischen Vorbild der Abteikirche von Royaumont im Val d`Oise nördlich von Paris
gelegt. Die Bauzeit zog sich über einige Jahre hin, bei der
Einweihung im Jahr 1379 war der Dom noch unvollendet.
Säkularisiert wurde die Abtei Altenberg schließlich im
November 1803. Die abteilichen Gebäude gingen nunmehr
in den Besitz des Landesherren über, sie wurden zum Teil
völlig anderen Nutzungen – beispielsweise als Tuchfabrik
oder als chemische Fabrik – zugeführt. Es folgten ein partieller Zerfall im 19. Jahrhundert sowie eine Wiederherstellung mittels Pflegemaßnahmen im 20. Jahrhundert.
Heute ist Altenberg ein überregional anerkanntes und gut
besuchtes Ausflugsziel mit hohem regionalem Identitätswert. Sowohl die kulturlandschaftlichen Bezüge als auch
die historischen Standortbedingungen sind in der Landschaft noch gut ablesbar. Auch die historische europaweite Vernetzung Altenbergs wird – beispielsweise durch den
Weg der Jakobspilger, der hier verläuft – nachvollziehbar.
Insofern bietet es sich an, ein kulturlandschaftspflegerisches Konzept für die Gesamtperspektive Altenbergs und
seiner Umgebung zu entwickeln. Hierzu gehören neben
der Klosteranlage der Ort Odenthal als Kirchdorf sowie die
Hochflächen zwischen Eifgenbach, Dhünn und Scherfbach
32
Natur und Kultur in ihrer höchsten Verdichtung: Das Netzwerk der Kulturlandschaften
bis hinein in den Raum Kürten-Bechen mit bemerkenswerten Bauwerken wie der Burg Strauweiler oder zahlreichen alten Mühlen. Besondere Bedeutung haben auch die
vielen denkmalgeschützter Hofanlagen in diesem Bereich.
Ansonsten soll der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich
Dhünn-Altenberg Beispiele extensiver Grünlandnutzung
in Wiesentälern sowie der nachhaltigen Gestaltung von
Waldflächen in Trinkwasserschutzgebieten aufzeigen. Dabei
kommt auch der kulturhistorischen Dimension der Wasserkraftnutzung in diesem Bereich eine wichtige Rolle zu32.
Der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich Heckberger
Wald-Leppetal
Wie an Dhünn und Eifgenbach so spielt auch im Wertvollen
Kulturlandschaftsbereich Heckberger Wald-Leppetal die
Nutzung der Wasserkraft historisch gesehen eine zentrale
Rolle. Der regional bedeutsame Landschaftsraum ist ein
typischer Ausschnitt des Oberagger-Wiehl-Berglandes
und der Bergischen Hochflächen mit den wichtigen Quellgebieten des Heckberger Waldes und dem wasserreichen
Leppetal. Dabei reicht der Heckberger Wald von der Agger
im Norden bis zu den Orten Wiehl-Drabenderhöhe und
Much-Esinghausen im Süden. Seine Westgrenze verläuft
am Rande des Ortsteils Engelskirchen-Loope, die Ostgrenze bei Wiehl-Bielstein. Das Leppetal erstreckt sich
bis hinauf in die Nähe von Marienheide. Es gilt heute als
typisches Beispiel eines bergischen Industrietals.
Standort des späteren Eibacher Hammers eine Eisenhütte
erwähnt. Es scheint so, als seien dort die auf dem Bergrücken zwischen Leppe und Eibach geförderten Eisenerze
verhüttet worden. Zahlreiche Belege deuten auf eine
Bergbauaktivität in dieser Zeit hin.
Infolge der nicht ausreichenden Qualität des Eisenerzes
wurde die Hütte jedoch bereits zu Beginn des 17. Jahrhunderts in einen Eisenhammer umgewandelt. Das Wasser
zum Antrieb dieses Hammers wurde direkt der Leppe
entnommen. Dies ist ein wichtiger Hinweis auf sein Alter,
denn alle später eingerichteten Wasserhämmer entnahmen das Antriebswasser aus einem Hammerteich. Das
hier veredelte Roheisen stammte vermutlich aus dem Siegerland, im 17. und 18. Jahrhundert kamen an der Leppe
zahlreiche neue Hammerwerke hinzu.
Insgesamt sind 25 Anlagen bekannt, die entweder als
Hütten- oder Walzwerk sowie als Eisenhammer und
Getreide-, Pulver- oder Papiermühle arbeiteten. Sie sind
ein Beleg für die blühende Industriehistorie in diesem
Bereich. Die Wirtschaftskraft des Leppetals war so bedeutend, dass zwischen 1897 und 1958 eine Schmalspurbahn
zwischen Engelskirchen und Marienheide verkehrte. Es
handelte sich um eine Industriebahn, die die Edelstahlwerke bediente und gleichzeitig eine Hochphase der Stahlindustrie an der Leppe einleitete. Heute sind hier noch
einige wenige Edelstahlwerke sowie eine Stahlfederfabrik
aktiv. Auch zwei der historischen Hammerwerke sind noch
erhalten und funktionsfähig.
Der älteste Hinweis auf die Nutzung der Wasserkraft an
der Leppe stammt aus dem Jahr 1514. Um 1580 wird am
Der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich Dhünn-Altenberg ist im Kulturlandschaftsnetzwerk nahezu flächengleich mit dem Dhünn-Gewässernetz (Seite 41). Er weist eine direkte Verbindung zum Dhünn-Eifgenbach-Auenkorridor auf
(Seite 43).
Natur und Kultur in ihrer höchsten Verdichtung: Das Netzwerk der Kulturlandschaften
Über diese wirtschaftsgeschichtliche Bedeutung hinaus sind
bezüglich des Kulturerbes im Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Heckberger Wald-Leppetal in erster Linie Schloss
Gimborn als Sitz der ehemaligen Herrschaft Gimborn-Neustadt sowie zahlreiche Reste alter Fern- und Handelstraßen
in und am Heckberger Wald zu nennen. Ein Beispiel ist die
historische Brüderstraße, ein mittelalterlicher Handelsweg,
der von Köln nach Siegen verlief. Auch der Heckberger Wald
selbst verfügt über ein beispielhaftes Kulturerbe industriehistorischer Art. So gibt es ein Bergbauzentrum mit
Erzteichen, Bergarbeiterhäusern und einem ehemaligen
Steigerhaus. Überall im Waldgebiet lassen sich zudem die
Spuren aus der Zeit des Bergbaus ablesen. So findet man
hier sowohl Gebäudereste als auch Erzbergbauhalden und
Karrenwege. Diese führten oftmals hinunter ins Aggertal,
wohin die Erze zur Verarbeitung geschafft wurden.
Das Naturerbe des Wertvollen Kulturlandschaftsbereiches
umfasst die weiträumigen, nahezu unzerschnittenen Buchenund Eichenwälder des Heckberger Waldes. Sie sind typisch
für das Bergische Land und wurden ehemals als Niederwald genutzt. Eine ökologische Kernzone bildet das Naturschutzgebiet um Immerkopf und Schimmelhau, das von
kleinen Moorwäldern sowie offenen Hangquellmooren
geprägt ist. Für mehrere atlantische Pflanzenarten verläuft
hier die östliche Verbreitungsgrenze, zudem sind zahlreiche
seltene Moosarten und lokale Heidefragmente vertreten.
Von überregionaler Bedeutung ist auch das Tal des Loope
baches mit seinen Auenwäldern.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der Wertvolle
Kulturlandschaftsbereich Heckberger Wald-Leppetal über
33
seine kulturhistorische Relevanz hinaus zahlreiche Beispiele
für eine naturnahe und nachhaltige Forstwirtschaft sowie
eine nachhaltige Landwirtschaft liefert. Die Industriegeschichte des Teilraums lässt sich an den drei Standorten
Leppetal, Engelskirchen und Heckberger Wald besonders
gut ablesen. Das Leppetal sollte als geschlossene Einheit
zusammen mit dem Gimbachtal erhalten werden, denn gerade hier sind die Voraussetzungen für eine nachhaltige und
schonende wirtschaftliche Nutzung besonders günstig33.
Der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich
Homburger Ländchen-Bröltal
Das „Homburger Ländchen“ ist ein im Bergischen Land
und darüber hinaus etablierter Begriff für das Gebiet rund
um Schloss Homburg. Der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich ist landesweit bedeutsam und typisch für den
Naturraum Oberagger-Wiehl-Bergland. Er umfasst im
Wesentlichen das Gebiet der Gemeinde Nümbrecht. Damit
entspricht er der gängigen Abgrenzung des Homburger
Ländchens in vielen touristischen Karten und Beschreibungen. In großen Teilen deckt sich der wertvolle Kulturlandschaftsbereich zudem mit dem Bröl-Gewässernetz.
Betrachtet man das Naturerbe, so sind hauptsächlich Reste
der ursprünglichen Laubwaldlandschaft, Elemente der für
das Bergische Land typischen Wiesen- und Weidelandschaft sowie die naturnahen Gewässer des Bachsystems
der Homburger Bröl hervorzuheben. So haben die Bröl und
ihre Nebengewässer im Raum von Nümbrecht aufgrund
ursprünglicher Gewässerstrukturen mit Steilufern, Sandund Kiesbänken sowie kleinen Inseln im Flussbett einen
37
großen ökologischen Wert. In der Bachaue werden sie von
schutzwürdigen Erlenwäldern, Sternmieren-Eichen-Hainbuchenwäldern und Bach-Erlen-Eschenwäldern flankiert.
Auch die größtenteils extensiv genutzten Grünlandflächen
an den Bachläufen besitzen hohes ökologisches Potenzial.
Prinzipiell kann festgestellt werden, dass das Homburger
Ländchen ein sehr harmonisches Landschaftsbild mit
einem ausgewogenen Verhältnis von Wald und Offenland
aufweist. Geprägt wird dieses durch zahlreiche naturnahe
Fließgewässer sowie eine Vielzahl kleinerer Kulturlandschaftselemente und Strukturen wie Hutebäume, Hohlwege,
Stufenraine und alte Wegetrassen.
Kulturhistorisch vereint das Homburger Ländchen sowohl
Zeugnisse der Territorialgeschichte als auch eine interessante Mühlen- und Industrievergangenheit. Den Mittelpunkt bezüglich des Kulturerbes bildet dabei das markant auf einem
Bergsporn über der Bröl liegende Schloss Homburg, welches heute als Museum des Oberbergischen Kreises genutzt
wird. Hinsichtlich der räumlichen Abgrenzung des wertvollen
Kulturlandschaftsbereiches besitzen zudem die Kirchdörfer
Nümbrecht, Nümbrecht-Marienberghausen und Wiehl-Drabenderhöhe aufgrund ihrer Lage und ihrer herausragenden
Bauwerke eine ausstrahlende Wirkung. Während Nümbrecht
sich vor allem durch seine stattlichen Bruchsteinhäuser aus
dem 17. und 18. Jahrhundert sowie seine romanische Kirche
auszeichnet, ist in Marienberghausen die Wehrkirche hervorzuheben, die aufgrund der im Chor entdeckten Fresken aus
dem 15. Jahrhundert zu den „bunten Kirchen des Bergischen
Landes“ gezählt wird. In Wiehl-Drabenderhöhe markiert die
weit sichtbare Kirche den Schnittpunkt alter Handelsstraßen.
Der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich Heckberger Wald-Leppetal ist im Kulturlandschaftsnetzwerk eng mit dem Agger-Auenkorridor verzahnt (Seite 44). Ferner gibt es eine Verbindung zum Agger-Wiehl-Gewässernetz (Seite 41).
38
Ansonsten prägen kleine bäuerliche Weiler mit Gartenstrukturen und Obstwiesen sowie historischen Wegenetzen
und Dorfgehölzen am Ortsrand die Kulturlandschaft. Im
Tal der Homburger Bröl ist zudem ein mühlen- und industriegeschichtlich bemerkenswerter Teilabschnitt erhalten,
der die ehemalige Lage der Mühlenstandorte erfahrbar
macht und gut erhaltene Reste alter wassertechnischer
Anlagen aufzeigt. Auf diese Art und Weise dokumentiert
er die Historie der Papierproduktion, die bereits Mitte des
16. Jahrhunderts mit der Homburger Papiermühle der
Grafen zu Sayn-Wittgenstein begann und bis in die heutige
Zeit als Teil eines internationalen Papierkonzerns lebendig
ist. Ein Großteil der Industrie- und Mühlenanlagen steht
dabei unter Denkmalschutz.
Der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich Homburger Ländchen eignet sich hervorragend, um über den zentralen
Standort Nümbrecht hinaus territoriale und siedlungsbezogene Entwicklungen des Bergischen Landes aufzuzeigen. So verbindet die Brüderstraße als mittelalterlicher
Handelsweg und als historischer Korridor von landesweiter
Bedeutung über den Kirchort Wiehl-Drabenderhöhe
hinweg die beiden wertvollen Kulturlandschaftsbereiche
Heckberger Wald-Leppetal und Homburger Ländchen.
Gerade die Genese dieses wertvollen Kulturlandschaftsbereiches gibt einen beispielhaften Ausblick auf deren
zukünftige nachhaltige Gestaltung und Entwicklung34.
Der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich
Nutscheid-Leuscheid
Der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich Nutscheid-Leuscheid repräsentiert den Naturraum Mittelsieg-Bergland.
34
Natur und Kultur in ihrer höchsten Verdichtung: Das Netzwerk der Kulturlandschaften
Er ist ebenfalls von regionaler Bedeutung und grenzt im
Westen an das Gebiet der historischen Stadt HennefBlankenberg an der Sieg. Von dort reicht er über den
Nutscheid bis auf die Höhe von Waldbröl und Morsbach.
Ferner umfasst der Landschaftsraum den Siegabschnitt
zwischen Eitorf und Windeck-Rosbach sowie Teile des
Leuscheid im Süden, wo er an der Landesgrenze zu
Rheinland-Pfalz endet.
Kultur- und naturlandschaftlich ist das Gebiet dreigeteilt:
in die beiden großen, europäisch bedeutsamen NATURA
2000-Waldflächen des Nutscheid und Leuscheid sowie
das Siegtal. Das Naturerbe konzentriert sich dabei auf
die Waldbereiche des Nutscheid und Leuscheid. Eine
Kernfläche ist ein Laubwaldkomplex, der mit den offenen
Übergangsbereichen des Leuscheid-Rückens zum mittleren Siegtal verbunden ist. Hier gibt es naturnahe Eichenmischwälder und Buchenwälder, die sowohl Feuchtheiden
als auch Hochmooransätze und naturnahe Bachlandschaften aufweisen.
Hervorzuheben ist auch das ökologisch wertvolle Gebiet
des Wohmbachs mit seinen Zuflüssen. Das bewaldete
Talsystem hat sich tief in den Rücken des Leuscheid eingeschnitten. Die angrenzenden Buchenwälder vermitteln
beeindruckende Beispiele alter Waldnutzung in Form von
Bergheiden und Niederwäldern. Neben den Altwäldern
besitzt das Gebiet ein hohes Entwicklungspotenzial für
naturnahe Wälder und Bachtäler. Im länderübergreifenden
Biotopverbund kommt ihm eine wichtige Rolle zu, da es
die Verbindung zum FFH-Gebiet Leuscheid in RheinlandPfalz herstellt.
Der Nutscheid trägt das größte zusammenhängende
Waldgebiet des Bergischen Landes. Es handelt sich
vorwiegend um ausgedehnte Eichen-Birken-Buchenniederwälder, die ein weit verzweigtes Quellbachsystem
aufweisen. Dieses wiederum ist eng mit dem Sieg-Auen
korridor und dem Bröl-Gewässernetz verbunden. Das hier
vorhandene, gut ausgebildete Übergangs- und Schwing
rasenmoor gehört mit zu den größten Raritäten des Natur
schutzes in Nordrhein-Westfalen. Hinzu kommt, dass der
Waldkomplex einer der landesweit letzten Lebensräume
des vom Aussterben bedrohten Haselhuhns ist. Hinsichtlich
des Kulturerbes sind die märkisch-bergischen Grenz
anlagen auf dem Bergrücken sowie die alte NutscheidHöhenstraße zu nennen, deren Historie bis in die Römerzeit zurückreicht. Ferner gibt es auf dem Nutscheid Reste
alter Blei-, Silber- und Edelmetallbergwerke.
Das Kulturerbe des Leuscheid hingegen zeichnet sich
durch eine Reihe alter Mühlen, das Forsthaus Hüppelröttchen am Wohmbach sowie den Basaltsteinbruch „Blaue
Steine“ aus. Besondere Bedeutung für das Kulturerbe
hat das mittlere Siegtal mit seinen historischen Kulturlandschaftselementen des Bergbaus, der Flößerei und
der Mühlennutzung sowie einer Vielzahl alter Burgen
und Schlösser. Neben dem Ensemble der Stadt HennefBlankenberg mit Burg, Vorburg und alter Stadtbefestigung
ist diesbezüglich die Burgruine Windeck hervorzuheben,
deren Geschichte bis ins 12. Jahrhundert zurückreicht. Die
mittelalterliche Burg ist nach wechselvoller Historie heute
wieder zu einem Wahrzeichen des Windecker Ländchens
mit einer hohen identitätsstiftenden Wirkung geworden.
Der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich Homburger Ländchen-Bröltal ist im Kulturlandschaftsnetzwerk in das Bröl-Gewässernetz eingebettet (Seite 41). Über die Brölbäche existiert mittelbar eine Verbindung zum Bröl-Auenkorridor
(Seite 44).
Natur und Kultur in ihrer höchsten Verdichtung: Das Netzwerk der Kulturlandschaften
Wichtig ist zudem das religiöse Kulturerbe des Siegtals
mit Kirchen, Klöstern und Wallfahrtsorten. Eine Besonder
heit am Rande des wertvollen Kulturlandschaftsbereiches
nimmt der übergreifende Denkmalbereich Hennef-Blankenberg und Hennef-Bödingen auf den einander gegenüberliegenden Seiten der Sieg ein.
Der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich Nutscheid-Leuscheid hat aufgrund der großflächigen Wälder ein hohes
Entwicklungspotenzial für die Wiederherstellung naturnaher
Waldlandschaften mit Urwaldkernen, so genannter Naturwaldzellen. Am Beispiel der Sieg kann zudem die landschaftstypische Einbettung eines Mittelgebirgsflusses mit
kleineren Burganlagen in ursprünglichen Waldlandschaften
aufgezeigt und weiter entwickelt werden. Ziel ist die nachhaltige Gestaltung eines Ausschnitts des Windecker Landes35.
Die Freiraum- und Gewässernetze:
Feinnervige Verbindungen in Grün und Blau
Über die Wertvollen Kulturlandschaftsbereiche als Landschaftskerne hinaus sind auch die Freiraum- und Gewässernetze der Region ökologisch und kulturhistorisch für
das Netzwerk der Kulturlandschaften relevant. Dies zeigt
die Karte des Kulturlandschaftsnetzwerkes auf Seite 132.
Bei den Freiraumnetzen handelt es sich um f eingliedrige
Netzwerke in den Großstädten des Ballungsraums RheinSieg, beispielsweise miteinander verbundene Grünzüge,
35
36
37
Grüngürtel oder andere Freiräume wie Kleingartenanlagen,
Stadtbrachen und nicht bebaute Flächen. Die Freiraumnetze der Städte Köln, Bonn und Leverkusen stehen dabei
in einer direkten Verbindung zu den auf Seite 133 dargestellten Freiraumkorridoren. Die Gewässernetze umfassen
das feinnervige Netz von Kulturlandschaftsverbindungen
im Bereich der Quellen, Quellgewässer und Oberläufe der
wichtigsten Fließgewässer in der Region. Ihnen kommt bei
der Bewahrung und Gestaltung der Hügel- und Mittel
gebirgslandschaften im höheren Bergischen Land sowie
am Rand von Vorgebirge und Eifel eine große Bedeutung
zu. Dabei stehen sie in einer direkten Verbindung zu den
auf Seite 134 dargestellten Auenkorridoren.
Die Freiraumnetze der Städte Köln, Bonn und Leverkusen
Während das linksrheinische Kölner Freiraumnetz mit
seinem geschlossenen Inneren und Äußeren Grüngürtel
sowie den ins Stadtzentrum führenden grünen Radialen
ein vorbildliches Beispiel für ein bereits in den 20er Jahren
des vergangenen Jahrhunderts konzipiertes, urbanes
Grünsystem darstellt (siehe dazu auch das Kapitel zum
„Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Köln“, Seite 30),
fehlen im rechtsrheinischen Köln noch innerstädtische
Grünverbindungen. Der Äußere Grüngürtel erstreckt
sich hier vom Stadtteil Porz-Westhoven über Höhenberg
bis nach Stammheim. Wie im linksrheinischen Bereich
befinden sich innerhalb dieses Gürtels eine Reihe histo-
39
risch bedeutsamer preußischer Befestigungsanlagen. Der
Rhein-Auenkorridor verbindet die links- und rechtsrheinischen Teile des Netzes miteinander (siehe Seite 42)36.
Anders als in Köln fehlt in Bonn eine historisch gewachsene Freiraumplanung. Das Bonner Freiraumnetz wird
vor allem vom Rhein mit seinen Uferanlagen als großer
Freiraumachse, den Grün- und Gartenanlagen der innerstädtischen Residenzlandschaft, dem Grünkorridor des
Venusberges zwischen Bonn und Bonn-Bad Godesberg
sowie den benachbarten großen Wäldern des Kottenforstes und des Siebengebirges geprägt. Dabei fehlen sowohl
im Inneren der Stadt als auch außerhalb Freiraumverbindungen zum Grünkorridor des Venusbergs sowie zum
Kottenforst und zum Siebengebirge. Ziel sollte es hier
sein, äußere und innere Ost-Westverbindungen sowie
eine Verknüpfung mit den Nord-Südverbindungen des
Rhein-Auenkorridors als Grundelemente des zukünftigen
Freiraumnetzes zu schaffen. Im Kontext des Masterplans
kommt dem Freiraumkorridor im Norden Bonns als
äußerer Ost-Westverbindung eine wichtige Bedeutung
für das Bonner Freiraumnetz zu. Sie verbindet im Norden
der Stadt die Freiraumsysteme zwischen Ville, Kottenforst
und Siebengebirge. Darüber hinaus könnte der Aufbau
eines Bonner Freiraumnetzes sowohl unter dem Aspekt
der „Residenzlandschaft Bonn“ als auch hinsichtlich des
Venusberg-Grünkorridors nach Norden vorangetrieben
werden37.
Der Wertvolle Kulturlandschaftbereich Nutscheid-Leuscheid ist im Kulturlandschaftsnetzwerk eng mit dem Sieg-Auenkorridor verbunden (Seite 44).
Das Kölner Freiraumnetz ist nahezu flächengleich mit dem Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Köln (Seite 30). Geht man über das Kölner Freiraumnetz von RegioGrün vom Äußeren linksrheinischen Grüngürtel aus, so ist es über
die dort anknüpfenden suburbanen Freiraumkorridore (Seite 46) mit den Wertvollen Kulturlandschaftsbereichen Ville (Seite 28) und Bonn (Seite 32) sowie dem Bonner Freiraumnetz (Seite 39), dem Vorgebirgsbach-Gewässernetz
(Seite 40), dem Ville-Kottenforst-Waldkorridor (siehe Seite 45) und dem Freiraumkorridor „Grünes C“ (Seite 47) verwoben. Über den RegioGrün-Freiraumkorridor „Rheinische Gärten“ gibt es zudem einen direkten Kontakt zum Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Bonn (Seite 32) sowie zum Bonner Freiraumnetz (Seite 39).
Rechtsrheinisch stellen die suburbanen Freiraumkorridore eine Anbindung an das Leverkusener Freiraumnetz (Seite 40), zum Bergischen-Heideterrassen-Waldkorridor (Seite 45) und zum Wertvollen Kulturlandschaftsbereich
Wahner Heide-Königsforst-Siegmündung (Seite 31) her. Ferner bestehen Bezüge zu den Freiraumkorridoren „Agrippastraße“ (Seite 48), „Via Belgica“ (Seite 48), „Römerkanal“ (Seite 49) und „Limesstraße“ (Seite 48).
40
Mit dem Neulandpark und einem renaturierten Abschnitt der
Dhünnaue sind die ersten Bausteine eines Leverkusener
Freiraumnetzes bereits fertig gestellt. Dabei werden –
ausgehend vom Park und den Werksanlagen der Firma
Bayer am Rhein – vorhandene innerstädtische Grünflächen
miteinander verknüpft. So entsteht ein abwechslungsreiches Freiraumnetz mit hoher Aufenthaltsqualität, das die
spezifische Charakteristik des Kulturraums hervorhebt. Es
besteht aus fünf fächerförmigen Grünachsen und verbindet
die Auen von Rhein, Wupper und Dhünn mit den Hitdorfer
Seen und den landschaftlich geprägten Gewässern Öl- und
Wienbach. Über zusätzliche „Querstege“ wird ein enges
grünes Netz geschaffen, das die Rolle Leverkusens als
Sport- und Gesundheitsstadt unterstreicht38.
Prinzipiell gilt: Die Entwicklung der innerstädtischen Freiraumnetze sollte stets eine möglichst enge Verknüpfung
von Parkanlagen, Gärten, Friedhöfen, Sport- und Erholungsanlagen sowie offen gelassenen und ehemaligen
Industrie- und Verkehrsflächen zum Ziel haben. Die so
geschaffenen Freiraumnetze dienen neben der Freizeitund Erholungsnutzung einer Verbesserung des Stadtklimas und der Sicherung des städtischen Boden- und
Wasserhaushaltes. Zugleich sind sie Lebensraum für Tierund Pflanzenarten der städtischen Ökosysteme.
38
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Natur und Kultur in ihrer höchsten Verdichtung: Das Netzwerk der Kulturlandschaften
Linksrheinische Gewässernetze
Kölner Grüngürtel und Reste des Fischenicher Bachsystems
zwischen Hürth-Kendenich und Brühl-Vochem zählen zu den
linksrheinischen Gewässernetzen. Gleiches gilt für die Brühler
Bachsysteme mit dem Palmersdorfer Bach zwischen Brühl
und Wesseling-Berzdorf, die Schwadorf-Sechtemer-Bäche
zwischen Brühl-Schwadorf und Bornheim-Merten, den
Bornheimer- beziehungsweise Roisdorfer Bach zwischen
Bornheim-Brenig und Alfter sowie den Dransdorfer- beziehungsweise Rheindorfer Bach bei Bonn39.
Das Vorgebirgsbach-Gewässernetz ist ein typischer Landschaftsbestandteil des Naturraums der linksrheinischen
Mittelterrasse. Es setzt sich aus mehreren Bachsystemen
zusammen, die ihre Quellen im Vorgebirge haben. Größtenteils erreichen diese „Trockenbäche“ den Rhein jedoch nicht.
Sie versickern am Rand der Niederterrasse im Erdreich.
Zum System des Netzes gehören unter anderem die Bachsysteme des Gillbaches zwischen Bergheim-Niederaußem
und Hückelhoven, des Stommelner und Fliestedener Bachs
zwischen Bergheim-Büsdorf und Pulheim-Stommeln, des
Glessener Baches mit dem Kölner Randkanal zwischen
Bergheim-Glessen und Pulheim sowie des Frechener
Baches zwischen Frechen-Bachem und Hürth-Stotzheim.
Auch der Duffesbach mit seinen Verbindungen zur Römischen Wasserleitung zwischen Hürth und dem äußerem
Das Swist-Gewässernetz umfasst den landwirtschaftlich
intensiv genutzten Raum der Zülpicher Börde und erstreckt
sich von dort bis an den Rand der Eifel und den Wertvollen
Kulturlandschaftsbereich Kottenforst-Drachenfelser Ländchen. Es umfasst mehrere Nebengewässer: den Schießbach bei Swisttal-Ollheim, den Tüttelbach, den Jungbach
bei Swisttal-Miel sowie den Ohrbach, Rotterbach und
Kieselgraben westlich von Rheinbach. Hinzu kommen der
Eulenbach östlich von Rheinbach, der Morsbach bei Rheinbach-Wormersdorf, der Ersdorferbach zwischen Meckenheim-Ersdorf und Meckenheim, der Altendorfer Bach bei
Meckenheim-Altendorf und die Quellläufe der Swist südlich
von Meckenheim. Ein bedeutendes kulturelles Erbe dieses
Gewässernetzes ist die römische Wasserleitung (Römer
kanal) mit Spuren des großen Swist-Aquäduktes40.
Die Gewässernetze
Hinsichtlich der Gewässernetze werden insgesamt sieben
Teilräume der Region unterschieden: die linksrheinischen
Gewässernetze der Vorgebirgsbäche und der Swist sowie
die rechtsrheinischen Gewässernetze von Dhünn, Wipper,
Sülz, Agger-Wiehl und Bröl.
Das Bonner Freiraumnetz, das nahezu flächengleich mit dem Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Bonn ist (Seite 32), hat im Kulturlandschaftsnetzwerk sehr enge Verbindungen zum Rhein-Auenkorridor (Seite 42). Über den Freiraumkorridor „Grünes C“ (Seite 47) ist es darüber hinaus mit den Wertvollen Kulturlandschaftsbereichen Siebengebirge-Pleiser Ländchen (Seite 34), Kottenforst-Drachenfelser Ländchen (Seite 33) und Ville (Seite 28) verknüpft. Auch
der Freiraumkorridor „Limesstraße“ weist einen direkten Bezug zum Freiraumnetz auf (Seite 48).
Das Leverkusener Freiraumnetz sorgt im Kulturlandschaftsnetzwerk für eine Verknüpfung des Wupper/Wipper-Auenkorridors (Seite 43), des Dhünn-Eifgenbach-Auenkorridors (Seite 43) und des Rhein-Auenkorridors (Seite 42). Darüber hinaus hat es im Norden über den Freiraumkorridor „Zu den Hitdorfer Seen“ (Seite 47) Kontakt zum Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Urdenbach-Worringen (Seite 29). Im Westen geht es in den Bergischen-HeideterrassenWaldkorridor (Seite 45) über, im Süden in den Freiraumkorridor „Zum Grünen Fächer“ (Seite 47) und das Kölner Freiraumnetz (Seite 39) sowie den Wertvollen Kulturlandschafsbereich Köln (Seite 30).
Das Vorgebirgsbach-Gewässernetz steht in einer engen Verbindung mit dem Ville-Kottenforst-Waldkorridor (Seite 45) sowie mit den Wertvollen Kulturlandschaftsbereichen Köln (Seite 30), Ville (Seite 28) und Kottenforst-Drachenfelser
Ländchen (Seite 33). Kulturhistorisch prägt das Gewässernetz die Kulturlandschaft des Vorgebirges sowie den Freiraumkorridor „Rheinische Gärten“ zwischen Köln und Bonn (Seite 47). Ferner ist es mit dem Freiraumkorridor
„Römerkanal“ verwoben (Seite 49).
Natur und Kultur in ihrer höchsten Verdichtung: Das Netzwerk der Kulturlandschaften
Rechtsrheinische Gewässernetze
Betrachtet man die rechtsrheinischen Gewässernetze, so
ist das Dhünn-Gewässernetz typisch für den nördlichen
Teil dieses Raumes. Es umfasst sämtliche Neben- und
Quellgewässer der Dhünn oberhalb von Odenthal bis hinauf nach Wermelskirchen und Hückeswagen-Wiehagen.
Dazu gehören der Scherfbach, der Eifgenbach, der Große
Dhünnbach sowie der Puderbach und die Kleine Dhünn
mit der Kleinen Dhünntalsperre. Das Gewässernetz integriert alle zubringenden Gewässer der Dhünntalsperre und
große Teile der ausgewiesenen Wasserschutzzonen41.
Die Täler des Wipper-Gewässernetzes sind vor allem
altindustriell geprägt. Sie umfassen im Umfeld der Wuppertalsperre Wiebach, Leiverbach, Panzerbach und Dörpe sowie
die Bever mit der Bevertalsperre östlich von Hückeswagen
und die Neye mit der Neyetalsperre oberhalb von Wipperfürth-Neye. Komplettiert wird das Netz von der Hönnige
mit der Schevelinger Talsperre, dem Gaulbach zwischen
Wipperfürth-Obergaul und Wipperfürth, den Systemen von
Ibach und Kerspe mit der Kerspetalsperre nördlich Wipperfürth-Ohl, dem Helmkebach, den Quellläufen des Rönsahler
Baches und der Lingese mit dem Lingeser Stausee sowie
der oberen Wipper mit dem Brucher Stausee nördlich und
41
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südlich von Marienheide. Hier sind sowohl die alten Hammerwerke als auch die Mühlen in Resten erhalten. Ansonsten
steht das Wipper-Gewässernetz wie das Netz der Dhünn
exemplarisch für den Nordteil des Bergischen Landes mit
seiner Talsperrenlandschaft. Es weist über weite Strecken
naturnahe Gewässerläufe auf, die das Bild einer typischen
Auenlandschaft des Mittelgebirges repräsentieren42.
Hinzu kommen die Gewässernetze von Sülz, Agger-Wiehl
und Bröl. Dabei erstreckt sich das Sülz-Gewässernetz eher
auf die flachen Senken und Hügel des Sülzberglandes zwischen Lindlar-Hohkeppel, Lindlar und Kürten. Dazu gehören oberhalb des Zusammenflusses von Sülz und Lennefe
bei Overath-Obersteeg der Dürschbach, die Lennefe, die
Kürtener Sülz mit Olpe, Ahlenbach und Reichenbach sowie
die Lindlarer Sülz mit Ommerbach, Breidenbach, Breun und
Dierdorfer Bach43.
Das Agger-Wiehl-Gewässernetz weist typische Merkmale
des Oberbergischen Landes auf. Vor allem an der Agger
erfolgte nahezu im gesamten Talbereich einschließlich der
Nebengewässer eine starke Siedlungs- und Industrienutzung. Ökologisch bemerkenswert ist die durch ausgewiesene Trinkwasserschutzzonen nicht öffentlich zugängliche
Wiehltalsperre. Das Gewässernetz steht in Bezug zu den
41
wertvollen Kulturlandschaftsbereichen Heckberger WaldLeppetal und Homburger Ländchen. Es schließt die Industrietäler von Gummersbach ebenso ein wie die Genkel mit
dem Genkel-Stausee, die Aggerquellläufe mit dem AggerStausee sowie die Nebenbäche Dörspe bei Bergneustadt,
Othe zwischen Bergneustadt-Belmicke und Bergneustadt
sowie Ogerbach zwischen Reichshof-Eckenhagen und
Gummersbach-Derschlag. Das Einzugsgebiet der Wiehl
mit ihren Quellläufen und der Wiehltalsperre reicht von
Reichshof bis nach Engelskirchen-Wiehlmünden44.
Derweil ist das Bröl-Gewässernetz ein typischer Teil des
Naturraums Oberagger-Wiehl-Bergland und Teil der wertvollen Kulturlandschaftsbereiche Homburger Ländchen
und Nutscheid-Leuscheid. Hervorzuheben ist hier, dass
das Gewässernetz der Bröl ein Bestandteil des Wanderfischprogramms NRW ist45. Es umfasst die Quellgewässer
der Bröl und des Waldbrölbaches oberhalb des Zusammenflusses dieser Gewässer bei Ruppichteroth-Bröleck
bis hinauf nach Waldbröl. Unterhalb Nümbrecht-Gaderoth
durchfließt die Bröl als zentrales Gewässer des Netzes
einen überwiegend grünlandwirtschaftlich genutzten Talabschnitt. Westlich des Bierenbachtals wird sie von meist
lückigem Erlen-Ufergehölz begleitet, hier findet man auch
kleinere Erlen- und Eschenbestände sowie Sternmieren-
Das Swist-Gewässernetz hat im Kulturlandschaftsnetzwerk eine direkte Verbindung zum Erft-Swist-Auenkorridor (Seite 43) und zum Freiraumkorridor „Römerkanal“ (Seite 49). Es gibt Kontakte zu den Wertvollen Kulturlandschaftsbereichen Ville (Seite 28) und Kottenforst-Drachenfelser Ländchen (Seite 33).
Vom Einzugsgebiet her ist das Dhünn-Gewässernetz im Kulturlandschaftsnetzwerk nahezu identisch mit dem Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Dhünn-Altenberg (siehe Seite 35). Dabei weist es eine direkte Verbindung zum
Dhünn-Eifgenbach-Auenkorridor auf (Seite 43).
Das Wipper-Gewässernetz hat im Kulturlandschaftsnetzwerk eine direkte Verbindung zum Wupper/Wipper-Auenkorridor, die über das Bergische Städtedreieck bis zur Mündung der Wupper in den Rhein reicht (Seite 41). Über die
Grenzen der Region hinweg besteht nach Osten ferner Kontakt zum Bergischen-Wasserscheiden-Waldkorridor (Seite 45).
Räumlich reicht das Sülz-Gewässernetz im Kulturlandschaftsnetzwerk bis an den Rand des Wertvollen Kulturlandschaftsbereiches Dhünn-Altenberg (Seite 35). Es steht in direkter Verbindung zum Sülz-Auenkorridor (Seite 44).
Das Agger-Wiehl-Gewässernetz verfügt im Kulturlandschaftsnetzwerk über direkte Verbindungen zum Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Heckberger Wald-Leppetal (Seite 36) und zum Agger-Auenkorridor (Seite 44). Darüber
hinaus gibt es einen engen Kontakt zum Bergischen-Wasserscheiden-Waldkorridor (Seite 45).
42
Eichen-Hainbuchenwälder. Der Bach und viele seiner
Nebengewässer schlängeln sich naturnah durch die Auen,
die Ufer sind abschnittweise mit Steinen befestigt. Auch
das von Norden einmündende Hillenbachtal weist Feuchtgrünland, Brachen und bachbegleitende Erlenwälder auf.
Die nachhaltige Entwicklung der Gewässernetze wird in
Zukunft nicht unerheblich von den Vorgaben der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie bestimmt sein. Die Maßnahmen zur Sicherung der Wiederherstellung des guten
Gewässerzustandes werden insbesondere in den Bereichen
der Quellen, Quellgewässer und Oberläufe der Fließgewässer ansetzen. Gerade in diesen Gewässerabschnitten muss
zuerst die chemische, biologische und strukturelle Güte
gesichert beziehungsweise zurückgewonnen werden46.
Natur und Kultur in ihrer höchsten Verdichtung: Das Netzwerk der Kulturlandschaften
Die Auenkorridore
Auenkorridore an Rhein, Erft und Swist
Die Auenkorridore orientieren sich als „blaue Bänder“ an
den Flussläufen der Region. Sie zeichnen sich über eine
durchgängige, weitgehend offene Tallandschaft aus, in der
Wiesen, Weiden und gewässerbegleitende Gehölze dominieren. Diese Strukturen sind heute jedoch nicht in allen
Auenkorridoren der Region vorzufinden.
Der wichtigste Auenkorridor der Region ist der international
bedeutsame Rhein-Auenkorridor zwischen dem Rhein-Kreis
Neuss im Norden und dem Bonner Ortsteil Mehlem im Süden.
Als eine der ältesten Flößer- und Schifffahrtsstraßen Europas
ist der Rhein indirekt für die Errichtung einer Reihe wichtiger
Kulturlandschaftselemente wie Hafenanlagen, Fähren,
Brücken und andere historische Bauwerke ausschlaggebend.
Entlang seiner Ufer findet man zudem wichtige Sakralbauten, Kapellen, Hofanlagen und Villen. Aus ökologischer Sicht
sind in erster Linie die Kernflächen des Rhein-Auenkorridors
relevant. Dazu gehören beispielsweise die Lülsdorfer Weiden
und der Weißer Rheinbogen im Süden sowie die Langeler und
Flittarder Rheinaue im Norden. In diesen Teilräumen gibt es
den größten Weichholz-Auenwald-Bestand in der gesamten
Region. Er stellt landesweit das vermutlich letzte Beispiel
einer weitgehend naturnahen und vollständigen Auenzonierung dar. Auch für die Flora und Fauna der Region spielt der
Rhein als Rückzugsraum zahlreicher gefährdeter Tier- und
Pflanzenarten eine maßgebliche Rolle. Dies gilt auch für die
Fischfauna seiner Nebengewässer Wupper, Dhünn, Sieg und
Erft sowie die anderer Nebengewässernetze.
Die Kulturlandschaftskorridore –
Das Gerüst des Netzwerks
Die Gewässerläufe in den Korridoren sind teilweise noch naturnah ausgebildet – wo dies nicht der Fall ist, sollten sie als
wichtige biologische Verbindungen in der Landschaft renaturiert werden. Dabei müssen ihre Durchgängigkeit und ihre
biologische und chemische Güte zukünftig den Vorgaben der
Europäischen Wasserrahmenrichtlinie entsprechen. Auch
aus Gründen des Hochwasserschutzes dürfen die Auenkorridore nicht durch weitere Verkehrsanlagen oder Siedlungsund Industrieerweiterungen beeinträchtigt werden.
Den Kulturlandschaftskorridoren kommt im Netzwerk der
Kulturlandschaften eine besondere Stellung zu. Sie sind
sowohl durch das Natur- als auch durch das Kulturerbe
geprägt und vernetzen ebenso wie die Freiraum- und
Gewässernetze die wertvollen Kulturlandschaftsbereiche.
Die Korridore übernehmen dabei nicht mehr nur eine
Freiraumfunktion; in vielen Fällen – beispielsweise in den
Auenkorridoren entlang der wichtigsten Flüsse der Region
– sind sie längst auch zu Entwicklungs- und Industrieachsen geworden, in denen sich zudem die verkehrliche
Infrastruktur konzentriert. Prinzipiell kann zwischen drei
verschiedenen Arten von Korridoren unterschieden werden: den Auen-, Wald- und Freiraumkorridoren.
Ihre nachhaltige Entwicklung hängt in entscheidendem
Maß von den Vorgaben der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie ab. Um einen guten Zustand der Gewässer zu
erreichen, sind ökologische Verbesserungen der Flussstrukturen und der Auen notwendig. Dort, wo es möglich
ist, müssen die Fließgewässer „entfesselt“ werden und die
Auen ihre Dynamik zurückgewinnen. Bei dieser Entwicklung gilt es allerdings auch, das Kulturerbe innerhalb
der Auenkorridore zu berücksichtigen. Kulturhistorisch
relevante Flussbauwerke müssen Teil der nachhaltigen
Entwicklungsmaßnahmen sein. Dabei bestimmen die
Eigenarten des Natur- und Kulturerbes die spezifischen
Entwicklungsziele der einzelnen Auenkorridore
46
47
Dem Rhein-Auenkorridor kommt im Rahmen der Master
planung der Metropolregion Köln/Bonn eine zentrale
Bedeutung zu. Er ist gleichermaßen Rückgrat wie zentraler Knotenstrang im Netzwerk der Kulturlandschaften.
Ohne den Rhein würde das Kulturlandschaftsnetzwerk der
Metropolregion sozusagen „zerreißen“. Daher wird im folgenden Kapitel dem Querschnittsthema Rhein ein eigener
Fachbeitrag gewidmet (vgl. Seite 96)47.
Das Wanderfischprogramm Nordrhein-Westfalen wird seit 1998 als Kooperationsprojekt zwischen dem Umweltministerium NRW und dem Fischereiverband NRW durchgeführt. Ziel ist es, die Lebensraumqualität ausgewählter
Programmgewässer in NRW wiederherzustellen, so dass ehemals heimische Wanderfische wie beispielsweise der Lachs zurückkehren können und als Symbol für gesunde Gewässersysteme dauerhaft erhalten bleiben.
Das Bröl-Gewässernetz umfasst im Kulturlandschaftsnetzwerk den Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Homburger Ländchen-Bröltal (Seite 37). Es verfügt außerdem über eine direkte Verbindung zum Bröl-Auenkorridor (Seite 44).
Natur und Kultur in ihrer höchsten Verdichtung: Das Netzwerk der Kulturlandschaften
Neben dem Rhein-Auenkorridor und seiner zentralen
Bedeutung für die Region und darüber hinaus ist vor allem
der Erft-Swist-Auenkorridor zu nennen. Der Korridor
beginnt im Rhein-Kreis Neuss und läuft über den Villedurchbruch bei Bedburg sowie über Bergheim, Kerpen
und Erftstadt bis zum Beginn des Swist-Gewässernetzes
bei Swistal-Heimerzheim. Beeinträchtigt wird er vor allem
von massiven Auswirkungen des Braunkohletagebaus. So
hat das Sümpfungswasser des Tagebaus erheblichen Einfluss auf das Wasserregime der Erft und ihrer Flussaue.
Zugleich gibt es kaum eine Gegend in Deutschland, in der
so viele Burgen und Wasserschlösser erhalten sind wie an
der Erft. Beispielhaft für das reiche Kulturerbe des ErftSwist-Auenkorridors seien an dieser Stelle die Schlösser
Gymnich, Bedburg und Türnich mit Schlosspark, Wassergraben und Schlossauffahrt genannt. Aus ökologischer
Sicht wird es im Erft-Swist-Auenkorridor zukünftig verstärkt um Maßnahmen der Auenrenaturierung gehen. So
sollen grundwasserabhängige Wälder, Wiesen und Weiden
wiederhergestellt werden. Perspektivisch könnte hier eine
extensiv genutzte Auenparklandschaft mit Wasserschlössern und Burgen als eine Art „Loire des Rheinlandes“
entstehen48.
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Auenkorridore an Wupper, Wipper, Dhünn und Eifgenbach
Im Wupper/Wipper-Auenkorridor findet man eine besondere Situation: Hier haben sich Industriegassen mit alten
Schleifkotten, Industriehämmern und anderen Relikten
der industriegeschichtlichen Nutzung herausgebildet. Dabei liegen zwei Talbereiche der Wupper in der Metropolregion Köln/Bonn: der Unterlauf und Teile des Mittellaufs
zwischen Leverkusen-Rheindorf und Leichlingen sowie
der Oberlauf vor der Wuppertalsperre bei nach Radevormwald-Keilbeck/Dahlhausen.
Der Mittel- und Unterlauf der Wupper reicht von der südlichen Wuppertaler Stadtgrenze bis kurz vor die Mündung
in den Rhein. Während der Fluss über weite Strecken mit
einem noch größtenteils naturnahen Flussbett fließt, sind
die Abschnitte in den hier angesiedelten Städten Leichlingen und Leverkusen-Opladen zum Teil stark überbaut. Auf
den an die Wupper angrenzenden Hängen erstrecken sich
teils ausgedehnte und naturraumtypische Waldbestände.
Zu den südlichen Nebenflüssen gehören der Wiembach
mit Ölbach und Hirtzenberger Bach, der Imelsbach (im
Unterlauf auch Murbach oder Wietsche genannt), der
Sengbach, der Vierschelsbach, der Weltersbach mit dem
Schmerbach und der Eschbach.
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Der Oberlauf der Wupper unterhalb der Wuppertalsperre
hat trotz der angrenzenden Industrie- und Siedlungsflächen die typischen Strukturen eines Mittelgebirgsflusses
bewahrt. In zahlreichen Windungen verläuft der Fluss
entlang der meist steilen Hänge mit naturnahen Buchenwäldern. Der wichtigste Nebenfluss der oberen Wupper
ist die Uelfe. Mit der Wuppertalsperre bei Hückeswagen
beginnt das Wipper-Gewässernetz49.
Ein weiterer Auenkorridor im Rahmen des Netzwerkes
der Kulturlandschaften ist der Dhünn-EifgenbachAuenkorridor. Er ist das „grün-blaue Band“ zwischen
den Waldlandschaften um den Altenberger Dom und der
Wuppermündung in der Leverkusener Rheinaue. Aus
gehend von der Dhünnmündung bei Leverkusen-Wiesdorf
läuft der Korridor bis Odenthal, von wo er innerhalb der
Wertvollen Kulturlandschaft Dhünn mit dem Eifgenbachtal
über Wermelskirchen-Dabringhausen bis Wermelskirchen
fortgesetzt wird. Oberhalb von Odenthal beginnt das für
die Trinkwassergewinnung so bedeutende Gewässersystem
der Großen Dhünntalsperre mit der Kleinen- und der
Großen Dhünn. Als Nebenbäche münden unter anderem
der Mutzbach, der Leimbach und der Scherfbach im
Bereich des Auenkorridors in die Dhünn50.
Der Rhein-Korridor steht in Verbindung mit den Wertvollen Kulturlandschaftsbereichen Urdenbach-Worringen (Seite 29), Köln (Seite 30), Wahner Heide-Königsforst-Siegmündung (Seite 31) Bonn (Seite 32) und Siebengebirge-Pleiser
Ländchen (Seite 34). Auch die drei städtischen Freiraumnetze der Region – das Leverkusener Freiraumnetz (Seite 40), das Kölner Freiraumnetz (Seite 39) und das Bonner Freiraumnetz (Seite 39) – sind eng mit dem Korridor verwoben. Hinzu kommen Verknüpfungen mit dem Sieg-Auenkorridor (Seite 44) sowie dem Wupper/Wipper-Auenkorridor (Seite 43) und damit zusammenhängend dem Dhünn-Eifgenbach-Auenkorridor (siehe Seite 43). Schließlich muss
noch darauf hingewiesen werden, dass der Freiraumkorridor „Limesstraße“ (Seite 48) vielerorts eng den Rhein-Auenkorridor begleitet.
Im Kulturlandschaftsnetzwerk verbindet der Erft-Swist-Auenkorridor den Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Ville (Seite 28) mit dem Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Bürge (Seite 28). Weitere Kontakte bestehen zum SwistGewässernetz (Seite 40) und zu mehreren Freiraumkorridoren. Dazu gehören die Freiraumspange „Terra Nova“ (Seite 49), die Freiraumkorridore „Agrippastraße“ (Seite 48) und „Via Belgica“ (Seite 48) sowie die von Köln in westliche
Richtung verlaufenden suburbanen Freiraumkorridore (Seite 46).
Der Wupper/Wipper-Auenkorridor schafft im Kulturlandschaftsnetzwerk des Wipper-Gewässernetzes (Seite 41) eine Verbindung mit dem Leverkusener Freiraumnetz (Seite 40) sowie den Auenkorridoren von Dhünn-Eifgenbach (Seite 43)
und dem Rhein (Seite 42). Über das Bergische Städtedreieck hinweg bildet er eine wichtige „Brücke“ zu den Talsperrenlandschaften des Bergischen Landes (Seite 41). Zudem steht er in Kontakt zum Bergischen-HeideterrassenWaldkorridor (Seite 45).
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Auenkorridore an Sülz und Agger
Der Sülz-Auenkorridor verbindet das Sülz-Gewässernetz
mit dem wertvollen Kulturlandschaftsbereich Wahner
Heide-Königsforst-Siegmündung. Er ist in die Senken und
Hügel der Bergischen Hochflächen eingebettet und weist
zahlreiche Kulturdenkmäler als Relikte der einstigen industriellen Nutzung auf. Von seinem Beginn oberhalb von
Lohmar erstreckt er sich über Rösrath bis nach OverathObersteeg, wo er in das Sülz-Quellgewässernetz übergeht.
Die Talhänge der Sülz tragen hier einen geschlossenen
Waldmantel. Zu den Nebenbächen im Abschnitt des
Auenkorridors zählen der Katzbach, der Gammersbach,
der Kupfersieferbach, der Vierkottener Bach, der Bleifelder Bach sowie der Lehmbach, Eschbach, Holzbach und
Volbach. Gemeinsam mit dem Agger-Auenkorridor trägt
der Sülz-Auenkorridor maßgeblich zur Vernetzung des
Ballungsraumes Rhein-Sieg mit dem Bergischen Land
bei. Zu den kulturhistorisch bedeutsam Baudenkmälern
in diesem Auenkorridor gehören beispielsweise Schloss
Eulenbroich und Burg Schönrath. sowie mehrere zeitgeschichtliche Relikte des Bergbaus51.
Der bereits erwähnte Agger-Auenkorridor umfasst den naturnahen Mittel- und Unterlauf der Agger. Er beginnt an der
Aggermündung bei Troisdorf, quert bei Lohmar den Bergischen-Heideterrassen-Waldkorridor und läuft über Overath
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Natur und Kultur in ihrer höchsten Verdichtung: Das Netzwerk der Kulturlandschaften
bis nach Engelskirchen-Loope. Zum Auenkorridor gehören in
diesem Abschnitt ökologisch bemerkenswerte Nebenbäche
wie der Naafbach. Der gesamte Korridor ist dicht besiedelt
und weist ein gebündeltes Verkehrsnetz aus Straßen und
Eisenbahnlinien auf. Dabei hat der Oberlauf die typischen
Strukturen eines Mittelgebirgsflusses bewahrt, im Mittelund Unterlauf jedoch nimmt die Intensität der Nutzung zu.
Sie überprägt zum Teil die Auenbereiche. Mit den Schlössern
Ehreshoven und Auel findet man im Agger-Auenkorridor
auch herausragende kulturhistorisch bedeutsame Anlagen52.
Auenkorridore an Wahnbach, Bröl und Sieg
Weitere Auenkorridore begleiten den Wahnbach, die Bröl
und die Sieg. So beginnt der Wahnbach-Auenkorridor
mit der Mündung des Wahnbachs in die Sieg bei SiegburgSeligenthal. Er folgt in Neunkirchen-Seelscheid der Wahnbachtalsperre und setzt sich über Much-Herchenrath und
Much bis zu seinen Quellläufen am Südrand des wertvollen
Kulturlandschaftsbereiches Heckberger Wald-Leppetal fort.
Mit dem Schneffelrather Bach, dem Wendbach, dem Markelsbach und dem Henninger Bach hat der Wahnbach ein
relativ kleines Einzugsgebiet. Aufgrund der Niederschläge ist
aber dennoch eine stetige und ausreichend große Wasserführung gewährleistet – dies führte unter anderem zum Bau
der Wahnbachtalsperre. Schon zuvor gab es bemerkenswerte Stauanlagen am Wahnbach. Erhalten geblieben sind die
Gutmühle sowie Teile der Steinermühle und der HerrenteichHammer mit seinem eindrucksvollen Gebäudeensemble53.
Währenddessen umfasst der Bröl-Auenkorridor den Unterlauf der Bröl von der Mündung bei Hennef-Müschmühle
bis nach Ruppichteroth-Bröleck. Bei Bröleck mündet der von
Osten kommende naturnah geprägte und reich strukturierte
Waldbrölbach in die Bröl. Von Süden fließt an gleicher Stelle
der naturnahe und von Bach-Erlen-Eschenwäldern begleitete
Steinchesbach ein. Neben seiner ökologischen Bedeutung, die
durch bemerkenswerte Laichplätze für den Lachs (Bestandteil
des Wanderfischprogramms NRW) unterstrichen wird, verfügt
der Korridor auch über ein bemerkenswertes Kulturerbe.
Beispielhaft seien eine Vielzahl von Mühlen und Industriedenkmälern sowie das Schloss Herrenstein und die Wallburg
Rennenberg im Umfeld des Auenkorridors genannt54.
Der international und landesweit bedeutsame SiegAuenkorridor hingegen zeichnet sich durch den sehr
windungsreichen Verlauf des naturnah ausgeprägten Flussbettes aus. Er ist typisch für den Naturraum
Mittelsieg-Bergland und weist einerseits bewaldete und
steile Prallhänge, andererseits breite, flache Terrassen
an den Gleitufern auf. Diese werden überwiegend durch
Grünlandwirtschaft genutzt. Der Auenkorridor verbindet
die wertvollen Kulturlandschaftsbereiche NutscheidLeuscheid und Wahner Heide-Königsforst-Siegmündung.
Im Kulturlandschaftsnetzwerk sorgt der Dhünn-Eifgenbach-Auenkorridor dafür, dass der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich Dhünn-Altenberg (Seite 35) einschließlich des Dhünn-Gewässernetzes (Seite 41) mit dem Leverkusener
Freiraumnetz (siehe Seite 40) und dem Rhein-Auenkorridor (Seite 42) verknüpft wird. In seinem unteren Teil kreuzt der Auenkorridor den Bergischen-Heideterrassen-Waldkorridor (Seite 45).
Der Sülz-Auenkorridor stellt im Kulturlandschaftsnetzwerk eine Verbindung zwischen dem Sülz-Gewässernetz, dem Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Wahner Heide-Königsforst-Siegmündung (Seite 31) und dem Agger-Auenkorridor her (siehe folgend). Darüber hinaus steht er in Kontakt zum Bergischen Heideterrasssen-Waldkorridor (Seite 45).
Der Agger-Auenkorridor bildet eine Brücke zwischen dem Agger-Wiehl-Gewässernetz (Seite 41) sowie den wertvollen Kulturlandschaftsbereichen Heckberger Wald-Leppetal (Seite 36) und Wahner Heide-Königsforst-Siegmündung
(Seite 31) her. Es steht ferner in Kontakt zum Sülz-Auenkorridor (siehe oben), zum Sieg-Auenkorridor (Seite 44) und zum Bergischen-Heideterrassen-Waldkorridor (Seite 45).
Der Wahnbach-Auenkorridor schafft eine Verbindung zwischen dem Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Heckberger Wald-Leppetal (Seite 36) und dem Sieg-Auenkorridor (Seite 44). Darüber hinaus gibt es einen mittelbaren Kontakt
zum Bergischen-Heideterrassen-Waldkorridor (Seite 45).
Natur und Kultur in ihrer höchsten Verdichtung: Das Netzwerk der Kulturlandschaften
Kulturhistorisch sind dabei die wichtige Rolle der Sieg als
historische Flößerstraße sowie die Vielzahl an Burgen und
Schlössern an der Mittelsieg hervorzuheben. Zudem findet
man im Sieg-Auenkorridor neben bekannten Burg- und
Klosteranlagen wie in Blankenberg und im Wallfahrtsort
Bödingen historische Kulturlandschaftselemente des
Bergbaus und der Mühlennutzung. Da das Siegtal auch als
Siedlungs- und Verkehrsachse dient, reichen die Ausläufer
dieser Nutzungen teilweise in die Auen hinein55.
Drachenfelser Ländchens und verknüpft die großflächigen
Wälder des Kottenforstes und der angrenzenden Waldville mit denen des nördlichen Villerückens auf der Höhe
von Brühl. Dort schließen sich die „neuen Wälder“ der
Ville-Seenplatte an, die im Rahmen der Renaturierung als
Folgenutzung des Braunkohletagebaus entstanden sind.
Das besondere Kulturerbe des Korridors repräsentieren
die Relikte des Römerkanals und der alten Römerstraßen.
Daneben gibt es eine Reihe kulturhistorisch bedeutsamer
Gebäude, beispielsweise die Burg Bachem in Hürth56.
Die Waldkorridore
Wie die Auenkorridore, so haben auch die Waldkorridore
als „grüne Bänder“ eine wichtige Bedeutung für die zukünftige Landschaftsentwicklung. Sie zeichnen sich durch
linienartig zusammenhängende Waldgebiete aus, die
durch so genannte Waldbrücken sowie über Waldstreifen
und Heckenriegel miteinander verbunden sind. Durch die
Aufforstung und die Anpflanzung von Waldrändern und
Hecken kann die Korridorwirkung der Wälder zusätzlich
gefördert werden. In der Region gibt es insgesamt drei
bedeutende Waldkorridore: den Ville-Kottenforst-Waldkorridor, den Bergischen-Wasserscheiden-Waldkorridor
sowie den Bergischen-Heideterrassen-Waldkorridor.
Das Besondere des Ville-Kottenforst-Waldkorridors ist
seine Durchgängigkeit. Er beginnt im Süden nördlich des
55
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58
Der Bergische-Wasserscheiden-Waldkorridor hingegen
ist charakteristisch für die Ostflanke der Metropolregion
Köln/Bonn. Von den höchsten Gipfeln des Bergischen
Landes bei Reichshof erstreckt er sich über Kierspe und
Halver bis zur Wasserscheide zwischen Ennepe und Volme.
Dabei verläuft er teilweise außerhalb der Region und
stellt eine direkte Beziehung zum Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Homert im Sauerland her. Eine Besonderheit seines Naturerbes sind neben den Wäldern auf den
Bergkämmen die so genannten „Bergischen Heideköpfe“.
Dabei handelt es sich um offene Heidelandschaften, die
durch Vieheintrieb in die Bergwälder entstanden sind. Das
Kulturerbe des Korridors spiegelt sich vor allem in den
Resten der alten Landwehren wider. Exemplarisch seien
die Landwehren in Gummersbach-Lieberhausen und
Bergneustadt-Wiedenest genannt57.
45
Der dritte bedeutende Waldkorridor der Region ist der
Bergische-Heideterrassen-Waldkorridor. Er folgt der
Bergischen Heideterrasse am Rand des Bergischen Landes
von Lohmar im Süden über Teile der Wahner Heide und den
Königsforst. Dabei reicht er über die Wupper hinweg bis
in die nördlichen Stadtteile von Leverkusen und bis nach
Leichlingen und verknüpft perlschnurartig unterschiedlichste Waldtypen. Ein Problem gibt es im nördlichen Bereich des
Korridors, da hier die Wälder bereits verinselt sind und der
Korridor sich zum Teil auflöst. Daher ist es wichtig, entsprechende Fragmente und Reste zu erhalten und besser zu vernetzen. Der Waldkorridor ist reich an Burgen und Schlössern
wie zum Beispiel der Alten Burg Bensberg, des Schlosses
Röttgen bei Köln oder der Burg Wissem in Troisdorf58.
Die Freiraumkorridore
Das Netz der Freiraumkorridore verkörpert einen
Grundgedanken des ,masterplan :grün’. Als wichtiger
Bestandteil einer naturräumlichen Erneuerungsstrategie
der Ballungsräume dienen die Freiraumkorridore dem
Ziel, die Landschaftsqualität der Kulturlandschaften zu
bewahren beziehungsweise neu zu gestalten. Dies erfolgt,
indem die Freiräume erhalten, entwickelt und zu einem
Verbundsystem ergänzt werden, das über die unmittelbaren Abgrenzungen der Ballungsräume hinaus greift. Dabei
werden die Freiräume der Ballungsräume bandartig mit
Im Kulturlandschaftsnetzwerk verknüpft der Bröl-Auenkorridor den Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Homburger Ländchen (Seite 37) und das Bröl-Gewässernetz (Seite 41) mit dem Sieg-Auenkorridor (Seite 44).
Der Sieg-Auenkorridor verwebt die Wertvollen Kulturlandschaftsbereiche Nutscheid-Leuscheid (Seite 38) und Wahner Heide-Königsforst-Siegmündung (Seite 31). Zudem schafft er eine Verknüpfung zwischen den Auenkorridoren von
Rhein (Seite 42), Agger (Seite 44), Wahnbach (Seite 44) und Bröl (Seite 44) und steht in Kontakt mit dem Bergischen-Heideterrassen-Waldkorridor (Seite 45) und dem Freiraumkorridor „Grünes C“ (Seite 47).
Der Ville-Kottenforst-Waldkorridor verbindet im Kulturlandschaftsnetzwerk den Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Kottenforst-Drachenfelser Ländchen (Seite 33) unmittelbar mit dem Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Ville
(Seite 28). Er weist darüber hinaus Verknüpfungen zu den suburbanen Freiraumkorridoren (siehe Seite 46) und den von Köln ausgehenden Freiraumkorridoren „Agrippastraße“ (Seite 48), „Via Belgica“ (Seite 48) und „Römerkanal“
(Seite 49) auf und steht mittelbar in Kontakt zum Erft-Swist-Auenkorridor (Seite 43).
Im Kulturlandschaftsnetzwerk ist der Bergische-Wasserscheiden-Waldkorridor eng mit dem Agger-Wiehl-Gewässernetz (Seite 41) verwoben. Über die Quellregionen an den nordöstlichen Grenzen der Region und die dort liegenden
Talsperren gibt es außerdem Kontakte zum Wipper-Gewässernetz (Seite 41).
46
der umgebenden Landschaft vernetzt. Ein weiteres Anliegen ist es, über eine Aufwertung der Freiräume in den
sich stetig weiter verdichtenden Ballungsräumen dafür zu
sorgen, dass ihre Inanspruchnahme für andere Nutzungen
wirksam verhindert wird.
Während die Flächen des innerstädtischen Kölner und
Bonner Freiraumnetzes von urbanem Grün – zum Beispiel
Parkanlagen oder Stadtwälder – geprägt sind, weisen die
Freiraumkorridore des suburbanen Raumes eine fortlaufende landwirtschaftliche Nutzung auf. Diese wird prioritär
gefördert, um so den Freiraum zu sichern und vor anderen
Nutzungen zu schützten. Zum Teil begleiten diese Freiraumkorridore auch suburbane Bäche. In anderen Fällen
folgen sie außerhalb der urbanen und suburbanen Räume
als schmale Bänder in der freien Kulturlandschaft Strukturen des Industriezeitalters und der Römischen Zeit.
Eine nachhaltige Entwicklung der Freiraumkorridore
außerhalb des urbanen Raumes ist eng damit v erbunden,
dass offene Landschaftsnutzungen wie zum Beispiel
Landwirtschaft und Gartenbau erhalten und gefördert
werden. Darüber hinaus tragen aber auch die landschaftsgerechte Einbindung von Sport- und Erholungsanlagen,
die freiraumgerechte Folgenutzung ehemaliger Industrieund Verkehrsflächen sowie die Rekultivierung von Abgrabungsflächen zur Entwicklung wichtiger Freiraumkorrido-
59
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61
Natur und Kultur in ihrer höchsten Verdichtung: Das Netzwerk der Kulturlandschaften
re bei. Dies geht einher mit einer vernetzten Planung von
Wander-, Rad- und anderen Erlebnisrouten.
Suburbane Freiraumkorridore
In der Metropolregion Köln/Bonn laufen die Freiraumkorridore in Gestalt einer Windrose auf das Kölner Freiraumnetz
zu. Linksrheinisch gibt es dabei fünf Freiraumkorridore, die
hier die ‚StadtLandschaft’ prägen. Der Freiraumkorridor
„Am Alten Rhein“ erstreckt sich nördlich von Knechtsteden
im Rhein-Kreis Neuss bis hin zur Stadt Köln. Er verbindet
die Stommelner Waldlandschaften und Reste alter Rheinarme nahe des Stadtteils Esch-Auweiler mit der Kölner Stadtund Industrielandschaft. Der Korridor liegt vorwiegend auf
der Niederterrasse und ist von erkennbaren Altrheinschleifen, der topographischen Stufe zum Ville-Vorland und den
Auwaldresten des Chorbusches geprägt. Zu seinem Kulturerbe gehören unter anderem Haus Orr zwischen Pulheim
und Köln-Auweiler, das Kloster Knechtsteden sowie der
Zehnthof im Pulheimer Ortsteil Sinnersdorf59.
Im Nordwesten führt der Freiraumkorridor „Zu neuen Energien“ vom Belvedere-Park im Äußeren Kölner Grüngürtel
bis in die neuen Braunkohle-Folgelandschaften. Er endet
bei Bedburg in der Erftaue und beheimatet die kulturhistorisch bedeutsame Abtei Brauweiler sowie die historisch bemerkenswerte Anlage der Freimersdorfer Fronhöfe. Folgt
man dem Korridor, so erreicht man den Glessener Bach
und die neuen Landschaften der Glessener Höhen. Von hier
bietet sich ein hervorragender Blick auf die Kraftwerke von
Bergheim-Niederaußem, die sinnbildlich für die Energielandschaft in diesem Teil der Region stehen60.
Der nach Westen reichende Freiraumkorridor „Zwischen
schnellen Wegen“ verläuft in unmittelbarer Nähe des
zuvor genannten Korridors. So beginnt er ebenfalls bei
Köln-Lindenthal am Äußeren Kölner Grüngürtel und führt
über Köln-Weiden, Frechen-Königsdorf und die „Neue
Ville“ bei Kerpen-Horrem zur Erft. In weiten Teilen wird
er dabei vom Verlauf der viel befahrenen B 55 – der alten
Römerstraße – und der Bundesautobahn A 4 bestimmt.
Als weiterer schneller Weg kommt hier die West-Ost-Eisen
bahnachse Brüssel-Köln hinzu. Kulturhistorisch ist im
Umfeld des Korridors vor allem die bedeutsame römische
Grabkammer von Köln-Weiden von Bedeutung61.
Nach Südwesten erreicht der Freiraumkorridor „Zu den
Villeseen“ ausgehend vom Äußeren Kölner Grüngürtel bei
Köln-Klettenberg über Hürth und die Stadtteile Stotzheim
und Berrenrath die Bergbau-Folgelandschaften der „Neuen
Ville“ mit ihren Wäldern und Wasserflächen. Kulturhistorisch verweist er auf die alte Agrippastraße und Relikte
der römischen Wasserleitung, die von der Eifel bis nach
Köln führte.
Über den Bergische-Heideterrassen-Waldkorridor sind im Kulturlandschaftsnetzwerk die Auenkorridore von Sieg (Seite 44) und Wahnbach (Seite 44) mit denen von Agger (Seite 44) und Sülz (Seite 44) verbunden. Weiter durchläuft der
Korridor den Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Wahner Heide-Königsforst-Siegmündung (Seite 31) und ist im Norden mit den Freiraumkorridoren „Wahner Heide“ (Seite 47) und „Entlang der Strunde“ (Seite 47) verknüpft. Nach
einer Verknotung mit dem Dhünn-Eifgenbach-Auenkorridor (Seite 43) erreicht er das Leverkusener Freiraumnetz (Seite 40).
Der Freiraumkorridor „Am Alten Rhein“ schafft eine Verbindung zwischen den Wäldern der Roseller Heide bei Neuss und der Umgebung des Klosters Knechtsteden mit dem Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Köln (Seite 30) einschließlich des Kölner Freiraumnetzes (Seite 39). Zudem gibt es über den Kölner Randkanal Kontakte zum Vorgebirgsbach-Gewässernetz (Seite 40).
Im Kulturlandschaftsnetzwerk verknüpft der Freiraumkorridor „Zu neuen Energien“ den Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Köln (Seite 30) einschließlich des Kölner Freiraumnetzes (Seite 39) mit dem Ville-Kottenforst-Waldkorridor
(Seite 45) und dem Erft-Swist-Auenkorridor (Seite 43). Auf der anderen Seite der Erftaue beginnt bei Bedburg die Freiraumspange „Terra Nova“ (Seite 49). Darüber hinaus gibt es auch Kontakte zum Vorgebirgsbach-Gewässernetz (Seite 40).
Natur und Kultur in ihrer höchsten Verdichtung: Das Netzwerk der Kulturlandschaften
Im südlichen Freiraumkorridor „Rheinische Gärten“,
der bei Köln-Raderthal an den Äußeren Kölner Grüngürtel
anknüpft, überwiegen die fruchtbaren Böden der Mittelterrasse zwischen Köln und Bonn. Hier haben sich intensive
Obst- und Gemüsekulturen als „Rheinische Gärten“ etablieren können. Insbesondere in der bäuerlichen Landschaft
um Bornheim-Sechtem gibt es ausgedehnte Obstflächen
und Gemüsefelder. Der Korridor verläuft insgesamt parallel
zum Rand des Vorgebirges mit seinen historisch gewachsenen Dörfern und Siedlungen. Herausragend sind dabei
kulturhistorisch bedeutsame Bauwerke wie die Brühler
Schlösser Falkenlust und Augustusburg, die zum UNESCOWeltkulturerbe der Menschheit zählen62. Über die Vorgebirgsbäche hat der Korridor zudem Kontakt zu zahlreichen
Relikten der alten römischen Wasserleitung63.
Rechtsrheinisch verleihen drei vorwiegend urban geprägte Freiraumkorridore der ‚StadtLandschaft’ um Köln ihr
Gesicht. Diskutiert wird hier ein Freiraumkorridor „Zum
Grünen Fächer“. Er beginnt in Köln-Mülheim und verläuft über den Scheuerhof parallel der Autobahn A 3 bis
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Leverkusen-Manfort. Dabei berührt er die Parkanlagen
des Bayer-Firmengeländes und den Mutzbach mit den das
Gewässer begleitenden Abgrabungen64.
Nach Osten bietet der bachbegleitende Freiraumkorridor
„Entlang der Strunde“ die Möglichkeit, ein suburbanes
Fließgewässer von der Quelle in Bergisch Gladbach-Herren
strunden am Rand des Bergischen Landes über die Innen
stadt von Bergisch Gladbach sowie die Kölner Vororte
Dellbrück und Holweide bis zu seinem „Verschwinden“ am
Startpunkt seiner unterirdischen Führung in Köln-Mülheim zu verfolgen. In diesem Korridor findet man unter
anderem kulturhistorisch bemerkenswerte Gebäude und
Anlagen wie die Burg Zweiffel, die Isenburg, die Alte Mühle
Dombach mit dem Rheinischen Industriemuseum und die
Villa Zanders65.
Nach Südosten hingegen soll sich der skizzierte Freiraum
korridor „Zur Wahner Heide“ erstrecken. Er knüpft in KölnKalk an den noch nicht vollendeten rechtsrheinischen
Äußeren Kölner Grüngürtel an und verläuft über die Köl-
47
ner Vororte Vingst und Ostheim zum Königsforst und zur
Wahner Heide66.
Über die genannten Korridore hinaus existiert in der
rechtsrheinischen ‚StadtLandschaft’ im Norden von
Leverkusen und Köln noch ein weiterer Freiraumkorridor.
Der Freiraumkorridor „Zu den Hitdorfer Seen“ führt vom
Leverkusener Ortsteil Rheindorf vorbei an LeverkusenHitdorf über die Grenzen der Region hinweg zu den für
Erholung und Freizeit bedeutsamen Abgrabungsseen
zwischen Hitdorf und Monheim. Er lässt sich bis hin zur
Urdenbacher Kämpe vor den Toren der Stadt Düsseldorf
weiter verfolgen. Zu seinem Kulturerbe gehört Schloss
Laach mit dem Laacher Hof67.
Der bereits dargestellte Freiraumkorridor „Rheinische
Gärten“ sorgt neben seiner Funktion als Korridor auch
dafür, dass das Kölner und Bonner Freiraumnetz unmittelbar miteinander verknüpft sind. Am Nordrand des Bonner
Freiraumnetzes schließt er an den in west-östlicher Richtung verlaufenden Freiraumkorridor „Grünes C“ an. Dieser
Wie der Freiraumkorridor „Zu neuen Energien“ verbindet auch der Korridor „Zwischen den schnellen Wegen“ im Kulturlandschaftsnetzwerk den Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Köln (Seite 30) einschließlich des Kölner
Freiraumnetzes (Seite 39) mit dem Ville-Kottenforst-Waldkorridor (Seite 45) und den Erft-Swist-Auenkorridor (Seite 43). Über die Erft hinweg gibt es zudem einen Kontakt zum Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Bürge (Seite 28).
Räumlich verläuft der Korridor flächengleich zum Freiraumkorridor „Via Belgica“ (Seite 48).
Das UNESCO-Weltkulturerbe der Menschheit umfasst verbliebene Zeitzeugen ehemaliger Hochkulturen und einmalige Naturlandschaften, die vor dem Untergang bewahrt werden müssen. Das „Übereinkommen zum Schutz des
Kultur- und Naturerbes der Welt“ wurde 1972 verabschiedet. Potenzielle Kandidaten werden nach einer Prüfung durch das UNESCO-Welterbekomitee aufgenommen. Die Brühler Schlösser Falkenlust und Augustusburg sind seit
1984 Weltkulturerbe.
Der Freiraumkorridor „Rheinische Gärten“ stellt eine Verbindung zwischen dem Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Köln (Seite 30) mit dem Kölner Freiraumnetz (Seite 39) und dem Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Bonn (Seite 32)
mit dem Bonner Freiraumnetz (Seite 39) her. An mehreren Stellen ist er eng mit dem Vorgebirgsbach-Gewässernetz (Seite 40) und dem Freiraumkorridor „Römerkanal“ verzahnt. Im Süden der Stadt Bonn mündet der Korridor in den
Freiraumkorridor „Grünes C“.
Im Kulturlandschaftsnetzwerk verbindet der Freiraumkorridor „Zum Grünen Fächer“ den Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Köln (Seite 30) einschließlich des Kölner Freiraumnetzes (Seite 39) nach Norden hin mit dem Leverkusener Freiraumnetz (siehe Seite 40). Zudem gibt es eine Querverbindung zum Bergischen-Heideterrassen-Waldkorridor (Seite 45).
Der Freiraumkorridor „Entlang der Strunde“ sorgt für eine Verknüpfung des Wertvollen Kulturlandschaftsbereichs Köln (Seite 30) einschließlich des Kölner Freiraumnetzes (Seite 39) mit dem Bergische-Heideterrassen-Waldkorridor
(Seite 45).
Im Kulturlandschaftsnetzwerk stellt der Freiraumkorridor „Zur Wahner Heide“ eine Verbindung zwischen der Wertvollen Kulturlandschaftsbereichen Köln (Seite 30) einschließlich des Kölner Freiraumnetzes (Seite 39) und dem Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Wahner Heide-Königsforst-Siegmündung (Seite 31) her. Er ist zugleich auch mit dem Bergische-Heideterrassen-Waldkorridor verwoben (Seite 45).
48
verbindet die Kommunen Bornheim, Alfter, Bonn, Niederkassel, Troisdorf und Sankt Augustin sowie Landschaften
der Ville, der Siegmündung und des Siebengebirges.
Linksrheinisch konzentriert er sich dabei auf die letzten,
vorwiegend landwirtschaftlich geprägten Freiraumreste
eines mit Siedlungs-, Industrie- und Verkehrsflächen
nach wie vor expandierenden Ballungsraumes. Auf der
rechtsrheinischen Seite findet man eine gänzlich andere
Situation. Hier prägen große Naturschutzgebiete und die
naturnäheren Landschaften der Siegmündung das Bild.
Eine besondere Rolle spielt die Mondorfer Rheinfähre als
Klammer zwischen dem links- und rechtsrheinischen Teil
des Korridors68.
Historisch bedeutsame Freiraumkorridore
Auch historisch bedeutsame Reste von Bauwerken
und Anlagen schaffen ein räumliches Gerüst für Freiraum – sowohl im Ballungsraum als auch in der freien
Landschaft. Dazu zählen beispielsweise noch erhaltene
römische Infrastrukturen wie die alten römischen Staatsstraßen, die radial auf Köln zulaufen. Mit ihrer linearen
Trassenführung zählen sie noch heute zu den markantesten in der Landschaft ablesbaren Elementen der historischen Kulturlandschaft, auch wenn in der Metropolregion
Köln/Bonn große Teile dieser Römerstraßen verloren
gegangen sind. Neben den Römerstraßen ist vor allem
68
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70
Natur und Kultur in ihrer höchsten Verdichtung: Das Netzwerk der Kulturlandschaften
die Limesstraße mit Spuren des Niedergermanischen
Limes sowie der begleitenden Via Militaris und die Reste
der historischen römischen Wasserleitung (Römerkanal)
zu nennen. Sie versorgte das antike Köln mit Trinkwasser
aus der Eifel. Gleichermaßen gehören zu den historisch
bedeutsamen Freiraumkorridoren aber auch Industrieanlagen der Neuzeit, beispielsweise die Braunkohletagebaulandschaft.
Der Freiraumkorridor „Via Belgica“ verlässt Köln zwischen
den Stadtteilen Müngersdorf und Junkersdorf. Über KölnWeiden erreicht er Frechen-Königsdorf, wo die alte Römerstraße die Ville quert. In diesem Bereich ist ihr Verlauf
noch gut erkennbar. Nachdem die Straße zwischen Bergheim und Horrem die Erft überschritten hat, verschwindet sie hinter Elsdorf jedoch im Tagebau Hambach. Erst
jenseits der Grenzen der Region bei Baesweiler kann man
sie in der Landschaft wieder nachzeichnen. Zu den kulturhistorisch bedeutsamsten Denkmälern an der Via Belgica
zählt die Römische Grabkammer in Köln-Weiden69.
Ausgehend von Köln-Klettenberg folgt der Freiraumkorridor „Agrippastraße“ auf der Luxemburger Straße, wo
sich ebenfalls eine kulturhistorisch bedeutsame römische
Grabkammer befindet, der Bundesstraße 265 bis nach
Hürth-Kendenich. Bei Hürth-Knapsack verschwinden die
Reste der Römerstraße spurlos im ehemaligen Braun-
kohletagebau Ville. Nach der Querungsstelle der Erft bei
Erftstadt-Frauenthal ist die Agrippastraße in der sich
anschließenden Bördelandschaft zwischen Erftstadt und
Zülpich dann wieder sehr gut erkennbar70.
Der Verlauf des Freiraumkorridors „Limesstraße“ orientiert am Fluss, der ihm den Namen gab. Er erstreckt sich
vom Norden Kölns über Dormagen bis nach Neuss und
weiter entlang des Rheins bis in die Niederlande. Im Süden von Köln läuft er über Wesseling bis Bonn weiter zum
Mittelrhein. Als Niedergermanischer Limes wird dabei die
ehemalige Grenze zwischen der römischen Provinz Germania Inferior und der Germania Magna bezeichnet. Der
linksrheinische Limes trennte das Rheinland und die Niederlande als Bestandteil des Römischen Reiches von den
nur bedingt kontrollierbaren rechtsrheinischen Gebieten.
Er begann an der Mündung des Oude Rijns (Alter Rhein)
und folgte dem Fluss bis Niederbreisig an der Grenze zur
Provinz Germania Superior. Auf der gegenüberliegenden
Rheinseite beginnt hier der Obergermanische Limes,
der als befestigte Anlage heute zum Weltkulturerbe der
UNESCO gehört.
Beim Niedergermanischen Limes handelt es sich nicht
um eine befestigte Anlage mit durchgehenden Wällen
oder Palisaden, sondern um eine Flussgrenze, die wie an
der Donau mit einer Kette von Kastellen gesichert war.
Über den Freiraumkorridor „Zu den Hitdorfer Seen“ sind das Leverkusener Freiraumnetz (Seite 40) und der Wupper/Wipper-Auenkorridor über die Grenzen der Region hinweg mit dem Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Urdenbach-Worringen verbunden (Seite 29).
Im Kulturlandschaftsnetzwerk verbindet der Freiraumkorridor „Grünes C“ den linksrheinischen Wertvollen Kulturlandschaftbereich Ville (Seite 28) mit den rechtsrheinischen Wertvollen Kulturlandschaftsbereichen Wahner HeideSiegmündung (Seite 29) und Siebengebirge-Pleiser Ländchen (Seite 34). Zudem steht es auf der linken Rheinseite im Kontakt zum Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Kottenforst-Drachenfelser Ländchen (Seite 33) und dem Bonner
Freiraumnetz mit Bezügen zum Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Bonn (Seite 32). Über den Freiraumkorridor „Rheinische Gärten“ (Seite 47) hinaus ist das „Grüne C“ mit den Auenkorridoren von Rhein (Seite 42) und Sieg (Seite 44),
dem Freiraumkorridor „Limesstraße“ und dem Vorgebirgsbach-Gewässernetz (Seite 40) verknüpft.
Der Freiraumkorridor „Via Belgica“ bildet im Kulturlandschaftsnetzwerk eine Brücke zwischen dem Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Köln (Seite 30) sowie dem Ville-Kottenforst-Waldkorridor (Seite 45) und dem Erft-Swist-Auenkorridor (Seite 43). Dabei verläuft der Korridor anfangs flächengleich zum suburbanen Freiraumkorridor „Zwischen schnellen Wegen“. Links der Erft schafft er einen Kontakt zur Freiraumspange „Terra nova“ (Seite 49).
Natur und Kultur in ihrer höchsten Verdichtung: Das Netzwerk der Kulturlandschaften
Dazu zählten neben Köln und seinen Stadtteilen Deutz
(Brückenkopfkastell) und Marienburg (Flottenkastell
Altenburg) auch Anlagen in Dormagen (Alenkastell), Bonn
(Legionslager) und Remagen (Auxiliarlager/Kohorte). Die
den Limes begleitende römische Fernstraße Via Militaris
verband Niedergermanien mit Obergermanien. Der RheinLimes steht auf der Vorschlagsliste als Weltkulturerbe der
UNESCO71.
turerbe des Industriezeitalters bandförmig dokumentiert.
So soll ein Teil dieses Freiraumkorridors an der „Tagebaukante“ zwischen der Sophienhöhe und der Gemeinde Elsdorf die Dimension des Tagebaus Hambach nachzeichnen
und Ausblicke auf die laufenden Abbauarbeiten und die
folgende Rekultivierung geben. Ein anderer Teil begleitet
die ehemalige Abraumbandanlage zwischen dem Tagebau
Hambach, Bedburg und Niederaußem73.
Der Freiraumkorridor „Römerkanal“ beginnt analog der
Agrippastraße im Äußeren Kölner Grüngürtel bei Klettenberg und läuft über Hürth-Kendenich und Hürth entlang
des Vorgebirges bis auf die Höhe von Bornheim. Von hier
aus quert der Kanal die Waldville und das Tal der Swist,
bevor er die Region in Richtung Nettersheim in der Eifel
verlässt. Die römische Wasserleitung war eines der längsten Aquädukte der Römischen Zeit und gilt als größtes
antikes Bauwerk nördlich der Alpen. Zahlreiche Spuren
und Relikte sind noch heute sichtbar72.
Überregionale Verbindungen des Kulturlandschafts
netzwerkes
Außerhalb des Ballungsraumes soll im Braunkohlerevier
des Tagebaus Hambach bei Elsdorf die industriehistorisch
bedeutsame Freiraumspange „Terra Nova“ geschaffen
werden. Geplant ist, dass sie als Grünverbindung das Kul-
71
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75
Bei aller regionsspezifischen Ausprägung – das Kulturlandschaftsnetzwerk der Metropolregion Köln/Bonn darf
nicht isoliert betrachtet werden. Es weist überregional
zentrale und große Verbindungsachsen von internationaler
und nationaler Bedeutung sowie kleinere Verbindungsachsen und Kontakte auf. Letztere sind vor allem für die
Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz
von Bedeutung. Die internationalen Verbindungsachsen
verlaufen parallel zu den wichtigsten wirtschaftlichen
Entwicklungsachsen zwischen den Metropolregionen
Europas. Sie gehören somit zum „ökonomischen Fundament“ der Europäischen Union.
49
Überregional eingeordnet bildet die Metropolregion Köln/
Bonn den südlichen Teil der Metropolregion Rhein-Ruhr,
die zu den fünf größten Metropolregionen Europas gehört.
Sie ist zudem die bevölkerungsreichste von derzeit elf
Metropolregionen in Deutschland und darf als einzige
dieser Metropolregionen den Titel Megastadt in Anspruch
nehmen. Als solche wurde sie 1995 von der deutschen
Ministerkonferenz für Raumordnung (MKRO) definiert74.
Dies verdeutlicht die Bedeutung der Metropolregion
Köln/Bonn als Teil eines noch größeren Ballungsraumes.
Das Kulturlandschaftsnetzwerk der Region nimmt eine
zentrale Position im Verbund der europäischen Metropol
regionen ein75.
Über den Freiraumkorridor „Agrippastraße“ ist der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich Köln (Seite 30) mit dem Nordrand des Wertvollen Kulturlandschaftsbereichs Ville (Seite 28), dem Ville-Kottenforst-Waldkorridor (Seite 45) und
dem Erft-Swist-Auenkorridor (Seite 43) verwoben. Zwischen der Ville und Köln gibt es Kontakte zum Freiraumkorridor „Spuren des Römerkanals“ (siehe folgend).
Im Kulturlandschaftsnetzwerk verbindet der Freiraumkorridor „Limesstraße“ den Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Köln (Seite 30) mit den Wertvollen Kulturlandschaftsbereichen Urdenbach-Worringen im Norden (Seite 29) und
Bonn im Süden (Seite 32). Der Korridor weist vielerorts eine enge Beziehung zum Rhein-Auenkorridor (Seite 42) auf. Darüber hinaus gibt es einen Kontakt zum Freiraumkorridor „Grünes C“ (Seite 47).
Der im Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Köln (Seite 30) beginnende Freiraumkorridor „Römerkanal“ hat Kontakt zum Kölner Freiraumnetz (Seite 39), den suburbanen Freiraumkorridoren (Seite 46) sowie dem VorgebirgsbachGewässernetz. Er quert den wertvollen Kulturlandschaftsbereich Ville (Seite 28) und das Swist-Gewässernetz (Seite 40).
Die Freiraumspange „Terra Nova“ steht in Verbindung zum Erft-Swist-Auenkorridor (Seite 43) und mittelbar auch zum Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Bürge (Seite 28). Darüber hinaus ist sie mit dem Freiraumkorridor
„Via Belgica“ (Seite 48) verknüpft.
Die Ministerkonferenz für Raumordnung (MKRO) setzt sich aus dem für Raumordnung zuständigen Bundesminister und den für die Landesplanung zuständigen Ministerien und Senatoren zusammen. Ihre Aufgabe ist es – gestützt auf
Paragraph 26 Raumordnungsgesetz (ROG) – grundsätzliche Fragen und Positionen der Raumordnung und Raumentwicklung in Deutschland abzustimmen.
50
EXKURS
Dem „Metropoldreieck“ Randstand mit Amsterdam, Utrecht
und Rotterdam in den Niederlanden, Brüssel-Antwerpen in
Belgien und der Metropolregion Rhein-Ruhr mit Köln/Bonn
kommt eine besondere Bedeutung zu. Zusammen genommen weist das Dreieck etwa 20 Millionen Einwohner auf.
Es ist zudem ein Scharnier zwischen den Metropolregionen
London, Paris, Rhein-Main, Rhein-Neckar, Bremen und
Hamburg sowie den Metropolregionen in Ostdeutschland
und Osteuropa. Darüber hinaus liegt es im Mittelpunkt der
so genannten „Blauen Banane“, die den Großraum zwischen
Manchester und Genua bezeichnet. Dieser besitzt eine enorme wirtschaftliche Bedeutung, die zum Teil sogar diejenige
US-amerikanischer oder asiatischer Großräume übertrifft.
Die Metropolregion Köln/Bonn hat sowohl innerhalb des
„Metropoldreiecks“ und der Metropolregion Rhein-Ruhr
als auch innerhalb der „Blauen Banane“ die Funktion einer
zentraleuropäischen Drehscheibe. Mit dem Verschwinden
des „eisernen Vorhangs“ und der Transformation Europas
ist die „Blaue Banane“ zu einem Netz-Knoten-System –
dem „Blauen Stern“ – geworden, in dessen Zentrum wiederum die Metropolregion Köln/Bonn liegt. Von hier strahlen heute die wichtigen europäischen Entwicklungsachsen
aus: nach Westen (London, Manchester), nach Südwesten
(Paris, Madrid, Lissabon), nach Süden (Marseille, Mailand,
Turin, Genua), nach Südosten (Nürnberg, Wien, Budapest,
Bukarest), nach Osten (Hannover, Berlin, Warschau, Moskau) und nach Norden (Bremen, Hamburg, Kopenhagen,
Oslo, Stockholm).
Natur und Kultur in ihrer höchsten Verdichtung: Das Netzwerk der Kulturlandschaften
Diese zentrale Lage wirkt sich auch auf das Kulturlandschaftsnetzwerk der Metropolregion Köln/Bonn aus, das
über zahlreiche überregionale Verbindungen verfügt, an
erster Stelle die bedeutende Rheinachse. Sie stellt nach
Nordwesten eine internationale Verbindung zur Metropol
region Rhein-Ruhr und weiter bis zur Metropolregion
Randstad in den Niederlanden her. Nach Südosten schafft
die Rheinachse eine Verknüpfung zum Weltkulturerbe
Mittleres Rheintal und zur Metropolregion Rhein-Main
sowie darüber hinaus gehend bis nach Südosteuropa. An
zweiter Stelle steht Europas große West-Ost-Entwicklungs
achse, die die Metropolregion ebenfalls kreuzt. Nach
Westen reicht sie über die Metropolregion Brüssel in Belgien bis in die Metropolregionen im Norden Frankreichs
und im Pariser Becken. Nach Osten eröffnet sie über die
Metropolregion Rhein-Ruhr hinaus eine international und
national bedeutsame Achse, die über die Metropolregionen
Hannover/Braunschweig/Göttingen und Berlin bis nach
Warschau und Moskau führt. Von ihr zweigt eine weitere
europäische Entwicklungsachse in die Metropolregionen
Bremen/Oldenburg und Hamburg sowie die Länder Skandinaviens ab.
Auch innerhalb Nordrhein-Westfalens ist die Einbindung
der Region und ihres Kulturlandschaftsnetzwerkes
hervorragend. So kann der Nord-Freiraumkorridor über
den Chorbusch bis vor die Tore der Stadt Neuss geführt
werden, der Erft-Swist-Auenkorridor begleitet die Erft
bis zu ihrer ebenfalls im Rhein-Kreis Neuss erfolgenden
Mündung in den Rhein. Rechtsrheinisch setzt sich der
Nord-Ost- Freiraumkorridor über die Hitdorfer Seenplatte
und Monheim bis nach Düsseldorf fort. Der BergischeHeideterrassen-Waldkorrior kann bis Duisburg verfolgt
werden, während der Wupper/Wipper-Auenkorridor mit
dem Wupperbogen ein wichtiges Scharnier zum Bergischen Städte-Dreieck bildet.
Die überregionalen Ostverbindungen innerhalb NordrheinWestfalens beziehen sich in erster Linie auf das WipperGewässernetz und den Bergische Wasserscheiden-Waldkorridor. Vom Gewässernetz der Wipper kann über einen
„Wasserscheiden-Kontakt“ eine Verbindung mit weiteren
Talsperren bis zum Biggesee hergestellt werden. Zugleich
ist es möglich, einen weiteren Waldkorridor abzustecken,
der sich als Sauerland-Achse über den Homert bis zum
Rothaarkamm zieht. Auch der Sieg-Auenkorridor lässt
sich als Sieg-Achse mit Kontakten zu Rheinland-Pfalz bis
ins Siegerland fortsetzen.
Auf Rheinland-Pfalz beziehen sich auch viele der überregionalen Südverbindungen in Nordrhein-Westfalen.
Ein Beispiel ist der wertvolle Kulturlandschaftsbereich
Nutscheid-Leuscheid, der eng mit den unmittelbar
angrenzenden Waldflächen in Rheinland-Pfalz verwoben
ist. Von hier aus erstreckt sich ein Waldkorridor bis in
den Westerwald hinein. Eine vergleichbare Verbindung zu
angrenzenden Waldflächen gibt es über das Siebengebirge
auch im wertvollen Kulturlandschaftsbereich SiebengebirgePleiser Ländchen. Vom Kottenforst und dem Drachenfelser
Ländchen aus kann über eine waldreiche Ahr-Achse
die Brücke zum Ahr-Auenkorridor in Rheinland-Pfalz
geschlagen werden. Eine regelrechte Erft-Eifel-Achse, die
bis nach Trier verlängert werden könnte, ergibt sich aus
dem Freiraumkorridor „Römerkanal“, dem Erft-SwistAuenkorridor und dem Freiraumkorridor „Agrippastraße“.
Würde man hier die alte Römerstraße nachzeichnen, so
käme dieser Achse unter kulturellen Gesichtspunkten
ebenfalls eine europäische Bedeutung zu. Die Erft-EifelAchse hat im Westen Kontakt zum Rotbach, dem innerhalb
Nordrhein-Westfalen die Bedeutung eines Auenkorridors
zukommt.
Natur und Kultur in ihrer höchsten Verdichtung: Das Netzwerk der Kulturlandschaften
Abgesehen von der international bedeutsamen West-OstEntwicklungsachse weist die Region nach Nordwesten und
Westen zwei weitere überregional bedeutsame Verbindungen auf. Dabei handelt es sich zum einen um die räumlichen
Verflechtungen innerhalb des Rheinischen Braunkohle
reviers, die über die Grenzen der Metropolregion Köln/Bonn
hinaus bis zum Rurtal und in den Rhein-Kreis Neuss reichen,
zum anderen um die Verlängerung des Via Belgica-Frei
raumkorridors innerhalb Nordrhein-Westfalens. An diesem
wurde bereits im Rahmen der Regionale 2008 in der Grenz
region Aachen/Belgien/Niederlande erfolgreich gearbeitet.
51
Aus Sicht der einzelnen Disziplinen: Sektorale Anforderungen an das Netzwerk der Kulturlandschaften
Neben allgemein landschaftsbezogenen Perspektiven für
die Großlandschaften der Metropolregion Köln/Bonn ist es
das Ziel des Masterplans, konkrete Aussagen für einzelne
Teilräume zu treffen. Dies erhält vor dem Hintergrund der
europäischen Gesamtsichtweise zusätzliche Bedeutung.
So werden im Rahmen des Netzwerkes der Kulturlandschaften an ausgewählten Standorten Beispiele für die
künftige nachhaltige Nutzung und Gestaltung der Landschaft aufgezeigt und sowohl bereits absehbare als auch
mögliche zukünftige Entwicklungen skizziert. Auf diese
Art und Weise wird Landschaft erfahrbar – sowohl auf der
Ebene ausgewählter Teilräume als auch auf der thematischen Ebene. Eine wichtige Rolle spielen dabei die zu
analysierenden Chancen und Konflikte der verschiedenen
Fachdisziplinen, beispielsweise der Siedlungsentwicklung, der Land- und Forstwirtschaft, der Wasserwirtschaft
sowie der Themenbereiche Kultur- und Naturschutz,
Ressourcenlandschaft, Klima, Freizeit und Erholung.
Insgesamt zehn Fachbeiträge wurden größtenteils von
externen Experten erarbeitet. Sie kommentieren die Thematik aus sektoraler Sicht und erfassen auch Aspekte, die
jenseits kommunaler Zuständigkeiten liegen, beispielsweise Strukturen und Vernetzungen oder thematischräumliche Zusammenhänge innerhalb der Region. Aus
diesen Beiträgen können raumübergreifende Zukunftsansprüche und Rahmenbedingungen für die künftige
Gestaltung von Landschaft und Region abgeleitet werden.
Die Beiträge zu den genannten Fachgebieten und Themen
sind somit ein wichtiger Bestandteil des Masterplans.
In den vergangenen Jahren wurden sie – ebenso wie die
Version 2.0 der Masterplanung – in der Region diskutiert,
weiterentwickelt und um zusätzliche Themen und Beiträge
ergänzt. Dieser dynamische Prozess wird sich fortsetzen,
wobei parallel zur Vertiefung einzelner Themenbereiche
auch für die künftige Entwicklung wichtige Schnittstellen,
Chancen und Konflikte aufgezeigt und analysiert werden.
Diese gilt es im Sinne einer gemeinsamen Gestaltung der
regionalen Zukunft zu lösen beziehungsweise abzugleichen: sowohl mit Blick auf die gesamte Region als auch
insbesondere hinsichtlich ihrer Bedeutung für einzelne
Teilräume. Erste, sich aus heutiger Sicht abzeichnende
Schnittstellen, Chancen und Konflikte werden in Kapitel 8
im Anschluss an die Fachbeiträge dargestellt. Ihre konkrete raumwirksame Bedeutung für die Teilräume der Region
wird im weiteren Verlauf der Masterplanung Schritt für
Schritt herausgearbeitet.
Die Fachbeiträge des Masterplans setzen sich mit der
Thematik des Kulturlandschaftsnetzwerks unter den
Aspekten Siedlungsentwicklung, Wasser, Kulturlandschaft
und kulturelles Erbe, Naturschutz und Landschaftspflege,
Klimawandel und Luftreinhaltung, Land- und Forstwirtschaft, Ressourcenlandschaft sowie Freizeit und Erholung
auseinander. Darüber hinaus wird in einem abschließenden Fachbeitrag die besondere Bedeutung des Rheins für
die Region herausgestellt. Da alle Fachbeiträge raumbezogen sind, ergeben sich zwischen den verschiedenen
Themen zahlreiche Schnittstellen. Dies führt zwangsläufig
zu Wiederholungen, erfolgt aber jeweils aus den verschiedenen Sichtweisen der Disziplinen. Das gilt insbesondere
für die Themen Klimawandel und Rhein, die eine umfassendere Querschnittsfunktion haben.
53
54Fachbeitrag Siedlungsentwicklung
Wachstum und Stabilität
in der ‚StadtLandschaft’ steuern
Ein Fachbeitrag zum Thema Siedlungsentwicklung von
Professor Dieter Prinz, Stadtplaner und Architekt, Kürten
Die Herausforderung: Eine aktive Gestaltung der
,StadtLandschaft’
Dynamik und Wechsel kennzeichnen insbesondere in
den Metropolregionen die Raumentwicklung in und im
Umfeld der Städte. Es ist eine zentrale Herausforderung
der Metropolregion Köln/Bonn, die Siedlungsentwicklung zu
steuern und diese ‚StadtLandschaft’ mit ihren Zwischenstädten zu gestalten. Dies erfolgt vor dem Hintergrund,
dass entlang der verdichteten Rheinschiene auch in Zukunft
mit einem ausgeprägten Wachstum der Siedlungsflächen
zu rechnen ist. Zudem stehen im Inneren der Städte
Transformationsaufgaben an. Hier geht es beispielsweise
darum, Brachflächen für die Innenentwicklung zu reaktivieren oder die Stadtmitten zu stärken. Die Ausgestaltung
dieser Prozesse und die Strategie zur Entwicklung der
‚StadtLandschaft’ spielen daher eine wesentliche Rolle für
das zukünftige Bild und die nachhaltige Raumentwicklung
der Metropolregion Köln/Bonn.
Der Verflechtungsraum der ‚StadtLandschaft’ wird als ein
dynamischer und in sich vernetzter Übergangsraum zwischen Stadt und Land verstanden. Der ,masterplan :grün’
untergliedert ihn in eine Wachstum- und eine Stabilisierungszone. Beide überdeckt ein Netzwerk aus Grün- bzw.
Freiraumflächen (das Geflecht der ‚StadtLandschaft’), das
aus den Freiraum „ordnenden“ Korridoren, Radialen, Brücken (Übergängen), Knoten und Portalen besteht. Dabei
verbinden die Freiraumkorridore zudem die ‚StadtLand-
schaft’ mit den anderen Landschaften der Metropolregion.
Ein Ansatz, der deutlich macht, dass sich ein übergreifender strategischer Ansatz für die ‚StadtLandschaft’ mehr
an funktionsräumlichen denn an landschaftsräumlichen
Einheiten orientiert. In vielen Bereichen ist jedoch eine
Überschneidung feststellbar.
Der Begriff Verflechtungsraum verdeutlicht, dass die
Handlungsfelder und Planungsaufgaben regional betrachtet werden müssen. Hier überlagern sich regionale
und kommunale Zuständigkeiten. Daher sollten Ziele,
Strategien und Prozessabläufe der übergeordneten und
lokalen Ebene gemeinsam konzipiert, koordiniert und in
der Umsetzung begleitet werden.
Die künftige Entwicklung des Verflechtungsraumes wird
von drei Ausgangsfaktoren geprägt. Zum einen muss sie
in einem europäischen Kontext gesehen werden. Gelingt
es der Region, ,StadtLandschaft’ im Zusammenhang zu
gestalten, so kann sie als europäische Metropolregion zu
einem „grünen Vorbild“ für Europa werden. Dies sollte ein
Qualitätsziel der weiteren Entwicklung sein. Ein weiteres
Qualitätsziel resultiert aus der frühzeitigen Auseinandersetzung mit den Perspektiven der gesellschaftlichen
Entwicklung. Dabei gilt es regionale Strategien zum
Umgang mit Herausforderungen wie beispielsweise dem
demografischen Wandel zu erarbeiten. Nicht nur an diesem Punkt ist gemeinsames Handeln gefragt: Wachstum
und Stabilität der ‚StadtLandschaft’ können nur über eine
regionale Kooperation der Akteure und ein regionales
Flächenmanagement gesteuert werden.
und suburbanen Kerne als Einheit mit den umgebenden
Landschaften gesehen werden müssen.
Die regionale Entwicklung im europäischen Kontext
Das rheinische Städteband Bonn-Köln-Leverkusen und
sein Umland sind Teil einer Metropolregion, die hinsichtlich ihrer geografischen Lage in Europa, ihrer Bevölkerungszahl (und -entwicklung), ihrer Bedeutung als
Wirtschafts- und Dienstleistungsstandort sowie ihrer verkehrlichen Infrastruktur gute Chancen hat, eine wichtige
und zukunftsfähige Rolle im Wettbewerb der europäischen
Metropolregionen zu spielen. Eine konkurrenzfähige Positionierung im nationalen und internationalen Vergleich
muss jedoch kontinuierlich erarbeitet werden. Dies kann
nur durch eine strukturierte und verlässliche Kooperation der öffentlichen und privaten Akteure in der Region
geleistet werden.
Der ökonomische Erfolg ist eine entscheidende Voraussetzung für die wirtschaftliche und soziale Stabilität der
Städte und der Region. Zugleich aber führt er in vielen
Bereichen zu Nutzungskonflikten mit „weichen“ Standortfaktoren und der nachhaltigen Gestaltung der Kulturlandschaft und ihrer Freiräume. Vor diesem Hintergrund
geht der Masterplan bestandsbezogen und perspektivisch
vor. Er trifft eindeutige Aussagen, die es ermöglichen, die
zukünftigen Herausforderungen der Region mit strategischen Konzepten zu meistern. In diesem Sinne zeigt er als
flexibles Handlungsinstrument gemeinsame Wege für die
Gestaltung der Kulturlandschaften in der Region auf.
Gesellschaftliche Perspektiven und ihre Konsequenzen
Oberstes Qualitätsziel des Masterplans ist und bleibt es
jedoch, die Landschaft der Region im Zusammenhang zu
betrachten. In einer ,StadtLandschaft’ wie der der Metropolregion Köln/Bonn beinhaltet dies, dass die urbanen
Es ist davon auszugehen, dass die Bevölkerungszahl in
der Metropolregion Köln/Bonn – entgegen dem allgemeinen Trend – zumindest in den nächsten zehn Jahren
Fachbeitrag Siedlungsentwicklung
weiter ansteigen wird. Demografischen Prognosen zufolge
wird es gleichzeitig immer weniger junge Menschen geben
– der Anteil der Älteren nimmt deutlich zu. Dabei wächst
die Zahl nicht erwerbstätiger Menschen. Die Stabilität der
Bevölkerungszahlen und der Altersstruktur wird sich auf
Migranten und ihre Nachkommen sowie auf Zuzüge von
außerhalb der Region stützen. Letztere werden vorwiegend die Kernstädte und ihr direktes Umland zum Ziel
haben. Daher werden sich die Aufgaben gesellschaftlicher
Integration und die Anforderungen an einen zusätzlichen
Flächenbedarf und die Infrastruktur auf diesen Bereich
konzentrieren.
Für die Stadtgesellschaft hat diese Entwicklung Konsequenzen: Sie wird ethnisch heterogener, multikulturell
und sozial fragmentierter sein. Dies kann dazu führen,
dass das Ausmaß sozialer Ungleichheiten und kultureller Unterschiede sowie die Häufigkeit von Konflikten
und Ausgrenzungen ansteigen. Zugleich eröffnet es die
Perspektive einer zunehmenden sozialen Differenzierung
innerhalb der Kernstädte und zwischen den Städten und
dem Umland. Die Bewältigung der sozialen und finanziellen Probleme müssten die Städte leisten, während sich
in den Vorstädten und im Umland eine sozial integrierte,
homogene Gesellschaft (Mittelschicht) entwickelte. Eine
Folge dieses Szenarios wäre, dass einerseits der wohnbezogene Flächenbedarf in den Kernstädten zurückginge
und andererseits der Flächenbedarf im Umland anstiege –
hier meist in direkter Konkurrenz zu Freiraum und Landschaft. Ebenso wären erhebliche Auswirkungen auf die
Struktur der Zentren und auf das Verkehrsaufkommen zu
erwarten.
Ein anderes Szenario könnte sein, dass die kulturelle Vielfalt die Attraktivität der Stadt stärkt. Dies zöge
vor allem Menschen mit individuell ausdifferenzierten
55
Lebensstilen, hoch qualifizierte Arbeitskräfte aus Technologie, Wissenschaft und Forschung sowie den modernen
Dienstleistungsbranchen und gesellschaftlich aktive ältere
Menschen an. Sie bevorzugen lebendige städtische Milieus
und Chance zur Nähe von Wohnen, Arbeiten und Freizeitgestaltung. Ein Szenario, aus dem sich eine Stärkung der
innerstädtischen Wohnstandorte mit gleichzeitig wachsenden Anforderungen an die Qualität ihrer Ausstattung
ableiten ließe. Die Folge einer derartigen „Zuwendung
zur Stadt“ wären sinkende Einwohnerzahlen in ländlichen
Räumen. Die hätte Auswirkungen auf die ortsnahe Infrastruktur und würde zu einer (Wieder-)Verfügbarkeit von
Flächen für Freiraum und Landschaft führen.
Für beide Szenarien gilt: Sie betreffen die Städte, das
stadtnahe und das weiter entfernte Umland mit unterschiedlichen Auswirkungen. Dies macht eindrucksvoll
deutlich, dass sowohl sozial orientierte Strategien und
eine bedarfsgerechte Infra- und Verkehrsstruktur als auch
die Inanspruchnahme oder „Rückgabe“ von Flächen und
die Sicherung und Entwicklung der Landschaften Aufgaben sind, die nur auf Basis einer regionalen Kooperation
erarbeitet werden können.
Betrachtet man parallel die Entwicklung des Arbeitsmarktes, so sorgt die zunehmende Verlagerung von Arbeitsplätzen in den Dienstleistungssektor dafür, dass der Anteil
hoch qualifizierter und gut bezahlter Beschäftigungen
wächst. Gleichzeitig aber wird es mehr Arbeitsverhältnisse
mit niedrigen Qualifikationsanforderungen und geringem
Einkommen geben. In den Städten steigt die Bedeutung
der kreativen Berufe der Wissensökonomie, die Arbeit
wird zunehmend projektförmig organisiert werden, oft in
Form befristeter Kooperationen. Die Dienstleistungsstruktur und gesellschaftliche Organisation der Stadt ersetzen
die traditionellen Organisationsformen von Unternehmen.
Die räumliche Trennung von Wohnen und Arbeiten wird
funktional zum Hindernis und verursacht Verluste bei Zeit
und Geld.
Regionale Kooperation und Flächenmanagement
als Qualitätsziel
Um auf die dargestellten Entwicklungen reagieren und
den Arbeitsmarkt stabilisieren zu können ist eine regional abgestimmte Wirtschaftspolitik erforderlich, die den
Strukturwandel als permanenten Prozess begleitet. Aus
planerischer Sicht ist sie ein wesentliches Qualitätsziel für
die Entwicklung der nächsten Jahre und darüber hinaus.
Dabei spielt das nachhaltige Flächenmanagement eine
entscheidende Rolle.
Ausgehend vom Grundverständnis des Masterplans macht
es keinen Sinn, ohne Rücksicht auf die Eignung der regionalen Lage und der Verträglichkeit mit dem Landschaftsraum neue Flächen für Wohnen, Gewerbeansiedlungen
und Freizeitanlagen zu diskutieren, ohne dabei einen
konkreten Bedarf begründen zu können und ohne dass
eine regional abgestimmte Standortqualifizierung vorliegt.
Übertragen auf die Metropolregion Köln/Bonn bedeutet
dies, dass der Notwendigkeit einer restriktiven Flächenpolitik zum Schutz wertvollen Landschaftsraums ein
angemessener Stellenwert in der lokalen Planungspolitik
eingeräumt werden muss. Dies gilt vor allem für die
rechtsrheinische Mittelterrasse, das Bergische Land und
bestimmte Bereiche des linksrheinischen Ballungsraums
sowie der Börde und Ville. Auf diese Art und Weise kann
die Chance genutzt werden, den vielfach akuten Flächenverbrauch durch ein effizientes Bodenmanagement zu
reduzieren und gleichzeitig landschaftliche Freiräume zu
schützen und in angemessener Form zu entwickeln. Ein
ökologisch und sozial leistungsfähiges sowie ästhetisch
56
attraktives Gerüst von Freiräumen städtischer und landschaftlicher Prägung ist ein stärkendes Standortmerkmal
und trägt dazu bei, dass die Landschaftsentwicklung stabilisiert und harmonisiert wird. Projiziert man dies auf die
kommunal- und regionalplanerischen Handlungsfelder,
so wird klar, dass die Idee einer „regionalen Landschaftskonvention“ als Umsetzung der Ziele der Europäischen
Landschaftskonvention (siehe Präambel Seite 7) nur in
einem langfristig angelegten und strukturierten Prozess
koordinierter Planung auf fachlicher und territorialer
Ebene verwirklicht werden kann. Demzufolge geht es
in erster Linie um Kooperation im Geiste gemeinsamer
Zukunftsverantwortung. Die Bürgerinnen und Bürger der
Region sollten dabei von Beginn an als mitgestaltende
und mitverantwortliche Akteure der Raumentwicklung
beteiligt werden. Es muss darum gehen, gemeinsam
adäquate Qualitätsziele und Strategien für die eingangs
erwähnten Wachstums- und Stabilitätszonen zu definieren
und umzusetzen.
Die Wachstumszone: Ordnung als Gestaltungsaufgabe
und Qualitätsziel
Besondere Aufmerksamkeit kommt den suburbanen
Übergangsräumen zwischen den Städten am Rhein und
den Landschaften östlich und westlich des Rheintals zu.
Der Ballungsraum Rhein-Sieg bildet mit den links- und
rechtsrheinischen Siedlungsrändern zum Bergischen
Land bzw. zur Großlandschaft der Börde und Ville eine
Wachstumszone, an die sich nach Osten bzw. Westen
jeweils eine Stabilisierungszone anschließt. In der Wachstumszone weist der Flächenbedarf einen kontinuierlichen
Anstieg auf. Die auf die Region wirkenden ökonomischen
Kräfte, die neben dem intensiven Flächenbedarf auch
große Auswirkungen auf Mobilität und Infrastruktur haben,
konzentrieren sich hier vor allem auf die stadtnahen
Fachbeitrag Siedlungsentwicklung
Bereiche. Dabei ist aus strategischer Sicht die Nutzung
brachgefallener Flächen in den Städten der Neuerschließung
„auf der grünen Wiese“ vorzuziehen.
Diese Zone wird auch in Zukunft unter dem Einfluss von
Wachstumsansprüchen stehen. Sie ist und bleibt das
Ziel vielfältiger Nutzungsformen, die vom urbanen Raum
ausgehend wachsenden Druck auf die Fläche ausüben
werden. Hier liegen Fragmente von Wohn- und Gewerbe
ansiedlungen, Infrastrukturen, landwirtschaftliche Flächen
und Erholungsgebiete dicht nebeneinander. Meist sind
sie im Rahmen von sektoralen Planungen entstanden –
Brüche, harte Grenzverläufe sowie ein Patchwork aus
funktionalen und formalen Gegensätzen bestimmen das
Erscheinungsbild. Dabei entsprechen die Strukturen und
Bilder dieser Landschaft nur selten den Ordnungsprinzipien, die für Stadt und Landschaft in diesem Bereich
gelten. Entsprechend wichtig und schwierig ist es, diese
Zone mit ihren ambivalenten Eigenschaften ordnend zu
strukturieren. Die Herausforderung ist es, eine Hierarchie
von funktionalen und gestalterischen Qualitätszielen zu
entwickeln und bindend zu vereinbaren.
Die Stabilisierungszone: Qualitäten sichern
und weiter entwickeln als Ziel
Die Stabilisierungszone bezieht sich auf die freien Land
schaften außerhalb des urbanen und suburbanen Raumes.
Sie ist von einem gleich bleibenden bzw. rückläufigen
Flächenbedarf gekennzeichnet. Dabei finden vor allem
eine Arrondierung der vorhandenen Bauflächen sowie
eine Innenverdichtung statt. So gesehen umschreibt der
Begriff der Stabilisierung die Aufgabe, die Lebensverhält
nisse in diesem Bereich ohne großen zusätzlichen Flächen
verbrauch zu sichern und qualitativ weiter zu entwickeln.
Aus planerischer Sicht stehen das vernünftige Abwägen
notwendiger lokaler Entwicklungen sowie die Erhaltung
des kulturlandschaftlichen Gleichgewichts im Vordergrund.
Damit die Funktionsfähigkeit der Stabilisierungszone
gesichert werden kann, sind zukünftig sowohl regional
ausgerichtete Konzepte bei Tourismusvorhaben, Gewerbe
ansiedlungen und Verkehrswegplanungen als auch die
nterkommunale Zusammenarbeit hinsichtlich der Naherholung, der Pflege des kulturellen Erbes sowie der
technischen und sozialen Infrastruktur unerlässlich.
Ein Netzwerk der Freiräume in der ‚StadtLandschaft’
Gerade in der Wachstumszone des Ballungsraums
bedarf es einer Freiraumplanung, die aus dem Bestand
heraus entwickelte, klare Ziele und Bilder vorgibt. Dabei
sollten die Vernetzung vorhandener Freiflächen und deren
Verbindung mit neu geschaffenen Freiraumkorridoren im
Vordergrund stehen und angrenzende Landschaftsräume –
beispielsweise im Umland der Städte Köln und Bonn –
einbeziehen. Ausgehend von den strategischen Qualitätszielen zur Sicherung und Verbesserung der klimatischen,
ökologischen und sozialen Funktion dieser Räume müssen
auf abgestuften Planungsebenen Entwurfskonzepte für
naturräumliche Vernetzungen wie Freiraum-, Wald- und
Gewässerkorridore sowie für Infrastrukturtrassen und
großzügige Erholungsgebiete erarbeitet und verhandelt
werden. Beispielhafte Entwurfsaufgaben auf einer konkreteren Planungsebene sind die Ausbildung von Knoten
punkten und die Verbindung der Freiraumkorridore durch
„Brücken“. Zudem geht es darum, die Eingänge (Portale)
in die umgebenden Landschaften und verknüpfende
Stadt- und Landstraßen (z.B. Alleen) entsprechend auszugestalten. Dazu müssen Qualitätsziele und alternative
Lösungsangebote für die Freiraumgestaltung auf interkommunaler Ebene entwickelt werden. Ein Thema könnte
beispielsweise die Gestaltung der Grenzbereiche zwischen
Fachbeitrag Siedlungsentwicklung
den Siedlungsräumen und der Fluss-, Wald- und Agrarlandschaft sein.
Das zentrale Qualitätsziel: ‚StadtLandschaft’ ist
Landschaft im Zusammenhang
Bricht man dies auf die planerische Ebene herunter, so
muss die Möglichkeit und Notwendigkeit von E
ingriffen
in sensibler Abwägung stets neu definiert werden. Dabei
sollten die Verantwortung für die Orts- und Landschafts
verträglichkeit gewahrt und deutliche Aussagen getroffen
werden, wo die Grenzen des Zulässigen liegen. Land
schaftsästhetik darf nicht nur ein Ziel im Sinne des Bewahrens und der Wiederherstellung sein – sie beinhaltet
zugleich die schwierige Aufgabe, neue und individuelle
Landschaftsbilder für die heterogen genutzten und oft
(un-)gestalteten Räume in der ‚StadtLandschaft’ zu entwickeln. Gleiches gilt für die Umgestaltung großflächig
monofunktionaler Landschaftsräume, die aus wirtschaft
lichen Gründen ihrer bisherigen Nutzung entzogen werden
müssen. Indem Landschaften gestalterisch aufgewertet
und „Neue Landschaften“ geschaffen werden – beispielsweise im Gebiet des ehemaligen Braunkohletagebaus
– können wichtige Potenziale für regionale Freizeit- und
Erholungsaktivitäten entstehen. Diese müssen sich jedoch
am Bild der gesamten Kulturlandschaft orientieren. Prinzipiell gilt: Die Schönheit der Landschaft kann sich nicht in
isolierten Landschaftsinseln, sondern nur in Zusammenhängen verwirklichen. Auch dies ist ein eindeutiger Vorteil
regional abgestimmter Planungskonzepte.
76
57
In allen Bereichen der Region spielen der Erhalt und die
weitere Entwicklung des kulturellen Erbes eine wichtige
Rolle, wenn es darum geht, planerische Perspektiven für
die Zukunft der Landschaften zu schaffen. Ein Ansatz, der
den Aspekt des kulturellen Erbes nicht oder nur wenig
berücksichtigt, führt zwangsläufig zu erheblichem Substanzverlust. Daher sollten die Entwicklung und Weiterentwicklung von Freiraumkonzepten sowie die funktionale
und ästhetische Gestaltung öffentlicher Räume stets im
ganzheitlichen Sinne von ,StadtLandschaft’ verstanden
werden. Als Qualitätsziele der Planungs- und Baukultur
sind zudem die sorgsame Bewahrung und Aufwertung von
zeittypischen Quartiers- und Siedlungsstrukturen, eine
rücksichtsvolle Einbindung von kulturell bedeutsamen
Ensembles und Bauwerken sowie die Orts- und Stadtgestaltung einschließlich der das Bild prägenden Architektur
wichtig. Berücksichtigt man dies, so wird Kultur nicht
nur bewahrt, sondern auch neu geschaffen. Denn „Umgebung“ ist immer ein Stück Heimat. Geht sie verloren,
verliert die Region auch ein Stück ihrer Identität76.
Die europäischen Metropolregionen sind räumliche und funktionale Standorte, deren herausragende Funktionen im internationalen Maßstab über die nationalen Grenzen hinweg ausstrahlen. Sie werden als die „Motoren der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung“ beschrieben und sollen die Leistungs- und Konkurrenzfähigkeit Deutschlands und Europas erhalten. Darüber hinaus sollen sie dazu beitragen, den europäischen
Integrationsprozess zu beschleunigen (BMBau 1995). Die Metropolregion Köln/Bonn erfüllt beispielhaft die vier wichtigen Metropolfunktionen: (1) Entscheidungs- und Kontrollfunktion, (2) Innovations- und Wettbewerbsfunktion, (3)
Gateway-Funktionen und (4) Symbol-Funktion.
58Fachbeitrag Wasser
Qualität im Fluss
Ein Fachbeitrag zum Thema Wasser von Professor Dr. Thomas Kistemann und Dipl.-Geogr. Frauke Kramer, Institut
für Hygiene und Öffentliche Gesundheit der Universität Bonn
Die Ausgangssituation:
Die „blau-grüne“ Infrastruktur der Region
Dem Wasser kommt eine zentrale Rolle bei der Gestaltung
von Landschaften und Siedlungsräumen in der Metropol
region Köln/Bonn zu. Seine Verfügbarkeit ist von herausragender Bedeutung für den Wohlstand, die ökonomische
Entwicklung und die Gesundheit von Menschen und Gesell
schaften. Aufgrund veränderter Nutzungsansprüche hat
sich in vielen Industriegesellschaften die Bedeutung der
Gewässer gewandelt. Stand in früherer Zeit die Nähe zum
Wasser als Standortfaktor für Gewerbe und Industrie im
Vordergrund, so können Bäche und Flüsse heute als wichtige
Elemente einer nachhaltigen Stadt- und Regionalentwicklung begriffen werden. Sie bilden mit ihren Ufer- und Nah
bereichen naturnahe Korridore in urbanen, sub- und peri
urbanen Räumen und spielen so eine große Rolle für Freizeit
und Erholung. Die „blau-grüne“ Infrastruktur als „Rückgrat“
der Metropolregion Köln/Bonn stellt in diesem Sinne ein
strukturierendes und Identität stiftendes Element dar.
Wasser ist zugleich ein Querschnittsthema fast aller
Arbeitsfelder und Räume in der Metropolregion Köln/Bonn.
Somit wird die Wasserwirtschaft zu einem wesentlichen
Bestandteil des ‚masterplan :grün’, denn Wasser ist
sowohl für Verkehr und Verkehrsinfrastruktur als auch
als Ressource für Trink- und Mineralwasser, als Bewässerungs-, Kühl- und Prozesswasser, als Abwasser und
als Vorfluter von abwassertechnischen Anlagen relevant.
Hinzu kommen seine ökologische und landschaftsprägende Wirkung, die Nutzung für Erholung und Sport sowie
der Einfluss auf das Lokal- und Regionalklima und auf die
menschliche Gesundheit.
Die Metropolregion Köln/Bonn weist eine außerordentliche Wasservielfalt und -differenziertheit mit zum Teil sehr
unterschiedlichen Wasserrealitäten auf. Neben dem die
Großlandschaft prägenden Rhein umfasst sie einerseits
sehr fließgewässerarme Teilräume wie das Vorgebirge, die
Ville und die Börde sowie andererseits sehr fließgewässer
reiche Teilräume wie das Bergische Land. Im Folgenden
werden die wasserwirtschaftlichen Einheiten mit ihren
Besonderheiten anhand der im ‚masterplan :grün’ definierten Großlandschaften beschrieben und weiter untergliedert.
Der Ballungsraum Rhein-Sieg:
Der Rhein mit Auenlandschaft und Terrassen
Als „emotionale Achse“ der Region hat der Rhein eine
herausragende Bedeutung für die Wasserwirtschaft.
Er dient als Verkehrsweg, Industriestandort, Vorfluter
zahlreicher Nebengewässer und abwassertechnischer
Anlagen sowie als Hochflutbett mit Eindeichungen, Überflutungs- und Retentionsflächen. Darüber hinaus hat er
eine enorme Anziehungskraft auf Erholungssuchende und
Sporttreibende (vgl. Fachbeitrag Rhein, Seite 96).
Der Fluss ist eng mit dem oberen Grundwasserleiter
der Niederterrassen verbunden, was zu einer hohen
Neubildung und einer intensiven wasserwirtschaftlichen
Nutzung des Grundwassers führt. Außerhalb der Siedlungsbereiche sind auf den Niederterrassen fast flächendeckend Wasserschutzzonen ausgewiesen. Dies schafft
eine Konkurrenzsituation zwischen der Wasserwirtschaft
und anderen Nutzungsansprüchen.
Die rechts- und linksrheinischen Mittelterrassen sind unter
wasserwirtschaftlichen Gesichtspunkten sehr unterschied
lich ausgeprägt. Während rechtsrheinisch das Moorheidegebiet der Wahner Heide sowie die Unterläufe von Wupper,
Dhünn, Agger und Sieg das Landschaftsbild prägen, herrschen linksrheinisch im Übergang zu Börde und Ville im Löß
versiegende Vorgebirgsbäche und Trockentäler vor.
Börde und Ville:
Wasserknappheit und anthropogene Einflüsse
Die Börde ist die niederschlagsärmste Region NordrheinWestfalens. Sie ist bereits heute von Wasserknappheit
betroffen, die durch den Import von Trinkwasser aus dem
Rechtsrheinischen aufgefangen wird. Aufgrund der mächtigen Lößauflagen existiert zudem ein großer Flurabstand
des Grundwassers. Die Sümpfungsmaßnahmen des von
Nordwesten vordringenden Braunkohletagebaus vergrößern
diesen noch. Der Druck wirkt hier zunehmend von zwei Seiten: von oben durch geringe und im Zuge des Klimawandels
weiter abnehmende Niederschlagsmengen, von unten
durch die fortschreitende Absenkung des ohnehin niedrigen
Grundwasserspiegels (vgl. Fachbeitrag Landwirtschaft,
Seite 78, und Fachbeitrag Klimawandel, Seite 72).
Charakteristisch für die Landschaft von Börde und Ville sind
ferner die tief in den Löß eingeschnittenen Nebenbäche der
Erft sowie Trockentäler und Wasserburgen. Die Flussauen
der Erft und der Swist werden intensiv landwirtschaftlich genutzt, wobei sowohl der Verlauf als auch der Wasserhaushalt
der Erft erheblich durch den Braunkohletagebau beeinflusst
werden. Derzeit sind ungefähr 70 Prozent des Erftabflusses
Sümpfungswässer des Braunkohletagebaus. Die Ville ist aus
wasserwirtschaftlicher Sicht als rekultivierte Braunkohlenfolgelandschaft (anthropogene Seenplatte) von Interesse. Sie
wird vorwiegend für Freizeit und Erholung genutzt.
Fachbeitrag Wasser
59
Das Bergische Land:
Historisch gewachsene Wasserlandschaften
des Wassers für die Metropolregion Köln/Bonn lassen sich
drei elementare Rahmenbedingungen festmachen:
Völlig anders als im linksrheinischen Bereich von Börde
und Ville gestaltet sich die Gewässersituation des
Bergischen Landes. Die sehr niederschlagreiche Region
wird von einem dichten und feingliedrigen (Quell-)Gewäs
sernetz geprägt. Kennzeichnend für die Region ist die
historisch gewachsene gewerbliche Nutzung des W
assers
und der Wasserkraft, die im Wesentlichen an den Wasser
läufen angesiedelt ist. Es gibt in dieser Teilregion kaum
nutzbare Grundwasservorkommen. Die zahlreichen Talsperren des Bergischen Landes stellen unter anderem ein
wichtiges Trinkwasserreservoir sowie eine Attraktion für
Freizeit und Erholung dar.
• die klimatische Entwicklung und ihre Auswirkungen auf
die Niederschlagsmengen als natürliche Rahmenbedingung;
• die EU-Wasserrahmenrichtlinie als rechtlicher Rahmen;
• die (Wieder-)Entdeckung von Gewässern als Ressource
für Landschaft und Raumgestaltung, Lebensqualität,
Wohlbefinden und Gesundheit im urbanen und peri
urbanen Milieu.
Die Mittelrheinische Pforte: Die Quellen offen halten
Historische Mineralquellen als Grundlage einer wasserbasierten Gesundheitslandschaft bilden die wasserwirtschaftliche Besonderheit der Mittelrheinischen Pforte.
Auf beiden Seiten des Rheins werden diese Quellen nach
wie vor offen gehalten, eine wirtschaftliche Nutzung findet
jedoch nur noch im rechtsrheinischen Bad Honnef statt.
Darüber hinaus wird die Landschaft von kleinen Bächen
aus dem Kottenforst ins Bonner Stadtgebiet sowie mehreren Seen im Siebengebirge als – voll gelaufene – Relikte
des Basaltabbaus gekennzeichnet.
Die Herausforderung:
Nachhaltigkeit unter Berücksichtigung klimatischer,
rechtlicher und gesellschaftlicher Aspekte
Der nachhaltige und kluge Umgang mit dem Grundgut
Wasser ist eine der zentralen Herausforderungen unserer
Zukunft. Vor allem hinsichtlich der dynamischen Bedeutung
Wie im Kapitel zu Börde und Ville beschrieben, herrscht
dort eine relative Wasserknappheit. Dieses Problem
wird sich – den Klimaprognosen zufolge – in Zukunft aus
mehreren Gründen verstärken. Zum einen wird für die
Kölner Bucht, gegen den Trend in Nordrhein-Westfalen,
ein Stagnieren oder sogar ein leichter Rückgang der Jahresniederschläge prognostiziert. Zum anderen wird eine
über dem Landesdurchschnitt von knapp 2 Grad Celsius
liegende Erhöhung der Jahresmitteltemperatur erwartet,
was wiederum die Verdunstung begünstigt. Der Anteil der
Niederschläge, die während der häufiger werdenden Ex
tremereignisse fallen, nimmt voraussichtlich zu. Dies führt
zu einem raschen oberflächlichen Abfluss des Wassers.
Zudem werden sich die Niederschläge vom Sommer auf
Frühjahr, Herbst und Winter verschieben – eine Entwicklung, die sich insgesamt nachteilig auf die Wasseraufnahme durch die Vegetation auswirken wird. Währenddessen
sieht der Trend im Bergischen Land so aus, dass die
Niederschlagsmengen in dieser ohnehin wasserbegünstigten Teilregion voraussichtlich zunehmen werden (vgl.
Fachbeitrag Klimawandel, Seite 72).
Das skizzierte Szenario ist vor allem für die Landwirtschaft
in der intensiv genutzten Bördelandschaft ein wichtiges
Zukunftsthema, dem man sich frühzeitig mit entsprechenden Konzepten stellen sollte. Exemplarisch seien
hier effiziente Beregnungsstrategien und verdunstungsreduzierte Anbauformen (auch Folienkulturen) genannt.
Der entscheidende Parameter bei der Frage, wie sich der
Klimawandel auf die Landwirtschaft auswirken wird, ist
jedoch die Verfügbarkeit von Wasser. Deshalb werden im
Regenschatten der Eifel (Zülpicher Börde) Ertragsrückgänge erwartet. Der Unterschied der innerregionalen
Wasserrealitäten wird entsprechend akzentuiert werden.
So werden die mittleren Abflüsse der Fließgewässer im
Winter tendenziell zu-, im Sommer hingegen abnehmen.
Auch eine Zunahme entsprechender Extremereignisse ist
zu erwarten, was wiederum Auswirkungen auf Pegelstand
und Schiffbarkeit des Rheins haben kann (vgl. Fachbeitrag
Klimawandel, Seite 72).
Mit der EU-Wasserrahmenrichtlinie (EU-WRRL) erschließt
sich ein rechtliches Thema, das ebenfalls einschneidende
Konsequenzen für den Umgang mit dem Thema Wasser
in der Region mit sich bringt. Die EU-WRRL ist seit ihrem
Inkrafttreten Ende des Jahres 2000 das Fundament der
europäischen Gewässerschutzpolitik. Ende 2004 wurde die
Bestandsaufnahme des Gewässerzustandes abgeschlossen,
bis zum Jahr 2006 erstreckte sich die Phase der Aufstellung von Monitoringprogrammen. 2010 schließlich sollen
die Bewirtschaftungsprogramme und Maßnahmenpläne
für die einzelnen Fließgewässersysteme vorliegen. In der
Region Köln/Bonn sind dies die Fließgewässersysteme
von Erft und Swist, Wupper, Sülz, Agger/Wiehl und Sieg.
Für sie gilt grundsätzlich, bis 2015 je nach Vorgabe eines
der beiden Qualitätsziele „guter ökologischer Zustand“
oder „gutes ökologisches Potenzial“ zu erreichen. Für den
Sonderfall Rhein hat sich die internationale Kommission
zum Schutz des Rheins im Jahr 2008 darauf verständigt,
die biologische Durchgängigkeit so gut wie möglich
60
iederherzustellen, klassische Einträge aus Industrie und
w
Kommunen ebenso wie diffuse Einträge zu reduzieren und
die diversen Wassernutzungen mit Umweltzielen in Einklang zu bringen. Besondere Aufmerksamkeit soll dabei
zukünftig chemischen und mikrobiellen Verunreinigungen
gewidmet werden, die bislang toxikologisch gar nicht
bewertet wurden. Für sie besteht immer noch eine große
(Rechts-)Unsicherheit hinsichtlich der Stoffemissionen in
Oberflächengewässern, vor allem wenn diese der Trinkwassergewinnung dienen.
Veränderte Nutzungsansprüche wandeln die Bedeutung
(peri-)urbaner Gewässer: So wurden zwar beispielsweise
militärisch bedeutungslos gewordene Wallanlagen einge
ebnet oder trocken gelegt, bisweilen aber blieben sie als
innerstädtische Stillgewässer erhalten. Der Güterumschlag
wanderte an die Peripherie der Ballungsräume, so dass
Hafenanlagen ihre ursprüngliche Funktion einbüßten und
brachfielen. Auch die Wasserenergie hat für die entlang
der Bach- und Flussläufe angesiedelten Gewerbe und
Industriebetriebe längst ihre Bedeutung verloren.
Dieser funktionale Bedeutungsverlust (peri-)urbaner Oberflächengewässer impliziert die Möglichkeit neuer Nutzungen:
die so genannte „Waterfront Revitalisation“. Dabei werden natürliche und anthropogene Oberflächengewässer als wichtige
Elemente einer nachhaltigen Stadt- und Regionalentwicklung
umgedeutet. Am Wasser gelegene Standorte bieten weite,
unverbaubare Ausblicke und die Möglichkeit zur Entwicklung
von durchgehenden Grünachsen, die zum grünen Rückgrat
urbaner Räume avancieren können. Wege zum Ufer, zugängliche Uferkanten und die Möglichkeit, das wieder frei gelegte
Element Wasser erleben zu können, lassen Uferlagen zum
strukturierenden und Identität stiftenden Faktor und zu emotionalen Achsen der Planung werden. Ästhetik und Gestaltung
urbaner Gewässer werden verknüpft mit ökologischen, erleb-
Fachbeitrag Wasser
nispädagogischen, soziokulturellen und kulturellen Aspekten.
Derart gestaltetes „Stadtblau“ bildet mit seinen Ufer- und
Nahbereichen (Stadtgrün) als „blau-grüne“ Infrastruktur
naturnahe Korridore in urbanen Räumen.
Die nachhaltig funktionsgerechte Qualität und Quantität
der Gewässer als Qualitätsziel
Für unterschiedliche Nutzungen und Funktionen von Wasser
und Gewässern bestehen ganz allgemein unterschiedliche
Quantitäts- und Qualitätsansprüche. Die Überlagerung
verschiedener Nutzungen und Funktionen ist dabei bisweilen
problemlos, in anderen Fällen jedoch problematisch oder
sogar unmöglich. Dies bedeutet, dass intelligente räumliche
und zeitliche Entflechtungen der verschiedenen Nutzungsformen und Funktionen im Sinne von Kaskaden absteigender
Qualitätsansprüche implementiert werden müssen. Die
nachhaltige Nutzung der Ressource Wasser dient dem Ziel,
Wasser für alle gewünschten Nutzungsformen und Funktionen in ausreichender Qualität und Quantität zu erhalten.
Die EU-Wasserrahmenrichtlinie gibt hierzu einen ersten
Ordnungsrahmen, sie berücksichtigt hygienisch-mikro
biologische sowie ästhetische und erlebnisorientierte
Qualitätsansprüche jedoch nicht in angemessenem Maße.
Darüber hinaus birgt sie Konfliktpotenzial im Hinblick auf die
Vereinbarkeit mit den Zielen des Denkmal- und Kulturlandschaftsschutzes.
Ein Beispiel hierfür ist die Situation in Teilen des Bergischen Landes. Hier steht die Erfüllung der Ziele und
Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie in einem Gegensatz
zu den Interessen des Denkmal- und Kulturlandschaftsschutzes, beispielsweise wenn es um die Sicherung von
historischen, an Fließgewässern bestehenden wasserbaulichen Einrichtungen als Kulturgüter geht. Der ‚master
plan :grün’ kann einen wichtigen Beitrag zur Lösung
dieser Konflikte leisten, indem er unter wechselseitiger
Wahrnehmung der verschiedenen Interessenslagen einen
für beide Seiten akzeptablen Ausgleich herbeiführt.
Ein weiterer Konflikt in Bezug zur EU-Wasserrahmenrichtlinie könnte an der Erft auftreten. Der Bestandsaufnahme des Gewässerzustands zufolge ist die Erft in
weiten Teilen „heavy modified“. Das würde bedeuten, dass
man ihren Abfluss reduzieren müsste, um sie wieder einer
natürlichen Entwicklung zuzuführen. Solange aber noch
Sümpfungswässer des Braunkohletagebaus abgepumpt
werden, müssten dann alternative wasserwirtschaftliche
Konzepte entwickelt werden. Auch hier geht es darum,
unter Abwägung der Interessenslagen eine für die zukünftige Entwicklung geeignete und langfristig sinnvolle
Lösung zu finden.
Auch die Gestaltung der Tagebau-Folgelandschaften wird
eine wasserwirtschaftliche Herausforderung mit wichtigen
Konsequenzen für Regionalklima und Naherholung darstellen. Die Braunkohletagebaue Garzweiler und Hambach
sollen nach dem Ende des Abbaus mit Oberflächenwasser,
nicht aber Grund- oder Sümpfungswasser befüllt werden.
Hierzu kommt bei einer erforderlichen Wassermenge
von 110 plus 270 Millionen Kubikmeter Wasser pro Jahr
praktisch nur der Rhein in Frage. Die Eignung des Flusses
für Wasserentnahmen zur Restseebefüllung wurde zwar
kürzlich erst bestätigt, zugleich aber wurde auf die Notwendigkeit, die Entwicklung des Klimawandels und seiner
Auswirkungen zu beobachten, deutlich hingewiesen.
Die regionale Vielfalt der wasserbasierten Identitäten
als Qualitätsziel
Um den sehr verschiedenen Erscheinungsformen des Wassers in der Metropolregion Köln/Bonn gerecht zu werden
Fachbeitrag Wasser
und seine prägende Wirkung auf Siedlungs- und Freiräume
zu bewahren und zu optimieren, sollte die regionale Vielfalt
der wasserbasierten Identitäten als Qualitätsziel festgeschrieben werden. Das heißt, dass sowohl die natürlichen
als auch die anthropogenen („Kulturwasser“) Formen
des Wasservorkommens in exemplarischen Projekten
geschützt, entwickelt und ans Licht geholt werden müssen. Dabei kann und sollte Wasser auch zukünftig als das
verbindende Landschaftselement der Region herausgearbeitet werden. Dies wird allerdings nicht ohne die Bewältigung von Konflikten möglich sein. So stellt beispielsweise
die Wasserwirtschaft des Braunkohletagebaus die Region
vor gewaltige Aufgaben, deren Lösung von überragender
Bedeutung für den gesamten linksrheinischen Teilraum der
Region ist. Wasserbaulich und ökologisch besteht hier großer Abstimmungs- und Handlungsbedarf. Zugleich bietet
dies aber auch die Chance einer umfangreichen Umgestaltung des Wassermanagements.
Eine weitere Besonderheit im Rahmen der regionalen
Vielfalt wasserbasierter Identitäten ist die Wasserknappheit in großen Bereichen der Börde – umso mehr, da hier
intensive Landwirtschaft betrieben wird. Geht man davon
aus, dass sich die Klimaprognosen der Experten bewahrheiten, so kann dies beispielsweise für die südliche Zülpicher Börde einschneidende Konsequenzen haben. Die
dort angebauten Sonderkulturen bedürfen einer ständigen
Bewässerung, die dann einen noch höheren Wasserimport
oder aber einen Effizienzsprung der eingesetzten Bewässerungstechnik benötigen würden. Aus wasserwirtschaftlicher Sicht sollte hier eine der Knappheit angemessene
Wasserkultur entwickelt werden, die sowohl die Aspekte
Kommunikation und Bewusstseinsbildung bei den Akteuren und in der Bevölkerung als auch die vorsorgende
Entwicklung innovativer, wassersparender Konzepte für
alle Bereiche der Wasserwirtschaft umfasst.
61
Wasser-Wissen und Wasser-Bewusstsein als Qualitätsziel
Das Wissen um und das Bewusstsein für Wasser-Themen
spielen in der Region Köln/Bonn eine zentrale Rolle – sei
es beim Hochwasserschutz im Ballungsraum Rhein-Sieg,
der natürlichen Niederschlags- und damit Wasserknappheit in Teilen des Rhein-Erft-Kreises oder hinsichtlich der
Situation der Talsperren und Fließgewässer und ihres Ein
flusses auf die Landschaftsgestaltung im Bergischen Land.
Es ist daher aus wasserwirtschaftlicher Sicht ein Quali
tätsziel, regionales Wasser-Wissen zu bündeln und den
Menschen in der Region verfügbar zu machen. Eine regio
nale Wasser-Akademie sollte sowohl einen zentralen als
auch einen dezentralen Ansatz verfolgen. In jedem Falle
könnte so ein Angebot geschaffen werden, dass die Vielfalt
der regionalen Wasseridentitäten und die besonderen
Wasserthemen in der Region aufgreift und vermittelt. Ein
derartiges Vorhaben kann den Charakter der Metropol
region Köln/Bonn als innovative Wissenschafts- und Wissensregion unterstützen.
„Wasser erleben“ als Qualitätsziel
Über die intellektuelle Vermittlung von Wasser-Wissen
und Wasser-Bewusstsein hinaus muss es aus wasserwirtschaftlicher Sicht vor allem darum gehen, Wasser mit
seiner Dynamik und Kraft in der Region erlebbar und als
ästhetisches Landschaftselement mit allen Sinnen wahrnehmbar zu machen. Das Potenzial schließt die aktive
Gewässernutzung durch verschiedene Formen wassergebundener sowie uferbegleitender Sportaktivitäten ein.
Zudem berücksichtigt es aber auch die soziokulturelle
Bedeutung als Ort der Begegnung und des kontemplativen
Landschaftserlebens. Zugängliches Stadtblau und frei gelegte periurbane Gewässer haben insofern eine vieldimen-
sionale Bedeutung für Gesundheit und Wohlbefinden der
Menschen: zum einen ökologisch (Frischluftschneisen,
Kühlung, akustische Entkopplung, Trinkwasserressource),
zum anderen aber auch als Freiräume für körperliche
Bewegung und als Orte sozialen und emotionalen Wohl
befindens. Dabei sind allerdings verschiedene Prinzipien
zu beachten, um Konflikte mit dem Naturschutz sowie anderen Nutzungsformen und der Sicherung von Freiräumen
zu vermeiden. Ein wesentlicher Aspekt ist die Bündelung
der Freizeitnutzungen im Sinne der Umweltvorschriften.
Hier sollte es darum gehen, angepasste und erlebnis
orientierte Angebote unter Berücksichtigung der Maß
gaben der EU-Wasserrahmenrichtlinie zu erarbeiten.
Besonders deutlich wird der Konflikt zwischen Wassernutzung und Umwelt an den Trinkwassertalsperren im
Bergischen Land. Aus wasserwirtschaftlicher Sicht dürfen
im unmittelbaren Umfeld der Talsperren nur Nutzungen
erlaubt sein, die entsprechende Schutzzonen einhalten
und einen behutsamen Umgang mit sensiblen ökologischen
Bereichen gewährleisten.
Im Ballungsraum Rhein-Sieg hingegen stellt sich ein ganz
anderes Problem: Hier darf der erlebnisorientierte Zugang
zum Fluss nicht mit einer weiteren „Verkrustung“ der Ufer
einhergehen. Flächen in unmittelbarer Nähe des Wassers
sollten als Freiräume weiterentwickelt werden, damit ihre
Korridorfunktion erhalten bleibt. Auch das Sichtbarmachen
von Wasserwegen durch das Freilegen von Gewässern ist
ein wichtiges Qualitätsziel in diesem Teilraum der Region.
62
Die Grundlage regionaler Identität
Ein Fachbeitrag zum Thema Kulturlandschaft und kultu
relles Erbe von Dieter Schäfer, Fachbereich Umwelt,
Landschaftsverband Rheinland (LVR) , in Zusammen
arbeit mit Axel C. Welp und Vera Secker sowie den LVRÄmtern für Bodendenkmalpflege und Denkmalpflege im
Rheinland und BhSL – Büro für historische Stadt- und
Landschaftsforschung
Die Herausforderung:
Die Vielfalt der Landschaften erhalten
Die Bewahrung des kulturellen Erbes ist ein wichtiger Beitrag
zur nachhaltigen Sicherung der regionalen Identität – nicht
nur in der Metropolregion Köln/Bonn. Dabei steuern kulturlandschaftliche Qualitätsziele einer großflächigen Nivel
lierung von Landschaften entgegen. Ein probates Mittel,
um diesen heute erkennbaren Vereinheitlichungstendenzen
entgegenzuwirken, ist die Wert erhaltende Nutzung
bestehender Strukturen. Sie trägt idealerweise dazu bei,
dass die Vielfalt der Landschaften erhalten bleibt und
dass diese Landschaften – und damit die Identifikation mit
Region und Heimat – für die Menschen wahrnehmbar und
erlebbar werden. Eine wichtige Grundlage der folgenden
Ausführungen ist das interdisziplinäre Gutachten der Landschaftsverbände zur erhaltenden Kulturlandschaftsentwicklung in NRW als Beitrag zur Fortschreibung des Landesentwicklungsplan Nordrhein-Westfalen (LEP NRW)77.
77
78
Fachbeitrag Kulturlandschaft und kulturelles Erbe
Viele Elemente und Strukturen, die die Kulturlandschaft
prägen, sind auf eine kontinuierliche Nutzung angewiesen.
Nur so können ihr Erhalt und ihre Pflege sichergestellt
werden. In diesem Kontext müssen staatliche Fördermöglichkeiten ausgeschöpft werden. Zudem ist eine qualifi
zierte fachliche Begleitung notwendig. Denn wird die
Kulturlandschaft genutzt, so kommt dies über die Bedeutung für deren Erhalt und Pflege hinaus auch der Wertschöpfung zugute, beispielsweise durch den Tourismus
oder indem Wasserkraft durch Mühlen gewonnen wird.
Zugleich sind Kulturlandschaften einer Vielzahl von Einflüssen und Nutzungsansprüchen durch den Menschen,
aber auch durch die Natur ausgesetzt. Eine immer größere Bedeutung kommt dabei dem globalen Klimawandel
zu. Seine Folgen können Auswirkungen auf die Landschaft
und ihr Gefüge haben. Zwar lassen sich konkrete Aussagen über zukünftige Klimaänderungen in der Region
derzeit nur bedingt treffen, eine generelle Häufung von
Extremwetterereignissen ist jedoch bereits jetzt erkennbar (vgl. Fachbeitrag Klimawandel, Seite 72). Dabei wirkt
nicht nur der Klimawandel selbst auf die Landschaft, sondern auch Maßnahmen zu seiner Abmilderung. So kann
zum Beispiel ein verstärkter Anbau von Energiepflanzen
das Landschaftsbild erheblich verändern. Schon heute
geht der Grünlandanteil vor allem dort entsprechend
zurück, wo ehemalige Wiesen und Weiden in Ackerland
oder Waldflächen mit rasch wachsenden Gehölzen umgewandelt werden. Daher kommt einer landschaftsbild- und
naturschutzverträglichen Auswahl der Energiepflanzen
eine sehr große Bedeutung zu. Zugleich sollten aber auch
geeignete Flächengrößen und eine angemessene räum
liche Verteilung der Pflanzen gewährleistet sein.
Vom Umgang mit der Kulturlandschaft:
Sensibilisierung tut Not
Die entscheidende Frage lautet, was wir tun können, um
die Sensibilität für eine kulturlandschaftsbezogene und
denkmalschutzverträgliche bauliche Entwicklung in der
Bevölkerung, aber auch bei den handelnden Architekten,
Baufachleuten und Behörden zu erhöhen. Ein Ansatz
könnte es sein, ein breit gefächertes Informations- und
Bildungsangebot zu schaffen, das die regionale Identifika
tion fördert, Heimat stiftend wirkt und bereits Kinder ein
bezieht. Die Vermittlung kulturlandschaftlicher Prozesse
ist ein wichtiger Bildungsauftrag und ein geeignetes Mittel, um kulturlandschaftliche Inhalte erfahrbar zu machen.
Um dies zu erreichen, wird ein umfassendes Informationskonzept auf verschiedenen Ebenen empfohlen. Ein gutes
Beispiel für die erfolgreiche Realisierung dieses Ansatzes
ist das Kulturlandschaftsinformationssystem NRW (KuLaDigNW)78.
Ziel des Projektes ist es, sowohl die Schulen und Hochschulen als auch regionale Multiplikatoren und Initiativen
zu integrieren – zum Beispiel den Rheinischen Verein für
Denkmalpflege und Landschaftsschutz, die Heimatvereine und die Geschichtswerkstätten. Sie alle tragen zur
regionalen Identitätsfindung bei. Neben der kulturland-
Innerhalb der Region Köln/Bonn kommt bezogen auf die Siedlungsentwicklung den initiierten Projekten des Arbeitsbereichs :stadt der Regionale 2010 eine besondere Bedeutung zu. Hier werden die städtebaulichen Zukunftsthemen
der Region exemplarisch anhand von modellhaften Schwerpunktprojekten diskutiert. Jeder der vier Landkreise (Oberberg, Rhein-Berg, Rhein-Erft und Rhein-Sieg) und die drei kreisfreien Städte Köln, Bonn und Leverkusen haben
sich auf einen (prominenten) Ort verständigt, an dem die „Zukunft der Stadtentwicklung“ und innovative Ansätze des Städtebaus mit Vorbildwirkung für die Gesamtregion und darüber hinaus gestaltet werden.
Landschaftsverband Rheinland, Landschaftsverband Westfalen-Lippe (Hrsg.): Erhaltende Kulturlandschaftsentwicklung in Nordrhein-Westfalen – Grundlagen und Empfehlungen für die Landesplanung, Münster, Köln 2007
Fachbeitrag Kulturlandschaft und kulturelles Erbe
63
schaftlichen Information ist es jedoch auch ein z entrales
Anliegen, diese Identität in ihren regionaltypischen Aus
prägungen zu fördern. Aus diesem Grund sollte der behördliche Denkmalschutz eng mit ehrenamtlichen Aktivitäten
verbunden und mittels thematischer Schwerpunkte
vermittelt werden. Dabei sind folgende Qualitätsziele zu
beachten, die dazu beitragen, die Belange von Kulturlandschaft und kulturellem Erbe bei der künftigen Nutzung
von Natur und Landschaft gebührend zu berücksichtigen:
• In baulich und verkehrstechnisch intensiv in Anspruch
genommenen Räumen sollte besonders großer Wert auf
die Erhaltung und optische Wirksamkeit der vorhandenen Kulturlandschaften und ihrer Elemente gelegt
werden. Durch menschliche Eingriffe stark geschädigte
Gebiete sollten mit Bezügen zur jeweils umgebenden
gewachsenen Kulturlandschaft neu gestaltet werden.
Hierbei können zeitgemäße Gestaltungskonzepte und
kreative Interpretationen Akzente setzen.
• Die Kulturlandschaften und das kulturelle Erbe müssen
in ihrer Geschichtlichkeit, Eigenart, Vielfalt und Schönheit erfasst und dokumentiert werden. Im Zusammenhang mit anderen räumlichen Ansprüchen und Maßnahmen geht es darum, sie schonend zu erhalten und
zu entwickeln, so dass ihre Geschichte und Bedeutung
ablesbar bleibt. Anzustreben ist dabei eine integrative
Landnutzungspolitik als wichtiger Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung der Kulturlandschaften.
Neben den genannten Zielen kommt vor allem der interkommunalen Zusammenarbeit eine große Bedeutung zu.
Nur wenn insbesondere der Wertediskurs zu den Besonderheiten der Raumkategorie ‚StadtLandschaft’ und
„Zwischenstädte“ in der Metropolregion gemeinsam mit
Bewohnern und Behörden erfolgt, wird es gelingen, in der
Kulturlandschaft entsprechende Freiräume und landschaftlich geprägte Flächen zu bewahren. Entscheidend
ist dabei die gestalterische Qualität der Zwischenstadt.
Dies bedingt eine baukulturelle Aufwertung und ganzheitliche Landschaftsentwicklung, bei der kulturlandschaftliche Akzente, die eine Region unverwechselbar und
einzigartig machen, im Vordergrund stehen. Besonders
in den hierfür vorgesehenen Räumen ist aufgrund der Entwicklungsdynamik eine Erfassung des kulturellen Erbes
zwingend notwendig.
• Bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen sind
die geschichtlichen und kulturellen Zusammenhänge
sowie regionale Zusammengehörigkeiten zu wahren.
Denkmäler und Denkmalbereiche einschließlich ihrer
Umgebung und kulturlandschaftlichen Raumbezüge sowie kulturhistorisch bedeutende Landschaftsteile, Landschaftselemente, Ort- und Landschaftsbilder sollten im
Sinne einer erhaltenden Kulturlandschaftsentwicklung
berücksichtigt werden.
• Assoziative Kulturlandschaftsräume sind aufgrund ihrer
Bedeutung für die regionale Bevölkerung nachhaltig
weiterzuentwickeln. Regionale Entwicklungen, die sich
an der Kulturlandschaft und dem kulturellen Erbe als
Potenzial imagebildender Standortfaktoren orientieren,
sollten verstärkt gefördert werden.
Börde und Ville: Silhouetten einer weiträumigen Landschaft bewahren
Die rheinische Börde weist eine Vielzahl kulturlandschaftlicher Strukturen auf, die in weiträumige Blickbeziehungen eingebettet sind. Ein übergeordnetes Qualitätsziel ist
es daher, die landschaftlichen Silhouetten von Siedlungen,
Einzelgehöften und kleinen Wäldern zu erhalten. Die
fruchtbaren Lößböden der Börde boten einst günstige
Voraussetzungen für die frühe kontinuierliche Besiedlung.
Auch in späteren Phasen, besonders in der Römerzeit,
blieb der ackerbauliche Gunstfaktor eine Dominante in
einem nunmehr fast waldleeren Raum. Die Erhaltung der
Agrarnutzung auf den nicht durch Rekultivierung entstandenen Ackerstandorten ist somit ein zentrales kulturlandschaftliches Qualitätsziel.
Darüber hinaus sind noch vorhandene und den Raum
strukturierende Elemente wie historische Wege, kleine
und größere Waldflächen, historisch belegte Einzelhöfe
und Kleinsiedlungen sowie Bahntrassen mit ihrem
typischen Inventar an Gehölzen als Elemente der historischen Kulturlandschaft zu erhalten. Sie sind in hohem
Maße Identität stiftend und wirken einer weiteren Nivellierung der Landschaft entgegen. Besonderes Augenmerk
verdienen die historischen Wegebeziehungen: Vor allem
die Römerstraßen bilden einen hervorragenden Ansatz,
um Geschichte in der Landschaft erfahrbar zu machen
und historisch gewachsene Beziehungen vor Augen zu
führen. Zugleich sind die noch vorhandenen und nicht für
Siedlungszwecke beanspruchten Tal- und Auenbereiche
auch weiterhin von Bebauung freizuhalten. Sie stellen
die wesentlichen linearen Verbindungselemente in der
Kulturlandschaft dar und besitzen als Archive der Naturund Kulturlandschaftsentwicklung eine außerordentliche
Bedeutung.
Eine Gefährdung des kulturellen Erbes der Großlandschaft von Börde und Ville ging und geht vor allem vom
Braunkohletagebau, dem starken Siedlungsdruck und der
Intensivierung der Agrarproduktion mit ihren spezifischen
Produktionsbedingungen aus. Dies führte zum einen
zu einer in Teilräumen vollständigen Umgestaltung der
Landschaft, zum anderen aber auch dazu, dass historische Strukturen und Kleinelemente verschwinden und das
64
Gesamtbild der Landschaft immer stärker nivelliert wird.
Vor diesem Hintergrund lassen sich für die Landschaft von
Börde und Ville folgende Qualitätsziele ableiten:
• Die charakteristische agrarlandschaftliche Silhouette
sollte erhalten werden. Dabei spielt die Wahrung der
Ackerbautradition eine entscheidende Rolle. Zugleich
sollte die Landschaft durch Schneisen und g
eeignete
Aussichtspunkte erlebbar gemacht werden – noch
vorhandene historische Kulturlandschaftselemente wie
zum Beispiel Wegekreuze sollten gesichert und gepflegt
werden. Entlang der Gewässer der Ackerbaulandschaft
geht es vor allem darum, den Anteil an Grünlandfläche
zu vermehren.
• Eine besondere Bedeutung haben die historischen
Wegebeziehungen. Das gilt sowohl für die offene Acker
landschaft der Börde als auch für die geschlossene
Waldlandschaft der Ville. So müssen die g
eradlinigen
römischen Heerstraßen müssen ebenso erhalten,
sichtbar gemacht und gepflegt werden wie die „ Breiten
Alleen“, Jagdschneisen und Querverbindungen zwischen
dem Kottenforst und der Waldville.
• Die „Perlenkette“ der Schlösser und Herrensitze mit ihren Park- und Wasseranlagen sowie die Mühlen entlang
der Erft und Swist müssen in ihrem kulturlandschaftlichen Kontext erhalten und gepflegt werden. Dabei
sollten Zusammenhänge zwischen Bauwerken und
Gartenanlagen sowie Wegebeziehungen, Alleen, Baumreihen und Wassergräben hergestellt und mit einer ökologischen und kulturlandschaftlichen Renaturierung von
Erft und Swist und ihrer Flussauen verbunden werden.
• Auch ausgewählte charakteristische Bauwerke, Anlagen
und Elemente der Tagebaugeschichte des Braunkohle
Fachbeitrag Kulturlandschaft und kulturelles Erbe
reviers sollten erhalten, dokumentiert und vermittelt
werden. Dazu gehören beispielsweise Abgrabungsbereiche und Bandanlagen, aber auch die rekultivierten
Landschaften mit ihren bewaldeten Abraumhalden und
wiederhergestellten Ackerlandschaften sowie Badeseen
und Naturschutzgebieten aus zweiter Hand.
Der Ballungsraum Rhein-Sieg:
2000 Jahre Leben mit dem Fluss
Im Ballungsraumes Rhein-Sieg konzentriert sich seit
2000 Jahren die Siedlungs- und Wirtschaftstätigkeit der
Region. Durch die Ballung verschiedener Funktionen
ist hier eine höchst komplexe und dynamische Kulturlandschaft entstanden. Die Tatsache, dass die beiden
weltweit anerkannten Kulturgüter – der Kölner Dom und
das Schloss Augustusburg – in der Rheinschiene liegen,
unterstreicht ihre große kulturelle Bedeutung. Doch auch
die Geschichte der Industrialisierung lässt sich in der
Rheinschiene erfahren.
Hier konzentrieren sich internationaler und nationaler
Tourismus sowie alle bedeutenden Verkehrswege. Auch
hinsichtlich der Freiräume existieren Areale von herausragender kulturhistorischer Bedeutung, zum Beispiel der
Königsforst und die Wahner Heide. Die Wahrung dieser
kulturhistorischen Hinterlassenschaften dient sowohl
der Identifikation der Bevölkerung mit einem attraktiven
Lebensumfeld als auch der Außendarstellung der Region.
Lebensqualität und landschaftliche Potenziale spielen in
der Dienstleistungsgesellschaft eine zunehmende Rolle
bei der Standortentscheidung von Unternehmen.
Innerhalb der Großlandschaft Ballungsraum Rhein-Sieg
bildet der Rhein das auffälligste kulturlandschaftliche
Element mit sehr hohem Identitätswert. Seine assoziative
Bedeutung für die einheimische Bevölkerung und den
Tourismus ist sehr hoch. Zugleich jedoch hat der Eingriff
des Menschen durch Flussbegradigungen, Eindeichungen
und Kanalisierungen sowohl zu Veränderungen der Kultur
landschaft als auch zu unterschiedlichsten Auswirkungen
auf das kulturelle Erbe geführt. (vgl. Fachbeitrag Rhein,
Seite 96).
Eine Gefährdung des kulturellen Erbes dieser Großlandschaft geht auch von dem weiterhin starken Nutzungsdruck aus, der auf den zentralen und infrastrukturell
gut erschlossenen Flächen des Ballungsraumes lastet.
Folge ist eine zunehmende Versiegelung des Bodens und
eine Zersiedelung der Landschaft, die oftmals mit der
Zerstörung der Geschichtlichkeit eines Ortes einhergeht.
Aufgrund der Dichte von Autobahnen, Schienenwegen und
Schnellverkehrstrassen, die keine Querungen mehr zulassen, kommt es zur Barrierebildung und Verinselung. So
wird eine flächenhafte Erfahrbarkeit der Kulturlandschaft
erschwert. Vor diesem Hintergrund werden für den Ballungsraum Rhein-Sieg folgende Qualitätsziele formuliert:
• Hauptziel ist die es, die Ablesbarkeit multitemporaler
kulturlandschaftlicher Entwicklungen zu erhalten und
wiederherzustellen. Dies beinhaltet, die unterschiedlichen städtischen und industriellen Entwicklungsmuster
mit ihren lokalen historischen Zeugnissen zu sichern
und zu bewahren. Sie tragen erheblich zur Förderung
der lokalen Identität bei. Große Bedeutung haben in diesem Kontext auch die historischen Ortskerne, Ortsteile
und -silhouetten.
• Industriegeschichte sollte erhalten und ablesbar
bleiben, die Zeugnisse der Industrialisierung gilt es zu
erhalten und in die weitere Entwicklung einzubeziehen.
Dies betrifft alle historischen Strukturen und Klein-
Fachbeitrag Kulturlandschaft und kulturelles Erbe
elemente des Ballungsraums. So sollten zum Beispiel
tradierte urbane Industrie-, Siedlungs- und Hausformen
bei neuen Bauten oder Anlagen beachtet werden. Grund
sätzlich sollte die Umnutzung bereits vorhandener
Bausubstanz und bereits bebauter Fläche Vorrang vor
Neuerschließungen haben.
• Aus Gründen des kulturellen Erbes sind auch im Ballungs
raum vorhandene Freiräume und Waldflächen zu sichern.
Gefördert werden sollte insbesondere stadtnahe Land
wirtschaft mit einer den Boden schonenden Wirtschafts
weise.
• Die Pflege und der behutsamen Entwicklung des kultu
rellen Erbes der kurfürstlichen „Residenzlandschaft“
und der Bonner „Demokratielandschaft“ ist ein wesentliches Ziel innerhalb der städtischen Kulturlandschaften
des Ballungsraumes. Ihre Bedeutung reicht weit über
die Region hinaus.
Das Bergische Land:
Nachhaltige Nutzung sichert kleinräumige Strukturen
Dem Bergischen Land eine herausragende Rolle als Naherholungsraum innerhalb der Metropolregion Köln/Bonn
zu. Unterstrichen wird dies durch die Ausweisung großer
Landschaftsteile als Naturpark. Dabei ist das Bergische
Land ein in seinem Landschaftsbild und seinen Funktio
nen äußerst vielschichtiger Raum. Auf der einen Seite
findet man kleinbäuerliche Strukturen, die in weiten Teilen
noch immer gut ablesbar sind, beispielsweise die kleinräumige Siedlungsstruktur in den höheren und mittleren
Bereichen mit zugehörigen Ortsbildelementen wie Gärten
und Obstwiesen. Andererseits prägt der kleinteilige
Wechsel von Offenland und Wald im hügeligen Relief das
Landschaftsbild; er ist von hohem ästhetischem Wert.
65
Bereits in der Vergangenheit hat dieses Landschaftsbild
zu einer dynamischen Entwicklung des Tourismus und
der Naherholung mit einem Schwerpunkt auf Wandern
geführt. Zugleich haben sich in den Tälern ausgesprochene Gewerbe-, Industrie- und Siedlungsgassen herausgebildet. Dort finden sich zahlreiche Elemente und
Strukturen der Gewerbe- und Industriegeschichte, zum
Beispiel Mühlen und Hämmer sowie Relikte des Bergbaus
und der Steingewinnung mit ihren Folgenutzungen. Diese
gilt es im landschaftlichen Zusammenhang zu erhalten
und erlebbar zu machen. Dabei ist die funktionale Teilung
des Bergischen Landes zwischen Höhen und Tälern ein
hervorragendes Charakteristikum der Landschaft, das es
zu wahren gilt.
dabei um Bachtäler oder größere zusammenhängende
Gebiete handelt. Zudem ist bei der Umsetzung der EUWasserrahmenrichtlinie (WRRL) darauf zu achten, das
noch vorhandene Mühlen und Hämmer sowie die Überreste nicht mehr komplett erhaltener Anlage keiner Gefährdung ausgesetzt werden. Die ökologische Aufwertung von
Fließgewässern darf nicht dazu führen, dass historische
Anlagen, die für die Kulturlandschaftsentwicklung und die
regionale Identität des Raumes von besonderer Bedeutung
sind, teilweise oder vollständig beseitigt werden. Sie muss
stets mit dem Denkmal- und Kulturlandschaftsschutz
diskutiert werden, um optimale Lösungen zu finden. Ausgehend von den genannten Kriterien lassen sich für das
Bergische Land folgende Qualitätsziele formulieren:
Ein wichtiges Thema im Bergischen Land ist das Wasser (vgl. Fachbeitrag Wasser, Seite 58), das eine zentrale
Rolle in der Kulturlandschaftsentwicklung des Raumes
einnimmt. Die Talsperren sind sichtbarer Ausdruck der
Bedeutung, die das Wasser vor allem für die Trinkwasserversorgung der dicht besiedelten Rheinschiene spielt.
Darüber hinaus sind sie von hohem ästhetischem Wert
und ein wichtiges Ziel für die Naherholung. Hinzu kommt,
dass die erhaltenen Anlagen der Wasserkraftnutzung ein
Zukunftspotenzial zur Gewinnung regenerativer Energien
bieten. Weitere kulturell wertvolle Aspekte resultieren
beispielsweise aus der Ausstattung mit kulturlandschaftsbezogenen Museen sowie den historischen Handels- und
Heerstrassen im Bergischen Land. Sie sind als Achsen
eines flächendeckenden kulturlandschaftlichen Netzwerkes zu verstehen, zu dessen Erschließung sie heute noch
genutzt werden.
• Um das Gesicht der Landschaft zu erhalten, müssen
vor allem die Wald-Offenlandverteilung und die kleinräumigen Siedlungsstruktur mit Dörfern, Kleinweilern
und Einzelhöfen in den höheren und mittleren Bereichen
bewahrt werden. Dieses Ziel ist eng damit verbunden,
Fernblicke und Sichtbeziehungen freizuhalten und in
Wert zu setzen.
Eine entscheidende Gefährdung des Landschaftsbildes
kann hingegen von Aufforstungen ehemals landwirtschaftlich genutzter Flächen ausgehen, wenn es sich
• Besonderes Augenmerk kommt auch dem Erhalt von
Elementen und Strukturen der Gewerbe- und Industriegeschichte zu. Beispielhaft seien hier Mühlen und
• Die Zukunft der Kulturlandschaft und des kulturellen
Erbes im Bergischen Land hängt unmittelbar mit dem
Erhalt der Land- und Forstwirtschaft zusammen. Daher
geht es darum, historische Formen der Waldnutzung,
naturnahe Methoden der Waldbewirtschaftung und
die mit dem Grünland verbundene Milchwirtschaft zu
erhalten. Prinzipiell sollten die regionale Landwirtschaft
die damit verbundenen Möglichkeiten der Regionalvermarktung gefördert werden.
66
Hämmer sowie Bergbau und Steingewinnung genannt.
Dabei hat trägt die In-Wert-Setzung der Mühlen und ihrer Geschichte zu einer nachhaltigen gewerblichen und
touristischen Wertschöpfung bei, sie fördert die umweltund heimatkundliche Bildung sowie das regionale Identitätsgefühl. Dabei ist zu beachten, dass die erhaltenen
Wasserkraftanlagen auch zur Gewinnung regenerativer
Energie genutzt werden können.
• Die weitere städtische, gewerbliche und industrielle
Entwicklung im Bergischen Land sollte sich möglichst
auf die bereits bestehenden Siedlungen, Flächen und
Gebäude in den Siedlungs-, Industrie- und Gewerbe
gassen konzentrieren.
Die Mittelrheinische Pforte:
Herausragende Relikte der Kulturhistorie
Blickbeziehungen in einem Flusscanyon von außerordent
licher Schönheit und Harmonie prägen das Bild der mittelrheinischen Pforte. Deren Bewahrung steht als Qualitätsziel
an erster Stelle. Demzufolge sollten bauliche Maßnahmen
hier stets behutsam erfolgen. Rechts und links des Rheins
zeichnen sich Siebengebirge und Drachenfelser Ländchen
durch ein markantes Landschaftsbild mit einer Vielzahl
kulturlandschaftsgeschichtlicher Elemente und Strukturen
sowie zahlreichen Bau- und Bodendenkmälern aus. Manche von ihnen sind weltweit bekannt. Nicht zuletzt deshalb
spielen beide Teilregionen eine wichtige Rolle als Naherholungsziel für die Region. Dabei wird die herausragende
Rolle des Siebengebirges auch durch die Überlagerung von
Schutzgebietskategorien und Bedeutungszuweisungen auf
europäischer Ebene deutlich. Kunst- und Kulturgeschichte,
Archäologie, Geologie, Vulkanologie und Volkskunde gehen
hier eine Verbindung mit der assoziativen Wahrnehmung
regionaler Identität ein.
Fachbeitrag Kulturlandschaft und kulturelles Erbe
Zugleich ist das romantische Landschaftsbild dieser Großlandschaft jedoch durch Disharmonien gefährdet, die sich
aus touristischen und gewerblichen Anlagen und Bauwerken sowie Infrastrukturen des Verkehrs ergeben – vor
allem, wenn diese architektonisch nicht der Landschaft
angepasst sind. Davon ausgehend werden für die mittelrheinische Pforte folgende Qualitätsziele formuliert:
• Im Vordergrund steht die Verbesserung der ästhetischen Qualität des kulturellen Erbes und der Baudenkmäler der Mittelrheinischen Pforte. So sollten historische Relikte wieder erlebbar werden – dies könnte an
markanten Einzelobjekten wie Drachenfels, Petersberg,
Rolandsbogen und Heisterbach profiliert werden.
Zugleich geht es auch darum, Identitätsmerkmale und
Aufschlüsse aus der geologischen und vulkanischen
Entstehungsgeschichte zu akzentuieren sowie sie
entsprechend zu vernetzen und zu vermitteln – zum
Beispiel über Aussichtspunkte und Sichtachsen.
• Über eine gezielte Besucherlenkung sollten besonders
störanfällige Bereiche mit Boden- und Baudenkmalen
sowie historischer Kulturlandschaftsteile von besonderer Eigenart geschont werden. In diesem Zusammenhang sollten die assoziative Ebene als Sagenregion
(Siegfriedsage, Entstehungsgeschichte des Siebengebirges, Mönch von Heisterbach) gestärkt und die
Mittelrheinische Pforte als markante Landschaft für die
Rheinromantik wahrnehmbar werden.
• Das gesamte Landschaftsensemble benötigt eine neue
Baukultur. Deren Ziel sollte es sein, künftig kulturlandschaftlich unverträgliche Siedlungen und Wohnhäuser,
sowie Gewerbegebiete mit großem Flächenbedarf und
zerschneidende Verkehrsinfrastrukturen zu vermeiden.
• Über die Vernetzung und Zusammenführung der zahlreichen regionalen Einzelaktivitäten und Akteure sollte
die kulturelle Einzigartigkeit von Siebengebirge und
Drachenfelser Ländchen herausgearbeitet werden. Dies
umfasst Aspekte wie Weinbau, Keramikherstellung und
Klosterlandschaften, ebenso wie den kulturellen Hintergrund der Naturschutzgeschichte und die Forschungsgeschichte von Geologie und Archäologie.
67
68
Fachbeitrag Naturschutz und Landschaftspflege
Lebensräume sichern und verbinden
Vernetzung der Biotope vorantreiben
Ein Fachbeitrag zum Thema Naturschutz und Landschaftspflege von Professor Dr. Gerd Schulte, Institut für
Landschaftsökologie, Wilhelm-Universität Münster
Die zunehmende Verinselung von Lebensräumen inmitten
intensiv genutzter und zerschnittener Landschaften hat die
Sicherung von bedrohten Lebensräumen im funktionalen
räumlichen Verbund zu einer der wichtigsten Aufgaben
des Naturschutzes gemacht. Ein Qualitätsziel ist es
daher, großflächige, zusammenhängende Kernflächen als
Refugial- und Ausbreitungszentren zu erhalten und durch
Verbindungsachsen mit gleichzeitiger Habitatfunktion zu
schützen. Zugleich geht es darum, dass alle wichtigen
Biotopkomplexe der Region in direkt und indirekt zusammenhängenden großen Gebieten bewahrt sowie großund kleinräumig aufeinander bezogen werden. Dies
ermöglicht, den Lebensraumansprüchen von Tier- und
Pflanzenpopulationen und Lebensgemeinschaften gerecht
zu werden und Störungen zu vermeiden.
Die Herausforderung: Zäune überwinden helfen
Die wichtigsten Herausforderungen von Naturschutz und
Landschaftspflege in der Metropolregion Köln/Bonn sind die
Pflege der naturräumlichen Verschiedenartigkeit der Landschaft und der Erhalt, die Sicherung und des Ausbau des
Biotopverbundes sowie die Verbesserung der Biodiversität.
Zentrales Anliegen ist es dabei, vorhandene Schutzgebiete
zu sichern und zu entwickeln sowie weitere, für die Landschaftsentwicklung wie auch für den Biotopverbund bedeutsame Landschaftsteile unter Schutz zu stellen. Auch wenn
der Schutz sensibler Arten nicht ohne größere Tabuzonen
funktioniert, geht es keineswegs darum, Zäune zu errichten,
um die Natur zu schützen. Im Vordergrund stehen sollte vielmehr, Zäune überwinden zu helfen. Dazu müssen der Naturschutz und die Landschaftspflege in allen Gebieten verankert
werden – auch in den intensiv genutzten Kulturlandschaften
außerhalb der Schutzgebiete. Zugleich sollte die Vernetzung
aller Akteure ausgebaut werden, um gemeinsame Lösungen
für eine langfristige Sicherung des Naturerbes zu finden.
Ein wirkungsvoller Naturschutz bezieht alle Wirtschaftsbereiche mit ein: die Wasserwirtschaft, die Land- und
Forstwirtschaft, den Tourismus, den Städtebau und die
Energiewirtschaft. Daher ist es notwendig, in einem
kooperativen Prozess mit den Akteuren Ziele zu definieren
und Handlungsspielräume und -grenzen festzulegen. Der
Masterplan bietet die Chance, einen derartigen Dialog
anzustoßen und zu moderieren.
Das Kulturlandschaftsnetzwerk der Region mit seinen
wertvollen Kulturlandschaftsbereichen, den verbindenden
Auen-, Wald- und Freiraumkorridoren sowie den eingewobenen Freiraum- und Gewässernetzen (vgl. Karte, Seite 134)
entspricht nahezu vollständig den in der Umsetzung befindlichen oder geplanten groß- und kleinräumigen Biotopverbundsystemen. Dabei enthalten die großräumigen Systeme
das Netz der europäischen Schutzgebiete nach der FaunaFlora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) beziehungsweise
den landesweiten Biotopverbund in der Region.
Für die Region stehen darüber hinaus aber auch die
kleinräumigen ökologischen Systeme im Vordergrund, zum
Beispiel die regionalen Biotopverbundsysteme im Gewässernetz des Bergischen Landes, auf den Rheinterrassen im
Ballungsraum Rhein-Sieg und in den Ackerlandschaften
der Börde. Hier liegt das Qualitätsziel darin, sie sowohl hinsichtlich ihres Landschaftsbildes und ihrer Tier- und Pflan-
zenwelt zu erhalten. Dabei sind die möglichen Maßnahmen
zur Verbesserung der Biodiversität sehr unterschiedlich,
denn nur so können die spezifischen Eigenarten der Landschaften bewusst gemacht, bewahrt und entwickelt werden.
In ihrer FFH-Richtlinie hat die Europäische Union festgelegt,
dass europäisch bedeutsame Naturschutzgebiete in einem
kohärenten Netz ausgewiesen werden müssen. Die Umsetzung dieser Richtlinie ist in Nordrhein-Westfalen bereits
weit fortgeschritten. Dabei ist wichtig: In der Metropolregion
Köln/Bonn liegen nahezu alle FFH- und Vogelschutzgebiete
im Netzwerk der Kulturlandschaften. Die großflächigen
Schutzgebiete von europäischer Bedeutung befinden sich
entweder in den wertvollen Kulturlandschaftsbereichen
oder in den verbindenden Auen- bzw. Waldkorridoren.
Eine große Herausforderung für die Region ist mit der
Sicherung und Pflege der wertvollen Kulturlandschaftsbereiche Wahner Heide-Königsforst, Siebengebirge-Pleiser
Ländchen und Kottenforst-Drachenfelser Ländchen verbunden. Sie können aufgrund ihrer Ausstattung an hoch
gefährdeten und seltenen Tier- und Pflanzenarten in den
bestehenden großflächigen Naturschutzgebieten sogar als
regionale Biodiversitätszentren bezeichnet werden – als
ein Gebiet mit herausragender Bedeutung für den Schutz
national und europäisch bedeutsamer Tier- und Pflanzenarten. Doch die weltweiten Bestrebungen der Vereinten
Nationen zur Sicherung der Biodiversität werden zukünftig nicht nur in derartigen Zentren national und regional
verwirklicht. Auch außerhalb der Schutzgebiete wird man
Hand in Hand mit den Nutzern arbeiten, beispielsweise
um gemeinsam mit den Landwirten die Agrobiodiversität
zu erhalten und weiterzuentwickeln. Auch der Aufbau
eines landesweiten Biotopverbundes mit zusätzlichen
schützenswerten Flächen ist weit gediehen. Dieser ist im
Landesentwicklungsplan festgeschrieben – die entspre-
Fachbeitrag Naturschutz und Landschaftspflege
chenden Gebiete in der Region spiegeln sich auch hier
nahezu vollständig in deren Kulturlandschaftsnetzwerk.
Das Bergische Land: Fließgewässer und Inselbiotope
Mit seinen Auenkorridoren und Gewässernetzen deckt das
Netzwerk der Kulturlandschaften den regionalen Biotopverbund im Bergischen Land ab. Dieser umfasst die Fließgewässersysteme von Wupper, Dhünn, Sülz, Agger, Wiehl,
Sieg und Wahnbach. Hinzu kommen isoliert liegende
Inselbiotope der Natur- und Kulturlandschaften, die in den
wertvollen Kulturlandschaftsbereichen Dhünn-Altenberg,
Heckberger Wald-Leppetal und Nutscheid-Leuscheid
liegen und größtenteils bereits als Naturschutzgebiete
ausgewiesen sind.
69
ell ist zu beachten, dass die Umsetzung der Europäischen
Wasserrahmenrichtlinie nicht zu Renaturierungsmaßnahmen führt, die das Kulturerbe gefährden oder Freizeitund Erholungsnutzung einengen.
Besonders an der Dhünn und an der Wupper bergen die
Anliegen des Naturschutzes und die von Freizeit- und
Wasserwirtschaft Konfliktstoff. Der Wupper- und der
Aggerverband kooperieren bereits intensiv mit Behörden
und Naturschützern. Das zeigt: Neben der räumlichen
Vernetzung ist hier auch eine Vernetzung der Akteure
wichtig. Sie dient dem gemeinsamen Ziel, die unterschied
lichen Nutzungsansprüche mit der Pflege und Entwicklung
der Kulturlandschaften und dem Schutz des Naturerbes in
Einklang zu bringen. Diese Art der doppelten Vernetzung
entspricht einem Kerngedanken des Kulturlandschaftsnetzwerkes.
Als Qualitätsziel wird angeregt, den vollständigen Aufbau
des regionalen Biotopverbundes mit der Erarbeitung der
Gewässerpläne nach der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie abzugleichen. Durch die Wiederherstellung
der Flussauen, beispielsweise an der Wupper und an
der Dhünn mit deren Nebenflüssen, wird eine räumliche
Vernetzung in einer durch Siedlungs- und Industrienutzung
zerschnittenen Landschaft hergestellt, ohne dass dazu eine
Ausweisung weiterer Schutzgebiete notwendig wäre. Zugleich kann durch die Erhaltung und Förderung der umliegenden Wiesen und Weiden des Bergischen Landes – zum
Beispiel für die Milchwirtschaft – eine räumliche Vernetzung mit den Gewässernetzen geschaffen werden, die für
den Biotopverbund dieses Teilraumes charakteristisch ist.
Das Qualitätsziel „Biotopverbund auf den Rheinterrassen“
verbindet wertvolle Lebensräume in den Überflutungsbereichen der Rheinaue mit charakteristischen Flächen und
Landschaftsstrukturen der Mittel- und Niederterrassen
des Flusses. Ein Beispiel sind die Rheingummen, ehemalige Rheinarme, die heute noch in der Landschaft auszumachen sind. Solche landschaftstypischen Strukturen
und Flächen sind beispielsweise im Raum von Bornheim
bereits miteinander vernetzt.
Große Bedeutung kommt dem Qualitätsziel „Regionaler
Biotopverbund“ auch für die nachhaltige Sicherung der
Wanderfische in Wupper, Dhünn, Agger, Sülz und Sieg zu.
Dies umfasst das national und international bedeutende
Programm zur Wiedereinbürgerung des Lachses. Prinzipi-
Es ist derzeit nahezu unmöglich, über ein Schutzgebietsnetz in der dicht besiedelten und durch Ackerbau bzw.
Obst- und Gemüseanbau geprägten Kulturlandschaft der
linksrheinischen Rheinterrassen einen geschlossenen
Biotopverbund aufzubauen. Eine wichtige Grundstruktur
Der Ballungsraum Rhein-Sieg:
Rheinauen, Freiraumsicherung und Nationales Naturerbe
für einen solchen regionalen Verbund kann erst entstehen,
wenn die im Kulturlandschaftsnetzwerk dargestellten
Freiraumkorridore zwischen Köln und Bonn gesichert
und mit den Freiraumnetzen der beiden Städte verknüpft
werden. So kann es auch gelingen, das innerstädtische
Grünnetz der Stadt Köln mit dem Umland zu verbinden.
Die Freiraumsicherung für den charakteristischen Aufbau
des regionalen Biotopverbundes Rheinterrassen geht
davon aus, dass Acker-, Obst- und Gemüseanbauflächen
erhalten bleiben. Die Rheinterrassen unterliegen seit
Jahrhunderten einer intensiven Nutzung durch den
Menschen. Daher ist es gerade dort notwendig, charakteristische Landschaftselemente zu sichern, die die sehr
speziellen Wechselbeziehungen zwischen Wasser, Natur
und Menschen bezeugen. Ein Ziel ist es, nicht bewirtschaftete Agrarsäume wie Feldraine, Wegränder, Hecken
und Brachestreifen mit schwach bewirtschafteten Flächen
wie Blüh- oder Ackerstreifen zu vernetzen. Auch die landwirtschaftlichen Betriebe mit ihren Hofeingrünungen und
Gärten sollten Teil dieses Agrarnetzwerkes sein.
Auf der rechtsrheinischen Mittelterrasse hingegen existiert
bereits ein nahezu durchgehender Korridor sehr wertvoller
und großflächiger Naturschutzgebiete. In dessen Zentrum
liegt die Wahner Heide, die seit 2008 zum „Nationalen
Naturerbe“ der Bundesrepublik Deutschland gehört. Für
die Region unterstreicht dies die Aufgabe, dafür Sorge
zu tragen, die charakteristischen Natur- und Kulturland
schaften mit ihren vielfältigen Lebensräumen und heimischen Tier- und Pflanzenarten sowie ihrem „Nationalen
Naturerbe“ zu sichern. Gerade dieses Erbe gilt es als wesentlicher Bestandteil unserer Heimat. Als Lebensgrundlage und Basis für die Lebensqualität in der Region muss
es auch für zukünftige Generationen bewahrt werden.
Aus diesem Grund übergab die Bundesregierung Teile der
70
Wahner Heide, die ansonsten möglicherweise veräußert
worden wären, für einen dauerhaften Erhalt an die Deutsche
Bundesstiftung Umwelt (DBU). Der Wahner Heide kommt
somit eine besondere Bedeutung als „Suburbanes Nationales Naturerbe“ zu. Es gibt kein vergleichbares Gebiet in
den Ballungsräumen und Metropolregionen Deutschlands.
Fachbeitrag Naturschutz und Landschaftspflege
alten römischen Straßen. Wenn es gelingt, diese Straßen
mit ihren begleitenden Räumen erlebbar zu machen und
mit dem Naturerbe zu verbinden, kann dies eine Aufwertung der ganzen Region bewirken.
Agger-, Bröl- und Siegauen, Hangelarer Heide, Siebengebirge und Kottenforst notwendig, der nach Osten bis zu
den Wäldern des Nutscheid und Leuscheid reichen könnte
(vgl. Kapitel Kulturlandschaftsnetzwerk, ab Seite 27).
Die Mittelrheinische Pforte:
Grüner Kranz mit europäischem Naturerbe
Ein derartiger Nationalpark könnte sich auch als Geburtsstätte und Visitenkarte des Naturschutzes in Deutschland
darstellen. Das Naturschutzmuseum in der Vorburg von
Schloss Drachenburg könnte dazu als wichtiger Partner
und zugleich als Portal dienen. Hier werden die Geschichte und die Motive des Naturschutzes über fast 200 Jahre
hinweg herausarbeitet und zur Diskussion gestellt.
Die Börde: Naturschutz in der Ackerlandschaft
Ein weiteres Qualitätsziel zum regionalen Biotopverbund
wird für die Bördelandschaft im linksrheinischen Teil der
Region formuliert. Dieses unterscheidet sich deutlich
vom Schutz naturnaher Wälder oder Flussauen. Mit dem
wertvollen Kulturlandschaftsbereich Bürge, dem ErftSwist-Auenkorridor und dem Swist-Gewässernetz gibt das
Kulturlandschaftsnetzwerk dem Biotopverbund lediglich
Anknüpfungspunkte. Über die Ausweisung von Schutzgebieten kann in dieser großflächigen Ackerlandschaft kein
Biotopverbund aufgebaut werden.
Die europäisch bedeutsamen Naturschutzgebiete Siegmündung, Siebengebirge und Kottenforst sowie Teile der
Waldville verleihen der Mittelrheinischen Pforte einen
„Grünen Kranz“ von annähernd 10.000 Hektar Größe. Dies
ist eine im Vergleich mit anderen Ballungsräumen und
Metropolregionen in Deutschland und Europa einmalige
ökologische Situation und ein Alleinstellungsmerkmal der
Metropolregion Köln/Bonn (vgl. Seite 17).
Ergänzend zu den Bachtälern, Brachflächen und Dorfeingrünungen der Börde kommt den Saumbiotopen – beispielsweise Hecken, Gehölzreihen, Feldrainen, Ackerstreifen,
Blühstreifen und Wegrändern – eine besondere Bedeutung
für den Biotopverbund und die Förderung der Agrobiodiversität als Rückzugsraum für Tiere und Pflanzen zu.
Seit 2008 wird die Ausweisung des Siebengebirges als
Nationalpark diskutiert. Aufgrund einer Entscheidung aus
dem Jahr 2009 ist sie zunächst einmal zurück gestellt
worden. Folgt man den klassischen Zielen eines National
parks, dann müssten den Wäldern des Siebengebirges auf
dem weitaus größten Teil der Fläche eines zukünftigen
Nationalparks eine ungestörte und natürlich Waldentwicklung zurückgegeben werden. Das würde zum Beispiel eine
Tabuisierung und Sperrung der Wälder bedeuten.
Es ist zu prüfen, ob die Verzahnung von ökonomischen und
ökologischen Leistungen im Rahmen der anstehenden europäischen Agrarreformen für den Aufbau des regionalen
Biotopverbundes genutzt werden kann. Auch die kultur
geschichtlich bedeutsamen Landschaftselemente könnten
in einem regionalen Biotopverbund eine ökologische Wirkung entfalten. Das gilt zum Beispiel für viele Randbereiche
der fränkischen Vierkanthöfe und alte Hohlwege sowie
insbesondere für die Trassen und die Randbereiche der
Von großer Bedeutung für eine mögliche Ausweisung
des Siebengebirges als Nationalpark ist seine Lage im
Verbund eines Grünen Kranzes von Naturschutzgebieten.
Dazu führt der ehrenamtliche Naturschutz richtigerweise
aus, dass erst mit einem räumlichen Verbund der bestehenden wertvollen Naturräume die Naturschutzfunktionen
und die monetären Investitionen in ein solches Projekt
wirksam werden. In diesem Kontext wäre ein Verbund der
Naturschutzgebiete aus Königsforst und Wahner Heide,
Akteursvernetzung als besonderes Qualitätsziel
Während die Ausweisung von Naturschutzgebieten als
gesetzlicher Auftrag bereits weit fortgeschritten ist,
bestehen noch Lücken in der Pflege und Entwicklung
dieser sensiblen Gebiete. Daher müssen für alle Naturschutzgebiete Maßnahmenpläne erstellt werden, um ihren
Wert angesichts eines zunehmenden Nutzungsdruckes
zu erhalten und zu verbessern. Dies setzt neben einer
ausreichenden Personalausstattung der Naturschutzverwaltungen eine Kooperation aller Betroffenen voraus.
Eine derartige Akteursvernetzung dient sowohl dem Austausch von Informationen und Ideen als auch der Koordination von Maßnahmen. Darüber hinaus kann sie auch
bei der Beschaffung von Mitteln hilfreich sein. Sie spiegelt
einen demokratischen Planungsansatz wider: Naturschutz
wird nicht „von oben“ verordnet, sondern gemeinsam von
allen Betroffenen in deren Sinn verwirklicht. Eine Idee, die
im Rahmen des Kulturlandschaftsnetzwerkes zusätzlich
gefördert wird, denn nur so lässt sich der Erhalt des Naturerbes und der Kulturlandschaften langfristig sichern.
Fachbeitrag Naturschutz und Landschaftspflege
Das gilt insbesondere für die Pflege und Entwicklung der
Großnaturschutzgebiete im Umfeld der Städte von Köln und
Bonn – beispielsweise die Wahner Heide, den Königsforst,
die Siegmündung, das Siebengebirge oder den Kottenforst. Sie setzt eine enge Zusammenarbeit des amtlichen
und ehrenamtlichen Naturschutzes mit Waldbesitzern,
Denkmalpflegern und Kulturlandschaftsexperten sowie
mit Wirtschaftsunternehmen, Verkehrsträgern, Freizeitverbänden und anderen voraus. Gefragt sind Kooperationsmodelle, die geeignet sind, um die Besucherströme aus
dem Ballungsraum zu lenken. Sie sind dringend notwendig,
da eine weitere (ungelenkte) Steigerung der Verkehrsund Besucherströme die empfindliche Biodiversität der
Schutzgebiete bedrohen würde. Um hier einvernehmliche
Lösungen zu finden, die den Erhalt und die nachhaltige
Nutzung der Gebiete sicherstellen, ist unter anderem die
Realisierung neuer Akteursmodelle denkbar.
Erste Beispiele dieser Art gibt es bereits: In der Dhünnaue
funktioniert die Kooperation – in diesem Falle mit dem
Wupperverband – sehr gut. Dies führt gleichzeitig auch zu
einer räumlichen Vernetzung der Auensysteme und damit
zum Aufbau eines Kulturlandschaftskorridors. Interessant
ist die Frage, inwieweit sich solche Modelle auch auf andere
sensible Gebiete der Region übertragen lassen.
Doch auch außerhalb der Großschutzgebiete ist eine
stärkere Zusammenarbeit der Akteure wünschenswert.
Um diese zu erreichen bieten sich vor allem solche Naturschutzthemen an, die weit reichende Überschneidungen zu
anderen Bereichen aufweisen, beispielsweise zum Schutz
des Wassers, des Waldes und des kulturellen Erbes.
71
72Fachbeitrag Klimawandel und Luftreinhaltung
Mit dem Klimawandel leben
Ein Fachbeitrag zum Thema Klimawandel und Luftreinhaltung von Ulrich Jansen, Frederic Rudolph und Steven
März, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie
GmbH, mit einem Exkurs zum Thema Luftreinhaltung
von Professor Dr. Gerd Schulte, Institut für Landschaftsökologie, Wilhelms-Universität Münster
Die Herausforderung: Dem Klimawandel aktiv begegnen
Der Fachbeitrag Klimawandel widmet sich einer zentralen
Herausforderung für die Zukunft der Raumentwicklung in der
Metropolregion Köln/Bonn: dem Umgang mit dem Klimawandel. Nach einer Beschreibung der aktuellen Situation befasst
er sich sowohl mit dem Problem des Klimawandels und
seiner möglichen Folgen als auch mit dem des Stadtklimas in
der Region. Dabei wird deutlich, dass die Raumentwicklung
vor zwei zentralen Herausforderungen steht: Wie agieren
beziehungsweise reagieren wir vor dem Hintergrund des
Klimawandels und wie schaffen wir ein gesundes Stadtklima?
Wie in ganz Nordrhein-Westfalen wird das Klima auch in
der Metropolregion Köln/Bonn von der geographischen
Nähe der Nordsee und damit durch den Golfstrom beeinflusst. Daraus resultieren milde Winter und gemäßigte
Sommer. Teilweise gerät das Klima zudem unter den
Einfluss von Hochdruckwetterlagen aus östlicher Richtung
(Kontinentalklima). Überwiegend jedoch ist der Einfluss
der Westwinddrift spürbar. Regelmäßige Tiefausläufer
bestimmen vom Atlantik kommend mit entsprechenden
Niederschlägen die Wetterlage.
79
Die topographische Situation der Kölner Bucht – also
des Gebietes von Börde, Ville, Ballungsraum Rhein-Sieg
und Mittelrheinischer Pforte – ist durch die Verengung
des Rheintals in südlicher Richtung geprägt. Der so
entstehende Kanaleffekt beeinflusst deutlich die Windgeschwindigkeiten. Währenddessen verlaufen das Bergische
Land und das Rheinische Schiefergebirge mehr oder
minder quer zur Westwinddrift als Hauptwindrichtung.
Die herangeführten Luftmassen erwärmen sich über der
Börde und führen nur wenig Niederschlag mit sich. Beim
Strömungsstau östlich des Rheins entlang des Bergischen
Landes und beim folgenden Anstieg an seinen Höhen
zügen, kommt es zur Abkühlung der Luftmassen und
damit zu einem deutlich Anstieg des Niederschlages.
Daher betragen die mittleren Niederschläge in der Kölner
Bucht im Jahr nur 550 bis 800 Millimeter – die Jahresmitteltemperatur erreicht Werte zwischen 9 und 11 Grad Celsius.
Mit rund 170 bis 190 Tagen ist die Vegetationszeit (diese
beginnt bei einer Temperatur von mehr als 10 Grad) relativ
lang, die mittlere Temperatur in dieser Zeit beträgt 15 bis 17
Grad. Im Bergischen Land steigen die Niederschläge im Jahresmittel auf relativ kurzer Distanz von 800 Millimetern im
Westen auf über 1350 Millimeter im Osten an. Hier beträgt
die Jahresmitteltemperatur 7 bis 10 Grad – die Vegetationszeit liegt am Fuß des Bergischen Landes bei rund 180 Tagen,
in den höheren Lagen bei 150. In der Vegetationszeit wird
eine mittlere Temperatur von 13 bis 16 Grad erreicht.
Problemaufriss zum Klimawandel: Wege aus der Krise
Die genannten Werte sind wichtig, denn der Klimawandel wird spürbar für eine Veränderung der langfristigen
klimatischen Mittelwerte sorgen. Hinzu kommen eine
Weitere Informationen zum Kulturlandschaftsinformationssystem finden Sie unter www.kuladignw.de.
verstärkte Klimavariabilität sowie eine qualitative und
quantitative Zunahme von Wetterextremen. Damit stellt
der Klimawandel eine der größten Herausforderungen für
die Menschheit dar, er ist bereits im Gange, seine Auswirkungen sind heute schon spürbar.
Ambitionierte Maßnahmen zum Klimaschutz könnten in
den nächsten beiden Jahrzehnten die Ausprägung
möglicher Veränderungen mitbestimmen und damit
besonders schlimme Folgen des Klimawandels mindern.
Die Prognosen des Weltklimarats IPCC79 verdeutlichen
jedoch, dass sich die Menschheit selbst bei Durchführung
engagierter Maßnahmen zur Reduktion von Treibhausgasemissionen auf ein verändertes Klima einstellen muss.
Es ist absehbar, dass extreme Wetterereignisse wie Hitze
sommer und starke Niederschläge zunehmen werden.
Dabei wird sich der Klimawandel in Deutschland regional
sehr unterschiedlich auswirken. So erwartet das Umwelt
bundesamt beispielsweise für die Nordseeküste und
das nordwestdeutsche Tiefland eine deutliche Zunahme
der Niederschläge im Winter, während an der Küste der
Ostsee und im nordostdeutschen Tiefland ein besonders
starker Rückgang der Niederschläge im Sommer prognostiziert wird. Doch nicht nur im Norden und in der Mitte,
auch in Süddeutschland wird sich das Klima verändern.
Hier werden die Winter wärmer, es wird weniger Schnee,
dafür mehr Regen fallen. Parallel nimmt die Zahl der
heißen Tage im Sommer zu, die Gefahr von Extremwetterereignissen wie Hochwasser oder lang andauernden
Trockenperioden steigt.
Betrachtet man die potenziellen Auswirkungen des Klima
wandel in der Metropolregion Köln/Bonn, so gewinnen vor
Fachbeitrag Klimawandel und Luftreinhaltung
allem zwei Fragen an Bedeutung: Welche Anpassungsmaßnahmen sind möglich und welche Maßnahmen stehen zur
Minderung von Kohlendioxid als Antwort auf den Klimawandel zur Verfügung? Der Masterplan konzentriert sich dabei
zum einen auf Maßnahmen des Flächenschutzes in der
Forst- und Landwirtschaft und solche der Freiraumsicherung sowie zum anderen auf Maßnahmen zur Minderung
des Kohlendioxid-Ausstoßes im Freizeitverkehr.
Die Entwicklung der Temperaturen im Klimawandel
Auch in Nordrhein-Westfalen wird sich der vom Menschen
gemachte Klimawandel auf die Entwicklung der Tempera
turen und Niederschläge auswirken. Ein Klimaszenario
des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW prognostiziert hier eine Erhöhung der durchschnittlichen Lufttemperatur bis Mitte des 21. Jahrhunderts um etwa 1,7 Grad gegenüber dem Referenzzeitraum
(1951-2000). Besonders in der Periode bis zum Jahr 2025
könnte ein deutlicher Temperaturanstieg um 1,3 Grad
stattfinden, der in der Niederrheinischen Bucht etwas
über dem Landesdurchschnitt liegen dürfte. Demnach
wird die mittlere Jahrestemperatur in Nordrhein-Westfalen in der Mitte des 21. Jahrhunderts voraussichtlich etwa
11 Grad betragen, für die Niederrheinische Bucht werden
etwa 12,2 Grad prognostiziert. Damit bliebe der Raum
Leverkusen auch künftig mit einer erwarteten mittleren
Jahrestemperatur von 13 Grad landesweit die wärmste
Region. Bis zum Ende des 21. Jahrhunderts könnte die
mittlere Erwärmung jedoch auch stärker ansteigen. Dies
hängt nicht unerheblich von der Höhe zukünftiger Treib
hausgasemissionen und der Intensität der Anstrengungen
zur Reduktion dieser Emissionen ab.
Verbunden mit der prognostizierten Erwärmung ist die
wahrscheinliche Zunahme von Sommertagen, an d
enen
73
die Tageshöchsttemperatur 25 Grad erreicht oder überschreitet, sowie heißen Tagen, an denen sie gar 30 Grad
und mehr erreicht. Gleichzeitig würde die Zahl der Eistage,
an denen die Lufttemperatur nicht über 0 Grad steigt,
abnehmen. Auch die der Frosttage mit einem Minimum
der Lufttemperatur unter 0 Grad würde geringer. Für
die Mitte des 21. Jahrhunderts erwarten Szenarien für
Nordrhein-Westfalen im Vergleich zu heute insgesamt
eine Zunahme von 18 Sommertagen, davon 6,4 heiße Tage.
Dies entspräche einem Plus von fast 70 Prozent bezogen
auf die Sommertage und einen Anstieg der heißen Tage
um das 2,5-fache. Für die Niederrheinische Bucht wären
die relativen Änderungen mit 64 Prozent mehr Sommer
tagen und 2,3 mal so vielen heißen Tage geringer als für
das gesamte Bundesland. Allerdings könnten (ähnlich wie
im Referenzzeitraum) auch die Tropennächte zunehmen,
in denen die Temperatur nicht unter 20 Grad fällt. Winterliche Ereignistage hingegen wird es den Prognosen zufolge
deutlich seltener geben. Der mittlere Rückgang der Frost
tage liegt demnach bei 21 Tagen beziehungsweise 31 Prozent
für ganz NRW. Der Rückgang der Eistage beliefe sich auf
sechs Tage beziehungsweise 42 Prozent.
schwach aus – hier bliebe die Niederschlagsmenge relativ
stabil.
Die Entwicklung der Niederschläge im Klimawandel
Die Zahlen zeigen: War im Referenzzeitraum der Sommer
mit 234 Millimetern in Nordrhein-Westfalen noch die
feuchteste Jahreszeit, könnten Mitte des 21. Jahrhunderts
die Sommermonate die trockensten Monate im Jahr sein.
Durch die zeitliche Verschiebung der Niederschlagsmengen
würden im Gegenzug die Wintermonate deutlich feuchter.
Dies verdeutlicht Tabelle 2.
Nicht nur die Temperaturen, auch die Niederschläge
werden sich durch den Klimawandel ändern. Demnach
wird sich der Trend der Zunahme der Jahresniederschläge,
wenn auch schwach ausgeprägt, bis zur Mitte des 21. Jahr
hunderts fortsetzen. Für Nordrhein-Westfalen wäre dies
den Szenarien zufolge gleichbedeutend mit einer Zunahme
der Niederschlagsmenge um 30 Millimeter, das entspricht
drei Prozent pro Jahr. Dies würde zu einer Gesamtnieder
schlagsmenge von 906 Millimetern jährlich führen. In
der Niederrheinischen Bucht fiele die Zunahme mit nur
4,5 Millimeter gegenüber dem heutigen Zustand relativ
Anders jedoch stellt sich die Situation bei der saisonalen Entwicklung, also der Verteilung der Niederschläge
im Jahresgang, dar. Hier ist davon auszugehen, dass die
Niederschläge im Frühjahr, Herbst und Winter zunehmen,
für den Sommer hingegen wird eine deutliche Abnahme
erwartet. Für die Niederrheinische Bucht würde sich diesbezüglich der nordrhein-westfälische Trend bestätigen,
wenn auch in leicht abgeschwächter Form (vgl. Tabelle 1).
Tabelle 1: Prozentuale Änderung der Niederschlagsmengen in der Dekade 2046-2055 gegenüber der Periode
1951-2000
Region
Frühjahr
Sommer
Herbst
Winter
Niederrheinische
Bucht
+ 12,94
- 18,39
+ 5,09
+ 14,23
Nordrhein-Westfalen
+17,33
- 22,63
+7,60
+ 18,16
Quelle: Landesanstalt für Ökologie, Bodenordnung und Forsten 2006: S.29ff.
Einher ginge diese Entwicklung mit einer Veränderung
der niederschlagsbedingten Ereignistage. So könnte
sich die Anzahl der Tage mit geringem beziehungsweise
keinem Niederschlag in der Region Köln/Bonn bis Mitte
des 21. Jahrhunderts um etwa fünf Prozent erhöhen.
74
Fachbeitrag Klimawandel und Luftreinhaltung
Hinsichtlich der Starkniederschlagsereignisse werden
hingegen keine beziehungsweise kaum Veränderungen
prognostiziert.
Das Qualitätsziel Klimaschutz durch Flächenschutz:
Was Land-, Forst- und Wasserwirtschaft heute schon
leisten können
Tabelle 2: Absolute Niederschlagsmengen in der Dekade
2046-2055
Sowohl in der Landwirtschaft als auch in der Forst- und
Wasserwirtschaft können bereits heute Maßnahmen
entwickelt und realisiert werden, die einen Beitrag zur
Minderung des anthropogen verursachten Treibhauseffektes leisten. Dadurch könnte in der Region Köln/Bonn eine
Form von vorbeugendem Klimaschutz geleistet werden.
Zum Beispiel in der Forstwirtschaft: Durch die Fotosyn
these wird der Atmosphäre Kohlendioxid entzogen, der
Kohlenstoff wird in Biomasse in Pflanzen und im Boden
gespeichert. Wälder speichern etwa 50 Prozent des gesamten Kohlenstoffvorrats der Erde. Als biologische
Senke bieten sie eine schnelle und preisgünstige Option,
um den Kohlendioxid-Anteil in der Atmosphäre zu redu
zieren. Eine weitere Stärke dieser biologischen Kohlen
stoffsenken ist, dass von ihnen gleichzeitig positive öko
logische Effekte wie Grundwasser- und Artenschutz zu
erwarten sind. Da nach Erkenntnissen des Weltklimarats
IPCC nur noch wenig Zeit bleibt, eine gefährliche Störung
des Klimasystems zu verhindern, ist die biologische
Kohlendioxid-Speicherung neben der direkten Reduktion
der Kohlendioxid-Emissionen ein wirksamer Beitrag zum
Klimaschutz. Daher fordern das Nationale Waldprogramm,
das deutsche Klimaschutzprogramm und auch die Beschlüsse der Forstministerkonferenz von Lissabon nicht
nur die Erhaltung, sondern auch den Ausbau der Kohlenstoffspeicherung in Wäldern. Der Rhein-Erft-Kreis hat das
Thema bereits aufgegriffen. Im Rahmen einer Waldvermehrungsinitiative führt er ein Aufforstungsprogramm
durch (vgl. Fachbeitrag Forstwirtschaft, Seite 82).
Region
Frühjahr Sommer
Herbst
Winter
Niederrheinische
Bucht
194,67
179,01
184,95
196,37
Nordrhein-Westfalen
220,78
181,60
227,12
264,20
Quelle: Landesanstalt für Ökologie, Bodenordnung und Forsten 2006: S. 29ff.
Aktion und Reaktion: Vom Umgang mit dem Klimawandel
Die Metropolregion Köln/Bonn muss auf eine Klimaänderung vorbereitet sein. Dabei darf es nicht nur darum gehen,
das Ausmaß des Klimawandels durch Maßnahmen der
Kohlendioxid-Reduzierung zu begrenzen, zugleich muss
auch die Entwicklung und Umsetzung von Strategien zur
Anpassung an die Folgen des Klimawandels forciert werden.
Dies betrifft alle gesellschaftlichen Akteure und Institutionen wie politische Entscheidungsträger, Planer, Unternehmen sowie die Bürgerinnen und Bürger der Region
in gleichem Maße. Sie stehen vor der Herausforderung,
diesen Prozess voranzutreiben. Aufgrund der langsamen
Reaktionszeit des Klimasystems werden in der Zukunft
historische Emissionen für Klimaveränderungen verantwortlich zeichnen. Nicht zuletzt dies macht entsprechende
Strategien und Maßnahmen unumgänglich.
Auch in der Landwirtschaft gibt es Ansätze, mit deren
Hilfe der Atmosphäre Kohlendioxid entzogen werden kann.
Entscheidend sind dabei die Art und die Intensität der
landwirtschaftlichen Nutzung. Je naturnäher die Bewirtschaftung ist, desto mehr Kohlendioxid kann gespeichert
werden. Soll beispielsweise die Kohlenstoffspeicherung
in Biomasse forciert werden, dann können gerade in
wirtschaftlich prosperierenden Regionen wie den Städten
und Kreisen der Metropolregion Köln/Bonn Nutzungskonflikte jedoch nicht ausgeschlossen werden. Zum einen
entsteht eine konkurrierende Nutzung von Waldflächen
beziehungsweise landwirtschaftlichen Flächen mit stark
nachgefragtem Bauland. Zum anderen darf auf eine
steigende Nachfrage nach Biomasse zur energetischen
Nutzung nicht mit einer Intensivierung des Anbaus rea
giert werden. Es ist also denkbar und möglich, dass bei
der Nutzung von Biomasse im Sinne des Klimaschutzes
Zielkonflikte entstehen.
Im Vergleich zur Forst- und Landwirtschaft kann die Wasserwirtschaft zwar weniger einen Beitrag zur Vermeidung, dafür
jedoch zur Anpassung an den Klimawandel liefern. Durch die
zu erwartende Zunahme von Starkregenereignissen steigt die
Gefahr von Überflutungen sowie von häufigeren und extremeren Hochwassern des Rheins und seiner Nebenflüsse.
Durch die Bereitstellung von Einrichtungen zum Hochwasserschutz kann die Wasserwirtschaft einen wichtigen Beitrag
leisten, um die negativen Auswirkungen dieser Extrem
niederschläge und Hochwasser auf die Siedlungs- und Wirtschaftsräume in der Region abzuschwächen (vgl. Fachbeitrag Wasser, Seite 58, und Fachbeitrag Rhein, Seite 96).
Die Minderung des Kohlendioxid-Ausstoßes im Freizeitverkehr als Qualitätsziel
Doch nicht die Veränderung der Landnutzung allein zählt.
Darüber hinaus sollten die Städte und Gemeinden der Metropolregion Köln/Bonn eine Reihe weiterer Schritte ergreifen,
Fachbeitrag Klimawandel und Luftreinhaltung
bei denen auch ihre Bürgerinnen und Bürger wirksamer als
bisher zum Klimaschutz beitragen könnten. Zunehmend wird
der Klimawandel auch durch das Mobilitätsverhalten der
Menschen beschleunigt. In bedeutendem Maße mitverantwortlich für diese Situation ist der Freizeitverkehr. Er ist in
Deutschland noch vor dem Berufs- und Versorgungsverkehr
der häufigste Grund, mobil zu sein. Mehr als 30 Prozent aller
Wege und über 40 Prozent der zurückgelegten Kilometer
entfallen auf diesen Bereich. Entsprechend hoch sind die
klimaschädlichen Kohlendioxid-Emissionen, ist doch das
Auto mit 52 Prozent der zurückgelegten Wege das wichtigste
Freizeitverkehrsmittel. Seine Bedeutung wird weiter wachsen, wenn der Freizeitverkehr wie prognostiziert bis 2015 um
weitere 50 Prozent gegenüber den Zahlen aus dem Jahr 2000
anwachsen wird.
Die bundesdeutsche Situation spiegelt dabei die S
ituation
in der Region wider. Somit nimmt der Freizeitverkehr
sowohl in der Anzahl der Wege als auch bei den zurück
gelegten Personenkilometern eine führende Position
ein. Er ist als Emittent von Klimagasen relevanter als der
Berufs- und Ausbildungsverkehr.
Um die Kohlendioxid-Emissionen in diesem Bereich zu
senken bedarf es insbesondere auf lokaler Ebene angemessener Initiativen. Den Kreisen und Städten der Region
steht hierzu eine erhebliche Auswahl an Maßnahmen zur
Verfügung, mit denen sie langen Wegstrecken im Freizeitverkehr vorzubeugen und die Nutzung umweltfreundlicher
Verkehrsmittel fördern können. So sollte die Realisierung
des Freiraumkonzeptes im Netzwerk der Kulturlandschaften damit verknüpft werden, die Nutzungsbedingungen für
klimaschonende Verkehrsmittel in der Region zu verbes80
75
sern. Die Möglichkeiten zur Nahraumerholung in der Region werden mit der Umgestaltung von Kiesfördergebieten
zu Badeseen, dem Ausbau bestehende Rad- und Fußwege
sowie der Anlage neuer Wege deutlich aufgewertet,
wodurch die derzeit noch mit dem Auto zurückgelegten
Freizeitkilometer um rund zwei Prozent reduziert werden
könnten. Dies würde in der Region Einsparungen von jährlich etwa 22.500 Tonnen Kohlendioxid mit sich bringen.
Zur Veranschaulichung: Die auf diese Weise eingesparte
Menge Benzin entspricht einer mit dem Auto zurückgelegten Strecke von fast 156 Millionen Kilometern oder dem
Fassungsvermögen von 326 großen Tanklastwagen.
Wege zu einem gesunden Stadtklima als Qualitätsziel
Seit der Industrialisierung sind über den Städten Wärme- und
Dunstglocken entstanden, die zu einem eigenen Stadtklima
führten, das sich deutlich vom natürlichen Klima der freien
Landschaft unterscheidet. Der Hausbrand, die Abwärme
der Gewerbebetriebe und der Industrie und der Autoverkehr
führen einerseits zu einer deutlich Aufwärmung der Städte,
andererseits aber auch zu einer Anreicherung von Schadstoffen wie zum Beispiel Stickoxiden, Ozon und Feinstaub.
Verstärkt wird der Prozess der Aufwärmung durch die Wärmespeicherung und Wärmeabstrahlung der Gebäude sowie
versiegelte Verkehrsflächen. Die starke Versiegelung der
Städte sorgt dafür, dass Regenwassers nicht mehr natürlich
im Boden versickern kann. Dies führt bei Starkregenereignissen schnell zu einer Überlastung des unterirdischen
Kanalssystems. Darüber hinaus beeinträchtigen der geringe
Anteil offener Böden, sowie das weitgehende Fehlen von
Wald und anderen Pflanzendecken den Wasseraustausch
und damit die Verdunstung von Wasser. So gehen wichtige
Kühleffekte verloren, was wiederum die Erwärmung fördert.
Hinzu kommt, dass diese Phänomene des Stadtklimas mit
einer Schichtung der Luftmassen verbunden sind und zur
Ausbildung einer Staub- und Dunstschicht führen. Infolge
dessen reflektiert die von der Stadt abgestrahlte Wärme
(langwellige Strahlung) an diesen Stau- und Dunstschichten – sie wird in einer Wärmeglocke vergleichbar einem
Gewächshaus gefangen. Dies ist die eigentliche Ursache
für die spürbare Erwärmung des Stadtklimas.
Was aber können wir tun? – Wege zu einem gesunden
Stadtklima sind bereits seit Jahren ein zentrales Thema
der Stadtplanung und -entwicklung. Dabei haben sie sich
bereits in verschiedenen Gesetzeswerken niedergeschlagen
und deutliche Erfolge aufgezeigt. Diese betreffen sowohl
eine Reduktion der Schadstoffe als auch eine Drosselung
der weiteren Erwärmung. Gekoppelt werden die dazu
ergriffenen Maßnahmen oftmals an den Auf- und Ausbau
von Grünsystemen in der ‚StadtLandschaft’, wobei mit
Blick auf den Klimawandel ein Klimapuffer entsteht.
Der Klimapuffer Grün in der ‚StadtLandschaft’
als Qualitätsziel
Die Funktionen urbaner und suburbaner Grünsysteme
sind besonders für hoch verdichtete Räume, wie sie im
Gebiet der Metropolregion Köln/Bonn auftreten, von hoher
Bedeutung. Die Entwicklung derartiger Grünsysteme
erfuhr in Deutschland durch die Internationale Bauausstellung (IBA) Emscher Park in den 1990er Jahren einen
maßgeblichen Aufschwung80. Neben ihrem Beitrag zur
Das IPPC (Intergovernmental Panel on Climate Change; auch Weltklimarat genannt) wurde 1988 ins Leben gerufen und befasst sich vor allem damit, die Risiken der globalen Erwärmung zu beurteilen und entsprechende Strategien
zur Vermeidung bzw. Anpassung zu entwickeln.
76
strukturellen Erneuerung von Regionen besitzen die Systeme zudem eine Vielzahl sozialer, mikroklimatischer und
ökologischer Funktionen. Sie dienen der Naherholung,
prägen den Charakter des Stadtbildes und ganzer Regio
nen, tragen zur Förderung regionaler Identität bei und
erhöhen die Attraktivität der Städte und ihres Umlandes.
Ein weiterer wichtiger Effekt kommt hinzu: Urbane und
suburbane Grünsysteme können in zweierlei Hinsicht einen Beitrag leisten, um die Auswirkungen des Klimawandels zu mildern – auch in der Metropolregion Köln/Bonn.
Sie binden das klimaschädliche Treibhausgas Kohlendioxid und sind damit ein Baustein zur Senkung der Kohlendioxidemissionen. Noch bedeutsamer für die Region sind
jedoch ihre mikroklimatischen und ökologischen Funktio
nen im Hinblick auf eine Verbesserung des Stadtklimas
und die Anpassung an den Klimawandel.
Derartige Grünsysteme unterscheiden sich in ihren
physikalischen Eigenschaften grundlegend von denen
versiegelter Flächen und Gebäude. Gebäude besitzen ein
hohes Wärmespeichervermögen. Die im Tagesverlauf in
der Bausubstanz von Gebäuden und Straßen gespeicherte
Energie der Sonneneinstrahlung wird nachts langsam
als Wärme abgegeben und mindert damit die Abkühlung
der Luft. Dieser als „städtische Wärmeinsel“ bezeichnete
Effekt tritt vorwiegend bei sommerlichen Strahlungswetterlagen auf. Er wird sich zukünftig durch die Zunahme
von Sommertagen und heißen Tagen verstärken. Die Folge
sind Hitze- und Schwülebelastungen, die zu gesundheit
lichen Beschwerden der Stadtbewohner führen oder diese
verstärken können. Ereignisse wie der „Rekordsommer“
2003, dem nach Berechnungen der Münchner Rückversicherung allein in Deutschland 3.500 Menschen infolge anhaltender Wärmebelastung zum Opfer fielen, wird zukünftig
eher die Regel als die Ausnahme sein. Grünsysteme
können diesen Effekt abschwächen und das Stadtklima
Fachbeitrag Klimawandel und Luftreinhaltung
auf Normalwerte zurückführen. So spendet beispielsweise das Kronendach von Bäumen Schatten, es absorbiert
einen Teil der Sonneneinstrahlung und vermindert damit
die Erwärmung darunter befindlicher Bereiche. Aufgrund
des geringen Wärmespeicherpotenzials von Grün- und
Freiflächen speichern diese tagsüber kaum Energie, die
sie nachts als Wärme an die Umgebung abgeben könnten.
Zudem tragen sie durch die Verdunstungskälte zu einer
deutlichen Abkühlung der Umgebung bei.
Doch nicht nur das: Bei entsprechender städtischer
Planung ist es auch möglich, dass Grünsysteme die lokale
und regionale Windzirkulationen fördern. Neben dynamischen sind es vor allem thermische Luftaustauschprozesse, die sich positiv auf das Mikro- und Mesoklima von
Ballungsräumen auswirken. Durch die Luftzirkulation
verbessert sich auch die Luftqualität in den Städten, da
Frischluft aus der Umgebung gegen die verschmutzte Luft
aus der Stadt ausgetauscht wird. Im eigentlichen Stadtgebiet filtern Bäume, Sträucher und Hecken die Luft, indem
Staubpartikel an den Blättern haften bleiben und später
durch Regen abgewaschen werden.
Mit gutem Beispiel voran gehen
Die Metropolregion Köln/Bonn könnte ein gutes Beispiel
liefern, wie der Beitrag lokaler Initiativen und die Zusammenarbeit von Städten und Landkreisen dazu beitragen,
das Ausmaß des Klimawandels zu begrenzen und seine
Auswirkungen verträglicher zu gestalten. Nichtsdestotrotz
wird sich der Klimawandel auf die Lebensbedingungen
und wirtschaftlichen Aktivitäten in der Region auswirken. Dies betrifft insbesondere die Land-, Forst- und
Wasserwirtschaft, aber auch die Transport- und Energiewirtschaft. Sie werden sich durch den Klimawandel auf
veränderte Bedingungen einstellen müssen.
Aufgrund der vorherrschend guten Böden wird ein großer
Teil der Region intensiv landwirtschaftlich genutzt. Da die
Landwirtschaft eine hohe Klimasensibilität aufweist, wird
sie in hohem Maße von den zu erwartenden Veränderungen betroffen sein. Die Landwirtschaft spürt sämtliche
Wetterschwankungen und Klimaveränderungen unmittelbar in ihren Erträgen und ist zudem besonders von extremen Wetterereignissen wie Sturm oder Hagel betroffen.
Ein ebenso klimasensibler Wirtschaftszweig, der sich auf
den Klimawandel wird einstellen müssen, ist die Forstwirtschaft. Neben der sich verändernden Verfügbarkeit
von Wasser können auch Stürme oder die Verbreitung von
Schädlingen zukünftig zu höheren Belastungen und Schäden führen. Auch die Wasserwirtschaft leidet unter den
gestiegenen Temperaturen und den daraus resultierenden
Veränderungen für die Wasserverfügbarkeit. So kann es in
der Region durch weniger Niederschlag und eine höhere
Verdunstung im Sommer zu erheblichen Versorgungsproblemen kommen. Zusätzlich könnte sich der regionale
Wasserhaushalt langfristig verändern.
Von großer Bedeutung in der Region Köln/Bonn ist auch
die Energiewirtschaft. Sie wird sich auf ähnliche Schwierigkeiten einstellen müssen wie die Wasserwirtschaft.
Besonders in heißen und trockenen Sommern sinkt die
Sicherheit der Wasserversorgung zur Kühlung der Kraftwerke, eine mögliche Folge wäre eine nur eingeschränkte
Nutzung der Kapazitäten. Die Transportwirtschaft wäre
von den Auswirkungen des Klimawandels in erster Linie
im Bereich der Binnenschifffahrt betroffen. Sommerliche
Niedrigwasserstände führen bereits heute zu regelmäßigen Einschränkungen in der Schifffahrt. Dies könnte in
Zukunft weiter zunehmen.
Durch ein frühzeitiges Handeln bietet sich den Städten
und Kreisen der Metropolregion Köln/Bonn jedoch die
Fachbeitrag Klimawandel und Luftreinhaltung
Möglichkeit, die negativen Auswirkungen des Klimawandels auf die Lebens- und auf die wirtschaftlichen
Bedingungen verträglicher zu gestalten. Das Engagement
der beteiligten Gebietskörperschaften im Rahmen der
Regionale 2010 zeugt von Problembewusstsein und einem
hohen Maß an Kooperationsbereitschaft. Dies sind günstige Voraussetzungen, um sich in der Region der Herausforderung Klimawandel zu stellen.
77
Schadstoffe in der Luft bekämpfen:
ein Exkurs zum Thema Luftreinhaltung
Neben Klimawandel und Stadtklima gibt es einen zweiten
Themenbereich, der hier zumindest kurz abgehandelt werden
soll: die Luftreinhaltung. – Zu den Gesundheit gefährdenden
Schadstoffen in der Luft zählen heute vor allem Stickstoff
dioxide und Feinstaub (Schadpartikel). Zusätzlich müssen hier
jedoch auch Schwefeldioxid, Blei und Benzol erwähnt werden.
Vor allem in den Ballungsräumen kommt zudem auch dem
Schadstoff Ozon eine Bedeutung zu. Zum Schutz der menschlichen Gesundheit sind für all diese Schadstoffe über Europäischen Verordnungen und die Bundes-Immissionsschutzverordnung (BImSCHV) Grenzwerte festgesetzt worden81.
Weitere Grenzwerte gelten beispielsweise für Schwefeldioxid, Benzol und Ozon. Für erstgenannten Schadstoff
existiert ein über eine volle Stunde gemittelter Grenzwert
von 125 Mikrogramm pro Kubikmeter bei drei zugelassenen
Überschreitungen im Kalenderjahr. Die Alarmschwelle für
Schwefeldioxid beginnt bei über eine volle Stunde gemittelt
500 Mikrogramm pro Kubikmeter (vgl. BImSchV, § 2). Für
Benzol ist seit 2010 ein über ein Kalenderjahr gemittelter
Immissionsgrenzwert von fünf Mikrogramm pro Kubikmeter einzuhalten. Dabei werden vier Mikrogramm pro
Kubikmeter noch toleriert. Vor allem im Umfeld von Industrieanlagen wird dieser Wert in der Region Köln/Bonn
nicht selten erreicht.
Seit Beginn des Jahres 2010 beträgt der über ein Kalenderjahr gemittelte einzuhaltende Grenzwert für Stickstoff
dioxide 40 Mikrogramm pro Kubikmeter. Die Toleranzmarge
liegt acht Mikrogramm pro Kubikmeter. Sie wurde seit
Januar 2007 um jährlich zwei Mikrogramm pro Kubikmeter
gesenkt. Steigt die Belastung auf über eine volle Stunde gemittelt 400 Mikrogramm pro Kubikmeter, so ist die Alarmgrenze erreicht (vgl. BImSchV, § 3). Dieser Grenzwert wurde
in der Region Köln/Bonn vielerorts mehrfach überschritten.
Einen besonderen Fall stellt die Belastung durch Ozon dar.
Hier wurden die alten Grenzwerte im September 2003 von der
EG-Richtlinie über den Ozongehalt der Luft (2002/3/EG) abgelöst. Diese wiederum wurde im Juli 2004 durch die Verordnung
zur Verminderung von Sommersmog, Versauerung und Nährstoffeinträgen (33. BImSchV) in nationales Recht umgesetzt.
Für den Schutz der menschlichen Gesundheit wurde ein
Grenzwert von 120 Mikrogramm pro Kubikmeter bezogen auf
den höchsten 8-Stunden-Mittelwert eines Tages definiert, der
an nicht mehr als 25 Tagen im Jahr überschritten werden darf.
Ähnlich ist die Situation beim Feinstaub. Hier wurde der
über 24 Stunden gemittelte Grenzwert für den Schutz der
menschlichen Gesundheit auf 50 Mikrogramm pro Kubikmeter bei 35 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr festgelegt. Der über ein Kalenderjahr gemittelte
Grenzwert sollte 40 Mikrogramm pro Kubikmeter nicht
überschreiten (vgl. BImSchV, § 4). Auch dies ist in der
Region Köln/Bonn jedoch bereits mehrfach erfolgt.
Bezogen auf die Metropolregion Köln/Bonn ist Luftreinhaltung ein wichtiges Thema. Das gilt insbesondere für den
dicht besiedelten und intensiv genutzten Ballungsraum
Rhein-Sieg. Gerade hier muss eine umfassende Beurteilung der Luftqualität vorgenommen werden. Darüber hinaus sollte es ein Ziel sein, regional abgestimmte Luftreinhalte- und Aktionspläne zu erarbeiten. Für Köln und Bonn
liegen derartige Luftreinhaltepläne bereits vor.
81
Die Bundes-Immissionsschutzverordnung regelt die maximal zulässigen Emissionen von Luftschadstoffen aus Prozessen aller Art.
78Fachbeitrag Landwirtschaft und Gartenbau
Gemeinsam für lebendige Landschaften
Ein Fachbeitrag zum Thema Landwirtschaft und Gartenbau von Rolf Born, Günter Kornell und Carsten Lindner,
Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen
deckte Kuppen und flach abfallende Hänge, während sie
sich aus den benachteiligten Lagen mit ärmeren Böden
weitgehend zurückgezogen hat. Das stärkste Standbein
der Landwirtschaft stellt die intensive Milchviehwirtschaft
dar. Die so genutzten Wiesen und Weiden prägen das
Bergische Landschaftsbild und machen den Raum daher
auch für Freizeit und Erholung attraktiv.
einrichtungen hat dabei in den letzten Jahren die direkte
Vermarktung an den Endverbraucher deutlich zugenom
men. Die gewachsene Nachfrage nach frischen und
qualitativ hochwertigen Nahrungsmitteln „aus der Region
für die Region“ sowie Produktpräsentationen, die das
Einkaufen zum Erlebnis machen, stellen ein Potenzial für
die zukünftige Entwicklung dar.
Das Spannungsfeld der verschiedenen Anforderungen
an die Landwirtschaft ist insgesamt gesehen enorm.
So ist das ökonomische Umfeld von Produktionszuwachs
und stagnierender Nachfrage gekennzeichnet. Um die
Marktchancen der Landwirtschaft in der Region auch in
Zukunft zu erhalten, ist daher der Einsatz modernster
Technologien notwendig. Zugleich müssen die Landwirte
die gesellschaftliche Akzeptanz für ihr unternehmerisches
Handeln sichern. Dieser Aspekt wird zukünftig immer
wichtiger werden, da die Verbraucher und die rechtlichen
Vorgaben heute hohe Erwartungen an eine tier- und
umweltgerechte landwirtschaftliche Praxis stellen. Eine
weitere wichtige Aufgabe der Landwirtschaft wird zunehmend die Kulturlandschaftspflege, die sich vor allem in
den Mittelgebirgsregionen als ökonomisches Standbein
etabliert hat. Sie muss als gesellschaftliche Aufgabe
wahrgenommen und finanziert werden.
Der Raum wird immer enger
Die Ausgangssituation: Regionale Vielfalt
Die landwirtschaftliche Nutzung der Kulturlandschaft in
der Metropolregion Köln/Bonn hat eine über 2000jährige
Tradition. Aufgrund der unterschiedlichen naturräumlichen Gegebenheiten in einzelnen Teilräumen weist sie
sehr vielfältige Formen und Intensitäten der Bewirtschaftung auf. Diese gilt es als Trumpf für die künftige Entwicklung der Landwirtschaft in der Region zu erhalten.
Die Heterogenität in der landwirtschaftlichen Bodennutzung wird besonders deutlich, wenn man die Grünlandund Ackerbaunutzung auf kommunaler Ebene betrachtet.
So findet man in der linksrheinischen Bördelandschaft
Gemeinden, in denen fast ausschließlich Ackerbau betrieben wird. Die fruchtbaren Lößböden der Kölner Bucht und
des Rhein-Erft-Kreises bilden hier bis heute die Existenzgrundlage einer auch zukünftig produktiven Landwirtschaft. Insbesondere der Ackerbau ist im Hinblick auf
die zunehmende Konzentration der landwirtschaftlichen
Nutzung auf die wenigen Bördelandschaften in Deutschland für die Nahrungsmittelproduktion der Zukunft von
großer Bedeutung.
Der eindeutigen Dominanz des Ackerbaus in der Bördelandschaft steht im Bergischen Land eine völlig andere
Situation gegenüber. Hier dreht sich das Verhältnis von
Ackerbau und Grünlandnutzung nahezu um. Die ertragsfähige ackerbauliche Nutzung konzentriert sich auf lößbe-
Dem Obst- und Gartenbau kommt bei der Flächennutzung
in der Metropolregion Köln/Bonn eine besondere Rolle
zu. Er prägt vor allem den Ballungsraum zwischen Köln
und Bonn und das so genannte Vorgebirge bis hin zur
Mittelrheinischen Pforte sowie das Gebiet rund um die
Gemeinden Meckenheim und Rheinbach. Die klimatisch
günstigen Bedingungen und die Nähe zum Endverbraucher haben hier die Entwicklung des Freilandgemüse- und
Kernobstanbaus begünstigt. Neben der Vermarktung
landwirtschaftlicher Produkte über traditionelle Absatz-
Ein Hauptproblem für die Landwirtschaft in der Region ist
der enorme Flächenverlust. So mussten in den vergangenen Jahren viele Äcker, Wiesen und Weiden Wohn-,
Gewerbe- oder Verkehrsnutzungen weichen. Ein weiterer
Rückgang der landwirtschaftlichen Nutzfläche resultiert
aus der zunehmenden Bedeutung von Landschafts- und
Naturschutzgebieten sowie ökologischen Ausgleichsflächen. Hier steht die Landwirtschaft vor der Aufgabe,
dieser Entwicklung aktiv zu begegnen.
Dies wird immer wichtiger, denn der landwirtschaftlich zu
nutzende Boden ist der unabdingbare Produktionsfaktor
einer flächenabhängigen Landwirtschaft. Der Verlust dieses Bodens und damit auch der Landwirtschaft bedeutet
nicht nur einen Verlust an freier Landschaft, sondern auch
den eines wichtigen Wirtschaftspartners und Produzenten
von Nahrungsmitteln.
Die Inanspruchnahme von Fläche insbesondere für Siedlungs- und Verkehrszwecke verläuft in Nordrhein-Westfalen und ebenso in der Metropolregion Köln/Bonn schon
seit Jahren auf einem hohen Niveau. In den vergangenen
Jahren wurden landesweit im Durchschnitt rund 155.000 m2
Freiraum täglich in Siedlungs- und Verkehrsfläche umgewandelt. Das entspricht jährlich einer Gesamtfläche
von 56.575.000 m2 oder einem einen Kilometer breiten
Fachbeitrag Landwirtschaft und Gartenbau
Korridor der direkten Verbindung von Bad Honnef bis
Leverkusen-Hitdorf. In der Metropolregion Köln/Bonn hat
die Landwirtschaft zwischen 1997 und 2007 gut 76.083.000
Quadratmeter an Produktionsfläche verloren. Das sind
täglich fast 21.000 Quadratmeter – eine dramatische Zahl.
In jedem Monat der letzten Jahre ist somit ein 60 Hektar
großer Betrieb in der Region verloren gegangen.
Herausforderungen und Qualitätsziele der Zukunft
Die Landwirtschaft im 21. Jahrhundert steht vor einer
Vielzahl von Herausforderungen, die es mit geeigneten
Strategien zu bewältigen gilt. Das Spektrum reicht von der
Veränderung der politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen über den Anstieg der gesellschaftlichen
Anforderungen in den Bereichen Umweltschutz, Verbraucherschutz, Lebensmittelsicherheit und Tierschutz bis
hin zum Flächenverbrauch. Da dieser in weiten Teilen der
Metropolregion Köln/Bonn in den letzten Jahren permanent gestiegen ist, sind hier die Expansionsmöglichkeiten
für viele Betriebe beschränkt.
Um die Zukunftsfähigkeit der Landwirtschaft in der Region
zu erhalten und die Betriebe entsprechend zu stärken, bedarf es verschiedener Qualitätsziele. So geht es beispielsweise darum, bestehende Bewirtschaftungsformen in
Landwirtschaft und Gartenbau ökonomisch und mit qualitativ hohem Standard weiter zu führen. Es wurden bereits
eine Reihe von neuen und flexiblen Ideen entwickelt, die
es nun zu realisieren gilt. Betrachtet man die Perspektiven der Landwirtschaft in der Region, so sind eine weitere
Optimierung der Produktion, die Sicherung der flächendeckenden Bewirtschaftung und die Verankerung der grünen
Dienstleistungen als weitere Qualitätsziele von besonderer
Bedeutung zu nennen. Darüber hinaus sollten Energien
mobilisiert, Stoffkreisläufe geschlossen und Formen der
79
umweltschonenden und nachhaltigen Bewirtschaftung
gefördert werden. Last but not least besteht ein wesent
liches Ziel auch darin, Qualität direkt zu vermarkten sowie
Freizeit und Erholung aktiv zu gestalten.
Dabei ist zu beachten: Kulturlandschaften gibt es nicht
zum Nulltarif. Sie können nur gemeinsam mit der Landwirtschaft gesichert und für die Zukunft weiter entwickelt
werden. Die Landwirte bringen sich seit Jahren mit
„Grünen Dienstleistungen“ für die Gesellschaft in diesen
Prozess ein. Sie fördern so den Erhalt und die Gestaltung
von so genannten „living landscapes“ – lebenden und
lebendigen Landschaften, die eine wichtige Stütze für
die Zukunft der Kulturlandschaften und des ländlichen
Raums sind. Unter anderem tragen sie dazu bei, dass
attraktive Arbeitsplätze – sowohl direkt auf den Höfen als
auch im vor- und nachgelagerten Gewerbe – geschaffen
und gesichert werden.
Im Folgenden werden die hier kurz beschriebenen Herausforderungen und Qualitätsziele bezüglich der Großlandschaften der Metropolregion Köln/Bonn interpretiert
und herunter gebrochen.
Entwicklungsperspektiven für den Ackerbau
in Börde und Ville
Die fruchtbaren Böden der Jülicher und Zülpicher Börde
bleiben langfristig erhalten und machen die Landschaft
auch im europäischen Vergleich zu einem eindeutig bevorzugten Produktionsstandort für die Landwirtschaft. Sie
sind prädestiniert für eine nachhaltige ackerbauliche Nutzung, da hier Produzenten, Verarbeiter und Verbraucher
auf engem Raum ein erfolgreiches Netzwerk bilden. Im
Vordergrund stehen der Anbau von Getreide, Kartoffeln,
Zuckerrüben und auch Spezialkulturen.
Die Landschaft der Börde ist und bleibt das bedeutsamste
Gebiet für die nachhaltige, intensive ackerbauliche Nutzung in der Region. Primäres Ziel der landwirtschaftlichen
Entwicklung ist es, den Betrieben Entwicklungsperspektiven für die Zukunft zu ermöglichen. Dies kann in der
Börde einerseits in Form der Vergrößerung der Betriebs
fläche erfolgen, andererseits aber auch durch eine
Intensivierung der Bewirtschaftung bei gleich bleibender
Flächenausstattung. Eine weitere Optimierung der Produktion gewährleistet zugleich, dass die Bevölkerung mit
Nahrungsmitteln in hoher Qualität versorgt werden kann.
Perspektivisch sollte die Landwirtschaft sich jedoch mit
dem Thema der bereits vorhandenen und sich in Zukunft
möglicherweise verschärfenden Wasserknappheit in diesem Gebiet auseinandersetzen (vgl. Fachbeitrag Wasser,
Seite 58, und Fachbeitrag Klimawandel, Seite 72). Bereits
heute gilt die Landschaft der Jülicher und Zülpicher Börde
als niederschlagärmste Region Nordrhein-Westfalens.
Der Anbau von Kulturen mit regelmäßigem Wasserbedarf
kann nur erfolgen, wenn eine maschinelle Beregnung
stattfindet. Die notwendige Intensivierung der Flächen
bewirtschaftung setzt daher die Verfügbarkeit von Wasser,
unabhängig von örtlichen Niederschlägen, voraus.
Hinzu kommt, dass der vom Ballungsraum Rhein-Sieg
ausgehende Flächenverbrauch der Landwirtschaft zunehmend Flächen für Siedlung, Gewerbe und Infrastruktur
entzieht (siehe weiter oben). Dies stellt ein kaum noch zu
lösendes Problem für die ackerbauliche Nutzung in Börde
und Ville dar. Weitere ackerbauliche Flächen werden durch
Kompensationsmaßnahmen in Anspruch genommen.
Hier sollte es in Zukunft darum gehen, diese Maßnahmen produktionsintegriert durchzuführen, das heißt, ein
ökologischer Ausgleich wird entweder durch eine in die
Fruchtfolge integrierte Anlage von Grün- und Blühstreifen
80
oder durch die Extensivierung einer bestimmten Form der
Bewirtschaftung geschaffen. Dabei bleibt die landwirtschaftliche Fläche der extensiven Produktion erhalten.
Prinzipiell sollten bei der Umsetzung von Kompensationsmaßnahmen aus Sicht der Landwirtschaft die ökologische Aufwertung der Wälder, die Biotopvernetzung sowie
Maßnahmen zur Entsiegelung im Vordergrund stehen.
Vorrangiges Qualitätsziel in diesem Zusammenhang ist
es, die landwirtschaftlichen Nutzflächen auch in Zukunft
flächendeckend zu bewirtschaften.
Das Bergische Land: Landwirtschaft als gestaltendes
Element
Dies gilt auch für das Bergische Land, wo die Erhaltung
und Intensivierung der Milchviehwirtschaft ein wichtiges
Qualitätsziel ist. Sie wird gerade für die Haupterwerbsbetriebe die wesentliche Erwerbsquelle bleiben. Neben
der rein wirtschaftlichen Bedeutung leistet die Stabilisierung der Landwirtschaft hier auch einen Beitrag zum
Erhalt und zur Pflege der Kulturlandschaft. Einzelne
landwirtschaftliche Betriebe entwickeln auf diese Art und
Weise „Grüne Dienstleistungen“ für den Naturschutz, die
Erhaltung der Kulturlandschaft und die Dorfentwicklung.
Diese landwirtschaftliche Nutzung ist elementar, um die
naturnahe und erlebnisreiche Landschaft zu bewahren
und zu gestalten.
Ein weiterer Aspekt zur Entwicklung der Landwirtschaft
im Bergischen Land sind die Synergien der landwirtschaftlichen Nutzung mit dem Bereich Freizeit und Erholung.
Der Urlaub und die Durchführung von Veranstaltungen
auf Bauernhöfen sind hier zu einem weiteren Standbein
der landwirtschaftlichen Betriebe geworden. Sie ergänzen
damit die landschaftsbezogene Arbeit der Landwirtschaft,
Fachbeitrag Landwirtschaft und Gartenbau
wobei der Zugang zur Landschaft über eine breite Palette
von Freizeitangeboten erfolgt. Beispielhaft seien Kutschfahrten, die Organisation von Kindergeburtstagen auf dem
Bauernhof oder die Nutzung ehemaliger Wirtschaftsgebäude für Seminarveranstaltungen genannt.
Derartige Formen landwirtschaftsbezogener Tourismusangebote tragen – wenn sie in umwelt- und sozialverträglicher Form realisiert werden – zu einer Stützung des
ländlichen Raumes in der Region bei. Sie sind somit ein
Qualitätsziel, das umso wichtiger wird, da Landwirtschaft
und Gartenbau nach wie vor ein bedeutender Arbeitund Auftraggeber sind. Gerade dort, wo die klassische
Landbewirtschaftung als Existenzperspektive nicht mehr
ausreicht, spielen neue Formen des Wirtschaftens eine
große Rolle. In diesem Zusammenhang trägt auch die
Direktvermarktung landwirtschaftlicher Produkte an den
Einzelhandel zu einer Steigerung der Wertschöpfung
landwirtschaftlicher Betriebe bei. Der Verkauf ab Hof ist
ein in der Bevölkerung gern angenommenes Angebot, das
eine marktnahe Versorgung der Verbraucher mit qualitativ
hochwertigen und gesunden Lebensmitteln garantiert.
Eine problematische Situation für die Landwirtschaft stellt
auch im Bergischen Land der wachsende Siedlungsdruck
dar, der besonders im Übergangsbereich zum Ballungsraum Rhein-Sieg ausgeprägt ist. Dies kommt umso mehr
zum Tragen, da hier die landwirtschaftlich besten Böden
der Teilregion zu finden sind und die Entwicklung zudem
der Ästhetik des Landschaftsbildes schadet. Beispielhaft
sei die Ausdehnung der Siedlungstätigkeit entlang der von
den Städten ausgehenden Achsen genannt. Aus landwirtschaftlicher Sicht sollte in diesen Bereichen keine weitere
Ausdehnung des Siedlungsraumes in die Fläche erfolgen.
Qualitätsziel ist es vielmehr, die charakteristische Eigenart
der Landschaft und ihrer Nutzung auch hier zu erhalten.
Der Ballungsraum Rhein-Sieg:
Siedlungsdruck als Hauptproblem
Mit Ausnahme des Gebietes der Mittelrheinischen Pforte
stellt der Siedlungsdruck in fast allen Bereichen der
Region ein zentrales Thema für die Landwirtschaft dar.
Ein Beispiel ist der Ballungsraum Rhein-Sieg, wo fast
alle landwirtschaftlichen Betriebe heute schon auf die
Bewirtschaftung von Pachtflächen angewiesen sind. Der
weitere Wegfall von wertvollem Kulturland würde für diese
Betriebe erhebliche Einschnitte in ihre wirtschaftliche
Situation und Tragfähigkeit mit sich bringen. Vor allem
vor dem Hintergrund, dass erfolgreiche Betriebe in der
Regel über Generationen bewirtschaftet werden, bedarf
es entsprechender Maßnahmen, um dieser Entwicklung
gegenzusteuern. Investitionen haben lange Abschreibungszeiträume. Sie können sich nur amortisieren, wenn
die Zukunft der Betriebe gesichert ist.
Eine besondere Rolle im Ballungsraum Rhein-Sieg spielt
die linksrheinische Mittelterrasse zwischen Köln und
Bonn, die auch als die „Rheinischen Gärten der Region“
bezeichnet wird. Hier sollte es – ähnlich wie im Übergangsbereich zwischen Ballungsraum und Bergischem
Land – aus landwirtschaftlicher Sicht ein Qualitätsziel
sein, ein weiteres Vordringen des Siedlungsraumes in die
Fläche zu verhindern. So könnten die Betriebe des Ackerbaus und des Gartenbaus nicht nur auf dem bestehenden
Niveau gehalten werden, ihnen würden vielmehr weitere
Entwicklungsmöglichkeiten gegeben.
Wie im Ackerbau, so entwickeln sich auch im Gartenbau
und Obstanbau die Produktionsformen weiter. Um den
Ertrag sichern zu können beziehungsweise zu steigern,
werden zukünftig auch Maßnahmen des geschützten Anbaus – das heißt, der Produktion in leichten Bauten oder
Fachbeitrag Landwirtschaft und Gartenbau
mit Hilfe baulicher Anlagen – notwendig sein. Das schafft
einerseits die Möglichkeit, neueste Anbauverfahren innerhalb des Gartenbaus einzusetzen und die Region damit
als eine Art Vorreiter für modernen Gartenbau zu etablieren. Andererseits darf die Entwicklung nur dergestalt
erfolgen, dass das für die Teilregion prägende Gesicht der
Kulturlandschaft erhalten bleibt und angemessen weiter
entwickelt wird. Hier eröffnet sich gleichermaßen ein
Chancen- und Konfliktfeld für die Zukunft.
Die Mittelrheinische Pforte:
Förderung des Obstanbaus
Auch in der Landschaft der Mittelrheinischen Pforte mit
ihren fruchtbaren Böden im Siebengebirge sowie im
Pleiser und Drachenfelser Ländchen sollte eine Weiterentwicklung des Obstanbaus in der Form erfolgen, dass
der besondere Reiz der historischen Kulturlandschaft
erhalten bleibt. Ähnlich wie im Bergischen Land spielt
hier das aktive Erleben der Landschaft durch Freizeit und
Erholung eine wichtige Rolle – ein Qualitätsziel, das es zu
sichern gilt. Eine Besonderheit sind zudem die traditionellen Baumschulen im Meckenheimer Raum und am Rand
des Siebengebirges. Darüber hinaus wird an geeigneten
Standorten Wein gelesen und direkt vermarktet.
Landwirtschaft schafft Energien für die Zukunft
Versucht man die verschiedenen Aspekte dieses Fachbeitrags zusammenzufassen, so wird deutlich: In allen
Teilbereichen der Region muss es aus landwirtschaft
licher Sicht darum gehen, ein vernünftiges Gleichgewicht
zwischen Entwicklung und Bewahrung zu schaffen.
Leistungen wie die „Entwicklung der Kulturlandschaft“,
das „Offenhalten von Landschaftsräumen“ und die „Sicherung der ländlichen Strukturen“ ergeben sich von selbst,
81
wenn die Landwirtschaft und der Gartenbau der Region
wirtschaftlich arbeiten und so die Herausforderungen der
Zukunft bewältigen können. Dabei spielen auch zukunftsweisende Themen wie beispielsweise die Gewinnung regenerativer Energien durch die Landwirtschaft eine wichtige
Rolle. Zahlreiche Betriebe haben durch diese oder ähnliche
Leistungen ihr Aufgabenspektrum erweitert. Mit groß
flächigen Sonnenkollektoren auf den Wirtschaftsgebäuden
oder Windrädern an windexponierten Standorten tragen
sie zum Energiemix der Region bei, indem die produzierte
Energie ins öffentliche Netz eingespeist wird (vgl. Fach
beitrag Ressourcenlandschaft, Seite 86).
Auch die Erzeugung biogener Energien durch den Anbau
nachwachsender Rohstoffe hat sich bereits etabliert. Vielfach haben sich dabei Betriebe zusammengeschlossen,
um gemeinsam entsprechende Anlagen wirtschaftlich
betreiben zu können. Solche Modelle gilt es unter Berücksichtigung der entsprechenden Genehmigungsverfahren
auszubauen, auch unter dem Aspekt, den Beruf des Landwirts für junge Menschen interessant zu machen, die nicht
aus der Landwirtschaft stammen. Sie sichern letztlich die
Rolle der Landwirtschaft zur nachhaltigen Gestaltung von
Landschaft.
82
Wald und Holz als Ressource der Zukunft
Ein Fachbeitrag zum Thema Forstwirtschaft von Alfons
Lückerath, Regionalforstamt Hocheifel-Zülpicher Börde,
ergänzt von Markus Bouwman, Stadt Köln, Amt für Landschaftspflege und Grünflächen/Forstverwaltung
Die Ausgangssituation: Waldreichtum als Chance
Die Metropolregion Köln/Bonn ist eine waldreiche Region.
Mehr als die Hälfte ihrer Fläche wird von Wald bedeckt.
Daher hat die Forstwirtschaft eine große regionale Bedeutung. Die Wälder der Region sind sowohl für den Naturschutz als auch für die Erholung und die Verwendung des
Holzes als Rohstoff wichtig. Die allgemeinen Ziele zu ihrer
Bewirtschaftung, ihre Rohstofffunktion sowie ihre Bedeutung für den Klimaschutz und als Ort der Erholung stellen
einen wesentlichen Beitrag zur zukünftigen Entwicklung
der Kulturlandschaft in der Region dar.
Betrachtet man die regionale Differenzierung der Forstwirtschaft, so konzentriert sich die Bewaldung vor allem
auf das Bergische Land. Hier ist der Wechsel zwischen
Wald und Offenlandschaft ein landschaftsprägendes Element. Hinsichtlich der forstwirtschaftlichen Entwicklung
muss jedoch berücksichtigt werden, dass dabei der Anteil
des Privatwaldes besonders hoch ist und noch über dem
Landesdurchschnitt von 65 Prozent82 liegt. Dies führt dazu,
dass Eingriffe und planerische Maßnahmen zunächst
vertraglich mit den Waldbesitzern abgestimmt werden
müssen.
82
Quelle: Landeswaldbericht NRW 2007
Fachbeitrag Forstwirtschaft
Etwas anders sieht die Situation im Ballungsraum RheinSieg aus, da dort der Anteil des öffentlichen Waldes größer
ist als in den übrigen Teilregionen. Die Möglichkeiten einer
Waldvermehrung sind hier allerdings nahezu ausgereizt, die
Anlage neuer Waldflächen ist ausschließlich in den Auen
bereichen möglich. Der Waldanteil des Ballungsraumes
ist insgesamt recht hoch, vor allem die stadtnahen Staatswälder wie der Königsforst und der Kottenforst werden für
Freizeit und Naherholung genutzt. In der Landschaft von
Börde und Ville liegt der Anteil des Waldes hingegen bei
knapp zehn Prozent. Hier dominiert die landwirtschaft
liche Nutzung durch intensiven Ackerbau.
Herausforderung und Qualitätsziel: Wald als natürliche
Ressource stärken
Die Nutzung des Waldes ist überall in der Region möglich und gewollt. Dies gilt nicht nur für den Privatwald,
sondern auch für die Naturschutzgebiete des öffentlichen
Waldes. Der Wald erfüllt dabei eine Vielzahl von Funktionen.
Seine nachhaltige Sicherung und Entwicklung dient der
Verbesserung von Boden, Luft, Wasser und Klima, zudem
fungiert er als Lebensstätte für eine vielfältige Fauna und
Flora, als Lieferant für den umweltfreundlichen Rohstoff
Holz sowie als geschützter Erholungs- und Ausgleichsraum für die Menschen.
Die gesellschaftlichen und die forstwirtschaftlichen Anforderungen an den Schutz und die Nutzung des Waldes haben
sich in den letzten Jahren stark verändert. Es ist heute
Konsens, die Wälder als wichtige natürliche Ressource zu
schützen und zu pflegen. Diesem Ziel dient die naturnahe
Waldbewirtschaftung, bei der ökonomische, ökologische
und soziale Kriterien miteinander verknüpft werden und
für eine Balance zwischen Schutz und Nutzung der natürlichen Ressource Wald sorgen. Das Gleichgewicht zwischen
Ökonomie und Ökologie schafft mehr Lebensqualität und
steigert die Einkommensmöglichkeiten in diesem Bereich.
So trägt es zu einer größeren Attraktivität der Region bei.
Zu den allgemeinen Zielen einer nachhaltigen Forstwirtschaft zählt heute auch die langfristige Erhaltung und Entwicklung von ausreichend großen und zusammenhängenden Waldflächen. Ziel ist es, in Anlehnung an die Abläufe
im Naturwald mehrschichtig und ungleichartig aufgebaute
Wälder (Mischwälder) zu erhalten und zu entwickeln, die
einen hohen Anteil an alten Bäumen sowie einen angemessenen Totholzanteil aufweisen. Hinzu kommen die
Erhaltung seltener und gefährdeter Waldgesellschaften
sowie der Verzicht auf Kahlschläge aus ökologischen und
ökonomischen Gründen.
In den regional verteilten Naturwaldzellen des Landes
Nordrhein-Westfalen wird zudem die natürliche Entwicklung des Waldes veranschaulicht. Diese Zellen wurden als
Forschungsobjekte zur Beobachtung ungestörter Waldentwicklung in Beständen ausgeprägter Naturnähe – in
denen keine Nutzung mehr erfolgt – eingerichtet. In der
Region verteilen sie sich vor allem auf die Großlandschaften der Mittelrheinischen Pforte, des Bergischen Landes
und der Ville.
Betrachtet man die Nutzfunktion des Waldes, so steht
die Produktion von Holz zur stofflichen Verwendung
Fachbeitrag Forstwirtschaft
in der Säge-, Holzwerkstoff- und Papierindustrie weiterhin im Vordergrund. Sie wird jedoch zukünftig um
neue Nutzungsformen erweitert, die einer Stärkung des
Wirtschaftsfaktors Holz in der Region dienen werden
– beispielsweise die Verwertung von Holz zur Energie
erzeugung. Um die verschiedenen Schutz- und Nutzungsfunktionen des Waldes der Bevölkerung näher zu bringen,
hat es sich die Landesforstverwaltung gemeinsam mit
Partnern zur Aufgabe gemacht, Informationsangebote zu
Natur und Umwelt – insbesondere zum Thema Wald und
Holz – anzubieten. Diese ermöglichen ein Heranführen der
Menschen in der Metropolregion Köln/Bonn an das Thema
Wald. In diesem Zusammenhang stellt die Etablierung
von Waldinformationszentren eine große Herausforderung dar. Darüber hinaus ist es ein wichtiges zukünftiges
Handlungsfeld, die Nutzung des Waldes für Freizeit und
Erholung weiter zu entwickeln und – wenn notwendig –
sinnvoll zu lenken.
Für die Region lässt sich aus den dargestellten Aufgaben
und Herausforderungen eine Reihe von Qualitätszielen ableiten. Hervorzuheben sind die Erhaltung der vorhandenen
Waldflächen, die Waldvermehrung auf landwirtschaftlich
ertragsschwachen Standorten sowie die Erhaltung und
Einrichtung von Waldnaturschutz- und Walderlebnis
gebieten. Zugleich geht es aber auch darum, Angebote zur
waldbezogenen Umweltbildung zu schaffen, die Freizeitund Erholungsnutzung des Waldes zu leben und last but
not least die Bedeutung des Wirtschaftsfaktors Holz in der
Region zu erhöhen.
Letztlich steht bei allen Qualitätszielen im Vordergrund,
den Wald als wichtige natürliche Ressource im Sinne einer
multifunktionalen Forst- und Landwirtschaft zu stärken.
Dabei treten in den einzelnen Teilregionen unterschiedliche Schwerpunktthemen und Konflikte auf.
83
Das Bergische Land: Die Offenheit erhalten
Im Bergischen Land müssen aus forstwirtschaftlicher
Sicht vor allem die vorhandenen Waldflächen erhalten
werden. Es bestehen seitens der Forstwirtschaft keine
Bestrebungen zur weiteren Ausdehnung der Waldflächen
– auch, um hier Konflikte mit der Landwirtschaft und dem
Biotop- und Artenschutz zu vermeiden.
Probleme können allerdings auftreten, wenn Natur
und Landschaft – beispielsweise aufgrund von starker
Siedlungs- und Gewerbeentwicklung – weitere Flächen
entzogen werden, für die an anderer Stelle ein Ausgleich
geschaffen werden muss. Sollten in diesem Zusammenhang Ersatzaufforstungen erfolgen, so müssten sie so
vorgenommen werden, dass das „Gesicht“ der halboffenen
Mittelgebirgslandschaft gewahrt bleibt. Für die Aufforstungen sollten nur Flächen ausgewählt werden, die nicht
aus landwirtschaftlicher Sicht oder aus Sicht des Biotopund Artenschutzes offen gehalten werden müssen.
Um möglichst naturnahe Waldbestände zu sichern und
zu entwickeln, wird seitens der Forstwirtschaft im Bereich
des Privatwaldes versucht, Laubwald zu fördern und so
eine zu hohe Verdichtung der ökonomisch ertragreicheren
Fichtenbestände zu verhindern. Nur auf diesem Wege
kann das Ziel einer naturnahen Waldbewirtschaftung
realisiert werden. Ein zusätzlicher Aspekt ist dabei, den
„typisch bergischen Charakter“ des Waldes zu bekräf
tigen, beispielsweise durch die Begünstigung von Laub
bäumen im Waldrand von Nadelbaumbeständen.
Vor allem im Bergischen Land – aber auch in anderen
Teilregionen – spielen die Themen der energetischen
Nutzung von Holz sowie der Umweltbildung und Waldinformation eine sehr wichtige Rolle. Neben dem Holz-
hackschnitzelheizwerk in Gummersbach-Lieberhausen
(vgl. Fachbeitrag Ressourcenlandschaft, Seite 86) sind
weitere Modellprojekte zum Thema Bauen und energetische
Nutzung von Holz bereits in Planung. Gleiches gilt für
den Themenbereich Waldinformation. Beispielhaft seien
hier das Holzhackschnitzelheizwerk in Emminghausen
(Wermelskirchen) mit dem dazugehörigen Nahwärmenetz
zur Versorgung von rund 60 Wohneinheiten, das Holzhackschnitzelheizwerk in Rösrath am Rand der Wahner Heide
sowie das Waldinformationszentrum Forsthaus Steinhaus
im Königsforst genannt. Letztgenanntes dient zugleich als
Besucherportal für die wertvolle Kulturlandschaft Wahner
Heide/Königsforst.
Die Landschaft von Börde und Ville: Vernetzung und
Renaturierung
In der Ville, wo in der Vergangenheit große Bereiche von
Altwäldern für den Braunkohletagebau verloren gingen,
stellt die Waldvermehrung über die Renaturierung der
ehemaligen Braunkohleflächen ein wichtiges Thema dar.
Dieses ist auch in der Börde von Bedeutung, vor allem
dort, wo schlechtere und für die ackerbauliche Nutzung
nicht so geeignete Böden vorzufinden sind. Interessant ist
in diesem Zusammenhang das bundesweit beispielhafte
Waldvermehrungsprogramm des Rhein-Erft-Kreises, mit
dessen Unterstützung in den Jahren 1993 bis 2009 über
eine Million neue Laubbäume und Sträucher gepflanzt
wurden. So konnte eine Fläche von 212 Hektar aufge
forstet werden. Das Programm wird weiter fortgeführt –
so sind allein für 2010 weitere Aufforstungen auf einer
zusätzlichen Fläche von zehn Hektar geplant.
Ein zweites Thema im Bereich Börde und Ville ist es, den
Wald als vernetzendes Landschaftselement zu fördern. Um
dabei mögliche Konflikte mit der Landwirtschaft zu vermei-
84
den, sollte hier eine intensive Abstimmung stattfinden. Die
Maßnahme trägt dazu bei, die vorhandenen Waldkorridore
als vernetzende Elemente der Kulturlandschaft weiterzuentwickeln und eventuelle Lücken durch Aufforstung zu
schließen.
Der Ballungsraum Rhein-Sieg:
Druck durch Siedlung und Erholung
Im Ballungsraum Rhein-Sieg ist der Wald einem sehr
großen Druck durch die Ausdehnung der Siedlungsflächen
und die Nutzung für Freizeit und Erholung ausgesetzt.
Bezüglich der Siedlungsentwicklung geht es darum, ein
immer tieferes Vordringen der Besiedlung in die Randbereiche des Waldes zu verhindern, um so das gerade in den
hier sehr sensible Ökosystem nicht weiter zu gefährden.
Aus Sicht der Forstwirtschaft sollten die noch vorhandenen Pufferzonen zwischen Bebauung und Wald in jedem
Falle erhalten werden. Grundsätzlich darf kein Flächenverbrauch mehr erfolgen, der diese Zonen gefährdet.
Vor allem in den stadtnahen Wäldern um Köln und Bonn
sorgt der Druck durch Freizeit und Naherholung für
Nutzungskonflikte. Hier besteht die Aufgabe darin, die
verschiedenen Formen der Waldnutzung sinnvoll zu steuern
und entsprechende Konzepte der Besucherlenkung zu
entwickeln und umzusetzen. Dabei ist eine Verknüpfung
mit Angeboten der Waldinformationen und des Wald
erlebnisses sinnvoll, um die Erholungssuchenden an die
Thematik des Waldes heranzuführen.
In unmittelbarer Nähe wertvoller Kulturgüter sollten zudem
Sichtachsen auf Bauwerke – beispielsweise in der barocken
Schlösserlandschaft zwischen Köln und Bonn – freigehalten
und gegebenenfalls erweitert werden. Andererseits gelten
einzelne Waldbereiche – zum Beispiel die alten Eichenbe-
Fachbeitrag Forstwirtschaft
stände im Kottenforst sowie Teile des Königsforstes und
der Wahner Heide – selbst als kulturelles Erbe. Sie sind
charakteristisch für das Erscheinungsbild der Landschaft
und bedürfen ausgewählter Schutzmechanismen.
wird das Programm vom Ziel, die Niederwaldwirtschaft
zu erhalten und wiederherzustellen, Wärme liebende
Tier- und Pflanzenarten und Biotope zu schützen und den
Erholungsverkehr entsprechend zu lenken.
Das Thema großflächige Waldvermehrung spielt im
Ballungsraum Rhein-Sieg nur eine untergeordnete Rolle,
da es hier kaum mehr Ausbreitungsmöglichkeiten für den
Wald gibt. Diese finden sich allenfalls noch in den Auen
bereichen der Flüsse.
Eine besondere Rolle spielt auch der große Waldkomplex
des Kottenforstes, der auf eine über 1000-jährige Tradition
zurückblicken kann. Mit der beginnenden Blütezeit der
Jagd begann hier eine Periode der absoluten Sicherung
für den Wald. Dieser muss verschiedene Funktionen zugleich erfüllen – von der Waldwirtschaft über die Erholung
bis zum Naturschutz. Dabei ist es nicht immer einfach,
allen Ansprüchen gerecht zu werden. Auch im Kottenforst
dominiert die naturnahe Waldwirtschaft das waldbauliche
Konzept des Forstamtes. So werden die vitalsten und
wertvollsten Stämme alt und dick, während die schlechteren bei Durchforstungen entnommen werden. Auf diese
Art und Weise können Baumarten wie Weide, Birke oder
Eberesche speziell gefördert werden. Fichtenbestände
hingegen werden wie im Siebengebirge weitgehend durch
Laubmischwälder ersetzt.
Die Mittelrheinische Pforte:
Grünes Waldportal der Region
Das Siebengebirge und der Kottenforst sind die „Torpfosten“ des grünen Waldportals der Region. Forstliche
Hauptaufgabe im Siebengebirge ist es, den großflächigen
Wald naturnah, stabil und strukturiert zu erhalten. Als
wichtiges Qualitätsziel sollen hier landschaftliche und
naturkundliche Besonderheiten auf ökologischer Basis
gesichert und entwickelt werden. Zudem geht es darum,
die Belange des Naturschutzes mit den Wünschen der
Erholungssuchenden in Einklang zu bringen (vgl. Fachbeitrag Naturschutz und Landschaftspflege, Seite 68).
Der Schönheit der heimischen Landschaft wird daher
Vorrang vor dem wirtschaftlichem Nutzen eingeräumt.
Aus diesem Grund hat die Landesforstverwaltung ein
Zehn-Punkte-Programm entwickelt. Dieses umfasst sowohl die Förderung altersheterogener Waldbestände, die
Erhöhung der Umtriebszeiten für Laubholzbestände und
die Erhaltung von Alt- und Totholz als auch die Steigerung
des Laubholzanteils verbunden mit einem Umbau der
Fichtenbestände. Darüber hinaus sollen Wärme liebende
Baumarten wie zum Beispiel Speierling, Wildbirne und
Sommerlinde gefördert und vermehrt sowie Waldränder
nach ökologischen Kriterien gestaltet werden. Abgerundet
Neue Waldelemente in der ‚StadtLandschaft’:
Waldbrücken, Waldportale und Hochwasserschutzwälder
Im Ballungsraum Rhein-Sieg ist – wie bereits erwähnt –
eine großflächige Waldvermehrung kaum noch möglich.
Es besteht allerdings die Möglichkeit, den Waldanteil durch
kleinflächige Waldelemente zu erhöhen. Ein Beispiel sind
so genannte „Waldbrücken“ mit starken „Pfeilern“ aus
Wald, die durch waldähnliche Strukturen wie Hecken,
Allen oder Gebüsche miteinander verbunden werden.
Vor allem die Freiraumkorridore um Köln und Bonn bieten
die Möglichkeit, ausgehend vom Äußeren Kölner Grüngürtel eine Art Waldbrücke zwischen Köln und der Ville zu
Fachbeitrag Forstwirtschaft
schlagen. Dies geschieht nach dem Prinzip von Trittsteinen über kleinere Waldinseln. An ihren „Enden“ kann an
die Waldbrücke sowohl an vorhandenen Waldbeständen
der Ville und des Kölner Grüngürtels „verankert“ werden.
Derweil ist es zwischen den Brückenpfeilern möglich,
mit vorhandenen und neuen Alleen sowie Obstgehölzen,
Parkelementen, Hecken und Gebüschen Verbindungen mit
einer eingeschränkt waldähnlichen Funktion zu schaffen.
So wird die Waldbrücke erkennbar und erlebbar. Die
Brückeneingänge können zudem als Waldportale ausgestaltet werden. Um derartige Maßnahmen zu realisieren,
bedarf es jedoch stets eines Einverständnisses seitens der
Landwirtschaft sowie einer engen Zusammenarbeit mit
deren Akteuren.
Mit dem im Rahmen der Regionale 2010 geplanten Dritten
Grüngürtel und seinen großen Waldflächen im rechts- und
linksrheinischen Köln sowie dem ,Grünen C’ im Norden
Bonns entsteht ein zusätzliches attraktives Angebot für
die Menschen der beiden genannten Städte. Dies wird den
Zustrom der Freizeit- und Erholungssuchenden erhöhen –
zugleich erfordert es neue Ideen zur Lenkung der Besucherströme. Ein probates Mittel könnte hier die Einrichtung von Waldportalen am Königsforst, an der Wahner
Heide und an der Ville sein. Das Prinzip ist einfach: An
ausgewählten Orten können mit waldbaulichen Maßnahmen charakteristische und touristisch reizvolle Wald
portale aufgebaut werden, die sowohl Informations- als
auch Erlebnisangebote bereithalten. Sie öffnen den Weg
aus der ,StadtLandschaft’ in die naturbetonten Wälder der
freien Kulturlandschaften.
Abschließend sollte kurz auf die Situation in den Rhein
auen eingegangen werden. Hier fehlt der Platz für eine
großflächige Vermehrung von Weichholz- und Hartholz
auenwäldern, die als Hochwasserschutzwälder funk-
85
tionieren könnten. Es besteht aber die Möglichkeit,
kleinflächige Pflanzungen vorzunehmen und die Qualität
der vorhandenen Wälder zu verbessern, Zum Beispiel
indem Pappelforste in naturnahe Auenwälder „umgebaut“
werden. Darüber hinaus sollte in allen Auenbereichen,
auch in denen der Nebenflüsse des Rheins, jede Möglichkeit genutzt werden, um neue Auenwälder anzulegen, die
einen effektiven Schutz gegen Hochwasser bieten.
Energie und Walderlebnis als Zukunftsthemen
Das Beispiel der einzelnen Landschaftsräume hat bereits
deutlich gemacht, dass es über die naturnahe Bewirtschaftung des Waldes und die herkömmlichen Nutzungsformen von Holz hinaus eine Reihe von zukunftsweisenden
forstwirtschaftlichen Themen gibt. Sie tragen mit dazu bei,
die Bedeutung des Wirtschaftsfaktors Holz in der Region
zu stärken. Holz ist ein nachwachsender Rohstoff, der bei
einer nachhaltigen Bewirtschaftung der Wälder langfristig
genutzt werden kann. Um dieses Potenzial zu nutzen, sollten Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft und Handwerk in laufende Projekte eingebunden
und für die vermehrte Verwendung von Holz als Baustoff
sowie zur energetischen Nutzung sensibilisiert werden.
Auch die Bürgerinnen und Bürger der Region müssen
über die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten informiert
und beraten werden: beispielsweise durch die Einrichtung
von Holzkompetenzzentren oder verschiedene Angebote
im Rahmen der Umweltbildung für Jung und Alt.
Das Know-how zu derartigen Themen gilt es entsprechend
zu kommunizieren. Aus forstwirtschaftlicher Sicht stellt
die Öffentlichkeitsarbeit zum Thema Wald ein zentrales
Anliegen dar. Wald muss erlebbarer werden, damit das
Verständnis für die Umweltbildung verbessert werden
kann. Ein Beispiel ist die Einrichtung von Waldinforma
tionszentren, die die Funktion des Waldes als Lebensstätte
für eine vielfältige Flora und Fauna, als Lieferant für den
umweltfreundlichen Naturstoff Holz und als Erholungsund Ausgleichsraum für die Menschen in der Region
verdeutlichen.
86
Behutsamer und vorausschauender Umgang
mit Ressourcen
Ein Fachbeitrag zum Thema Ressourcenlandschaft von
Wolfgang Wackerl, Regionale 2010 Agentur
Die Herausforderung:
Nachhaltiger Umgang mit den regionalen Ressourcen
Die Metropolregion Köln/Bonn zeichnet sich durch eine
enge Verflechtung der Funktionen Wohnen, Arbeiten und
Versorgung aus. Wo so viele Menschen auf engstem Raum
leben, bedarf es eines differenzierten Systems der Ver- und
Entsorgung. Dabei lebt die Region von ihren Ressourcen
sowie dem nachhaltigen und kompetenten Umgang mit diesen. Das Rheinland verfügt über bedeutende Rohstoffvorkommen, die weit über die Region hinaus zur Versorgung
der Gesellschaft beitragen. Gleichzeitig hat die stark urbanisierte Region mit ihren über drei Millionen Einwohnern
und mehr als 300.000 Unternehmen selbst einen enormen
Ressourcenverbrauch. Im ,masterplan :grün’ geht es vor
diesem Hintergrund vor allem darum, welche Wechselbeziehungen zwischen dem Umgang mit Ressourcen und
Landschaftsentwicklung innerhalb einer stark urbanisierten Region entstehen können und wie diese zu gestalten
sind. Eine zentrale Aufgabe liegt darin, Eingriffe in Natur
und Landschaft so zu vollziehen, dass nachhaltig lebenswerte, ökologisch intakte und gleichermaßen produktive
Landschaften erhalten bleiben oder neu entstehen.
Von großer Bedeutung für die weitere Entwicklung der
Wissens- und Technologiegesellschaft ist nicht nur, ob die
83
Fachbeitrag Ressourcenlandschaft
Grundgüter weiterhin im ausreichenden Maße und in der
notwendigen Qualität verfügbar bleiben, sondern auch
auf welche Art und Weise der unvermeidbare Eingriff in
Natur und Landschaft organisiert wird. Um hier geeignete
Lösungen zu finden, braucht es ein prozessuales Denken
und Handeln, das zum einen den sparsamen Umgang,
zum anderen aber auch eine optimale und nachhaltige
Ausnutzung der vorhandenen Ressourcen thematisiert.
Denn auch wenn die Energienutzung der Braunkohle noch
bis etwa 2045 fortgesetzt wird, sind deren Ressourcen
früher oder später erschöpft. Bis dahin muss ein großer
Teil regenerativer Energien wie Sonne, Wind und Biomasse den Energiemix der Region ergänzen.
Neben der Energie ist auch das Grundgut Boden von
zentraler Bedeutung. Als notwendiges Substrat für die
Ausbildung von Vegetation ist der Boden die Grundlage für
die Produktion von Nahrungsmitteln und nachwachsenden
Rohstoffen. Bemerkenswert ist die Qualität dieses Grundgutes auf den reichen Böden der Börde (vgl. Fachbeitrag
Landwirtschaft, Seite 78).
Hinzu kommen als weitere Grundgüter Wasser und Luft.
Die Konkurrenz ums Wasser wird in globaler Perspektive
immer größer – ein Trend, der in vielen Regionen durch
den Klimawandel noch verschärft wird. Dies sollte bei
der Entwicklung der städtischen und regionalen Wasserinfrastruktur beachtet werden, auch wenn in Deutschland derzeit kein akuter Wassermangel besteht. Mit dem
Bergischen Land verfügt die Region über einen enormen
Wasserspeicher. Auch der Rhein, der die größten Wassermengen aller deutschen Flüsse in die Region trägt,
spielt diesbezüglich eine wichtige Rolle. Hieraus ergibt
Die Technische Anleitung Siedlungsabfall (TASi) regelt, wie anfallende Siedlungsabfälle verwertet, behandelt und entsorgt werden müssen.
sich zugleich eine besondere Verantwortung für einen
sorgfältigen und kompetenten Umgang mit der Wasser
produzierenden Landschaft der Region (vgl. Fachbeitrag
Wasser, Seite 58).
Das Grundgut Luft hingegen kann weder importiert noch
exportiert werden. Gleichwohl bestimmt es wie keine
andere Ressource die Gesundheit. In der Metropolregion
Köln/Bonn steht die Luftqualität in unmittelbarer Beziehung zu den städtischen und industriellen Emissionen
(vgl. Fachbeitrag Klimawandel, Seite 72). Hier gilt es,
den Stand der Technik weiterzuentwickeln und optimale
Konzepte zur Luftreinhaltung zu entwickeln. Dabei ist zu
beachten, dass Luft und Klima in einem engen Abhängigkeitsverhältnis zu den Grundgütern Wasser und Boden
stehen. So werden Wärme oder Kühle sowie Feuchtigkeit
oder Trockenheit der Luft von den umgebenden Wasserkörpern ebenso mitgeformt wie von den Böden mit ihrer
belebten Pflanzendecke und ihrem Boden- beziehungsweise Grundwasser.
Über den Umgang mit den Grundgütern hinaus stellt sich
die Frage, wie die Metropolregion Köln/Bonn künftig mit
ihren Abfällen und Reststoffen umgehen wird und ob es
ihr gelingt, daraus Wertstoffe zu generieren. Die Region
verfügt über mehrere Müllverbrennungsanlagen und Deponien. Dabei war die Ablagerung unbehandelter, organik
haltiger Abfälle nach einem Beschluss der Bezirksregie
rung Köln im Zuge der Novellierung der Technischen
Anleitung Siedlungsabfall (TASi)83 bis zum 31. Dezember
2004 befristet. Seither dürfen nur noch vorbehandelte
Abfälle deponiert werden. Vor diesem Hintergrund stehen
Deponiestandorte wie z.B. das Entsorgungszentrum Leppe
Fachbeitrag Ressourcenlandschaft
im Bergischen Land vor einer Neuausrichtung. Dies ist
auch eine Chance, eröffnet sie doch vielfältige Perspektiven einer inhaltlich-funktionalen Weiterentwicklung und
einer landschaftlichen Neugestaltung.
Im Folgenden wird das die Grundgut Energie ausführlicher
besprochen. Die Grundgüter Wasser, Nahrung, Holz und
Luft werden hier zwar kurz erwähnt, sie werden jedoch
vor allem in den Fachbeiträgen zur Wasserwirtschaft (vgl.
Seite 58), zur Land- und Forstwirtschaft (vgl. Seite 78 und
82) und zum Klima (vgl. Seite 72) behandelt.
Ressource Energie: Vom Rheinischen Braunkohlerevier
zur ‚Zukunftslandschaft Energie’
Im Städtedreieck Köln-Aachen-Mönchengladbach befindet sich das Rheinische Braunkohlerevier. Hier werden in
den drei großen Tagebauen Inden, Hambach und Garzweiler jährlich rund 100 Millionen Tonnen Braunkohle
gewonnen und zu rund 90 Prozent in Großkraftwerken
in Energie umgewandelt. Die restlichen zehn Prozent
werden in Veredelungsbetrieben weiter verarbeitet. Der
Tagebau Hambach, dessen Abbaugebiet zum Teil im
Rhein-Erft-Kreis liegt, ist mit einer jährlichen Förderung
von rund 40 Millionen Tonnen und einer Feldgröße von
8.500 Hektar der größte der drei Tagebaue. Die offene
Betriebsfläche umfasst hier über 3.500 Hektar. Aufgrund
des rückläufigen Braunkohlebergbaus in Mitteldeutschland, in der Lausitz und im Helmstädter Revier, wo die
Tagebaue zum Teil vollständig aufgegeben wurden,
ist das aktive Rheinische Braunkohlerevier in seinem
Charakter in Mittel- und Westeuropa einmalig.
84
87
Die langfristigen Abbauvorhaben erstrecken sich hier
aus heutiger Sicht bis zum Jahr 2045. Sie sind durch
rechtskräftige Braunkohlenpläne (bzw. im erforderlichen
Maße durch bergbaurechtliche Betriebspläne) planerisch
gesichert und garantieren Kohlevorräte von annähernd
vier Milliarden Tonnen84. Dies entspricht einer Versorgungsreichweite von mehreren Jahrzehnten. Etwa 41 Prozent
der nordrhein-westfälischen und knapp 13 Prozent der
bundesweiten Stromversorgung erfolgen über die rhei
nische Braunkohle. Die starken Eingriffe der Braunkohle
gewinnung in Natur und Landschaft machen große
Anstrengungen im Bereich der Rekultivierung notwendig.
Sie eröffnen aber auch die Chance, einzigartige Landschaften besonderer Qualität zu gestalten.
Vor dem Hintergrund der aktuellen Klimadebatte gewinnt die
Frage nach Möglichkeiten der Abtrennung von Kohlendioxid
aus Kraftwerksabgasen wachsende Bedeutung. Neben
den Optionen zur Speicherung von Kohlendioxid wird dabei
zunehmend über Möglichkeiten nachgedacht, Kohlendioxid
umzuwandeln und energetisch zu nutzen. Ein Ansatz liegt in
der Einbindung durch Mikroalgen, wie sie derzeit am Innovationszentrum Kohle in Bergheim-Niederaußem erprobt wird.
Hinzu kommen Strategien, die reichlich vorhandene Abwärme großer Kraftwerke besser zu nutzen, wie beispielsweise
durch so genannte Hortitherm-Anlagen: gartenbauliche
Produktionsanlagen, die Kraftwerksabwärme nutzen.
Das Qualitätsziel „Regenerative Energiesysteme nutzen“
Langfristig werden im Energiemix der „Zukunftslandschaft Energie“ regenerative Energiesysteme eine immer
stärkere Rolle spielen. Dazu gehört unter anderem die
Nutzung von Bio-, Solar- und Windenergie sowie die
Wasserstoff-Technologie und im begrenzten Umfang auch
die Nutzung der Wasserkraft. Eine weitere wichtige Energiequelle stellt das Recycling von Abfällen dar. So liegt der
Anteil der erneuerbaren Energien am Primärenergieverbrauch in Deutschland aktuell etwa bei 7,5 Prozent, der
am Endenergieverbrauch beträgt knapp 10 Prozent. Hat er
sich im letzten Jahrzehnt etwa verdreifacht, so wird für die
Zukunft ein Anstieg bis auf 25 Prozent prognostiziert.
Nachwachsende Rohstoffe werden wichtige Ressource der
Zukunft sein werden. So könnte beispielsweise die Bedeutung der Bioenergie künftig erheblich steigen. Aktuell
wird in der Region eine prototypische Anlage entwickelt,
die aus unterschiedlichen Produkten der Landwirtschaft
Biogas zur Einspeisung in ein regionales Versorgungsnetz
produzieren wird. Dabei wird die Bioenergie aus Biomasse beziehungsweise Energiepflanzen gewonnen (vgl.
Fachbeitrag Landwirtschaft, Seite 78, und Chancenfelder
zum Themengebiet Ressourcenlandschaft, Seite 86). Ein
weiterer Aspekt ist Ihre Gewinnung aus Holz, zum Beispiel
in Holzhackschnitzelkraftwerken. (vgl. Fachbeitrag Forstwirtschaft, Seite 82). Mit dem Bau eines solchen Kraftwerks ist es in Gummersbach-Lieberhausen gelungen,
ein Dorf fast vollständig unter Verwendung von Holz mit
Heizwärme und Warmwasser zu versorgen.
Auch in punkto Solarenergie hat die Metropolregion Köln/
Bonn Potenzial. So ist in unmittelbarer Nachbarschaft – in
Jülich – das erste Solar-Kraftwerk Deutschlands gebaut
worden, welches nur mit Hilfe der Sonne Strom erzeugt. Die
Nutzung der Windenergie konzentriert sich hingegen auf
Es ist davon auszugehen, dass die Förderung der Braunkohle in der Region um 2045 ausläuft. Dann sind die Vorräte zwar nicht endgültig erschöpft, sie liegen aber so tief, dass eine weitere Förderung nach heutigen Kriterien unrentabel würde.
88
die windreicheren Landschaftsbereiche, beispielsweise im
Linksrheinischen. Ideale Perspektiven, die Wasserkraft zu
nutzen, eröffnen sich im Bergischen Land, wo sich Prototypen für Kleinwasserkraftanlagen in der Testphase befinden.
Ein weiteres Qualitätsziel ist es, Technologien zu entwickelt, die aus in der industriellen Produktion anfallenden
Stoffen Energie erzeugen. Ein Beispiel sind die WasserstoffTechnologien. Sie machen den in der chemischen Industrie
anfallenden Wasserstoff auf unterschiedliche Art und Weise
nutzbar. So ließen sich allein aus Industrieanlagen in Hürth
mehr als 500 Busse oder 40.000 Personenkraftwagen
dauerhaft betreiben. Ein wichtiger Beitrag zu einer umweltfreundlichen und klimaschonenden Mobilität in der Region.
Darüber hinaus muss es künftig auch darum gehen, Abfallund Reststoffe im Sinne von Kreisläufen rückzuführen
und über eine Stoffumwandlung beispielsweise wieder
als Energie nutzbar zu machen. Aus Entsorgungszentren können Produktions- und Kompetenzstandorte der
stofflichen Wiederverwertung werden, die in transparenter
Form zu einer aktiven Auseinandersetzung mit der Thematik beitragen. Als Begleitprodukte können so Strom,
Wärme, Fernwärme, Kälte, Biogas, Ersatzbrennstoffe und
Chemierohstoffe produziert werden. Zur Stoffumwandlung
hinzu tritt hier auch das Recycling, das allerdings nicht der
Energieproduktion dient. Es bezeichnet vielmehr den Vorgang, bei dem aus Abfall ein Sekundärrohstoff entsteht.
All dies zeigt: Die Energiedimension der Metropolregion
Köln/Bonn fordert heraus. Um hier auch in Zukunft eine
85
Fachbeitrag Ressourcenlandschaft
führende Rolle zu spielen, bedarf es sowohl einer Weiterentwicklung vorhandener Technologien und Kompetenzen,
der Erprobung und Entwicklung von Innovationen sowie
der Gestaltung von ökologisch und landschaftlich wertvollen Räumen. Es geht um die Entwicklung eines überzeugenden Gesamtkonzeptes – einer „Zukunftslandschaft
Energie“, die die Region in ihrer Identität stärkt und die
laufenden Umstrukturierungsprozesse zur Gestaltung einer außergewöhnlichen und attraktiven Landschaft nutzt.
Vor allem aber gibt es der Region nachhaltige Impulse für
die Energieversorgung von morgen.
räume, Aufenthalts- und Kompetenzstandorte schafft.
Dafür bedarf es in der Region eines Systems von Proto
typen und Laboren zur beispielhaften Auseinandersetzung
mit verschiedenen Kompetenz- und Themenfeldern, die
an authentischen Forschungs- und Produktionsstandorten
einen nachhaltigen Umgang mit Ressourcen erproben.85
Zukunftsfähige ‚StadtLandschaft’: Die Gestaltung einer
nachhaltigen Ressourcenlandschaft
Für die Zukunft der industriellen Gesellschaft wird
entscheidend sein, wie wir die Herausforderung knapper
werdender fossiler Ressourcen und einer zunehmenden
Umweltbeeinflussung bei immer stärker begrenztem
Raum meistern. Folglich muss eine neue Strategie des
Umgangs mit den verfügbaren stofflichen Ressourcen
gefunden werden. Die (post)industrielle Gesellschaft ist
auf ein effizientes Stoffflussmanagement auf der Basis
erneuerbarer Ressourcen angewiesen.
Eine der zentralen Zukunftsaufgaben ist die Organisation
und Gestaltung des Stoffwechsels zwischen Gesellschaft
und Natur. Dabei geht es um eine gleichermaßen produktive wie attraktive Ressourcenlandschaft, die innerhalb
der ‚StadtLandschaft’ alle lebensnotwendigen Güter
nachhaltig zur Verfügung stellt und attraktive Lebens
Die Regionale 2010-Projekte der :gärten der technik liefern beispielhaft Antworten auf dringende Zukunftsfragen wie Stoffumwandlung und Recycling [Deponie Leppe in Engelskirchen/Lindlar – Projekt :metabolon], gesunde und
umweltgerechte Nahrungsmittelproduktion [Campus Klein-Altendorf in Rheinbach/Meckenheim – Projekt :agrohort], regionaler Wasserhaushalt [Einzugsgebiet der Dhünn – Projekt :aqualon], nachhaltige und klimafreundliche
Energiewirtschaft [Rheinische Tagebauregion – Projekt :terra nova, Industriehügel Knapsack – Projekt :chemergie], Möglichkeiten und Chancen der Kunststoff- und Produktentwicklung [Chemiestadt Wesseling – Projekt :chemtech].
Zusätzlich wird das Gesamtsystem eines geschlossenen Lebenshaltungssystems im so genannten :envihab [environmental habitat] des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in Köln-Porz erforscht.
89
90
Erholungswert als Lebensqualität und
Standortfaktor
Ein Fachbeitrag zum Thema Freizeit und Erholung
von Dr. Wolfgang Isenberg, Direktor Thomas-Morus-
Akademie Bensberg
Die Ausgangssituation: Die Region als Ausgangs- und
Zielpunkt für Erholungssuchende
Freizeit und Naherholung sind ein wichtiger Wirtschaftsfaktor und eine wesentliche, zukunftsgerichtete Entwicklungschance für die Region. Sie bieten dieser einen
Standortvorteil, für den es sich lohnt, in einen Wettbewerb
zu anderen bestehenden Raumnutzungskonzepten vor Ort
einzutreten. Damit die bestehenden Potenziale nicht nur
erkannt, sondern auch in Wert gesetzt werden können,
bedarf es eines klaren Profils der für die Freizeitnutzung
vorgesehenen Flächen. Ansonsten kann es dazu kommen,
dass konkurrierende Ideen der Raumnutzung im konkreten Ergebnis zu Nutzungen oder Mischnutzungen führen,
die für eine deutliche Ausrichtung auf die Freizeitfunktionen eher von Nachteil sind. Darüber hinaus müssen die
Chancen, die das natur- und kulturräumliche Potenzial
der Region für Freizeitnutzungen bietet, auch hinsichtlich
ihrer Marktrelevanz realistisch eingeschätzt und herausgearbeitet werden. Urlauber und Naherholungssuchende
haben ihre spezifischen Anforderungsprofile und Erwartungshaltungen. Diese sind bei der touristischen Entwicklung in differenzierter Form zu berücksichtigen.
Erholung und Freizeit sind ein Grundbedürfnis einer
modernen Gesellschaft. Dabei resultiert die Wertschöp-
86
Fachbeitrag Freizeit und Erholung
fung des Tourismus in der Region aus einem umfassenden
Ansatz, der sowohl die unterschiedlichen Teilräume als
auch stark differenzierte Angebote und Vermarktungsaktivitäten umfasst. Vor allem der Tagestourismus ist
bezüglich seiner Bedeutung und seiner regionalökonomischen Effekte neu zu bewerten. Insgesamt gesehen ist
die Region in touristischer Hinsicht privilegiert, denn sie
verfügt über eine hochwertige Freizeitinfrastruktur und
reizvolle, vielfältige und erlebnisreiche Natur- und Kulturlandschaften. Diese Vielfalt erlaubt es, sehr unterschied
liche Bedürfnisse nach Erholung und Freizeitgestaltung zu
decken: Stadt- und Kulturerlebnisse sind ebenso möglich
wie Wanderungen oder Radtouren in einem der Naturparke, der Besuch von Freizeiterlebniswelten ebenso wie das
Erleben von Industriekultur oder des täglichen Lebens auf
einem Bauernhof. Dabei liegen die Gästezahlen insgesamt
über dem nordrhein-westfälischen Landesdurchschnitt.
Prognosen zufolge werden sie im kommenden Jahrzehnt
weiter ansteigen.
Mit den Städten der Rheinschiene verfügt die Region
selbst über ein hohes Nachfragepotenzial. Sie wirkt
dabei, vereinfacht formuliert, wie eine Raumstruktur
mit zwei Geschwindigkeiten: Auf der einen Seite fungiert
die Rheinschiene als „metropolitaner Korridor“, dessen
Anziehungskraft hoch ist; auf der anderen Seite zeichnet
sich die Region östlich und westlich des Rheins durch eine
Vielzahl dezentral gelegener Räume aus.
Mit dieser räumlichen Arbeitsteilung haben sich zwei
Landschaftsstrukturen herausgebildet, die ihrerseits
eine hohe Binnendifferenzierung aufweisen. Bei vielen
Bewohnern des verdichteten Korridors besteht ein
roßes Interesse an der Natur. In diesem Zusammeng
hang hat das Bedürfnis nach „naturnahen“ Dienstleistungen auch in der Metropolregion Köln/Bonn zugenommen. Die Städter möchten in ihrer Freizeit „Natur“
erleben – sie fragen nach regionaltypischen, ökologisch
verträglich hergestellten Produkten. Umgekehrt haben die Menschen in den ländlicher geprägten Räumen
ein starkes Interesse an der urbanen Kultur. Im Sinne
des Kulturlandschaftsnetzwerkes stellt sich somit die
Herausforderung, sowohl Vernetzungen zwischen den
dezentralen Räumen und dem metropolitanen Korridor
zu schaffen als auch innerhalb der dezentralen Räume
und zwischen ihnen86.
Zugleich geht es darum, der wachsenden Bedeutung
der landschaftsbezogenen Naherholung vor der eigenen Haustür mit attraktiven Angeboten gerecht zu
werden. Grün- und Freiflächen in Natur und Landschaft
sind das eigentliche Kapital von Tourismus und Naherholung. Um ihre Erlebbarkeit zu steigern, müssen
die Grünstrukturen der Region miteinander verbunden
werden. Dabei erschließen Rad- und Fußgängerwege
und Plätze, an denen das Panorama der Landschaft, ihre
Unterschiedlichkeit und Spannung sowie die vielfältigen
Grünstrukturen erlebt werden können, den Erholungssuchenden die touristischen Besonderheiten der Region.
Die Grün- und Freiflächen sind dabei jedoch Kulisse für
verschiedene Formen der Freizeitnutzung. Parallel dazu
werden jedoch privatwirtschaftlich organisierte Vorhaben
– auch in Form von Großprojekten – zukünftig weiter an
Boden gewinnen, da die öffentliche Hand immer weniger
in der Lage sein wird, die Freizeitinfrastruktur selbst zu
modernisieren.
Zukunftsregionen überwinden diese vermeintlichen Gegensätze von Stadt und Land, Metropole und Natur, Komfort und Bewegung. Sie vernetzen die Stärken. (Horx, M. (Hrsg.) Trend-Report 2010. Kelkheim 2009)
Fachbeitrag Freizeit und Erholung
Die Herausforderung: Landschaft als Standortfaktor
Der Erlebniswert einer Landschaft ist bis heute eine der
bedeutsamen Triebkräfte des Tourismus. Landschaft kann
dabei aber nicht mit „Natur“ beziehungsweise „unberührter Natur“ gleichgesetzt werden, vielmehr ist sie immer
schon Kulturlandschaft gewesen. Damit sie wirken kann,
muss sie zugleich attraktiv und zugänglich sein. Der Landschaftsästhetik kommt somit eine ähnlich wichtige Rolle
zu wie der Landschaftsökologie. Ziel muss das gemeinsame Bestreben aller Akteure sein, intakte und zugleich
spannende Landschafts- (und Stadt)räume zu schaffen.
Dies zu gewährleisten ist die zentrale Herausforderung im
Themenbereich Freizeit und Erholung.
Über die Gestaltung und Pflege entsprechender Landschaftsräume hinaus bedarf es auch eines modernen
Erlebnisdesigns und entsprechender Angebote zur
„Bespielung der Landschaft“. Aussichtspunkte, von denen
aus ein unserem ästhetischen Empfinden nach besonders ansprechender Ausschnitt der Landschaft sichtbar
wird, haben eine lange Tradition. Vor diesem Hintergrund
muss den Besuchern der Region die Gelegenheit gegeben
werden, Landschaft „als Ganzes“ zu erleben, zum Beispiel
über Fernblicke. Diese werden oftmals mit dem sinnlichen
Erleben von Natur und Landschaft gleich gesetzt und
ermöglichen ästhetische Erfahrungen, die auch im Sinne
neuer Freizeitperspektiven – zum Beispiel in therapeutischen Landschaften – von Bedeutung sind. Eine wertvolle
Hilfe kann dabei auch der interaktive Freizeitplaner der
Metropolregion Köln/Bonn sein. Er ermöglicht es, zu fast
50 Fernblicken in der Region zu gelangen und diese mit
anderen Freizeitaktivitäten zu kombinieren87.
87
91
Die Ausführungen zeigen: Eine touristische Nutzung setzt
nicht nur eine ökologisch intakte Natur voraus, sondern
auch eine „schöne“ Landschaft als Lebens- und Erlebnisraum. Daher sollte die landschaftsästhetische Dimension
als Gegenstand regionalplanerischer Zielaussagen neben
den aktuell eher ökologisch ausgerichteten Naturschutzstrategien stärker im Blick behalten werden. Diese
Perspektive geht einher auch mit der Betonung der Wahrnehmung von Landschaft als „schauendes“ Erlebnis. Ein
besonderes Augenmerk ist auf die Gestaltung der Übergänge in der Landschaft zu richten. Vor allem dort, wo
Stadt und Land, Feld und Wald, Wiese und Siedlung aufeinander treffen, wird das Charakteristische der jeweiligen
Landschaft deutlich wahrgenommen. Folglich sind gerade
diese Bereiche von Beeinträchtigungen freizuhalten.
Vertikale und horizontale Verknüpfung von Angeboten
Erfolgreiche Tourismusprojekte setzen intelligente
Angebots- und Organisationsformate voraus, die sowohl
horizontale als auch vertikale Vernetzungen forcieren.
Dahinter steht der Gedanke, Nutzungskorridore ähnlich
der Kulturlandschaftskorridore zu schaffen, um den
Anschluss an andere Räume herzustellen, zum Beispiel in
der Rheinschiene und darüber hinaus.
Für eine horizontale Vernetzung bieten sich Objekte des
kulturellen Erbes sowie in der Region vorhandene Wasserläufe oder alte, wieder sichtbar gemachte Handelswege an. Besondere Bedeutung erhalten die Routen und
Korridore, wenn an ihnen so genannte „Knoten“ mit einer
Verdichtung von Angeboten gestaltet werden: Dies können
beispielsweise Museen sein, die als Ausgangspunkte einer
Beschäftigung mit der Region über abwechslungsreiche,
vernetzte sowie klar und einheitlich beschilderte Wege
miteinander verbunden sind.
Eine vertikale touristische Perspektive hingegen verfolgt
die Verknüpfung verschiedenartiger Angebote in einem
prägnanten Raum. Ein gutes Beispiel hierzu liefern die
Klosterlandschaften von Altenberg und Heisterbach. Dabei
werden Natur und Kultur sowie Landschafts- und Kulturgenuss über Themenrouten mit einer regional geprägten
Gastronomie und Hotellerie verknüpft. Ein Ansatz, der
auch im Sinne der Wertschöpfungskette interessant ist.
Ob horizontale oder vertikale Vernetzung – um eine touristische Entwicklung im Sinne des Kulturlandschaftsnetzwerkes zu erreichen, ist eine über kommunale Grenzen
hinausgehende Planungsperspektive zwingend notwendig,
sowohl bei öffentlichen als auch privatwirtschaftlichen
Vorhaben. Nur sie gewährleistet, dass sowohl sektorale
als auch räumliche Entwicklungen und Prozesse aufeinander abgestimmt und nachhaltig erfolgreich sind.
Neue Perspektiven durch therapeutische Landschaften
Neue Impulse für das Freizeit- und Erholungsangebot der
Metropolregion Köln/Bonn können im Bereich des Gesundheitstourismus erwachsen. Eine zentrale Rolle spielt dabei
der Begriff der „Therapeutischen Landschaften“. Er geht der
Frage nach, wie und in welcher Form die Natur einen Einfluss auf die Gesundheit von Menschen hat. Grundgedanke
ist, dass eine intakte Natur sowie eine harmonische Landschaft zum Wohlbefinden und damit zur Gesunderhaltung
des Menschen beitragen. Medizinische Untersuchungen be-
Die Aussichtspunkte lassen sich direkt in einer Karte bzw. in einer Liste ausdrucken und bei Touren durch das Rheinland als Übersichtspunkte einplanen (siehe auch www.freizeitplaner2010.de/ de/kategorien/natur).
92
legen dies. Sie zeigen, dass allein der Anblick einer schönen
Naturszenerie stimmungsaufhellend sein kann und sowohl
Hirnströme als auch Hormone und Botenstoffe beeinflusst.
„Therapeutische Landschaften“ zeichnen sich demnach
durch eine ästhetische Landschafts- und Naturkulisse, aber
auch eine hohe Dichte an spirituellen Orten mit Einrichtungen wie Kirchen, Klöstern, Stiften und Bildungshäusern
aus. Hinzu kommt die reichhaltige Ausstattung mit gesundheitsfördernden Institutionen, die vorwiegend der Erholung
dienen. Das Konzept pointiert die gesundheitsfördernde und
therapeutische Wirkung des Naturerlebens – es ermöglicht
vor allem ländlich geprägten Räumen neue Perspektiven
im Tourismus. Neben den Kur- und Gesundheitsorten im
Oberbergischen Kreis und im Rhein-Sieg-Kreis weist hier
das Siebengebirge besondere Begabungen auf, insbesondere
weil es die Möglichkeit bietet, den Aspekt der Bewegungsmit dem einer ,LernLandschaft’ zu kombinieren.
Kulturlandschaft als ,LernLandschaft’
Die Idee der „Kulturlandschaft als LernLandschaft’ wird
zunehmend populärer, da die Menschen zukünftig ihre
Freizeit mehr als Lern- und Erlebniszeit nutzen werden als
bisher. Es wird darum gehen, die Kulturlandschaft in all
ihren Facetten zu erfahren. Dabei erzählt diese immer auch
Geschichten. So geben die sichtbaren Zeichen in der Kulturlandschaft vor allem über ihre Vergangenheit Auskunft.
Sie liefern eine Vielzahl an Informationen, die es zu „heben“
gilt, beispielsweise zur Industriehistorie im Siebengebirge
oder im Bergischen Land. Diese Informationen sollten auf
ansprechende und zeitgemäße Art und Weise vermittelt werden, zugleich müssen die Menschen in der Region aber auch
entsprechend sensibilisiert werden, so dass ein Verständnis
für „Kulturlandschaft als LernLandschaft“ entsteht. Durch
das Eingehen auf sichtbare und unsichtbare Bezüge können
Fachbeitrag Freizeit und Erholung
neue Zugänge zur Landschaft und eine neue Beschäftigung
mit dem Thema Heimat forciert werden. Betrachtet man dies
vor dem Hintergrund, dass die Bedeutung der Naherholung
auch weiterhin ansteigen wird, ließen sich hier Ansätze entwickeln, die die in der Landschaft verborgenen Geschichten
aufspüren, thematisch abbilden sowie erlebnismäßig aufbereiten, um so eine „Exotik der Nähe“ zu schaffen – ein neues
Verständnis für die Landschaft vor der eigenen Haustür.
Qualitätsziele für Freizeit und Erholung
Natur- und Kulturerlebnis sind die wesentlichen Motoren
für Tourismus und Naherholung. Hinzu kommt die Gesundheitsvorsorge, zum Beispiel in Form von Kuraufenthalten.
Den Bedürfnissen von Wanderern, Radfahrern und Reitern,
aber auch von Wassersportlern ist insofern Rechnung zu
tragen. Die hier formulierten Qualitätsziele für die weitere
Entwicklung von Freizeit und Erholung in der Metropol
region Köln/Bonn sind als Ausgangspunkt eines breit angelegten Diskussionsprozesses zu verstehen. Sie dienen dazu,
einen nachhaltigen Tourismus in der Region zu gestalten,
der den naturräumlichen, kulturellen, ökonomischen,
sozialen und ästhetischen Erfordernissen Rechnung trägt.
Dabei wird es zukünftig in erster Linie darum gehen, Bereiche auszuweisen, die eine bereits vorhandene, intensive
Freizeitnutzung besitzen. Gleichzeitig müssen aber auch die
Bereiche identifiziert werden, die das Potenzial dazu haben,
und andere, in denen die Freizeitnutzung hinter konkurrierenden Nutzungsansprüchen zurücktreten sollte.
Qualitätsziel Naturerlebnis: Einblicke gewähren –
sensible Zonen schützen
Grundlage des Naturerlebnisses sind die Kulturlandschaften mit ihren Wäldern, Wasserflächen und Naturparken.
Angesichts des Nutzungsdrucks in der Region ist hier vie-
lerorts ein Interessenausgleich zwischen Naturschutz und
Tourismus herzustellen. Dieser sollte nur in Ausnahmefällen über ordnungsrechtliche Regelungen vorgenommen
werden. Besser geeignet sind Formen des Besuchermanagements, vor allem die Lenkung der Besucher mittels
attraktiver Angebote. Eine steuernde Funktion besitzen
dabei beispielsweise die Wegeführung und -qualität, die
Beschilderung sowie die Anlage von Beobachtungsstationen, Parkplätzen, Informationspunkten oder natürlichen
Hindernissen. Das bedeutet: Reizvolle Einblicke in die
Natur sollten einerseits gestattet werden, zum anderen
gilt es jedoch, sensible Zonen von Störungen freizuhalten.
Ein Ansatz dazu könnte eine detaillierte Landschaftsanalyse
sein, die dazu beiträgt, die touristische Infrastruktur zu verfeinern. So können zum Beispiel geeignete Routen für selbstführende Pfade gefunden werden. Angebote zur Interpretation von Landschaft wie Beobachtungshütten, Bohlenwege
oder geführte Wanderungen ermöglichen Einblicke in Bereiche, die zum Großteil unberührt bleiben. Viele Argumente
sprechen zudem dafür, Rangersysteme und Besucherzentren
aufzubauen. Beide dienen der Wissensvermittlung, verbessern die Erfahrbarkeit und Vermarktung der Landschaft und
ermöglichen eine effiziente Besucherlenkung.
Gleich drei Naturparke sind in der Region ausgewiesen: der
Naturpark Siebengebirge, der Naturpark Rheinland und der
Naturpark Bergisches Land. Für das Siebengebirge ist aufgrund der langen touristischen Tradition und der Überschaubarkeit ein Profil im Bewusstsein der Bevölkerung verankert.
Im Naturpark Rheinland und im Bergischen Land sieht die
Situation etwas anders aus: Hier sorgen die flächenmäßige
Ausdehnung und Heterogenität der Landschaften dafür,
dass das Bewusstsein, im Naturpark zu leben, weniger
verbreitet ist. Daher ist es notwendig, das Profil der beiden
Naturparke zu schärfen, indem das Charakteristische der
Fachbeitrag Freizeit und Erholung
jeweiligen Landschaftsräume herausgearbeitet und erlebbar
gemacht wird. Eine Vernetzung und Professionalisierung
der Vermarktung erlaubt es auch Nischenanbietern, ihre
Angebote zu platzieren und damit lukrativ zu machen. In
diesem Zusammenhang geht es nicht nur um ökologische
und kulturelle, sondern auch um ästhetische Qualitäten. Sie
schaffen erst die Bilder im Kopf, die zu einem Besuch reizen
und bestimmte touristische Nutzungen implizieren. So legt
die Vorstellung eines Waldes beispielsweise die Idee einer
Wanderung nahe, das Bild eines Schlosses die einer Besichtigung. Mit einem See hingegen verbinden wir den Wunsch
zu baden oder Wassersport zu betreiben.
Wasser ist mit Erholung untrennbar verbunden. Flüsse,
Bäche, Seen und (Thermal-) Quellen sind mit Blick auf
ihre Sauberkeit, Zugänglichkeit und Erlebnisqualität eine
wichtige Ressource im Tourismus. Will man die Tourismusperspektive der Region neu bewerten, so verdienen auch
die Mineralwasserquellen Beachtung, auch wenn sie ökonomisch unter einem starkem Druck stehen. Prinzipiell gilt,
dass Wandern oder Radfahren am Wasser, Wasserspielplätze, Angeln, Bootstouren und weitere Nutzungsformen stets
einen Ausgleich zwischen räumlichen Nutzungskonzepten
bedingen. Neue Formen der Inwertsetzung sollten den
Umgang mit der Ressource Wasser kennzeichnen, auch in
den ausgekiesten Bereichen oder hinsichtlich der Nachfolgenutzungen im Braunkohletagebau. In der Region bietet
sich diesbezüglich eine Vielzahl von Chancen, für deren
sozial- und umweltverträgliche Nutzung noch Entfaltungsspielräume bestehen (vgl. Fachbeitrag Wasser, Seite 58).
Qualitätsziel Kulturerlebnis:
Verbindungen schaffen Verständnis
Ein weiteres Qualitätsziel befasst sich mit dem Kulturerlebnis. Dieses macht sich für Erholungssuchende nicht
93
nur an Bauwerken und Museen fest, sondern zum Beispiel
auch an den Spuren historischer und aktueller Industrie
kultur. Eine wichtige Rolle spielt zudem die bäuerlich
geprägte Landwirtschaft sowie zunehmend Orte, an
denen Wissenschaft zum Erlebnis wird. Dabei gilt: Nur
im Zusammenspiel der verschiedenen Aspekte kann die
Bedeutung der Kulturlandschaft in ihrer Tiefe vermittelt
und nachhaltig erhalten werden.
Kulturdenkmale sind – nicht nur in den Städten - wichtige Standortfaktoren für den Freizeit- und Erholungswert
einer Region. Auch hier sieht der Tourist in erster Linie
die ästhetische Qualität. Der tatsächliche historische oder
kulturelle Wert tritt dahinter zurück – ähnlich wie der
ökologische Wert in der Natur. Resultat ist, dass die Erlebbarkeit von Kulturgütern gewährleistet oder verbessert
werden muss. Deshalb sollten beispielsweise Sichtachsen
freigehalten, Straßenbezüge erhalten und ästhetische
Störungen abgewendet werden (vgl. Fachbeitrag Kulturelles Erbe, Seite 62).
Aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung des Städtetourismus ist die Erhaltung der touristischen Attraktivität in
den Städten der Region von hoher Priorität. „Sightseeing“,
„Atmosphäre“ und „Shopping” sind die Hauptmotivationen für Städtereisende: Sie wollen Sehenswürdiges
und Erlebenswertes genießen, in Atmosphäre baden
und in angenehmem Ambiente das Zeitgefühl verlieren.
Der Stadttourist bummelt und flaniert. Er möchte dabei
mehr Gefühle als Waren mitnehmen und nebenbei seine
Einkäufe erledigen. Dabei werden Veranstaltungen jeder
Art als Anlass für eine Städtereise immer wichtiger. Dies
kann ein Musical, ein Marathonlauf, eine Kunstausstellung
oder eine Messe sein. Großevents können allerdings das
Charakteristische und die „Atmosphäre“ einer Stadt nicht
ersetzen. Daher kommt der Pflege des Stadtbildes und
dessen Erhalt beziehungsweise Entwicklung eine wichtige
Bedeutung zu. Sie trägt dazu bei, einer Vereinheitlichung
und „Verkrustung“ entgegenzutreten. Darüber hinaus stellen auch Investitionen in etablierte Kultureinrichtungen
eine notwendige Voraussetzung dar, um die touristische
Attraktivität der Städte zu sichern.
Im Rahmen der Industriekultur eröffnet vor allem das
Thema Bergbau touristische Potenziale. So kann im
Bergischen Land mit seinen Anlagen aus der frühen Zeit
der Industrialisierung eine professionellere und vernetzte
Vermarktung dazu führen, eine Zielgruppe für besondere
Angebote zu erschließen. Ein Beispiel könnten industriehistorische Wanderungen sein. Ansätze hierzu bieten die
bestehenden Netzwerke. Im Bereich des Braunkohletagebaus der Ville steht zurzeit noch der Freizeitwert der
Badeseen im Vordergrund. Ideen zu einer Vermittlung
der Industriekultur gibt es auch hier. Noch jedoch ist das
Außergewöhnliche und Erhaltenswerte einer von Menschhand vollkommen umgestalteten Landschaft wie der des
Braunkohletagebaus nur schwer vermittelbar. Langfristig
wird es hier wichtig sein, die Spuren des Tagebaus zu
sichern und Ansätze zu einer zukünftigen touristischen
Inwertsetzung der riesigen Areale zu entwickeln.
Ein weiterer Aspekt des Kulturerlebens ist das Wissenschaftserlebnis für Touristen und Erholungssuchende.
Seine Bedeutung nimmt kontinuierlich zu. Dabei liegt die
Stärke der Standorte in der Region vor allem in dem am
Ort gebundenen und erfahrbaren Wissen. Die Authentizität der Orte ist ihr Zukunftspotenzial, das bei künftigen
Konzeptionen bewahrt und gestärkt werden sollte. Das gilt
insbesondere für den Umgang mit Freizeit- und Erlebniswelten, wird doch mit ihnen die Idee von „künstlichen
Welten“ assoziiert, während die authentische Kulturlandschaft außen vor bleibt. Die Region muss sich auch
94
dieser Entwicklung stellen, denn die wachsende Freizeitorientierung, die Pluralisierung von Lebensstilen und die
Erlebnissehnsucht der Konsumenten bilden den Motor
für den Erfolg und die zunehmende Akzeptanz künstlicher
Erlebniswelten. Um hier steuernd eingreifen zu können,
sollte die Genehmigung derartiger Anlagen immer an
strenge Qualitätsanforderungen geknüpft sein, die sich
aus dem Natur- und Kulturerbe ableiten.
In den ländlichen Räumen der Region – insbesondere dort, wo die Bodenqualität nicht besonders hoch ist
sowie in Nähe der Städte – bietet der Agrotourismus den
Landwirtinnen und Landwirten zusätzliche Einkommensmöglichkeiten. Längst geht es dabei nicht mehr nur um
den klassischen „Urlaub auf dem Bauernhof“. Besonders
im Bereich der Naherholung wird das Angebot ständig
erweitert: Hofläden und Bauerncafés, Maislabyrinthe,
organisierte Kindergeburtstage oder Selbstpflückaktionen
bieten sich als Freizeitangebote und Ausflugsmotivationen
an. Eine Entwicklung, bei der die regionale Vermarktung
zunehmend mit dem Erlebniswert authentischer Landschaften verknüpft wird. Derartige Tendenzen sollten
weiter unterstützt werden, nutzen sie doch gleichermaßen
Erholungssuchenden und Landwirten und tragen somit
zum Erhalt der Kulturlandschaft bei (vgl. Fachbeitrag
Landwirtschaft, Seite 78).
Fachbeitrag Freizeit und Erholung
der Angebote vorzuziehen. Die Herausforderungen an
eine ansprechende moderne Architektur und ästhetische
Gestaltung bleiben jedoch bestehen.
Eine besondere Situation gibt es im Bereich Camping
und Caravaning, da hier eine Infrastruktur bereitgestellt
werden muss, um „wilde“ Formen zu vermeiden. Erforderlich sind Campingplätze oder besonders ausgewiesene
Flächen. Vor dem Hintergrund, dass bei allen Formen
des Freizeitwohnens die Nähe zu Natur und Landschaft
– insbesondere zu „schöner Landschaft“ – eine dominierende Rolle spielt, ergeben sich Konsequenzen für
die Flächennutzungen. Ziel sollte es sein, dabei neben
wirtschaftlichen Interessen immer auch Umweltbelange
zu berücksichtigen.
Qualitätsziel Gesundheits- und ,LernLandschaften’ als
neue Perspektiven
Qualitätsziel Freizeitwohnen: Bestehende Angebote
stärken
Auch die neuen Tourismusperspektiven im Sinne von
therapeutischen Landschaften und ,LernLandschaften’
sollten sich an entsprechenden Qualitätszielen orientieren.
In diesem Bereich verfügt die Region prinzipiell über gute
Voraussetzungen. Um diese auch zu nutzen, bedarf es
jedoch neuer Betrachtungsweisen und eines „Aufräumens“
von beeinträchtigten Landschaften. Nur so lassen sich Konflikte – beispielsweise ästhetischer Art – vermeiden und die
Chancen der neuen Aktionsfelder nutzen – beispielsweise,
indem Kulturlandschaft als Seh-Erlebnis erlebbar wird.
Die Schaffung von Übernachtungsmöglichkeiten erschließt
wirtschaftliche Potenziale und macht die Region aus
touristischer Sicht attraktiver. Dabei ist ihre Förderung
in bestehenden Hotels, Pensionen, Privatunterkünften,
Ferienanlagen und Ferienwohnungen flächenneutral.
Aus diesem Grund ist sie der Neuanlage entsprechen-
Ein Beispiel sind die Fernblicke (,RheinBlicke’). Es ist ein
wesentliches Ziel des Masterplans, hierzu notwendige
Sichtachsen freizuhalten oder neu zu schaffen. Zugleich
geht es darum, eine Infrastruktur zu entwickeln, die dem
Anspruch der therapeutischen Landschaften gerecht wird.
Bezüglich der ,LernLandschaften’ hingegen stehen das
Verständnis für und der Zugang zu den Landschaften im
Vordergrund. Hierzu sollten sowohl ein entsprechendes
Raumerlebnisdesign als auch moderne und didaktisch
ansprechende Konzepte der Informationsvermittlung
realisiert werden, die den heutigen Seh- und Hörgewohnheiten entsprechen.
Qualitätsziel Revitalisierung von touristischen Orten
Die zuvor beschriebenen neuen Perspektiven spielen auch
im Sinne einer Revitalisierung touristischer Orten in der
Region eine wichtige Rolle. Exemplarisch sei das Siebengebirge genannt, wo es darum geht, eine traditionsreiche
Tourismusdestination in neuer Form als „BewegungsLandschaft“ für Wandern, Radfahren und Naturerfahrung
sowie als ,LernLandschaft’ zu etablieren. Dabei spielen
Aspekte wie die Rheinromantik und ihre räumlichen
Bezüge, die Klöster und ihre Raumnutzungen, aber auch
Naturbeobachtung, Geotourismus und Kulturgeschichte
(Denkmäler) eine entscheidende Rolle.
Nach Jahrzehnten des schleichenden touristischen
Bedeutungsverlustes in Orten wie beispielsweise Königswinter eröffnen die Projekte der Regionale 2010 hier und
im gesamten Siebengebirge die Chance, sich mit einem
modernisierten räumlichen Erscheinungsbild, einem
profilierten Landschaftskonzept, einem neuen inhaltlichen
Profil und pointierten Angebotssegmenten als Tourismusdestination zurückzumelden. Indem sie die lange
Tourismustradition dieses Raumes mit neuen, zukunftsweisenden Nutzungsformen von Freizeit und Erholung
kombinieren, kann nicht nur eine „Aufwertung“ der
Landschaft, sondern auch ein wirtschaftlicher Mehrwert
für die gesamte Region erwachsen. Dies wäre zugleich
ein wichtiger Impuls für das touristische Gesamtprofil der
Metropolregion Köln/Bonn.
95
96
Stromlage Rhein – Neue Dynamik am Fluss
Ein Fachbeitrag zum Querschnittsthema Rhein und seiner
Bedeutung für die Raumentwicklung in der Region von
Christoph Hölzer und Carolin Lüke, Regionale 2010 Agentur
Die Herausforderung: Die Region und der Fluss –
ein ambivalentes Verhältnis wird neu definiert
Der Fachbeitrag Rhein versteht sich als „Querschnittsbeitrag“, der den regionalen Kulturlandschaftsraum Rhein in
seinen vielfältigen Strukturen beschreibt und in die damit einhergehenden Herausforderungen und Potenziale einführt88.
Das Rheinland zwischen Bad Honnef im Süden und Leverkusen im Norden hat eine durchaus zwiespältige Beziehung zum Rhein, der in diesem Abschnitt überwiegend von
geschlossenen Stadt- und Siedlungsgebieten geprägt ist. In
Bonn und Köln ist der Strom zwar ein nicht wegzudenkendes
Gestaltungselement der Stadt, das Verhältnis zum Rhein ist
in beiden Großstädten jedoch an vielen Stellen ungeklärt. Vor
allem außerhalb der Innenstädte ist es in einigen Bereichen
durchaus problematisch. Dies äußert sich auch darin, dass
viele Rheinanlieger dem Fluss den Rücken zukehren und weite Bereiche von der Industrie besetzt und damit nicht zugänglich sind. Dort, wo zum Beispiel rheinnahe Fußwege existieren,
sind diese häufig eher lieblos gestaltet. Eine gemeinsam
artikulierte Haltung der Region zum Rhein ist nicht erkennbar.
Das ist erstaunlich, denn obwohl der Rhein sich um
Kommunalgrenzen nicht schert und Hochwasser oder die
88
89
Fachbeitrag Querschnittsthema Rhein und seine Bedeutung für die Raumentwicklung in der Region
starke Frequentierung seiner Ufer alle Anlieger betreffen,
fehlt es noch an einer gemeinsamen Handlungsperspektive, die die Städte und Gemeinden in ihrem Umgang mit
dem Strom leiten könnte. Langfristiges Ziel der Region
Köln/Bonn muss es daher sein, zu einem gemeinsamen
Verständnis und Raumbewusstsein in ihrem regionalen
Rheinraum beizutragen. Dabei geht es darum, die kom
plexen Auswirkungen des Flusses auf den Raum als Gestaltungsaufgabe zu formulieren.89 Zudem sollte die hohe
Dichte verschiedener, einander überlagerter Funktionen
als Bereicherung gesehen werden. Ziel muss es sein, den
Rhein und seine Ufer als »Schaufenster« der Region zu
gestalten. Eine zusätzliche Herausforderung liegt darin,
die unterschiedlichen Nutzungsansprüche an den Raum
mit der Flussdynamik und ihren sich ändernden Hochund Niedrigwasserständen in Einklang zu bringen.
ermöglichten eine weite Sicht, brachten jedoch auch Überflutungen und Seuchen. Man begegnete ihnen mit Respekt
und hielt die Bebauung in sicherem Abstand. Ihre urbane
Zähmung, insbesondere die Gestaltung der Uferkanten,
erhöhte die Spannung zwischen der zivilisatorischen Kraft
der Stadt und der natürlichen Energie des Wassers noch –
ein entscheidender Grund für den stetigen Wandel von
Ab- und Hinwendung der Menschen zu ihren Stromlagen.
Zur Bedeutung von Flusslandschaften
Der Rhein war und ist eine wichtige Wachstumslinie, zugleich
aber ist er auch eine Grenze. So wurden Siedlungen bereits
in der Historie entlang des Wassers errichtet. Exemplarisch
hierfür steht die Besiedlung des linken Rheinufers durch
die Römer. Nicht selten bildeten sich daraus später Grenzen – aber auch verknüpfende Bänder zwischen Ländern,
Völkern und Städten. Der Rhein wurde zu einem Identitätsträger, eine Entwicklung, die die bis heute enge emotionale
Bindung des Menschen an den Fluss erklärt.
Die oben dargestellte Situation ist nicht untypisch. Nicht nur
der Rhein, sondern auch die anderen großen europäischen
Ströme wurden schon immer als etwas Ambivalentes
empfunden. Begründet liegt das Verhältnis der Menschen zu
ihren Strömen und Stromlagen in den Landschaften, die die
Flüsse über lange Zeit gestaltet haben. Sie üben eine besondere ästhetische Faszination aus, die sich aus dem Neben
einander von Ruhe, Weite und unbändiger Energie sowie aus
der Beständigkeit des Flusslaufes und der Ruhelosigkeit seines Fließens ergibt. Das Besondere resultiert dabei aus der
Kombination der Gegensätze Beständigkeit und Variabilität.
Mit ihrer Topografie boten Flüsse Schutz vor Angreifern, sie
Mit der aufkommenden Industrialisierung entrückten die
Flüsse dem Bewusstsein der Gesellschaft, obwohl die
wirtschaftlichen Bezüge zunahmen. Das Entrücken bezog
sich vor allem auf die Zugänglichkeit der Ufer: Hafenanlagen,
Bahnlinien oder Straßen wurden angelegt, Industrieorte
wuchsen an die für die Ver- und Entsorgung notwendigen
Flüsse heran. Die Umwandlung naturnaher Auen in begradigte und gebündelte Flussläufe und die technischen
Bauwerke zum Schutz vor Gefahren schufen eine scheinbar
berechen- und kontrollierbare Infrastruktur, deren Anziehungskraft jedoch spätestens mit der zunehmenden (industriellen) Verschmutzung verloren ging. Die Städte schotteten
Inhaltlich basiert der Beitrag auf den Ausführungen des Buches „Stromlagen – Urbane Flusslandschaften gestalten“. Er fokussiert sich auf die urbanen Themen und Aspekte des Rheins in der Metropolregion Köln/Bonn, bezieht
dabei jedoch die Bedeutung des Flusses als gesellschaftliche und kulturelle Achse mit ein. Dabei werden bewusst Bezüge zu bereits in anderen Kapiteln erläuterten Themen hergestellt.
Seit Herbst 2010 arbeitet der „AK Rhein" des Region Köln/Bonn e.V. parallel an einer regionalen Rheincharta. Sie soll die gemeinsame Haltung der Region zum Rhein dokumentieren, die Positionierung auf internationaler E
bene
unterstützen und als regionale Verständigungsbasis die Arbeit mit den planerischen Herausforderungen am und mit dem Rhein strukturieren. Die Rheincharta wird Ende 2011 im Rahmen der Rheinkonferenz vorgestellt; ihre
Vorgaben und Ziele im Anschluss in den Masterplan :grün 3.0 einfließen.
Fachbeitrag Querschnittsthema Rhein und seine Bedeutung für die Raumentwicklung in der Region
sich nun ab und wandten dem Strom ihre Rückseiten zu. So
wurden der Rhein und seine Nebenflüsse lange Zeit für andere als industrielle oder gewerbliche Nutzungen uninteressant oder standen für diese gar nicht zur Verfügung.
Heute entdecken die Städte und Siedlungen der Metropolregion Köln/Bonn den Rhein neu. Sie nutzen die Lage am Wasser zur Aufwertung ihrer weichen Standortfaktoren. Hintergrund ist, dass sich seit dem Beginn der postindustriellen
Zeit die Ansprüche der Gesellschaft an ihre Stadt und das
Umweltbewusstsein gewandelt haben. Naherholungsmöglichkeiten, Wohnumfeld und Stadtbild sind wichtige Faktoren
für die Lebensqualität und die Attraktivität der Lebensumwelt, nicht zuletzt weil die Menschen über größere zeitliche
und finanzielle Budgets für ihre Freizeitgestaltung verfügen. Im Gegensatz zu den größtenteils sehr dicht bebauten
Innenstadtkernen bieten am Wasser gelegene Standorte
weite, unverbaubare Ausblicke, großzügige Grünflächen für
die Naherholung und die Möglichkeit zur Erweiterung der
Innenstadt durch die Öffnung zum Wasser. Diese Renaissance des Rheins sorgt dafür, dass viele bisher vernachlässigte Potenziale wiederentdeckt werden. Der Fluss und
seine Nebenflüsse werden ins Stadtbild zurückgeholt.
Die versteckten Potenziale
Lagen mit Wasserblick werden seit einigen Jahren als
attraktive Lebensräume mit urbanen und landschaftlichen
Qualitäten neu entdeckt. Dies gilt auch für den Rhein in
der Metropolregion Köln/Bonn. Hier ist der Fluss nicht
nur Kulisse für die Entwicklung von Projekten, sondern
Potenzial und Herausforderung zugleich: Er ist Arbeit
geber, Teil der Infrastruktur und Landschaftsgestalter.
Dabei bringt er Hochwasser ebenso wie Freizeitvergnügen.
Die architektonischen Höhepunkte, die ihn begleiten, gehen
allerdings in einem Meer baulicher Anspruchslosigkeiten
unter. Vorherrschend sind ausgedehnte Siedlungsbänder
ohne Rheinbezug sowie landschaftliche Resträume. Naturnahe Freiräume hingegen sind kaum noch vorhanden.
Das muss nicht so sein, denn an den 142 Kilometern Uferkanten der Region schlummert großes Gestaltungspotenzial.
Ihr eher heterogenes Erscheinungsbild äußert sich aktuell
jedoch nicht im Nebeneinander qualitativ hochwertiger Räume, sondern zu großen Teilen in einer unabgestimmten Abfolge baulicher und landschaftlicher Ereignisse. Es herrscht
kein Mangel an baulicher Masse oder kulturlandschaftlicher
Vielfalt, sondern an deren Qualität. Obwohl der Fluss ein
verbindendes und Identität stiftendes Element ist, zeigt die
Region nur selten ihr Gesicht zum Rhein. In den letzten
Jahren wurden zwar vereinzelt hochwertige städtebauliche
und landschaftliche Projekte initiiert, die für eine veränderte
Haltung zum Strom stehen, sie strahlen bislang aber weder
in die Region noch darüber hinaus aus. Wichtig wäre, derart
positive Ansätze intensiver zu verknüpfen und so die Region
und ihr Potenzial zu stärken und weiterzuentwickeln.
Ziel ist es, die Städte und Gemeinden der Metropolregion
Köln/Bonn wieder an ihr Rückgrat heranzuführen und
bislang vernachlässigte Potenziale zur Entwicklung der
Flusslandschaft zu erschließen. So könnten aus undefinierten Orten langfristig markante Stadträume von durchgängig
hoher architektonischer, städtebaulicher und landschaftlicher Qualität werden. Gerade in punkto Qualität müssen
die Rheinufer ein Maßstab sein. Es gilt, diesen Handlungsbedarf zu erkennen und neue Qualitätsziele zu setzen, die
auch einem internationalen Vergleich standhalten.
Die rheinische ,StadtLandschaft’
Der Rhein durchfließt die Metropolregion Köln/Bonn
zwischen den Rheinkilometern 640 und 711. Auf diesen ins-
97
gesamt 71 Kilometern präsentiert sich die Landschaft an seinen Ufern sehr ambivalent. So fungieren die großstädtischen
Kerne Bonn und Köln als urbane Kristallisationspunkte, an
denen sich Infrastrukturen, Arbeitsplätze, kulturelle Einrichtungen und Freizeitangebote bündeln. Entsprechend verdichtet und abwechslungsreich ist hier die Bebauung der Rheinufer. Verwoben sind die Kerne durch ein dichtes Netz aus
Autobahnen, Straßen und Bahnlinien, die an elf Stellen mit
imposanten Brücken den Rhein kreuzen. Von den Rändern
der großen Städte aus entwickeln sich ausgeprägte sub
urbane Räume in den Freiraum – dabei bilden kleinere Orte
oder Stadtteile die Kerne neuer baulicher Entwicklungen. Sie
sind entlang der Siedlungsbänder zwischen Bonn und Köln
am Rheinufer „aufgereiht“ und werden von unzugänglichen
Industriearealen „unterbrochen“. Beispielhaft seien hier die
chemischen Fabriken von Wesseling, Niederkassel-Lülsdorf,
Köln-Worringen und Leverkusen sowie die Automobilindustrie im Kölner Norden genannt. Unzugänglich ist der Rhein
auch im Bereich der Hafengebiete in Bonn und Köln. Die
Kulissen dieser Produktionsstätten prägen die angrenzenden
Siedlungsbereiche weit über den Standort hinaus.
Zugleich ist der Rhein auch ein beliebter Freizeitraum.
Sowohl auf dem Wasser als auch entlang der Ufer halten
sich vor allem an Wochenenden viele Menschen auf. Grüne
Uferwege werden zu Radrouten, Sandstrände wie an der
»Kölschen Riviera« in Köln-Rodenkirchen sind im Sommer
bis spät abends bevölkert. Obwohl rund drei Viertel der Uferkanten von Siedlungen gesäumt sind, wurde meist nicht direkt an den Fluss herangebaut. Vielmehr sind schmale grüne
Säume vorhanden, die sich zwischen der Bebauung und dem
Fluss entlang ziehen. Innerhalb einiger dörflicher Siedlungen
liegen zudem früher landwirtschaftlich oder als Gartengrundstücke genutzte Freiräume zum Rhein hin, die heute oft Restflächen im suburbanen Raum darstellen, weil sie im Prozess
des Siedlungswachstums zurückgelassen wurden.
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Eine weitere Dimension des Freiraums am Rhein sind
innerstädtische Parks. Ihre Anlage und Gestaltung erfolgte
meist mit Bezug zum Fluss – Beispiele sind der Rheinpark
in Wesseling und Köln sowie der Neuland-Park in Leverkusen. Sie alle werden intensiv genutzt und sind Teil der städtischen Freizeitlandschaft. Nur an wenigen Stellen haben
sich naturnahe Freiräume erhalten, die grüne Korridore ins
Hinterland bilden und die Region großräumig an den Rhein
anbinden. Wie die grünen Bögen an den Gleitufern stellen
sie natürliche Retentionsräume dar und sind als Naherholungsgebiete beliebt.
Betrachtet man die den Rhein begleitenden Stadtlandschaften in ihrer Gesamtheit, so erweisen sich in ihrer
Struktur als einzigartig für eine europäische Flusslandschaft. Das liegt vor allem daran, dass Siedlungen und
Freiräume ein enges Geflecht bilden und sich beiderseits
des Rheins Siedlungsbänder unterschiedlicher Breite
entwickelt haben. Sie schnüren den Fluss in ein bauliches
Korsett ein, das nur noch vereinzelt Platz für größere Freiraumkorridore lässt. Somit stehen Siedlung und Freiraum
in einem Spannungsverhältnis, das durch die anhaltende
Nachfrage nach Wohn- und Gewerbeflächen zusätzliche
Brisanz erhält. Hinzu kommt, dass die Region als Standort vieler internationaler Unternehmen und Messen eine
der dynamischsten Wachstumsregionen Europas ist. Der
Rhein ist hierbei gleichermaßen Imageträger, Tourismuspotenzial, Trinkwasserspender und wichtiger Wirtschaftsfaktor: gute Voraussetzungen, um in der Metropolregion
Köln/Bonn ein Bild vom »urbanen Rhein« zu kreieren.
Fachbeitrag Querschnittsthema Rhein und seine Bedeutung für die Raumentwicklung in der Region
es wichtig, die verschiedenen Begabungen der Rheinufer
zwischen Bad Honnef und Leverkusen zu definieren. Im
Ergebnis entsteht ein enges Nebeneinander von unverwechselbaren Teilräumen mit eigenen Qualitäten,
die – gemeinsam betrachtet – ein vollständiges Ganzes
ergeben. Vielfältige Begabungen zeichnen die ,StadtLandschaft’ am Rhein in der Metropolregion Köln/Bonn aus.
So zeigt sich das „Stadterlebnis am Rhein“ in einer quirligen Großstadtatmosphäre mit ihren typischen Ausprägungen: dem dichten Nebeneinander von Wohnen und Arbeiten, Handel und Dienstleistungen sowie einem lebendigen
internationalen Flair. Am Rhein treffen verschiedene
Lebensstile aufeinander. Das Milieu wirkt anziehend auf
junge Leute und macht vor allem die flussnah gelegenen
Räume zu wichtigen Wachstums- und Innovationsmotoren
für die Region. Dies sollte gestärkt und im Sinne des Qualitätsziels entsprechend weiterentwickelt werden.
Vielfalt als Qualitätsziel:
Unterschiedliche Raumbegabungen am Rhein
Gleiches gilt für andere Bereiche, in denen die Begabung
der Rheinufer als „Wohnoase“ überwiegt. Hier findet
man ruhige familienfreundliche Wohnsiedlungen im
Grünen mit meist dörflichem Charakter. In unmittelbarer
Großstadtnähe und in guter Erreichbarkeit ermöglichen
sie ein Leben in privater Umgebung mit unmittelbarem
Landschaftsbezug. Sozusagen als „Vorposten“ dienen
dabei die übersichtlichen und kompakten Kleinstädte,
die mit ihrer „kleinen Vielfalt“ als komplementäre Orte
zur quirligen Großstadt fungieren. Sie verfügen über eine
Struktur, in der alle wichtigen Einrichtungen auf kurzen
Wegen erreichbar sind. Ihre Identität wird von ausgeprägtem Bürgerstolz bestimmt – die Orte weisen eine hohe
Lebensqualität und Bindungskraft auf.
Um die beschriebene Heterogenität als Potenzial begreifen und dafür Qualitätsziele formulieren zu können, ist
Neben dem Aspekt Wohnen kommt auch dem Tourismus
und der „Rheinerholung“ eine wichtige Rolle als regionale
Begabung zu. Die Bewohner der angrenzenden Städte
finden unterschiedlichste Möglichkeiten der Freizeitgestaltung am und auf dem Rhein. Sie nutzen dies regel
mäßig zum „grünen Ausgleich“, beispielsweise indem
sie das rheinbezogene Landschafts- und Naturerlebnis
suchen. Während es sich dabei vorwiegend um Naherholung handelt, gibt es in den Städten Köln und Bonn sowie
im Siebengebirge auch eine starke touristische Nachfrage.
Die genannten Touristenmagneten sind Anziehungspunkte
erster Kategorie mit hoher Besucherdichte. Dem Rhein
kommt als Ziel und Ausgangspunkt zur Besichtigung der
kulturellen und landschaftlichen Sehenswürdigkeiten eine
zentrale Rolle zu. Als Aushängeschilder sind die Touristenziele zudem von großer Bedeutung für das Image der
gesamten Region. Bei ihrer künftigen Entwicklung beziehungsweise Revitalisierung sind sowohl ästhetische als
auch kulturelle und ökologische Aspekte zu beachten (vgl.
Fachbeitrag Freizeit und Erholung, Seite 90).
Der Rhein ist aber auch ein „produktiver Fluss“. So dienen
seine Ufer als Standort für industrielle Produktion im
großen Maßstab. Werke, die als imposante und faszinierende Kulisse wichtige Landmarken in der Region bilden,
sind Schwerpunkte der Arbeit und bringen Massen von
Gütern auf den Rhein. Die Forschungs- und Entwicklungsabteilungen der traditionsreichen Unternehmen leisten
darüber hinaus einen wichtigen Beitrag zur Innovation in
der Region. Wie die Industrie, so reicht auch die landwirtschaftliche Nutzung oftmals bis an die Flussufer heran.
Dabei sind die guten Böden der Region die Basis für die
Produktion entsprechender Erzeugnisse, zum Beispiel im
Obst- und Gemüseanbau. Gleichzeitig stellen die landwirtschaftlichen Flächen neben dem Rhein die letzten zusammenhängenden Freiräume der Region dar. Sie prägen
das Landschaftsbild zwischen den Großstädten und bieten
einen Retentionsraum, der in den verdichteten Stadt-
Fachbeitrag Querschnittsthema Rhein und seine Bedeutung für die Raumentwicklung in der Region
räumen nicht vorgehalten werden kann (vgl. Fachbeitrag
Landwirtschaft, Seite 78). Es ist ein wichtiges Qualitätsziel, diese Räume zu bewahren und als Retentionsflächen
für den Hochwasserschutz zu nutzen.
Eine besondere Rolle kommt dem so genannten „Möglichkeitsraum“ am Rhein zu. Dieser entsteht an den Stellen
der Region, an denen eine Patchwork-Situation mit einem
kontrastreichen Nebeneinander von Wohnhäusern,
Fabrikhallen, Brachflächen und Bürogebäuden auffällt.
Die offene Atmosphäre lässt hier jenseits von etablierten
Strukturen Raum für bauliche- und Nutzungsexperimente.
Die betroffenen Räume sind im Aufbruch und bereit für
Veränderungen – sie bieten daher Flächen und Potenziale
für neue und innovative Entwicklungen am Flussufer.
Der Rhein als Rückgrat der Region
Über die skizzierten Begabungen hinaus sollte auch die
Achsenfunktion des Rheins als „Rückgrat der Region“ nicht
vergessen werden. Der Fluss ist eine der verkehrsreichsten
Wasserstraßen der Welt und vor allem als Handelsweg und
Verkehrsachse ein Begriff. Seine Binnenhäfen sind integraler Bestandteil der regionalen Logistikwirtschaft, die von
der deutschlandweit zweitgrößten Binnenhafenkapazität
profitiert. Ein Thema, das aufgrund des weiter wachsenden
Güterverkehrs auch in Zukunft wichtig sein wird.
Doch nicht nur wirtschaftlich ist die Bedeutung des Flusses für die Region und die hier lebenden Menschen groß.
Auch als gesellschaftliche und kulturelle Achse hat der
Rhein die Entwicklung dieses Raumes geprägt. Dabei ist
seine assoziative Bedeutung für die einheimische Bevölkerung („Rheinländer“) und die Touristen spätestens seit
der Romantik sehr groß. Verbunden mit dem kulturellen
Erbe des Flusses ist auch die Tradition der Bildung und
der Weitergabe von Wissen. Die hohe Dichte von Bildungseinrichtungen entlang des Rheins ist in dieser Kombina
tion einmalig. So gewinnt die kulturelle Ressource „Wissen und Innovation“ eine fast noch größere Bedeutung als
die zuvor auf die Landschaft bezogenen Ressourcen.
Versucht man, die Begabungen des regionalen Rheinraums zusammenzufassen, so wird klar, dass die ,StadtLandschaft’ am Rhein in fast idealer Weise die für die
Zukunft der Region notwendigen Ressourcen bereithält.
Die urbanen und landschaftlichen Qualitäten, die Wirtschaftskraft und die hohe Dichte von Bildungseinrichtungen sind in dieser Kombination einmalig. Nicht wenige
dieser Begabungen hängen unmittelbar mit dem Rhein
zusammen oder können von ihm gefördert werden: beste
Voraussetzungen für die Metropolregion Köln/Bonn, um
langfristig attraktiv zu sein und zu bleiben.
Die neue Flussdynamik als Qualitätsziel
Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt: Der Rhein
war seit jeher ein Kristallisationspunkt des städtischen
Lebens in der Region. Mit seiner gestalterischen Kraft
formte er die Landschaft, mit seinen fruchtbaren Ufern
schuf er die Grundlage zur Besiedlung, ermöglichte wirtschaftliches Handeln und lieferte das essenzielle Trinkwasser. Erst durch die Domestizierung von verzweigten
Nebenarmen und angrenzenden Auen wurde er zu einer
linearen Infrastruktur. Technische Bauwerke zum Schutz
vor Hochwassergefahren schnürten den zuvor ungezähmten und manchmal bedrohlichen Fluss in ein bauliches
Korsett. Sie sorgten dafür, dass Risiken und Schäden
scheinbar berechen- und kontrollierbar wurden.
Doch der Schein trügt: Vor dem Hintergrund aktueller Klimaprognosen könnte die Epoche der Bändigung des Flus-
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ses durch immer mehr Technik sich dem Ende zuneigen.
Zahlreiche Studien belegen, dass Hochwasserereignisse in
Zukunft intensiver und häufiger eintreten als bisher. Auch
die erhöhten Deiche und Mauern werden diese Wassermengen auf Dauer nicht immer zurückhalten können. Der
Fluss fordert mehr Raum – er wird neue Grenzen setzen.
Gleichzeitig wird auch das extreme Gegenteil in Form von
Niedrigwasserszenarien mit fatalen Auswirkungen auf
Flussschifffahrt und Wasserversorgung für Industrie und
Bevölkerung vermehrt auftreten. Möglicherweise wird der
Rhein zeitweise sogar die Hälfte seines Bettes räumen.
Auf diese Art und Weise nimmt er wieder Einfluss auf
seine Uferräume und die Siedlungs- und Landschaftsentwicklung (vgl. Fachbeitrag Wasser, Seite 58, und Fachbeitrag Klimawandel, Seite 72).
Die entscheidende Frage in diesem Zusammenhang ist,
ob man weiter gegen den Fluss arbeitet und damit in
Zukunft mit Katastrophenszenarien konfrontiert wird oder
ob man anstrebt, ihn wieder mit seiner Dynamik für die
Entwicklung und Gestaltung seiner Ufer zu nutzen. Sollte
der Rhein wieder verstärkt Einfluss auf seine Uferräume
nehmen können, so böte sich die Chance, die ,StadtLandschaft’ beiderseits des Flusses neu zu strukturieren.
Durch ein neu geschaffenes System aus Rheininseln,
Nebengewässern, Flutmulden und Retentionsräumen entstehen bei Hochwasser neue temporäre Rheinlagen auch
abseits der direkten Uferlagen. In diesen könnten zugleich
Standorte für die Siedlungsentwicklung erschlossen sowie
alte Lagen arrondiert und neu zu Fluss und Landschaft hin
ausgerichtet werden. Die Orientierung zum Schaufenster
Rhein oder zu Flutmulden und gestalteten Landschaftsparks ermöglicht neue Standortqualitäten. Somit werden
Landschaftskorridore zum Rhein geschützt – bisherige
„Rückseiten“ avancieren zu „Vorderseiten“.
Auf den Punkt gebracht: Chancen- und Konfliktfelder in der Region
Aus den ab Seite 53 aufgeführten Fachbeiträgen lassen
sich sowohl Chancen- als auch Konfliktfelder für die
künftige Raumentwicklung in der Metropolregion Köln/
Bonn ableiten. Sie resultieren aus den Veränderungen
der technologischen, ökonomischen, kulturellen, sozialen
und ökologischen Umwelt und werden hier in Form einer
Raumanalyse dargestellt. Diese Analyse ist die Voraussetzung, um praxisbezogene und zukunftsfähige Maßnahmen
in der Region zu realisieren, beispielsweise durch die
Formulierung von Qualitätszielen und die Umsetzung konkreter Projekte. Sie ist somit eine wichtige Grundlage zur
Entwicklung der zukünftigen Raum- und Lebensqualität
des Wirtschaftsstandorts Köln/Bonn.
Die Chancenfelder: Was macht die Region stark?
Die Fachbeiträge haben deutlich gemacht, welche
Eigenarten, Ressourcen und Nutzungen die jeweiligen
Kulturlandschaften auszeichnen und wie – darauf aufbauend – die künftige Raumentwicklung in der Region
positiv beeinflusst werden kann. Diese Chancen müssen
im Rahmen der räumlich strukturellen Planung gezielt
aufgegriffen und als Entwicklungsmotor genutzt werden.
Im Folgenden werden für die jeweiligen Themenbereiche
wichtige und zurzeit erkennbare Chancenfelder benannt,
die den jeweiligen Raum auszeichnen und stark machen.
Chancenfelder im Themenbereich Siedlungsentwicklung
Ein Vorteil für die Siedlungsentwicklung der Zukunft in der
Metropolregion Köln/Bonn liegt in deren geostrategisch
günstiger Lage. Dabei kommt neben den großen europäischen Straßenachsen und Eisenbahnmagistralen sowie dem
Rhein auch den bedeutenden Entwicklungsachsen zwischen
den europäischen Metropolregionen eine besondere Rolle zu.
Die Region liegt an der Schnittstelle europaweit relevanter
Nord-Süd- und Ost-West-Verbindungen. Dies gibt sowohl
wirtschaftliche Impulse als auch positive Anstöße für die
weitere Entwicklung der Städte und Siedlungen. Um sich im
europäischen Kontext konkurrenzfähig zu positionieren, gilt
es, weiterhin entsprechende Kooperationsstrukturen und
Strategien zu entwickeln und zu etablieren.
Neben dieser übergreifenden Entwicklung muss dem
Erhalt und der Entwicklung der unverwechselbaren Stadtviertel in Köln, Bonn und den anderen Städten der Region
besonderes Augenmerk geschenkt werden. Sie bewahren
nicht nur ein wichtiges kulturelles Erbe der rheinischen
Stadtentwicklung, sondern stellen auch für die Zukunft
besondere Wohnwerte dar. Ihr eigenständiger Charakter
vermittelt Lebensgefühle und Lebenswerte mit großen
Chancen für die Zukunft. So finden Menschen hier schnell
eine Wohnortidentität, Neubürger eine neue Heimat. Die
„Rheinische Lebensweise“ bildet einen wichtigen gesellschaftlichen und sozialen Nährboden – auch für die Zukunftsfähigkeit der Städte und Siedlungen in der Region.
Die Integration von Menschen aus anderen Kulturkreisen
und Ländern ist hier über Jahrhunderte gelebte Praxis.
Dies wird auch die weitere Entwicklung der Region und
deren spezifische urbane Identität prägen.
Ein vorrangiges Ziel für die künftige Entwicklung sollte
es sein, „alte Qualitäten“ der Region – beispielsweise die
unverwechselbaren Stadtviertel und ihren Wohnwert, die
lebendige Nutzungsmischung entlang städtischer Straßen
sowie die räumliche Nachbarschaft zu Parks, Freiflächen
und Gewässern – zum Maßstab zu nehmen, um vor dem
Hintergrund des weiteren Wachstums neue Qualitäten zu
schaffen. Ein Beispiel ist der Bereich der „Zwischenstadt“,
in dem Landschaft ordnend strukturiert und eine Hierarchie von funktionalen und gestalterischen Qualitätszielen
entwickelt werden sollte.
101
Auch das „blau-grüne“ Wohnumfeld der Städte Köln, Bonn,
Leverkusen und Bergisch-Gladbach bietet eine Vielzahl
von Chancen für die Zukunft. Der Weg in Feld und Wald
ist nicht weit, mit Fahrrädern und Nahverkehrsmittel sind
sie schnell und leicht erreichbar. Anders als in anderen
Metropolregionen ist der Freiraumanteil in der Metropol
region Köln/Bonn noch beachtlich, die industrielle Über
formung der Landschaft ist nicht flächendeckend. An
einigen Stellen in der Region ist die Absicht, Landschaft
zu urbanisieren, sogar rückläufig. Was im Ballungsraum
zum Konflikt wird (vgl. Konfliktfelder im Themenbereich
Siedlungsentwicklung, Seite 111), stellt hier eine Chance
dar. Diese liegt darin, die vorhandenen und eventuell neu
entstehenden Freiraumstrukturen in diesen eher ländlich
geprägten Bereichen zu erhalten und weiterzuentwickeln
und eine Philosophie der regionalen Freiraumgestaltung
auf interkommunaler Ebene zu etablieren. Genau dies ist
das Ziel des Masterplans, dessen Realisierung nicht nur
erhebliche Chancen für die künftige Siedlungsentwicklung
birgt, sondern auch für die Positionierung der Region als
„grüne Metropolregion“.
Die vorhandenen Kölner Grünringe und die mit ihnen
verbundenen grünen Radialen sind ein Pfund, mit dem die
Region im internationalen Wettbewerb wuchern kann. Darauf aufbauend sollten die Chancen, die mit der vernetzten
Freiraumentwicklung beiderseits des Rheins verbunden
sind, sinnvoll genutzt und die Vorteile sowohl für die
Qualität der Wohnstandorte als auch für die Naherholung
ausgebaut werden. Gleiches gilt für die „Wege zum Wasser“, beispielsweise entlang des Rheins oder in anderen
Teilen der Region. Mit Ausnahme der Börde gibt es hier
keinen Raum, in dem nicht das Wasser – ob als Talsperre,
Abgrabungssee oder Fluss beziehungsweise Bach – das
Wohnumfeld der Menschen bereichert. Die Chance wäre,
neue Zugänge deutlich zu machen und die „Wege zum
102
Wasser“ wieder stärker im Bewusstsein der Menschen zu
verankern.
Last but not least verfügt die Metropolregion Köln/Bonn
über ein äußerst dichtes Verkehrsnetz, das für die künftige
Siedlungsentwicklung von großer Bedeutung ist. Dort, wo
es sinnvoll ist, sollten die vorhandenen Verkehrsstrukturen weiter ausgebaut werden, um die starke Position
der Region zu sichern und durch zukunftsfähige Formen
der Mobilität und des Mobilitätsmanagements weiter zu
entwickeln. Auch dies sollte jedoch stets vor dem Hintergrund der Erhaltung und Wahrung von Freiraum und
Landschaft erfolgen.
Chancenfelder im Themenbereich Wasser
Eines der größten Chancenfelder der Metropolregion
Köln/Bonn ist der ernorme Wasserreichtum des Bergischen Landes. Das reichhaltige Grundgut Wasser, das
sich durch den Klimawandel nicht grundlegend verringern
wird, ist eine der größten Stärken für die künftige Raumentwicklung. Dazu kommt ein umfassendes Know-How
der Menschen im Bergischen Land hinsichtlich des Baus
von Anlagen zur Wasserrückhaltung und von Stauanlagen.
Zusammen mit der steten Grundwasserneubildung in
den Niederterrassen entlang des Rheins als wichtigen
Grundwasserleitern kann so auch zukünftig Trinkwasser
gewonnen, genutzt und exportiert werden. Hinzu kommt
eine hohe Kompetenz im Hochwasserschutz, so dass das
Rheinwasser weniger als Gefahr denn als Nutzen gesehen
werden kann.
Zugleich stellen der Rhein und das Bergische Land aber
auch große Wassermengen für die Industrie zur Verfügung,
zum Beispiel als Kühl- oder Prozesswasser. Ein wichtiger
Aspekt, denn auch die Industrie der Zukunft wird ohne
Auf den Punkt gebracht: Chancen- und Konfliktfelder in der Region
ausreichende Wasservorräte nicht auskommen. Das gilt
insbesondere für die Energie- und Chemiewirtschaft
als tragende Säulen des Wirtschaftsraumes Köln/Bonn.
Dabei wird Wasser nicht nur im aktiven Braunkohlerevier
benötigt, sondern auch für die Wiedernutzbarmachung
der Tagebauflächen und innovative Verfahren der Energiegewinnung, beispielsweise die Produktion von Wasserstoff
für Brennstoffzellen.
Ein weiteres Chancenfeld liegt im Abwasserbereich. Zwar
werden Fließgewässer auch zukünftig die unverzichtbare
Funktion des Vorfluters haben, die Weiterentwicklung der
Reinigungstechnologien – vom Retentionsbodenfilter bis
zur Ultrafiltration – wird jedoch anspruchsvollere Kaskaden von Folgenutzungen erlauben. Das gilt auch für die
Deponie-Recyclinganlagen von morgen. Ein Thema, das
deutlich macht, warum wir in Zukunft das saubere Wasser,
für dessen Schutz und/oder Aufbereitung ein erheblicher
Aufwand geleistet werden muss, noch sorgfältiger von belastetem Wasser trennen müssen. So sollte zum Beispiel
Regenwasser generell zurückgehalten und versickert
werden. Entsprechendes Wissen dazu liegt inzwischen in
ausreichendem Maße vor.
Ein Aspekt, der zum Chancenfeld „Europäische Wasserrahmenrichtlinie“ (EU-WRRL) überleitet. Nahezu monumental ist das Ziel, möglichst alle Oberflächengewässer
und Grundwasserkörper bis zum Jahr 2027 in einen „guten ökologischen Zustand“ zu bringen. Die Region bringt
gute Voraussetzungen für die Umsetzung der EU-WRRL
mit. Vor allem die Wasserwirtschaftsverbände haben dazu
beigetragen, den Chemismus und die Biologie des Rheins
und seiner Nebenflüsse bereits erheblich zu verbessern.
Mittlerweile gibt es nicht nur eine Lachswanderung im
Rhein, an vielen Ufern kann heute sogar wieder gebadet
werden.
Weitere Chancen für die Region eröffnen sich mit dem
Stichwort „Thermal- und Mineralwasser“. Insbesondere
in der Landschaft der Mittelrheinischen Pforte und im
benachbarten Kreis Ahrweiler findet man bemerkenswerte
und geschichtsreiche Mineralwasserquellen, die heute
wie in der Vergangenheit für Gesundheit, Freizeit und
Erholung genutzt wurden. Sie stellen ein großes Potenzial
dar, das als bedeutender Gesundheitsquell sowie Ort der
Rehabilitation und Erholung noch stärker in Wert gesetzt
werden könnte – beispielsweise im Kontext von Gesundheitstourismus und therapeutischen Landschaften (vgl.
Chancenfelder im Themenbereich Freizeit und Erholung).
Zu Unrecht hat Wasser im täglichen Bewusstsein der
Menschen in der Metropolregion Köln/Bonn eine nicht
so große Bedeutung wie an anderen Orten. Dies ist umso
erstaunlicher, denn der Rhein und seine Nebenflüsse
sowie die periurbanen Gewässer und das vielfältige Stadtblau prägen die Region und tragen maßgeblich zu deren
wirtschaftlicher Prosperität bei. Insofern besteht eine
spannende Chance und Herausforderung darin, das „blaue
Netz der Region“ noch stärker zu entdecken, zu akzentuieren und als Reichtum und emotionale Gemeinsamkeit zu
erfahren.
Chancenfelder im Themenbereich Kulturlandschaft und
kulturelles Erbe
Die Metropolregion Köln/Bonn zeichnet sich aus durch
eine sehr große Dichte, Vielfalt und Qualität des kulturellen Erbes in einer bemerkenswerten zeitlichen und
funktionalen Mischung. Hinzu kommen eine vielschichtige
Kultur- und Medienszene, die die Basis für die dynamische Kultur- und Kreativwirtschaft am Rhein darstellt.
Diese Mischung bildet ein gewaltiges Chancenfeld für
die Region, wenn es darum geht, das Potenzial der
Auf den Punkt gebracht: Chancen- und Konfliktfelder in der Region
Kulturlandschaften und des kulturellen Erbes sowie der
kulturschaffenden Menschen im europäischen Maßstab zu
etablieren und weiter zu entwickeln.
Mit dem Kölner Dom und den Brühler Schlössern verfügt
die Region gleich über zwei Schauplätze des Weltkultur
erbes. Auch die Limesstraße könnte diesen Status in
absehbarer Zeit erreichen. Zudem bietet der Rhein als
europäischer Strom eine hervorragende Chance, dies
und die kulturelle Vielfalt der Region im nationalen und
internationalen Zusammenhang zu präsentieren. Dazu ist
jedoch eine stärkere Hinwendung zum Fluss notwendig,
die bereits in vielen Projekten in der Region Köln/Bonn begonnen hat. Sie sollte in engagierter Form vorangetrieben
werden.
Links und rechts des Rheins erstrecken sich bedeutsame
wertvolle Kulturlandschaftsbereiche, die sowohl hervorragende kulturlandschaftliche Besonderheiten als auch
bemerkenswerte ökologische Potenziale aufweisen. Beispielhaft seien hier das Siebengebirge, der Kottenforst, die
Wahner Heide und der Königsforst genannt. Sie sollten als
zentral gelegene Erholungs-, Erfahrungs- und Lernräume
bewahrt und ausgestaltet werden. Eine Vielzahl europäischer und überregionaler Wegeverbindungen bietet zudem
die Chance zur Vernetzung, seien es die Römerstraßen in
Richtung Westen oder die mittelalterlichen Handels- und
Heerstraßen in Richtung Osten.
Die Vielfalt und Unterschiedlichkeit der Kulturlandschaften stellt besondere Anforderungen an eine nachhaltige
und erhaltende Entwicklung der Region. Dabei birgt das
in vielen Fällen noch lebendige kulturelle Erbe wichtige
Identität stiftende und Heimat bildende Potenziale. Lebendig wird es in einer Vielzahl individueller und charakteristischer Elemente und Strukturen. Eine besondere
Chance ist es, diese Potenziale langfristig zu sichern und
weiterzuentwickeln und sie so auch zu einem wichtigen
Ziel für Freizeit und Erholung zu machen. Chancenfelder
eröffnen sich zum Beispiel mit der Talsperrenlandschaft
und der Vielfalt der Mühlen und Hämmer im Bergischen
Land. Auch die Schlösser und Mühlen entlang von Swist
und Erft und das Homburger Ländchen können als touristische Ziele und Lernfelder für die Landschaft gestaltende
Landwirtschaft aufgewertet werden. Eine wichtige Rolle
spielen zudem die ehemaligen Zisterzienserklöster in
Altenberg und in Heisterbach. Hier könnte die Geschichte
der jeweiligen Klosterlandschaft mit ihren Eigenarten als
spiritueller Ort thematisiert und ins Bewusstsein gerufen
werden.
Zugleich jedoch ist auch Vorsicht geboten, denn die
Vielzahl der zu erhaltenden Elemente und Strukturen des
kulturellen Erbes täuscht darüber hinweg, dass vieles
bereits verloren und anderes weiterhin bedroht ist. Noch
jedoch ist die Chance gegeben, die Vielfalt zu erhalten und
weiterzuentwickeln. Gelingt dies, so könnte sie über die
Bedeutung für Naherholung und Tourismus hinaus auch
als Standortfaktor für die Wirtschaft, Bestandteil eines
attraktiven Wohn- und Lebensumfeldes sowie als unverzichtbare Grundlage zur Erhaltung und Ausbildung einer
lokalen und regionalen Identität dienen.
Aus allen auf die Kulturlandschaft bezogenen Chancenfeldern muss das römische Erbe der Region hervorgehoben
werden – eines der bedeutendsten Erbgüter der Römer
nördlich der Alpen. Es ist zugleich ein hohes Gut für den
nationalen und internationalen Tourismus. Ausgehend
von der römischen Metropole Colonia Claudia Ara Agrippinensium (CCAA) mit den Resten der ehemaligen
Stadtbefestigung, der Archäologischen Zone und vielen
anderen römischen Denkmälern spannt sich ein Netz von
103
römischen Infrastrukturen in die Region. Dazu gehört der
Deutzer Brückenkopf ebenso wie die bereits erwähnten
römischen Straßen und die Römische Wasserleitung zwischen der Eifel und Köln. Es ist eine große Chance, dieses
historische Angebot im Zusammenhang zu präsentieren
und den Bewohnern und Besuchern der Region entsprechend zu vermitteln.
Auch Bonn ist kulturhistorisch von besonderer Bedeutung.
So wurde die Stadt Ende des 16. Jahrhunderts endgültig
Residenz- und Hauptstadt der Kurfürsten und Erzbischöfe
von Köln. Ihre Blütezeit gipfelt im barocken Glanz der
Regentschaft Clemens Augusts. Fast 400 Jahre später
rückte Bonn erneut in den Mittelpunkt: von 1949 bis 1990
als Hauptstadt, bis 1999 zudem als Regierungssitz der
Bundesrepublik Deutschland. Auch dieses kulturelle Erbe
muss bewahrt und erlebbar gemacht werden.
Neben den historischen Aspekten ist vor allem die lebendige Kunst- und Kulturszene zu nennen, die weit über
die Grenzen der Region hinaus einen Namen hat. Köln ist
zu einer „kulturellen Drehscheibe“ im aktuellen Kulturleben Deutschlands geworden. Zu dem herausragenden
Angebot an Musik, Theater und Film kommen Brauchtumsveranstaltungen wie der Rheinische Karneval, die ein
elementarer Bestandteil der rheinischen Mentalität und
des Kulturlebens sind.
Imposant und außergewöhnlich ist auch die Museumslandschaft der Region. Vom Kölner Dom bis ins Herz der
Bonner Regierungslandschaft reicht eine „Rheinische
Museumsmeile“. Meilensteine sind zum Beispiel das
Römisch-Germanische Museum, das Museum Ludwig und
das Wallraf-Richartz-Museum in Köln sowie die Kunstund Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland,
das Haus der Geschichte und das Forschungsmuseum
104
Alexander Koenig in Bonn. Hinzu kommen zahlreiche
Museen des Landschaftsverbandes Rheinlandes, beispielsweise das Rheinische Landesmuseum, das MaxErnst-Museum in Brühl und das Bergische Freilichtmuseum. Abgerundet wird das Angebot schließlich durch die
Rheinischen Industriemuseen im Umfeld des Ballungsraumes und eine Vielzahl weiterer Museen in den Städten
und Kreisen der Region.
Wie bei den Museen, so sollte es auch prinzipiell darum
gehen, die vielfältigen Inhalte von Kulturlandschaft und
kulturellem Erbe in der Region herauszustellen und einer
breiten Öffentlichkeit näher zu bringen. In der Etablierung
und Vernetzung entsprechender Ansätze zur Informationsvermittlung und Umweltbildung liegt eine Riesenchance für
die Region und ihr naturräumliches und kulturelles Erbe.
Chancenfelder im Themenbereich Naturschutz und
Landschaftspflege
Die großflächigen Naturschutzgebiete in der Rheinschiene
und vor allem im Rhein-Sieg-Kreis sind ein großes Chancenfeld für die Metropolregion Köln/Bonn. Sie bilden ein
zusammenhängendes Netz von Schutzgebieten nationaler
und internationaler Bedeutung, das durch Flächen des
nationalen Naturerbes gestärkt wird. Dabei kommt den
innerhalb dieser Gebiete liegenden großen Waldflächen
nicht nur eine wichtige Rolle für den Erhalt der Biodiversität zu, sie nutzen auch der Luftfilterung und dem Wasserhaushalt und wirken vorbeugend gegen den Klimawandel.
Auch zum Hochwasserschutz am Rhein und in den Mündungsgebieten seiner Nebengewässer trägt der Naturschutz
in wesentlichem Maße bei. Hier sorgen wiederhergestellte
Auenwälder, renaturierte Flussinseln und Uferbereiche
sowie die Rückumwandlung von überflutungsgefährdeten
Auf den Punkt gebracht: Chancen- und Konfliktfelder in der Region
Äckern in Grünland und die extensive Pflege der Rhein- und
Siegwiesen für eine Retention des Wassers.
Zudem gibt es an mehreren Stellen in der Region bereits
erste Ansätze von nutzungsbegleitenden ökologischen
Maßnahmen, die den Naturschutz weiter stärken können.
Beispiele dafür sind die Maßnahmen in den Wasserschutzzonen der Großen Dhünntalsperre, das Management der
Wahner Heide im Umfeld das Flughafens Köln/Bonn und
die Sicherung des Trinkwassers aus den Uferfiltraten des
Rheins in Kombination mit ökologischen Uferschutzgebieten. Durch die Anlage von Blüh-, Acker- und Uferstreifen
durch die Landwirtschaft in der Region kann dem Artenrückgang entgegen gewirkt werden.
Vorteile für den Naturschutz resultieren auch aus den Rekultivierungs- und Renaturierungsmaßnahmen im Rheinischen
Braunkohlerevier. In den älteren Rekultivierungen sind hier
hochwertige Naturschutzgebiete von europäischer Bedeutung entstanden. Mit der zukünftigen Rekultivierung großer
Tagebauflächen wie beispielsweise in Hambach eröffnen sich
weitere Chancenfelder. Die neue Landschaft mit einem Restsee von mehr als 3.000 Hektar Größe bietet bei allen Risiken
auch Chancen, nicht nur für Freizeit und Erholung, sondern
auch für den Naturschutz und die Landschaftspflege.
Eine große Stärke des Naturschutzes wird auch in Zukunft
die engagierte Mitarbeit vieler Akteure sein. Beispielhaft
seien hier Ehrenamtler, die Biologischen Stationen und
Institutionen wie das Naturschutzmuseum auf dem Drachenfels und das Forschungsmuseum Alexander Koenig
in Bonn genannt. Sie leisten nicht nur praktische und
unentbehrliche Arbeit in den Naturschutzgebieten vor Ort,
sondern auch einen wichtigen Beitrag zu Information und
Aufklärung sowie eine intensive Bildungs- und Schulungsarbeit für die Jugend und die gesamte Gesellschaft.
Dies alles erfolgt vor dem Hintergrund, dass die Region
als europäische Drehscheibe nicht nur ein „Motor der
gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung“ ist, sondern – für eine Metropolregion eigentlich überraschend – auch ein Motor der
ökologischen Entwicklung. Die Metropolregion Köln/Bonn
ist eine „grüne Metropolregion“. Sie wird einerseits von
den Grundelementen einer „blau-grünen“ Infrastruktur im
urbanen Bereich (Park-, Wald- und Wasserflächen, Grünund Freiraumstrukturen) und im suburbanen Umfeld
(zusammenhängende Agrar-, Wald- und Wasserflächen,
unzerschnittene Freiraumstrukturen) geprägt. Zugleich
tragen aber auch großflächigen Naturschutzgebiete in
der Rheinschiene und im Rhein-Sieg-Kreis sowie Verbindungselemente zwischen der „blau-grünen“ Infrastruktur
des Kerns der Metropolregion und den umgebenden Kulturlandschaften (Flüsse, Bäche, Waldkorridore) zu ihrem
Gesamtbild bei. Sie alle sind Bestandteile des Netzwerks
der Kulturlandschaften der Region.
Chancenfelder im Themenbereich Klimawandel
Der Klimawandel wird uns zahlreiche Konflikte bringen.
Zugleich könnten sich jedoch auch Chancenfelder ergeben, die sich auf die Themen Stadtentwicklung, Wasser,
Naturschutz, Land- und Forstwirtschaft, Ressourcenlandschaft sowie Freizeit und Erholung beziehen. Diese
wurden in den entsprechenden Fachbeiträgen zum Teil
bereits angeführt.
Ein potenzielles Chancenfeld eröffnet sich aus einer Vermehrung des Stadtgrüns in größeren und kleineren Städten. Parkanlagen, Stadtwälder und grüne Korridore können
über ihre Erholungs- und Freizeitfunktion hinaus zukünftig
auch eine noch größere Funktion als Klimapuffer haben.
Dabei wird das Stadtgrün nur in geringem Maße eine Koh-
Auf den Punkt gebracht: Chancen- und Konfliktfelder in der Region
lendioxidsenke sein, es könnte jedoch einen Beitrag dazu
leisten, extreme Klimasituationen wie zum Beispiel große
Hitze oder Trockenheit erfolgreich abzupuffern.
Die besten Voraussetzungen, um mögliche Chancenfelder im Zusammenhang mit dem Klimawandel nutzen
zu können, besitzt das Bergische Land. Hier bleiben die
Regenmengen und der Wasserreichtum erhalten, es
kommt sogar zu einem Anstieg der Niederschläge. In der
Konsequenz bleibt der Wasserreichtum der bedeutenden
Wassereinzugsgebiete von Dhünn, Sülz, Agger und Wiehl
sowie Bröl und Wahnbach erhalten – dies sichert wichtige Trinkwasser- und Brauchwasserressourcen für die
Zukunft. Zugleich ist es auch für die langfristig angelegte
ökologische Verbesserung der Fließgewässer bedeutsam,
beispielsweise für die Wiedereinbürgerung des Lachses.
Eine weitere Möglichkeit besteht darin, den in Folge der
erhöhten Niederschläge sogar wachsenden Wasserreichtum der Region stärker als bisher als regenerative
Energiequelle zu nutzen. Hierzu müssten entsprechende
Szenarien und Modelle entwickelt werden.
Ambivalent hingegen sollte ein Chancenfeld eingeschätzt
werden, das sich möglicherweise für den Naturschutz in
der Region einstellen könnte. Hintergrund ist, dass man in
Nordrhein-Westfalen bereits seit einigen Jahren vermehrt
die Zuwanderung von Wärme liebenden und mediterranen
Pflanzen- und Tierarten beobachten kann. Das betrifft
Vogel- und Libellenarten ebenso wie Arten der Wolfsmilchgewächse, wobei die „Neuankömmlinge“ bevorzugt
die Auen der großen Flüsse als Einwanderungsstraßen
nutzen. In diesem Zusammenhang kommt dem Rhein als
Wanderstraße eine herausragende Bedeutung zu, denn
zahlreiche Pflanzen- und Tierarten aus dem Süden werden den Fluss mit seinen Auen und begleitenden Strukturen auch in Zukunft zur Einwanderung nutzen. Dieses
scheinbare Chancenfeld könnte sich jedoch gleichermaßen zu einem großen Konfliktfeld entwickeln, wie es sich
in einigen Bereichen bereits heute abzeichnet. Dies ist vor
allem dann der Fall, wenn die zuwandernden Arten resistenter sind und einheimische Arten – sowohl bei Tieren
als auch bei Pflanzen – verdrängen (vgl. Konfliktfelder im
Themenbereich Klimawandel, Seite 114).
Betrachtet man das Thema Klimawandel und Landwirtschaft, resultieren potenzielle Chancen in erster Linie
daraus, dass landwirtschaftliche Nutzpflanzen Kohlendioxid in nicht geringem Mengen verarbeiten. Je naturnäher
die Bewirtschaftung ist, desto mehr Kohlendioxid kann
gespeichert werden. Daher stellt der Erhalt einer der
Landschaft angepassten, umweltgerechten Landwirtschaft einen wichtigen Schritt gegen den Klimawandel dar.
Darüber hinaus könnte es als Folge der höheren Temperaturen während der Vegetationsperiode neue Anbauprodukte geben. Das betrifft den Ackerbau und insbesondere
den Obst- und Gemüseanbau in der Region. Eine außergewöhnliche Folge des Klimawandels könnte auch darin
liegen, den Weinanbau vom Siebengebirge ausgehend
entlang des Vorgebirges nach Norden voranzutreiben.
Vorteilhaft wären zudem Vollweidesysteme im Bergischen
Land, die auf hofnahen Weiden eine längere Verweilzeit
der Tiere erlaubten. Für arrondierte Betriebe läge hierin
die Chance zu einer kostengünstigeren Futterwerbung
„durch das Tier“ und zur Senkung ihrer Betriebs- und
Maschinenkosten.
Ein weiteres Chancenfeld im Kampf gegen den Klimawandel ist mit der Forst- und Waldwirtschaft verbunden. Wie
bereits im Fachbeitrag Klimawandel ausgeführt fordern
das Nationale Waldprogramm und das Klimaschutzprogramm Deutschlands den Ausbau der Kohlenstoffspeicherung der Wälder. Das ist einerseits über ein verbessertes
105
ökologisches Wachstum der Wälder, andererseits über
eine Waldvermehrung möglich. Mit ihrem Waldreichtum
hat die Region hier gute Chancen, die durch bemerkenswerte Aufforstungsprogramme wie im Rhein-ErftKreis noch gesteigert werden. Zusätzliche Chancen für
die Forstwirtschaft könnten sich auch daraus ergeben,
das Spektrum der Baumarten zu erweitern. So werden
die artenarmen und ökologisch weniger bedeutsamen
Fichtenforste der Region einer Erwärmung nicht Stand
halten und Laubwäldern weichen. Dabei könnte es neue
Baumarten geben, die wie Sommerlinde, Esskastanie und
Robinie höhere Wärmeansprüche haben.
Chancen bietet auch der mittel- bis langfristige Rückgang
des Ausstoßes von Kohlendioxid in der Ressourcenlandschaft des Rheinischen Braunkohlereviers. Dieser wird
sowohl von den neuen Technologien der Kohlendioxid
bindung – zum Beispiel in Kulturen von Mikroalgen
(vgl. Fachbeitrag Ressourcenlandschaft, Seite 86) – als
auch vom absehbaren Ende der Braunkohleförderung
bestimmt. Es ist davon auszugehen, dass diese Mitte des
21. Jahrhunderts ausläuft. Dann sind die Vorräte zwar
nicht erschöpft, sie liegen aber so tief, dass eine weitere
Förderung unrentabel würde.
Abschließend sollte nochmals darauf hingewiesen werden, dass der Verkehr in der Region durch den Ausstoß
von Kohlendioxid den Klimawandel maßgeblich mit
verursacht. Wie bereits im Fachbeitrag Klimawandel
ausgeführt, kommt dabei neben dem Berufs-, Reise- und
Handelsverkehr dem Freizeitverkehr eine große Bedeutung zu. Im Kampf gegen den Klimawandel ist vor diesem
Hintergrund anzustreben, die Mobilität für Freizeit und
Erholung zunehmend vom Autoverkehr zu trennen oder
die mit dem Auto zurückgelegten Distanzen zu verkürzen.
Die wachsende Bedeutung der Naherholung (vgl. Fach-
106
beitrag Freizeit und Erholung, Seite 90) spielt hierfür eine
wichtige Rolle. Entscheidend ist, wie die damit einhergehende Freizeitmobilität „gestaltet“ wird. Prinzipiell gilt:
Die Förderung von Wander- und Radwegen sowie eine
komfortablere Vernetzung von Freizeit und Erholung mit
den Nahverkehrssystemen der Region können wesentlich dazu beitragen, den Klimawandel und seine Folgen
einzudämmen. Eine verstärkte Nachfrage nach Freizeitangeboten und -einrichtungen in der Region darf daher nicht
automatisch auch zu einer Vergrößerung des Freizeitverkehrs mit Kraftfahrzeugen führen.
Chancenfelder im Themenbereich Landwirtschaft
Ein wichtiges Chancenfeld für die Landwirtschaft der
Metropolregion Köln/Bonn liegt darin, dass die Nachfrage
nach regionalen Produkten – und damit auch die regionale
Wertschöpfung – in den nächsten Jahren weiter wachsen
wird. Damit einher geht die gestiegene Nachfrage der
Verbraucher nach gesunden, frischen und qualitativ hochwertigen Nahrungsmitteln und Produkten „aus der Region
für die Region“.
Die Landwirtschaft der Region weist eine bemerkenswerte
Stärke an Ressourcen auf. Chancenfelder ergeben sich
vor allem durch die hohe natürliche Bodenfruchtbarkeit,
zum Beispiel in der Börde und auf der linksrheinischen
Mittelterrasse, die klimatisch günstigen Bedingungen
und die Nähe zu den Verbrauchern. Soweit hier eine gute
Wasserversorgung für die Zukunft gesichert wird, können
die Landwirte mit Produkten wie der Zuckerrübe und
verschiedenen Obst- oder Gemüsesorten auch künftig
gute Erträge erzielen. Auch in der Mittelgebirgsregion des
Bergischen Landes hat die Landwirtschaft gute Chancen.
Obwohl hier in den letzten Jahrzehnten viele Betriebe
aufgeben mussten, ist der Wasserreichtum dieser Groß-
Auf den Punkt gebracht: Chancen- und Konfliktfelder in der Region
landschaft eine vorzügliche Grundlage für eine positive
Entwicklung der Grünlandwirtschaft. Voraussetzung dazu
ist jedoch, dass die Bedeutung der regionalen Wertschöpfung weiter wächst.
Zweifellos könnten die Erträge der Landwirtschaft durch
den Anbau von Energiepflanzen gesteigert werden – ein
Thema, das vor allem in der Börde zunehmend wichtiger
wird. Dabei sollte dieses Chancenfeld jedoch in der Form
ausgestaltet werden, dass das Landschaftsbild seine
Eigenart behält. Dabei würde sich der „Energiewirt“ der
Zukunft im ländlichen Raum vor allem dem Thema „Energiemix“ stellen. Großlandschaften wie die Börde bieten
gute Voraussetzungen, um Energie sowohl aus Pflanzen
wie Zuckerrübe, Mais und Raps zu gewinnen als auch aus
Wind, Sonne und Biogas. Die Landwirtschaft hätte hier
folglich die Chance, nicht nur ausreichend Energie für den
eigenen Betrieb zu produzieren, sondern Teile der produzierten Energie auch erfolgreich weiterzuverkaufen.
Eine große Zukunft könnte auch im Chancenfeld Gartenbau mit der Gemüse- und Obstproduktion liegen. Entlang
des Vorgebirges und in der Umgebung von Meckenheim
besitzt die Region eines der größten Gemüse- und Obstanbaugebiete Deutschlands. Doch nicht nur das, sie ist auch
ein Vorreiter im modernen Gartenbau. Hier kommen hoch
entwickelte Verfahren des gedeckten Anbaus zum Einsatz,
die dazu beitragen sollen, die Obst- und Gemüseproduktion vor einem weiteren Flächenverlust zu bewahren. Gelingt dies, dann haben gerade ihre Produkte gute Chancen
für eine regionale Vermarktung.
Wie der Ackerbau in der Börde und die Grünlandwirtschaft
im Bergischen Land profitiert auch der Obst- und Gemüseanbau entlang des Vorgebirges von dem herausragenden
wissenschaftlichen und praktischen Know-how der Land-
wirtschaftlichen Fakultät der Universität Bonn mit ihren
Modellbetrieben und Versuchsanlagen. Der hohe Stand der
Agrarwissenschaft eröffnet ein bedeutsames Chancenfeld,
beispielsweise indem die Produktion durch moderne Technologien optimiert wird. Hinzu kommen die Anwendung der
Züchtungsforschung (genetische Ressourcen, Forschung
an Rind und Schwein), die Sicherung der Biodiversität der
Nutzpflanzen und der Einsatz ökologischer Erkenntnisse
in Pflanzenbau und Tierproduktion. In diesem Zusammenhang spielen auch die Fachberatungen der „Landwirtschaftskammer NRW“ sowie des „Dienstleistungszentrums
Ländlicher Raum“ eine wichtige Rolle, die die theoretischen
Erkenntnisse in anwendbare Praxis umsetzen.
Neben den klassischen landwirtschaftlichen Chancenund Erwerbsfeldern könnten die Landwirte künftig auch
als Rekultivierer, Dienstleister für Landschaftspflege und
Freizeitgestaltung an Bedeutung in der Region gewinnen.
Sowohl im Rheinischen Braunkohlerevier wie auch im
Kies- und Sandabbau liegen jahrzehntelange Erfahrungen in der Rekultivierung landwirtschaftlicher Flächen
vor. Know-how, das in den Abbauregionen auch weiterhin
benötigt und angewendet wird.
Schon immer waren die Landwirte zugleich „grüne Dienstleister“. Mit ihrer Produktion haben sie maßgeblich die
Kulturlandschaften gestaltet und Ökosysteme geschaffen,
die heute wegen ihrer enormen Biodiversität geschützt
sind. Diese „unentgeltlichen Leistungen“ der Landwirtschaft haben in der Gesellschaft an Wertschätzung
verloren. Um die Kulturlandschaften zu bewahren und
zu entwickeln, ist der „Landwirt als grüner Dienstleister“
jedoch unentbehrlich. Daher sollte die Landwirtschaft als
Landschaftsgestalter gestärkt werden – ein Ziel, das nur
erreicht werden kann, wenn die entsprechenden Leistungen auch bezahlt werden.
Auf den Punkt gebracht: Chancen- und Konfliktfelder in der Region
Dies wäre zugleich ein wichtiger Beitrag, um die dem
Rückgang der Agrobiodiversität entgegen zu wirken – vorausgesetzt, die Anbauverfahren sind umweltschonend und
nachhaltig. In gleichem Maße könnte es durch angepasste
Mahdtermine und Beweidungsintensitäten zum Erhalt der
ökologisch artenreichen Grünländereien beitragen sowie
ökologisch bedeutsame Strukturen der Agrarlandschaften erhalten. Beispielhaft seien Hecken und Gebüsche,
Uferstreifen, Ackerränder und Raine, Blühstreifen und
Ackerrandstreifen genannt. Zuguterletzt geht es auch um
die Pflege von Flächen der ehemaligen Agrarlandschaft
wie zum Beispiel Heiden, Trockenrasen und Feuchtwiesen.
Die Bedeutung des Landwirtes als Freizeitgestalter darf
zwar nicht überbewertet werden, sie hat aber in den
letzten Jahren kontinuierlich zugenommen. Neben den
bereits etablierten „Ferien auf dem Bauernhof“ wird der
landwirtschaftliche Betrieb dabei zunehmend auch ein
Ort der Naherholung. Eine Entwicklung, die zu einer nicht
unbedeutenden zusätzlichen Einnahmequelle für einzelne
Landwirte werden könnte. So werden Menschen in Zukunft
vielleicht nicht nur im Hofladen landwirtschaftliche Produkte
kaufen, vielmehr werden sie im Rahmen ihrer Erholungssuche den Betrieb mit seinen Wirtschaftsflächen besuchen
und entdecken. Dabei verstehen sie den landwirtschaftlichen Betrieb und das Dorf als Teil der Landschaft, die
für sie erlebbar wird. In diesem Zusammenhang wird der
landwirtschaftliche Betrieb insbesondere für die Jugend
zu einem Lernort, an dem die Landwirtschaft sich und ihre
Besonderheiten darstellen könnte.
Chancenfelder im Themenbereich Forstwirtschaft
Ein großes Chancenfeld im Themenbereich Forstwirtschaft
in der Metropolregion Köln/Bonn sind der Waldreichtum
und die enormen Holzressourcen der Region. Im Bergischen
Land beispielsweise besteht der Wald zu rund 60 Prozent
aus Laubholz (71.000 ha) und zu 40 Prozent aus Nadelholz
(47.400 ha). Auch in der Niederrheinischen Bucht dominieren die Laubwälder, die hier einen Anteil von 85 Prozent
erreichen. Angesichts einer prognostizierten weltweiten
Steigerung der Holznachfrage bieten sich für die Forstwirtschaft der Region sehr gute Perspektiven. Um einer
steigenden Nachfrage gerecht zu werden, könnte der
Holzabsatz noch verbessert werden, indem neue Absatzquellen erschlossen und eine zukunftsfähige Entwicklung
der Forst- und Holzwirtschaft gefördert würden.
Das leistungsfähige Infrastrukturnetz der Region aus
Straßen, Schienen und Wasserwegen bietet günstige Vor
aussetzungen, um das Holz zu den regionalen, nationalen
und internationalen Abnehmern zu transportieren. Darüber
hinaus resultieren aus der Lage der Wälder in unmittelbarer
Nähe des Ballungsraumes vielfältige Absatzmöglichkeiten
für Forstprodukte. Exemplarisch seien Brennholz, Sägeholz
für Tischlereien und Nebenprodukte wie Weihnachtsbäume und Schmuckgrün genannt. Auch die Nachfrage nach
Holz zur energetischen Verwertung wird durch den Bau
von Biomassekraftwerken weiter steigen. Die Waldbesitzer
könnten in der Zukunft die „Energiewirte“ der Region sein,
weil Ihnen ein weltweit begehrter Rohstoff gehört. Daraus
ergeben sich in Abwägung mit den sonstigen Nutzungsansprüchen und landschaftgestalterischen Aspekten zugleich
Chancen für eine weitere Waldvermehrung in der Region,
die aufgrund ihrer günstigen Boden- und Klimaverhältnisse
zu den produktivsten Waldstandorten weltweit gehört.
Wenn es den Akteuren in der Region gelingt, mulitfunktionale Wälder aufzuforsten, die den ökonomischen und
ökologischen Anforderungen gerecht werden und die
Erholungsfunktion der Landschaft verbessern, würde dies
die regionale Position weiter stärken. Eine Entwicklung, die
107
sich in zusätzlichen Arbeitsplätzen und einer Verbesserung
der Lebensqualität ausdrücken könnte. Daher sollten die
Chancen zur Waldvermehrung in der Börde, im Rahmen
der Rekultivierung ehemaliger Braunkohleflächen, im suburbanen Raum und in den Rheinauen genutzt werden.
Ein weiteres Chancenfeld hängt eng mit dem Klimawandel
zusammen. Wald nimmt eine Schlüsselrolle bei der Bewältigung seiner Herausforderungen ein. Wird der Holzabsatz gefördert und Holz energetisch genutzt, so ist dies
sowohl ein wertvoller Beitrag zum Klimaschutz als auch
zur Schonung endlicher fossiler Rohstoffe. Gleichermaßen
wird die Wirtschaftskraft des ländlichen Raumes gestärkt.
Dies verdeutlicht das Beispiel der Holzhackschnittheizwerke in Emminghausen, Gummersbach-Lieberhausen
und Rösrath. Chancen für die Forstwirtschaft der Region
ergeben sich aber auch durch die Funktion des Waldes zur
Senkung des Kohlenstoffanteils in der Luft.
Die Chance der Wiederbewaldung von Kyrillflächen muss
genutzt werden, um stabile, standortgerechte und naturnahe Wälder aufzubauen, die den Herausforderungen des
Klimawandels gerecht werden. In besonderem Maße gilt
dies für die von der Fichte bestimmten Wälder des Bergischen Landes, die durch den Klimawandel besonders gefährdet sind. Prinzipiell stellt der hohe Anteil öffentlicher
Wälder in der Region eine Gelegenheit dar, um waldbauliche Konzepte zu entwickeln und zu erproben, die beispielhaft für die Forstwirtschaft im Klimawandel sein können.
Die Region hat hier möglicherweise die Chance, Pionierarbeit zu leisten. Darüber hinaus wäre es wünschenswert,
einzelne geschädigte Wälder als Anschauungsobjekt des
verheerenden Orkans einer natürlichen Entwicklung zu
überlassen – insbesondere deshalb, weil die auf diesen
Flächen ablaufende Sukzession ein wertvolles Studienund Lehrobjekt für die Waldökologie ist.
108
Chancenfelder im Themenbereich Ressourcenlandschaft
Eine große Chance für die Metropolregion Köln/Bonn liegt
darin, im Rahmen einer „Energielandschaft der Zukunft“ –
neben der Einbindung und Weiterentwicklung existieren
der Standorte und Technologien – an geeigneten Orten
Anlagen und Systeme für erneuerbare Energien zu
entwickeln. Realisierbar ist dies, indem die Nutzung der
Sonnenenergie und im geringeren Umfang auch die der
Wind- und Wasserenergie sowie der Geothermie weiter
gesteigert wird. Da die dazu benötigten Technologien
permanent weiterentwickelt werden müssen, könnte hier
auch die Kompetenz der Region als starke Wissenschaftsund Forschungslandschaft zum Tragen kommen. Im
Chancenfeld der Nutzung von Bioenergie, die aus Biomasse beziehungsweise Energiepflanzen gewonnen wird, wäre
es zudem ratsam, das in der Region ansässige land- und
forstwirtschaftliche Know-how einzubinden, um neue
Formen der Energiegewinnung zu entwickeln. Dabei sollte
jedoch auf landschaftliche Aspekte geachtet werden,
beispielsweise indem keine flächendeckenden Monostrukturen zur Energiepflanzenproduktion geschaffen werden.
Bei einem sorgsamen Umgang mit der wasserproduzierenden Landschaft und mit Landschaften, in die bereits
eingegriffen wird (Kies, Bodenschätze, Braunkohletagebau) liegt die Chance darin, Landschaften zu schaffen, die
neben ihrer Produktivität auch für die Naherholung attraktiv sind. Dabei geht es nicht nur darum, Landschaft „im
Nachhinein“ zu rekultivieren, sondern sie bereits während
der produktiven Zeit als Gestaltungsaufgabe zu begreifen
und transparente Kompetenzstandorte zu schaffen, die
Einblicke gewähren und eine Auseinandersetzung mit der
jeweiligen Thematik fördern.
Die Ressourcenlandschaft der Metropolregion Köln/Bonn
birgt eine Reihe von Chancen der Gestaltung – sowohl im
Auf den Punkt gebracht: Chancen- und Konfliktfelder in der Region
landschaftlichen als auch im produktiven Sinne. Diese
liegen vor allem darin, sich bewusst um Orte zu kümmern,
die bislang eher als abseitig galten und so eine neue Form
der Wahrnehmung und Aneignung dieser Orte zu schaffen. In diesem Sinne sollten die Ressourcenlandschaften
auch als Lernlandschaften oder Freilandlabore für neue
Zukunftstechnologien genutzt werden. Dabei könnte ein
besserer, effektiverer und schlauerer Umgang mit wichtigen Zukunftsfragen ausprobiert und beispielhaft sichtbar
gemacht werden.
Ziel sollte es sein, nicht nur produktive, sondern auch
attraktive Landschaften zu schaffen, die zugleich als
Naherholungs- und Erlebnisräume für die Region nutzbar
sind. Als Kompetenzstandorte können sie Erkenntnisse
über den Umgang mit Ressourcen vermitteln sowie Stoffkreisläufe und andere Prozesse exemplarisch zu veranschaulichen. Die landschaftlichen Auswirkungen dieses
Ansatzes spielen gerade im Kontext des ,masterplan
:grün’ eine wesentliche Rolle.
Chancenfelder im Themenbereich Freizeit und Erholung
Die Metropolregion Köln/Bonn besitzt eine vielfältige und
dichte Freizeit- und Erholungslandschaft und verzeichnet
einen stetig wachsenden Stadttourismus. Dennoch gibt es
Potenziale für eine nachhaltige Weiterentwicklung von Freizeit, Erholung und Tourismus in der Region. Folgende Wege
werden als Chancenfelder gesehen, um die ,StadtLandschaft’ neu zu erschließen: der Ausbau innerstädtischer
Freiräume („Stadtgrün“), eine Profilierung der „Visitenkarte
Rhein“, die Entdeckung von „Neuen Landschaften“, die
Flucht in die „Stille Landschaft“, die Wertschätzung der
„Bäuerlichen Landschaft“ und die „Stadt als Kauf- und
Erlebnistempel“. Überlagert werden sie von drei Querschnittsthemen: dem Ausbau der unmittelbaren Vor-Ort-
Freizeit und -erholung, der Entwicklung der „therapeutischen Funktionen von Landschaften“ und der Entwicklung
der „pädagogischen Funktionen von Landschaften“.
Betrachtet man die regionale Situation, so sind die Städte
Köln, Bonn und Leverkusen noch nicht vollständig von
den sie umgebenden Landschaften abgeschnürt. In ihrer
näheren Umgebung gibt es beispielsweise noch viele
großflächige Waldgebiete. In diesem Zusammenhang bietet
das „Stadtgrün“ der Stadt Köln mit seinen Inneren und
Äußeren Grüngürteln sowie den dazwischen liegenden
Radialen eine hervorragende Basis. Wird die Idee entsprechend weiterentwickelt und auch für Bonn realisiert, so
kann sie eine Grundlage sein, um das Angebot an Freizeit
und Erholung in der Region weiter zu verbessern.
Ein ähnlich großes Potenzial eröffnet die Profilierung des
Rheins mit seinen Ufern und Auen als „Visitenkarte Rhein“.
Mit den laufenden Maßnahmen zur Optimierung der Wasserqualität wie auch der ökologischen Qualität der Auen
wächst zugleich die Attraktivität des Flusses für die Freizeitund Erholungsnutzung. Hier sollte es darum gehen, touristische Angebote durch eine verbesserte Infrastruktur am
Fluss zu steigern. Dazu gehören der Rad- und Wandertourismus ebenso wie Schiffsreisen und der Bootssport sowie
Eventmeilen und -orte auf ausgebauten Rheinboulevards.
Ein weiteres Chancenfeld der Region ist die Öffnung der
„Neuen Landschaften“ des linksrheinischen Braunkohle
reviers für Freizeit und Erholung. Um die sich hier bieten
den neuen Dimensionen des Raumes und der Technik
erfahrbar zu machen, müssten neue Einrichtungen am
Rande des Tagebaus geschaffen werden. Groß sind auch
die Erwartungen an die Neugestaltung der Industrielandschaften durch Rekultivierung und Renaturierung. Das
Beispiel der Villeseen verdeutlicht, welche Chancen sich
Auf den Punkt gebracht: Chancen- und Konfliktfelder in der Region
dahinter verbergen. In Zukunft sind hier e
indrucksvolle
Szenarien denkbar: Die über einen langen Zeitraum
angelegte Flutung des Tagebaus Hambach wird einen
See vom Ausmaß des Chiemsees schaffen. Dies kann zu
einer Freizeit- und Erholungslandschaft von europäischer
Dimension und großer Wirtschaftskraft führen.
Ganz anders ist die Situation in den „Stillen Landschaften“
der Region, die der immer größer werdenden Sehnsucht
vieler Freizeit- und Erholungssuchender nach Abgeschiedenheit, Langsamkeit und Ruhe gerecht werden. Diese hat
vor allem in den letzten beiden Jahrzehnten deutlich zugenommen. Sie ist zum Gegengewicht einer beschleunigten
Gesellschaft geworden. Wie kaum eine andere Landschaft
der Region eignet sich das Bergische Land für diese Form
der Erholung. Es eröffnet Rückzugs- und Ruheräume, die
der Einzelne für sich fern von Freizeit- und Erlebniswelten
entdecken und bewahren kann – und zwar ohne dass
jeder Ort und Raum für Freizeit- und Erholungssuchende
erschlossen wird.
Sträflich vernachlässigt hingegen wurde in der Vergangenheit die „Bäuerliche Landschaft“. „Ferien auf dem
Bauernhof“ sind zwar zu einem festen Begriff und einer
Einkommensquelle für die Landwirtschaft geworden, die
bäuerliche Landschaft mit Äckern, Wiesen, Weiden und
Hecken stand dabei meist aber nur auf dem Beipackzettel.
Vergleichbar dem Thema „Stille Landschaft“ liegt auch im
Erlebnis der genutzten freien Landschaft ein Potenzial, das
bisher noch kaum erschlossen ist. Dieser Prozess sollte im
Sinne eines ausgeglichenen Nebeneinanders von Landwirtschaft, Freizeit und Erholung aktiv gefördert werden.
Eine andere Seite der Medaille bildet der moderne Stadttourismus, der von einer Verzahnung von Sightseeing und
Shopping, vom Kaufhausbummel wie vom Dom- oder
useumsbesuch, von der Eventveranstaltung wie von
M
Theater oder Konzert lebt. Auch hierin liegt eine Chance
für die Region, wenn sie es schafft, eine entsprechende
Besucherlenkung zu etablieren. Dabei müssen allerdings
gerade auch im Städtetourismus qualitativ hochwertige
Angebote entwickelt werden, um den Menschen ein Gespür
für den Wandel und die Dynamik der Städte in der Metropol
region Köln/Bonn und deren kulturelle Highlights zu geben.
Ein zentrales Chancenfeld der Region ist und bleibt jedoch
die Vor-Ort-Erholung, die unmittelbar vor der eigenen
Haustür beginnt. In jüngerer Zeit ist eine Gesundheits
bewegung entstanden, die Einfluss auf die Anforderungen
an Freizeit und Erholungsangebote hat. Eine wichtige
Forderung dieser Bewegung ist eine gesunde Umwelt im
unmittelbaren und mittelbaren Wohnumfeld, wo in grünen
Park- und Freiraumnetzen Körper und Seele fit gemacht
werden können. Ein Netzwerk der Kulturlandschaften, das
die Fläche und die Durchgängigkeit städtischer und ländlicher Freiraumsysteme vergrößert, würde hierzu einen
wichtigen Beitrag leisten.
Erst seit kurzem gibt es Untersuchungen zur therapeutischen Funktion von Landschaften. Verbunden mit dem
Thema „Sport und Umwelt“ eröffnet sich hier ein großes
Chancenfeld für Freizeit, Erholung und Tourismus, zumal
die Region mit der Sporthochschule Köln und dem Leichtathletik-Leistungszentrum Leverkusen zwei Hochburgen
des Sports aufweist. Hinzu kommt die Verknüpfung des
Sports (und damit auch zur Optimierung von Freizeit und
Erholung) mit medizinischen Forschungsprogrammen an
den Universitäten der Region und im Deutschen Zentrum
für Luft- und Raumfahrt (DLR).
Eine Chance liegt auch darin, die therapeutische Wirkung
von Landschaften mit sakralen Orten der Klosterland-
109
schaften – zum Beispiel in Heisterbach – zu verbinden. Ein
derartiger Ansatz böte die Gelegenheit, „Landschaft aufzuräumen“ und eine neue, spezifische Infrastruktur zu entwickeln: von Sitzmöbeln für eine entspannte Sehkultur bis hin
zur Ausweisung von Therapiewegen, Entspannungszonen,
Gesundheitsgärten und anderen Angeboten. In diesem Sinne
könnten geeignete Landschaften und Landschaftsteile der
Region sowohl als Erlebnis- und Erfahrungsräume als auch
als Ruheinseln im Ballungsraum profiliert werden. Gelingt
dies, so könnte der Gesundheitstourismus gerade in einer
„Health Care“-Region wie Köln/Bonn einen wichtigen Beitrag
zur Zukunft als Freizeit- und Erholungsregion spielen.
Dies wiederum ließe sich mit dem Aspekt der ,LernLandschaften’ verknüpfen. So könnten Kulturlandschaften als
Erlebnis- und Lernraum vermittelt und Antworten auf die gefühlte Heimatlosigkeit und räumliche Ungebundenheit vieler
Menschen gegeben werden. Neben den traditionellen Lernund Erlebnisorten des Kulturerbes wird es dabei in Zukunft
auch neue Chancenfelder geben. Das können zum Beispiel
Einrichtungen der Wissenschaft als Lern- und Erlebnisorte
oder Landschaften als Orte der Raumerfahrung sein.
Chancenfelder im Themenbereich Rhein
Gerade im planerischen Umgang mit Flusslandschaften
geht es vor dem Hintergrund des Klimawandels und anderer globaler Entwicklungen zunehmend darum, Siedlung
und Landschaft integriert und ganzheitlich zu betrachten.
Diese neue Sichtweise ist eine Chance, sie fordert sie
zugleich aber zum Weiterdenken auf. Indem sie verdeckte
Potenziale erschließt, ermöglicht sie es, neue Strategien
zur Qualifikation der ,StadtLandschaft’ zu entwickeln.
Vor diesem Hintergrund könnte ein wesentliches Chancenfeld für die Metropolregion Köln/Bonn darin liegen,
110
den Rhein als gestalterische Leitlinie für die Siedlungsentwicklung der Zukunft zu begreifen. Dabei geht es in
erster Linie darum, eine Perspektive zu entwickeln, die
den Fluss und die Topografie der Rheinlandschaft wieder
zum regulierenden Rahmen für die Entwicklung der Siedlungen macht. In diesem Sinne würde der Rhein Grenzen setzen und mit seinen Überschwemmungsflächen
wertvolle Böden vor der Verwertung als Bauland schützen.
Zugleich wird deutlich: Planung darf nicht nur statisch
denken, sie muss vielmehr dynamische Zustände berücksichtigen. So kann die potenziell zerstörerische Kraft des
Wassers zur Gestaltung der ,StadtLandschaft’ genutzt
werden. Der Umgang mit Übergangszonen zwischen
trockenen und wechselfeuchten Gebieten stellt dabei eine
besondere Herausforderung dar.
Wenn Freiraum als potenzieller Retentionsraum nicht
weiter für bauliche Zwecke in Anspruch genommen würde, müsste sich das Siedlungswachstum auf vorhandene
Siedlungsflächen konzentrieren. Neue städtebauliche
Spielregeln, beispielsweise die vertikale Verdichtung des
Bestandes oder das Akzentuieren der Siedlungsränder
könnten Stadtsilhouette und -gestalt neu beleben. Eine
binnenorientierte Entwicklung würde auch dazu beitragen,
dass sich eine „neue Mitte“ in den jeweiligen Ortslagen
ausprägt.
Eine weitere Chance birgt die Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung. Mit dem Wandel zur
Dienstleistungsgesellschaft werden vermehrt vormals industriell genutzte Standorte in Rheinlage frei und ermöglichen Renaturierungen in Verdichtungszonen. Über Rückbaumaßnahmen und Entsiegelung könnten diese meist
innerstädtischen Standorte wieder einen landschaftlichen
Charakter erhalten und als Retentionsraum zur Hochwasservorsorge dienen. Parallel würden urbane Auenland-
Auf den Punkt gebracht: Chancen- und Konfliktfelder in der Region
schaften als ruhige Erholungslandschaft erschlossen. So
könnten zudem Freiflächendefizite kompensiert werden.
Diese Mehrdimensionalität an Nutzungsinteressen steigert den Wert der Ressource „Freiraum“ und schützt die
Areale vor späterer Bebauung.
Die skizzierten Szenarien bieten zugleich die Chance, das
ungeschriebene Gesetz der „rheinischen Fruchtfolge“ zu
brechen. So könnten die fruchtbaren Böden der rheinischen Niederterrasse angesichts der globalen Debatte
um die Versorgung mit Lebensmitteln und die Sicherung
von Retentionsflächen ökonomisch und ökologisch an
Wert gewinnen. Es wäre denkbar, hier flutungstolerante
Fruchtfolgen, Bewirtschaftungsformen und Bauweisen
landwirtschaftlicher Gebäude zu erproben. Entsprechende Maßnahmen könnten die „Wasserspeicherleistung“
der Böden erhöhen, Grünlandnutzungen zur Stabilität
erosionsgefährdeter Ufer beitragen. Bei alldem sollte die
landwirtschaftliche Produktion entlang des Flusses sensibel in Stufen unterschiedlicher Bewirtschaftungsintensität
zoniert werden.
Gelingt es, den Freiraum zwischen den Hochwasserereignissen als Erholungsort zu sichern, so wächst die
Lebensqualität der Region am Fluss. Hier muss eine neue
Balance zwischen den Ansprüchen der Landwirtschaft,
des Naturschutzes und der Freizeitnutzungen gefunden
werden. Dies könnte zudem für eine ästhetische Differenzierung des Landschaftsbildes sorgen. Resultat wäre ein
neuer Typus der „fluvialen Kulturlandschaft“, der sich an
die ursprüngliche Stromlandschaft anlehnt.
Voraussetzung für die Realisierung derartiger Chancen
ist eine intensive regionale Kommunikation. Um zukunftsfähige Qualitäten für die Stadträume in die Praxis umzusetzen, bedarf es neuer Formen der Zusammenarbeit. Es
kann nicht allein das Ziel sein, mit den Ansprüchen der
räumlichen Dominante „Rhein“ in Dialog zu treten, gleichzeitig müssen sich auch die Akteure am Fluss stärker
vernetzen. Pragmatische Lösungen und konsensfähige
Qualitätsansprüche für den Umgang mit der Flusslandschaft lassen sich nur durch ein sektoral und räumlich
übergreifendes Handeln entwickeln und realisieren. Die
„Anrheiner“ aus Politik, Stadtplanung, Land- und Wasserwirtschaft, Industrie und Wissenschaft sind daher zum
gemeinsamen Handeln aufgefordert. Ein Grundstein dazu
wurde mit dem 2008 gegründeten Arbeitskreis Rhein gelegt, in dem alle am Rhein liegenden Städte in der Region
zusammenarbeiten. Er soll dauerhaft einen verantwortungsvollen Umgang mit den gemeinsamen Rheinufern
etablieren und eine qualitätvolle Entwicklung von Stadtund Landschaftsräumen entlang des Stroms fördern. So
erhält der Rhein auch als gesellschaftliche und kulturelle
Achse der Region neues Gewicht.
Die beschriebenen Chancenfelder sind angesichts des
wachsenden Siedlungsdrucks und der durch den Klimawandel größer werdenden Hochwassergefahren nicht nur
planerische Gedankenspiele, sondern wichtige Planungs
aufgaben für die Zukunft. Allein im Hinblick auf das
enorme Schadenspotenzial im möglichen Katastrophenfall
ist es aus ökonomischer, ökologischer und sozialer Per
spektive unausweichlich, über ein „fluviales Freiraummanagement“ nachzudenken und den Fluss als dynamisch
gestaltende Kraft aktiv in die Raumplanung einzubinden.
Die Konfliktfelder: Wo es in der Region „krachen“ könnte
Die Ausführungen der einzelnen Fachdisziplinen zeigen,
dass Entwicklung nicht ohne die Bewältigung von Konflikten abläuft. Nur eine aktive Auseinandersetzung mit
den Konflikten im jeweils betroffenen Raum ermöglicht
Auf den Punkt gebracht: Chancen- und Konfliktfelder in der Region
es, tragfähige Lösungen für den Erhalt und die künftige
Gestaltung der Kulturlandschaften in der Region zu finden
und zu realisieren. Das setzt die Fähigkeit voraus, die
auftretenden Konflikte konstruktiv und gemeinschaftlich
anzugehen und zu bearbeiten. Gelingt dies nicht, könnte
es an einigen Stellen in der Region in Zukunft „krachen“.
Im Folgenden werden die für die jeweiligen Themenbereiche wichtigen und zurzeit erkennbaren Konfliktpunkte
benannt, deren räumliche Ausdifferenzierung und Lösung
ein wesentliches Ziel der Projekte vor Ort sein sollte.
Konfliktfelder im Themenbereich Siedlungsentwicklung
Die Entwicklung von Siedlung und Verkehr wird in der
weiter wachsenden Metropolregion Köln/Bonn auch in
Zukunft eine zentrale Rolle spielen. Verläuft dieser Prozess ungesteuert, so könnten auf längere Sicht wertvolle
Flächen und Funktionen der Kulturlandschaft sowie der
Landwirtschaft und des Naturschutzes verloren gehen.
Zudem käme es zu einer fortschreitenden Zersiedlung der
Freiräume und zu einem Verlust der Identität von Stadt
und Stadtvierteln. Dabei würden historisch gewachsene
Stadtbilder und -einheiten überformt, auch weil oftmals
klare Visionen, Anforderungen und Qualitätsziele für die
Zukunftsgestaltung fehlen. Dies betrifft vor allem den
Ballungsraum Rhein-Sieg, die Siedlungsachsen entlang
der Erft und das rechtsrheinische Köln sowie die Industriegassen im Bergischen Land.
Die Siedlungen sind in den letzten Jahrzehnten mehr und
mehr in die freie Landschaft hineingewachsen, ohne dass
Übergänge zwischen Stadt und Land bedacht und ausgestaltet wurden. Auch eine gezielte Gestaltung der neuen
Sielungsränder blieb in der Regel aus. Dies hat zu einer
Verkrustung der Stadt- und Landschaftsbilder geführt, die
häufig mit anderen Investitionen – beispielsweise der An
lage großflächiger Einkaufszentren an den Ortsrändern –
einherging. Das Problem ist in der gesamten Region sichtbar und betrifft alle Arten und Größen von Siedlungen.
Der Trend wird sich fortsetzen, denn Bedarf an neuem
Wohnraum und Flächen für Gewerbe- und Verkehrsanlagen besteht nach wie vor. Die Ursachen für diese Entwicklung sind gesellschaftlicher Art. Sie liegen beispielsweise
in der zunehmenden Aufsplitterung der Familien, der
Änderung des Kaufverhaltens und den deutlich steigenden
Mieten und Pachten in den Innenstädten. Dabei kommt es
jedoch auch außerhalb des Ballungsraumes zur Zerstörung des Landschaftsbildes. Hier werden offene Bereiche
mit neuen Siedlungen, Gewerbe- und Industrieflächen
verbaut. Ein Grundproblem in diesem Zusammenhang ist,
dass die neuen Siedlungen sich so stark ausdehnen, dass
zunehmend historische Baugebiete nicht mehr wahrnehmbar sind. Verursacht wird der Konflikt häufig durch
Defizite in der Bauleitplanung. Dies ist eine Gefahr für
die Region und zugleich ein großes Konfliktfeld: Wenn die
großräumige Verdichtung von Siedlungen zu einer Überformung der ursprünglich freien Kulturlandschaft führen
sollte und sich deren Charakter mittel- bis langfristig verändert, verliert die Kulturlandschaft ihre Erkennbarkeit.
Dies ist gleichbedeutend mit einem Verlust an Identität
und Heimat. Daher sollte in gefährdeten Bereichen die
Ausweisung von Tabuzonen für die weitere Entwicklung
der Siedlungen geprüft werden. Kritisch wird es vor allem
dann, wenn landschaftsgebundene Freiraumachsen oder
-korridore berührt und zerschnitten werden.
Doch wo Konflikte sind, sind auch Chancen. So setzt sich
die beschriebene Entwicklung einerseits zwar vor allem in
den Ballungsräumen und ihrem Umfeld fort, andererseits
aber gibt es – nicht zuletzt aufgrund des demographischen
Wandels – auch bereits Teilräume der Region, in denen
111
die Bevölkerungsentwicklung und der Druck auf die
Fläche rückläufig sind. In diesen eher ländlich geprägten
Bereichen kann sogar vereinzelt von einem „absehbaren
Rückzug aus der Fläche“ gesprochen werden, der neue
Chancen für das Entstehen und die Vernetzung von Freiräumen bieten könnte (vgl. Chancenfelder im Themen
bereich Siedlungsentwicklung, Seite 101).
Ein ähnliches Phänomen zeigt sich beim Konfliktthema
des Aus- und Neubaus von Straßen und anderer Verkehrsflächen innerhalb und außerhalb der Ortschaften. Auch
dieser ist zwar in vielen ländlichen Bereichen zurückgegangen, aufgrund der weiteren Zerschneidung der
Kulturlandschaft und des Flächenverlustes für Land- und
Forstwirtschaft bleibt er aber ein wichtiges Thema in den
Ballungsräumen, ihrem Umfeld und Teilen des ländlichen
Raumes. Um hier künftig Konflikte zu vermeiden, sollte
sowohl über proportionale Entsiegelungen als auch über
Versiegelungstabus nachgedacht werden. Dies wäre nicht
zuletzt deshalb sinnvoll, weil die im Sinne einer nachhaltigen Raumnutzung verträglichen Grenzen der Versiegelung
im Ballungsraum Rhein-Sieg sowie am Westrand des
Bergischen Landes und am Rande des Vorgebirges fast
erreicht sind.
Ein weiteres Konfliktfeld ist die Anbindung städtischer
Freiflächen. Hier liegt das Problem meist in einer fehlenden
inner- und außerstädtischen Vernetzung der urbanen
Grün- und Freiräume, die als durchgängige und klar
geführte Raumfolgen den Stadtgrundriss gliedern und
gestalterisch prägen.
Konfliktfelder im Themenbereich Wasser
Die Niederschlagsarmut in der intensiv landwirtschaftlich genutzten Zülpicher und Jülicher Börde stellt eines
112
der Hauptkonfliktfelder im Themenbereich Wasser in
der Metropolregion Köln/Bonn dar. Sollten die Niederschläge weiter abnehmen, wird es hier zu negativen
Folgeerscheinungen für die Landwirtschaft kommen.
Eine aktuelle Studie des Landesamtes für Natur, Umwelt
und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV )
zur Abschätzung der künftigen klimatischen Entwicklung
in Nordrhein-Westfalen prognostiziert für diese Teilräume der Region bis zum Jahr 2055 einen Rückgang der
Jahresniederschlagsmenge um bis zu 50 Millimeter.
Bereits heute ist man auf den Import von Trinkwasser
angewiesen, wasserbedürftige Sonderkulturen bedürfen
der Bewässerung (vgl. Fachbeitrag Klimawandel, Seite 72,
Fachbeitrag Wasser, Seite 58).
Auch aus den Grundwasserabsenkungen im Zusammenhang mit der Braunkohleförderung ergeben sich große
Konfliktfelder. Nirgendwo in Europa werden so massive
Eingriffe in den Grundwasserhaushalt vorgenommen wie
im linksrheinischen Braunkohlerevier, wo die Sümpfungsmaßnahmen zum Teil irreversible Folgen hinterlassen.
Hier steht die Region vor einer beispiellosen wasserbaulichen und ökologischen Herausforderung. Ein wichtiges
Thema ist in diesem Zusammenhang auch die weitere
Entwicklung des Erft-Gewässersystems im Sinne der
Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (EU-WRRL).
Verschärft wird das Problem der Grundwasserabsenkung
durch die fortschreitende Versiegelung. Hierfür sind insbesondere der Siedlungs- und der Straßenbau in erheblichem Umfang verantwortlich. Ein Thema, das die gesamte
Region betrifft, wächst doch fast überall das Defizit an
Versickerungsflächen. Einen Schwerpunkt bildet dabei im
Bereich der größeren und kleineren Städte des Ballungsraumes Rhein-Sieg. Hinzu kommt in vielen Bereichen das
Problem der technischen Versiegelung und Verfestigung
Auf den Punkt gebracht: Chancen- und Konfliktfelder in der Region
von Gewässerufern durch Wohnsiedlungs-, Industrie-,
Gewerbe- und Verkehrsbauten. Dies tritt deutlich in
den Städten und Siedlungen am Rhein, in der Erft- und
Siegaue sowie in den Industrie- und Siedlungsgassen der
Täler von Wupper, Wipper, Agger und Wiehl hervor.
Auch die Nutzung von Wasserflächen durch Freizeitaktivitäten führt zu Konflikten. Insbesondere an größeren
Gewässern fehlt es oftmals an geeigneten Lenkungsmechanismen und Schutzzonen. So gehen einerseits wertvolle Rückzugsräume für die Natur verloren, andererseits
kommt es zu Verunreinigungen und schädlichen Einflüssen, beispielsweise durch eine intensive Freizeit- und
Erholungsnutzung an Trinkwassertalsperren. Die Möglichkeit, hier wasserbezogene Freizeitaktivitäten ausüben
zu können, ist zwar für die wohnortnahe Erholung sowie
die Lebensqualität und Attraktivität der Region wichtig, sie
sollte jedoch derart gelenkt werden, dass Nutzungskonflikte vermieden werden.
Während die biologische Qualität der regionalen Gewässer in
den letzten Jahren kontinuierlich optimiert werden konnte,
bestehen weiterhin klare Defizite hinsichtlich der hygienischmikrobiologischen Qualität sowie der Gewässerstrukturgüte.
Ein Beispiel ist mangelnde Durchgängigkeit der Gewässer
aufgrund von Querbauwerken und dem Verbau von Ufern
und Sohlen. Diese werden aus dem integrierten Bewirtschaftungsansatz der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie
negativ bewertet. Eine Situation, die es dringend notwendig
macht, Stoffeinträge weiter zu reduzieren und die Struktur
der Gewässer deutlich zu verbessern.
Darüber hinaus tritt mit dem Konfliktfeld Hochwasser
ein Problem auf, das sowohl die Rheinaue als auch die
Nebentäler des Rheins betrifft. Durch fehlende Flächen
für die natürliche Wasserrückhaltung und die Bebauung
der Auen durch Siedlungs- und Gewerbeflächen ist dieses
in der Vergangenheit weiter verschärft worden. Auch ein
zu großer Freizeit- und Erholungsdruck tragen zu dem
Konflikt bei. Die historisch gewachsene, intensive Verzahnung von Siedlungs-, Gewerbe- und Verkehrsflächen mit
dem engmaschigen Gewässernetz führt bei Hochwasser
zwangsläufig zu vielfältigen Störungen und Bedrohungen.
Neben der Freihaltung und Erweiterung noch vorhandener
Retentionsflächen sollte insbesondere einer behutsamen Entflechtung von Wasserräumen und dauerhaften
menschlichen Nutzungen Beachtung geschenkt werden.
Konfliktfelder im Themenbereich Kulturlandschaft und
kulturelles Erbe
Die Bewahrung und nachhaltige Sicherung des kulturellen
Erbes eröffnet ein Hauptkonfliktfeld im Themenbereich
Kulturlandschaft und kulturelles Erbe in der Region.
Dabei umfasst der Begriff des kulturellen Erbes sowohl
Kultur-, Bau- und Bodendenkmale als auch die Elemente
und Strukturen der Kulturlandschaften, die nicht formal
als Denkmal deklariert sind. Sie alle müssen als leben
diger Bestandteil der Kulturlandschaften und wertvolle
Elemente für deren zukünftige Entwicklung begriffen
werden. Vielerorts sind sie jedoch durch einen Substanzverlust oder das Verschwinden der Umgebung bedroht.
Das Hauptproblem ist, dass eine Planung, die keine Rücksicht auf unterschiedliche zeitliche Schichtungen nimmt,
das historische Erbe nivelliert. Sie handelt demzufolge
nicht nachhaltig für das kulturelle Erbe künftiger Generationen. Auf der anderen Seite darf der Schutz historischer
Kulturlandschaften und Denkmale allerdings auch nicht
zu einer Musealisierung der Landschaft führen. Hier
geht es vielmehr um das richtige Maß zwischen rückblickendem und vorausschauendem Denken und Handeln.
Auf den Punkt gebracht: Chancen- und Konfliktfelder in der Region
Eine Aufgabe, die gleichermaßen Konflikte und Chancen
schafft.
ginge mit dem Abriss alter Mühlenbauwerke und Wasserbauwerke einher (vgl. Fachbeitrag Wasser, Seite 58).
Ein wichtiges Thema in diesem Zusammenhang ist der
Verlust an Industriedenkmalen, der sich in der Metropolregion Köln/Bonn vor allem auf Relikte des Industriezeitalters im 19. Jahrhundert bezieht. Ursache der Entwicklung ist, dass der Erhalt des industriellen kulturellen
Erbes oftmals im Gegensatz zu Umweltinteressen gesehen
wurde und wird. Diesen Gegensatz gilt es aufzulösen, um
das industrielle Kulturerbe in den Industriegassen des
Bergischen Landes, im Ballungsraum Rhein-Sieg sowie
im Bereich des Braunkohlenabbaugebietes zu erhalten.
Nicht nur im Ballungsraum, sondern auch in anderen
Teilräumen der Region kommt es zudem seit Jahrzehnten
zu einer Verbauung wichtiger Kulturdenkmäler. Im Ergebnis geht dabei ihre Freistellung im Raum und ihr offener
Bezug zur umgebenden Kulturlandschaft verloren. Ein
Konfliktfeld, das sich in gleichem Maße auf die Stadtlandschaften von Köln und Bonn wie auf die Schlösser und
Wasserburgen in den Flussauen und die Industriedenk
male im Ballungsraum Rhein-Sieg, im Bergischen Land
und an der Erft erstreckt.
Was für die Industrie gilt, trifft auch auf die Landwirtschaft
zu. So verschwinden durch die Technisierung der Landnutzung, die Aufgabe bäuerlicher Betriebe und die Umstrukturierung der Dörfer wichtige Teile des kulturellen Erbes.
Räumlich betrifft dies vor allem das Bergische Land, das
Pleiser und Drachenfelser Ländchen, die Erftaue und die
Börde. Hinzu kommt, dass die Aufgabe landwirtschaftlicher
Nutzflächen sich negativ auf den Offenlandcharakter der
historischen Kulturlandschaft in der Rheinschiene auswirkt.
Neu sind hingegen die Konflikte, die die verstärkte
Fokussierung auf die Produktion von Biomasse zur
Energieerzeugung mit sich bringt. Erfolgt diese in Form
großflächiger Monostrukturen, könnte dies erhebliche
Auswirkungen auf das Landschaftsbild sowie die Erlebbarkeit der Kulturlandschaft und des kulturellen Erbes
haben. In einzelnen Fällen sind sogar weit reichende
Folgen für den Tourismus und die Naherholung sowie die
Identität stiftende Kraft der heimischen Kulturlandschaften zu befürchten. Daher muss eine offene Diskussion zu
diesem Thema geführt werden, die das Ausmaß möglicher
Folgen ebenso einbezieht wie die Entwicklung und Vermittlung denkbarer Alternativszenarien.
Ein weiteres Konfliktfeld stellen die wassergebundenen
Kulturdenkmale dar. Bereits durch den technischen Ausbau
der Fließgewässer im 20. Jahrhundert kam es zu einem
erheblichen Substanzverlust, dem zahlreiche alte Mühlen,
Industriestandorte und Brücken zum Opfer fielen. Die Europäische Wasserrahmenrichtlinie (EU-WRRL) fordert nun die
ökologische Durchgängigkeit. Für das historische Inventar der Kulturlandschaft – beispielsweise die Ober- und
Untergräben an den Hämmern im Bergischen Land – stellt
dies eine konkrete Gefahr dar. Hier eröffnet sich ein breites
Konfliktfeld, vor allem dann, wenn mit der Umsetzung der
EU-WRRL eine absolute Renaturierung verfolgt würde. Dies
Konfliktfelder im Themenbereich Naturschutz und Landschaftspflege
Nach wie vor weisen die Landschaften der Metropolregion Köln/Bonn einen Rückgang der wild lebenden
Tier- und Pflanzenarten auf. Die Lebensgemeinschaften
der Ökosysteme werden sozusagen „ausgedünnt“ und
es besteht die Gefahr, dass diese mehr und mehr ihre
113
Funktionsfähigkeit verlieren. Intakte Ökosysteme wie
beispielsweise naturnahe Wiesen findet man nur noch auf
Restflächen. Folglich ist die Biodiversität der Kulturlandschaft immer noch rückläufig.
Wesentlicher Auslöser dieser Verarmung des Naturerbes
sind die fortschreitende Versiegelung und Bebauung der
Landschaft sowie die damit verbundenen flächenhaften
Beeinträchtigungen des Grundwasserhaushalts. Hinzu
kommen die ungehemmte Zerschneidung der Landschaft,
beispielsweise durch Verkehrswege, sowie eine von
Landwirtschaft, Automobilverkehr und zahlreich weiteren
Emittenten verursachte Hypertrophierung weiter Flächen
durch Stickstoffverbindungen. All dies beschleunigt vielerorts eine Artenverarmung und eine „Uniformierung“ der
Kulturlandschaften. Beschleunigt wird diese Entwicklung
noch durch den Rückzug der Landwirtschaft aus benachteiligten Mittelgebirgsregionen und dem enorm gewachsenen Druck durch Freizeit- und Erholungsaktivitäten in
der Region.
Das Ziel, einen landesweiten Biotopverbund in Nordrhein-Westfalen aufzubauen, weist in der regionalen
Umsetzung weiterhin Defizite und Konfliktpotenziale auf.
Diese liegen vor allem in der Umsetzung kleinteiliger
Strukturen. So zeichnet sich zwar in der Rheinschiene
und im Rhein-Sieg-Kreis ein Netz von großflächigen
Schutzgebieten nationaler und internationaler Bedeutung ab, eine weitere Differenzierung des Verbundes
stößt jedoch in Teilen des Ballungsraumes entlang
des Rheins an ihre Grenzen. Hier könnte ein Netz aus
extensiv bewirtschafteten Flächen oder innerstädtischen
Freiflächensystemen die vorhandenen Lücken schließen.
Viele für den Biotopverbund relevante Bereiche sind
jedoch durch Nutzungen in Form von Siedlungen, Landwirtschaft und Verkehr zerschnitten.
114
Ein Beispiel für die Beeinträchtigung des Biotopverbundes
durch andere Nutzungen sind die Freizeit- und Erholungsaktivitäten in der Region, deren Druck auf ökologisch sensible
Flächen immer größer wird. Das gilt insbesondere für Naturschutzgebiete wie Moore, große Waldgebiete, Flussauen und
Heidelandschaften. Eine Besucherlenkung über ausgeschilderte Wege und Informationstafeln reicht hier vielerorts nicht
mehr aus. Konflikte können durch zentrale Organisationsund Informationseinheiten gemildert werden, vor allem in
den größeren Naturschutzgebieten: im Bergischen Land, an
der Siegmündung, in der Wahner Heide und dem Königsforst, im Siebengebirge, im Kottenforst und auf der Ville.
Hinzu kommt, dass nahezu in allen Naturschutzgebieten
der Region Defizite bestehen, wenn es darum geht, praktische Schutzmaßnahmen umzusetzen. Oftmals sind Übergangsbereiche zu anderen Nutzungen nur unzureichend
durch Pufferzonen abgesichert. Das schafft Konflikte,
auch weil eine Ausweitung der Schutzgebiete auf derar
tige Pufferzonen auf erheblichen Widerstand stößt und die
Übergänge somit entfallen.
Ein anderes Konfliktfeld betrifft die Artenvielfalt auf
Ackerflächen, Wiesen und Weiden, beispielsweise in der
Börde, aber auch auf den Ackerinseln am Westrand des
Bergischen Landes und im Drachenfelser und Pleiser
Ländchen. Die Intensivierung der Landwirtschaft hat zu
einem Rückgang der Artenvielfalt geführt. Dies wird durch
neue Produktionsflächen und -formen wie F
eldgrasanbau,
geschützten Anbau oder Bioenergiefelder verstärkt.
Betroffen sind dabei nicht nur die Produktionsflächen
selbst, sondern auch die Kleinstrukturen und eigentlich
nicht zu bewirtschaftenden Flächen der Agrarlandschaft,
beispielsweise Feldraine, Wegränder, Hecken, Feldgehölze
und Brachen. Verursacht wird das Problem durch eine
flächendeckend wirksame Landwirtschaft.
Auf den Punkt gebracht: Chancen- und Konfliktfelder in der Region
Konfliktfelder im Themenbereich Klimawandel
Das größte Konfliktfeld im Themenbereich Klimawandel
könnte sich aus einer Verschiebung der Vegetationszonen in Europa ergeben. Sie würde nahezu alle Bilder der
Kulturlandschaften betreffen und negative Auswirkungen
auf die Tier- und Pflanzenwelt der heimischen Ökosysteme sowie auf Land- und Forstwirtschaft und damit
einhergehend den Wasser- und Bodenhaushalt haben.
Entsprechende Konflikte zeichnen sich aber auch für die
Ressourcenlandschaft, für Freizeit und Erholung sowie für
den Rhein ab. Sie wurden in den einzelnen Fachbeiträgen
zum Teil bereits angeführt.
Der Klimawandel könnte vor allem im Ballungsraum zu
einer zusätzlichen Erwärmung des Stadtklimas führen.
Dies würde es erschweren, Luftreinhaltepläne in den
Städten umzusetzen, da es beispielsweise zu einer kritischeren Entwicklung von Ozon kommen könnte. Hinzu
kommt, dass ein wärmeres Stadtklima verbunden mit den
erwarteten Tropennächten dazu führen könnte, dass die
Zahl der Klimaanlagen zunimmt – ein Prozess, der bereits
angelaufen ist.
Betrachtet man den Klimawandel hinsichtlich möglicher
Konfliktfelder, so rücken unter dem Aspekt Wasser vor
allem die Börde und Teile des Ballungsraumes Rhein-Sieg
in den Fokus. Hier ist mit einer wachsenden Trockenheit
und Wasserknappheit zu rechnen. Dabei wirkt der Druck
zunehmend von zwei Seiten: von oben durch geringe und
im Zuge des Klimawandels weiter abnehmende Niederschlagsmengen, von unten durch die fortschreitende
Absenkung des ohnehin niedrigen Grundwasserspiegels
(vgl. Fachbeitrag Wasser, Seite 58). In Fließgewässern
wie Erft und Swist wird der Wassermangel im Sommer
möglicherweise dazu führen, dass sie nahezu vollstän-
digen austrocknen. Das gilt auch für die Gewässernetze
der Vorgebirgsbäche und für die suburbanen Gewässer
im Umfeld der Stadt Köln. Zudem bringt der Klimawandel
eine Erwärmung der stehenden Gewässer mit sich, die mit
negativen ökologischen Folgen wie Sauerstoffzehrung und
Algenwachstum verbunden sein könnte.
Probleme bei der Veränderung von Kulturlandschaft in
Folge des Klimawandels könnten dort entstehen, wo
Landschaftsbilder tief verwurzelt sind und der Wandel
sehr schnell von statten geht. Hier ist vorstellbar, dass
die Identifikationsmerkmale von Landschaften negativ
beeinflusst werden, ja sogar verloren gehen. Das unverwechselbare Erscheinungsbild einer Kulturlandschaft, wie
es sich etwa durch das Mosaik von Wald und Grünflächen
im Bergischen Land darstellt, ist letztlich auch von großer
Bedeutung für die touristische Attraktivität einer Region.
Die Folgen des Klimawandels könnten sich somit langfristig sogar auf die Wertschöpfung im Tourismus auswirken. Andererseits bestehen im Einzelfall Möglichkeiten,
Strukturen des kulturellen Erbes wieder in das Bewusstsein zu rücken oder zu revitalisieren. Ein Beispiel ist der
Weinbau auf klimatischen Gunstflächen. Insbesondere der
Hochwasserschutz als Reaktion auf den Klimawandel beinhaltet aufgrund möglicherweise notwendiger baulicher
Maßnahmen im Hinblick auf die Kulturlandschaft und das
kulturelle Erbe weiteres Konfliktpotenzial.
Ein ausgesprochen großes Konfliktfeld schafft der
Klimawandel für jene Ökosysteme, die auf kühlere und
feuchtere Bedingungen angewiesen sind. Besonders
gefährdet sind zum Beispiel die Moor-Ökosysteme und
die montanen Waldökosysteme der Region. Vor allem
könnte es zu immensen Auswirkungen auf Art und Umfang der Biodiversität kommen. Bei einem ungebremsten
Klimawandel würde in Deutschland bis zum Jahr 2080
Auf den Punkt gebracht: Chancen- und Konfliktfelder in der Region
jede fünfte wildwachsende Pflanzenart weite Teile ihres
Verbreitungsgebietes verlieren. Das geht aus Studien des
Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) und des
Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) hervor.
Arten, die Kühle und Luftfeuchte bevorzugen, würden nach
Norden oder in Höhenlagen abgedrängt. Im Gegenzug
könnten einige Wärme liebende Arten aus dem Süden
nachrücken – der Konflikt würde zu einem, allerdings
vergleichsweise geringen Chancenfeld (vgl. Chancenfelder
im Themenbereich Klimawandel, Seite 72).
Die Folgen des dargestellten Konfliktes wären weit
reichend: Viele Pflanzen- und Tierarten könnten ihre
Nischen, zum Beispiel im Gebirge oder in Mooren,
verlieren. Ein Verlust an Biodiversität, der sich durch
zuwandernde Arten aus Südeuropa nicht ausgleichen
ließe. Zu den Verlierern des Klimawandels gehörte dann
beispielsweise die Sumpfdotterblume. Sie würde aus den
tieferen Lagen verschwinden. Ein weiterer Verlierer wäre
die Fichte. Sie ist an kühle und luftfeuchte Bedingungen
angepasst, die künftig voraussichtlich in immer kleineren
Teilen der Region herrschen werden. Treffen würde die
Entwicklung auch einheimische Tierarten, die sich an die
Pflanzenwelt und die Temperaturen angepasst haben.
Exemplarisch seien hier vor allem zahlreiche Vogelarten
und Insekten wie beispielsweise Bienen genannt. Wenn
Bienenvölker aus einer Region abwandern, kann dies
massive negative Folgen für die Landwirtschaft in dieser
Region haben.
Es würde nicht der einzige Konflikt bleiben, denn der
Landwirtschaft steht mit dem Klimawandel eine Vielzahl
von Konflikten bevor. Bereits erwähnt wurden notwendige
Konzepte für die Börde, zum Beispiel effiziente Beregnungsstrategien und verdunstungsreduzierte Anbauformen
(auch Folienkulturen). Die Verfügbarkeit von Wasser ist
auch andernorts der entscheidende Parameter hinsichtlich
der Frage, wie sich der Klimawandel auf die Landwirtschaft
auswirken könnte. Vor allem im Regenschatten der Eifel
(Zülpicher Börde) muss mit Ertragsrückgängen gerechnet
werden, der Wassermangel könnte aber auch auf den guten
Böden der linksrheinischen Mittelterrasse spürbar werden
und sich negativ auf den Obst- und Gemüseanbau auswirken. Weitere Konflikte für die Landwirtschaft sind durch
eine größere Erosionsgefahr im Ackerbau nach Starkregen
ereignissen, Probleme mit der Erhaltung der Bodenfeuchte,
einen wachsender Krankheits- und Schädlingsdruck für
Nutzpflanzen sowie eine Zunahme von Schäden durch
Tierparasiten zu befürchten. Der Klimawandel bedingt
zudem eine Anpassung landwirtschaftlicher Sorten und
Arten sowie eine neue Dünge- und Ernteplanung und neue
Schnittfolgen für das Grünland.
Das Konfliktfeld für die Forstwirtschaft in Zusammenhang
mit dem Klimawandel bezieht sich vor allem auf Veränderungen des Baumbestandes jener Arten, die an kühlfeuchte Standortbedingungen angepasst sind. Sollten sich
Temperaturen und Niederschläge verändern, dann steigt
an einigen Standorten das Risiko für die forstlich wichtige
Baumart Fichte. Einerseits wird sie physiologisch geschwächt, andererseits finden Schädlinge wie der Borkenkäfer günstigere Bedingungen vor. Eine Erwärmung würde
generell zur Zunahme von Forstschädlingen führen.
Auch in der Ressourcenlandschaft des Braunkohlenreviers
können durch den Klimawandel neue Konflikte entstehen. Ein Grund dafür liegt in der zunehmende Aridität der
Großlandschaft Börde/Ville und dem Verlust an Grundund Oberflächenwasser. Als Folge müsste zusätzliches
Wasser für die Kraftwerke und die Wiederherstellung der
Grundwasserstände nach dem Abbau der Braunkohle
beschafft werden.
115
Last but not least wird der Rhein in besonderer Art und Weise
vom Klimawandel betroffen sein: Er gerät unter Klimadruck.
Eine Ursache ist die zu erwartende winterliche Zu- und
sommerliche Abnahme der Wassermenge seiner Zuflüsse.
Zudem werden sich Extremereignisse häufen, was wiederum
Auswirkungen auf den Pegelstand und die Schiffbarkeit des
Rheins haben kann (vgl. Fachbeitrag Klimawandel, Seite 72).
Durch eine höhere Zahl von neuen Starkregenereignissen
würde die Gefahr von Überflutungen sowie häufigeren und
extremeren Hochwassern des Rheins und seiner Nebenflüsse ansteigen. Zudem würde es durch eine neue Klimasitua
tion in den Alpen zu neuen Hochwasserzeitpunkten kommen.
Eine mögliche Entwicklung, auf die die Wasserwirtschaft mit
neuen Maßnahmen zum Hochwasserschutz reagieren muss.
Sehr kritisch könnten sich auch die prognostizierten tiefen
Sommerpegel auswirken, denn ein zeitweiser Stillstand
der Schifffahrt hätte sehr nachteilige Auswirkungen auf die
Wirtschaft. Letztlich sollte noch angemerkt werden, dass
eine Erwärmung des Rheinwassers negative Folgen für die
Fischfauna haben könnte, bis hin zu angestrebten Wiedereinbürgerung des Lachses.
Konfliktfelder im Themenbereich Landwirtschaft
Zentraler Konflikt im Themenbereich Landwirtschaft ist
und bleibt der Verlust an landwirtschaftlichen Flächen,
der sich auf Acker und Grünland ebenso auswirkt wie
auf den Obst- und Gemüseanbau und die Flächen des
Gartenbaus. Diese Entwicklung beeinträchtigt die Konkurrenzfähigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe. Sie hat
eine Vielzahl von Ursachen: So dringen Siedlungsflächen
und gewerbliche Nutzungen wie der Braunkohletagebau
und die Gewinnung von oberflächennahen Bodenschätzen
immer weiter in den Freiraum vor, Wasserschutzgebiete
werden erweitert, Kompensationsmaßnahmen für Landschaftseingriffe vorgenommen.
116
Das Problem des Flächenverlustes betrifft die gesamte
Region, vor allem im Umfeld der größeren und kleineren
Städte. Auch der Westrand des Bergischen Landes sowie
die Landschaft der Börde zählen zu den Problemgebieten. Hier werden fruchtbare Ackerstandorte in immer
größerem Maße umgewandelt und anderen Nutzungen
zugeführt. Besonders betroffen sind die Gunsträume der
Landwirtschaft, beispielsweise in der Zülpicher und Jülicher Börde, im Drachenfelser Ländchen sowie am Westrand des Bergischen Landes. Es ist zu prüfen, ob und wie
diese Gunsträume gegenüber anderen Nutzern geschützt
werden können.
Das dargestellte Konfliktfeld bietet den Landwirten in der
Region zugleich jedoch eine Chance: Um im Konflikt mit
konkurrierenden Nutzungen besser bestehen zu können,
müssten sie sich stärker als Unternehmer begreifen und
als solche auch wahrgenommen werden. Die Landwirtschaft sollte aus der passiven in eine aktive Rolle gehen:
Landwirte müssen unternehmerisch erfolgreich sein,
um ihre Existenz zu sichern. Sie unterscheiden sich von
anderen Branchen jedoch dadurch, dass der Bezug zu
Raum, Boden und Umwelt von entscheidender Bedeutung
für die Effizienz und den unternehmerischen Erfolg ihres
Handelns ist.
Was für die Gunsträume des Ackerbaus gilt, trifft auch
für die Grünlandwirtschaft zu. Sie ist – insbesondere im
Bergischen Land – rückläufig. Sollte die Landwirtschaft
hier noch weiter zurückgedrängt werden, könnte dies
mittel- bis langfristig zu einer weitgehenden Aufgabe der
Wiesen- und Weidewirtschaft führen und das Gesicht der
Landschaft des Bergischen Landes tief greifend verändern. Auf diese Art und Weise würden die offenen Täler
und der Wechsel von Wald und Grünland verloren gehen.
Auf den Punkt gebracht: Chancen- und Konfliktfelder in der Region
Um konkurrenzfähig zu bleiben, intensiviert die Landwirtschaft in vielen Bereichen in ihre Produktivität. Ein
Beispiel ist der so genannte „geschützte Anbau“ von Obst
und Gemüse unter Folie oder Glas. Die dabei vollzogene
Entkopplung von Umwelteinflüssen führt einerseits zu
höheren Ernteerträgen pro Fläche, andererseits bringt
sie eine artifizielle Bodennutzung und einen höheren
Wasserbedarf mit sich. Ein wichtiger Aspekt ist auch
die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes durch den
geschützten Anbau. Hier könnte es durch das Entstehen
„neuer Landschaften“ zu Auswirkungen auf die Freizeitund Erholungsnutzung der entsprechenden Teilräume
kommen Landwirtschaft hat in der Vergangenheit stets
neue Landschaften geschaffen. Das wird auch in Zukunft
so sein. Diese Landschaften müssen eine Lebensbasis
sowohl für die Landwirtschaft als auch für die Tier- und
Pflanzenwelt der Region bieten. Bei ihrer Ausgestaltung
sollten daher die „Spielregeln der Umwelt“ eingehalten
werden. In der Region bezieht sich das Konfliktfeld insbesondere auf den Rand des Vorgebirges, es reicht aber
auch bis in die Jülicher und Zülpicher Börde sowie in das
Drachenfelser und Pleiser Ländchen hinein. Hier stellen
zudem mögliche Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes durch Produktionsumstellungen im Obstanbau ein
Konfliktpotenzial dar.
Zusätzliche Konflikte in der Region sind aufgrund der
fortschreitenden Zerschneidung der Landschaft durch Verkehrswege und Energietrassen möglich. Dazu wird regelmäßig landwirtschaftliche Nutzfläche in Anspruch genommen – ein Problem, das vor allem im Umfeld der Städte und
im Übergangsbereich von Ballungsraum und Zwischenstadt
immer stärker auftritt. In den Freiräumen der Ballungsräume kollidieren zudem auch Interessen von Naherholung
und Landwirtschaft. Der Erholungsdruck im Bergischen
Land ist hingegen nicht wirklich ein Konfliktfeld.
Die skizzierte Entwicklung in der Landwirtschaft geht einher mit einer rückläufigen Wertschätzung der Kulturlandschaft durch die Landwirte selbst und einem mangelnden
Bewusstsein der Bevölkerung für die Leistungen der
Landwirte bei der Kulturlandschaftspflege. Die Landwirte
halten es unter den derzeitigen Marktbedingungen für
unzumutbar, die traditionellen Aufgaben der Landschaftspflege weiterhin ohne angemessene Bezahlung durchzuführen. Hierzu Lösungen zu finden könnte eine wesent
liche Herausforderung für die Zukunft sein.
Ein anderes Konfliktfeld betrifft die Waldränder, die zu den
artenreichsten Landschaftselementen im Forst gehören.
Hier sollte vor allem der Schutzgedanke im Vordergrund
stehen. Die Ausweisung geeigneter Pufferzonen ist jedoch
häufig mit einem Flächenverlust für andere Nutzungen
verbunden. Zugleich waren und sind die Wälder in den
letzten Jahren und Jahrzehnten einem immer stärker
werdenden Druck ausgesetzt, der vor allem von Siedlungserweiterungen ausgeht. Der Wunsch nach einem
Wohnort am Waldrand hat vielerorts zum Verschwinden
Konfliktfelder im Themenbereich Forstwirtschaft
Die Forstwirtschaft bietet zwar große Chancenfelder für die
Metropolregion Köln/Bonn (vgl. Chancenfelder im Themenbereich Forstwirtschaft, Seite 107), zugleich aber Konfliktpotentiale. So kommt es trotz gesetzlicher Regelungen
zum Erhalt der Wald- und Forstflächen nach wie vor zum
Verlust wertvoller Waldflächen, vor allem durch wachsende
Siedlungsbereiche, Infrastrukturmaßnahmen und Bergbau.
Diese Verluste lassen sich durch Ersatzaufforstungen nur
begrenzt ausgleichen. Dieser Konflikt lässt sich nur durch
klare Vorgaben zur Erhaltung der Wälder lösen. Regional
tritt das Problem im Ballungsraum Rhein-Sieg, im Vorgebirge, in der Ville und in Teilen des Bergischen Landes auf.
Auf den Punkt gebracht: Chancen- und Konfliktfelder in der Region
wertvoller Waldbereiche geführt. Aufgrund des zu erwartenden weiteren Wachstums der Region könnte der Druck
in einigen Teilräumen noch weiter zunehmen.
Doch trotz solcher Probleme verfügt die Metropolregion
Köln/Bonn über einen guten Waldbestand. Das bedeutet
jedoch nicht, dass keine Waldvermehrung mehr stattfinden sollte. Sie ist in allen Teilräumen wünschenswert,
eröffnet aber beispielsweise im Ballungsraum RheinSieg einen Konflikt mit der Nutzung von Freiräumen und
Auenlandschaften. Im Bergischen Land drohen Konflikte
mit der Grünlandwirtschaft. Hier wie auch in der Börde
könnten Maßnahmen der Waldvermehrung zu einer Verfremdung des Kulturlandschaftsbildes führen.
Konfliktbeladen sind auch die Nadelforste der Region.
Heute gilt ein naturnaher und standortgerechter Mischwald als selbstverständliches Ziel der Forstbehörden
und Waldbesitzer. Die Kultivierung von reinen Nadelholzforsten, die zwar sehr ertragreich sind, zugleich aber die
Boden- und Gewässerversauerung fördern, führt hingegen
zu Problemen. Vorzufinden sind diese vor allem in den
Privatwaldbereichen des Bergischen Landes und der Ville.
Seit jeher übt der Wald eine große Anziehungskraft auf
Erholungssuchende aus. Dabei nimmt der Druck der Freizeitnutzung auf die Wälder der Region zu. Es fehlen bislang sinnvolle Konzepte zur Lenkung und Information der
Waldbesucher. Die Folge sind nicht selten Schwierigkeiten
in der Bewirtschaftung der Wälder sowie eine Beeinträchtigung ihres ökologischen Werts. Dies beeinträchtigt das
Walderlebnis der Erholungssuchenden, die ihrerseits
Mitverursacher des Konfliktes sind. Das Konfliktfeld
Walderlebnis tritt insbesondere im Ballungsraum RheinSieg sowie in den angrenzenden Waldbereichen von Ville,
Königsforst, Kottenforst und Siebengebirge auf.
Ein weiteres Konfliktfeld könnte sich ergeben, wenn die
stärker auf die Holznutzung ausgerichteten Interessen der
Waldbesitzer sowie eine auf Rohstoffversorgung ausgerichtete Holzindustrie den gesellschaftlichen Interessen
zum Schutz von Ökosystemen oder den Ansprüchen der
Erholungssuchenden entgegenliefen. Als mögliche Konsequenz könnten Schutzgebiete in den Wäldern ausgewiesen
werden, mit Beschränkungen der Forstwirtschaft – zum
Beispiel durch eine reduzierte Nutzung bei finanzieller
Kompensation.
Konfliktfelder im Themenbereich Ressourcen
Der Umgang mit dem Zukunftsthema Energie und seinen
vielen räumlichen und technologischen Facetten wird eine
der größten Herausforderungen der Zukunft der Region
sein. Dabei eröffnet die Nutzung der Energieressourcen
ein großes Konfliktfeld, das sowohl eine gesellschaftliche
als auch eine landschaftsästhetische Situation aufweist.
Für die Ressourcenlandschaft der urbanen und dicht
besiedelten Metropolregion Köln/Bonn liegt eine wesentliche Aufgabe darin, das Thema nicht zu tabuisieren
und mögliche Konfliktfelder frühzeitig zu benennen. So
könnten diese zu einer Chance werden, sich auch gestalterisch mit entsprechenden Szenarien auseinanderzusetzen und Qualitätsziele zu benennen, wie man die künftigen
Herausforderungen in der Region lösen könnte. Das
Spektrum reicht vom Umgang mit den Ressourcen- und
Produktionsorten – beispielsweise in Form nachvollziehbarer Lern- und Kompetenzstandorte – bis zur konkreten
räumlichen Ausgestaltung einer „Zukunftslandschaft
Energie“. Dabei ist der Umgang mit Ressourcen stets auch
mit einer Gestaltungsaufgabe verknüpft, da jeder Eingriff
Landschaft nachhaltig verändert.
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Konfliktfelder im Themenbereich Freizeit und Erholung
Die immer intensivere Nutzung der Landschaft, ihre
zunehmende Zerschneidung durch Verkehrswege und
Energietrassen sowie der Verlust von Übergängen
beeinträchtigen die Landschaftsästhetik und verändern
die Wahrnehmung und das Erlebnis von Landschaft und
Natur. Dies wird noch verstärkt, da in einer technisierten
Welt mehr und mehr gewachsene Landschaftsstrukturen
und -silhouetten verloren gehen. Ein Beispiel ist der Verlust von Sichtachsen im Umfeld kultureller Bauwerke und
Denkmäler. Die dargestellte Entwicklung bildet ein Hauptkonfliktfeld im Themenbereich Freizeit und Erholung, sie
ist in nahezu allen Bereichen der Region sichtbar.
Einerseits besteht die Gefahr, dass sich das Bild der
gewachsenen Landschaft zunehmend verändert, andererseits nimmt das Interesse der Menschen an inszenierten
Erlebniswelten zu, beispielsweise in Freizeitzentren oder
-parks. In der Regel handelt es sich dabei um von den
Kulturlandschaften losgelöste Kunstwelten, deren Infrastruktur auf große Besucherzahlen ausgerichtet ist. Derartige Zentren werden vor allem dann zu einem Problem,
wenn sie zum Verlust des Natur- und Kulturerbes führen
und das Bild der Kulturlandschaft tief greifend verändern.
Ein großes Konfliktpotenzial gibt es in Teilregionen, die
sich für den Wassersport sowie das Wassererlebnis eignen. Wasser übt eine große Anziehungskraft auf Freizeitund Erholungssuchende aus. Es prägt nicht nur einen Erlebnis- und Sportraum, sondern ist zugleich ein Quell der
Gesundheit. Die mangelnde Erlebbarkeit des Wassers ist
ein wesentliches Konfliktfeld in der Metropolregion Köln/
Bonn. Dafür gibt es mehrere Ursachen, von der nicht mangelnden Wasserqualität bis zu Restriktionen aus Gründen
das Wassers- bzw. Trinkwasserschutzes und des Natur-
118
schutzes, zum Beispiel an den Trinkwassertalsperren
des Bergischen Landes oder an der Siegmündung. Vor
allem aber gibt es das Konfliktfeld Wassererlebnis in der
Rheinschiene sowie in den Abgrabungsgewässern des
Ballungsraumes Rhein-Sieg und der Ville.
Besucherinformation und Besucherlenkung bilden ein
weiteres Problemfeld. Sie stellen wesentliche Voraussetzungen für die landschaftsgerechte Nutzung der regionalen Freizeit- und Erholungsangebote dar und können
dazu beitragen, Übernutzungen zu vermeiden. Es fehlen
Raumthemen für Freizeit und Erholung. Das könnten so
genannte „Eingangspforten“ in die Region sein, die den
Freizeit- und Erholungssuchenden einen Zugang zur Kulturlandschaft eröffnen und diese lesbar machen. Das gilt
sowohl für die Naherholungsräume im Wohnumfeld des
Ballungsraumes als auch für diejenigen im Bergischen
Land, im Siebengebirge und am Übergang zur Voreifel.
Dort, wo neue Freizeitangebote entstehen, beispielsweise
im Gesundheitstourismus oder in Form von ,LernLandschaften’, treten neben einer Vielzahl von Chancen (vgl.
Chancenfelder im Themenbereich Freizeit und Erholung,
Seite 108) immer auch Risiken auf. Diese sind zum einen
ästhetischer Natur, beispielsweise wenn es um die Möblierung oder die „Schönheit“ von Landschaft geht. Zum
anderen aber muss es prinzipiell – gerade auch bei neuen
Nutzungen – darum gehen, potenzielle Konflikte von Beginn an abzuwägen und die Inanspruchnahme der Kulturlandschaft gegebenenfalls auch einzuschränken. Gerade
wenn die Region sich der Ausgestaltung therapeutischer
und pädagogischer Landschaften annehmen würde, wäre
dies in vielen Fällen zunächst einmal damit verbunden,
die Landschaft entsprechend „aufzuräumen“. Dies kann
durchaus zu Konflikten mit anderen Nutzungsformen und
Interessen führen.
Auf den Punkt gebracht: Chancen- und Konfliktfelder in der Region
Prinzipiell ist eine nachhaltige Weiterentwicklung der
regionalen Angebote für Freizeit und Tourismus jedoch
wünschenswert. Gleiches gilt für die Revitalisierung touristischer Orte oder das Erschließen von „Neuen Landschaften“, zum Beispiel in Folge des Braunkohletagebaus.
Werden diese Prozesse umwelt- und sozialgerecht vorangetrieben, so können Konflikte vermieden und Chancen
für die Region genutzt werden.
Konfliktfelder im Themenbereich Rhein
Mit keiner anderen Kulturlandschaft der Metropolregion
Köln/Bonn sind so viele Bilder verbunden wie mit dem
Rhein und seinen Flussauen. So wird er als Rückgrat oder
Schaufenster der Region betitelt, oder aber er steht als
identitätstiftendes Synonym für die „rheinische“ Kultur
und Lebensart. Ein nüchterner Blick auf die ,StadtLandschaft’ am regionalen Rheinabschnitt offenbart jedoch
ein anderes Bild: Große Industrieanlagen, Bürobauten,
Straßen, Bahntrassen und Wohngebiete mit anspruchs
loser Architektur sind hier (städtebauliche) Realität. Dabei
treten grüne Uferkanten und landschaftlich geprägte
Räume deutlich hinter großflächig bebauten Arealen
zurück – sie werden mancherorts zu Resträumen.
Ein großes Konfliktfeld ist auch, dass architektonische
Höhepunkte entlang des Flusses in einem Meer baulicher
Anspruchslosigkeiten untergehen. Vorherrschend sind
ausgedehnte Siedlungsbänder ohne Rheinbezug sowie
landschaftliche Resträume. Das heterogene Erscheinungsbild der Uferkanten präsentiert sich in großen Teilen
in einer unabgestimmten Abfolge baulicher und landschaftlicher Ereignisse. Es fehlt nicht an baulicher Masse,
sondern an baulicher Klasse. Ein Konflikt, der allerdings
zur Chance werden könnte, wenn der Rhein und seine
Uferlagen langfristig wieder zu einem Maßstab regionaler
Baukultur würden – architektonisch, stadtplanerisch und
landschaftsplanerisch.
Beachtet werden sollte dabei, dass die Entwicklung der
regionalen ,StadtLandschaft’ auch am Rhein keine sektorale Fachaufgabe, sondern eine Gemeinschaftsaufgabe ist.
Sie muss daher die sektoralen Fachplanungen in Einklang
bringen, verschiedene Akteursgruppen integrieren und
die Menschen wieder an ihren Fluss und die umgebende
Kulturlandschaft heranführen. Grundsätze und Ziele des
Hochwasserschutzes und die Gestaltung der ,StadtLandschaft’ sollten künftig fachübergreifend diskutiert und
abgestimmt werden. Hierzu fehlen bislang allerdings
gemeinsame Spielregeln und Grundlagen, die notwendig
wären, um den Konflikt zur Chance werden zu lassen.
Ein weiteres Konfliktfeld resultiert aus der „Domestizierung“ des Flusses und seiner Nebenarme und Auen.
Sie hat dem Rhein eine lineare – scheinbar beherrschbare – Struktur verliehen. In Anbetracht der in Folge des
Klimawandels zu erwartenden heftigeren und häufigeren
Hochwässer stellt sich jedoch die Frage, wie deren
Konsequenzen mit wirtschaftlich vertretbaren Mitteln
zu bewältigen sein werden. Der Rhein und seine Nebenflüsse werden zeitweise mehr Raum fordern und neue
Grenzen setzen. Gleichzeitig werden immer häufiger
extreme Gegensätze – zum Beispiel Niedrigwasserstände mit fatalen Auswirkungen auf Flussschifffahrt und
Wasserversorgung – auftreten. So wird der Rhein wieder
größeren Einfluss auf seine Uferräume und die Siedlungs- und Landschaftsentwicklung nehmen. Das könnte
dazu führen, dass künftig weniger flussnaher Raum zur
Entwicklung von Siedlung und Gewerbe sowie für Landund Forstwirtschaft verfügbar sein wird. Gleiches gilt für
den Bau neuer Infrastrukturen. Entgegenwirken könnte
man dieser Entwicklung mit neuen Retentionsflächen, die
Auf den Punkt gebracht: Chancen- und Konfliktfelder in der Region
zugleich positive Effekte für Ökologie, Freizeit, Erholung
und Tourismus hätten.
Dennoch dürften zusätzliche Maßnahmen zum Hochwasserschutz unvermeidbar sein. Hier könnten Konflikte vermieden werden, wenn die Maßnahmen baulich integriert
und ansprechend gestaltet werden. Vor allem beim Bau
neuer Schutzanlagen in Städten sollten mehr nicht nur
technische, sondern auch gestalterische Aspekte berücksichtigt werden. Die Retentionsräume in der Landschaft
hingegen sollten immer auch für andere Nutzungen zur
Verfügung stehen. Hierzu ist eine verstärkte regionale
Zusammenarbeit erforderlich.
Ein regionaler Konflikt erwächst auch aus der Frage des
Freizeitwertes von Uferwegen am Rhein. Hier blieben in
der Vergangenheit viele Chancen ungenutzt. Häufig ruft
die Gestaltung der Wege Probleme zwischen verschiedenen Nutzergeschwindigkeiten (Radfahrer, Spaziergänger)
sowie Erholungssuchenden und dem Naturschutz hervor.
Auch hier kann aus dem Konflikt eine Chance für die Region gemacht werden.
Viele der dargestellten Konflikte entlang des Rheins können
mit dem Fehlen übergeordneter Freiraumkonzepte begründet werden. Das gilt auch für die Ausweisung von Retentionsbereichen, Renaturierungsflächen und Arealen zum
Ausgleich von Eingriffen. Auf einer regionalen Betrachtungsebene ließen sie sich vielerorts mit übergeordneten
Freiraumkonzepten verzahnen – selbst bei auf den ersten
Blick verhältnismäßig kleinen Maßnahmen. So könnten
zudem wichtige Synergien erschlossen und ein regionales
Freiraumnetz etabliert werden. Voraussetzung wäre die
Erarbeitung einer gemeinsamen Handlungsperspektive.
Nicht immer jedoch können Freiräume problemlos genutzt
werden. Einschränkend wirken beispielsweise Auflagen
zum Schutz der Flora und Fauna, die vor allem dort für
Konflikte sorgen, wo sie mit anderen Nutzungsinteressen
kollidieren. Gerade in verdichteten Ballungsräumen wie
weiten Teilen der Metropolregion Köln/Bonn muss eine
Mehrdimensionalität der Nutzungsansprüche in Bezug
auf Naherholung, Natur- und Wasserschutz gewährleistet
sein. Davon ausgehend müssen Retentionsräume sich zu
einer regionalen Erholungslandschaft entwickeln.
Bleibt der Zugang zum Fluss. Dieser ist an vielen Stellen
der Region nicht mehr vorhanden oder gestalterisch
diffus, andernorts fehlen geeignete Leitsysteme. Vor allem
in Siedlungsbereichen ist die bauliche Orientierung zum
Fluss meist nur wenig ausgeprägt, viele Gebäude wenden
dem Rhein sogar ihre Rückseite zu. Hinzu kommt, dass
auch die Potenziale von Fähranlegern als wichtige Zugänge und Orte am Fluss stärker ausgeschöpft werden könnten. Besonders problematisch sind trennende Infrastrukturtrassen zwischen Siedlungen und Rheinufer – gerade
hier gilt es, über neue Lösungen nachzudenken.
119
120
Kapitelbezeichnung
Leitlinien für die Gestaltung der Region: eine Zusammenschau der Herausforderungen und Qualitätsziele
Die Zukunft des Lebensraumes ‚StadtLandschaft’ in der
Metropolregion Köln/Bonn wird wesentlich davon abhängen, wie es der Region und ihren Akteure gelingt, die sich
stellenden gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, kulturellen und ökologischen Herausforderungen vor dem Hintergrund eines tief greifenden demografischen Wandels zu
bewältigen.
Von entscheidender Bedeutung für den Erfolg sind die
selbst gesetzten Qualitätsziele zur künftigen Entwicklung der Kulturlandschaften in der Metropolregion Köln/
Bonn. Die folgende sektorübergreifende Zusammenschau
komprimiert die zuvor bereits formulierten Herausforderungen und Qualitätsziele der einzelnen Fachbeiträge
und die diskutierten Chancen- und Konfliktfelder in der
Region. Sie fasst diese in Form von Thesen beziehungsweise Leitlinien zur Gestaltung der Region zusammen. Sie
dienen den Projekten als Grundlage für die Formulierung
ihrer spezifischen Leitbilder und Ziele und sollten auch
in die formellen (gesetzlichen) Planungsvorhaben – zum
Beispiel die Landesentwicklungsplanung – sowie die
Regional- oder Ortsplanungen einfließen.
Prinzipiell gilt: Stärker als je zuvor braucht Lebensqualität in der neuen Wissens- und Technologiegesellschaft
eine intakte und gesunde Umwelt. Die Standortqualitäten
in der ‚StadtLandschaft’ der Metropolregion Köln/Bonn
werden daher zukünftig insbesondere davon abhängen,
wie die verschiedenen Nutzungsinteressen im Sinne einer
nachhaltig gesicherten Umweltqualität in der Region gemanagt werden und wie städtische und ländliche Freiräume entlang und im Umfeld des Rheins als eigenständiges
Merkmal der Metropolregion erhalten und miteinander
vernetzt werden können.
Die zentrale Herausforderung ‚StadtLandschaft’ und
Qualitätsziele zur Siedlungsentwicklung
Es ist eine zentrale Herausforderung für die Zukunft der
Metropolregion Köln/Bonn, die Entwicklung und Gestaltung
von Stadt, Umland und freier Landschaft (‚StadtLandschaft’)
im Rahmen des Kulturlandschaftsnetzwerkes umzusetzen.
Nur so können Freiraum, Zwischenstadt und Siedlungsränder im Sinne einer zukunftsorientierten Raumordnung
definiert und in sektorale Planungen integriert werden.
Ein wesentlicher Unterschied zur klassischen Stadt- und
Regionalplanung besteht darin, dass die raumgestaltenden
Akteure dieses Ziel als gemeinsamen Rahmen formulieren
und über konkrete Maßnahmen realisieren.
Die vorrangigen zentralen Qualitätsziele zur Siedlungsentwicklung können wie folgt zusammengefasst werden:
• Landschaft im Zusammenhang entwickeln und eine
originäre, vielgestaltige und Identität stiftende ‚Stadtlandschaft’ am Rhein aktiv gestalten;
• das Netzwerk der Kulturlandschaften der Metropolregion
Köln/Bonn als eigenständiges Gerüst für die künftige
Raumentwicklung in Stadt und Land begreifen und
realisieren;
• Anforderungen und Ziele für die abgegrenzten Wachstums- und Stabilisierungszonen der Siedlungsentwicklung in der Rheinschiene zwischen Bonn und Lever
kusen definieren und umsetzen;
• Stadtränder insbesondere im Raum Bonn und Köln von
Wucherungen und Verkrustungen befreien, neu entstehende Spielräume in ländlichen Bereichen im Sinne
einer raumtypischen Landschaftsgestaltung nutzen;
• Erlebbare Freiraumverbindungen und -netze sowie
Anbindungen zwischen der freien Landschaft und den
Stadträumen von Köln und Bonn schaffen;
121
• ein interkommunales und auf die städtischen wie ländlichen Kulturlandschaften bezogenes Flächenmanagement der Metropolregion Köln/Bonn einrichten;
• gemeinsame, Identität stiftende Planungs- und Entwicklungsansätze in allen Kommunen und Kreisen der
Region fördern.
Ökologisch-kulturelle Herausforderungen und
Qualitätsziele
Die ökologisch-kulturellen Herausforderungen und
Qualitätsziele der Region konzentrieren sich auf den
Umgang mit dem natürlichen und kulturellen Erbe sowie
mit Wasser und Klima. Dabei sind vor allem Anpassungsstrategien und Aktivitäten in Hinblick auf den Klimawandel
ein „Muss“. Im Einzelnen sollten hier folgende Aspekte
berücksichtigt werden:
Wasser: Wasser ist als Ganzheit (Grund- und Oberflächenwasser) der Landschaften zu erkennen und zusammenhängend im Sinne der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie
(EU-WRRL) in hoher Qualität zu sichern. Inhaltlich geht es
um ein gesundes Netz aller Grundwasserkörper und Oberflächengewässer sowie um ihren Schutz, ihre Wertschätzung
und Inwertsetzung. Ausgehend vom Grundwasser reicht
dies über Bach- und Flusstäler mit den wasserwirtschaftlich
wichtigen Teilen ihrer Auen bis hin zu künstlichen Wasserkörpern wie Talsperren, Teichen und Kanälen. Ein weiteres
wichtiges Ziel sollte es sein, eine höhere Sensibilität im Umgang mit Trinkwasser und seinen Ressourcen zu erzeugen.
Die vorrangigen Qualitätsziele können wie folgt zusammengefasst werden:
• Auen- und Bachtäler – vor allem im Bergischen Land
aber auch im Ballungsraum bis hinein in die Stadt
122
zentren – renaturieren beziehungsweise vitalisieren
oder reaktivieren;
• die Durchgängigkeit aller Fließgewässer erhöhen und
die Gewässer als Achsen des für die Region typischen
Netzwerks der Kulturlandschaften gestalten – dabei
sollten sie als Matrix der Raumentwicklung begriffen
und genutzt werden;
• Quellgebiete in der gesamten Region prioritär in einen
guten Zustand versetzen;
• Trinkwassertalsperren im Bergischen Land und andere
Gebiete der Trinkwassergewinnung – zum Beispiel an
den Rheinufern – nachhaltig schützen;
• die Vielfalt der Gewässer in Stadt und Land erhalten und
durch die Schaffung neuer Zugänge besser erlebbar
machen;
• die Funktion der Gewässer vom Stadtgewässer bis zum
Rhein als Orte der Gesundheit und Erholung stärken;
• das regionale Wasser-Wissen verbessern;
• den nachhaltigen Umgang mit Wasser zur täglichen
Aufgabe machen.
Natur- und Kulturerbe: Eine große Bedeutung kommt
auch einem verantwortungsvollen Umgang mit dem
Natur- und Kulturerbe zu. Vorrangige Herausforderung
bei der Bewahrung des Naturerbes ist es, den weiteren Verlust an Biodiversität aufzuhalten. Dazu müssen
Schutzgebiete besser vernetzt und abgepuffert sowie die
naturräumliche Differenzierung der Landschaften gepflegt
werden. Bezüglich des Kulturerbes hingegen muss es das
Hauptziel der regionalen Akteure sein, den kulturellen
Nivellierungen der Landschaften entgegenzutreten, um
die Identitäten von Landschaft und Region zu wahren.
Dabei sollte die Sicherung des Naturerbes über einen
Biotop- und Kulturlandschaftsverbund in einem Netzwerk
der Kulturlandschaften mit der des Kulturerbes verknüpft
werden.
Leitlinien für die Gestaltung der Region: eine Zusammenschau der Herausforderungen und Qualitätsziele
Die vorrangigen Qualitätsziele können wie folgt zusammengefasst werden:
dende Rolle kommt dabei dem bewussten Umgang mit dem
Stadtklima und den Faktoren, die dieses beeinflussen, zu.
• den international und national bedeutsamen Biotop
verbund im Umland von Köln und Bonn enger
verknüpfen und vollenden („Grüner Kranz“);
• regionale Biotopverbundsysteme in Verbindung
mit Freiraumnetzen und -korridoren in Stadt- und
Ackerlandschaften anlegen (auch in der Börde);
• mit der „Grünen Metropolregion Köln/Bonn“ ein
europäisches Planungsvorbild zur Umsetzung der
Europäischen Landschaftskonvention schaffen;
• die hohe Wertigkeit von Naturschutzgebieten – auch im
urbanen und suburbanen Raum der ‚StadtLandschaft’
Köln/Bonn – ins Bewusstsein rufen;
• das nationale Naturerbe in der Wahner Heide als
besonderes Prädikat für die Region nutzen;
• herausragende Elemente und Strukturen des kulturellen Erbes der Landschaften – zum Beispiel die Wassermühlen des Bergischen Landes – erhalten und unter
nutzenden Aspekten weiter entwickeln;
• Identität stiftende Bilder und Silhouetten der Kulturlandschaften in der Region erkennen und profilieren;
• charakteristische Sichtachsen der Landschaften –
insbesondere im Umfeld von bedeutsamen Kulturdenkmälern wie den Brühler Schlössern und den Bauwerken
auf dem Drachenfels – bewahren;
• strukturbezogene Nutzungen der Kulturlandschaften
(zum Beispiel Ackerbau in der Börde oder Grünlandlandwirtschaft) und des kulturellen Erbes (zum Beispiel
Wassermühlen) fördern und entwickeln.
Die vorrangigen Qualitätsziele für den Masterplan können
wie folgt zusammengefasst werden:
Klima: Die Herausforderung des Klimawandels zu bewältigen und Strategien zu entwickeln, um dessen mögliche Folgen zu mindern, ist eine der großen Aufgaben für die Zukunft
– nicht nur in der Metropolregion Köln/Bonn. Eine entschei-
• Maßnahmen zur Entsiegelung von Flächen und zur
Wasserversickerung im städtischen Bereich der
‚StadtLandschaft’ Köln/Bonn realisieren;
• Freiraumkorridore insbesondere in den Städten Köln
und Bonn und entlang des Rheins als Durchlüftungsschneisen erhalten;
• den Ausstoß von Kohlendioxid vermindern, zum Beispiel
durch weniger Autoverkehr für Freizeit und Erholung
und den Ausbau des Nahverkehrsnetzes;
• in Land-, Forst- und Wasserwirtschaft nachhaltige,
sozial- und umweltverträgliche Strategien entwickeln,
die mögliche Nachteile des Klimawandels reduzieren
und potenzielle Schäden vermeiden helfen – beispielsweise durch umweltbezogene Landwirtschaft, Wald
vermehrung und Anlagen zur Wasserretention).
Ökologisch-ökonomische Herausforderungen und
Qualitätsziele
Strategien und Maßnahmen zum Erhalt und zur Weiterentwicklung der land- und forstwirtschaftlichen Produktion sowie der künftige Umgang mit den vorhandenen
Ressourcen bestimmen die ökologisch-ökonomischen
Herausforderungen und Qualitätsziele in der Metropol
region Köln/Bonn. In diesem Zusammenhang kommt auch
der Ausgestaltung einer „Zukunftslandschaft Energie“ in
der Region große Bedeutung zu.
Land- und Forstwirtschaft: Der Verlust von landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Flächen muss vor
Leitlinien für die Gestaltung der Region: eine Zusammenschau der Herausforderungen und Qualitätsziele
allem im Ballungsraum Rhein-Sieg aufgehalten werden.
Dies könnte zum Beispiel erreicht werden, indem der
Landwirtschaft in Freiräumen außerhalb der abgegrenzten „allgemeinen Siedlungsbereiche im Abgleich mit
anderen Nutzungsformen und Bedürfnissen wie zum
Beispiel der Schutz- und Erholungsfunktion von Landschaft ein Vorrang eingeräumt wird. Ländlicher Freiraum
im Ballungsraum und in der freien Landschaft ist Lebensund Arbeitsraum des Menschen. Hier geht es auch darum,
eine weitere Versiegelung hochwertiger Böden zu verhindern. Gleichermaßen muss der Verlust der natürlichen
Ressource Wald unterbunden werden. Wälder sollten
großflächig, zusammenhängend und in mulitfunktionaler
Form erhalten bleiben. Wo es möglich ist, könnte die
ohnehin starke regionale Position der Wald- und Forstwirtschaft durch eine landschaftsgerecht gesteuerte
Waldvermehrung noch verbessert werden. Zudem sollte
es ein Ziel sein, die regionalen Kompetenzen von Landund Forstwirtschaft bei der Energiegewinnung zu nutzen.
• nachwachsende Rohstoffe zur Energiegewinnung
landschaftsverträglich fördern.
Die vorrangigen Qualitätsziele können wie folgt zusammengefasst werden:
Die vorrangigen Qualitätsziele können wie folgt zusammengefasst werden:
• landwirtschaftliche Flächen in den Freiraumkorridoren des Netzwerks der Kulturlandschaften der Region
erhalten;
• städtische Freiräume von ländlichen Freiräumen
unterscheiden und sie in ihrer künftigen Gestaltung
entsprechend ihrer Nutzungsansprüche und Charak
teristika weiter entwickeln;
• Landwirte als Landschaftsgestalter und Landschaftspfleger fördern
• Waldinseln und -brücken im Umfeld der Städte Köln
und Bonn vermehren;
• städtische Parkanlagen und Grüngürtel an Wälder
anbinden;
• die Energiegewinnung aus Sonne, Wind, Wasser,
Geothermie und Biomasse an landschaftsverträglichen
Standorten fördern;
• ehemalige Braunkohleflächen zu einer „terra nova“
mit neuen Rekultivierungslandschaften entwickeln
(„Energielandschaft der Zukunft“);
• einen Gestaltungsansatz realisieren, der ein organi
siertes Nebeneinander von Ressourcennutzung und
Naherholung auf Rekultivierungsflächen ermöglicht;
• eine Ausrichtung der Ressourcenlandschaften im Sinne
der Zugänglichkeit von ,Lernlandschaften’ gewähr
leisten – Produktionsorte und die sie umgebende Landschaft sollten bereits während der laufenden Aktivitäten
Ressourcenlandschaft: Ein wesentlicher Aspekt bei der
Entwicklung der Kulturlandschaften ist die nachhaltige Sicherung der natürlichen Ressourcen. In der dicht besiedelten
Metropolregion Köln/Bonn spielen neben den Ressourcen
Wasser und Klima auch energetische und nicht energetische
Bodenschätze eine wichtige Rolle. Zudem müssen ehemalige Ressourcenlandschaften in das Kulturlandschaftsnetzwerk integriert und die Potenziale der Landschaft für neue,
regenerative Energien erforscht und erschlossen werden.
Auch die Auseinandersetzung mit der Frage, wie die Region
den Stoffwechsel einer modernen Abfallwirtschaft zwischen
Gesellschaft und Natur gestaltet, ist von Bedeutung. Übergeordnetes Qualitätsziel ist eine gleichermaßen produktive wie
attraktive Ressourcenlandschaft, die innerhalb der ‚StadtLandschaft’ lebensnotwendige Güter zur Verfügung stellt und
Lebensräume mit Aufenthalts- und Lernqualitäten schafft.
123
als Gestaltungsaufgabe begriffen werden;
• Technologiewissen zu Kraftanlagen in der Region halten
– beispielsweise das Know-how der Energieindustrie im
Rheinischen Braunkohlerevier, im Vorgebirge und am
Rhein.
Soziale Herausforderungen und Qualitätsziele
Die sozialen Herausforderungen und Qualitätsziele fokussieren sich hier auf das Thema Freizeit und Erholung, das
auch in Zukunft ein wichtiges Thema für die Region sein
wird. Neben einer Stärkung und Revitalisierung vorhandener Angebote sollte dabei auch eine Suche nach „neuen
Wegen“ betrieben werden.
Freizeit und Erholung: Im Rahmen der Herausforderungen und Qualitätsziele zur Entwicklung der Kulturlandschaften ist sowohl eine medizinisch-soziale als auch eine
wirtschaftliche Komponente von Freizeit und Erholung
relevant. Entlang von Querschnittsthemen und Trends wie
dem Ausbau der Freizeit und Erholung vor Ort – wobei
die Barrierefreiheit für Menschen mit Handicaps eine
besondere Beachtung finden muss – sowie der Entwicklung therapeutischer und pädagogischer Funktionen von
Landschaften (,LernLandschaften’) sollten hier neue Wege
beschritten werden. Zugleich ermöglichen ein Ausbau des
Stadtgrüns und eine Vernetzung der regionalen Freiräume
neue Landschaftserlebnisse. Eine besondere Situation
stellen die Öffnung und der „Umbau“ der Landschaften
im Rheinischen Braunkohlerevier dar. Insgesamt gesehen
wird der Wirtschaftsfaktor Tourismus in der Region künftig mit einem wachsenden Stadttourismus in der Kulturschiene am Rhein zwischen Köln und Bonn an Bedeutung
gewinnen. In diesem Zusammenhang liegt eine besondere Herausforderung darin, den Rhein als Rückgrat der
Region auch im touristischen Sinne klarer zu profilieren.
124
Die vorrangigen Qualitätsziele können wie folgt zusammengefasst werden:
• innerstädtische Grünflächen für unmittelbare Freizeit
und Erholung vergrößern und miteinander vernetzen
– vor allem in den Städten Leverkusen, Köln und Bonn
(„Stadtgrün“);
• die therapeutischen und pädagogischen Funktionen der
verschiedenen Kulturlandschaften der Metropolregion
Köln/Bonn erkennen und entwickeln – zum Beispiel durch
eine Ausgestaltung in Form von ,LernLandschaften’;
• neue Räume für Freizeit und Erholung schaffen sowie
den Erholungswert landwirtschafltich genutzter
Bereiche vom Bergischen Land bis zur Börde und
ehemaliger Industrielandschaften – erschließen;
• Rad- und Wanderwege in den Kulturlandschaften
vernetzen;
• Sportmöglichkeiten im Freiraum der ‚StadtLandschaft’
ausbauen und unterstützen – wie zum Beispiel in
Leverkusen;
• den Stadttourismus durch die Erlebbarkeit des kultu
rellen Erbes stärker fördern und neue Zugänge zum
Rhein als Ziel für Tourismus und Naherholung schaffen.
Herausforderungen und Qualitätsziele zum
Querschnittsthema Rhein
Auch der Umgang mit dem Rhein stellt die Metropolregion
Köln/Bonn vor eine zentrale Herausforderung. Es muss
eines der prioritären Ziele der Region sein, ihre ambi
valente Haltung zum Fluss zu überwinden und diesen mit
seinen verschiedenen Stromlagen wiederzuentdecken.
Dabei muss der Rhein als Rückgrat der Region stärker als
bislang in das Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger
zurückkehren und dort verankert werden. Der Klimawandel und andere globale Prozesse bedingen einen Perspek-
Leitlinien für die Gestaltung der Region: eine Zusammenschau der Herausforderungen und Qualitätsziele
tivwechsel in der räumlichen Planung von Flusslandschaften. So wird es in Zukunft vor allem um eine integrierte,
ganzheitliche Betrachtung von Siedlung und Landschaft
gehen. Vor diesem Hintergrund müssen Gestalt und Gesicht des Rheins gerade in dieser Region eine durchgängig
hohe Qualität des Planens und Bauens erhalten.
Die vorrangigen Qualitätsziele können wie folgt zusammengefasst werden:
• ein regional abgestimmtes Planungs- und Gestaltungsverständnis zur langfristigen Sicherung und Inwertsetzung der Flusslandschaft Rhein über kommunale
Grenzen hinweg entwickeln;
• den Fluss als gestalterische Leitlinie für eine zukunftsfähige Siedlungsentwicklung stärken
• eine Kommunikations- und Kooperationskultur zum
Thema „Rhein“ als Grundlage eines regionalen und
sektorübergreifenden Zuständigkeits- und Zusammengehörigkeitsgefühls schaffen;
• dem Rhein mit neuen Stromlagen mehr Raum zur
Entfaltung geben sowie die Zugänge zum Strom und
seinen Ufern verbessern – mehr Hochwasserrück
halteflächen schaffen;
• die rheinische Flusslandschaft als Schwerpunktraum
regionaler Strategien zur Klimaanpassung auffassen
und entwickeln;
• den Rhein als Tourismusmagnet und Gesundheitslandschaft für die Bevölkerung stärken und ihm neue
Impulse geben.
Zukunft gemeinsam gestalten: Versuch einer themenübergreifenden Zusammenfassung
Versucht man die verschiedenen Qualitätsziele für die
Metropolregion Köln/Bonn zusammenzufassen, so geht
es vor allem darum, die Landschaft im Zusammenhang
zu sehen und zugleich eine attraktive ,StadtLandschaft’
zu schaffen. Es darf keinen urbanen „Einheitsbrei“ geben,
der das Gesicht der ‚StadtLandschaft’ zerstört. Vielmehr
muss die Kulturlandschaft vielgestaltig bleiben und ihre
verschiedenen Identitäten bewahren. Um zukünftig eine
verkrustete Trennung zwischen Stadt und Landschaft zu
vermeiden, sollte ein Ineinanderflechten der Räume und
ihrer Funktionen unterstützt werden. Dabei können einzelne Nutzungen innerhalb der Räume klar voneinander
abgegrenzt sein.
Eine besondere Rolle kommt dem Rhein als Rückgrat und
Klammer der Region zu. Hier sollten sowohl eine neue
Haltung als auch neue Zugänge zum Fluss etabliert werden. Die Uferlagen des Flusses müssen unter Berücksichtigung der landschaftlichen Anforderungen im Sinne einer
qualitätvollen regionalen Baukultur aufgewertet werden.
Der ,masterplan :grün’ verfolgt vor allem die Intention,
der Region ein landschaftsstrukturierendes „Gesicht“
als Rahmen für die künftige Entwicklung der „grünen
Metropolregion“ zu geben. Zugleich will er die besonderen
Qualitäten innerhalb des vielfältigen regionalen Angebotes
herausarbeiten und stärken. Als regionaler Prototyp zur
Umsetzung setzt er die Idee und die Ziele einer Landschaftskonvention erstmals auf der Ebene einer euro
päischen Metropolregion um.
Wenn die Landschaften der Region als wesentliche Komponente der Lebensqualität und Ausdruck der kulturellen
und natürlichen Vielfalt allgemein anerkannt werden,
gewinnen sie nicht nur ästhetisch, sondern auch als
Standortfaktor und in ihrer Bedeutung für die Naherholung
an Gewicht. Land- und Forstwirtschaft sollten bei der Gestaltung von Landschaft als Lebensraum eine aktive Rolle
einnehmen. Durch den Erhalt und eine bessere Erlebbar-
Leitlinien für die Gestaltung der Region: eine Zusammenschau der Herausforderungen und Qualitätsziele
keit des Naturerbes und des kulturellen Erbes der Region
können diese stärker ins Bewusstsein der hier lebenden
und wirtschaftenden Menschen rücken. Das würde die
Auseinandersetzung mit der eigenen Heimat fördern und
eine Sensibilisierung für die Herausforderungen der Zukunft schaffen. Eine zentrale Herausforderung liegt auch
darin, die Metropolregion Köln/Bonn als kulturelle Drehscheibe von europäischer Dimension weiter zu etablieren.
Darüber hinaus bedarf es nachhaltiger Strategien zur
Bewältigung gesellschaftlicher Entwicklungen wie des
demographischen Wandels und des Klimawandels. Eine
besondere Aufgabe wird es sein, die Region im Sinne
einer „Energielandschaft der Zukunft“ weiterzuentwickeln
und innovative Konzepte zur Gestaltung aktiver Produk
tionslandschaften zu entwickeln. All dies kann jedoch nur
erfolgreich sein, wenn es von entsprechenden Strukturen
der regionalen Zusammenarbeit getragen wird. Dann kann
das, was sich Akteure aus der Region mit dem Masterplan
selbst auf die Fahnen geschrieben haben, zum Leitbild der
künftigen Entwicklung in der Metropolregion Köln/Bonn
werden: Zukunft gemeinsam gestalten.
125
126
Kapitelbezeichnung
Innovation und Qualität als Marke: Das Zusammenspiel von informeller und formeller Planung
Eine Vielzahl von raumbezogenen Projekten und thematischen Impulsprojekten, insbesondere im Rahmen
der Regionale 2010, zeigt bereits heute, wie die Akteure
der Metropolregion Köln/Bonn ihren Raum gemeinsam
gestalten und die Idee einer Infrastruktur der Zukunft
praktisch umsetzen und erlebbar machen. Dabei gibt es
verschiedene Gestaltungsebenen der Arbeitsbereiche
der Regionale 2010, auf denen diese Zukunftsgestaltung
abläuft und sichtbar wird: die Arbeitsbereiche :stadt,
:grün, :rhein, :kulturelles Erbe und :gärten der technik.
Daneben stehen so genannte :impulse für den Standort ,
die übergreifend und ohne einen bestimmten Raumbezug
die Themen :nachwuchs, :wissenschaft, :mobilität und
:standort aufgreifen. In diesem Kontext fokussiert sich
der ‚masterplan :grün’ auf die Arbeitsbereiche :grün und
:kulturelles Erbe. Er weist jedoch Schnittstellen zu :stadt,
:rhein und :gärten der technik auf und entfaltet längst
auch weit über die eigentliche Regionale 2010 hinaus auf
Projekte und Maßnahmen der Kommunen, die beispielhaft
zur Idee und den Zielen der Masterplanung beitragen,
seine Wirkung in der Metropolregion Köln/Bonn.
Rhein, Seite 96). Die raumwirksamen Projekte decken das
gesamte Gebiet der Metropolregion Köln/Bonn ab.
Während im Arbeitsbereich :stadt die städtebaulichen
Zukunftsthemen der Region exemplarisch anhand von
(sieben) modellhaften Schwerpunktprojekten diskutiert
werden, widmen sich die :gärten der technik ausgewählten
Forschungs- und Produktionsstandorten der Region, die
den gesellschaftlichen Umgang mit Natur thematisieren
und ihre „Übersetzung“ in Industrien und der wirtschaftlichen Entwicklung des Rheinlands sichtbar machen. Der
Arbeitsbereich stellt einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der Entwicklung von Natur- und Kulturlandschaft
in der Region dar. Dem Arbeitsbereich :rhein hingegen
kommt eine Querschnittsfunktion zu, indem diese den
Rhein begleitenden Projekte mit den Themen der anderen Arbeitsbereiche verzahnt sind (vgl. Fachbeitrag
Um sich im nationalen wie vor allem auch internationalen Vergleich positionieren und durchsetzen zu können,
werden Regionen sich in Zukunft immer stärker selbst
qualitative Ziele stecken müssen. So treffen sie zugleich
eine Aussage darüber, wohin sie sich in diesem Wettbewerb entwickeln wollen. Mit dem ,masterplan :grün’ hat
sich die Metropolregion Köln/Bonn eine nachhaltigen
Strategie nach dem Vorbild einer regionalen Landschaftskonvention gegeben. Diese verpflichtet sie insbesondere
zur Entwicklung einer ‚StadtLandschaft’ – sie ist in diesem
Sinne zukunftweisend. Ihr Ziel sollte es sein, sowohl die
politische Diskussion qualitativ zu beeinflussen als auch
Impulse zu einer qualitativen Ausformulierung einzelner
Planungen in dieser ‚StadtLandschaft“ zu geben.
Den Nukleus der Masterplanung bilden jedoch die Projekte, die sich auf die so genannte „blau-grüne Infrastruktur“
der Region beziehen und eine räumliche und ökologische
Leitlinie für die Infrastruktur der Zukunft formen. Dabei
entwickeln sie sich in den wertvollen Kulturlandschaftsbereichen, den Gewässernetzen, entlang des Rheins und
seiner Nebenflüsse sowie in den unterschiedlichen Freiraumkorridoren insbesondere im urbanen und suburbanen Bereich. Schon dies verdeutlicht, wie eng die Projekte
sich am Kulturlandschaftsnetzwerk des ,masterplan
:grün’ orientieren (siehe Karte Kulturlandschaftsnetzwerk
mit Projekten), der zugleich die Grundlage ihrer Qualifizierung darstellt. Die Projekte des :kulturellen erbes stehen
oft in einem engen inhaltlichen und räumlichen Bezug zu
den :grün-Projekten. Sie leisten neben ihrem strukturfördernden Impuls für die Region im Bereich der städtebaulichen und landschaftlichen Entwicklung einen substanziellen Beitrag zum Kulturlandschaftsnetzwerk der Region.
127
So gesehen könnte das vorliegende Kulturlandschaftsnetzwerk Metropolregion Köln/Bonn zu einer QualitätsGrundlage für die räumliche Planung in der Region und
in Europa werden. Es ist eng mit der Herausforderung
verbunden, bestehende Landschafts- und Freiräume der
‚StadtLandschaft’ zu bewahren, zu verknüpfen und weiterzuentwickeln und so die Vielgestaltigkeit der verschiedenen Räume in dieser Landschaft sowie deren Identitäten
zu fördern und erhalten.
Der Auftrag zur Sicherung und Verbesserung von Qualitäten
der regionalen Kulturlandschaften ist jedoch nicht nur auf
die im Masterplan beschriebenen wertvollen Kulturlandschaftsbereiche, Landschaftskorridore und -netze begrenzt
– er bezieht sich auf alle Teilräume der Metropolregion.
Deren Vernetzung durch Freiraum-, Wald- und Gewässerkorridore kommt daher eine große Bedeutung zu.
Eine solch umfassende Aufgabe kann nur erfolgreich
verwirklicht werden, wenn sich nicht nur die kommunalen
Gebietskörperschaften und Institutionen der Region, die
wesentlich an der Erarbeitung des Kulturlandschaftsnetzwerkes beteiligt waren, zu ihrer aktiven Umsetzung
verpflichten. Die Aufforderung zur Entwicklung der Kulturlandschaften muss vielmehr für alle landschaftsgestaltenden und raumnutzenden Akteure der Region gelten.
Dabei sollte zwischen den gestalterischen Projekten und
Maßnahmen zur aktiven Verbesserung und Weiterentwicklung der Landschaften im Kulturlandschaftsnetzwerk
vor Ort und deren planungsrechtlicher Sicherung unterschieden werden. Für den umsetzungsbezogenen Aufgabenbereich kommt zunächst insbesondere den beteiligten
Kommunen und Kreisen sowie der Metropolregion Köln/
Bonn und damit dem Land Nordrhein-Westfalen eine
maßgebliche Rolle zu. Die Projekte, die gemeinsam ent-
128
wickelt wurden und nun umgesetzt werden, sind wichtige
Impulsgeber für die Schaffung neuer Qualitäten in den
Landschaften der Region. Dauerhaft kann die Entwicklung
des Kulturlandschaftsnetzwerkes zu einer nachhaltigen
Infrastruktur allerdings nur gelingen, wenn sich alle
landschaftsgestaltenden Nutzer auch in Zukunft mit ihren
Aktivitäten und Projekten den Qualitätsanforderungen des
‚masterplan :grün’ verpflichten. Neben den klassischen
Raumnutzungen des Siedlungsbaus und der Verkehrsinfrastruktur sind in diesem Kontext auch die umweltbezogenen
Fachplanungen von Natur und Landschaft – zum Beispiel
über Kompensationsmaßnahmen – sowie die Sicherung der
Ressourcen Boden, Luft und Wasser einzubeziehen.
Maßgebliche Grundlage für die Entwicklung einer vielgestaltigen ‚StadtLandschaft’ in einem raumübergreifenden
Kulturlandschaftsnetzwerk ist die planungsrechtliche
Sicherung des Netzwerkes und der umgebenden Landschaften. Das trifft insbesondere auf die Freiraumkorridore und -netze zu. Sie müssen vor Nutzungen geschützt
werden, die den festgelegten Zielen widersprechen. Dazu
bietet das bestehende Planungs- und Rechtssystem in
Nordrhein-Westfalen ein umfangreiches I nstrumentarium.
Die Aktivitäten, die den Raum beeinflussen, werden dabei
nicht nur über die raumbezogenen Fachplanungen
gesteuert. Sie sind über die Selbstverpflichtungen der
beteiligten Kommunen bereits in die raumbezogenen
Gesamtplanungen der Bauleitplanung und damit auch
der Regionalplanung integriert.
Die Kommunen und Landkreise der Metropolregion Köln/
Bonn haben sich darauf verständigt, den Masterplan und
90
Innovation und Qualität als Marke: Das Zusammenspiel von informeller und formeller Planung
somit auch die Herausforderungen und Qualitätsziele
des Kulturlandschaftsnetzwerkes in ihren Planungen zu
berücksichtigen. Dies stellt sicher, dass die räumliche
und bauliche Entwicklung der Kommunen den Raum
ansprüchen der Landschaften mit ihren wertvollen Kulturlandschafts- und Gewässereinzugsbereichen sowie Auen-,
Wald- und Freiraumkorridoren beziehungsweise -netzen
nicht entgegensteht.
Ein Faktum gilt grundsätzlich auch für den formellen
Regionalplan Köln, Teilbereich Region Köln: Im Sinne
des Gegenstromprinzips werden hier die räumlichen Ansprüche der kommunalen und fachbezogenen Planungen
koordiniert und berücksichtigt. Im Rahmen der nächsten
anstehenden Gesamtüberarbeitung des Regionalplans
Köln werden die Zielsetzungen des informellen Kulturlandschaftsnetzwerkes als Fachbeitrag einfließen. Auch
der neue Landesentwicklungsplan NRW 2025 wird den
Erhalt und die Entwicklung von Kulturlandschaften im Sinne
des ‚masterplan :grün’ und der eingangs formulierten
regionalen Landschaftskonvention als Ziel formulieren.
Daraus wiederum ergibt sich ein Handlungsauftrag an die
formelle Regionalplanung.
All das macht deutlich: Die Raumordnung wird die Belange
der Kulturlandschaft zukünftig verstärkt berücksichtigen.
Entsprechend der Idee des ,masterplan :grün’ sollte es
den Akteuren in der Metropolregion Köln/Bonn dabei um
eine Abstimmung und Verzahnung von informeller und
formeller Planung sowie um die Nutzung der auftretenden
Synergieeffekte gehen. Der Masterplan kann und darf
nicht zum Teil der formellen Planung werden. Er muss
sich vielmehr die Freiheit erhalten, eine Qualitätsnorm
additiver Art zu sein, die letzten Endes sowohl handlungsleitend als in gewissem Sinne auch planungsleitend ist.
Dies ist so zu verstehen, dass sie die Planung der einzelnen Kommunen inhaltlich beeinflussen und im Sinne des
gemeinsamen Ganzen „steuern“ sollte.
Kommen wir abschließend noch einmal auf die Europäische Landschaftskonvention zurück: Ausgehend von
ihren Inhalten hat die Ministerkonferenz Raumordnung
im Jahr 2006 ein Leitbild „Ressourcen bewahren, Kulturlandschaften gestalten“ erarbeitet90, das bereits im neuen
Raumordnungsgesetz 2008 berücksichtigt worden ist. Die
Sicherung und der Aufbau des Kulturlandschaftsnetzwerkes in der Metropolregion Köln/Bonn stimmen demnach
mit den aktuellen inhaltlichen Entwicklungen der Raumordnung und Landesplanung überein.
Der Masterplan einschließlich seiner Fachbeiträge soll
vor diesem Hintergrund in den nächsten Jahren kontinuierlich und dynamisch fortgeschrieben werden. Dabei
werden weitere raumrelevante Fachthemen aufgegriffen
und der Rhein-Kreis Neuss mit einbezogen. Dabei werden
aktuelle Frage- und Problemstellungen in der Region stets
einbezogen. Ziel ist es unter anderem, die Diskussion über
die kommunalen Planungen – beispielsweise Flächennutzungs- oder Landschaftspläne – qualitativ zu befördern
und darüber ein schlüssiges und dynamisches Gesamtbild
für die Region zu erhalten. Hierbei spielt die Kommunikation der raumgestaltenden Akteure eine zentrale Rolle:
Der ‚masterplan :grün’ schafft dazu den Anreiz – über alle
kommunalen und sektoralen Grenzen hinweg.
Das Leitbild „Ressourcen wahren – Kulturlandschaften gestalten“ integriert den Grundauftrag der Raumordnung, für eine nachhaltige Raumentwicklung zu sorgen, in die neuen Leitbilder zur Raumentwicklung in Deutschland. Er
beinhaltet unter anderem den Auftrag zur behutsamen Weiterentwicklung des Kulturlandschaftspotenzials in städtischen und ländlichen Gebieten sowie zur Durchsetzung großräumig übergreifender, ökologisch wirksamer Freiraumverbünde in städtischen und ländlichen Räumen.
129
130Karte Kreisfreie Städte, Kreise und Kommunen
reisfreie Städte,
K
Kreise und Kommunen
der Region Köln/Bonn
Karte Naturräumliche Einheiten
131
Börde und Ville
Zülpicher und Jülicher Börde
Ville
Ballungsraum Rhein-Sieg
Linksrheinische Mittelterrasse
Niederterrasse
Rechtsrheinische Mittelterrasse
Mittelrheinische Pforte
ottenforst –
K
Drachenfelser Ländchen
iebengebirge –
S
Pleiser Ländchen
Bergisches Land
Bergische Hochflächen
Oberagger-Wiehl-Bergland
Mittelsieg-Bergland
132
Börde und Ville
Zülpicher und Jülicher Börde
Ville
Ballungsraum Rhein-Sieg
Linksrheinische Mittelterrasse
Niederterrasse
Rechtsrheinische Mittelterrasse
Mittelrheinische Pforte
Kottenforst –
Drachenfelser Ländchen
Siebengebirge –
Pleiser Ländchen
Bergisches Land
Bergische Hochflächen
Oberagger-Wiehl-Bergland
Mittelsieg-Bergland
Wertvolle Kulturlandschaften
Dhünn-Altenberg
Urdenbach-Worringen
Köln
Bürge
Wahner Heide-KönigsforstSiegmündung
Heckenberger Wald-Leppetal
Homburger Ländchen-Bröltal
Nutscheid-Leuscheid
Ville
Bonn
Siebengebirge-Pleiser
Ländchen
ottenforst-Drachenfelser
K
Ländchen
Karte Wertvolle Kulturlandschaften
Karte Freiraumnetze, Freiraumkorridore und Waldkorridore
133
Freiraumnetze
Leverkusener Freiraumnetz/
Grüner Fächer
Kölner Freiraumnetz/
Regio Grün
onner Freiraumnetz/
B
Grünes C
Freiraumkorridore
Am Alten Rhein
Entlang der Strunde
Terra Nova
Zu neuen Energien
Zwischen schnellen Wegen
Zu den Villeseen
Rheinische Gärten
Waldkorridore
ergische Wasserscheide
B
Waldkorridor
Bergische Heideterrasse
Waldkorridor
Ville-Kottenforst
Waldkorridor
Römerstraßen
Via Belgica
Agrippastraße
Römerkanal
Limesstraße
134Karte Gewässernetze und Auenkorridore
Gewässernetze
Vorgebirgsbach-Gewässernetz
Swist-Gewässernetz
Dhünn-Gewässernetz
Wipper-Gewässernetz
Sülz-Gewässernetz
Agger-Wiehl -Gewässernetz
Bröl -Gewässernetz
Auenkorridore
Rhein-Auenkorridor
Erft-Swist-Auenkorridor
Wupper-Wipper-Auenkorridor
Dhünn-EifgenbachAuenkorridor
Sülz-Auenkorridor
Agger-Auenkorridor
Wahnbach-Auenkorridor
Bröl-Auenkorridor
Sieg-Auenkorridor
Karte Kulturlandschaftsnetzwerk
135
Impressum
136
Herausgeber
Region Köln/Bonn e.V.
Rheingasse 11
50676 Köln
Werner Stump, Vorsitzender
Autoren der Masterplanung
Arbeitskreis Natur und Landschaft
unter Mithilfe von Prof. Dr. Gerd Schulte
Dr. Joachim Bauer, Stadt Köln
Klaus Bouchon, Bundesstadt Bonn
Dr. Daniel Zerweck, Stadt Leverkusen
Irmgard Berkenbusch, Rhein-Erft-Kreis
Norbert Hanf, Rheinisch Bergischer Kreis
Rainer Ludwigs, Oberbergischer Kreis
Walter Wiehlpütz, Rhein-Sieg-Kreis
Volker Große, Rhein-Kreis Neuss
Rolf Born, Landwirtschaftskammer Rheinland
Günter Kornell, Landwirtschaftskammer Rheinland
Theo Boxberg, Zweckverband Naturpark Bergisches Land
Harald Sauer, Zweckverband Naturpark Rheinland
Herbert Losem, Naturpark Siebengebirge
Dieter Schäfer, Landschaftsverband Rheinland
Holger Schilling, Bezirksregierung Köln
Marlies Koch, Region Köln/Bonn e. V.
Hanne Mick, Regionale 2010 Agentur
Christoph Hölzer, Regionale 2010 Agentur
Thomas Kemme, Regionale 2010 Agentur
Siedlungsentwicklung
Prof. Dieter Prinz, Kürten
Freizeit und Erholung
Dr. Wolfgang Isenberg,
Thomas-Morus-Akademie Bensberg
Wasser
Prof. Dr. Thomas Kistemann & Frauke Kramer,
Institut für Hygiene und Öffentliche Gesundheit,
Universität Bonn
Rhein
Christoph Hölzer & Carolin Lüke,
Regionale 2010 Agentur
Kulturlandschaft und kulturelles Erbe
Dieter Schäfer, Axel C. Welp & Vera Secker,
Landschaftsverband Rheinland
Chancen- und Konfliktfelder
Dr. Joachim Bauer, Stadt Köln & Prof. Dr. Gerd Schulte
(unter Mitwirkung der zuvor genannten Fachautoren)
Naturschutz und Landschaftspflege
Prof. Dr. Gerd Schulte
Herausforderungen und Qualitätsziele
Prof. Dr. Gerd Schulte
(unter Mitwirkung der zuvor genannten Fachautoren)
Klimawandel
Ulrich Jansen, Frederic Rudolph & Steven März,
Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH
Exkurs Luftreinhaltung
Prof. Dr. Gerd Schulte
Landwirtschaft
Rolf Born, Günter Kornell & Carsten Lindner,
Landwirtschaftskammer NRW
Autoren der Sach- und Fachbeiträge
Forstwirtschaft
Alfons Lückerath, Regionalforstamt Hocheifel-Zülpicher
Börde & Markus Bouwman, Stadt Köln, Amt für Landschaftspflege und Grünflächen/Forstverwaltung
Beschreibung und Genese der Landschaften,
Netzwerk der Kulturlandschaften
Prof. Dr. Gerd Schulte
Ressourcenlandschaft
Wolfgang Wackerl,
Regionale 2010 Agentur
Zusammenspiel von informeller und formeller Planung
Prof. Dr. Gerd Schulte (unter Mitwirkung von Holger
Schilling, Bezirksregierung Köln)
Textbearbeitung und Redaktion
kasperkoeppl kommunikation & design gbr Köln,
Manfred Kasper
Gestaltung
kasperkoeppl kommunikation & design gbr Köln,
Conny Koeppl
Bildnachweis
Regionale 2010 Agentur,
Ralf Schuhmann für die Regionale 2010 Agentur
Köln, im Oktober 2011