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Beschlussvorlage (Anlage 1 zur Beschlussvorlage 6/2012)

Daten

Kommune
Pulheim
Größe
3,2 MB
Datum
01.02.2012
Erstellt
23.01.12, 19:35
Aktualisiert
23.01.12, 19:35

Inhalt der Datei

Herausforderungen der ‚StadtLandschaft‘ in der Metropolregion Köln /Bonn Zukunft gemeinsam gestalten ‚masterplan :grün’, Version 3.0 Entwurf zur regionalen Abstimmung, Stand: Oktober 2011 Herausforderungen der ‚StadtLandschaft‘ in der Metropolregion Köln /Bonn Zukunft gemeinsam gestalten ‚masterplan :grün’, Version 3.0 Entwurf zur regionalen Abstimmung, Stand: Oktober 2011 2 Inhaltsverzeichnis Seite Seite Seite Seite Seite Seite 05 Zusammenfassung 07 Vorwort 09 Präambel: Was Ihnen der Masterplan 3.0 bietet 13 Die einführende Idee: Die Herausforderungen der ‚StadtLandschaft’ gemeinsam meistern 17 Vielfalt im Herzen Europas: Beschreibung und Genese der Landschaften in der Metropolregion Köln/Bonn 23 Der Blick nach vorn: Perspektiven der Raumentwicklung in der Region Seite 27 Natur und Kultur in ihrer höchsten Verdichtung: Das Netzwerk der Kulturlandschaften Seite 53 Aus Sicht der einzelnen Disziplinen: Sektorale Anforderungen an das Netzwerk der Kulturlandschaften Seite 54 Seite 58 Seite 62 Seite 68 Seite 72 Seite 78 Seite 82 Seite 86 Seite 90 Seite 96 • Fachbeitrag Siedlungsentwicklung: Wachstum und Stabilität in der ‚StadtLandschaft’ steuern • Fachbeitrag Wasser: Qualität im Fluss • Fachbeitrag Kulturlandschaft und kulturelles Erbe: Die Grundlage regionaler Identität • Fachbeitrag Naturschutz und Landschaftspflege: Lebensräume sichern und verbinden • Fachbeitrag Klimawandel und Luftreinhaltung: Mit dem Klimawandel leben • Fachbeitrag Landwirtschaft und Gartenbau: Gemeinsam für lebendige Landschaften • Fachbeitrag Forstwirtschaft: Wald und Holz als Ressource der Zukunft • Fachbeitrag Ressourcenlandschaft: Behutsamer und vorausschauender Umgang mit Ressourcen • Fachbeitrag Freizeit und Erholung: Erholungswert als Lebensqualität und Standortfaktor • Fachbeitrag Rhein: Stromlage Rhein – Neue Dynamik am Fluss Seite 101 Auf den Punkt gebracht: Chancen- und Konfliktfelder in der Region Seite 121 Leitlinien für die Gestaltung der Region: eine Zusammenschau der Herausforderungen und Qualitätsziele Seite 127 Innovation und Qualität als Marke: Das Zusammenspiel von informeller und formeller Planung Seite 130 Anhang Seite 136 Impressum 3 4 Zusammenfassung Die Region Köln/Bonn ist eine „grüne Metropolregion“ mit großer Wirtschaftskraft und zugleich hoher Lebensqualität. Wie keine andere Metropolregion in Europa ist sie geprägt vom räumlichen Mit- beziehungsweise „In“-einander der städtischen Zentren am Rhein und der vielfältigen Landschaftsräume rechts und links des Stroms. Zwischen dem Bayer-Kreuz im Norden und dem Drachenfels im Süden, den Braunkohletagebauen im Westen und der oberbergischen Talsperrenlandschaft im Osten der Region spannt sich ein Raum auf, der durch seine Vielfalt besticht. Für die Region Köln/Bonn erwächst daraus die Aufgabe, ihren Raum als Basis-Infrastrukturgut für jegliches gesellschaftliches Wirken qualitativ und zukunftsfähig zu gestalten. Diese Absicht liegt dem vorliegenden ‚masterplan :grün’ in seiner nunmehr dritten Fassung zugrunde. Es geht um die Infrastruktur einer dynamischen Landschaft, die sich entsprechend ihrer Nutzung im Laufe der Zeit verändert hat und weiter verändert. Ziel des Masterplans ist es auch, diese Landschaft intensiver als bisher erfahren und erleben zu können. Das reicht von ihrem Erhalt über die Entwicklung und Aufwertung der Landschaft bis zu ihrer nachhaltigen Nutzung. Das Fundament für die Schaffung dieser Infrastruktur der Gegenwart und Zukunft bildet eine Analyse der Großland­ schaften und Naturräume von der Börde über den Bal­ lungs­raum Rhein-Sieg bis hin zum Bergischen Land und zur Mittelrheinischen Pforte. Zu den Ergebnissen dieser Beschreibung gehören die Erfassung der Genese der Land­­ schaften, das Herausstellen ihrer Charakteristika und eine Untersuchung der Perspektiven der Landschaftsentwicklung. Diese bezieht sich in erster Linie auf das Natur- und Kultur­ erbe der Landschaft. So können jene Kulturlandschaftsbereiche herausgearbeitet werden, die eine besonders 5 wertvolle und für die Großlandschaften beispielhafte kultu­ relle und ökologische Ausstattung besitzen. Sie werden über Auen-, Wald- und Freiraumkorridore mit den feinnervigen Gewässernetzen der Quellregionen der Flüsse und den inner­ städtischen Freiraumnetzen verbunden. So entsteht ein „blaugrünes“ Netzwerk der Kulturlandschaften in der Metropol­ region Köln/Bonn mit dem Rhein als zentralem Rückgrat. Dessen Mittelpunkt bildet die ‚StadtLandschaft´. Ihre aktive zukünftige Gestaltung ermöglicht es, dass die Übergänge zwischen Stadt und Landschaft erkennbar bleiben und beide nicht in einem urbanen „Einheitsbrei“ ihr Gesicht verlieren. Oberstes Ziel der Masterplanung ist daher die Erhaltung und Entwicklung einer vielfältigen und facettenreichen ‚StadtLandschaft’ mit klar definierten Räumen und Identitäten. Um auch praxis- und zukunftsorientierte Projekte vor Ort in das Netzwerk der Kulturlandschaften einbetten zu können, werden über Fachbeiträge einerseits die Grundgüter und Ressourcen, die die Landschaft bestimmen, sowie anderer­ seits die die Landschaft verändernden und gestaltenden Nutzungen dargestellt. So stehen die Themen Wasser, Naturschutz, Landschaftspflege, Klima und Luftreinhaltung den Themen Siedlungsentwicklung, Landwirtschaft, Gartenbau, Forstwirtschaft, Rohstoff- und Energiegewinnung sowie Freizeit und Erholung gegenüber. Eine besondere Rolle kommt dem Rhein zu: Er wird als Querschnittsthema in einem eigenen Fachbeitrag hervorgehoben. Eine Realisierung der Projekte vor Ort kann aber nur erfolg­ reich sein, wenn darüber hinaus eine Bewertung des Raumes vorgenommen wird und die regionalen Chancen- und Konfliktfelder in einer Raumanalyse einander gegenübergestellt werden. Dies erfolgt in engem Bezug zu den zuvor dargestellten Fachbeiträgen. So erst wird es möglich, landschaftsbezogene Herausforderungen und Qualitäts- ziele themenbezogen zu formulieren und ein Instrumentarium zum Schutz, zur Pflege und zur Gestaltung einer nachhaltigen Landschaft zu entwickeln. Aus der Zusammenfassung aller Herausforderungen und Qualitätsziele resultiert dabei eine zentrale Leitlinie für die Siedlungsentwicklung der ‚StadtLandschaft“. Zugleich lassen sich sowohl ökologisch-kulturelle Leitlinien zu den Themen Wasser, Natur- und Kulturerbe und Klima als auch ökologisch-ökonomische Leitlinien zu Land- und Forstwirtschaft und Ressourcenlandschaft definieren. Abgerundet werden die Ausführungen des Masterplans durch soziale Leitlinien zu Freizeit und Erholung sowie querschnittsorientierte Leitlinien zum Thema Rhein. So gesehen gibt der ‚masterplan :grün’ mit seinem Kulturlandschaftsnetzwerk und seinen Fachbeiträgen eine Matrix und Leitlinien für eine zukunftsweisende Gestaltung und Entwicklung der Landschaft in der ­Metropol­re­gion Köln/Bonn vor. Er wird zur Grundlage für Projekte und Maßnahmen, die die Qualitäten von Landschaft verbessern, wiederherstellen oder neu schaffen. Auf diese Art und Weise lenkt er vor Ort qualitativ die Konzeption und Umsetzung der einzelnen Projekte. Gleichermaßen funktioniert der ‚masterplan :grün’ jedoch nur, wenn die regionalen Akteure sich kooperativ zusammenfinden. Daher ruft er zu einer umfassenden interkommunalen und regionalen Kommunikation und Information über die Landschaften der Region auf. Durch Information und Diskussion sowie durch Bildung und Ausbildung soll die vielfältige Bedeutung des räumlichen Umfeldes für die Lebensqualität in der Region vermittelt werden. So ist jede Bürgerin und jeder Bürger der Metropolregion Köln/Bonn aufgerufen, seine Region aktiver und bewusster als zuvor zu erfahren und zu erleben. 6 Von der Historie bis zur Gegenwart Mit dem Brief vom 9. Februar 2001 regt der Landrat des Rhein-Erft-Kreises Werner Stump beim Oberbürgermeister der Stadt Köln an, raumübergreifend einen weiteren Grüngürtel linksrheinisch von Köln anzulegen und zu gestalten, in den schließlich der gesamte Großraum Köln/Bonn einbezogen wurde. Dies war die Grundlage und Geburtsstunde einer Grünraumplanung, aus der der spätere Masterplan hervorgegangen ist. Vorwort Wer schon einmal versucht hat, sich der Metropolregion Köln/Bonn und ihren Landschaften anzunähern, der weiß, wie unterschiedlich und spannend diese sind. Die Vielfalt mit ihren besonderen Qualitäten ist es, die das landschaftliche Gesamtbild der Region prägt. Da sind im Osten die bewaldeten Höhenzüge des Bergischen Landes mit seinen zahlreichen Tälern, die schon früh industriell genutzt wurden. Sie gehen über in die dicht besiedelte Rheinschiene mit den wirtschaftlichen und kulturellen Zentren Köln, Bonn und Leverkusen. Im Westen der Region folgt eine Landschaft, die von gewaltigen Tagebaugebieten sowie Wäldern, Seen und ausgedehnten Agrarflächen geprägt ist. Vom Worringer Bruch im Norden bis zum Siebengebirge im Süden spannt sich so entlang des Rheins und seiner zahlreichen Nebenflüsse eine Kulturlandschaft auf, die ihresgleichen sucht. Trotz aller Vielfalt sind ihre unterschiedlichen Bereiche dabei stets ein Teil des Ganzen – der Metropolregion Köln/Bonn. Als bauliche Zeichen der Geschichte und Kultur dieser Region finden sich hier sowohl Klöster und Burgen als auch alte Römerstraßen und Relikte der Industriegeschichte. Sie sollen ebenso geschützt und behutsam weiter entwickelt werden wie die Landschaften mit ihrem reichen Naturerbe. Denn sie sind es, die dafür sorgen, dass die Region Köln/Bonn eine „grüne Metropolregion“ mit großer Wirtschaftskraft und zugleich hoher Lebensqualität ist und bleibt. Wussten Sie, dass es im europäischen Maßstab keine andere Metropolregion gibt, die bezüglich des Flächenanteils so grün ist wie die Region Köln/Bonn? Dies zeigt: Die Lebensqualität in der Metropolregion Köln/Bonn ist hoch. Und sie ist im Wettbewerb der Regionen längst zum Standortfaktor geworden, den es zu nutzen und auszubauen gilt. Daher sollte es ein wesentliches Ziel sein, diese Attraktivität strategisch weiterzu- 7 entwickeln, die unmittelbare Verzahnung zwischen dem Landschaftsraum und den städtischen Arbeitszentren zu wahren und zugleich Freiräume zu sichern und zu vernetzen. Mit dieser Masterplanung geht die Metropolregion Köln/Bonn einen innovativen Weg, auch hinsichtlich der Aufwertung der regionalen Potenziale in Tourismus und Naherholung. Eines sollte in diesem Zusammenhang besonders betont werden: Landschaften enden nicht an kommunalen Grenzen oder den Grenzen der Landkreise. Sie orientieren sich vielmehr an den waldreichen Höhenzügen der Mittelgebirge, den Ebenen der Börde sowie insbesondere am Verlauf von Flüssen wie Rhein, Erft, Wupper, Dhünn, Sieg, Agger oder Bröl, die ein System der „blauen Adern“ in der Region bilden. Aufgabe für die Zukunft wird es daher sein, die Entwicklungen dieser Landschaftsräume mit ihren Flusssystemen in der Metropolregion Köln/Bonn gemeinsam zu gestalten. Das ist die große Herausforderung, der wir uns mit dem ,masterplan :grün’ und seinem Netzwerk der Kulturlandschaften stellen. Der Schlüssel dazu ist die regionale Kooperation. Dabei wurden erste Schritte einer regionalen Zusammenarbeit zum Thema „Grün“ bereits im Dezember 2000 eingeleitet, als der regionale Arbeitskreis Natur und Landschaft ins Leben gerufen wurde. Heute wird regionale Kooperation in der Metropolregion Köln/Bonn als ein Selbstverständnis von Politik, Wirtschaft, Bürgerinnen und Bürgern verstanden. Unsere Chance liegt darin, dass wir als „grüne Metropolregion“ bereits sehr gut aufgestellt sind. Auf die Zukunft gerichtet, müssen wir diese Chance gemeinsam anpacken und nutzen. Natürlich wollen wir dabei künftig auch eine wirtschaftlich starke und prosperierende Region sein und bleiben. Die starke Vernetzung der Zentren mit der Landschaft jedoch ist ein wesentlicher Aspekt der angestrebten Entwicklung, gerade in einer Region, die in den nächsten Jahren weiter wachsen wird. Wie dies in der Praxis aussehen könnte, beschreibt Ihnen die vorliegende Version 3.0 des ,masterplan :grün’. Über das Netzwerk unserer Kulturlandschaften werden so die Wettbewerbsfähigkeit und Lebensqualität der R ­ egion verbessert. Der Masterplan versteht sich in diesem Sinne als Qualitätskompass für die Umsetzung einer Art Landschaftskonvention der Metropolregion Köln/Bonn im Sinne der Europäischen Landschaftskonvention. Dies alles fordert ein umfassendes und ganzheitliches ­Verständnis von Landschaft. Landschaft ist der Raum, wie er von seinen Bewohnern und Besuchern wahrgenommen wird, und zugleich das Ergebnis der Einwirkungen von Natur und Mensch. Gelingt es dem ‚masterplan: grün’ der prosperierenden Metropolregion Köln/Bonn neue Impulse für eine nachhaltige Infrastruktur der Zukunft zu geben, dann wird diese Region für Deutschland und Europa nicht nur ein wirtschaftlicher, sozialer und kultureller, sondern auch ein „grüner Motor“ sein. In diesem Sinne sind wir alle aufgefordert, an der Idee und den Zielen der Masterplanung sowie vor allem an deren erfolgreicher Realisierung mitzuwirken. Werner Stump, Landrat Rhein-Erft-Kreis, Vorsitzender des Region Köln/Bonn e.V. 8 Kapitelbezeichnung Präambel: Was Ihnen der Masterplan 3.0 bietet Ihre Wurzeln hat die Erarbeitung des ‚masterplan :grün’ in der Gründung des regionalen Arbeitskreises Natur und Landschaft im Jahr 20001. In diesem Jahr hatte Werner Stump, Landrat des Erftkreises (heute Rhein-Erft-Kreis), dem damaligen Kölner Oberbürgermeister Fritz Schramma vorgeschlagen, im Linksrheinischen eine gemeinsame regionale Grünvernetzung unter dem Arbeitstitel „Dritter Grüngürtel Köln“ zu planen und zu realisieren. Der Kölner Oberbürgermeister stimmte dem Vorschlag zu. Es war die Geburtsstunde der Kooperation zur regionalen Grünvernetzung der Region und zugleich das Startsignal für den Arbeitskreis. Eine Neuorientierung der regionalen Zusam­ menarbeit war auch deshalb wichtig, weil seinerzeit vor allem das Fehlen auf die Region Köln/Bonn bezogener Planungsgrundlagen beklagt wurde. ten sowie sektorale Anforderungen an die Kulturlandschaften anriss. Die 2007 erschienene Version 2.0 ging da schon erheblich weiter. Hier wurden in ausführlicher Form die Landschaften und ihre Genese beschrieben, das Kultur­landschaftsnetzwerk dargestellt sowie vertiefende Fachbeiträge zu sektoralen Anforderungen formuliert. Zusätzlich wurden erstmals auch die Perspektiven der Landschaftsentwicklung sowie mögliche Konfliktfelder thematisiert. In diesem Kontext wurde die Entwicklung eines Kulturlandschaftsnetzwerks zum Handlungsrahmen der Metropolregion Köln/Bonn. Der ‚masterplan :grün’ in der Version 2.0 drückt den gemeinsamen Gestaltungs­ willen aus, den die Region sich selbst gegeben hat. Zugleich definiert er Qualitäts- und Gestaltungsziele für die verschiedenen Landschaften. Die Anfang des Jahrtausends begonnene Zusammenarbeit brachte erstmals über kommunale Grenzen hinweg Konzeptionen für regionale Grünzüge und Erlebnisrouten hervor. Als dann im Zusammenhang mit dem Strukturprogramm Regionale 2010 deutlich wurde, dass es einer Rahmenvorgabe und eines Qualitätsmaßstabes für landschaftsbezogene Projekte der Arbeitsbereiche :grün und :kulturelles erbe bedurfte, verständigten sich die regionalen Akteure im Jahr 2004 darauf, einen Masterplan als qualitative Grundlage zu erarbeiten. Mit der vorliegenden Version 3.0 schreibt die Metropol­ region Köln/Bonn nun die Masterplanung fort. Diese wird als Anreiz für eine zukunftsfähige Entwicklung der Kulturlandschaften verstanden, die weit über den Zeithorizont des Strukturprogramms Regionale 2010 hinausreicht. In der vorliegenden Fassung werden die Inhalte der Version 2.0 weitergeführt sowie erweitert und um neue Themen ergänzt. Ein zentraler Aspekt ist dabei das für die Region typische Ineinandergreifen von Stadt, Zwischenstadt, Stadtumfeld und freier Landschaft – die ‚StadtLandschaft’. Deren Herausforderungen und die damit verbundenen Qualitätsziele der Raumentwicklung werden folgend in ausführlicher Form abgehandelt. Dies erfolgt ausgehend von dem Grundgedanken, dass Landschaft in einer dynamischen ‚StadtLandschaft’ wie der Metropolregion Die Version 1.0 des ,masterplan :grün’ erschien ein Jahr später. Dabei handelte es sich um einen Vorentwurf, der eine Beschreibung der Landschaften der Region vornahm und den Aufbau eines Netzwerkes der Kulturlandschaf- 1 9 Köln/Bonn längst zu einem wertvollen „Infrastrukturgut“ geworden ist, an das eine Vielzahl von Nutzungsansprüchen gestellt wird. Dabei ist die Entwicklung in der Metropolregion Köln/Bonn jedoch weder mit dem tief greifenden Strukturwandel im Ruhrgebiet noch mit den „Schrumpfungsprozessen“ in weiten Teilen Ostdeutschlands vergleichbar. Demographische Untersuchungen prognostizieren den Kreisen im direkten Umfeld der Großstädte Köln, Bonn, Leverkusen und Bergisch Gladbach in den nächsten Jahren einen weiteren Anstieg der Bevölkerungszahlen. Der bereits heute in der Landschaft ablesbare Prozess der Verstädterung wird sich somit fortsetzen. Nicht zuletzt deshalb spielen die Sicherung und Entwicklung von Landschaften und Freiräumen in der Region eine wichtige Rolle. Sie bedürfen einer expliziten und perspektivischen Steuerung – einer Haltung für die Zukunft sowie eines zukunftsfähigen Qualitätsrahmens. Zukunft in der ,StadtLandschaft’ Die daraus resultierenden Anforderungen an die Raumentwicklung beziehen sich nicht auf einen abgegrenzten Sektor oder eine abgegrenzte Landschaft, sondern auf das Zusammenspiel der verschiedenen Landschaften in der ‚StadtLandschaft’. Dies gilt insbesondere für jene Regionen, in denen Stadt und Land eng miteinander verwoben sind und die eine beeindruckende Vielfalt von Landschaftstypen aufweisen wie in der Metropolregion Köln/Bonn. Deren Großlandschaften und Teilräume wer- Der Arbeitskreis Natur und Landschaft des Region Köln/Bonn e.V. wurde im Jahr 2000 mit dem Ziel gegründet, die regionale Zusammenarbeit in den Bereichen Natur und Landschaft zu verbessern. Die Bewerbung um die Ausrichtung der Regionale 2010 bestimmte von Anfang seine Themen. Neben der Idee des ,masterplan :grün’ sind zahlreiche regional vernetzte Grünprojekte aus dem Arbeitskreis hervorgegangen. Seine Mitglieder sind Verwaltungsmitarbeiter der Kreise und kreisfreien Städte, Vertreter der Landwirtschaftskammer, der Gewerkschaften, der regionalen Sparkassen, der Naturparke , des Landschaftsverbandes Rheinland, der Bezirksregierung Köln sowie der Regionale 2010 Agentur und des Region Köln/Bonn e.V. 10 den im Rahmen der Masterplanung sowohl unter naturräumlichen Aspekten als auch hinsichtlich ihrer Genese und Potenziale beschrieben und ausgewertet. Dabei wird das Natur- und Kulturerbe der Landschaften besonders berücksichtigt. So erwächst eine Grundlage, auf der Perspektiven für die verschiedenen Kulturlandschaftsräume formuliert werden können. Sie stellen eine wesentliche Voraussetzung dar, um ein regionales Netzwerk der Kulturlandschaften als Gerüst für die künftige Raumentwicklung zu schaffen. Die Verknüpfung der einzelnen Landschaftsräume innerhalb des Netzwerkes erfolgt ohne eine „großflächige Umgestaltung“. Es ist ein zentraler Gedanke des ,masterplan :grün’, dass Landschaft an sich nicht grundlegend verändert werden soll. Vielmehr werden die charakteristischen Eigenschaften des natürlichen und kulturellen Erbes der Landschaft herausgearbeitet und sichtbar gemacht. Auf diese Weise wird der regionale Bezug zu vertrauten Landschaftselementen hergestellt. Das in den Köpfen verankerte Bild von Landschaft bleibt erhalten und wird doch erweitert, indem es in einen regionalen Zusammenhang gebracht wird. Es wird mit Neuem verbunden und in geeigneter Weise präsentiert. Neben dem Aufzeigen regionaler Bezüge sowie der Vernetzung und Aufwertung einzelner Landschaftsräume sorgt ein derartiger Ansatz auch dafür, dass das Alltägliche und das Besondere in der Region erkennbar und erlebbar werden. Als Basis für die Projekte der Regionale 2010 werden darüber hinaus – wie bereits in der Version 2.0 – die sektoralen Anforderungen einzelner Disziplinen an das Netzwerk der Kulturlandschaften herausgearbeitet. In Version 3.0 ist dies um Fachbeiträge zum Klima, zur Ressourcenlandschaft und zum Rhein erweitert worden. Zugleich wurden die raumwirksamen Fachbeiträge zur Siedlungsentwick­ Präambel: Was Ihnen der Masterplan 3.0 bietet lung, zum Wasserschutz und zur Wasserwirtschaft, zum Schutz des kulturellen Erbes, zu Naturschutz und Landschaftspflege, zu Land- und Forstwirtschaft sowie zu Freizeit und Erholung aktualisiert. Die europäische Dimension Die erfolgreiche Umsetzung des ‚masterplan :grün’ mit Blick auf eine „regionale Übersetzung“ der Europäischen Landschaftskonvention macht die Metropolregion Köln/ Bonn zum Vorreiter in Deutschland. Auch wenn sich andere europäische Regionen längst ähnlichen Herausforderungen stellen, ist die Vorgehensweise der Region nicht nur bundesweit einzigartig – sie besitzt eindeutig Pilotcharakter. Indem der Masterplan im Sinne der Europäischen Landschaftskonvention die Entwicklung der Landschaft in den Mittelpunkt stellt und dabei in besonderem Maße deren natürliches und kulturelles Erbes berücksichtigt, sichern seine Maßnahmen und Projekte durch eine bürgernahe Landschaftsentwicklung stabile und gesunde Lebensverhältnisse in der Region. Dabei beziehen sich die Ziele der Masterplanung nicht nur auf außergewöhnliche, wilde oder unberührte Landschaften, sondern auch auf diejeni­ gen, die städtisch oder industriell genutzt und beeinträchtigt werden. Dies regt neue Prozesse im Umgang mit der Landschaft an, die über die Grenzen von Kommunen und Fachdisziplinen hinweg betrachtet, erörtert und dem Prinzip der Nachhaltigkeit folgend behutsam gestaltet werden kann. ausgewiesenen Bestandteile des Kulturlandschaftsnetzwerkes, sondern für alle Teilräume der Region. Um diesem Anspruch gerecht werden zu können, formuliert die aktuelle Fassung die wichtigsten Herausforderungen und Qualitätsziele für die Entwicklung der Kulturlandschaften. In gemeinsamer Verantwortung für die Zukunft können und sollen sich einzelne Planungen an diesen orientieren und die Zielsetzungen des Masterplans in konkreten Projekten vor Ort umsetzen. Dabei werden den bereits in Version 2.0 beschriebenen Konfliktfeldern, die sich bezogen auf eine Analyse der Fachbeiträge für die Region ergeben, nun auch die Stärken der Region und daraus resultierende themengleiche Chancenfelder gegenüber gestellt. Somit liegt erstmals eine Art Raumanalyse für die Metropol­ region Köln/Bonn vor. Sie ist eine weitere wichtige Voraussetzung für die Umsetzung der Projekte. Darüber hinaus spielt auch das Thema „Raumerfahrung“ eine wichtige Rolle. Es ist eine wesentliche Grundidee in der Strategie der Metropolregion Köln/Bonn, dass ein Raum erst durch die Kommunikation über den Raum und seine generationenübergreifende Erfahrbarkeit begreifbar wird. Die „Verantwortung für eine ganzheitliche Raumentwicklung“ baut daher grundsätzlich auf zwei wesentlichen Voraussetzungen auf: Die Menschen sollen ihren dynamischen und sich stets verändernden Lebensraum von der Kindheit bis in das Alter immer wieder neu erfahren und erleben können. Sie sollen zugleich aber auch verstehen und erlernen, dass nur eine breit angelegte Zusammenarbeit aller Akteure eine erfolgreiche Raumentwicklung ermöglicht. Ziele und Leitlinien der Entwicklung Eine wesentliche Aufgabe des Masterplans ist es, die Qualitäten der regionalen Kulturlandschaften mittelfristig zu sichern und zu verbessern. Das gilt nicht nur für die hier Sichtbar wird dies beispielsweise in den Projekten, seien es die der Regionale 2010 oder aber die vielen anderen Einzelprojekte und Maßnahmen auf Ebene der Kreise und Kommunen. Indem sie den Raum erlebbar machen, Präambel: Was Ihnen der Masterplan 3.0 bietet schaffen sie eine Basis für dessen Wahrnehmung. In der vorliegenden Version des Masterplans werden die raumgestaltenden Projekte der Regionale 2010 der Arbeitsbereiche :grün und :kulturelles Erbe der Regionale 2010 kurz vorgestellt und beschrieben. Gleichzeitig wird ausgeführt, welchen Herausforderungen und Qualitätszielen sie sich stellen und welche Probleme der Raumentwicklung auf diese Art und Weise gelöst werden können. Viele der Projekte reichen in ihrer Wirkung weit über die Jahre 2011, 2012 weiter hinaus. Sie deuten somit bereits an, dass die mit dem Masterplan erarbeitete Strategie der Raumentwicklung nur dann erfolgreich sein kann, wenn sie auf Langfristigkeit angelegt ist. Wesentlich für den Erfolg ist, wie es gelingt, die informelle Planung an die formelle Planung der Gebietskörperschaften zu koppeln und so ein synergetisches Zusammenspiel von informeller und formeller Planung zu schaffen. 11 Die einführende Idee: Die Herausforderungen der ‚StadtLandschaft’ gemeinsam meistern 13 Die Metropolregion Köln/Bonn umfasste ursprünglich eine Fläche von nahezu 4.000 Quadratkilometern. Mit dem Beitritt des Rhein-Kreises Neuss im September 2009 ist diese auf über 4.500 Quadratkilometer angestiegen, in der Region leben nunmehr rund 3,5 Millionen Einwohnern, das entspricht einem Fünftel der Bevölkerung NordrheinWestfalens. Auch die Zahl der Kommunen und Kreise hat sich durch den Beitritt verändert: Waren es zunächst 53 Kommunen und vier Landkreise, so zählen seit September 2009 61 Kommunen und fünf Landkreise zur Metropolre­ gion Köln/Bonn2. reich ist wie keine andere Region in Nordrhein-Westfalen Börde, Ville, Siebengebirge und Bergisches Land verbinden sich in der `Stadtlandschaft´ mit den urbanen Zentren der Rheinschiene. Diese befindet sich über alle kommunale Grenzen und Kreisgrenzen hinweg in stän­diger Veränderung und gibt der Region ihre Basisinfrastruktur sowie ihr räumliches Gerüst. trittsteinartig in das Umland – mehr Zwischenstädte entstehen; • wichtige Klimaschneisen zwischen Stadt und Umland verschwinden – der Klimawandel wird die Städte weiter aufheizen; • Mobilitätsachsen zwischen Stadt und Land werden größer – der Verbrauch teurer Energie nimmt zu. Für den ,masterplan :grün’ der Metropolregion Köln/Bonn leiten sich daraus zwei zentrale gesellschaftliche Herausforderungen ab: Seit 1992 kooperieren in der Region die drei kreisfreien Städte Köln, Bonn und Leverkusen, der Rhein-Erft-Kreis, der Rhein-Sieg-Kreis, der Rheinisch-Bergische Kreis und der Oberbergischer Kreis sowie 50 kreisangehörige Kommunen. Sie sehen sich mit in ihren Kooperationsstrukturen und in ihren Projekten sowie raumkooperativen Strategien zunehmend in einer Situation, in der sie offensiv mit den gestalterischen Aufgaben der Raumentwicklung umgehen müssen, um im Wettbewerb mit anderen Regionen natio­ nal und international bestehen zu können. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund formt sich die Region Köln/Bonn aktuell zu einer eigenständigen Metropolregion und firmiert im Initiativkreis der Metropolregionen (IKM) bereits als eigene Raumkulisse3. • Die Einheit von Stadt und Land mit einem Netzwerk der Kulturlandschaften aus charakteristischen Strukturen und Flächen der Stadt- und Landschaftsräume herstellen und dabei die Entwicklung eines gesichtslosen „Einheitsbreis“ in der ‚StadtLandschaft’ verhindern. • Den Landschaftswandel gemeinsam mit den gestaltenden Akteuren begleiten und steuern. Gerade in prosperierenden, polyzentrischen Stadtregionen kommt dem intakten „Miteinander von Stadt und Umland“ eine große Bedeutung zu. Sie benötigen daher ein raumübergreifendes planerisches Netzwerk. Das gilt für die Metropolregion Köln/Bonn ebenso wie beispielsweise für den Raum München, das Rhein-Main-Gebiet oder die Region Stuttgart. Die räumliche Entwicklung zwischen Stadt und Land mit Blick auf die Stadtkontur und die Zwischenstädte hat auch für den Stadtumbau in NordrheinWest­falen insgesamt eine große Bedeutung. Die entsprechenden Entwicklungsplanungen können nur durch eine umfassende stadtregionale Kooperation der Kommunen und weiterer Partner erfolgreich umgesetzt werden. ­Dieses Ziel hat sich die Metropolregion Köln/Bonn gesetzt. Geprägt wird das Bild der Metropolregion Köln/Bonn von ihrer ‚StadtLandschaft’, die eine ungeheure Dichte an unterschiedlichen Stadt- und Landschaftsräumen aufweist und in ihrer landschaftlichen Vielfalt so abwechslungs- 2 3 ‚StadtLandschaft’ – Stadtkontur und Zwischenstadt In der Metropolregion Köln/Bonn nimmt im Gegensatz zu den meisten deutschen Regionen die Bevölkerung nach wie vor zu. Mit der steigenden Einwohnerzahl wächst zugleich aber auch der Verbrauch von Freiraum. Neben den daraus resultierenden innerstädtischen Veränderungen bringt dies folgende Probleme mit sich: • Stadtgrenzen verwischen – Stadtkonturen gehen verloren; • Städte wachsen entlang von Verkehrsachen sowie Seit dem 28. September 2009 ist der Rhein-Kreis Neuss Mitglied des Region Köln/Bonn e.V. Da die vorliegende Version 3.0 der Masterplanung schon weit fortgeschritten war, bezieht sie sich im Wesentlichen auf die Raumkulisse der Region ohne den Rhein-Kreis Neuss. Im südlichen Teil wurden jedoch die Verbindungen des Kreises zur Erft, zum Rheinischen Braunkohlerevier und am Rhein zum Worringer Bruch thematisiert. Dies erfolgte auch deshalb, da hier ohnehin die territorialen Grenzen zum Naturraum übersprungen werden. Die deutschen Metropolregionen haben sich 2001 zum Initiativkreis Europäische Metropolregionen in Deutschland (IKM) zusammengeschlossen. Der Region Köln/Bonn e.V. vertritt die Interessen der Metropolregion Köln/Bonn im IKM. 14 Wie alle Metropolregionen in Deutschland sieht sie sich im Sinne des „Memorandums zur Nationalen Stadtentwicklungspolitik“4 einer perspektivischen Gestaltungsund Raumentwicklungsverpflichtung gegenüber. Diese beschränkt sich nicht nur darauf, stadträumliche und stadtregionale Qualitäten zu sichern, sie rückt auch deren künftige Entwicklung verstärkt in den Fokus. In der Metropolregion Köln/Bonn hat die gleich bleibend hohe Flächeninanspruchnahme durch das Vorhalten raumgreifender Wohnstandorte, Gewerbegebiete und ­Verkehrsinfrastruktur insbesondere in der R ­ heinschiene zu einem Verlust von Raumidentität und -qualität g ­ eführt. Damit einher geht ein kultureller, sozialer und ­ökologischer Qualitätsverlust, der sowohl im engeren Bereich der Stadt als auch in der Offenlandschaft und vor allen Dingen im Bereich „dazwischen“ sichtbar wird. Genau an diesen Stellen setzt der ,masterplan :grün’ an. Das Kulturlandschaftsnetzwerk – Einheit aus Stadt und Land Mit dem ,masterplan :grün’ und den hier definierten Kulturlandschaften erhält die Metropolregion Köln/Bonn ein raumbezogenes Netzwerk, das die Städte, Stadtränder und Zwischenstädte mit den umgebenden Landschaften zu einer Einheit von Stadt und Land verknüpft. Die urbanen und ländlichen Kulturlandschaften der Region werden über Freiraum-, Wald- bzw. Gewässerkorridore mitein­ ander verbunden – das Umland verzahnt sich mit den Städten und umgekehrt. Eine zentrale Bedeutung innerhalb des Netzwerkes kommt dem Rhein als „Rückgrat der Region“ zu. 4 Die einführende Idee: Die Herausforderungen der ‚StadtLandschaft’ gemeinsam meistern Die Flächen und Landschafts-Korridore des Netzwerkes erhalten eine wichtige Funktion zur Sicherung der Umweltgrundgüter. Die offenen „grünen und blauen Korri­ dore“ sind jedoch nicht nur für die Gesundheits- und Wohlfahrtsfürsorge der Menschen in der Region von hoher Bedeutung. Sie werden in Zukunft auch eine immer größer werdende Rolle hinsichtlich der Nah- und Unmittelbar­ erholung einnehmen. In erster Linie aber wird das Kulturlandschaftsnetzwerk eine wichtige Grundlage zur Neugestaltung der ­Stadtränder und damit der Stadtkonturen sein. Es könnte einen ent­ scheidenden Beitrag dazu leisten, das Wachstum der Zwischenstädte zu lenken und letztlich eine neue Einheit aus Stadt und Land zu schaffen. Landschaft im Wandel – Akteure begleiten und steuern Landschaft steht zwar für Heimat und Lebensqualität sowie für den Wunsch nach etwas, das bleibt. Doch sie unterliegt immer auch einem Wandel, weil jede Genera­ tion die Landschaft genutzt und gestaltet hat, wie es ihren wirtschaftlichen Bedürfnissen und ihren technischen Möglichkeiten entspricht. Im Interesse einer Balance zwischen Bewahren und Fortschritt bedarf die Sicherung und Entwicklung dieser Landschaft in einer dynamischen Region wie der Metropolregion Köln/Bonn daher zukünftig einer konkreten Perspektive. Das Kulturlandschaftsnetzwerk der Metropolregion Köln/ Bonn stellt einen wichtigen Schritt in diese Richtung dar. Als gemeinschaftliche Anstrengung der Kommunen, Kreise sowie übergeordneten Behörden, Fachdisziplinen, Förderer und Nutzer wird Landschaft mehr als ein Zufallsoder Auflösungsprodukt. Als bedachtsam entwickelte und gestaltete Infrastruktur wird sie zur Basis aller nachhaltigen Aktivitäten in der Region – von der Erzeugung gesunder Nahrungsmittel und der Bereitstellung von Trinkwasser über die Energiegewinnung, den Klima- und Bodenschutz sowie die Freizeitgestaltung bis hin zur weiteren Bereitstellung von Flächen für Verkehr, Siedlung und Gewerbe. Um dies zu erreichen, ist nicht nur ein kontinuierlicher Diskurs zwischen den gestaltenden Akteuren in der Region unabdingbar, sondern ebenso ein Disput, der sich kritisch und konstruktiv mit der Frage des geeigneten Weges in Richtung Zukunft auseinandersetzt. In diesem Sinne versteht sich die vorliegende dritte Version des Masterplans als Plattform und Diskussionsgrundlage für die nachhaltige Entwicklung der Region und ihrer Landschaften. Sie ersetzt dabei ausdrücklich keine vorhandene oder rechtlich festgeschriebene Planungsebene, sondern ergänzt diese um qualitative Aspekte. Dargestellt wird das Gesamtbild der räumlichen Infra­ struktur, die die Region künftig anstrebt – eine Art „Leit­ linie“ für die Zukunft. Insofern ist es ein besonderes Anliegen des Masterplans, dazu notwendige Qualitäts­ definitionen zwischen den Akteuren auszuhandeln und viele sektorale und interkommunale Belange zu einem dynamischen Gesamtbild der ‚StadtLandschaft’ zusammenzuführen. Wegen des ständigen Landschaftswandels muss dies mit einer permanenten Risikoeinschätzung Das Memorandum zur Nationalen Stadtentwicklungspolitik wurde im Jahr 2008 vom damaligen Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee vorgestellt. Es thematisiert die Zukunft der Städte und des ländlichen Raums in Deutschland und formuliert einen Katalog von Zielen, die Bund, Länder und Gemeinden gemeinsam umsetzen sollen. Die einführende Idee: Die Herausforderungen der ‚StadtLandschaft’ gemeinsam meistern hinsichtlich der möglichen Konsequenzen für die Raumentwicklung verbunden sein. die Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (EU-WRRL)5. Projekte als sichtbares Zeichen Zusammenfassend kann also konstatiert werden: Über das Kulturlandschaftsnetzwerk findet in der Metropol­ region Köln/Bonn bereits jetzt eine lebendige und in Teilen auch kontrovers geführte Diskussion statt. Das Netzwerk lebt dabei vom aktiven Austausch der Kommunen und der vielen unterschiedlichen Akteure in der Region. Mit der vorliegenden Version 3.0 soll diese Diskussion sowohl inhaltlich als auch bezüglich der konkreten Möglichkeiten zu gemeinsamen Ansätzen und Projekten weiter voran gebracht werden. Wie der Raum aus ökonomischer, ökologischer, kultureller und sozialer Sicht gemeinsam gestaltet werden kann, das zeigt sich exemplarisch in konkreten Projekten der Umsetzung. Dabei handelt es sich um Maßnahmen, die dem Standort auf der Basis von gesellschaftlichen Entwicklungen Impulse geben sollen (Impulsprojekte), die jeweiligen Realitäten vor Ort gestalterisch aufgreifen und sich konsequent dem gemeinsamen übergeordneten Gesamtziel verpflichten. Im Prozess der Regionale 2010 erwies es sich als ermutigend, wie und in welcher Form Projektkonsortien kooperieren, um gemeinschaftlich auf Basis des Kulturlandschaftsnetzwerkes Gestaltungsvorstellungen für den jeweiligen Teilraum zu entwickeln. Dies erfolgt über kommunale, fachliche und Kreisgrenzen hinweg. 15 Darüber hinaus beeinflusst die Perspektive des Kulturlandschaftsnetzwerkes schon jetzt auch wichtige raumwirksame Planungen in der Region. Ob bei der Überarbeitung von Flächennutzungsplänen oder im Rahmen von anderen Planungsprozessen – viele Kommunen haben erklärt, den ,masterplan :grün’ und seine Idee eines Netzwerkes der regionalen Kulturlandschaften als Grundlage für ihre Zukunftsplanungen heranziehen zu wollen. Die Diskussion über die Gestaltung der Landschaften nimmt dabei auch bereits Aspekte auf, die sich zukünftig ohnehin stärker auf den Tagesordnungen der Kommunen, Behörden und Verbände wieder finden werden: beispielsweise 5 Mit der Europäische Wasserrahmenrichtlinie (EU-WRRL) haben das Europäische Parlament und der Europäische Rat einen Ordnungsrahmen für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik geschaffen. Das Inkrafttreten der Richtlinie im Jahr 2000 verpflichtet die Mitgliedstaaten, sowohl in den Oberflächengewässern als auch im Grundwasser innerhalb von 15 Jahren einen guten Zustand zu erreichen. Vielfalt im Herzen Europas: Beschreibung und Genese der Landschaften in der Metropolregion Köln/Bonn Europa wächst zusammen. Eine Entwicklung, die auf europäischer Ebene zu neuen politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und ökologischen Maßstäben führt. Ein wichtiger Grundsatz ist dabei der Erhalt und die Entwicklung der kulturellen und ökologischen Vielfalt. In diesem Zusammenhang sind die Eigenschaften und Identitäten der europäischen Regionen und ihrer Bewohnerinnen und Bewohner ein hohes Schutzgut, das es zu sichern und zu fördern gilt. Ein „Europa der regionalen Vielfalt“ ist ein Grundsatz der Verfassung der Europäischen Union6. Ein solches Europa ist jedoch nur realisierbar, wenn die vielfältigen europäischen Landschaften ihre Eigenarten behalten. Die dort lebenden Menschen müssen diese Landschaften mit ihrem jeweiligen Natur- und Kulturerbe weiterhin als ihre Heimat empfinden, sie müssen ihnen mit ihren Traditionen verbunden bleiben, sich mit ihnen identifizieren sowie sich für ihren Erhalt und ihre Entwicklung einsetzen. Die Kulturlandschaften Europas sind die Wiege der Vielfalt der europäischen Kulturen, Traditionen und Naturen. Die Metropolregion Köln/Bonn umfasst per Definition vier europäisch bedeutsame Großlandschaften: den Mittelgebirgs­ raum des Bergischen Landes, Teile des Mittelrheinischen Schiefergebirges und des Eifelrandes, die Rheinterrassen zwischen Köln und Bonn als Teile des Ballungsraumes Rhein-Ruhr und die Kölner Bucht als Teil der Niederrheini­ schen Bucht. Das Kulturlandschaftsnetzwerk integriert darauf aufbauend folgende Großlandschaften der Region: 6 7 • den Ballungsraum Rhein-Sieg, • die Landschaft von Börde und Ville, • das Bergische Land • und die Mittelrheinische Pforte. Im Rahmen der Masterplanung werden die landschaftlichen Eigenarten der Großlandschaften und ihrer Teilräume, ihre Genese sowie ihre Qualitäten hinsichtlich der Entwicklung künftiger Qualitätsziele und Gestaltungsgrundsätze betrachtet. Der Ballungsraum Rhein-Sieg – Das wirtschaftliche Zentrum der Region Die heutigen Kulturlandschaften der Metropolregion Köln/ Bonn sind das Ergebnis der jahrtausendelangen Nutzung und Kultivierung der einstigen Naturlandschaft durch den Menschen. Der Rhein hat dabei stets eine dominierende Rolle gespielt. Seit der Kulturnahme der Landschaft ist der Fluss eine der wichtigsten Verkehrsachsen in Europa. Bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts kam es zu den ersten Industrieansiedlungen an seinen Ufern. Darüber hinaus ist der Rhein auch als gesellschaftlich-kulturelle Achse mit hoher identitätsstiftender Wirkung für die hier lebenden Menschen wichtig. Heute ist das Relief zwischen dem Eintritt des Flusses in die niederrheinische Tiefebene und dem Bayer-Kreuz in Leverkusen von einer fest eingebetteten Flusslandschaft 17 geprägt, die nur zum Teil noch erkennbare naturnahe Räume aufweist (Karte der Großlandschaften und Naturräume). Die Großlandschaft des Ballungsraumes RheinSieg ist der am dichtesten besiedelte Teil der Region. Sie besteht aus der Rheinaue und den Ausweitungen an den Mündungen von Wupper und Sieg sowie den Niederterras­ sen und den höher gelegenen Mittelterrassen auf der rechtsund linksrheinischen Seite. Sowohl die flussnahen Bereiche als auch die Nieder- und Mittelterrasse rechts und links des Rheins sind durch Besiedlung, Industrie und Verkehr gekennzeichnet. „Verträumte Reste“ der alten Kultur- und Naturlandschaft sowie attraktive Parks und Grünflächen ergänzen die Strukturen. Die Städte und Gemeinden sind zu einem Ballungsraum mit rund zwei Millionen Einwohnern zusammengewachsen7. Die Rheinschiene bündelt zudem frachtgünstige Verkehrswege und Industriestandorte wie zum Beispiel den Ballungsraum der Chemie zwischen Leverkusen und Wesseling. In den Rheinauen sind die ursprünglichen Auenwälder größtenteils verschwunden. Sie wurden durch Äcker, Grünland und Pappelpflanzungen ersetzt. Zum Teil wird dieser Bereich heute noch infolge des hohen Grundwasserstandes und der periodischen Überschwemmungen als Dauergrünland genutzt. Einen besonderen Wert im Komplex der Rheinwiesen haben die seltenen Salbeiwiesen, die vor allem auf den kalkhaltigen Aueböden an den Böschungen der Rheindeiche gedeihen. Der Vertrag über die Verfassung für Europa wurde 2009 von allen Mitgliedstaaten unterzeichnet. Der Leitspruch des ersten Teils zur Definition und den Zielen der Union (Artikel I-8) lautet „In Vielfalt geeint“. Damit ist sowohl die kulturelle Vielfalt wie auch die räumliche und ökologische Vielfalt Europas und seiner Menschen gemeint. Dies wird auch in der Präambel zu Teil II mit der „Vielfalt der Kulturen und Traditionen“ angesprochen. In Artikel III-233 wird in diesem Zusammenhang zudem die „umsichtige und rationelle Verwendung der natürlichen Ressourcen“ hervorgehoben. Bei den Städten und Gemeinden im Ballungsraum handelt es sich linksrheinisch um Köln, Pulheim, Frechen, Hürth, Brühl, Wesseling, Bornheim, Alfter und Bonn sowie rechtsrheinisch um Leverkusen, Bergisch-Gladbach, Rösrath, Niederkassel, Troisdorf, Lohmar, St. Augustin und Siegburg. 18 Zu beiden Seiten des Stroms schließen sich naturräumlich die Niederterrassen an, die im Norden der Region an der Grenze des Rhein-Kreises Neuss bei Köln-Worringen und Leverkusen eine Breite von bis zu zwölf Kilometern erreichen. Früher waren sie von fruchtbaren, dicht besiedelten Bauernfluren geprägt, was im Süden der Region noch erkennbar ist. Zwischen Köln und Bonn sind einzelne Teile der alten und reichen bäuerlichen Kulturlandschaft erhalten geblieben. Sie stehen heute jedoch in Konkurrenz zu Siedlungsentwicklung, Wasserwirtschaft und Kiessandabbau. Neben Weizen-, Gerste- und Rübenanbau findet man hier noch größere Garten-, Obst- und Gemüseflächen. Das Gebiet ist Teil des rheinischen Obst- und Gemüsegartens, eines der größten Anbaugebiete dieser Art in ganz Deutschland. Derweil wird die rheinische Mittelterrasse rechtsrheinisch vom Naturraum „Bergischen Heideterrasse“ geprägt. Sie erstreckt sich zwischen der Sieg im Süden und Leichlingen im Norden entlang des Ostrandes der Kölner Bucht und wird von den Tälern der Agger, Dhünn und Wupper sowie von einigen kleineren Bachläufen durchschnitten. Trotz dichter Besiedlung und Nutzung durch den Verkehr wird die Landschaft noch von großen Waldgebieten dominiert und weist Landmarken wie den weithin sichtbaren Bergkegel des Michaelsberges bei Siegburg auf. Eine Besonderheit in diesem Bereich ist die zwischen Köln-Porz 8 9 Vielfalt im Herzen Europas: Beschreibung und Genese der Landschaften in der Metropolregion Köln/Bonn und Troisdorf gelegene Wahner Heide, eines der größten Naturschutzgebiete Nordrhein-Westfalens und zugleich eines der landesweit artenreichsten Heide-, Moor- und Waldgebiete. Sie zählt heute zum Nationalen Naturerbe der Bundesrepublik Deutschland8. Der Naturraum der linksrheinischen Mittelterrasse ist wie derjenige der rechtsrheinischen Mittelterrasse durch trockene Böden geprägt, fruchtbare Lössauflagen schaffen hier jedoch sehr günstige Bedingungen für die Landwirtschaft. Es handelt sich um ein altbäuerliches Siedlungsgebiet mit kleinen Waldresten. Typische Nutzungsformen sind ein intensiver Ackerbau im Norden sowie der Anbau von Obst, Gemüse und Zierpflanzen südlich von Hürth und Brühl. Eine andere Art von Grünnutzung zeigt sich in der Rheinischen Gartenlandschaft, einem der Schauplätze entlang der nordrhein-westfälischen „Straße der Gartenkunst“9. Die Garten- und Gebäudeanlagen der Schlösser Augustusburg und Falkenlust gelten als bedeutendes Beispiel der europäischen Gartenkunst und gehören zum Weltkulturerbe der UNESCO10. Die Landschaft von Börde und Ville – Acker, Wald und Braunkohle Die zweite prägende Großlandschaft der Metropolregion Köln/Bonn ist das Gebiet von Börde und Ville, das die aus- gedehnten und klimatisch begünstigten Lössgebiete der Zülpicher und Jülicher Börde, die Erftaue sowie die Sandund Kiesschollen der waldreichen Ville umfasst und bis in den Rhein-Kreis Neuss hinein ragt (Karte der Großlandschaften und Naturräume). Die Bördelandschaft ist vom Relief her eben und leicht wellig11. Sie ermöglichen eine hoch entwickelte Landwirtschaft auf fruchtbaren Böden. Der Ackerbau hat hier eine lange Geschichte: Seine Anfänge gehen bis ins Neolithikum zurück. Bereits damals hatte der Mensch die hohe Fruchtbarkeit der Lössböden für eine ackerbauliche Nutzung erkannt. Heute hat der Braunkohletagebau die Ackerflächen der Börde erreicht. Die Ville ist ein schmaler, durchschnittlich nur fünf Kilometer breiter Höhenzug, der nach beiden Seiten durch zum Teil steil abfallende Ränder scharf abgegrenzt ist. Sie ist die „grüne Hecke“ der Börde12. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war sie noch nahezu vollständig bewaldet. Während der südliche Teil nach wie vor Waldville genannt wird und große geschlossene Waldbereiche aufweist, wird das Landschaftsbild im Norden und im mittleren Teil vom hier nahezu abgeschlossenen Braunkohletagebau bestimmt. Kennzeichnend sind die letzten Reste großer Braunkohle-Tagebaubetriebe, die die Landschaft völlig neu gestaltet haben. Entstanden ist eine Landschaft mit von Menschenhand geschaffenen „großen Löchern“, die den Spagat zwischen Bewahrung und Entwicklung Zum Nationalen Naturerbe gehören herausragende, charakteristische Schutzgebiete, für die Deutschland auf nationaler, europäischer und globaler Ebene eine besondere Verantwortung besitzt. Die Initiative der „Straße der Gartenkunst zwischen Rhein und Maas“ entwickelte sich aus der Dezentralen Landesgartenschau NRW 2002. Ihr Ziel ist es, die Gartenschätze diesseits und jenseits der deutsch-niederländischen Grenze zu heben und touristisch zu vermarkten. 10 Die Welterbe-Liste der UNESCO beinhaltet insgesamt 830 Denkmäler in 138 Staaten. Das Welterbe besteht aus 582 Kulturdenkmälern und 149 Naturdenkmälern. Zudem sind 23 Denkmäler als Kultur- und Naturdenkmal klassifiziert. 11 In der Bördelandschaft liegen die Städte und Gemeinden Bedburg, Bergheim, Elsdorf, Kerpen, Erftstadt, Swisttal, Meckenheim und Rheinbach. 12 Dabei berührt die Ville die Städte und Gemeinden Bergheim, Pulheim Frechen, Kerpen, Hürth, Erftstadt, Brühl, Bornheim, Swisttal und Alfter. Vielfalt im Herzen Europas: Beschreibung und Genese der Landschaften in der Metropolregion Köln/Bonn sichtbar und erlebbar macht: eine bizarre, aufregende Landschaft, die sich im ständigen Wandel befindet. Große Teile der Braunkohleville wurden in den letzten 50 Jahren bereits erfolgreich rekultiviert. So findet man unmittelbar neben der Industriekulisse mit riesigen Schaufelradbaggern eine Seenplatte mit neuen Wäldern und Aussichtspunkten, die zahlreiche Menschen zu Freizeitgestaltung und Erholung anzieht. Auch das ist typisch für die Bilder von Landschaft in der Region. Der dritte Teilraum der Börde und Ville ist die Erftaue. Hat sie im Norden im Übergang zum Rhein-Kreis Neuss eher den Charakter eines engen Durchbruchtals, so ist sie im Süden breit angelegt. Die Erftufer sind hier von Wiesen, Weiden und Ackerland geprägt. In der Nähe der benachbarten Ortschaften zeugen alte Schlösser, Wasserburgen und Mühlen wie Schloss Gymnich und die Gymnicher Mühle sowie andere Baudenkmäler von der kulturhisto­rischen Bedeutung der Region. Bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts floss die Erft noch weitgehend naturnah in einer extensiv genutzten, arten- und strukturreichen Talaue, die sich in die Börde eingeschnitten hatte. Mitte des 19. Jahrhunderts änderte sich dies: Ein Großteil der Flächen wurde entwässert, umgestaltet und größtenteils in Äcker umgewandelt. Im Norden beeinträchtigen zudem die für den Braun­ kohletagebau notwendigen Grundwasserabsenkungen den Fluss, der aufgrund der industriellen Einleitungen zu einem künstlichen Gewässer mit stark erhöhter Wasserführung geworden ist. 13 Das Bergische Land – Industrietradition zwischen ­Bergen und Tälern Ursprünglich bedeckten geschlossene Buchenwälder die Großlandschaft des Bergischen Landes, das sich naturräumlich in die Bergischen Hochflächen, das OberaggerWiehl-Bergland sowie das Mittelsieg-Bergland gliedert (Karte der Großlandschaften und Naturräume). Die Naturräume mit ihren Kulturlandschaften unterscheiden sich dabei jedoch nur geringfügig voneinander13. Das Relief des Bergischen Landes ist gekennzeichnet von topographischer Zerrissenheit, steilen Böschungen, relativ armen Böden und einem rauen Klima. Prägend für die Landschaft sind im Norden wie im Süden wasserreiche Netze aus kleinen Flüssen, Bächen, Siefen, Quellen und Quellfluren. Die Besiedlung und der Verlauf der Verkehrswege konzentrierten sich zunächst auf die Berghöhen und später auf die grünlanddominierten Täler. Während an den Talhängen vorwiegend Buchen- und Buchen-EichenMischwälder stehen, werden die Bergkuppen und Hochflächen heute oft noch ackerbaulich genutzt. Die Besiedlung des Bergischen Landes durch den Menschen erfolgte vor allem aufgrund des Ressourcenreichtums. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts garantierten dabei Holz und Wasser eine vorindustrielle Blüte von Köhlerei und wasserbetriebener Kleinindustrie. So entstanden beispielsweise entlang vieler Flüsse und Bäche metallverarbeitende Industrieunternehmen. Außerhalb der Täler entwickelte sich eine auf Selbstversorgung ausgerichtete Landwirtschaft. Die jüngere Industriegeschichte des 19 Bergischen Landes konzentrierte sich mit Beginn des 20. Jahrhunderts in der Region auf den Westrand des ­Mittelgebirges und die Täler. Dabei fand das städtische und industrielle Wachstum aufgrund des Wasserreichtums insbesondere in den Tälern der oberen Wupper und der Agger statt. Viele Entwicklungen konnten auf die Strukturen der alten Metallverarbeitung mit ihren Hämmern, Schmieden, Wassermühlen und Sägewerken aufbauen. So entstanden die Stadt- und Industrietäler von Gummers­ bach, Wipperfürth, Engelskirchen und Bergneustadt, in denen es nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem enormen Wachstum der Siedlungs-, Industrie- und Verkehrsflächen kam. Heute ist beispielsweise nahezu der gesamte Talkorridor der Agger dicht besiedelt. Das Gewässernetz des Bergischen Landes hat auch weit über seinen Beitrag zum städtischen und industriellen Wachstum der Region hinaus Bedeutung. Es bildet ein ­natürliches Landschaftsnetzwerk und Biotopverbundsystem mit einzigartiger Tier- und Pflanzenwelt. Zudem macht es das Bergische Land zum wichtigsten Wasserspeicher Westdeutschlands. Die bergische Wasserwirtschaft hat bereits frühzeitig das Wissen der Menschen um den Bau von Stauanlagen genutzt und zahlreiche Talsperren errichtet. Eine besondere Bedeutung haben dabei die kleineren und größeren Trinkwassertalsperren mir ihren Ausgleichsgewässern und Wasserschutzzonen. Sie versorgen heute zahlreiche Großstädte am Rhein mit lebensnotwendigem Trinkwasser. Die Bergischen Hochflächen im Norden beziehen sich im Schwerpunkt auf die Städte und Gemeinden Radevormwald, Hückeswagen, Wermelskirchen, Leichlingen, Burscheid, Odenthal, Kürten, Wipperfürth, Marienheide, Lindlar, Bergisch Gladbach, Rösrath, Lohmar, Neunkirchen-Seelscheid und Much. Das Oberagger-Wiehl-Bergland in der Mitte steht im Kontakt zu den Städten und Gemeinden Bergneustadt, Gummersbach, Engelskirchen, Wiehl, Reichshof, Nümbrecht, Ruppichteroth, Waldbröl und Morsbach. Die Städte und Gemeinden Hennef, Eitorf und Windeck repräsentieren in wesentlichen Teilen das Mittelsieg-Bergland im Süden. 20 Aufgrund dieser naturräumlichen Gegebenheiten dient das Bergische Land heute als beliebtes Ausflugsziel für Erholungssuchende aus den benachbarten Ballungsräumen. Seit 1973 entwickelt der Naturpark Bergisches Land14 mit seiner Arbeit dieses Potenzial weiter. Neben konkreten Maßnahmen wird dabei auch aktiv ein neues Bewusstsein für die naturräumlichen Qualitäten dieses Lebensraumes vermittelt. Im Vordergrund steht ein Ausgleich zwischen Naturerhaltung und angemessener Naherholung. Die Mittelrheinische Pforte – Das Tor zur Region Im Süden der Region gehen die Landschaften um das ­Siebengebirge und den Kottenforst in die mittelrheinischen Großlandschaften des Westerwaldes und des unteren Mittelrheins über. Nicht weit entfernt liegt das Mittlere Rheintal, das die UNESCO im Jahr 2002 in Teilbereichen zum Weltkulturerbe erklärte15. Der Rhein tritt zwischen den alten Vulkankegeln von Siebengebirge und Drachenfelser Ländchen in die Region ein. Der Bereich wird daher als Mittelrheinische Pforte ­bezeichnet (Karte der Großlandschaften und Naturräume) – er stellt „das Tor zur Region“ dar, einen Übergang, der von zwei Landschaften mit einzigartigem Natur- und Kultur­wert eingerahmt wird: dem Siebengebirge und dem 14 Vielfalt im Herzen Europas: Beschreibung und Genese der Landschaften in der Metropolregion Köln/Bonn Pleiser Ländchen (Hügelland) auf der rechtsrheinischen sowie dem Drachenfelser Ländchen und dem Kottenforst auf der linksrheinischen Seite16. Die Landschaften der Mittelrheinischen Pforte besitzen überwiegend eine „feurige Vergangenheit“. Ihre Ent­ stehung verdanken sie mit Ausnahme des Kottenforstes dem tertiären Vulkanismus, der am Südrand der Kölner Bucht einen seiner Ausbruchsherde hatte. Geologisch wird dieser Bereich als Siebengebirgs-Vulkanfeld bezeichnet, das sich zwischen der Siegmündung im Norden und Bonn-Bad Godesberg im Süden sowie zwischen dem Pleiser Ländchen (Hügelland) im Osten und dem Rand der Eifel im Westen erstreckt. Herausragend ist dabei das geologisch, ökologisch und kulturhistorisch bedeutsame Siebengebirge, das von kegelförmigen Vulkankuppen geprägt wird. Typische Merkmale sind seine Wälder und Weingärten sowie sein Reichtum an hoch gefährdeten, Wärme liebenden Tier- und Pflanzenarten. Eine Besonderheit stellen auch die historischen Steinbrüche dar, die zum Teil bereits zur Zeit der Römer betrieben wurden. Bei vielen Bauten der rheinischen Romanik und Gotik verwendete man Trachyt beziehungsweise Latit aus dem Siebengebirge. Die Steinbruchtätigkeit endete mit der Fertigstellung des Kölner Doms in der Blütezeit der deutschen Romantik. Hier liegt auch die Geburtstunde des Deutschen Natur- und Landschaftsschutzes: Das Siebengebirge ist das älteste deutsche Naturschutzgebiet. Im Jahre 1834 wurde es unter Schutz gestellt. 1958 folgte die ­Deklaration zum ersten nordrhein-westfälischen Naturpark17. Den Übergang vom Siebengebirge zum Westerwald stellt das Pleiser Ländchen (Hügelland) dar, dessen breite Täler als Flächen für Ackerbau und Grünland genutzt werden. Daneben gibt es große Obstwiesen und kleinflächigen Gemüseanbau. Besonders bekannt sind die Baumschulen von Oberpleis. Die linke Rheinseite wird vom Kottenforst und dem Drachenfelser Ländchen gebildet, die beide Teil des Naturparks Rheinland18 sind. Neben zahlreichen Blick- und Aussichtspunkten auf den Gipfeln alter Vulkankegel sind kleine Dörfer mit benachbarten Obstwiesen und Wasserburgen inmitten fruchtbarer Äcker charakteristisch für die Landschaft des „Ländchens“. Ganz anders der Kottenforst: Seine großen zusammenhängenden Waldgebiete schließen sich unmittelbar an die nördlich gelegene Waldville an. Von der nacheiszeitlichen Waldentwicklung bis heute war der Kottenforst ununterbrochen ein bewaldetes Gebiet, das als Jagdrevier geschätzt wurde. Im Naturschutzgebiet Kottenforst sind in den ältesten Waldbereichen einzelne mächti­ge Bäume zusätzlich als Naturdenkmäler ausgewiesen, beispielsweise die Königsbuche bei Alfter-Heidgen. Der Naturpark Bergisches Land erstreckt sich auf einer Fläche von über 2.000 Quadratkilometern zwischen dem Ballungsraum der Rheinschiene im Westen, den Ausläufern des Sauerlands im Osten, dem Westerwald im Süden und dem Bergischen Städtedreieck Wuppertal, Remscheid, Solingen im Norden. 15 Die Welterbe-Liste der UNESCO beinhaltet insgesamt 830 Denkmäler in 138 Staaten. Das Welterbe besteht aus 582 Kulturdenkmälern und 149 Naturdenkmälern. Zudem sind 23 Denkmäler als Kultur- und Naturdenkmal klassifiziert. 16 Die Großlandschaft bezieht sich linksrheinisch auf die Städte und Gemeinden Bonn und Wachtberg, rechtsrheinisch auf St. Augustin, Hennef, Königswinter und Bad Honnef. 17 18 Der Naturpark Siebengebirge zieht sich vom Bonner Stadtgebiet über Königswinter bis nach Bad Honnef. Dabei ist das Siebengebirge eines der ältesten Naturschutzgebiete Deutschlands – es wurde bereits 1923 anerkannt. Seit 1956 ist es zudem auch Naturpark – der erste dieser Art in Nordrhein-Westfalen. Der Naturpark Rheinland liegt westlich von Köln eingebettet zwischen Rhein und Eifel. Auf über 1.000 Quadratkilometern umfasst er so unterschiedliche Landschaften wie das Rheinische Braunkohlerevier und die rekultivierten Flächen der Ville, den Kottenforst, das Drachenfelser Ländchen und die Bördelandschaft um Zülpich und Euskirchen.  21 22 Der Blick nach vorn: Perspektiven der Raumentwicklung in der Region Die natürlich und kulturell bedingten Eigenarten der Landschaften in der Metropolregion Köln/Bonn stellen gleichzeitig die Basis für deren Entwicklungsmöglichkeiten dar. Die Vielfalt der Region ist dabei Chance und Aufgabe zugleich. Sie führt zu unterschiedlichen Perspektiven für die Großlandschaften entsprechend ihrer Ausstattung und Potenziale. Der Ballungsraum Rhein-Sieg – Dynamische Entwicklung setzt sich fort Der überwiegende Teil der Bevölkerung in der Region lebt und arbeitet nach wie vor in der Rheinschiene. Hier konzentriert sich die Siedlungs- und Wirtschaftstätigkeit, hier befinden sich die Zentren der Verwaltung, Versorgung und Bildung sowie von Kunst und Kultur. Dieser Trend wird sich fortsetzen beziehungsweise noch intensivieren. Kennzeichnend für die Großlandschaft des Ballungsraumes Rhein-Sieg wird dabei auch in Zukunft ihre hohe Komplexität und Entwicklungsdynamik sein. Die Offenlandbereiche dienen der acker- und gartenbaulichen Nutzung sowie der Freizeitnutzung und Naherholung. Sie werden jedoch nicht nur in ökologischer und kultureller Hinsicht weiter an Bedeutung gewinnen, auch ihre Funktion als Standortfaktor nimmt zu. In einer wachsenden Wissens- und Technologiegesellschaft spielen landschaftliche Potenziale und andere Aspekte der Lebensqualität eine immer wichtigere Rolle bei der Ansiedlung von Unternehmen. Bevorzugter Bereich der Stadtentwicklung wird wie bisher die Niederterrasse sein; nur noch auf wenigen Landschaftsresten wird hier acker- und gartenbauliche Nutzung stattfinden. Diese wird sich weiterhin auf die fruchtbaren Böden der linksrheinischen Mittelterrasse zwischen Köln und Bonn konzentrieren – sie bleiben die „Rheinischen Gärten“ und ein Vorranggebiet für die Landwirtschaft. Im Gegensatz zur linksrheinischen Mittelterrasse geht es im Rechtsrheinischen perspektivisch vor allem darum, den durchgehenden Waldkorridor zwischen Leverkusen und Siegburg zu erhalten. Ein besonderes Augenmerk kommt der Wahner Heide und dem Königsforst zu. Betrachtet man die Stadt- und Industriezentren von Köln und Bonn, so fällt auf, dass diese – in Köln noch stärker als in Bonn – mit einem feinmaschigen Netz urbaner Freiräume verwoben sind. Diese sind in der Regel als Grünanlagen, Grünringe und -achsen beziehungsweise als Landschaftsparks oder -achsen gestaltet. Für die Zukunft ist es ein wichtiges Ziel, die innerstädtischen Grünnetze zu erhalten und nachhaltig auszubauen und sie noch stärker mit den Freiräumen des Umlandes zu vernetzen. Dabei kommt in allen Bereichen des Ballungsraumes der Ablesbarkeit von kulturlandschaftlicher Entwicklung und dem Erhalt sowie der Herausarbeitung von historischen Strukturen und Elementen des Natur- und Kulturerbes eine große Bedeutung zu. Beispielhaft hierfür seien alte Ortskerne und Zeugnisse der Industrialisierung sowie Reste von Niederungen in den Auenbereichen von Rhein, Sieg und Wupper genannt. Die Landschaft von Börde und Ville – Neue Herausforderungen vor und nach dem Ende des Braunkohleabbaus Die fruchtbaren Böden der Jülicher und Zülpicher Börde werden auch in Zukunft ein Vorranggebiet für die Landwirtschaft in der Metropolregion Köln/Bonn sein. Die der­zeit noch im Braunkohleabbau stehenden Teile der Jülicher Börde westlich von Kerpen können jedoch nicht so rekultiviert werden, dass wieder fruchtbare Lössäcker entstehen und die landwirtschaftliche Nutzfläche entsprechend erhalten werden könnte. Wertvolle Kulturlandschafts­ bereiche dieser Teilregion reichen bis in die Abbaubereiche 23 des Tagebaus Hambach hinein. Das hier zu gestaltende „neue Land“ ist eine besondere Herausforderung für die zukünftige Landschaftsentwicklung. Hinsichtlich der landwirtschaftlichen Nutzung der Börde ist es die kulturlandschaftliche Hauptaufgabe, die zusammenhängende Ackerlandschaft mit ihren charakteris­ tischen Silhouetten zu erhalten und mit gliedernden und belebenden Elementen anzureichern. In der Erftaue wird es zudem zur kleinräumigen Umwandlung von Ackerfläche in Grünland kommen. Ziel ist es hier, ein naturnäheres Fließregime der Erft herzustellen, ihre Uferbereiche entsprechend zu gestalten und Retentionsräume zurück zu gewinnen. In der Ville sind im Zuge der Rekultivierung der letzten ehemaligen Braunkohletagebaue neben großen landwirtschaftlichen Flächen auch naturnahe Bereiche ent­standen, die als Erholungsraum für die Menschen im Ballungsraum sowie als Refugium für wildlebende Tier- und Pflanzenarten dienen sollen. Das Auslaufen des Braunkohletagebaus bringt hier völlig neue Chancen und Herausforderungen für die Weiterentwicklung der Kulturlandschaft mit sich. In jedem Fall müssen die weiträumigen Blickbeziehungen, die ein spezifisches Charakteristikum der Bördelandschaft bilden, erlebbar bleiben. Sie sind ein wesentliches Element des Natur- und Kulturerbes der Landschaft und ­somit in hohem Maß identitätsstiftend. Zugleich geht es auch darum, die noch vorhandenen und nicht für Siedlungszwecke beanspruchten Tal- und Auenbereiche als lineare Verbindungselemente in der Kulturlandschaft zu erhalten und sie weiterhin vor einer Bebauung mit Siedlung oder infrastrukturellen Einrichtungen zu bewahren. 24 Das Bergische Land – Naherholung als sinnvolle Ergänzung Die funktionale Teilung in Höhenrücken und Täler ist ein hervorragendes und zu wahrendes Charakteristikum der Kulturlandschaft des Bergischen Landes. Sie spiegelt die Vielschichtigkeit der Großlandschaft in ihrem Landschaftsbild und ihren Funktionen wider. Auf der einen Seite bleibt die bäuerliche Struktur mit ihren kleinräumigen Siedlungsmustern in den höheren und mittleren Lagen sowie den zugehörigen Ortsbildelementen wie Gärten und Obstwiesen dominant. Der für das Landschaftsbild typische Wechsel von Offenland und Wald sollte dabei auch künftig in jedem Fall erhalten bleiben. Auf der anderen Seite haben sich in den Tälern große Gewerbe-, Industrieund Siedlungsbänder herausgebildet, die zahlreiche Elemente und Strukturen der Industriegeschichte aufweisen. Diese gilt es im landschaftlichen Kontext zu sichern und behutsam weiterzuentwickeln. Innerhalb der Region kommt dem Bergischen Land aufgrund seiner landschaftlichen und ästhetischen Reize eine herausragende Rolle als Naherholungsraum zu. Dies wird durch die Ausweisung großer Teile als Naturpark bestätigt. Bereits heute stellen Freizeit und Naherholung hier eine sehr sinnvolle Ergänzung zur landwirtschaftlichen und industriellen Nutzung dar. Diese gilt es in Zukunft ressourcenschonend auszubauen und im Sinne einer nachhaltigen Wertschöpfung zu stabilisieren. Eine wichtige Rolle spielt dabei das Gewässernetz, das von zentraler Bedeutung für die Kulturlandschaftsentwicklung des Raumes war und ist. Die zahlreichen Talsperren des Bergischen Landes sind Ausdruck der intensiven Nutzung des Wassers als bergischer Gunstfaktor. Sie gewährleisten unter anderem die Trinkwasserversorgung der dicht besiedelten Rheinschiene. Darüber hinaus liefern sie einen Der Blick nach vorn: Perspektiven der Raumentwicklung in der Region wesentlichen Beitrag zur Attraktivität des Landschaftsbildes und somit zum Erholungsangebot der Großlandschaft Bergisches Land. Die Mittelrheinische Pforte – Weltkulturerbe greifbar nah Die künftige kulturlandschaftliche Entwicklung stellt in der Mittelrheinischen Pforte den Erhalt einer umweltverträglichen Acker- und Grünlandnutzung sowie die behutsame Weiterentwicklung des Obst- und Weinanbaus in den Vordergrund. Ein wichtiges Kriterium ist dabei die Offenhaltung von Bestandteilen und Strukturen der alten Kulturlandschaft. In einzelnen Bereichen sind eine Erweiterung der vorhandenen sowie die Anlage neuer Anbauflächen – beispielsweise für die Kultivierung von Wein – denkbar. Teilweise wird es auch zu einer Umwandlung intensiv genutzter Obstplantagen in Obstwiesen mit Hochstämmen kommen. Große Teile der Landschaft der Mittelrheinischen Pforte sind mit Wald bedeckt. Hier sollte es auch in Zukunft darum gehen, Wärme liebende Trockenwälder, die einzigartig für Nordrhein-Westfalen sind, zu fördern und zu vermehren. Fasst man die Bedeutung der Mittelrheinischen Pforte als südlichen Einstieg in die Region zusammen, so schließen die Weinorte und Burgen beziehungsweise Burgruinen am Siebengebirge die weltweit einzigartige Wein- und Burgenlandschaft des Mittelrheins zum Tiefland im Norden hin ab. Die Burgen sind dabei die „Tore zum romantischen Rheintal“. Dieser besonderen Eingangssituation gilt es bei der künftigen natur- und kulturräumlichen Entwicklung der Mittelrheinischen Pforte Rechnung zu tragen.  25 26 Kapitelbezeichnung Natur und Kultur in ihrer höchsten Verdichtung: Das Netzwerk der Kulturlandschaften Legt man das Natur- und Kulturerbe der ­Metropolregion Köln/Bonn sinnbildlich übereinander, so entsteht ein Netzwerk der Kulturlandschaften, das aus drei wesentlichen Elementen besteht und die naturräumliche und kulturelle Ausstattung der Region in ihrer höchsten Verdichtung repräsentativ abbildet. Die einzelnen Grundelemente sind dabei: • die Wertvollen Kulturlandschaftsbereiche; • die Freiraum- und Gewässernetze; • die Auen-, Wald- und Freiraumkorridore. Als „Knoten“ des Netzwerkes fungieren die Wertvollen Kulturlandschaftsbereiche, die über so genannte Kulturlandschaftskorridore miteinander verbunden sind und zugleich auch die Freiraum- und Gewässernetze einbeziehen und vernetzen19. Die zentrale Idee dabei ist, den „dynamischen Lebensraum des Menschen“ in der Metropolregion Köln/Bonn in Form eines Rückblicks auf die Entwicklung der Kulturlandschaften abzubilden. So wird zugleich ein Erkennen der aktuellen Situation ermöglicht und eine kulturlandschaftliche Raumeinteilung geschaffen, die relevante Besonderheiten der Großlandschaften in der Region abbildet sowie zueinander in Bezug setzt. Das Netzwerk der Kulturlandschaften ist jedoch mehr als eine Erfassung des Ist-Zustandes und der Genese. Es dient auch als Wegweiser für die zukünftige Entwicklung der Kulturlandschaft durch nachhaltiges Handeln. Auf diese Art und Weise wird der grundlegende Gedanke des 19 20 UNESCO-Programms „Man and Biosphere“20 und der Europäischen Landschaftskonvention aufgenommen: das Leitbild des nachhaltigen Handelns in allen Landschaften. Wichtig ist dabei: Das Netzwerk der Kulturlandschaften verfolgt keinen konservierenden, sondern einen perspektivischen Ansatz. Die Ausweisung und Umsetzung regional bedeutsamer Projekte konzentriert sich in diesem Kontext nicht nur auf die Wertvollen Kulturlandschaftsbereiche und ihre Korridore. Sie erstreckt sich – wie das Kulturlandschaftsnetzwerk generell – auf die gesamte Region. Auf der Basis dieses Ansatzes werden in der Metropolregion Köln/Bonn wertvolle Kulturlandschaftsbereiche abgegrenzt und beschrieben. Ihre Darstellung dient dem Ziel, repräsentative Ausschnitte der Kulturlandschaften konkret zu definieren und in ihrem Wert für die Gesamt­ region zu fördern. Die Abgrenzung und Beschreibung der Wertvollen Kulturlandschaftsbereiche erfolgte im Wesentlichen aus folgenden Gründen: Die ausgewählten Bereiche bilden exemplarisch das charakteristische und nahezu vollständige Inventar des Natur- und Kulturerbes in den Großlandschaften der Region ab, wobei dieses je nach Kulturlandschaftsbereich unterschiedlich ist. So gibt es sowohl Bereiche, die im naturräumlichen Sinne repräsentativ sind, als auch solche, die aufgrund ihres kulturellen Erbes als wertvoll eingestuft wurden. In den meisten Fällen sind jedoch beide Aspekte vertreten. Hinzu kommt, dass sich die Wertvollen Kulturlandschaftsbereiche in idealer Weise 27 eignen, um anhand ihrer beispielhaften Ausprägungen Perspektiven für den künftigen Umgang mit den Kulturlandschaften in der Region aufzuzeigen. Das Netzwerk der Kulturlandschaften muss als eine Art „Partitur“ für dieses Vorgehen betrachtet werden. Dabei werden die Wertvollen Kulturlandschaftsbereiche durch Freiraum- und Gewässernetze sowie ein System von Korridoren ergänzt. Die Freiraumnetze beziehen sich im Ballungsraum auf die Städte Köln und Bonn. Sie sollen die Offenheit der Städte sichern beziehungsweise neu ­schaffen. Die Gewässernetze erfassen die Quell- und Entstehungsgebiete der Fließgewässer in der Region. Sie sorgen dafür, dass die kostbare Ressource Wasser im Sinne der Euro­päischen Wasserrahmenrichtlinie großflächig und nachhaltig geschützt und weiterentwickelt werden kann. Weder die Wertvollen Kulturlandschaftsbereiche noch die Freiraum- und Gewässernetze dürfen jedoch isoliert voneinander betrachtet werden. Sie sind über landschaftsverbindende Achsen, so genannte Korridore, miteinander verknüpft. Der ,masterplan :grün’ unterscheidet zwischen Auen-, Wald- und Freiraumkorridoren. Sie alle fungieren einerseits als Verbindungselemente in der Landschaft, zum anderen sind sie aber auch selbst flächenwirksam. Bestes Beispiel ist der Rhein-Auenkorridor, der landschaftsgestalterisch eine Art „Rückgrat der Region“ bildet. Die Projekte innerhalb des Kulturlandschaftsnetzwerkes haben Leuchtturmfunktion. Unabhängig davon ob sie in Das Netzwerk der Kulturlandschaften der Metropolregion ist insbesondere über die Landschaftskorridore mit den anderen Kulturlandschaften in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz verbunden. Zugleich werden beispielsweise über den Rhein Landschaftsverbindungen geknüpft, die von nationaler und europäischer Bedeutung sind. Im Oktober 1970 rief die UNESCO das Umweltprogramm „Der Mensch und die Biosphäre“ („Man and Biosphere“ – kurz MAB) ins Leben. Ziel war es, auf internationaler Ebene Grundlagen für den Schutz der natürlichen Ressourcen sowie für eine nachhaltige Nutzung der Biosphäre zu schaffen. Dabei ging es unter anderem um die Errichtung eines globalen Netzes repräsentativer Schutzgebiete, der so genannten Biosphärenreservate. 28Natur und Kultur in ihrer höchsten Verdichtung: Das Netzwerk der Kulturlandschaften den wertvollen Kulturlandschaftsbereichen, den Auen-, Wald- und Freiraumkorridoren oder in den Gewässer- ­ beziehungsweise Freiraumnetzen liegen, sind sie beispiel­ hafte Modelle und Vorbilder für weitere Vorhaben und Maßnahmen der Raumentwicklung in der gesamten ­Region. Ihre derartige Realisierung kann somit richtungweisenden Charakter für viele andere Projekte haben. Die Wertvollen Kulturlandschaftsbereiche der Metropolregion Köln/Bonn Im Folgenden werden die Wertvollen Kulturlandschafts­ bereiche der Region – ausgehend von der kulturlandschaftlichen Gliederung (in der Reihenfolge von Norden nach Süden) – kurz beschrieben. Sie sind sozusagen „das Herz der regionalen Naturräume“. Einen landschaftsräumlichen Überblick bietet die Karte auf Seite 132. Der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich Bürge Als typischer Landschaftsausschnitt für den Naturraum Börde reicht der wertvolle Kulturlandschaftsbereich Bürge von der Erftaue zwischen Kerpen-Horrem und KerpenTürnich im Osten bis an den Rand des Braunkohle­tage­ baus Hambach im Westen. Nördlich und südlich bilden die Autobahn Köln-Aachen (A 4) beziehungsweise der Ortsrand von Kerpen die Grenzen des Wertvollen Kulturlandschaftsbereiches. Kennzeichnend sind fruchtbare Lössäcker sowie kleinere Wälder und Strukturelemente der Auenlandschaft. Das Naturerbe bezieht sich hier im Wesentlichen auf die ökologisch bedeutsamen, staunassen Eichen-Hainbuchen­ 21 wälder der Bürge, die naturnahen Auenwälder der Erft und einen charakteristischen Teil des Neffelbaches. Dabei besteht der Waldkern aus den drei geschlossenen Waldgebieten Dickbusch, Lörsfelder Busch und Steinheide westlich der Erfttalniederung. Als Inselbiotope gehören diese zu den Restflächen der durch den Braunkohletagebau Hambach in Anspruch genommenen Bürgewälder. Sie sind von großer Bedeutung für den Artenschutz und die Wiederbesiedlung der Rekultivierungsflächen nach dem Braunkohleabbau und stehen somit in engem ­Zusammenhang mit einem der Hauptthemen in diesem Teil der Region. Eine weitere Kernzelle liegt mit dem Kerpener Bruch und dem Parrig in der Erftaue. Dieses Gebiet repräsentiert einen der landesweit größten Hartholzauenwälder mit einem hohen Altholzanteil. Neben anderen Faktoren ist der Altholzanteil eine wesentliche Grundlage für die Existenz einer sehr artenreichen Fauna und Flora mit zahlreichen gefährdeten Tier- und Pflanzenarten. Aus kulturgeschichtlicher Sicht gehören die Bürgewälder zu den ältesten Waldstandorten in Nordrhein-Westfalen. Dabei wurden sie früher in so genannten „Quartieren“ und „Laags“ eingeteilt, was für den jährlichen Eintrieb der Hausschweine zur Eichel- und Eckernmast von Bedeutung war. Heute gibt es nur an wenigen Stellen noch Hinweise auf diese Tradition. Eingebettet sind die Wälder zum Teil in historische Feldfluren und Gutsanlagen wie Haus Dorsfeld, Gut Seelrath und Haus Forst. Auch die Ortsbilder sind zum Teil von Herrenhöfen, fränkischen Vierkantbauernhöfen sowie historischen Schloss- und Burganlagen wie der Kommandeursburg und Schloss Bergerhausen geprägt. Ein Beispiel dafür ist Kerpen-Blatzheim, ein Ort, der exemplarisch für die Zielsetzung einer landschaftsbezogenen Dorfentwicklung stehen könnte. Weitere Herausforderungen für die künftige Gestaltung des wertvollen Kulturlandschaftsbereiches sind die Anreicherung der Agrarlandschaft mit typischen Strukturen, der Wiederaufbau von Wäldern sowie eine landschaftsbezogene Stadtentwicklung der in der Kulturlandschaft liegenden Stadt Kerpen mit ihrer historisch bedeutsamen Stadtanlage21. Der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich Ville Beim wertvollen Kulturlandschaftsbereich Ville handelt es sich um einen landesweit bedeutsamen Landschaftsausschnitt, der im Süden bis an den Rand des Kottenforstes und im Norden bis an die Grenze der Stadt Hürth reicht. Die Westgrenze verläuft parallel zur Erftaue, im Osten schließt der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich Ville mit dem Siedlungsrand des Vorgebirges ab. Die kulturhistorische Besonderheit liegt vor allem in der Geschichte des Braunkohleabbaus, der sich bereits um das Jahr 1900 westlich von Brühl, Frechen und Hürth konzentrierte. Nach 1950 erfolgte der Übergang zu Großtagebauen. Dies ging und geht sowohl mit vorhergehenden Umsiedlungen der Menschen als auch mit anschließender großflächiger Rekultivierung einher. Die Rekultivierung ist in der Ville größtenteils abgeschlossen. Die so genannten Bergbaufolgelandschaften schließen sich im Norden und Nordosten an die ältere Braunkohlerekultivierungszone an. Heute dienen die ehemaligen Grubenfelder der südlichen Ville vor allem der Naherholung. Aus ihnen ist eine Seen­landschaft mit umliegenden Wäldern entstanden. Der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich Bürge hat im Kulturlandschaftsnetzwerk direkte Verbindungen zum Erft-Swist-Auenkorridor und einen mittelbaren Kontakt zur Freiraumspange „Terra Nova“. Natur und Kultur in ihrer höchsten Verdichtung: Das Netzwerk der Kulturlandschaften Erste Ansätze zu diesem Umgestaltungsprozess hatte es bereits in der Erprobungsphase der 1920er Jahre gegeben, erst aus der Zeit nach 1945 stammen die heute das Landschaftsbild prägenden artenreichen und gemischten Waldbestände. Im Süden der Waldville findet man darüber hinaus bemerkenswerte Reste der römischen Wasserleitung (Römerkanal), die aus der Eifel in die Kölner Bucht führte. Auch die alten Wegenetze und Waldalleen sind hinsichtlich des Kulturerbes relevant. Die ökologisch bedeutsamen Flächen des Wertvollen Kulturlandschaftsbereiches konzentrieren sich auf die zusammenhängenden großen Altwaldbereiche sowie die Renaturierungen des Braunkohletagebaus. Die Waldville zeichnet sich als großer und zusammenhängender Waldkomplex auf Wasser stauenden Gleyböden durch das Nebeneinander ausgedehnter Eichen-Mischwälder und bruchwaldartiger Erlen- und Moorbirkenwälder aus. Sie bieten Lebensraum für fast die Hälfte aller in NordrheinWestfalen lebenden Amphibienarten. Forstwirtschaftlich hervorzuheben ist ein Gebiet zwischen den Orten Swisttal-Heimerzheim und Meckenheim-Lüftelberg, das ein landesweit einzigartiges zusammenhängendes Hauptvorkommen an Eichen-Hainbuchenwäldern aufweist. Ein zweites Kerngebiet befindet sich bei Bornheim. Die Villewälder sind extrem strukturreich mit hohem Alt- und Totholzanteil. Gemeinsam mit den sich 22 23 südöstlich anschließenden Wäldern des Kottenforstes bilden sie einen ausgeprägten Laubwaldkorridor (siehe Ville-Kottenforst-Waldkorridor Seite 45). Im Rahmen der weiteren Entwicklung des Kulturlandschaftsnetzwerkes soll der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich Ville Beispiele für eine nachhaltige Waldwirtschaft sowie für die Waldvermehrung und standortgerechte Rekultivierung von Wäldern auf ehemaligen Abgrabungsflächen des Braunkohletagebaus liefern. Dies hat immer auch einen Effekt auf die nachhaltige Nutzung im Sinne von Freizeit und Naherholung22. Der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich Urdenbach-Worringen Der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich Urdenbach-Worringen beginnt im Norden Kölns oberhalb des Ortsteils KölnLangel mit dem Worringer Altrhein. Er reicht über die Grenzen der Stadt Köln in den Rhein-Kreis Neuss hinein, berührt den Stadtrand von Düsseldorf und deckt einen typischen Ausschnitt des Naturraumes Rheinaue mit ausgedehnten Überflutungswiesen, Bruchwäldern und Flussdeichen ab. Betrachtet man den naturräumlichen Aspekt, so bildet das Naturschutzgebiet Worringer Bruch neben dem Zonser Grind, den Urdenbacher Kämpen und den Rheinufern zwischen Neuss und Köln eine ökologische Kernfläche des euro­ päischen Schutzgebietssystems NATURA 200023. Es handelt sich um einen ehemaligen, beinahe vollständig verlandeten 29 Altarm des Rheins, der stark schwankende, dem Rheinwasserspiegel angepasste Grundwasserstände aufweist. Da derart großflächige auentypische Biotopkomplexe in der Rheinaue mittlerweile eher selten geworden sind, spielt das Gebiet eine wichtige Rolle als ökologischer Rückzugsraum und Ausbreitungsweg im Korridor der Rheinschiene. Das Mosaik der Vegetation ist repräsentativ für den Naturraum der Rheinebene. Herausragend sind die Funktion als Lebensraum des Erlen-, Eschen- und Weichholzauenwaldes sowie die großflächigen Primärröhrichte des ­verlandeten Altarms. Zudem findet man hier eine Reihe seltener Pflanzen- und Tierarten sowie eine bemerkenswerte Totholz-Käferfauna mit über 100 Arten. Neben dem Worringer Bruch gibt es ein weiteres, kleineres Naturschutzgebiet auf einem alten Ziegeleigelände sowie – wie oben bereits erwähnt – mehrere großflächige Naturschutzgebiete wie die Urdenbacher Kämpe und den Zonser Grind, die sich jedoch außerhalb der Stadt Köln befinden. Kulturräumlich sind in erster Linie Dokumente aus der provinzial-römischen Zeit hervorzuheben, ­beispielsweise die Reste der Kastelle in Dormagen, der Wachturm auf dem Reckberg bei Neuss und Haus Bürgel sowie die Limes­straße entlang des Rheins zwischen Köln und Neuss. Herausragend unter den historischen Bauanlagen ist die mittelalterliche Stadtbefestigung von Dormagen-Zons im Rhein-Kreis Neuss, die unmittelbar an den Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Urdenbach-Worringen anschließt. Historische Relevanz für die Region besitzt das Gebiet Der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich Ville weist im Kulturlandschaftsnetzwerk Verbindungen mit den suburbanen Freiraumkorridoren um Köln (Seite 46), dem Freiraumkorridor „Agrippastraße“ (Seite 48) und dem Ville-Kottenforst-Waldkorridor Seite 45) auf. Darüber hinaus gibt es Kontakte zum Erft-Swist-Auenkorridor (Seite 43) und zum Freiraumkorridor „Römerkanal“ (Seite 49). Natura 2000 ist ein EU-weites Netz von Schutzgebieten zum Erhalt gefährdeter Lebensräume und Arten. Es setzt sich zusammen aus den Schutzgebieten der Vogelschutz-Richtlinie (Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten) und den Schutzgebieten der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen).In Deutschland sind rund 14 Prozent der Landesfläche und 31 Prozent der Meeresfläche als Natura 2000-Gebiete gemeldet. 30 zudem als Schauplatz der berühmten Schlacht bei Wor­ ringen, die 1288 das kriegerische Finale des zuvor bereits sechs Jahre währenden Limburger Erbfolgestreites darstellte. Ihr Ausgang veränderte seinerzeit das gesamte Machtgefüge im Westen Mitteleuropas. Der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich UrdenbachWorringen eignet sich heute insbesondere, um Beispiele für eine nachhaltige Grünlandnutzung, eine auentypische Hochwasserrückhaltung und den ökologisch orientierten Bau sowie die Unterhaltung von Flussdeichen aufzuzeigen. Hinzu kommt ihre besondere Bedeutung für den Schutz von Trinkwasserfiltraten und die Gestaltung von Fischschutzzonen. Da der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich über die Grenzen der Stadt Köln hinausreicht, müssen sowohl naturräumliche als auch kulturelle Bezüge zu den angrenzenden Naturschutzgebieten und den kulturhistorischen Besonderheiten im Rhein-Kreis Neuss und in der Stadt Düsseldorf berücksichtigt werden24. Der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich Köln Köln gilt als weltweit bedeutsame Stadt mit langer Kulturgeschichte vor allem unter dem Gesichtspunkt des kulturellen Erbes als Wertvoller Kulturlandschaftsbereich. Hinzu kommt, dass die Stadt über ein Grün- und Freiraumsystem verfügt, das in seiner räumlichen Ausdehnung einzigartig in Europa ist und dessen Ursprünge bereits in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts liegen. Betrachtet man die Siedlungsgeschichte Kölns, so gibt 24 25 Natur und Kultur in ihrer höchsten Verdichtung: Das Netzwerk der Kulturlandschaften es sowohl oberirdisch als auch unterirdisch eine Vielzahl von Spuren, die noch heute erkennbar sind. Ein Beispiel ist der römische Mauerring, der mit seinen Toren und Türmen ein dicht bebautes Siedlungsareal mit herausragender Infrastruktur umschloss. Einige bis heute wichtige Straßen­verläufe basieren auf römerzeitlichen Festlegungen, zahl­reiche Überreste zeugen zudem von der blühenden Vergangenheit der Stadt. Die herausragende Stellung Kölns in jener Zeit als weltliches, kirchliches und wirtschaftliches Zentrum ist auch an der Bezeichnung „Rom des Nordens“ ablesbar. Auch die mittelalterlichen Wachstumsphasen, die das römische Areal nach und nach erweiterten, lassen sich heute noch gut im Stadtbild Kölns nachvollziehen. Die Stadtmauer von 7,5 Kilometer Länge wies Ende des 12. Jahrhunderts zwölf Torburgen und 52 Wehrtürme auf, sie umschloss eine Fläche von 450 Hektar. Hinzu kam die wachsende Bedeutung der Stadt als erzbischöflicher Sitz und Wallfahrtsort, die mit dem Bau des erst im 19. Jahrhundert vollendeten Kölner Doms, der heute zum Weltkulturerbe gehört, ihren Höhepunkt fand. Zahlreiche romanische Kirchen und Klosteranlagen prägten das Stadtbild bereits im Mittelalter, während die Zünfte und Gaffeln das wirtschaftliche Leben dominierten und die freie Reichsstadt Köln aufgrund des Stapelrechtes den Warenverkehr auf dem Rhein kontrollierte. Zum Ende des 19. Jahrhunderts wurde der mittelalterliche Stadtring aufgehoben – Köln expandierte in der Folgezeit mit der Industrialisierung entlang von Wachstumsachsen, deren gründerzeitliche Anlage man immer noch im Stadtbild erkennen kann. Das aus dieser Zeit stammende industriegeschichtliche Erbe ist heute durch Bauaktivitäten im Rahmen des Strukturwandels zum Messe-, Verkehrsund Medienzentrum gefährdet. Es ist ein wesentliches Anliegen, das kulturelle Erbe aus dieser Zeit zu erhalten und wieder sichtbar zu machen. Grundsätzlich kann gesagt werden, dass die Kölner Indus­trielandschaft sich in „ältere Industrieballungen“ – beispielsweise in den Stadtteilen Ehrenfeld, Nippes, Kalk, Mülheim, Porz und im nördlichen Deutz – sowie in „neue Industrieballungen“ unterteilt. Hinzu kommen Bereiche mit „älteren Industriedurchsetzungen“, die für Vororte wie Sülz oder Raderthal typisch sind. All diese ­Standorte erstrecken sich über größere Flächen, ihr optisches Erscheinungsbild wurde durch das Alter der Bauten, die Größe der Niederlassungen und die Nutzung durch einen speziellen Industriezweig erheblich beeinflusst. Die Grün- und Freiraumentwicklung der Stadt Köln steht in einem engen Zusammenhang zur neuzeitlichen Stadterweiterung. So entstand mit dem Wachstum und der Ausdehnung der Stadt eine Vielzahl inselartig um das Stadtgebiet verteilter Grünanlagen, die in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in das Grünsystem der Stadt Köln integriert wurden. Dessen Grundlagen legten der Städtebauer Fritz Schumacher und der damalige Oberbürgermeister der Stadt Köln, Konrad Adenauer25. Trotz wechselnder Leitbilder hat sich das von Schumacher vorgegebene Grundgerüst des Grünsystems bis heute als tragfähig erwiesen. Mit dieser städtebaulichen Der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich Urdenbach-Worringen ist im Kulturlandschaftsnetzwerk eng mit dem Rhein-Auenkorridor (Seite 42) verzahnt. Es gibt Kontakte zum Kölner Freiraumnetz (Seite 39), zum Freiraumkorridor „Zu den Hitdorfer Seen“ (Seite 47) und zum Freiraumkorridor „Limesstraße“ (Seite 48). Konrad Adenauer war von 1917 bis 1933 Oberbürgermeister der Stadt Köln. Vieles von dem, was er initiierte, prägt bis heute das Leben in Köln. Ein Beispiel ist die Idee der Kölner Grüngürtel. Natur und Kultur in ihrer höchsten Verdichtung: Das Netzwerk der Kulturlandschaften und grünplanerischen Kontinuität hebt sich Köln deutlich von anderen Städten im deutschsprachigen Raum ab. Weite Teile des Grünsystems wurden im Laufe der Zeit als zusammenhängende Volksparke ausgebaut. Aufgrund dieser Entwicklung hat das Grünsystem Kölns heute auch eine wichtige Bedeutung für den urbanen Biotopverbund, der dem Schutz und der Entwicklung von Natur und Landschaft in ökologisch wertvollen Bereichen Vorrang einräumt. Anhand des Wertvollen Kulturlandschaftsbereiches Köln lassen sich daher sowohl Beispiele für die Fortführung einer nachhaltigen Stadtentwicklung – beispielsweise durch Verknüpfung der Grüngürtel und Grünachsen mit den Frei­ raumkorridoren – als auch Beispiele für eine dem kulturellen Erbe gerecht werdende Stadtgestaltung entwickeln. Dabei sollten unter anderem die Gestaltung der Stadtsilhouette am Rhein, die Neugestaltung ehemaliger Indus­ trie- und Verkehrsanlagen und die weitere Profilierung des provinzial-römischen Erbes berücksichtigt werden26. Der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich Wahner Heide-Königsforst-Siegmündung Der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich Wahner HeideKönigsforst-Siegmündung erstreckt sich vom Gebiet des Königsforstes über die offenen Flächen der Wahner Heide im Osten bis zur Sülzaue. Südlich reicht er bis an den Siedlungsrand von Troisdorf, im Westen bis an die Siedlungsränder von Köln-Porz, Köln-Wahn und Troisdorf. Im Süden des Gebietes schließt sich die Siegmündung an. Heute gibt es im Gebiet des Wertvollen Kulturlandschaftsbereiches 26 ein enges Nebeneinander von intensiver Verkehrsnutzung (Flughafen und Autobahnen) und Naturschutz. In seiner Ausstattung ist dieser Bereich recht heterogen; er weist typische Merkmale für die Naturräume Rheinaue und Bergische Heideterrasse auf. Es handelt sich um einen landesweit und europäisch bedeutsamen Landschaftsraum gemäß NATURA 2000, der ein Gebiet des Nationalen Naturerbes Deutschlands und eine Vielzahl ökologisch sensibler Flächen beinhaltet. Dabei stellt die Siegmündung hinsichtlich ihres Naturerbes einen repräsentativen Ausschnitt der Auenlandschaft an Rhein und Sieg dar. Kennzeichnend sind ausgedehnte ökologisch bedeutsame Weichholzauen sowie Überflutungswiesen und alte Weidenbestände. Die strukturreiche Flussauenlandschaft der ökologischen Kernzone ist vor allem für Wasser- und Watvögel als Brutplatz sowie als Nahrungs-, Durchzugs- und Überwinterungsbiotop wertvoll. Sie wird zudem von zahlreichen hochgradig gefährdeten Vogelarten genutzt. Auch die landesweit bedeutsamen Bestände an einzelnen Fischarten haben dazu beigetragen, dass die Altwässer und die Restbestände der Weichholz-Auenwälder inzwischen als sehr seltene Fauna-Flora-Habitat-Lebensräume (FFH) der NATURA 2000-Richtlinie anerkannt sind. Als weitere naturräumliche Besonderheit gilt, dass die ­Siegmündung geomorphologisch die am besten ausgebildete Flussmündung des mittleren Rheintales mit naturnaher Überflu­tungs­ dynamik ist. Diese Entwicklungszone dient als Modell für eine nachhaltige Grünlandnutzung. Sie liefert zudem Beispiele für die Pflege und Entwicklung von Weidenwäldern. 31 Anders gestaltet sich die Situation des Naturerbes in der Wahner Heide. Das von der Relief- und Bodenausstattung her äußerst abwechslungsreiche FFH- und EU-Vogelschutzgebiet ist ein Rest der typischen Sandlandschaft der Bergischen Heideterrasse und darüber hinaus ein wichtiger Bestandteil des europäischen Schutzgebietssystems NATURA 2000. Die Landschaft weist in ihren ökologischen Kernflächen ein Naturschutzgebiet mit sehr hoher Biotopund Artenvielfalt auf, das in seiner Vielfalt und Ausdehnung repräsentativ für den südlichen Niederrhein ist. Als Nationales Naturerbe ist es hinsichtlich seiner Wertigkeit in dieser Form sowohl im landes- als auch im bundesweiten Kontext einmalig. Interessant ist auch die Kulturhistorie der Wahner Heide. Einerseits weist sie zahlreiche vor- und frühgeschichtliche Fundplätze auf, andererseits ist sie aufgrund ihres wenig ertragreichen Bodens seit dem frühen Mittelalter das am dünnsten besiedelte Gebiet der Region. Seit dem 19. Jahrhundert wird die Wahner Heide zudem als militärisches Gelände genutzt, was zu einem hohen Anteil an Magerstandorten mit einer Vielzahl gefährdeter Pflanzen- und Tierarten geführt hat. Als Wertvoller Kulturlandschaftsbereich wird die Heide vollständig erhalten, da sie aufgrund ihrer bestehenden Ausprägung eine ideale Grundlage für eine nachhaltige und schonende historische Heidenutzung bietet. Eine behutsame Erschließung im Sinne ruhiger und landschaftsgebundener Erholung ist damit durchaus vereinbar. Der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich Köln ist im Kulturlandschaftsnetzwerk räumlich weitgehend deckungsgleich mit dem Kölner Freiraumnetz (Seite 39). Er hat enge Verbindungen mit dem Rhein-Auenkorridor (Seite 42) und den suburbanen Freiraumraumkorridoren (Seite 46), die radial auf Köln zulaufen. Gleiches gilt für die Freiraumkorridore „Agrippastraße“ (Seite 48), „Via Belgica“ (Seite 48), „Römerkanal“ (Seite 49) und „Limesstraße“ (Seite 48). Zudem gibt es einen mittelbaren Kontakt zum Vorgebirgs-Gewässernetz (Seite 40). 32Natur und Kultur in ihrer höchsten Verdichtung: Das Netzwerk der Kulturlandschaften Im Nordosten des Wertvollen Kulturlandschaftsbereiches – auf der rechtsrheinischen Mittelterrasse – liegt der Königsforst mit seinen sauren Eichen- und Buchenwäldern. Er ist ebenfalls NATURA 2000-Schutzgebiet und steht mit der Wahner Heide in einem direkten Biotopverbund. Seine ökologische Bedeutung resultiert aus der naturräumlichen Vielfalt mit ausgedehnten Eichenmischwäldern auf Sand im Wechsel mit sauren Buchenwäldern sowie aus seinem in Teilen naturnahen Fließgewässersystem. Kulturgeschichtlich diente das 3.000 Hektar große Areal des Königsforstes im Mittelalter als Jagdrevier. Seit dem 20. Jahrhundert ist es ein wichtiges Naherholungsgebiet mit Ausflugslokalen, Tiergehegen und entsprechender Wegeführung. Der Königsforst ist ein gelungenes Beispiel für das Beibehalten von Forstflächen in unmittelbarer Nachbarschaft intensiver Acker- und Siedlungsflächen, was allerdings nur vor dem Hintergrund der langen Jagdgeschichte erklärbar ist. Perspektivisch wird es darum gehen, die Waldbestände des Wertvollen Kulturlandschaftsbereiches Wahner Heide-Königsforst-Siegmündung naturnah zu bewirtschaften und die vorhandenen Nadelwälder sukzessiv in naturnahe Laubwälder umzuwandeln. Auch die Fließgewässersysteme sollten im umweltverträglichen Sinne weiterentwickelt und vor eutrophierenden Einflüssen geschützt werden. Darüber hinaus sollte die Beibehaltung des Biotopverbundes zwischen dem Königsforst und dem angrenzenden Bergischen Land gesichert und die direkte Verbindung zur Wahner Heide wieder hergestellt werden. Hier könnten Beispiele für die Abpufferung ökologisch sensibler Flächen – beispielsweise gegenüber Siedlungs27 und Verkehrsnutzung – sowie für die Waldvermehrung aufgezeigt werden27. Der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich Bonn Wie das Siebengebirge so hat auch die Stadt Bonn eine Bedeutung, die weit über die Region hinausreicht. Der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich erstreckt sich entlang des Rheins von der Nordgrenze der Stadt bis zum Vorort Mehlem, nach Osten und Westen wird er von randlich gele­ genen Vororten begrenzt. Er ist typisch für den Bal­lungs­ raum Rhein-Sieg, seine Herausbildung geht auf verschiedene, die Stadtstruktur prägende Phasen zurück. Die ältesten, heute noch im Stadtbild ablesbaren Strukturen reichen dabei bis in die Zeit der Römer zurück, in der sich nördlich des späteren mittelalterlichen Stadtkerns ein Legionärslager befand. Die eigentliche Stadtwerdung Bonns erfolgte jedoch erst in der mittelalterlichen „Villa Basilica“ zwischen dem heutigen Münster und dem Ufer des Rheins. Dabei lassen sich im Stadtgrundriss vier ­mittelalterliche Siedlungsbereiche unterscheiden: die Stiftstadt, das Markt­ viertel sowie das Fähr- und das Fischerdorf. Einen Einschnitt erfuhr die Entwicklung Bonns in der Phase als Residenzstadt der Kölner Kurfürsten im 18. Jahrhundert. In diesem Zusammenhang sind insbesondere das Bonner Stadtschloss und das Poppelsdorfer Schloss mit der verbindenden Achse Poppelsdorfer Allee sowie der Hofgarten erwähnenswert. Im 18. und 19. Jahrhundert schließlich entwickelte sich Bonn zur Universitäts- und Beamtenstadt. geschichte des 19. Jahrhunderts erinnern, beispielsweise die Zementfabrik in Oberkassel, die ehemalige Tapeten­ fabrik in Beuel und die Fabrikantenvilla Soennecken. Erst im 19. und 20. Jahrhundert wuchsen die zahlreichen Dörfer und Vororte zum heutigen Stadtkörper zusammen. Die Struktur, die sich vor allem im 20. Jahrhundert herausbildete, wurde entscheidend von der Tatsache geprägt, dass Bonn zum zweiten Mal in seiner Geschichte Sitz einer Regierung wurde: Den Kölner Kurfürsten folgte die Bundesregierung. Bonn rückte als Bundeshauptstadt in den Fokus der weltweiten Öffentlichkeit. Zudem führte die Verlegung der Bundesregierung an den Rhein zu einer regen Bautätigkeit, in deren Rahmen neben dem Regierungsviertel über die Stadt verstreute Ministeriumskomplexe und Wohnsiedlungen für Beamte entstanden. Auch kulturell und infrastrukturell wuchs die Stadt in dieser Zeit enorm. Einrichtungen wie die Anfang der 1990er Jahre eröffnete Museumsmeile und das U-BahnNetz dokumentieren diese für eine Stadt der Größenordnung Bonns normalerweise eher untypische Dynamik. Naturräumlich wird Bonn dadurch geprägt, dass die Stadt von großen Waldgebieten wie Kottenforst, Ville und Siebengebirge umgeben ist. In der Zeit als Bundeshauptstadt versuchte die Grünplanung zwar, das rasche Wachstum der Stadt zu kontrollieren und eine Verbindung zum Umland zu sichern beziehungsweise herzustellen. Es muss jedoch konstatiert werden, dass eine Vielzahl massiver Landschaftszerschneidungen – vor allem durch verkehrsplanerische Maßnahmen – aus dieser Phase stammen. Besonders in den ehemaligen Vororten der Stadt befinden sich noch heute zahlreiche Bauten, die an die Industrie- Der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich Wahner Heide-Königsforst-Siegmündung ist im Kulturlandschaftsnetzwerk mit dem Bergischen-Heideterrassen-Waldkorridor verwoben (Seite 45). Es gibt Verbindungen zu den rechtsrheinischen suburbanen Freiraumkorridoren um Köln (Seite 46), zum Freiraumkorridor „Grünes C“ (Seite 47) und zum Sieg-Auenkorridor (Seite 44) sowie Kontakte zum Sülz-Auenkorridor (Seite 44) und zum Agger-Auenkorridor (Seite 44). Natur und Kultur in ihrer höchsten Verdichtung: Das Netzwerk der Kulturlandschaften Damals wurde es versäumt, größere Grünachsen in die Stadtplanung zu integrieren. Im Stadtbereich selbst ist das Naturerbe des wertvollen Kulturlandschaftsbereichs nur noch in der Rheinaue und an den Hängen des Venusberges zwischen Bonn und Bad Godesberg sowie in der Siegaue erkennbar. Als ökologisch bedeutsame Grünachse mit naturnah gestalteten Parkanlagen ist die Rheinaue mit dem Kölner Rheinpark vergleichbar. Eine zweite Grünachse mit Wärme liebenden Eichen-Buchenwäldern und Resten einer Grünland-Heckenriegel-Landschaft verläuft am westlichen Stadtrand Bonns. Die zukünftige Entwicklung des Wertvollen Kulturlandschaftsbereiches Bonn sollte die Bewahrung der Merkmale der Residenzstadt zu einem zentralen Thema machen. Dies gilt für das Erbe der kurfürstlichen Residenz ebenso wie für das Erbe der Gründerjahre der ­Bundesrepublik Deutschland. Viele bauliche Dokumente aus diesen Epochen könnten über „grüne Verbindungen“ in Kontakt zum Rhein aufeinander bezogen und in das einmalige architektonische Stadtbild des 19. und 20. Jahrhunderts eingebettet werden. Hohes Zukunftspotenzial weist zudem die „grüne Einrahmung“ der Stadt durch Siebengebirge/ Ennert und Kottenforst auf28. Der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich Kottenforst-Drachenfelser Ländchen Das zusammenhängende große Waldgebiet des Kottenforstes und die im Süden angrenzenden landwirtschaftlich geprägten Flächen des Drachenfelser Ländchens bilden diesen Wertvollen Kulturlandschaftsbereich. Der landes- 28 weit und europäisch bedeutsame Landschaftsraum ist typisch für die Naturräume der Mittelrheinischen Pforte. Das Naturerbe konzentriert sich auf den Kottenforst, einen der größten zusammenhängenden Waldkomplexe der Region. Ökologisch zeichnet er sich durch ­großflächige Linden-Eichen-Hainbuchen-Altholzbestände, viele kleinere Buchen-Altholzbestände sowie sumpfige Erlen-Auenwälder und Quellsümpfe an Bachläufen aus. Hinzu kommt eine bemerkenswerte Vielfalt der Fauna und Flora mit zahl­ reichen geschützten Tier- und Pflanzenarten. Ebenfalls erwähnenswert ist das Naturschutzgebiet Rodderberg im Drachenfelser Ländchen, das die Kraterreste eines vor 30.000 Jahren ausgetrockneten Tuffvulkans umfasst. Neben seiner geologischen Bedeutung spielt der Rodderberg als weit nördlich liegende Wärmeinsel eine wichtige Rolle als Lebensort für Wärme liebende Tiere und Pflanzen, die hier zum Teil ihre nördliche Verbreitungsgrenze in Mitteleuropa erreichen. Kulturhistorisch zeichnet sich das Drachenfelser Ländchen durch eine stark reliefierte Landschaft mit landwirtschaftlichen Nutzflächen und Wäldern sowie durch vom Vulkanismus geprägte Silhouetten und historische Ortsbilder aus. Aufgrund der Vielzahl der hier vorhandenen Kulturlandschaftselemente lassen sich die unterschiedlichen Aspekte menschlichen Wirkens verdeutlichen. Darüber hin­ aus gibt es eine Reihe von Aussichtspunkten mit großem ästhetischem Reiz. Sie ermöglichen es, geo­logisch und kulturlandschaftlich interessante Aspekte – beispielsweise den landschaftlichen Übergang zur Börde – zu erkennen und aus der Landschaft abzulesen. 33 Die Entwicklung des Drachenfelser Ländchens wurde entscheidend durch den Vulkanismus und das Töpfergewerbe geprägt. Die Siedlungen der einstigen „terrula drachenfeldiensis“ fanden größtenteils bereits im 13. Jahrhundert Erwähnung und haben bis heute ihre Standorte bewahrt. Eine zentrale Bedeutung kommt dabei dem ehemaligen administrativen Zentrum der Gegend zu: der im Quellgebiet des Godesberger Baches bei Wachtberg-Villip gelegenen Wasserburg Gudenau. Ganz in der Nähe der Burg befindet sich eine Allee, die exemplarisch für das dichte historische Straßennetz des Drachenfelser Ländchens ist. Eine größere Anzahl von Steinbrüchen, die teilweise bereits in römischer Zeit angelegt wurden, sowie ­mehrere Ton­gruben verdeutlichen den engen Zusammenhang zwischen vulkanischem Einfluss und wirtschaftlicher Tätigkeit. Die Tongruben sind durch archäologische Funde datiert. Noch heute gibt es im Ort Wachtberg-Adendorf eine lebendige Töpfertradition, die sich bis ins 17. Jahrhundert zurückverfolgen lässt. Kennzeichnend für das Kulturerbe des Kottenforstes ist die Vielzahl der Kleinelemente wie historische Wegekreuze und Gedenksteine. Sie dienten entweder als Orientierungs­ punkte für die Jagd oder als Grenzmarkierung. Reste mehrerer Übungslager der seinerzeit in Bonn stationierten römischen Legion deuten darauf hin, dass der Kottenforst einstmals im römischen Staatsbesitz war. In fränkischer Zeit wurde er wie die Wälder der Ville Königsgut, was eine rege Rodungstätigkeit sowie die Nutzung als Waldweide oder zur Holzgewinnung mit sich brachte. Da der Wald auch in den folgenden Jahrhunderten sehr intensiv genutzt Der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich Bonn ist im Kulturlandschaftsnetzwerk zum Teil flächengleich mit dem Bonner Freiraumnetz (Seite 39) und eng verwoben mit dem Rhein-Auenkorridor (Seite 42). Er weist Verbindungen zum Freiraumkorridor „Grünes C“ (Seite 47) und Kontakte zu den Wertvollen Kulturlandschaftsbereichen Kottenforst-Drachenfelser Ländchen (siehe folgend) und Siebengebirge-Pleiser Ländchen (Seite 34) auf. Hinzu kommt, dass der Freiraumkorridor „Limesstraße“ Bonn quert (Seite 48). 34 Natur und Kultur in ihrer höchsten Verdichtung: Das Netzwerk der Kulturlandschaften wurde, kam es zu einer Verwüstung weiter Bereiche. Eine besondere Beachtung erfuhr der Kottenforst erst wieder im 18. Jahrhundert unter dem Kurfürsten Clemens August von Köln. Nun diente er hauptsächlich als Jagdrevier. Das heutige Wegenetz des Waldes hat seinen Ursprung in der besonderen Neigung der Landesfürsten zur Parforcejagd. Funktionsräumlich gesehen spielt er als Wohn- und Residenzgebiet von Unternehmen, als Alterssitz sowie als Ziel für Freizeit und Naherholung eine wichtige Rolle. Die Entwicklung des Fremdenverkehrs steht hier seit Ende des 19. Jahrhunderts in einem engen Zusammenhang mit dem Begriff der „Rheinromantik“. Die nachhaltige Entwicklung dieses Wertvollen Kultur­ landschaftsbereiches verlangt eine kategorische Siche­ rung der zusammenhängenden Waldflächen. Dies schließt insbesondere eine weitere Erschließung durch Verkehrswege aus. Das gilt auch für das Drachenfelser Ländchen, das als historisch bedeutsame Dorf- und Bauernlandschaft gefördert werden muss. Im Kottenforst geht es darum, ein ausgewogenes Nebeneinander von natürlicher Waldentwicklung, Erhaltung der Elemente des kurfürst­ lichen Jagdwaldes und einer sanften Freizeit- und Erholungsnutzung zu finden29. Kulturhistorisch ist die lange und bewegte Entwicklungsgeschichte des Siebengebirges hervorzuheben. Hier findet man noch heute Überreste aller geschichtlichen Perioden. Die Landschaft zeigt dabei gestalterische Aktivitäten und Bewirtschaftungsformen von Land-, Wald- und Forstwirtschaft und Weinbau bis hin zu Gewerbe, Industrie, Wohnen und Tourismus auf. Als besondere Wirtschaftsform hat sich zudem der Steinabbau erwiesen. Zahlreiche Steingruben und -brüche dokumentieren dies bis heute. Ihre Vorkommen hatten erheblichen Anteil am Entstehen des Weltkulturerbes Kölner Dom und vieler anderer rheinischer Baudenkmale – beispielsweise des Altenberger Domes. Der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich Siebengebirge-Pleiser Ländchen Der weltweit bedeutsame Landschaftsraum des Sieben­ gebirges und des Pleiser Ländchens ist repräsentativ für die Großlandschaft der Mittelrheinischen Pforte. Neben dem Siebengebirge einschließlich des Identifikations­ punktes Drachenfels reicht er im Osten über den Pleisbach hinaus bis ins Pleiser Ländchen. 29 30 Im 19. Jahrhundert erhielt die Siebengebirgslandschaft entlang des Rheins eine romantische Assoziation, die durch englische und deutsche Maler sowie durch Literaten vermittelt wurde. Diese Zeit ist insofern lebendig geblieben, als dass das Siebengebirge mit seiner reizvollen landschaftlichen Gliederung und Attraktivität immer noch viele Attribute einer pittoresken Wunschlandschaft erfüllt. Nicht zuletzt daher rührt seine wichtige Wohn- und vor allem Naherholungsfunktion für den Ballungsraum Rhein-Sieg. Hinzu kommt, dass der Raum auch eine Vielzahl kultureller Besonderheiten und Sehenswürdigkeiten bietet. Angefangen vom Petersberg mit dem ehemaligen Gästehaus der Bundesrepublik Deutschland reicht dies über die Burgruine des Drachenfels und den Ort Königswinter bis zur Klosterlandschaft der ehemaligen Zisterzienserabtei Heisterbach. An deren Beispiel ist das Thema Kulturlandschaft in einem bundesweit einzigartig innovativen Forschungsprojekt intensiv untersucht worden30. Die Vorgehensweise und die Konzeption der Untersuchung lassen sich gut auf die weiteren Kulturlandschaften der Region übertragen. Die Raumwirksamkeit der Abteigründung um 1189 entfaltete sich einerseits baulich – beispielsweise mit der 1237 fertig gestellten Abteikirche, andererseits aber auch durch die sie umgebende Nutzungsvielfalt. Das klösterliche Ideal des „ora et labora“ prägte hier ein nachhaltiges Konzept mittelalterlicher Landschaftsnutzung. Auch über die Säkularisierung Anfang des 19. Jahrhunderts hinaus hat Heisterbach seine Bedeutung für das Kulturerbe der Region behalten. Eingebettet in zahlreiche Relikte vergangener Kulturlandschaftsphasen bietet das Tal um die wieder hergerichtete Abtei auch aktuell ein herausragendes Potenzial der kulturellen Wertschöpfung für die Region und darüber hinaus. Das benachbarte Pleiser Ländchen ist trotz einer sehr viel weiter zurück reichenden Siedlungsgeschichte vor allem deshalb kulturhistorisch interessant, weil es die erste neu besiedelte mittelalterliche Kleinlandschaft der Region Der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich Kottenforst-Drachenfelser Ländchen hat im Kulturlandschaftsnetzwerk ein enge Verbindung zum Ville-Kottenforst-Waldkorridor (Seite 45). Ferner verfügt er über Kontakte zu den Wertvollen Kulturlandschaftsbereichen Ville (Seite 28) und Bonn (Seite 32), dem Bonner Freiraumnetz (Seite 39), dem Swist-Gewässernetz (Seite 40) sowie zum Freiraumkorridor „Grünes C“ (Seite 47). Innerhalb eines interdisziplinär besetzten Arbeitskreises unter Federführung der Stiftung Abtei Heisterbach wurden mehrere Fachgutachten erstellt, die sich mit der Klosterlandschaft der ehemaligen Zisterzienserabtei Heisterbach beschäftigen. Dabei ließ der Rheinische Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz ein Forschungsprojekt bei der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) beantragen und durchführen – eine wichtige Grundlage für die ­modellhafte Konzeptentwicklung einer historischen Kulturlandschaft. Die Ergebnisse des Kulturlandschaftskonzepts wurden in verschiedenen Einzelbeiträgen publiziert. Natur und Kultur in ihrer höchsten Verdichtung: Das Netzwerk der Kulturlandschaften darstellt. Dies ist auf die fruchtbaren Lössböden zurückzuführen, sichtbarer Ausdruck des Reichtums jener Zeit ist das Fußbodenmosaik in der Kirche von Oberpleis. und steht in einem engen Zusammenhang mit einer landschaftsverträglichen Nutzung durch den Tourismus31. Der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich Dhünn-Altenberg Hinsichtlich des Naturerbes ist das Siebengebirge von einem großen Kerngebiet aus Wärme liebenden Wäldern mit angrenzenden Wein- und Obstgärten geprägt. Dabei findet man die größten zusammenhängenden Buchenwaldgesellschaften in der Region sowie seltene Laubwälder wie den Eichen-Elsbeerenwald. Darüber hinaus zeichnet sich der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich durch eine große Zahl landesweit gefährdeter Biotoptypen und die Präsenz zahlreicher in Nordrhein-Westfalen vom Aussterben bedrohter Tier- und Pflanzenarten aus. Die Steinbrüche des Teilraumes gehören zu den Schwerpunkten des Artenschutzprogramms für die Mauereidechse. Auch Amphibien wie die Gelbbauchunke sowie zahlreiche seltene Arten der EU-Vogelschutzrichtlinie haben im Siebengebirge und im Pleiser Ländchen ihren landesweiten Verbreitungsschwerpunkt. Aufgrund dieser naturräumlichen und kulturräumlichen Privilegien sind das Siebengebirge und das Pleiser Ländchen als geschlossene Einheiten vollständig zu erhalten. In seiner bestehenden Ausprägung bietet der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich eine ideale Grundlage für eine nachhaltige und schonende wirtschaftliche Nutzung. Er stellt ein gutes Beispiel für nachhaltigen Wein- und Obstbau sowie nachhaltige Waldbewirtschaftung dar. Ein zentrales Thema ist darüber hinaus die Wiedereinbindung herausragender Kulturdenkmäler in die Landschaft. Dies lässt sich exemplarisch am Beispiel des Drachenfels verdeutlichen 31 Von der Gemeinde Odenthal im Süden bis nach Hückes­ wagen im Norden reicht der Raum des Wertvollen Kulturlandschaftsbereiches Dhünn-Altenberg, der typisch für den Naturraum Bergische Hochflächen ist. Hinsichtlich seines Naturerbes stellt er einen Ausschnitt des ­nördlichen Bergischen Landes dar. Dabei umfasst der regional bedeutsame Bereich nahezu das gesamte Fließgewässersystem der Dhünn und der Dhünntalsperre. Eine besondere Konzentration des Naturerbes findet man in den ökologisch bedeutsamen Tälern der Dhünn und des Eifgenbachs. Sie weisen repräsentative Erlen- und ErlenEschen-Auenwälder auf, die hervorragend erhalten sind. Gleiches gilt für die Sternmieren-Eichen-Hainbuchenwälder in den Tälern und die ausgedehnten HainsimsenBuchenwälder an den Talhängen des Kulturlandschaftsbereiches Dhünn-Altenberg. Sowohl das Tal der Dhünn als auch das des Eifgenbachs stehen beispielhaft für ausgeprägte Mittelgebirgsfließgewässer mit einer fluss- und bachtypischen Flora und Fauna. Sie sind von landesweiter Bedeutung und beherbergen mit den feuchten Hochstaudenfluren und den Auenwälder international herausragende Lebensräume der Vegetation. Im Rahmen der landesweiten Biotopvernetzung bildet das Talsystem von Dhünn und Eifgenbach eine Kernfläche des Naturparks Bergisches Land. Zudem ist es Teil des Dhünn-Eifgenbach-Auenkor­ ridors, der die Vernetzung zwischen den Bergischen 35 Hochflächen und der Bergischen Heideterrasse herstellt. Ökologisch höchst wertvoll sind auch die Trinkwasserschutzzonen im Umfeld der Dhünntalsperre. Hier kommen eine Reihe seltener Tiere und Pflanzen vor, die Talsperre selbst ist Rast- und Überwinterungsplatz für durchziehende Vogelarten. Die ausgeprägte Beziehung zum Wasser in diesem Teilraum der Region verdeutlichen zahlreiche Kulturdenkmale, beispielsweise die historischen Mühlen in den Tälern des Eifgenbachs und der Dhünn. Sie dokumentieren die lange Tradition der Wasserkraftnutzung, selbst wenn man dem Tal dies heute in seiner stillen Abgeschiedenheit nicht mehr ansieht. In Resten jedoch sind hier zahlreiche alte Öl- und Getreidemühlen erhalten – beispielsweise die Markusmühle, die Neue Mühle oder die Finkenholler Mühle als reine Getreidemühlen sowie die Rausmühle und die Odenholler Mühle als Öl- und Getreidemühle. Hinzu kommen weitere historische Mühlen an den Nebenflüssen und -bächen des Fließgewässersystems. Eine zentrale Bedeutung hinsichtlich des Kulturerbes im Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Dhünn-Altenberg hat das Abteigelände des ehemaligen Klosters Altenberg. Das Kloster wurde im Jahr 1133 gegründet. Erster Standort war die alte Burg Berge der Grafen zu Berg oberhalb der Dhünn, einige hundert Meter südlich der späteren Abteikirche. Entsprechend der Regelungen zur Ansiedlung von Zisterziensern durfte das Kloster nicht in bestehenden Siedlungen errichtet werden, die Mönche sollten zudem „von ihrer Hände Arbeit, Ackerbau und Viehzucht“ leben. Dieser Autarkieansatz bedingte Wirtschaftsanlagen wie Der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich Siebengebirge-Pleiser Ländchen hat im Kulturlandschaftsnetzwerk eine enge Verbindung zum Rhein-Auenkorridor Seite 42) und zum Freiraumkorridor „Grünes C“. Es gibt Kontakte zur Wertvollen Kulturlandschaft Bonn (Seite 32) und zum Bonner Freiraumnetz (Seite 39). 36 Werk- und Gewerbestätten sowie Mühlen. Wie in allen Zisterzienserklöstern spielte auch in Altenberg von Beginn an das Wasser eine dominante Rolle zur Organisation des Alltags und der Arbeit: sowohl als Trink- und Brauchwasser sowie als Wasserkraft zum Antrieb der Mühlen als auch zur Anlage von Fischteichen und zur Bewässerung der Wiesen. Der Grundstein zur heutigen, hochgotischen Klosterkirche wurde 1259 nach dem architektonischen Vorbild der Abteikirche von Royaumont im Val d`Oise nördlich von Paris gelegt. Die Bauzeit zog sich über einige Jahre hin, bei der Einweihung im Jahr 1379 war der Dom noch unvollendet. Säkularisiert wurde die Abtei Altenberg schließlich im November 1803. Die abteilichen Gebäude gingen nunmehr in den Besitz des Landesherren über, sie wurden zum Teil völlig anderen Nutzungen – beispielsweise als Tuchfabrik oder als chemische Fabrik – zugeführt. Es folgten ein partieller Zerfall im 19. Jahrhundert sowie eine Wiederherstellung mittels Pflegemaßnahmen im 20. Jahrhundert. Heute ist Altenberg ein überregional anerkanntes und gut besuchtes Ausflugsziel mit hohem regionalem Identitätswert. Sowohl die kulturlandschaftlichen Bezüge als auch die historischen Standortbedingungen sind in der Landschaft noch gut ablesbar. Auch die historische europaweite Vernetzung Altenbergs wird – beispielsweise durch den Weg der Jakobspilger, der hier verläuft – nachvollziehbar. Insofern bietet es sich an, ein kulturlandschaftspflegerisches Konzept für die Gesamtperspektive Altenbergs und seiner Umgebung zu entwickeln. Hierzu gehören neben der Klosteranlage der Ort Odenthal als Kirchdorf sowie die Hochflächen zwischen Eifgenbach, Dhünn und Scherfbach 32 Natur und Kultur in ihrer höchsten Verdichtung: Das Netzwerk der Kulturlandschaften bis hinein in den Raum Kürten-Bechen mit bemerkenswerten Bauwerken wie der Burg Strauweiler oder zahlreichen alten Mühlen. Besondere Bedeutung haben auch die vielen denkmalgeschützter Hofanlagen in diesem Bereich. Ansonsten soll der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich Dhünn-Altenberg Beispiele extensiver Grünlandnutzung in Wiesentälern sowie der nachhaltigen Gestaltung von Waldflächen in Trinkwasserschutzgebieten aufzeigen. Dabei kommt auch der kulturhistorischen Dimension der Wasserkraftnutzung in diesem Bereich eine wichtige Rolle zu32. Der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich Heckberger Wald-Leppetal Wie an Dhünn und Eifgenbach so spielt auch im Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Heckberger Wald-Leppetal die Nutzung der Wasserkraft historisch gesehen eine zentrale Rolle. Der regional bedeutsame Landschaftsraum ist ein typischer Ausschnitt des Oberagger-Wiehl-Berglandes und der Bergischen Hochflächen mit den wichtigen Quellgebieten des Heckberger Waldes und dem wasserreichen Leppetal. Dabei reicht der Heckberger Wald von der Agger im Norden bis zu den Orten Wiehl-Drabenderhöhe und Much-Esinghausen im Süden. Seine Westgrenze verläuft am Rande des Ortsteils Engelskirchen-Loope, die Ostgrenze bei Wiehl-Bielstein. Das Leppetal erstreckt sich bis hinauf in die Nähe von Marienheide. Es gilt heute als typisches Beispiel eines bergischen Industrietals. Standort des späteren Eibacher Hammers eine Eisenhütte erwähnt. Es scheint so, als seien dort die auf dem Bergrücken zwischen Leppe und Eibach geförderten Eisenerze verhüttet worden. Zahlreiche Belege deuten auf eine Bergbauaktivität in dieser Zeit hin. Infolge der nicht ausreichenden Qualität des Eisenerzes wurde die Hütte jedoch bereits zu Beginn des 17. Jahrhunderts in einen Eisenhammer umgewandelt. Das Wasser zum Antrieb dieses Hammers wurde direkt der Leppe entnommen. Dies ist ein wichtiger Hinweis auf sein Alter, denn alle später eingerichteten Wasserhämmer entnahmen das Antriebswasser aus einem Hammerteich. Das hier veredelte Roheisen stammte vermutlich aus dem Siegerland, im 17. und 18. Jahrhundert kamen an der Leppe zahlreiche neue Hammerwerke hinzu. Insgesamt sind 25 Anlagen bekannt, die entweder als Hütten- oder Walzwerk sowie als Eisenhammer und Getreide-, Pulver- oder Papiermühle arbeiteten. Sie sind ein Beleg für die blühende Industriehistorie in diesem Bereich. Die Wirtschaftskraft des Leppetals war so bedeutend, dass zwischen 1897 und 1958 eine Schmalspurbahn zwischen Engelskirchen und Marienheide verkehrte. Es handelte sich um eine Industriebahn, die die Edelstahlwerke bediente und gleichzeitig eine Hochphase der Stahlindustrie an der Leppe einleitete. Heute sind hier noch einige wenige Edelstahlwerke sowie eine Stahlfederfabrik aktiv. Auch zwei der historischen Hammerwerke sind noch erhalten und funktionsfähig. Der älteste Hinweis auf die Nutzung der Wasserkraft an der Leppe stammt aus dem Jahr 1514. Um 1580 wird am Der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich Dhünn-Altenberg ist im Kulturlandschaftsnetzwerk nahezu flächengleich mit dem Dhünn-Gewässernetz (Seite 41). Er weist eine direkte Verbindung zum Dhünn-Eifgenbach-Auenkorridor auf (Seite 43). Natur und Kultur in ihrer höchsten Verdichtung: Das Netzwerk der Kulturlandschaften Über diese wirtschaftsgeschichtliche Bedeutung hinaus sind bezüglich des Kulturerbes im Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Heckberger Wald-Leppetal in erster Linie Schloss Gimborn als Sitz der ehemaligen Herrschaft Gimborn-Neustadt sowie zahlreiche Reste alter Fern- und Handelstraßen in und am Heckberger Wald zu nennen. Ein Beispiel ist die historische Brüderstraße, ein mittelalterlicher Handelsweg, der von Köln nach Siegen verlief. Auch der Heckberger Wald selbst verfügt über ein beispielhaftes Kulturerbe industriehistorischer Art. So gibt es ein Bergbauzentrum mit Erzteichen, Bergarbeiterhäusern und einem ehemaligen Steigerhaus. Überall im Waldgebiet lassen sich zudem die Spuren aus der Zeit des Bergbaus ablesen. So findet man hier sowohl Gebäudereste als auch Erzbergbauhalden und Karrenwege. Diese führten oftmals hinunter ins Aggertal, wohin die Erze zur Verarbeitung geschafft wurden. Das Naturerbe des Wertvollen Kulturlandschaftsbereiches umfasst die weiträumigen, nahezu unzerschnittenen ­Buchenund Eichenwälder des Heckberger Waldes. Sie sind typisch für das Bergische Land und wurden ehemals als Niederwald genutzt. Eine ökologische Kernzone bildet das Naturschutzgebiet um Immerkopf und Schimmelhau, das von kleinen Moorwäldern sowie offenen Hangquellmooren geprägt ist. Für mehrere atlantische Pflanzenarten verläuft hier die östliche Verbreitungsgrenze, zudem sind zahlreiche seltene Moosarten und lokale Heidefragmente vertreten. Von überregionaler Bedeutung ist auch das Tal des Loope­ baches mit seinen Auenwäldern. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich Heckberger Wald-Leppetal über 33  seine kulturhistorische Relevanz hinaus zahlreiche Beispiele für eine naturnahe und nachhaltige Forstwirtschaft sowie eine nachhaltige Landwirtschaft liefert. Die Industriegeschichte des Teilraums lässt sich an den drei Standorten Leppetal, Engelskirchen und Heckberger Wald besonders gut ablesen. Das Leppetal sollte als geschlossene Einheit zusammen mit dem Gimbachtal erhalten werden, denn gerade hier sind die Voraussetzungen für eine nachhaltige und schonende wirtschaftliche Nutzung besonders günstig33. Der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich Homburger Ländchen-Bröltal Das „Homburger Ländchen“ ist ein im Bergischen Land und darüber hinaus etablierter Begriff für das Gebiet rund um Schloss Homburg. Der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich ist landesweit bedeutsam und typisch für den Naturraum Oberagger-Wiehl-Bergland. Er umfasst im Wesentlichen das Gebiet der Gemeinde Nümbrecht. Damit entspricht er der gängigen Abgrenzung des Homburger Ländchens in vielen touristischen Karten und Beschreibungen. In großen Teilen deckt sich der wertvolle Kulturlandschaftsbereich zudem mit dem Bröl-Gewässernetz. Betrachtet man das Naturerbe, so sind hauptsächlich Reste der ursprünglichen Laubwaldlandschaft, Elemente der für das Bergische Land typischen Wiesen- und Weidelandschaft sowie die naturnahen Gewässer des Bachsystems der Homburger Bröl hervorzuheben. So haben die Bröl und ihre Nebengewässer im Raum von Nümbrecht aufgrund ursprünglicher Gewässerstrukturen mit Steilufern, Sandund Kiesbänken sowie kleinen Inseln im Flussbett einen 37 großen ökologischen Wert. In der Bachaue werden sie von schutzwürdigen Erlenwäldern, Sternmieren-Eichen-Hainbuchenwäldern und Bach-Erlen-Eschenwäldern flankiert. Auch die größtenteils extensiv genutzten Grünlandflächen an den Bachläufen besitzen hohes ökologisches Potenzial. Prinzipiell kann festgestellt werden, dass das Homburger Ländchen ein sehr harmonisches Landschaftsbild mit einem ausgewogenen Verhältnis von Wald und Offenland aufweist. Geprägt wird dieses durch zahlreiche naturnahe Fließgewässer sowie eine Vielzahl kleinerer Kulturlandschaftselemente und Strukturen wie Hutebäume, Hohlwege, Stufenraine und alte Wegetrassen. Kulturhistorisch vereint das Homburger Ländchen sowohl Zeugnisse der Territorialgeschichte als auch eine interessante Mühlen- und Industrievergangenheit. Den Mittelpunkt bezüglich des Kulturerbes bildet dabei das markant auf einem Bergsporn über der Bröl liegende Schloss Homburg, welches heute als Museum des Oberbergischen Kreises genutzt wird. Hinsichtlich der räumlichen Abgrenzung des wertvollen Kulturlandschaftsbereiches besitzen zudem die Kirchdörfer Nümbrecht, Nümbrecht-Marienberghausen und Wiehl-Drabenderhöhe aufgrund ihrer Lage und ihrer herausragenden Bauwerke eine ausstrahlende Wirkung. Während Nümbrecht sich vor allem durch seine stattlichen Bruchsteinhäuser aus dem 17. und 18. Jahrhundert sowie seine romanische Kirche auszeichnet, ist in Marienberghausen die Wehrkirche hervorzuheben, die aufgrund der im Chor entdeckten Fresken aus dem 15. Jahrhundert zu den „bunten Kirchen des Bergischen Landes“ gezählt wird. In Wiehl-Drabenderhöhe markiert die weit sichtbare Kirche den Schnittpunkt alter Handelsstraßen. Der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich Heckberger Wald-Leppetal ist im Kulturlandschaftsnetzwerk eng mit dem Agger-Auenkorridor verzahnt (Seite 44). Ferner gibt es eine Verbindung zum Agger-Wiehl-Gewässernetz (Seite 41). 38 Ansonsten prägen kleine bäuerliche Weiler mit Gartenstrukturen und Obstwiesen sowie historischen Wegenetzen und Dorfgehölzen am Ortsrand die Kulturlandschaft. Im Tal der Homburger Bröl ist zudem ein mühlen- und industriegeschichtlich bemerkenswerter Teilabschnitt erhalten, der die ehemalige Lage der Mühlenstandorte erfahrbar macht und gut erhaltene Reste alter wassertechnischer Anlagen aufzeigt. Auf diese Art und Weise dokumentiert er die Historie der Papierproduktion, die bereits Mitte des 16. Jahrhunderts mit der Homburger Papiermühle der Grafen zu Sayn-Wittgenstein begann und bis in die heutige Zeit als Teil eines internationalen Papierkonzerns lebendig ist. Ein Großteil der Industrie- und Mühlenanlagen steht dabei unter Denkmalschutz. Der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich Homburger Ländchen eignet sich hervorragend, um über den zentralen Standort Nümbrecht hinaus territoriale und siedlungsbezogene Entwicklungen des Bergischen Landes aufzuzeigen. So verbindet die Brüderstraße als mittelalterlicher Handelsweg und als historischer Korridor von landesweiter Bedeutung über den Kirchort Wiehl-Drabenderhöhe hinweg die beiden wertvollen Kulturlandschaftsbereiche Heckberger Wald-Leppetal und Homburger Ländchen. Gerade die Genese dieses wertvollen Kulturlandschaftsbereiches gibt einen beispielhaften Ausblick auf deren zukünftige nachhaltige Gestaltung und Entwicklung34. Der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich Nutscheid-Leuscheid Der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich Nutscheid-Leuscheid repräsentiert den Naturraum Mittelsieg-Bergland. 34 Natur und Kultur in ihrer höchsten Verdichtung: Das Netzwerk der Kulturlandschaften Er ist ebenfalls von regionaler Bedeutung und grenzt im Westen an das Gebiet der historischen Stadt HennefBlankenberg an der Sieg. Von dort reicht er über den Nutscheid bis auf die Höhe von Waldbröl und Morsbach. Ferner umfasst der Landschaftsraum den Siegabschnitt zwischen Eitorf und Windeck-Rosbach sowie Teile des Leuscheid im Süden, wo er an der Landesgrenze zu Rheinland-Pfalz endet. Kultur- und naturlandschaftlich ist das Gebiet dreigeteilt: in die beiden großen, europäisch bedeutsamen NATURA 2000-Waldflächen des Nutscheid und Leuscheid sowie das Siegtal. Das Naturerbe konzentriert sich dabei auf die Waldbereiche des Nutscheid und Leuscheid. Eine Kernfläche ist ein Laubwaldkomplex, der mit den offenen Übergangsbereichen des Leuscheid-Rückens zum mittleren Siegtal verbunden ist. Hier gibt es naturnahe Eichenmischwälder und Buchenwälder, die sowohl Feuchtheiden als auch Hochmooransätze und naturnahe Bachlandschaften aufweisen. Hervorzuheben ist auch das ökologisch wertvolle Gebiet des Wohmbachs mit seinen Zuflüssen. Das bewaldete Talsystem hat sich tief in den Rücken des Leuscheid eingeschnitten. Die angrenzenden Buchenwälder vermitteln beeindruckende Beispiele alter Waldnutzung in Form von Bergheiden und Niederwäldern. Neben den Altwäldern besitzt das Gebiet ein hohes Entwicklungspotenzial für naturnahe Wälder und Bachtäler. Im länderübergreifenden Biotopverbund kommt ihm eine wichtige Rolle zu, da es die Verbindung zum FFH-Gebiet Leuscheid in RheinlandPfalz herstellt. Der Nutscheid trägt das größte zusammenhängende Waldgebiet des Bergischen Landes. Es handelt sich ­vorwiegend um ausgedehnte Eichen-Birken-Buchenniederwälder, die ein weit verzweigtes Quellbachsystem aufweisen. Dieses wiederum ist eng mit dem Sieg-Auen­ korridor und dem Bröl-Gewässernetz verbunden. Das hier vorhandene, gut ausgebildete Übergangs- und Schwing­ rasenmoor gehört mit zu den größten Raritäten des Natur­ schutzes in Nordrhein-Westfalen. Hinzu kommt, dass der Waldkomplex einer der landesweit letzten Lebens­räume des vom Aussterben bedrohten Haselhuhns ist. Hinsichtlich des Kulturerbes sind die märkisch-bergischen Grenz­ anlagen auf dem Bergrücken sowie die alte NutscheidHöhenstraße zu nennen, deren Historie bis in die Römerzeit zurückreicht. Ferner gibt es auf dem Nutscheid Reste alter Blei-, Silber- und Edelmetallbergwerke. Das Kulturerbe des Leuscheid hingegen zeichnet sich durch eine Reihe alter Mühlen, das Forsthaus Hüppelröttchen am Wohmbach sowie den Basaltsteinbruch „Blaue Steine“ aus. Besondere Bedeutung für das Kulturerbe hat das mittlere Siegtal mit seinen historischen Kulturlandschaftselementen des Bergbaus, der Flößerei und der Mühlennutzung sowie einer Vielzahl alter Burgen und Schlösser. Neben dem Ensemble der Stadt HennefBlankenberg mit Burg, Vorburg und alter Stadtbefestigung ist diesbezüglich die Burgruine Windeck hervorzuheben, deren Geschichte bis ins 12. Jahrhundert zurückreicht. Die mittelalterliche Burg ist nach wechselvoller Historie heute wieder zu einem Wahrzeichen des Windecker Ländchens mit einer hohen identitätsstiftenden Wirkung geworden. Der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich Homburger Ländchen-Bröltal ist im Kulturlandschaftsnetzwerk in das Bröl-Gewässernetz eingebettet (Seite 41). Über die Brölbäche existiert mittelbar eine Verbindung zum Bröl-Auenkorridor (Seite 44). Natur und Kultur in ihrer höchsten Verdichtung: Das Netzwerk der Kulturlandschaften Wichtig ist zudem das religiöse Kulturerbe des Siegtals mit Kirchen, Klöstern und Wallfahrtsorten. Eine Besonder­ heit am Rande des wertvollen Kulturlandschaftsbereiches nimmt der übergreifende Denkmalbereich Hennef-Blankenberg und Hennef-Bödingen auf den einander gegenüberliegenden Seiten der Sieg ein. Der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich Nutscheid-Leuscheid hat aufgrund der großflächigen Wälder ein hohes Entwicklungspotenzial für die Wiederherstellung naturnaher Waldlandschaften mit Urwaldkernen, so genannter Naturwaldzellen. Am Beispiel der Sieg kann zudem die landschaftstypische Einbettung eines Mittelgebirgsflusses mit kleineren Burganlagen in ursprünglichen Waldlandschaften aufgezeigt und weiter entwickelt werden. Ziel ist die nachhaltige Gestaltung eines Ausschnitts des Windecker Landes35. Die Freiraum- und Gewässernetze: Feinnervige Verbindungen in Grün und Blau Über die Wertvollen Kulturlandschaftsbereiche als Landschaftskerne hinaus sind auch die Freiraum- und Gewässernetze der Region ökologisch und kulturhistorisch für das Netzwerk der Kulturlandschaften relevant. Dies zeigt die Karte des Kulturlandschaftsnetzwerkes auf Seite 132. Bei den Freiraumnetzen handelt es sich um f­ eingliedrige Netzwerke in den Großstädten des Ballungsraums RheinSieg, beispielsweise miteinander verbundene Grünzüge, 35 36 37 Grüngürtel oder andere Freiräume wie Kleingartenanla­gen, Stadtbrachen und nicht bebaute Flächen. Die Freiraumnetze der Städte Köln, Bonn und Leverkusen stehen dabei in einer direkten Verbindung zu den auf Seite 133 dargestellten Freiraumkorri­doren. Die Gewässernetze umfassen das feinnervige Netz von Kulturlandschaftsverbindungen im Bereich der Quellen, Quellgewässer und Oberläufe der wichtigsten Fließgewässer in der Region. Ihnen kommt bei der Bewahrung und Gestaltung der Hügel- und Mittel­ gebirgslandschaften im höheren Bergischen Land sowie am Rand von Vorgebirge und Eifel eine große Bedeutung zu. Dabei stehen sie in einer direkten Verbindung zu den auf Seite 134 dargestellten Auenkorridoren. Die Freiraumnetze der Städte Köln, Bonn und Leverkusen Während das linksrheinische Kölner Freiraumnetz mit seinem geschlossenen Inneren und Äußeren Grüngürtel sowie den ins Stadtzentrum führenden grünen Radialen ein vorbildliches Beispiel für ein bereits in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts konzipiertes, urbanes Grünsystem darstellt (siehe dazu auch das Kapitel zum „Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Köln“, Seite 30), fehlen im rechtsrheinischen Köln noch innerstädtische Grünverbindungen. Der Äußere Grüngürtel erstreckt sich hier vom Stadtteil Porz-Westhoven über Höhenberg bis nach Stammheim. Wie im linksrheinischen Bereich befinden sich innerhalb dieses Gürtels eine Reihe histo- 39 risch bedeutsamer preußischer Befestigungsanlagen. Der Rhein-Auenkorridor verbindet die links- und rechtsrheinischen Teile des Netzes miteinander (siehe Seite 42)36. Anders als in Köln fehlt in Bonn eine historisch gewachsene Freiraumplanung. Das Bonner Freiraumnetz wird vor allem vom Rhein mit seinen Uferanlagen als großer Freiraumachse, den Grün- und Gartenanlagen der innerstädtischen Residenzlandschaft, dem Grünkorridor des Venusberges zwischen Bonn und Bonn-Bad Godesberg sowie den benachbarten großen Wäldern des Kottenforstes und des Siebengebirges geprägt. Dabei fehlen sowohl im Inneren der Stadt als auch außerhalb Freiraumverbindungen zum Grünkorridor des Venusbergs sowie zum Kottenforst und zum Siebengebirge. Ziel sollte es hier sein, äußere und innere Ost-Westverbindungen sowie eine Verknüpfung mit den Nord-Südverbindungen des Rhein-Auenkorridors als Grundelemente des zukünftigen Freiraumnetzes zu schaffen. Im Kontext des Masterplans kommt dem Freiraumkorridor im Norden Bonns als äußerer Ost-Westverbindung eine wichtige Bedeutung für das Bonner Freiraumnetz zu. Sie verbindet im Norden der Stadt die Freiraumsysteme zwischen Ville, Kottenforst und Siebengebirge. Darüber hinaus könnte der Aufbau eines Bonner Freiraumnetzes sowohl unter dem Aspekt der „Residenzlandschaft Bonn“ als auch hinsichtlich des Venusberg-Grünkorridors nach Norden vorangetrieben werden37. Der Wertvolle Kulturlandschaftbereich Nutscheid-Leuscheid ist im Kulturlandschaftsnetzwerk eng mit dem Sieg-Auenkorridor verbunden (Seite 44). Das Kölner Freiraumnetz ist nahezu flächengleich mit dem Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Köln (Seite 30). Geht man über das Kölner Freiraumnetz von RegioGrün vom Äußeren linksrheinischen Grüngürtel aus, so ist es über die dort anknüpfenden suburbanen Freiraumkorridore (Seite 46) mit den Wertvollen Kulturlandschaftsbereichen Ville (Seite 28) und Bonn (Seite 32) sowie dem Bonner Freiraumnetz (Seite 39), dem Vorgebirgsbach-Gewässernetz ­(Seite 40), dem Ville-Kottenforst-Waldkorridor (siehe Seite 45) und dem Freiraumkorridor „Grünes C“ (Seite 47) verwoben. Über den RegioGrün-Freiraumkorridor „Rheinische Gärten“ gibt es zudem einen direkten Kontakt zum Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Bonn (Seite 32) sowie zum Bonner Freiraumnetz (Seite 39). Rechtsrheinisch stellen die suburbanen Freiraumkorridore eine Anbindung an das Leverkusener Freiraumnetz (Seite 40), zum Bergischen-Heideterrassen-Waldkorridor (Seite 45) und zum Wertvollen Kulturlandschaftsbereich ­Wahner Heide-Königsforst-Siegmündung (Seite 31) her. Ferner bestehen Bezüge zu den Freiraumkorridoren „Agrippastraße“ (Seite 48), „Via Belgica“ (Seite 48), „Römerkanal“ (Seite 49) und „Limesstraße“ (Seite 48). 40 Mit dem Neulandpark und einem renaturierten Abschnitt der Dhünnaue sind die ersten Bausteine eines Leverkusener Freiraumnetzes bereits fertig gestellt. Dabei werden – ausgehend vom Park und den Werksanlagen der Firma Bayer am Rhein – vorhandene innerstädtische Grünflächen miteinander verknüpft. So entsteht ein abwechslungsreiches Freiraumnetz mit hoher Aufenthaltsqualität, das die spezifische Charakteristik des Kulturraums hervorhebt. Es besteht aus fünf fächerförmigen Grünachsen und verbindet die Auen von Rhein, Wupper und Dhünn mit den Hitdorfer Seen und den landschaftlich geprägten Gewässern Öl- und Wienbach. Über zusätzliche „Querstege“ wird ein enges grünes Netz geschaffen, das die Rolle Leverkusens als Sport- und Gesundheitsstadt unterstreicht38. Prinzipiell gilt: Die Entwicklung der innerstädtischen Freiraumnetze sollte stets eine möglichst enge Verknüpfung von Parkanlagen, Gärten, Friedhöfen, Sport- und Erholungsanlagen sowie offen gelassenen und ehemaligen Industrie- und Verkehrsflächen zum Ziel haben. Die so geschaffenen Freiraumnetze dienen neben der Freizeitund Erholungsnutzung einer Verbesserung des Stadtklimas und der Sicherung des städtischen Boden- und Wasserhaushaltes. Zugleich sind sie Lebensraum für Tierund Pflanzenarten der städtischen Ökosysteme. 38 39 40 Natur und Kultur in ihrer höchsten Verdichtung: Das Netzwerk der Kulturlandschaften Linksrheinische Gewässernetze Kölner Grüngürtel und Reste des Fischenicher Bachsystems zwischen Hürth-Kendenich und Brühl-Vochem zählen zu den linksrheinischen Gewässernetzen. Gleiches gilt für die Brühler Bachsysteme mit dem Palmersdorfer Bach zwischen Brühl und Wesseling-Berzdorf, die Schwadorf-Sechtemer-Bäche zwischen Brühl-Schwadorf und Bornheim-Merten, den Bornheimer- beziehungsweise Roisdorfer Bach zwischen Bornheim-Brenig und Alfter sowie den Dransdorfer- beziehungsweise Rheindorfer Bach bei Bonn39. Das Vorgebirgsbach-Gewässernetz ist ein typischer Landschaftsbestandteil des Naturraums der linksrheinischen Mittelterrasse. Es setzt sich aus mehreren Bachsystemen zusammen, die ihre Quellen im Vorgebirge haben. Größtenteils erreichen diese „Trockenbäche“ den Rhein jedoch nicht. Sie versickern am Rand der Niederterrasse im Erdreich. Zum System des Netzes gehören unter anderem die Bachsysteme des Gillbaches zwischen Bergheim-Niederaußem und Hückelhoven, des Stommelner und Fliestedener Bachs zwischen Bergheim-Büsdorf und Pulheim-Stommeln, des Glessener Baches mit dem Kölner Randkanal zwischen Bergheim-Glessen und Pulheim sowie des Frechener Baches zwischen Frechen-Bachem und Hürth-Stotzheim. Auch der Duffesbach mit seinen Verbindungen zur Römischen Wasserleitung zwischen Hürth und dem äußerem Das Swist-Gewässernetz umfasst den landwirtschaftlich intensiv genutzten Raum der Zülpicher Börde und erstreckt sich von dort bis an den Rand der Eifel und den Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Kottenforst-Drachenfelser Ländchen. Es umfasst mehrere Nebengewässer: den Schießbach bei Swisttal-Ollheim, den Tüttelbach, den Jungbach bei Swisttal-Miel sowie den Ohrbach, Rotterbach und Kieselgraben westlich von Rheinbach. Hinzu kommen der Eulenbach östlich von Rheinbach, der Morsbach bei Rheinbach-Wormersdorf, der Ersdorferbach zwischen Meckenheim-Ersdorf und Meckenheim, der Altendorfer Bach bei Meckenheim-Altendorf und die Quellläufe der Swist südlich von Meckenheim. Ein bedeutendes kulturelles Erbe dieses Gewässernetzes ist die römische Wasserleitung (Römer­ kanal) mit Spuren des großen Swist-Aquäduktes40. Die Gewässernetze Hinsichtlich der Gewässernetze werden insgesamt sieben Teilräume der Region unterschieden: die linksrheinischen Gewässernetze der Vorgebirgsbäche und der Swist sowie die rechtsrheinischen Gewässernetze von Dhünn, Wipper, Sülz, Agger-Wiehl und Bröl. Das Bonner Freiraumnetz, das nahezu flächengleich mit dem Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Bonn ist (Seite 32), hat im Kulturlandschaftsnetzwerk sehr enge Verbindungen zum Rhein-Auenkorridor (Seite 42). Über den Freiraumkorridor „Grünes C“ (Seite 47) ist es darüber hinaus mit den Wertvollen Kulturlandschaftsbereichen Siebengebirge-Pleiser Ländchen (Seite 34), Kottenforst-Drachenfelser Ländchen (Seite 33) und Ville (Seite 28) verknüpft. Auch der Freiraumkorridor „Limesstraße“ weist einen direkten Bezug zum Freiraumnetz auf (Seite 48). Das Leverkusener Freiraumnetz sorgt im Kulturlandschaftsnetzwerk für eine Verknüpfung des Wupper/Wipper-Auenkorridors (Seite 43), des Dhünn-Eifgenbach-Auenkorridors (Seite 43) und des Rhein-Auenkorridors (Seite 42). Darüber hinaus hat es im Norden über den Freiraumkorridor „Zu den Hitdorfer Seen“ (Seite 47) Kontakt zum Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Urdenbach-Worringen (Seite 29). Im Westen geht es in den Bergischen-HeideterrassenWaldkorridor (Seite 45) über, im Süden in den Freiraumkorridor „Zum Grünen Fächer“ (Seite 47) und das Kölner Freiraumnetz (Seite 39) sowie den Wertvollen Kulturlandschafsbereich Köln (Seite 30). Das Vorgebirgsbach-Gewässernetz steht in einer engen Verbindung mit dem Ville-Kottenforst-Waldkorridor (Seite 45) sowie mit den Wertvollen Kulturlandschaftsbereichen Köln (Seite 30), Ville (Seite 28) und Kottenforst-Drachenfelser Ländchen (Seite 33). Kulturhistorisch prägt das Gewässernetz die Kulturlandschaft des Vorgebirges sowie den Freiraumkorridor „Rheinische Gärten“ zwischen Köln und Bonn (Seite 47). Ferner ist es mit dem Freiraumkorridor ­„Römerkanal“ verwoben (Seite 49). Natur und Kultur in ihrer höchsten Verdichtung: Das Netzwerk der Kulturlandschaften Rechtsrheinische Gewässernetze Betrachtet man die rechtsrheinischen Gewässernetze, so ist das Dhünn-Gewässernetz typisch für den nördlichen Teil dieses Raumes. Es umfasst sämtliche Neben- und Quellgewässer der Dhünn oberhalb von Odenthal bis hinauf nach Wermelskirchen und Hückeswagen-Wiehagen. Dazu gehören der Scherfbach, der Eifgenbach, der Große Dhünnbach sowie der Puderbach und die Kleine Dhünn mit der Kleinen Dhünntalsperre. Das Gewässernetz integriert alle zubringenden Gewässer der Dhünntalsperre und große Teile der ausgewiesenen Wasserschutzzonen41. Die Täler des Wipper-Gewässernetzes sind vor allem altindustriell geprägt. Sie umfassen im Umfeld der Wuppertalsperre Wiebach, Leiverbach, Panzerbach und Dörpe sowie die Bever mit der Bevertalsperre östlich von Hückeswagen und die Neye mit der Neyetalsperre oberhalb von Wipperfürth-Neye. Komplettiert wird das Netz von der Hönnige mit der Schevelinger Talsperre, dem Gaulbach zwischen Wipperfürth-Obergaul und Wipperfürth, den Systemen von Ibach und Kerspe mit der Kerspetalsperre nördlich Wipperfürth-Ohl, dem Helmkebach, den Quellläufen des Rönsahler Baches und der Lingese mit dem Lingeser Stausee sowie der oberen Wipper mit dem Brucher Stausee nördlich und 41 42 43 44 45 südlich von Marienheide. Hier sind sowohl die alten Hammerwerke als auch die Mühlen in Resten erhalten. Ansonsten steht das Wipper-Gewässernetz wie das Netz der Dhünn exemplarisch für den Nordteil des Bergischen Landes mit seiner Talsperrenlandschaft. Es weist über weite Strecken naturnahe Gewässerläufe auf, die das Bild einer typischen Auenlandschaft des Mittelgebirges repräsentieren42. Hinzu kommen die Gewässernetze von Sülz, Agger-Wiehl und Bröl. Dabei erstreckt sich das Sülz-Gewässernetz eher auf die flachen Senken und Hügel des Sülzberglandes zwischen Lindlar-Hohkeppel, Lindlar und Kürten. Dazu gehören oberhalb des Zusammenflusses von Sülz und Lennefe bei Overath-Obersteeg der Dürschbach, die Lennefe, die Kürtener Sülz mit Olpe, Ahlenbach und Reichenbach sowie die Lindlarer Sülz mit Ommerbach, Breidenbach, Breun und Dierdorfer Bach43. Das Agger-Wiehl-Gewässernetz weist typische Merkmale des Oberbergischen Landes auf. Vor allem an der Agger erfolgte nahezu im gesamten Talbereich einschließlich der Nebengewässer eine starke Siedlungs- und Industrienutzung. Ökologisch bemerkenswert ist die durch ausgewiesene Trinkwasserschutzzonen nicht öffentlich zugängliche Wiehltalsperre. Das Gewässernetz steht in Bezug zu den 41 wertvollen Kulturlandschaftsbereichen Heckberger WaldLeppetal und Homburger Ländchen. Es schließt die Industrietäler von Gummersbach ebenso ein wie die Genkel mit dem Genkel-Stausee, die Aggerquellläufe mit dem AggerStausee sowie die Nebenbäche Dörspe bei Bergneustadt, Othe zwischen Bergneustadt-Belmicke und Bergneustadt sowie Ogerbach zwischen Reichshof-Eckenhagen und Gummersbach-Derschlag. Das Einzugsgebiet der Wiehl mit ihren Quellläufen und der Wiehltalsperre reicht von Reichshof bis nach Engelskirchen-Wiehlmünden44. Derweil ist das Bröl-Gewässernetz ein typischer Teil des Naturraums Oberagger-Wiehl-Bergland und Teil der wertvollen Kulturlandschaftsbereiche Homburger Ländchen und Nutscheid-Leuscheid. Hervorzuheben ist hier, dass das Gewässernetz der Bröl ein Bestandteil des Wanderfischprogramms NRW ist45. Es umfasst die Quellgewässer der Bröl und des Waldbrölbaches oberhalb des Zusammenflusses dieser Gewässer bei Ruppichteroth-Bröleck bis hinauf nach Waldbröl. Unterhalb Nümbrecht-Gaderoth durchfließt die Bröl als zentrales Gewässer des Netzes einen überwiegend grünlandwirtschaftlich genutzten Talabschnitt. Westlich des Bierenbachtals wird sie von meist lückigem Erlen-Ufergehölz begleitet, hier findet man auch kleinere Erlen- und Eschenbestände sowie Sternmieren- Das Swist-Gewässernetz hat im Kulturlandschaftsnetzwerk eine direkte Verbindung zum Erft-Swist-Auenkorridor (Seite 43) und zum Freiraumkorridor „Römerkanal“ (Seite 49). Es gibt Kontakte zu den Wertvollen Kulturlandschaftsbereichen Ville (Seite 28) und Kottenforst-Drachenfelser Ländchen (Seite 33). Vom Einzugsgebiet her ist das Dhünn-Gewässernetz im Kulturlandschaftsnetzwerk nahezu identisch mit dem Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Dhünn-Altenberg (siehe Seite 35). Dabei weist es eine direkte Verbindung zum Dhünn-Eifgenbach-Auenkorridor auf (Seite 43). Das Wipper-Gewässernetz hat im Kulturlandschaftsnetzwerk eine direkte Verbindung zum Wupper/Wipper-Auenkorridor, die über das Bergische Städtedreieck bis zur Mündung der Wupper in den Rhein reicht (Seite 41). Über die Grenzen der Region hinweg besteht nach Osten ferner Kontakt zum Bergischen-Wasserscheiden-Waldkorridor (Seite 45). Räumlich reicht das Sülz-Gewässernetz im Kulturlandschaftsnetzwerk bis an den Rand des Wertvollen Kulturlandschaftsbereiches Dhünn-Altenberg (Seite 35). Es steht in direkter Verbindung zum Sülz-Auenkorridor (Seite 44). Das Agger-Wiehl-Gewässernetz verfügt im Kulturlandschaftsnetzwerk über direkte Verbindungen zum Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Heckberger Wald-Leppetal (Seite 36) und zum Agger-Auenkorridor (Seite 44). Darüber hinaus gibt es einen engen Kontakt zum Bergischen-Wasserscheiden-Waldkorridor (Seite 45). 42 Eichen-Hainbuchenwälder. Der Bach und viele seiner Nebengewässer schlängeln sich naturnah durch die Auen, die Ufer sind abschnittweise mit Steinen befestigt. Auch das von Norden einmündende Hillenbachtal weist Feuchtgrünland, Brachen und bachbegleitende Erlenwälder auf. Die nachhaltige Entwicklung der Gewässernetze wird in Zukunft nicht unerheblich von den Vorgaben der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie bestimmt sein. Die Maßnahmen zur Sicherung der Wiederherstellung des guten Gewässerzustandes werden insbesondere in den Bereichen der Quellen, Quellgewässer und Oberläufe der Fließgewässer ansetzen. Gerade in diesen Gewässerabschnitten muss zuerst die chemische, biologische und strukturelle Güte gesichert beziehungsweise zurückgewonnen werden46. Natur und Kultur in ihrer höchsten Verdichtung: Das Netzwerk der Kulturlandschaften Die Auenkorridore Auenkorridore an Rhein, Erft und Swist Die Auenkorridore orientieren sich als „blaue Bänder“ an den Flussläufen der Region. Sie zeichnen sich über eine durchgängige, weitgehend offene Tallandschaft aus, in der Wiesen, Weiden und gewässerbegleitende Gehölze dominieren. Diese Strukturen sind heute jedoch nicht in allen Auenkorridoren der Region vorzufinden. Der wichtigste Auenkorridor der Region ist der international bedeutsame Rhein-Auenkorridor zwischen dem Rhein-Kreis Neuss im Norden und dem Bonner Ortsteil Mehlem im Süden. Als eine der ältesten Flößer- und Schifffahrtsstraßen Europas ist der Rhein indirekt für die Errichtung einer Reihe ­wichtiger Kulturlandschaftselemente wie Hafenanlagen, Fähren, Brücken und andere historische Bauwerke ausschlaggebend. Entlang seiner Ufer findet man zudem wichtige Sakralbauten, Kapellen, Hofanlagen und Villen. Aus ökologischer Sicht sind in erster Linie die Kernflächen des Rhein-Auenkorridors relevant. Dazu gehören beispielsweise die Lülsdorfer Weiden und der Weißer Rheinbogen im Süden sowie die Langeler und Flittarder Rheinaue im Norden. In diesen Teilräumen gibt es den größten Weichholz-Auenwald-Bestand in der gesamten Region. Er stellt landesweit das vermutlich letzte Beispiel einer weitgehend naturnahen und vollständigen Auenzonierung dar. Auch für die Flora und Fauna der Region spielt der Rhein als Rückzugsraum zahlreicher gefährdeter Tier- und Pflanzenarten eine maßgebliche Rolle. Dies gilt auch für die Fischfauna seiner Nebengewässer Wupper, Dhünn, Sieg und Erft sowie die anderer Nebengewässernetze. Die Kulturlandschaftskorridore – Das Gerüst des Netzwerks Die Gewässerläufe in den Korridoren sind teilweise noch naturnah ausgebildet – wo dies nicht der Fall ist, sollten sie als wichtige biologische Verbindungen in der Landschaft renaturiert werden. Dabei müssen ihre Durchgängigkeit und ihre biologische und chemische Güte zukünftig den Vorgaben der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie entsprechen. Auch aus Gründen des Hochwasserschutzes dürfen die Auenkorridore nicht durch weitere Verkehrsanlagen oder Siedlungsund Industrieerweiterungen beeinträchtigt werden. Den Kulturlandschaftskorridoren kommt im Netzwerk der Kulturlandschaften eine besondere Stellung zu. Sie sind sowohl durch das Natur- als auch durch das Kulturerbe geprägt und vernetzen ebenso wie die Freiraum- und Gewässernetze die wertvollen Kulturlandschaftsbereiche. Die Korridore übernehmen dabei nicht mehr nur eine Freiraumfunktion; in vielen Fällen – beispielsweise in den Auenkorridoren entlang der wichtigsten Flüsse der Region – sind sie längst auch zu Entwicklungs- und Industrieachsen geworden, in denen sich zudem die verkehrliche Infrastruktur konzentriert. Prinzipiell kann zwischen drei verschiedenen Arten von Korridoren unterschieden werden: den Auen-, Wald- und Freiraumkorridoren. Ihre nachhaltige Entwicklung hängt in entscheidendem Maß von den Vorgaben der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie ab. Um einen guten Zustand der Gewässer zu erreichen, sind ökologische Verbesserungen der Flussstrukturen und der Auen notwendig. Dort, wo es möglich ist, müssen die Fließgewässer „entfesselt“ werden und die Auen ihre Dynamik zurückgewinnen. Bei dieser Entwicklung gilt es allerdings auch, das Kulturerbe innerhalb der Auenkorridore zu berücksichtigen. Kulturhistorisch relevante Flussbauwerke müssen Teil der nachhaltigen Entwicklungsmaßnahmen sein. Dabei bestimmen die Eigenarten des Natur- und Kulturerbes die spezifischen Entwicklungsziele der einzelnen Auenkorridore 46 47 Dem Rhein-Auenkorridor kommt im Rahmen der Master­ planung der Metropolregion Köln/Bonn eine zentrale Bedeutung zu. Er ist gleichermaßen Rückgrat wie zentraler Knotenstrang im Netzwerk der Kulturlandschaften. Ohne den Rhein würde das Kulturlandschaftsnetzwerk der Metropolregion sozusagen „zerreißen“. Daher wird im folgenden Kapitel dem Querschnittsthema Rhein ein eigener Fachbeitrag gewidmet (vgl. Seite 96)47. Das Wanderfischprogramm Nordrhein-Westfalen wird seit 1998 als Kooperationsprojekt zwischen dem Umweltministerium NRW und dem Fischereiverband NRW durchgeführt. Ziel ist es, die Lebensraumqualität ausgewählter ­Programmgewässer in NRW wiederherzustellen, so dass ehemals heimische Wanderfische wie beispielsweise der Lachs zurückkehren können und als Symbol für gesunde Gewässersysteme dauerhaft erhalten bleiben. Das Bröl-Gewässernetz umfasst im Kulturlandschaftsnetzwerk den Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Homburger Ländchen-Bröltal (Seite 37). Es verfügt außerdem über eine direkte Verbindung zum Bröl-Auenkorridor (Seite 44). Natur und Kultur in ihrer höchsten Verdichtung: Das Netzwerk der Kulturlandschaften Neben dem Rhein-Auenkorridor und seiner zentralen Bedeutung für die Region und darüber hinaus ist vor allem der Erft-Swist-Auenkorridor zu nennen. Der Korridor beginnt im Rhein-Kreis Neuss und läuft über den Villedurchbruch bei Bedburg sowie über Bergheim, Kerpen und Erftstadt bis zum Beginn des Swist-Gewässernetzes bei Swistal-Heimerzheim. Beeinträchtigt wird er vor allem von massiven Auswirkungen des Braunkohletagebaus. So hat das Sümpfungswasser des Tagebaus erheblichen Einfluss auf das Wasserregime der Erft und ihrer Flussaue. Zugleich gibt es kaum eine Gegend in Deutschland, in der so viele Burgen und Wasserschlösser erhalten sind wie an der Erft. Beispielhaft für das reiche Kulturerbe des ErftSwist-Auenkorridors seien an dieser Stelle die Schlösser Gymnich, Bedburg und Türnich mit Schlosspark, Wassergraben und Schlossauffahrt genannt. Aus ökologischer Sicht wird es im Erft-Swist-Auenkorridor zukünftig verstärkt um Maßnahmen der Auenrenaturierung gehen. So sollen grundwasserabhängige Wälder, Wiesen und Weiden wiederhergestellt werden. Perspektivisch könnte hier eine extensiv genutzte Auenparklandschaft mit Wasserschlössern und Burgen als eine Art „Loire des Rheinlandes“ entstehen48. 48 49 50 Auenkorridore an Wupper, Wipper, Dhünn und Eifgenbach Im Wupper/Wipper-Auenkorridor findet man eine besondere Situation: Hier haben sich Industriegassen mit alten Schleifkotten, Industriehämmern und anderen Relikten der industriegeschichtlichen Nutzung herausgebildet. Dabei liegen zwei Talbereiche der Wupper in der Metropolregion Köln/Bonn: der Unterlauf und Teile des Mittellaufs zwischen Leverkusen-Rheindorf und Leichlingen sowie der Oberlauf vor der Wuppertalsperre bei nach Radevormwald-Keilbeck/Dahlhausen. Der Mittel- und Unterlauf der Wupper reicht von der südlichen Wuppertaler Stadtgrenze bis kurz vor die Mündung in den Rhein. Während der Fluss über weite Strecken mit einem noch größtenteils naturnahen Flussbett fließt, sind die Abschnitte in den hier angesiedelten Städten Leichlingen und Leverkusen-Opladen zum Teil stark überbaut. Auf den an die Wupper angrenzenden Hängen erstrecken sich teils ausgedehnte und naturraumtypische Waldbestände. Zu den südlichen Nebenflüssen gehören der Wiembach mit Ölbach und Hirtzenberger Bach, der Imelsbach (im Unterlauf auch Murbach oder Wietsche genannt), der Sengbach, der Vierschelsbach, der Weltersbach mit dem Schmerbach und der Eschbach. 43 Der Oberlauf der Wupper unterhalb der Wuppertalsperre hat trotz der angrenzenden Industrie- und Siedlungsflächen die typischen Strukturen eines Mittelgebirgsflusses bewahrt. In zahlreichen Windungen verläuft der Fluss entlang der meist steilen Hänge mit naturnahen Buchenwäldern. Der wichtigste Nebenfluss der oberen Wupper ist die Uelfe. Mit der Wuppertalsperre bei Hückeswagen beginnt das Wipper-Gewässernetz49. Ein weiterer Auenkorridor im Rahmen des Netzwerkes der Kulturlandschaften ist der Dhünn-EifgenbachAuenkorridor. Er ist das „grün-blaue Band“ zwischen den Waldlandschaften um den Altenberger Dom und der Wuppermündung in der Leverkusener Rheinaue. Aus­ gehend von der Dhünnmündung bei Leverkusen-Wiesdorf läuft der Korridor bis Odenthal, von wo er innerhalb der Wertvollen Kulturlandschaft Dhünn mit dem Eifgenbachtal über Wermelskirchen-Dabringhausen bis Wermelskirchen fortgesetzt wird. Oberhalb von Odenthal beginnt das für die Trinkwassergewinnung so bedeutende Gewässer­system der Großen Dhünntalsperre mit der Kleinen- und der ­Großen Dhünn. Als Nebenbäche münden unter anderem der Mutzbach, der Leimbach und der Scherfbach im ­Bereich des Auenkorridors in die Dhünn50. Der Rhein-Korridor steht in Verbindung mit den Wertvollen Kulturlandschaftsbereichen Urdenbach-Worringen (Seite 29), Köln (Seite 30), Wahner Heide-Königsforst-Siegmündung (Seite 31) Bonn (Seite 32) und Siebengebirge-Pleiser Ländchen (Seite 34). Auch die drei städtischen Freiraumnetze der Region – das Leverkusener Freiraumnetz (Seite 40), das Kölner Freiraumnetz (Seite 39) und das Bonner Freiraumnetz (Seite 39) – sind eng mit dem Korridor verwoben. Hinzu kommen Verknüpfungen mit dem Sieg-Auenkorridor (Seite 44) sowie dem Wupper/Wipper-Auenkorridor (Seite 43) und damit zusammenhängend dem Dhünn-Eifgenbach-Auenkorridor (siehe Seite 43). Schließlich muss noch darauf hingewiesen werden, dass der Freiraumkorridor „Limesstraße“ (Seite 48) vielerorts eng den Rhein-Auenkorridor begleitet. Im Kulturlandschaftsnetzwerk verbindet der Erft-Swist-Auenkorridor den Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Ville (Seite 28) mit dem Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Bürge (Seite 28). Weitere Kontakte bestehen zum SwistGewässernetz (Seite 40) und zu mehreren Freiraumkorridoren. Dazu gehören die Freiraumspange „Terra Nova“ (Seite 49), die Freiraumkorridore „Agrippastraße“ (Seite 48) und „Via Belgica“ (Seite 48) sowie die von Köln in westliche Richtung verlaufenden suburbanen Freiraumkorridore (Seite 46). Der Wupper/Wipper-Auenkorridor schafft im Kulturlandschaftsnetzwerk des Wipper-Gewässernetzes (Seite 41) eine Verbindung mit dem Leverkusener Freiraumnetz (Seite 40) sowie den Auenkorridoren von Dhünn-Eifgenbach (Seite 43) und dem Rhein (Seite 42). Über das Bergische Städtedreieck hinweg bildet er eine wichtige „Brücke“ zu den Talsperrenlandschaften des Bergischen Landes (Seite 41). Zudem steht er in Kontakt zum Bergischen-HeideterrassenWaldkorridor (Seite 45). 44 Auenkorridore an Sülz und Agger Der Sülz-Auenkorridor verbindet das Sülz-Gewässernetz mit dem wertvollen Kulturlandschaftsbereich Wahner Heide-Königsforst-Siegmündung. Er ist in die Senken und Hügel der Bergischen Hochflächen eingebettet und weist zahlreiche Kulturdenkmäler als Relikte der einstigen industriellen Nutzung auf. Von seinem Beginn oberhalb von Lohmar erstreckt er sich über Rösrath bis nach OverathObersteeg, wo er in das Sülz-Quellgewässernetz übergeht. Die Talhänge der Sülz tragen hier einen geschlossenen Waldmantel. Zu den Nebenbächen im Abschnitt des Auenkorridors zählen der Katzbach, der Gammersbach, der Kupfersieferbach, der Vierkottener Bach, der Bleifelder Bach sowie der Lehmbach, Eschbach, Holzbach und Volbach. Gemeinsam mit dem Agger-Auenkorridor trägt der Sülz-Auenkorridor maßgeblich zur Vernetzung des Ballungsraumes Rhein-Sieg mit dem Bergischen Land bei. Zu den kulturhistorisch bedeutsam Baudenkmälern in diesem Auenkorridor gehören beispielsweise Schloss Eulenbroich und Burg Schönrath. sowie mehrere zeitgeschichtliche Relikte des Bergbaus51. Der bereits erwähnte Agger-Auenkorridor umfasst den naturnahen Mittel- und Unterlauf der Agger. Er beginnt an der Aggermündung bei Troisdorf, quert bei Lohmar den Bergischen-Heideterrassen-Waldkorridor und läuft über Overath 51 52 53 54 Natur und Kultur in ihrer höchsten Verdichtung: Das Netzwerk der Kulturlandschaften bis nach Engelskirchen-Loope. Zum Auenkorridor gehören in diesem Abschnitt ökologisch bemerkenswerte Nebenbäche wie der Naafbach. Der gesamte Korridor ist dicht besiedelt und weist ein gebündeltes Verkehrsnetz aus Straßen und Eisenbahnlinien auf. Dabei hat der Oberlauf die typischen Strukturen eines Mittelgebirgsflusses bewahrt, im Mittelund Unterlauf jedoch nimmt die Intensität der Nutzung zu. Sie überprägt zum Teil die Auenbereiche. Mit den Schlössern Ehreshoven und Auel findet man im Agger-Auenkorridor auch herausragende kulturhistorisch bedeutsame Anlagen52. Auenkorridore an Wahnbach, Bröl und Sieg Weitere Auenkorridore begleiten den Wahnbach, die Bröl und die Sieg. So beginnt der Wahnbach-Auenkorridor mit der Mündung des Wahnbachs in die Sieg bei SiegburgSeligenthal. Er folgt in Neunkirchen-Seelscheid der Wahnbachtalsperre und setzt sich über Much-Herchenrath und Much bis zu seinen Quellläufen am Südrand des wertvollen Kulturlandschaftsbereiches Heckberger Wald-Leppetal fort. Mit dem Schneffelrather Bach, dem Wendbach, dem Markelsbach und dem Henninger Bach hat der Wahnbach ein relativ kleines Einzugsgebiet. Aufgrund der Niederschläge ist aber dennoch eine stetige und ausreichend große Wasserführung gewährleistet – dies führte unter anderem zum Bau der Wahnbachtalsperre. Schon zuvor gab es bemerkenswerte Stauanlagen am Wahnbach. Erhalten geblieben sind die Gutmühle sowie Teile der Steinermühle und der HerrenteichHammer mit seinem eindrucksvollen Gebäudeensemble53. Währenddessen umfasst der Bröl-Auenkorridor den Unterlauf der Bröl von der Mündung bei Hennef-Müschmühle bis nach Ruppichteroth-Bröleck. Bei Bröleck mündet der von Osten kommende naturnah geprägte und reich strukturierte Waldbrölbach in die Bröl. Von Süden fließt an gleicher Stelle der naturnahe und von Bach-Erlen-Eschenwäldern begleitete Steinchesbach ein. Neben seiner ökologischen Bedeutung, die durch bemerkenswerte Laichplätze für den Lachs (Bestandteil des Wanderfischprogramms NRW) unterstrichen wird, verfügt der Korridor auch über ein bemerkenswertes Kulturerbe. Beispielhaft seien eine Vielzahl von Mühlen und Industriedenkmälern sowie das Schloss Herrenstein und die Wallburg Rennenberg im Umfeld des Auenkorridors genannt54. Der international und landesweit bedeutsame SiegAuenkorridor hingegen zeichnet sich durch den sehr windungsreichen Verlauf des naturnah ausgeprägten Flussbettes aus. Er ist typisch für den Naturraum Mittelsieg-Bergland und weist einerseits bewaldete und steile Prallhänge, andererseits breite, flache Terrassen an den Gleitufern auf. Diese werden überwiegend durch Grünlandwirtschaft genutzt. Der Auenkorridor verbindet die wertvollen Kulturlandschaftsbereiche NutscheidLeuscheid und Wahner Heide-Königsforst-Siegmündung. Im Kulturlandschaftsnetzwerk sorgt der Dhünn-Eifgenbach-Auenkorridor dafür, dass der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich Dhünn-Altenberg (Seite 35) einschließlich des Dhünn-Gewässernetzes (Seite 41) mit dem Leverkusener Freiraumnetz (siehe Seite 40) und dem Rhein-Auenkorridor (Seite 42) verknüpft wird. In seinem unteren Teil kreuzt der Auenkorridor den Bergischen-Heideterrassen-Waldkorridor (Seite 45). Der Sülz-Auenkorridor stellt im Kulturlandschaftsnetzwerk eine Verbindung zwischen dem Sülz-Gewässernetz, dem Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Wahner Heide-Königsforst-Siegmündung (Seite 31) und dem Agger-Auenkorridor her (siehe folgend). Darüber hinaus steht er in Kontakt zum Bergischen Heideterrasssen-Waldkorridor (Seite 45). Der Agger-Auenkorridor bildet eine Brücke zwischen dem Agger-Wiehl-Gewässernetz (Seite 41) sowie den wertvollen Kulturlandschaftsbereichen Heckberger Wald-Leppetal (Seite 36) und Wahner Heide-Königsforst-Siegmündung (Seite 31) her. Es steht ferner in Kontakt zum Sülz-Auenkorridor (siehe oben), zum Sieg-Auenkorridor (Seite 44) und zum Bergischen-Heideterrassen-Waldkorridor (Seite 45). Der Wahnbach-Auenkorridor schafft eine Verbindung zwischen dem Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Heckberger Wald-Leppetal (Seite 36) und dem Sieg-Auenkorridor (Seite 44). Darüber hinaus gibt es einen mittelbaren Kontakt zum Bergischen-Heideterrassen-Waldkorridor (Seite 45). Natur und Kultur in ihrer höchsten Verdichtung: Das Netzwerk der Kulturlandschaften Kulturhistorisch sind dabei die wichtige Rolle der Sieg als historische Flößerstraße sowie die Vielzahl an Burgen und Schlössern an der Mittelsieg hervorzuheben. Zudem findet man im Sieg-Auenkorridor neben bekannten Burg- und Klosteranlagen wie in Blankenberg und im Wallfahrtsort Bödingen historische Kulturlandschaftselemente des Bergbaus und der Mühlennutzung. Da das Siegtal auch als Siedlungs- und Verkehrsachse dient, reichen die Ausläufer dieser Nutzungen teilweise in die Auen hinein55. Drachenfelser Ländchens und verknüpft die großflächigen Wälder des Kottenforstes und der angrenzenden Waldville mit denen des nördlichen Villerückens auf der Höhe von Brühl. Dort schließen sich die „neuen Wälder“ der Ville-Seenplatte an, die im Rahmen der Renaturierung als Folgenutzung des Braunkohletagebaus entstanden sind. Das besondere Kulturerbe des Korridors repräsentieren die Relikte des Römerkanals und der alten Römerstraßen. Daneben gibt es eine Reihe kulturhistorisch bedeutsamer Gebäude, beispielsweise die Burg Bachem in Hürth56. Die Waldkorridore Wie die Auenkorridore, so haben auch die Waldkorridore als „grüne Bänder“ eine wichtige Bedeutung für die zukünftige Landschaftsentwicklung. Sie zeichnen sich durch linienartig zusammenhängende Waldgebiete aus, die durch so genannte Waldbrücken sowie über Waldstreifen und Heckenriegel miteinander verbunden sind. Durch die Aufforstung und die Anpflanzung von Waldrändern und Hecken kann die Korridorwirkung der Wälder zusätzlich gefördert werden. In der Region gibt es insgesamt drei bedeutende Waldkorridore: den Ville-Kottenforst-Waldkorridor, den Bergischen-Wasserscheiden-Waldkorridor sowie den Bergischen-Heideterrassen-Waldkorridor. Das Besondere des Ville-Kottenforst-Waldkorridors ist seine Durchgängigkeit. Er beginnt im Süden nördlich des 55 56 57 58 Der Bergische-Wasserscheiden-Waldkorridor hingegen ist charakteristisch für die Ostflanke der Metropolregion Köln/Bonn. Von den höchsten Gipfeln des Bergischen Landes bei Reichshof erstreckt er sich über Kierspe und Halver bis zur Wasserscheide zwischen Ennepe und Volme. Dabei verläuft er teilweise außerhalb der Region und stellt eine direkte Beziehung zum Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Homert im Sauerland her. Eine Besonderheit seines Naturerbes sind neben den Wäldern auf den Bergkämmen die so genannten „Bergischen Heideköpfe“. Dabei handelt es sich um offene Heidelandschaften, die durch Vieheintrieb in die Bergwälder entstanden sind. Das Kulturerbe des Korridors spiegelt sich vor allem in den Resten der alten Landwehren wider. Exemplarisch seien die Landwehren in Gummersbach-Lieberhausen und Bergneustadt-Wiedenest genannt57. 45 Der dritte bedeutende Waldkorridor der Region ist der Bergische-Heideterrassen-Waldkorridor. Er folgt der Bergischen Heideterrasse am Rand des Bergischen Landes von Lohmar im Süden über Teile der Wahner Heide und den Königsforst. Dabei reicht er über die Wupper hinweg bis in die nördlichen Stadtteile von Leverkusen und bis nach Leichlingen und verknüpft perlschnurartig unterschiedlichste Waldtypen. Ein Problem gibt es im nördlichen Bereich des Korridors, da hier die Wälder bereits verinselt sind und der Korridor sich zum Teil auflöst. Daher ist es wichtig, entsprechende Fragmente und Reste zu erhalten und besser zu vernetzen. Der Waldkorridor ist reich an Burgen und Schlössern wie zum Beispiel der Alten Burg Bensberg, des Schlosses Röttgen bei Köln oder der Burg Wissem in Troisdorf58. Die Freiraumkorridore Das Netz der Freiraumkorridore verkörpert einen Grundgedanken des ,masterplan :grün’. Als wichtiger Bestand­teil einer naturräumlichen Erneuerungsstrategie der Ballungsräume dienen die Freiraumkorridore dem Ziel, die Landschaftsqualität der Kulturlandschaften zu bewah­ren beziehungsweise neu zu gestalten. Dies erfolgt, indem die Freiräume erhalten, entwickelt und zu einem Verbund­system ergänzt werden, das über die unmittelbaren Abgrenzungen der Ballungsräume hinaus greift. Dabei werden die Freiräume der Ballungsräume bandartig mit Im Kulturlandschaftsnetzwerk verknüpft der Bröl-Auenkorridor den Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Homburger Ländchen (Seite 37) und das Bröl-Gewässernetz (Seite 41) mit dem Sieg-Auenkorridor (Seite 44). Der Sieg-Auenkorridor verwebt die Wertvollen Kulturlandschaftsbereiche Nutscheid-Leuscheid (Seite 38) und Wahner Heide-Königsforst-Siegmündung (Seite 31). Zudem schafft er eine Verknüpfung zwischen den Auenkorridoren von Rhein (Seite 42), Agger (Seite 44), Wahnbach (Seite 44) und Bröl (Seite 44) und steht in Kontakt mit dem Bergischen-Heideterrassen-Waldkorridor (Seite 45) und dem Freiraumkorridor „Grünes C“ (Seite 47). Der Ville-Kottenforst-Waldkorridor verbindet im Kulturlandschaftsnetzwerk den Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Kottenforst-Drachenfelser Ländchen (Seite 33) unmittelbar mit dem Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Ville (Seite 28). Er weist darüber hinaus Verknüpfungen zu den suburbanen Freiraumkorridoren (siehe Seite 46) und den von Köln ausgehenden Freiraumkorridoren „Agrippastraße“ (Seite 48), „Via Belgica“ (Seite 48) und „Römerkanal“ (Seite 49) auf und steht mittelbar in Kontakt zum Erft-Swist-Auenkorridor (Seite 43). Im Kulturlandschaftsnetzwerk ist der Bergische-Wasserscheiden-Waldkorridor eng mit dem Agger-Wiehl-Gewässernetz (Seite 41) verwoben. Über die Quellregionen an den nordöstlichen Grenzen der Region und die dort liegenden Talsperren gibt es außerdem Kontakte zum Wipper-Gewässernetz (Seite 41). 46 der umgebenden Landschaft vernetzt. Ein weiteres Anliegen ist es, über eine Aufwertung der Freiräume in den sich stetig weiter verdichtenden Ballungsräumen dafür zu sorgen, dass ihre Inanspruchnahme für andere Nutzungen wirksam verhindert wird. Während die Flächen des innerstädtischen Kölner und Bonner Freiraumnetzes von urbanem Grün – zum Beispiel Parkanlagen oder Stadtwälder – geprägt sind, weisen die Freiraumkorridore des suburbanen Raumes eine fortlaufende landwirtschaftliche Nutzung auf. Diese wird prioritär gefördert, um so den Freiraum zu sichern und vor anderen Nutzungen zu schützten. Zum Teil begleiten diese Freiraumkorridore auch suburbane Bäche. In anderen Fällen folgen sie außerhalb der urbanen und suburbanen Räume als schmale Bänder in der freien Kulturlandschaft Strukturen des Industriezeitalters und der Römischen Zeit. Eine nachhaltige Entwicklung der Freiraumkorridore außerhalb des urbanen Raumes ist eng damit v­ erbunden, dass offene Landschaftsnutzungen wie zum Beispiel Landwirtschaft und Gartenbau erhalten und gefördert werden. Darüber hinaus tragen aber auch die landschaftsgerechte Einbindung von Sport- und Erholungsanlagen, die freiraumgerechte Folgenutzung ehemaliger Industrieund Verkehrsflächen sowie die Rekultivierung von Abgrabungsflächen zur Entwicklung wichtiger Freiraumkorrido- 59 60 61 Natur und Kultur in ihrer höchsten Verdichtung: Das Netzwerk der Kulturlandschaften re bei. Dies geht einher mit einer vernetzten Planung von Wander-, Rad- und anderen Erlebnisrouten. Suburbane Freiraumkorridore In der Metropolregion Köln/Bonn laufen die Freiraumkorridore in Gestalt einer Windrose auf das Kölner Freiraumnetz zu. Linksrheinisch gibt es dabei fünf Freiraumkorridore, die hier die ‚StadtLandschaft’ prägen. Der Freiraumkorridor „Am Alten Rhein“ erstreckt sich nördlich von Knechtsteden im Rhein-Kreis Neuss bis hin zur Stadt Köln. Er verbindet die Stommelner Waldlandschaften und Reste alter Rheinarme nahe des Stadtteils Esch-Auweiler mit der Kölner Stadtund Industrielandschaft. Der Korridor liegt vorwiegend auf der Niederterrasse und ist von erkennbaren Altrheinschleifen, der topographischen Stufe zum Ville-Vorland und den Auwaldresten des Chorbusches geprägt. Zu seinem Kulturerbe gehören unter anderem Haus Orr zwischen Pulheim und Köln-Auweiler, das Kloster Knechtsteden sowie der Zehnthof im Pulheimer Ortsteil Sinnersdorf59. Im Nordwesten führt der Freiraumkorridor „Zu neuen Energien“ vom Belvedere-Park im Äußeren Kölner Grüngürtel bis in die neuen Braunkohle-Folgelandschaften. Er endet bei Bedburg in der Erftaue und beheimatet die kulturhistorisch bedeutsame Abtei Brauweiler sowie die historisch bemerkenswerte Anlage der Freimersdorfer Fronhöfe. Folgt man dem Korridor, so erreicht man den Glessener Bach und die neuen Landschaften der Glessener Höhen. Von hier bietet sich ein hervorragender Blick auf die Kraftwerke von Bergheim-Niederaußem, die sinnbildlich für die Energielandschaft in diesem Teil der Region stehen60. Der nach Westen reichende Freiraumkorridor „Zwischen schnellen Wegen“ verläuft in unmittelbarer Nähe des zuvor genannten Korridors. So beginnt er ebenfalls bei Köln-Lindenthal am Äußeren Kölner Grüngürtel und führt über Köln-Weiden, Frechen-Königsdorf und die „Neue Ville“ bei Kerpen-Horrem zur Erft. In weiten Teilen wird er dabei vom Verlauf der viel befahrenen B 55 – der alten Römerstraße – und der Bundesautobahn A 4 bestimmt. Als weiterer schneller Weg kommt hier die West-Ost-Eisen­ bahnachse Brüssel-Köln hinzu. Kulturhistorisch ist im Umfeld des Korridors vor allem die bedeutsame römische Grabkammer von Köln-Weiden von Bedeutung61. Nach Südwesten erreicht der Freiraumkorridor „Zu den Villeseen“ ausgehend vom Äußeren Kölner Grüngürtel bei Köln-Klettenberg über Hürth und die Stadtteile Stotzheim und Berrenrath die Bergbau-Folgelandschaften der „Neuen Ville“ mit ihren Wäldern und Wasserflächen. Kulturhistorisch verweist er auf die alte Agrippastraße und Relikte der römischen Wasserleitung, die von der Eifel bis nach Köln führte. Über den Bergische-Heideterrassen-Waldkorridor sind im Kulturlandschaftsnetzwerk die Auenkorridore von Sieg (Seite 44) und Wahnbach (Seite 44) mit denen von Agger (Seite 44) und Sülz (Seite 44) verbunden. Weiter durchläuft der Korridor den Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Wahner Heide-Königsforst-Siegmündung (Seite 31) und ist im Norden mit den Freiraumkorridoren „Wahner Heide“ (Seite 47) und „Entlang der Strunde“ (Seite 47) verknüpft. Nach einer Verknotung mit dem Dhünn-Eifgenbach-Auenkorridor (Seite 43) erreicht er das Leverkusener Freiraumnetz (Seite 40). Der Freiraumkorridor „Am Alten Rhein“ schafft eine Verbindung zwischen den Wäldern der Roseller Heide bei Neuss und der Umgebung des Klosters Knechtsteden mit dem Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Köln (Seite 30) einschließlich des Kölner Freiraumnetzes (Seite 39). Zudem gibt es über den Kölner Randkanal Kontakte zum Vorgebirgsbach-Gewässernetz (Seite 40). Im Kulturlandschaftsnetzwerk verknüpft der Freiraumkorridor „Zu neuen Energien“ den Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Köln (Seite 30) einschließlich des Kölner Freiraumnetzes (Seite 39) mit dem Ville-Kottenforst-Waldkorridor (Seite 45) und dem Erft-Swist-Auenkorridor (Seite 43). Auf der anderen Seite der Erftaue beginnt bei Bedburg die Freiraumspange „Terra Nova“ (Seite 49). Darüber hinaus gibt es auch Kontakte zum Vorgebirgsbach-Gewässernetz (Seite 40). Natur und Kultur in ihrer höchsten Verdichtung: Das Netzwerk der Kulturlandschaften Im südlichen Freiraumkorridor „Rheinische Gärten“, der bei Köln-Raderthal an den Äußeren Kölner Grüngürtel anknüpft, überwiegen die fruchtbaren Böden der Mittelterrasse zwischen Köln und Bonn. Hier haben sich intensive Obst- und Gemüsekulturen als „Rheinische Gärten“ etablieren können. Insbesondere in der bäuerlichen Landschaft um Bornheim-Sechtem gibt es ausgedehnte Obstflächen und Gemüsefelder. Der Korridor verläuft insgesamt parallel zum Rand des Vorgebirges mit seinen historisch gewachsenen Dörfern und Siedlungen. Herausragend sind dabei kulturhistorisch bedeutsame Bauwerke wie die Brühler Schlösser Falkenlust und Augustusburg, die zum UNESCOWeltkulturerbe der Menschheit zählen62. Über die Vorgebirgsbäche hat der Korridor zudem Kontakt zu zahlreichen Relikten der alten römischen Wasserleitung63. Rechtsrheinisch verleihen drei vorwiegend urban geprägte Freiraumkorridore der ‚StadtLandschaft’ um Köln ihr Gesicht. Diskutiert wird hier ein Freiraumkorridor „Zum Grünen Fächer“. Er beginnt in Köln-Mülheim und verläuft über den Scheuerhof parallel der Autobahn A 3 bis 62 63 64 65 66 67 Leverkusen-Manfort. Dabei berührt er die Parkanlagen des Bayer-Firmengeländes und den Mutzbach mit den das Gewässer begleitenden Abgrabungen64. Nach Osten bietet der bachbegleitende Freiraumkorridor „Entlang der Strunde“ die Möglichkeit, ein suburbanes Fließgewässer von der Quelle in Bergisch Gladbach-Herren­ strunden am Rand des Bergischen Landes über die Innen­ stadt von Bergisch Gladbach sowie die Kölner Vororte Dellbrück und Holweide bis zu seinem „Verschwinden“ am Startpunkt seiner unterirdischen Führung in Köln-Mülheim zu verfolgen. In diesem Korridor findet man unter anderem kulturhistorisch bemerkenswerte Gebäude und Anlagen wie die Burg Zweiffel, die Isenburg, die Alte Mühle Dombach mit dem Rheinischen Industriemuseum und die Villa Zanders65. Nach Südosten hingegen soll sich der skizzierte Freiraum­ korridor „Zur Wahner Heide“ erstrecken. Er knüpft in KölnKalk an den noch nicht vollendeten rechtsrheinischen Äußeren Kölner Grüngürtel an und verläuft über die Köl- 47 ner Vororte Vingst und Ostheim zum Königsforst und zur Wahner Heide66. Über die genannten Korridore hinaus existiert in der rechtsrheinischen ‚StadtLandschaft’ im Norden von Leverkusen und Köln noch ein weiterer Freiraumkorridor. Der Freiraumkorridor „Zu den Hitdorfer Seen“ führt vom Leverkusener Ortsteil Rheindorf vorbei an LeverkusenHitdorf über die Grenzen der Region hinweg zu den für Erholung und Freizeit bedeutsamen Abgrabungsseen zwischen Hitdorf und Monheim. Er lässt sich bis hin zur Urdenbacher Kämpe vor den Toren der Stadt Düsseldorf weiter verfolgen. Zu seinem Kulturerbe gehört Schloss Laach mit dem Laacher Hof67. Der bereits dargestellte Freiraumkorridor „Rheinische Gärten“ sorgt neben seiner Funktion als Korridor auch dafür, dass das Kölner und Bonner Freiraumnetz unmittelbar miteinander verknüpft sind. Am Nordrand des Bonner Freiraumnetzes schließt er an den in west-östlicher Richtung verlaufenden Freiraumkorridor „Grünes C“ an. Dieser Wie der Freiraumkorridor „Zu neuen Energien“ verbindet auch der Korridor „Zwischen den schnellen Wegen“ im Kulturlandschaftsnetzwerk den Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Köln (Seite 30) einschließlich des Kölner Freiraumnetzes (Seite 39) mit dem Ville-Kottenforst-Waldkorridor (Seite 45) und den Erft-Swist-Auenkorridor (Seite 43). Über die Erft hinweg gibt es zudem einen Kontakt zum Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Bürge (Seite 28). Räumlich verläuft der Korridor flächengleich zum Freiraumkorridor „Via Belgica“ (Seite 48). Das UNESCO-Weltkulturerbe der Menschheit umfasst verbliebene Zeitzeugen ehemaliger Hochkulturen und einmalige Naturlandschaften, die vor dem Untergang bewahrt werden müssen. Das „Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt“ wurde 1972 verabschiedet. Potenzielle Kandidaten werden nach einer Prüfung durch das UNESCO-Welterbekomitee aufgenommen. Die Brühler Schlösser Falkenlust und Augustusburg sind seit 1984 Weltkulturerbe. Der Freiraumkorridor „Rheinische Gärten“ stellt eine Verbindung zwischen dem Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Köln (Seite 30) mit dem Kölner Freiraumnetz (Seite 39) und dem Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Bonn (Seite 32) mit dem Bonner Freiraumnetz (Seite 39) her. An mehreren Stellen ist er eng mit dem Vorgebirgsbach-Gewässernetz (Seite 40) und dem Freiraumkorridor „Römerkanal“ verzahnt. Im Süden der Stadt Bonn mündet der Korridor in den Freiraumkorridor „Grünes C“. Im Kulturlandschaftsnetzwerk verbindet der Freiraumkorridor „Zum Grünen Fächer“ den Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Köln (Seite 30) einschließlich des Kölner Freiraumnetzes (Seite 39) nach Norden hin mit dem Leverkusener Freiraumnetz (siehe Seite 40). Zudem gibt es eine Querverbindung zum Bergischen-Heideterrassen-Waldkorridor (Seite 45). Der Freiraumkorridor „Entlang der Strunde“ sorgt für eine Verknüpfung des Wertvollen Kulturlandschaftsbereichs Köln (Seite 30) einschließlich des Kölner Freiraumnetzes (Seite 39) mit dem Bergische-Heideterrassen-Waldkorridor (Seite 45). Im Kulturlandschaftsnetzwerk stellt der Freiraumkorridor „Zur Wahner Heide“ eine Verbindung zwischen der Wertvollen Kulturlandschaftsbereichen Köln (Seite 30) einschließlich des Kölner Freiraumnetzes (Seite 39) und dem Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Wahner Heide-Königsforst-Siegmündung (Seite 31) her. Er ist zugleich auch mit dem Bergische-Heideterrassen-Waldkorridor verwoben (Seite 45). 48 verbindet die Kommunen Bornheim, Alfter, Bonn, Niederkassel, Troisdorf und Sankt Augustin sowie Landschaften der Ville, der Siegmündung und des Siebengebirges. Linksrheinisch konzentriert er sich dabei auf die letzten, vorwiegend landwirtschaftlich geprägten Freiraumreste eines mit Siedlungs-, Industrie- und Verkehrsflächen nach wie vor expandierenden Ballungsraumes. Auf der rechtsrheinischen Seite findet man eine gänzlich andere Situation. Hier prägen große Naturschutzgebiete und die naturnäheren Landschaften der Siegmündung das Bild. Eine besondere Rolle spielt die Mondorfer Rheinfähre als Klammer zwischen dem links- und rechtsrheinischen Teil des Korridors68. Historisch bedeutsame Freiraumkorridore Auch historisch bedeutsame Reste von Bauwerken und Anlagen schaffen ein räumliches Gerüst für Freiraum – sowohl im Ballungsraum als auch in der freien Landschaft. Dazu zählen beispielsweise noch erhaltene römische Infrastrukturen wie die alten römischen Staatsstraßen, die radial auf Köln zulaufen. Mit ihrer linearen Trassenführung zählen sie noch heute zu den markantesten in der Landschaft ablesbaren Elementen der historischen Kulturlandschaft, auch wenn in der Metropolregion Köln/Bonn große Teile dieser Römerstraßen verloren gegangen sind. Neben den Römerstraßen ist vor allem 68 69 70 Natur und Kultur in ihrer höchsten Verdichtung: Das Netzwerk der Kulturlandschaften die Limesstraße mit Spuren des Niedergermanischen Limes sowie der begleitenden Via Militaris und die Reste der historischen römischen Wasserleitung (Römerkanal) zu nennen. Sie versorgte das antike Köln mit Trinkwasser aus der Eifel. Gleichermaßen gehören zu den historisch bedeutsamen Freiraumkorridoren aber auch Industrieanlagen der Neuzeit, beispielsweise die Braunkohletagebaulandschaft. Der Freiraumkorridor „Via Belgica“ verlässt Köln zwischen den Stadtteilen Müngersdorf und Junkersdorf. Über KölnWeiden erreicht er Frechen-Königsdorf, wo die alte Römerstraße die Ville quert. In diesem Bereich ist ihr Verlauf noch gut erkennbar. Nachdem die Straße zwischen Bergheim und Horrem die Erft überschritten hat, verschwindet sie hinter Elsdorf jedoch im Tagebau Hambach. Erst jenseits der Grenzen der Region bei Baesweiler kann man sie in der Landschaft wieder nachzeichnen. Zu den kulturhistorisch bedeutsamsten Denkmälern an der Via Belgica zählt die Römische Grabkammer in Köln-Weiden69. Ausgehend von Köln-Klettenberg folgt der Freiraumkorridor „Agrippastraße“ auf der Luxemburger Straße, wo sich ebenfalls eine kulturhistorisch bedeutsame römische Grabkammer befindet, der Bundesstraße 265 bis nach Hürth-Kendenich. Bei Hürth-Knapsack verschwinden die Reste der Römerstraße spurlos im ehemaligen Braun- kohletagebau Ville. Nach der Querungsstelle der Erft bei Erftstadt-Frauenthal ist die Agrippastraße in der sich anschließenden Bördelandschaft zwischen Erftstadt und Zülpich dann wieder sehr gut erkennbar70. Der Verlauf des Freiraumkorridors „Limesstraße“ orientiert am Fluss, der ihm den Namen gab. Er erstreckt sich vom Norden Kölns über Dormagen bis nach Neuss und weiter entlang des Rheins bis in die Niederlande. Im Süden von Köln läuft er über Wesseling bis Bonn weiter zum Mittelrhein. Als Niedergermanischer Limes wird dabei die ehemalige Grenze zwischen der römischen Provinz Germania Inferior und der Germania Magna bezeichnet. Der linksrheinische Limes trennte das Rheinland und die Niederlande als Bestandteil des Römischen Reiches von den nur bedingt kontrollierbaren rechtsrheinischen Gebieten. Er begann an der Mündung des Oude Rijns (Alter Rhein) und folgte dem Fluss bis Niederbreisig an der Grenze zur Provinz Germania Superior. Auf der gegenüberliegenden Rheinseite beginnt hier der Obergermanische Limes, der als befestigte Anlage heute zum Weltkulturerbe der UNESCO gehört. Beim Niedergermanischen Limes handelt es sich nicht um eine befestigte Anlage mit durchgehenden Wällen oder Palisaden, sondern um eine Flussgrenze, die wie an der Donau mit einer Kette von Kastellen gesichert war. Über den Freiraumkorridor „Zu den Hitdorfer Seen“ sind das Leverkusener Freiraumnetz (Seite 40) und der Wupper/Wipper-Auenkorridor über die Grenzen der Region hinweg mit dem Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Urdenbach-Worringen verbunden (Seite 29). Im Kulturlandschaftsnetzwerk verbindet der Freiraumkorridor „Grünes C“ den linksrheinischen Wertvollen Kulturlandschaftbereich Ville (Seite 28) mit den rechtsrheinischen Wertvollen Kulturlandschaftsbereichen Wahner HeideSiegmündung (Seite 29) und Siebengebirge-Pleiser Ländchen (Seite 34). Zudem steht es auf der linken Rheinseite im Kontakt zum Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Kottenforst-Drachenfelser Ländchen (Seite 33) und dem Bonner Freiraumnetz mit Bezügen zum Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Bonn (Seite 32). Über den Freiraumkorridor „Rheinische Gärten“ (Seite 47) hinaus ist das „Grüne C“ mit den Auenkorridoren von Rhein (Seite 42) und Sieg (Seite 44), dem Freiraumkorridor „Limesstraße“ und dem Vorgebirgsbach-Gewässernetz (Seite 40) verknüpft. Der Freiraumkorridor „Via Belgica“ bildet im Kulturlandschaftsnetzwerk eine Brücke zwischen dem Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Köln (Seite 30) sowie dem Ville-Kottenforst-Waldkorridor (Seite 45) und dem Erft-Swist-Auenkorridor (Seite 43). Dabei verläuft der Korridor anfangs flächengleich zum suburbanen Freiraumkorridor „Zwischen schnellen Wegen“. Links der Erft schafft er einen Kontakt zur Freiraumspange „Terra nova“ (Seite 49). Natur und Kultur in ihrer höchsten Verdichtung: Das Netzwerk der Kulturlandschaften Dazu zählten neben Köln und seinen Stadtteilen Deutz (Brückenkopfkastell) und Marienburg (Flottenkastell Altenburg) auch Anlagen in Dormagen (Alenkastell), Bonn (Legionslager) und Remagen (Auxiliarlager/Kohorte). Die den Limes begleitende römische Fernstraße Via Militaris verband Niedergermanien mit Obergermanien. Der RheinLimes steht auf der Vorschlagsliste als Weltkulturerbe der UNESCO71. turerbe des Industriezeitalters bandförmig dokumentiert. So soll ein Teil dieses Freiraumkorridors an der „Tagebaukante“ zwischen der Sophienhöhe und der Gemeinde Elsdorf die Dimension des Tagebaus Hambach nachzeichnen und Ausblicke auf die laufenden Abbauarbeiten und die folgende Rekultivierung geben. Ein anderer Teil begleitet die ehemalige Abraumbandanlage zwischen dem Tagebau Hambach, Bedburg und Niederaußem73. Der Freiraumkorridor „Römerkanal“ beginnt analog der Agrippastraße im Äußeren Kölner Grüngürtel bei Klettenberg und läuft über Hürth-Kendenich und Hürth entlang des Vorgebirges bis auf die Höhe von Bornheim. Von hier aus quert der Kanal die Waldville und das Tal der Swist, bevor er die Region in Richtung Nettersheim in der Eifel verlässt. Die römische Wasserleitung war eines der längsten Aquädukte der Römischen Zeit und gilt als größtes antikes Bauwerk nördlich der Alpen. Zahlreiche Spuren und Relikte sind noch heute sichtbar72. Überregionale Verbindungen des Kulturlandschafts­ netzwerkes Außerhalb des Ballungsraumes soll im Braunkohlerevier des Tagebaus Hambach bei Elsdorf die industriehistorisch bedeutsame Freiraumspange „Terra Nova“ geschaffen werden. Geplant ist, dass sie als Grünverbindung das Kul- 71 72 73 74 75 Bei aller regionsspezifischen Ausprägung – das Kulturlandschaftsnetzwerk der Metropolregion Köln/Bonn darf nicht isoliert betrachtet werden. Es weist überregional zentrale und große Verbindungsachsen von internationaler und nationaler Bedeutung sowie kleinere Verbindungsachsen und Kontakte auf. Letztere sind vor allem für die Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz von Bedeutung. Die internationalen Verbindungsachsen verlaufen parallel zu den wichtigsten wirtschaftlichen Entwicklungsachsen zwischen den Metropolregionen Europas. Sie gehören somit zum „ökonomischen Fundament“ der Europäischen Union. 49 Überregional eingeordnet bildet die Metropolregion Köln/ Bonn den südlichen Teil der Metropolregion Rhein-Ruhr, die zu den fünf größten Metropolregionen Europas gehört. Sie ist zudem die bevölkerungsreichste von derzeit elf Metropolregionen in Deutschland und darf als einzige dieser Metropolregionen den Titel Megastadt in Anspruch nehmen. Als solche wurde sie 1995 von der deutschen ­Ministerkonferenz für Raumordnung (MKRO) definiert74. Dies verdeutlicht die Bedeutung der Metropolregion Köln/Bonn als Teil eines noch größeren Ballungsraumes. Das Kulturlandschaftsnetzwerk der Region nimmt eine zen­trale Position im Verbund der europäischen Metropol­ regionen ein75. Über den Freiraumkorridor „Agrippastraße“ ist der Wertvolle Kulturlandschaftsbereich Köln (Seite 30) mit dem Nordrand des Wertvollen Kulturlandschaftsbereichs Ville (Seite 28), dem Ville-Kottenforst-Waldkorridor (Seite 45) und dem Erft-Swist-Auenkorridor (Seite 43) verwoben. Zwischen der Ville und Köln gibt es Kontakte zum Freiraumkorridor „Spuren des Römerkanals“ (siehe folgend). Im Kulturlandschaftsnetzwerk verbindet der Freiraumkorridor „Limesstraße“ den Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Köln (Seite 30) mit den Wertvollen Kulturlandschaftsbereichen Urdenbach-Worringen im Norden (Seite 29) und Bonn im Süden (Seite 32). Der Korridor weist vielerorts eine enge Beziehung zum Rhein-Auenkorridor (Seite 42) auf. Darüber hinaus gibt es einen Kontakt zum Freiraumkorridor „Grünes C“ (Seite 47). Der im Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Köln (Seite 30) beginnende Freiraumkorridor „Römerkanal“ hat Kontakt zum Kölner Freiraumnetz (Seite 39), den suburbanen Freiraumkorridoren (Seite 46) sowie dem VorgebirgsbachGewässernetz. Er quert den wertvollen Kulturlandschaftsbereich Ville (Seite 28) und das Swist-Gewässernetz (Seite 40). Die Freiraumspange „Terra Nova“ steht in Verbindung zum Erft-Swist-Auenkorridor (Seite 43) und mittelbar auch zum Wertvollen Kulturlandschaftsbereich Bürge (Seite 28). Darüber hinaus ist sie mit dem Freiraumkorridor „Via Belgica“ (Seite 48) verknüpft. Die Ministerkonferenz für Raumordnung (MKRO) setzt sich aus dem für Raumordnung zuständigen Bundesminister und den für die Landesplanung zuständigen Ministerien und Senatoren zusammen. Ihre Aufgabe ist es – gestützt auf Paragraph 26 Raumordnungsgesetz (ROG) – grundsätzliche Fragen und Positionen der Raumordnung und Raumentwicklung in Deutschland abzustimmen. 50 EXKURS Dem „Metropoldreieck“ Randstand mit Amsterdam, Utrecht und Rotterdam in den Niederlanden, Brüssel-Antwerpen in Belgien und der Metropolregion Rhein-Ruhr mit Köln/Bonn kommt eine besondere Bedeutung zu. Zusammen genommen weist das Dreieck etwa 20 Millionen Einwohner auf. Es ist zudem ein Scharnier zwischen den Metropolregionen London, Paris, Rhein-Main, Rhein-Neckar, Bremen und Hamburg sowie den Metropolregionen in Ostdeutschland und Osteuropa. Darüber hinaus liegt es im Mittelpunkt der so genannten „Blauen Banane“, die den Großraum zwischen Manchester und Genua bezeichnet. Dieser besitzt eine enorme wirtschaftliche Bedeutung, die zum Teil sogar diejenige US-amerikanischer oder asiatischer Großräume übertrifft. Die Metropolregion Köln/Bonn hat sowohl innerhalb des „Metropoldreiecks“ und der Metropolregion Rhein-Ruhr als auch innerhalb der „Blauen Banane“ die Funktion einer zentraleuropäischen Drehscheibe. Mit dem Verschwinden des „eisernen Vorhangs“ und der Transformation Europas ist die „Blaue Banane“ zu einem Netz-Knoten-System – dem „Blauen Stern“ – geworden, in dessen Zentrum wiederum die Metropolregion Köln/Bonn liegt. Von hier strahlen heute die wichtigen europäischen Entwicklungsachsen aus: nach Westen (London, Manchester), nach Südwesten (Paris, Madrid, Lissabon), nach Süden (Marseille, Mailand, Turin, Genua), nach Südosten (Nürnberg, Wien, Budapest, Bukarest), nach Osten (Hannover, Berlin, Warschau, Moskau) und nach Norden (Bremen, Hamburg, Kopenhagen, Oslo, Stockholm). Natur und Kultur in ihrer höchsten Verdichtung: Das Netzwerk der Kulturlandschaften Diese zentrale Lage wirkt sich auch auf das Kulturlandschaftsnetzwerk der Metropolregion Köln/Bonn aus, das über zahlreiche überregionale Verbindungen verfügt, an erster Stelle die bedeutende Rheinachse. Sie stellt nach Nordwesten eine internationale Verbindung zur Metropol­ region Rhein-Ruhr und weiter bis zur Metropolregion Randstad in den Niederlanden her. Nach Südosten schafft die Rheinachse eine Verknüpfung zum Weltkulturerbe Mittleres Rheintal und zur Metropolregion Rhein-Main sowie darüber hinaus gehend bis nach Südosteuropa. An zweiter Stelle steht Europas große West-Ost-Entwicklungs­ achse, die die Metropolregion ebenfalls kreuzt. Nach Westen reicht sie über die Metropolregion Brüssel in Belgien bis in die Metropolregionen im Norden Frankreichs und im Pariser Becken. Nach Osten eröffnet sie über die Metropolregion Rhein-Ruhr hinaus eine international und national bedeutsame Achse, die über die Metropolregio­nen Hannover/Braunschweig/Göttingen und Berlin bis nach Warschau und Moskau führt. Von ihr zweigt eine weitere europäische Entwicklungsachse in die Metropolregionen Bremen/Oldenburg und Hamburg sowie die Länder Skandinaviens ab. Auch innerhalb Nordrhein-Westfalens ist die ­Einbindung der Region und ihres Kulturlandschaftsnetzwerkes hervorragend. So kann der Nord-Freiraumkorridor über den Chorbusch bis vor die Tore der Stadt Neuss geführt werden, der Erft-Swist-Auenkorridor begleitet die Erft bis zu ihrer ebenfalls im Rhein-Kreis Neuss erfolgenden Mündung in den Rhein. Rechtsrheinisch setzt sich der Nord-Ost- Freiraumkorridor über die Hitdorfer Seenplatte und Monheim bis nach Düsseldorf fort. Der BergischeHeideterrassen-Waldkorrior kann bis Duisburg verfolgt werden, während der Wupper/Wipper-Auenkorridor mit dem Wupperbogen ein wichtiges Scharnier zum Bergischen Städte-Dreieck bildet. Die überregionalen Ostverbindungen innerhalb NordrheinWestfalens beziehen sich in erster Linie auf das WipperGewässernetz und den Bergische Wasserscheiden-Waldkorridor. Vom Gewässernetz der Wipper kann über einen „Wasserscheiden-Kontakt“ eine Verbindung mit weiteren Talsperren bis zum Biggesee hergestellt werden. Zugleich ist es möglich, einen weiteren Waldkorridor abzustecken, der sich als Sauerland-Achse über den Homert bis zum Rothaarkamm zieht. Auch der Sieg-Auenkorridor lässt sich als Sieg-Achse mit Kontakten zu Rheinland-Pfalz bis ins Siegerland fortsetzen. Auf Rheinland-Pfalz beziehen sich auch viele der überregionalen Südverbindungen in Nordrhein-Westfalen. Ein Beispiel ist der wertvolle Kulturlandschaftsbereich Nutscheid-Leuscheid, der eng mit den unmittelbar angrenzenden Waldflächen in Rheinland-Pfalz verwoben ist. Von hier aus erstreckt sich ein Waldkorridor bis in den Westerwald hinein. Eine vergleichbare Verbindung zu angrenzenden Waldflächen gibt es über das Siebengebirge auch im wertvollen Kulturlandschaftsbereich SiebengebirgePleiser Ländchen. Vom Kottenforst und dem Drachenfelser Ländchen aus kann über eine waldreiche Ahr-Achse die Brücke zum Ahr-Auenkorridor in Rheinland-Pfalz geschlagen werden. Eine regelrechte Erft-Eifel-Achse, die bis nach Trier verlängert werden könnte, ergibt sich aus dem Freiraumkorridor „Römerkanal“, dem Erft-SwistAuenkorridor und dem Freiraumkorridor „Agrippastraße“. Würde man hier die alte Römerstraße nachzeichnen, so käme dieser Achse unter kulturellen Gesichtspunkten ebenfalls eine europäische Bedeutung zu. Die Erft-EifelAchse hat im Westen Kontakt zum Rotbach, dem innerhalb Nordrhein-Westfalen die Bedeutung eines Auenkorridors zukommt. Natur und Kultur in ihrer höchsten Verdichtung: Das Netzwerk der Kulturlandschaften Abgesehen von der international bedeutsamen West-OstEntwicklungsachse weist die Region nach Nordwesten und Westen zwei weitere überregional bedeutsame Verbindungen auf. Dabei handelt es sich zum einen um die räumlichen Verflechtungen innerhalb des Rheinischen Braunkohle­ reviers, die über die Grenzen der Metropolregion Köln/Bonn hinaus bis zum Rurtal und in den Rhein-Kreis Neuss reichen, zum anderen um die Verlängerung des Via Belgica-Frei­ raum­korridors innerhalb Nordrhein-Westfalens. An diesem wurde bereits im Rahmen der Regionale 2008 in der Grenz­ region Aachen/Belgien/Niederlande erfolgreich gearbeitet. 51 Aus Sicht der einzelnen Disziplinen: Sektorale Anforderungen an das Netzwerk der Kulturlandschaften Neben allgemein landschaftsbezogenen Perspektiven für die Großlandschaften der Metropolregion Köln/Bonn ist es das Ziel des Masterplans, konkrete Aussagen für einzelne Teilräume zu treffen. Dies erhält vor dem Hintergrund der europäischen Gesamtsichtweise zusätzliche Bedeutung. So werden im Rahmen des Netzwerkes der Kulturlandschaften an ausgewählten Standorten Beispiele für die künftige nachhaltige Nutzung und Gestaltung der Landschaft aufgezeigt und sowohl bereits absehbare als auch mögliche zukünftige Entwicklungen skizziert. Auf diese Art und Weise wird Landschaft erfahrbar – sowohl auf der Ebene ausgewählter Teilräume als auch auf der thematischen Ebene. Eine wichtige Rolle spielen dabei die zu analysierenden Chancen und Konflikte der verschiedenen Fachdisziplinen, beispielsweise der Siedlungsentwicklung, der Land- und Forstwirtschaft, der Wasserwirtschaft sowie der Themenbereiche Kultur- und Naturschutz, Ressourcenlandschaft, Klima, Freizeit und Erholung. Insgesamt zehn Fachbeiträge wurden größtenteils von externen Experten erarbeitet. Sie kommentieren die Thematik aus sektoraler Sicht und erfassen auch Aspekte, die jenseits kommunaler Zuständigkeiten liegen, beispielsweise Strukturen und Vernetzungen oder thematischräumliche Zusammenhänge innerhalb der Region. Aus diesen Beiträgen können raumübergreifende Zukunftsansprüche und Rahmenbedingungen für die künftige Gestaltung von Landschaft und Region abgeleitet werden. Die Beiträge zu den genannten Fachgebieten und Themen sind somit ein wichtiger Bestandteil des Masterplans. In den vergangenen Jahren wurden sie – ebenso wie die Version 2.0 der Masterplanung – in der Region diskutiert, weiterentwickelt und um zusätzliche Themen und Beiträge ergänzt. Dieser dynamische Prozess wird sich fortsetzen, wobei parallel zur Vertiefung einzelner Themenbereiche auch für die künftige Entwicklung wichtige Schnittstellen, Chancen und Konflikte aufgezeigt und analysiert werden. Diese gilt es im Sinne einer gemeinsamen Gestaltung der regionalen Zukunft zu lösen beziehungsweise abzugleichen: sowohl mit Blick auf die gesamte Region als auch insbesondere hinsichtlich ihrer Bedeutung für einzelne Teilräume. Erste, sich aus heutiger Sicht abzeichnende Schnittstellen, Chancen und Konflikte werden in Kapitel 8 im Anschluss an die Fachbeiträge dargestellt. Ihre konkrete raumwirksame Bedeutung für die Teilräume der Region wird im weiteren Verlauf der Masterplanung Schritt für Schritt herausgearbeitet. Die Fachbeiträge des Masterplans setzen sich mit der Thematik des Kulturlandschaftsnetzwerks unter den Aspekten Siedlungsentwicklung, Wasser, Kulturlandschaft und kulturelles Erbe, Naturschutz und Landschaftspflege, Klimawandel und Luftreinhaltung, Land- und Forstwirtschaft, Ressourcenlandschaft sowie Freizeit und Erholung auseinander. Darüber hinaus wird in einem abschließenden Fachbeitrag die besondere Bedeutung des Rheins für die Region herausgestellt. Da alle Fachbeiträge raumbezogen sind, ergeben sich zwischen den verschiedenen Themen zahlreiche Schnittstellen. Dies führt zwangsläufig zu Wiederholungen, erfolgt aber jeweils aus den verschiedenen Sichtweisen der Disziplinen. Das gilt insbesondere für die Themen Klimawandel und Rhein, die eine umfassendere Querschnittsfunktion haben. 53 54Fachbeitrag Siedlungsentwicklung Wachstum und Stabilität in der ‚StadtLandschaft’ steuern Ein Fachbeitrag zum Thema Siedlungsentwicklung von Professor Dieter Prinz, Stadtplaner und Architekt, Kürten Die Herausforderung: Eine aktive Gestaltung der ,StadtLandschaft’ Dynamik und Wechsel kennzeichnen insbesondere in den Metropolregionen die Raumentwicklung in und im Umfeld der Städte. Es ist eine zentrale Herausforderung der Metro­polregion Köln/Bonn, die Siedlungsentwicklung zu steuern und diese ‚StadtLandschaft’ mit ihren Zwischenstädten zu gestalten. Dies erfolgt vor dem Hintergrund, dass entlang der verdichteten Rheinschiene auch in Zukunft mit einem ausgeprägten Wachstum der Siedlungsflächen zu rechnen ist. Zudem stehen im Inneren der Städte Transformationsaufgaben an. Hier geht es beispielsweise darum, Brachflächen für die Innenentwicklung zu reaktivieren oder die Stadtmitten zu stärken. Die Ausgestaltung dieser Prozesse und die Strategie zur Entwicklung der ‚StadtLandschaft’ spielen daher eine wesentliche Rolle für das zukünftige Bild und die nachhaltige Raumentwicklung der Metropolregion Köln/Bonn. Der Verflechtungsraum der ‚StadtLandschaft’ wird als ein dynamischer und in sich vernetzter Übergangsraum zwischen Stadt und Land verstanden. Der ,masterplan :grün’ untergliedert ihn in eine Wachstum- und eine Stabilisierungszone. Beide überdeckt ein Netzwerk aus Grün- bzw. Freiraumflächen (das Geflecht der ‚StadtLandschaft’), das aus den Freiraum „ordnenden“ Korridoren, Radialen, Brücken (Übergängen), Knoten und Portalen besteht. Dabei verbinden die Freiraumkorridore zudem die ‚StadtLand- schaft’ mit den anderen Landschaften der Metropolregion. Ein Ansatz, der deutlich macht, dass sich ein übergreifender strategischer Ansatz für die ‚StadtLandschaft’ mehr an funktionsräumlichen denn an landschaftsräumlichen Einheiten orientiert. In vielen Bereichen ist jedoch eine Überschneidung feststellbar. Der Begriff Verflechtungsraum verdeutlicht, dass die Handlungsfelder und Planungsaufgaben regional betrachtet werden müssen. Hier überlagern sich regionale und kommunale Zuständigkeiten. Daher sollten Ziele, Strategien und Prozessabläufe der übergeordneten und lokalen Ebene gemeinsam konzipiert, koordiniert und in der Umsetzung begleitet werden. Die künftige Entwicklung des Verflechtungsraumes wird von drei Ausgangsfaktoren geprägt. Zum einen muss sie in einem europäischen Kontext gesehen werden. Gelingt es der Region, ,StadtLandschaft’ im Zusammenhang zu gestalten, so kann sie als europäische Metropolregion zu einem „grünen Vorbild“ für Europa werden. Dies sollte ein Qualitätsziel der weiteren Entwicklung sein. Ein weiteres Qualitätsziel resultiert aus der frühzeitigen Auseinandersetzung mit den Perspektiven der gesellschaftlichen Entwicklung. Dabei gilt es regionale Strategien zum Umgang mit Herausforderungen wie beispielsweise dem demografischen Wandel zu erarbeiten. Nicht nur an diesem Punkt ist gemeinsames Handeln gefragt: Wachstum und Stabilität der ‚StadtLandschaft’ können nur über eine regionale Kooperation der Akteure und ein regionales Flächenmanagement gesteuert werden. und suburbanen Kerne als Einheit mit den umgebenden Landschaften gesehen werden müssen. Die regionale Entwicklung im europäischen Kontext Das rheinische Städteband Bonn-Köln-Leverkusen und sein Umland sind Teil einer Metropolregion, die hinsichtlich ihrer geografischen Lage in Europa, ihrer Bevölkerungszahl (und -entwicklung), ihrer Bedeutung als Wirtschafts- und Dienstleistungsstandort sowie ihrer verkehrlichen Infrastruktur gute Chancen hat, eine wichtige und zukunftsfähige Rolle im Wettbewerb der europäischen Metropolregionen zu spielen. Eine konkurrenzfähige Positionierung im nationalen und internationalen Vergleich muss jedoch kontinuierlich erarbeitet werden. Dies kann nur durch eine strukturierte und verlässliche Kooperation der öffentlichen und privaten Akteure in der Region geleistet werden. Der ökonomische Erfolg ist eine entscheidende Voraussetzung für die wirtschaftliche und soziale Stabilität der Städte und der Region. Zugleich aber führt er in vielen Bereichen zu Nutzungskonflikten mit „weichen“ Standortfaktoren und der nachhaltigen Gestaltung der Kulturlandschaft und ihrer Freiräume. Vor diesem Hintergrund geht der Masterplan bestandsbezogen und perspektivisch vor. Er trifft eindeutige Aussagen, die es ermöglichen, die zukünftigen Herausforderungen der Region mit strategischen Konzepten zu meistern. In diesem Sinne zeigt er als flexibles Handlungsinstrument gemeinsame Wege für die Gestaltung der Kulturlandschaften in der Region auf. Gesellschaftliche Perspektiven und ihre Konsequenzen Oberstes Qualitätsziel des Masterplans ist und bleibt es jedoch, die Landschaft der Region im Zusammenhang zu betrachten. In einer ,StadtLandschaft’ wie der der Metropolregion Köln/Bonn beinhaltet dies, dass die urbanen Es ist davon auszugehen, dass die Bevölkerungszahl in der Metropolregion Köln/Bonn – entgegen dem allgemeinen Trend – zumindest in den nächsten zehn Jahren Fachbeitrag Siedlungsentwicklung weiter ansteigen wird. Demografischen Prognosen zufolge wird es gleichzeitig immer weniger junge Menschen geben – der Anteil der Älteren nimmt deutlich zu. Dabei wächst die Zahl nicht erwerbstätiger Menschen. Die Stabilität der Bevölkerungszahlen und der Altersstruktur wird sich auf Migranten und ihre Nachkommen sowie auf Zuzüge von außerhalb der Region stützen. Letztere werden vorwiegend die Kernstädte und ihr direktes Umland zum Ziel haben. Daher werden sich die Aufgaben gesellschaftlicher Integration und die Anforderungen an einen zusätzlichen Flächenbedarf und die Infrastruktur auf diesen Bereich konzentrieren. Für die Stadtgesellschaft hat diese Entwicklung Konsequenzen: Sie wird ethnisch heterogener, multikulturell und sozial fragmentierter sein. Dies kann dazu führen, dass das Ausmaß sozialer Ungleichheiten und kultureller Unterschiede sowie die Häufigkeit von Konflikten und Ausgrenzungen ansteigen. Zugleich eröffnet es die Perspektive einer zunehmenden sozialen Differenzierung innerhalb der Kernstädte und zwischen den Städten und dem Umland. Die Bewältigung der sozialen und finanziellen Probleme müssten die Städte leisten, während sich in den Vorstädten und im Umland eine sozial integrierte, homogene Gesellschaft (Mittelschicht) entwickelte. Eine Folge dieses Szenarios wäre, dass einerseits der wohnbezogene Flächenbedarf in den Kernstädten zurückginge und andererseits der Flächenbedarf im Umland anstiege – hier meist in direkter Konkurrenz zu Freiraum und Landschaft. Ebenso wären erhebliche Auswirkungen auf die Struktur der Zentren und auf das Verkehrsaufkommen zu erwarten. Ein anderes Szenario könnte sein, dass die kulturelle Vielfalt die Attraktivität der Stadt stärkt. Dies zöge vor allem Menschen mit individuell ausdifferenzierten 55 Lebensstilen, hoch qualifizierte Arbeitskräfte aus Technologie, Wissenschaft und Forschung sowie den modernen Dienstleistungsbranchen und gesellschaftlich aktive ältere Menschen an. Sie bevorzugen lebendige städtische Milieus und Chance zur Nähe von Wohnen, Arbeiten und Freizeitgestaltung. Ein Szenario, aus dem sich eine Stärkung der innerstädtischen Wohnstandorte mit gleichzeitig wachsenden Anforderungen an die Qualität ihrer Ausstattung ableiten ließe. Die Folge einer derartigen „Zuwendung zur Stadt“ wären sinkende Einwohnerzahlen in ländlichen Räumen. Die hätte Auswirkungen auf die ortsnahe Infrastruktur und würde zu einer (Wieder-)Verfügbarkeit von Flächen für Freiraum und Landschaft führen. Für beide Szenarien gilt: Sie betreffen die Städte, das stadtnahe und das weiter entfernte Umland mit unterschiedlichen Auswirkungen. Dies macht eindrucksvoll deutlich, dass sowohl sozial orientierte Strategien und eine bedarfsgerechte Infra- und Verkehrsstruktur als auch die Inanspruchnahme oder „Rückgabe“ von Flächen und die Sicherung und Entwicklung der Landschaften Aufgaben sind, die nur auf Basis einer regionalen Kooperation erarbeitet werden können. Betrachtet man parallel die Entwicklung des Arbeitsmarktes, so sorgt die zunehmende Verlagerung von Arbeitsplätzen in den Dienstleistungssektor dafür, dass der Anteil hoch qualifizierter und gut bezahlter Beschäftigungen wächst. Gleichzeitig aber wird es mehr Arbeitsverhältnisse mit niedrigen Qualifikationsanforderungen und geringem Einkommen geben. In den Städten steigt die Bedeutung der kreativen Berufe der Wissensökonomie, die Arbeit wird zunehmend projektförmig organisiert werden, oft in Form befristeter Kooperationen. Die Dienstleistungsstruktur und gesellschaftliche Organisation der Stadt ersetzen die traditionellen Organisationsformen von Unternehmen. Die räumliche Trennung von Wohnen und Arbeiten wird funktional zum Hindernis und verursacht Verluste bei Zeit und Geld. Regionale Kooperation und Flächenmanagement als Qualitätsziel Um auf die dargestellten Entwicklungen reagieren und den Arbeitsmarkt stabilisieren zu können ist eine regional abgestimmte Wirtschaftspolitik erforderlich, die den Strukturwandel als permanenten Prozess begleitet. Aus planerischer Sicht ist sie ein wesentliches Qualitätsziel für die Entwicklung der nächsten Jahre und darüber hinaus. Dabei spielt das nachhaltige Flächenmanagement eine entscheidende Rolle. Ausgehend vom Grundverständnis des Masterplans macht es keinen Sinn, ohne Rücksicht auf die Eignung der regionalen Lage und der Verträglichkeit mit dem Landschaftsraum neue Flächen für Wohnen, Gewerbeansiedlungen und Freizeitanlagen zu diskutieren, ohne dabei einen konkreten Bedarf begründen zu können und ohne dass eine regional abgestimmte Standortqualifizierung vorliegt. Übertragen auf die Metropolregion Köln/Bonn bedeutet dies, dass der Notwendigkeit einer restriktiven Flächenpolitik zum Schutz wertvollen Landschaftsraums ein angemessener Stellenwert in der lokalen Planungs­politik eingeräumt werden muss. Dies gilt vor allem für die rechtsrheinische Mittelterrasse, das Bergische Land und bestimmte Bereiche des linksrheinischen Ballungsraums sowie der Börde und Ville. Auf diese Art und Weise kann die Chance genutzt werden, den vielfach akuten Flächenverbrauch durch ein effizientes Bodenmanagement zu reduzieren und gleichzeitig landschaftliche Freiräume zu schützen und in angemessener Form zu entwickeln. Ein ökologisch und sozial leistungsfähiges sowie ästhetisch 56 attraktives Gerüst von Freiräumen städtischer und landschaftlicher Prägung ist ein stärkendes Standortmerkmal und trägt dazu bei, dass die Landschaftsentwicklung stabilisiert und harmonisiert wird. Projiziert man dies auf die kommunal- und regionalplanerischen Handlungsfelder, so wird klar, dass die Idee einer „regionalen Landschaftskonvention“ als Umsetzung der Ziele der Europäischen Landschaftskonvention (siehe Präambel Seite 7) nur in einem langfristig angelegten und strukturierten Prozess koordinierter Planung auf fachlicher und territorialer Ebene verwirklicht werden kann. Demzufolge geht es in erster Linie um Kooperation im Geiste gemeinsamer Zukunftsverantwortung. Die Bürgerinnen und Bürger der Region sollten dabei von Beginn an als mitgestaltende und mitverantwortliche Akteure der Raumentwicklung beteiligt werden. Es muss darum gehen, gemeinsam adäquate Qualitätsziele und Strategien für die eingangs erwähnten Wachstums- und Stabilitätszonen zu definieren und umzusetzen. Die Wachstumszone: Ordnung als Gestaltungsaufgabe und Qualitätsziel Besondere Aufmerksamkeit kommt den suburbanen Übergangsräumen zwischen den Städten am Rhein und den Landschaften östlich und westlich des Rheintals zu. Der Ballungsraum Rhein-Sieg bildet mit den links- und rechtsrheinischen Siedlungsrändern zum Bergischen Land bzw. zur Großlandschaft der Börde und Ville eine Wachstumszone, an die sich nach Osten bzw. Westen jeweils eine Stabilisierungszone anschließt. In der Wachstumszone weist der Flächenbedarf einen kontinuierlichen Anstieg auf. Die auf die Region wirkenden ökonomischen Kräfte, die neben dem intensiven Flächenbedarf auch große Auswirkungen auf Mobilität und Infrastruktur haben, konzentrieren sich hier vor allem auf die stadtnahen Fachbeitrag Siedlungsentwicklung Bereiche. Dabei ist aus strategischer Sicht die Nutzung brachgefallener Flächen in den Städten der Neuerschließung „auf der grünen Wiese“ vorzuziehen. Diese Zone wird auch in Zukunft unter dem Einfluss von Wachstumsansprüchen stehen. Sie ist und bleibt das Ziel vielfältiger Nutzungsformen, die vom urbanen Raum ausgehend wachsenden Druck auf die Fläche ausüben werden. Hier liegen Fragmente von Wohn- und Gewerbe­ ansiedlungen, Infrastrukturen, landwirtschaftliche Flächen und Erholungsgebiete dicht nebeneinander. Meist sind sie im Rahmen von sektoralen Planungen entstanden – Brüche, harte Grenzverläufe sowie ein Patchwork aus funktionalen und formalen Gegensätzen bestimmen das Erscheinungsbild. Dabei entsprechen die Strukturen und Bilder dieser Landschaft nur selten den Ordnungsprinzipien, die für Stadt und Landschaft in diesem Bereich gelten. Entsprechend wichtig und schwierig ist es, diese Zone mit ihren ambivalenten Eigenschaften ordnend zu strukturieren. Die Herausforderung ist es, eine Hierarchie von funktionalen und gestalterischen Qualitätszielen zu entwickeln und bindend zu vereinbaren. Die Stabilisierungszone: Qualitäten sichern und weiter entwickeln als Ziel Die Stabilisierungszone bezieht sich auf die freien Land­ schaften außerhalb des urbanen und suburbanen Raumes. Sie ist von einem gleich bleibenden bzw. rückläufigen Flächenbedarf gekennzeichnet. Dabei finden vor allem eine Arrondierung der vorhandenen Bauflächen sowie eine Innenverdichtung statt. So gesehen umschreibt der Begriff der Stabilisierung die Aufgabe, die Lebensverhält­ nisse in diesem Bereich ohne großen zusätzlichen Flächen­ verbrauch zu sichern und qualitativ weiter zu entwickeln. Aus planerischer Sicht stehen das vernünftige Abwägen notwendiger lokaler Entwicklungen sowie die Erhaltung des kulturlandschaftlichen Gleichgewichts im Vordergrund. Damit die Funktionsfähigkeit der Stabilisierungszone gesichert werden kann, sind zukünftig sowohl regional ausgerichtete Konzepte bei Tourismusvorhaben, Gewerbe­ ansiedlungen und Verkehrswegplanungen als auch die nterkommunale Zusammenarbeit hinsichtlich der Naherholung, der Pflege des kulturellen Erbes sowie der technischen und sozialen Infrastruktur unerlässlich. Ein Netzwerk der Freiräume in der ‚StadtLandschaft’ Gerade in der Wachstumszone des Ballungsraums bedarf es einer Freiraumplanung, die aus dem Bestand heraus entwickelte, klare Ziele und Bilder vorgibt. Dabei ­sollten die Vernetzung vorhandener Freiflächen und deren Verbin­dung mit neu geschaffenen Freiraumkorridoren im Vorder­grund stehen und angrenzende Landschaftsräume – beispielsweise im Umland der Städte Köln und Bonn – einbeziehen. Ausgehend von den strategischen Qualitätszielen zur Sicherung und Verbesserung der klimatischen, ökologischen und sozialen Funktion dieser Räume müssen auf abgestuften Planungsebenen Entwurfskonzepte für naturräumliche Vernetzungen wie Freiraum-, Wald- und Gewässerkorridore sowie für Infrastrukturtrassen und großzügige Erholungsgebiete erarbeitet und ­verhandelt werden. Beispielhafte Entwurfsaufgaben auf einer konkreteren Planungsebene sind die Ausbildung von Knoten­ punkten und die Verbindung der Freiraumkorridore durch „Brücken“. Zudem geht es darum, die Eingänge (Portale) in die umgebenden Landschaften und verknüpfende Stadt- und Landstraßen (z.B. Alleen) entsprechend auszugestalten. Dazu müssen Qualitätsziele und alternative Lösungsangebote für die Freiraumgestaltung auf interkommunaler Ebene entwickelt werden. Ein Thema könnte beispielsweise die Gestaltung der Grenzbereiche zwischen Fachbeitrag Siedlungsentwicklung den Siedlungsräumen und der Fluss-, Wald- und Agrarlandschaft sein. Das zentrale Qualitätsziel: ‚StadtLandschaft’ ist Landschaft im Zusammenhang Bricht man dies auf die planerische Ebene herunter, so muss die Möglichkeit und Notwendigkeit von E ­ ingriffen in sensibler Abwägung stets neu definiert werden. ­Dabei sollten die Verantwortung für die Orts- und Landschafts­ verträglichkeit gewahrt und deutliche Aussagen getrof­fen werden, wo die Grenzen des Zulässigen liegen. Land­ schafts­ästhetik darf nicht nur ein Ziel im Sinne des Bewahrens und der Wiederherstellung sein – sie beinhaltet zugleich die schwierige Aufgabe, neue und individuelle Landschaftsbilder für die heterogen genutzten und oft (un-)gestalteten Räume in der ‚StadtLandschaft’ zu entwickeln. Gleiches gilt für die Umgestaltung großflächig monofunktionaler Landschaftsräume, die aus wirtschaft­ lichen Gründen ihrer bisherigen Nutzung entzogen werden müssen. Indem Landschaften gestalterisch aufgewertet und „Neue Landschaften“ geschaffen werden – beispielsweise im Gebiet des ehemaligen Braunkohletagebaus – können wichtige Potenziale für regionale Freizeit- und Erholungsaktivitäten entstehen. Diese müssen sich jedoch am Bild der gesamten Kulturlandschaft orientieren. Prinzipiell gilt: Die Schönheit der Landschaft kann sich nicht in isolierten Landschaftsinseln, sondern nur in Zusammenhängen verwirklichen. Auch dies ist ein eindeutiger Vorteil regional abgestimmter Planungskonzepte. 76 57 In allen Bereichen der Region spielen der Erhalt und die weitere Entwicklung des kulturellen Erbes eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, planerische Perspektiven für die Zukunft der Landschaften zu schaffen. Ein Ansatz, der den Aspekt des kulturellen Erbes nicht oder nur wenig berücksichtigt, führt zwangsläufig zu erheblichem Substanzverlust. Daher sollten die Entwicklung und Weiterentwicklung von Freiraumkonzepten sowie die funktionale und ästhetische Gestaltung öffentlicher Räume stets im ganzheitlichen Sinne von ,StadtLandschaft’ verstanden werden. Als Qualitätsziele der Planungs- und Baukultur sind zudem die sorgsame Bewahrung und Aufwertung von zeittypischen Quartiers- und Siedlungsstrukturen, eine rücksichtsvolle Einbindung von kulturell bedeutsamen Ensembles und Bauwerken sowie die Orts- und Stadtgestaltung einschließlich der das Bild prägenden Architektur wichtig. Berücksichtigt man dies, so wird Kultur nicht nur bewahrt, sondern auch neu geschaffen. Denn „Umgebung“ ist immer ein Stück Heimat. Geht sie verloren, verliert die Region auch ein Stück ihrer Identität76. Die europäischen Metropolregionen sind räumliche und funktionale Standorte, deren herausragende Funktionen im internationalen Maßstab über die nationalen Grenzen hinweg ausstrahlen. Sie werden als die „Motoren der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung“ beschrieben und sollen die Leistungs- und Konkurrenzfähigkeit Deutschlands und Europas erhalten. Darüber hinaus sollen sie dazu beitragen, den europäischen Integrationsprozess zu beschleunigen (BMBau 1995). Die Metropolregion Köln/Bonn erfüllt beispielhaft die vier wichtigen Metropolfunktionen: (1) Entscheidungs- und Kontrollfunktion, (2) Innovations- und Wettbewerbsfunktion, (3) Gateway-Funktionen und (4) Symbol-Funktion. 58Fachbeitrag Wasser Qualität im Fluss Ein Fachbeitrag zum Thema Wasser von Professor Dr. Thomas Kistemann und Dipl.-Geogr. Frauke Kramer, Institut für Hygiene und Öffentliche Gesundheit der ­Universität Bonn Die Ausgangssituation: Die „blau-grüne“ Infrastruktur der Region Dem Wasser kommt eine zentrale Rolle bei der Gestaltung von Landschaften und Siedlungsräumen in der Metropol­ region Köln/Bonn zu. Seine Verfügbarkeit ist von herausragender Bedeutung für den Wohlstand, die ökonomische Entwicklung und die Gesundheit von Menschen und Gesell­ schaften. Aufgrund veränderter Nutzungsansprüche hat sich in vielen Industriegesellschaften die Bedeutung der Gewässer gewandelt. Stand in früherer Zeit die Nähe zum Wasser als Standortfaktor für Gewerbe und Industrie im Vordergrund, so können Bäche und Flüsse heute als wichtige Elemente einer nachhaltigen Stadt- und Regionalentwicklung begriffen werden. Sie bilden mit ihren Ufer- und Nah­ bereichen naturnahe Korridore in urbanen, sub- und peri­ urbanen Räumen und spielen so eine große Rolle für Freizeit und Erholung. Die „blau-grüne“ Infrastruktur als „Rückgrat“ der Metropolregion Köln/Bonn stellt in diesem Sinne ein strukturierendes und Identität stiftendes Element dar. Wasser ist zugleich ein Querschnittsthema fast aller Arbeitsfelder und Räume in der Metropolregion Köln/Bonn. Somit wird die Wasserwirtschaft zu einem wesentlichen Bestandteil des ‚masterplan :grün’, denn Wasser ist sowohl für Verkehr und Verkehrsinfrastruktur als auch als Ressource für Trink- und Mineralwasser, als Bewässerungs-, Kühl- und Prozesswasser, als Abwasser und als Vorfluter von abwassertechnischen Anlagen relevant. Hinzu kommen seine ökologische und landschaftsprägende Wirkung, die Nutzung für Erholung und Sport sowie der Einfluss auf das Lokal- und Regionalklima und auf die menschliche Gesundheit. Die Metropolregion Köln/Bonn weist eine außerordentliche Wasservielfalt und -differenziertheit mit zum Teil sehr unterschiedlichen Wasserrealitäten auf. Neben dem die Großlandschaft prägenden Rhein umfasst sie einerseits sehr fließgewässerarme Teilräume wie das Vorgebirge, die Ville und die Börde sowie andererseits sehr fließgewässer­ reiche Teilräume wie das Bergische Land. Im Folgenden werden die wasserwirtschaftlichen Einheiten mit ihren Besonderheiten anhand der im ‚masterplan :grün’ definierten Großlandschaften beschrieben und weiter untergliedert. Der Ballungsraum Rhein-Sieg: Der Rhein mit Auenlandschaft und Terrassen Als „emotionale Achse“ der Region hat der Rhein eine ­herausragende Bedeutung für die Wasserwirtschaft. Er dient als Verkehrsweg, Industriestandort, Vorfluter zahlreicher Nebengewässer und abwassertechnischer Anlagen sowie als Hochflutbett mit Eindeichungen, Überflutungs- und Retentionsflächen. Darüber hinaus hat er eine enorme Anziehungskraft auf Erholungssuchende und Sporttreibende (vgl. Fachbeitrag Rhein, Seite 96). Der Fluss ist eng mit dem oberen Grundwasserleiter der Niederterrassen verbunden, was zu einer hohen Neubildung und einer intensiven wasserwirtschaftlichen Nutzung des Grundwassers führt. Außerhalb der Siedlungsbereiche sind auf den Niederterrassen fast flächendeckend Wasserschutzzonen ausgewiesen. Dies schafft eine Konkurrenzsituation zwischen der Wasserwirtschaft und anderen Nutzungsansprüchen. Die rechts- und linksrheinischen Mittelterrassen sind unter­ wasserwirtschaftlichen Gesichtspunkten sehr unter­schied­ lich ausgeprägt. Während rechtsrheinisch das Moorheidegebiet der Wahner Heide sowie die Unterläufe von Wupper, Dhünn, Agger und Sieg das Landschaftsbild prägen, herrschen linksrheinisch im Übergang zu Börde und Ville im Löß versiegende Vorgebirgsbäche und Trockentäler vor. Börde und Ville: Wasserknappheit und anthropogene Einflüsse Die Börde ist die niederschlagsärmste Region NordrheinWestfalens. Sie ist bereits heute von Wasserknappheit betroffen, die durch den Import von Trinkwasser aus dem Rechtsrheinischen aufgefangen wird. Aufgrund der mächtigen Lößauflagen existiert zudem ein großer Flurabstand des Grundwassers. Die Sümpfungsmaßnahmen des von Nord­westen vordringenden Braunkohletagebaus vergrößern diesen noch. Der Druck wirkt hier zunehmend von zwei Seiten: von oben durch geringe und im Zuge des Klima­wandels weiter abnehmende Niederschlagsmengen, von unten durch die fortschreitende Absenkung des ohnehin niedrigen Grundwasserspiegels (vgl. Fachbeitrag Landwirtschaft, Seite 78, und Fachbeitrag Klimawandel, Seite 72). Charakteristisch für die Landschaft von Börde und Ville sind ferner die tief in den Löß eingeschnittenen Nebenbäche der Erft sowie Trockentäler und Wasserburgen. Die Flussauen der Erft und der Swist werden intensiv landwirtschaftlich genutzt, wobei sowohl der Verlauf als auch der Wasserhaushalt der Erft erheblich durch den Braunkohletagebau beeinflusst werden. Derzeit sind ungefähr 70 Prozent des Erftabflusses Sümpfungswässer des Braunkohletagebaus. Die Ville ist aus wasserwirtschaftlicher Sicht als rekultivierte Braunkohlenfolgelandschaft (anthropogene Seenplatte) von Interesse. Sie wird vorwiegend für Freizeit und Erholung genutzt. Fachbeitrag Wasser 59 Das Bergische Land: Historisch gewachsene Wasserlandschaften des Wassers für die Metropolregion Köln/Bonn lassen sich drei elementare Rahmenbedingungen festmachen: Völlig anders als im linksrheinischen Bereich von ­Börde und Ville gestaltet sich die Gewässersituation des ­Ber­gischen Landes. Die sehr niederschlagreiche ­Region wird von einem dichten und feingliedrigen (Quell-)Gewäs­ sernetz geprägt. Kennzeichnend für die Region ist die histo­risch gewachsene gewerbliche Nutzung des W ­ assers und der Wasserkraft, die im Wesentlichen an den Wasser­ läufen angesiedelt ist. Es gibt in dieser Teilregion kaum nutzbare Grundwasservorkommen. Die zahlreichen Talsperren des Bergischen Landes stellen unter anderem ein wichtiges Trinkwasserreservoir sowie eine Attraktion für Freizeit und Erholung dar. • die klimatische Entwicklung und ihre Auswirkungen auf die Niederschlagsmengen als natürliche Rahmenbedingung; • die EU-Wasserrahmenrichtlinie als rechtlicher Rahmen; • die (Wieder-)Entdeckung von Gewässern als Ressource für Landschaft und Raumgestaltung, Lebensqualität, Wohlbefinden und Gesundheit im urbanen und peri­ urbanen Milieu. Die Mittelrheinische Pforte: Die Quellen offen halten Historische Mineralquellen als Grundlage einer wasserbasierten Gesundheitslandschaft bilden die wasserwirtschaftliche Besonderheit der Mittelrheinischen Pforte. Auf beiden Seiten des Rheins werden diese Quellen nach wie vor offen gehalten, eine wirtschaftliche Nutzung findet jedoch nur noch im rechtsrheinischen Bad Honnef statt. Darüber hinaus wird die Landschaft von kleinen Bächen aus dem Kottenforst ins Bonner Stadtgebiet sowie mehreren Seen im Siebengebirge als – voll gelaufene – Relikte des Basaltabbaus gekennzeichnet. Die Herausforderung: Nachhaltigkeit unter Berücksichtigung klimatischer, rechtlicher und gesellschaftlicher Aspekte Der nachhaltige und kluge Umgang mit dem Grundgut Wasser ist eine der zentralen Herausforderungen unserer Zukunft. Vor allem hinsichtlich der dynamischen Bedeutung Wie im Kapitel zu Börde und Ville beschrieben, herrscht dort eine relative Wasserknappheit. Dieses Problem wird sich – den Klimaprognosen zufolge – in Zukunft aus mehreren Gründen verstärken. Zum einen wird für die Kölner Bucht, gegen den Trend in Nordrhein-Westfalen, ein Stagnieren oder sogar ein leichter Rückgang der Jahresniederschläge prognostiziert. Zum anderen wird eine über dem Landesdurchschnitt von knapp 2 Grad Celsius liegende Erhöhung der Jahresmitteltemperatur erwartet, was wiederum die Verdunstung begünstigt. Der Anteil der Niederschläge, die während der häufiger werdenden Ex­ tremereignisse fallen, nimmt voraussichtlich zu. Dies führt zu einem raschen oberflächlichen Abfluss des Wassers. Zudem werden sich die Niederschläge vom Sommer auf Frühjahr, Herbst und Winter verschieben – eine Entwicklung, die sich insgesamt nachteilig auf die Wasseraufnahme durch die Vegetation auswirken wird. Währenddessen sieht der Trend im Bergischen Land so aus, dass die Niederschlagsmengen in dieser ohnehin wasserbegünstigten Teilregion voraussichtlich zunehmen werden (vgl. Fachbeitrag Klimawandel, Seite 72). Das skizzierte Szenario ist vor allem für die Landwirtschaft in der intensiv genutzten Bördelandschaft ein wichtiges Zukunftsthema, dem man sich frühzeitig mit entsprechenden Konzepten stellen sollte. Exemplarisch seien hier effiziente Beregnungsstrategien und verdunstungsreduzierte Anbauformen (auch Folienkulturen) genannt. Der entscheidende Parameter bei der Frage, wie sich der Klimawandel auf die Landwirtschaft auswirken wird, ist jedoch die Verfügbarkeit von Wasser. Deshalb werden im Regenschatten der Eifel (Zülpicher Börde) Ertragsrückgänge erwartet. Der Unterschied der innerregionalen Wasserrealitäten wird entsprechend akzentuiert werden. So werden die mittleren Abflüsse der Fließgewässer im Winter tendenziell zu-, im Sommer hingegen abnehmen. Auch eine Zunahme entsprechender Extremereignisse ist zu erwarten, was wiederum Auswirkungen auf Pegelstand und Schiffbarkeit des Rheins haben kann (vgl. Fachbeitrag Klimawandel, Seite 72). Mit der EU-Wasserrahmenrichtlinie (EU-WRRL) erschließt sich ein rechtliches Thema, das ebenfalls einschneidende Konsequenzen für den Umgang mit dem Thema Wasser in der Region mit sich bringt. Die EU-WRRL ist seit ihrem Inkrafttreten Ende des Jahres 2000 das Fundament der europäischen Gewässerschutzpolitik. Ende 2004 wurde die Bestandsaufnahme des Gewässerzustandes abgeschlossen, bis zum Jahr 2006 erstreckte sich die Phase der Aufstellung von Monitoringprogrammen. 2010 schließlich sollen die Bewirtschaftungsprogramme und Maßnahmenpläne für die einzelnen Fließgewässersysteme vorliegen. In der Region Köln/Bonn sind dies die Fließgewässersysteme von Erft und Swist, Wupper, Sülz, Agger/Wiehl und Sieg. Für sie gilt grundsätzlich, bis 2015 je nach Vorgabe eines der beiden Qualitätsziele „guter ökologischer Zustand“ oder „gutes ökologisches Potenzial“ zu erreichen. Für den Sonderfall Rhein hat sich die internationale Kommission zum Schutz des Rheins im Jahr 2008 darauf ­verständigt, die biologische Durchgängigkeit so gut wie möglich 60 ­ iederherzustellen, klassische Einträge aus Industrie und w Kommunen ebenso wie diffuse Einträge zu reduzieren und die diversen Wassernutzungen mit Umweltzielen in Einklang zu bringen. Besondere Aufmerksamkeit soll dabei zukünftig chemischen und mikrobiellen Verunreinigungen gewidmet werden, die bislang toxikologisch gar nicht bewertet wurden. Für sie besteht immer noch eine große (Rechts-)Unsicherheit hinsichtlich der Stoffemissionen in Oberflächengewässern, vor allem wenn diese der Trinkwassergewinnung dienen. Veränderte Nutzungsansprüche wandeln die Bedeutung (peri-)urbaner Gewässer: So wurden zwar beispielsweise militärisch bedeutungslos gewordene Wallanlagen einge­ ebnet oder trocken gelegt, bisweilen aber blieben sie als innerstädtische Stillgewässer erhalten. Der Güterumschlag wanderte an die Peripherie der Ballungsräume, so dass Hafenanlagen ihre ursprüngliche Funktion einbüßten und brachfielen. Auch die Wasserenergie hat für die entlang der Bach- und Flussläufe angesiedelten Gewerbe und Industriebetriebe längst ihre Bedeutung verloren. Dieser funktionale Bedeutungsverlust (peri-)urbaner Oberflächengewässer impliziert die Möglichkeit neuer Nutzungen: die so genannte „Waterfront Revitalisation“. Dabei werden natürliche und anthropogene Oberflächen­gewässer als wichtige Elemente einer nachhaltigen Stadt- und Regionalentwicklung umgedeutet. Am Wasser gelegene Standorte bieten weite, unverbaubare ­Ausblicke und die Möglichkeit zur Entwicklung von ­durchgehenden Grünachsen, die zum grünen Rückgrat urbaner ­Räume avancieren können. Wege zum Ufer, zugängliche Uferkanten und die Möglichkeit, das wieder frei gelegte Element Wasser erleben zu können, lassen Uferlagen zum strukturierenden und Identität stiftenden Faktor und zu emotionalen Achsen der Planung werden. Ästhetik und Gestaltung urbaner Gewässer werden verknüpft mit ökologischen, erleb- Fachbeitrag Wasser nispädagogischen, soziokulturellen und kulturellen Aspekten. Derart gestaltetes „Stadtblau“ bildet mit seinen Ufer- und Nahbereichen (Stadtgrün) als „blau-grüne“ Infrastruktur naturnahe Korridore in ­urbanen Räumen. Die nachhaltig funktionsgerechte Qualität und Quantität der Gewässer als Qualitätsziel Für unterschiedliche Nutzungen und Funktionen von ­Wasser und Gewässern bestehen ganz allgemein unter­schiedliche Quantitäts- und Qualitätsansprüche. Die Überlagerung verschiedener Nutzungen und Funktionen ist dabei bisweilen problemlos, in anderen Fällen jedoch ­problematisch oder sogar unmöglich. Dies bedeutet, dass intelligente räumliche und zeitliche ­Entflechtungen der verschiedenen Nutzungsformen und Funktionen im Sinne von Kaskaden absteigender ­Qualitätsansprüche implementiert werden müssen. Die nachhaltige ­Nutzung der Ressource Wasser dient dem Ziel, Wasser für alle gewünschten Nutzungsformen und Funktionen in aus­reichender Qualität und Quantität zu erhalten. Die EU-Was­serrahmenrichtlinie gibt hierzu einen ersten Ordnungsrahmen, sie berücksichtigt hygienisch-mikro­ biologische sowie ästhetische und erlebnisorientierte Qualitätsansprüche jedoch nicht in angemessenem Maße. Darüber hinaus birgt sie Konfliktpotenzial im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit den Zielen des Denkmal- und Kulturlandschaftsschutzes. Ein Beispiel hierfür ist die Situation in Teilen des Bergischen Landes. Hier steht die Erfüllung der Ziele und Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie in einem Gegensatz zu den Interessen des Denkmal- und Kulturlandschaftsschutzes, beispielsweise wenn es um die Sicherung von historischen, an Fließgewässern bestehenden wasserbaulichen Einrichtungen als Kulturgüter geht. Der ‚master­ plan :grün’ kann einen wichtigen Beitrag zur Lösung dieser Konflikte leisten, indem er unter wechselseitiger Wahrnehmung der verschiedenen Interessenslagen einen für beide Seiten akzeptablen Ausgleich herbeiführt. Ein weiterer Konflikt in Bezug zur EU-Wasserrahmenrichtlinie könnte an der Erft auftreten. Der Bestandsaufnahme des Gewässerzustands zufolge ist die Erft in weiten Teilen „heavy modified“. Das würde bedeuten, dass man ihren Abfluss reduzieren müsste, um sie wieder einer natürlichen Entwicklung zuzuführen. Solange aber noch Sümpfungswässer des Braunkohletagebaus abgepumpt werden, müssten dann alternative wasserwirtschaftliche Konzepte entwickelt werden. Auch hier geht es darum, unter Abwägung der Interessenslagen eine für die zukünftige Entwicklung geeignete und langfristig sinnvolle Lösung zu finden. Auch die Gestaltung der Tagebau-Folgelandschaften wird eine wasserwirtschaftliche Herausforderung mit wichtigen Konsequenzen für Regionalklima und Naherholung darstellen. Die Braunkohletagebaue Garzweiler und Hambach sollen nach dem Ende des Abbaus mit Oberflächenwasser, nicht aber Grund- oder Sümpfungswasser befüllt werden. Hierzu kommt bei einer erforderlichen Wassermenge von 110 plus 270 Millionen Kubikmeter Wasser pro Jahr praktisch nur der Rhein in Frage. Die Eignung des Flusses für Wasserentnahmen zur Restseebefüllung wurde zwar kürzlich erst bestätigt, zugleich aber wurde auf die Notwendigkeit, die Entwicklung des Klimawandels und seiner Auswirkungen zu beobachten, deutlich hingewiesen. Die regionale Vielfalt der wasserbasierten Identitäten als Qualitätsziel Um den sehr verschiedenen Erscheinungsformen des Wassers in der Metropolregion Köln/Bonn gerecht zu werden Fachbeitrag Wasser und seine prägende Wirkung auf Siedlungs- und Freiräume zu bewahren und zu optimieren, sollte die regionale Vielfalt der wasserbasierten Identitäten als Qualitätsziel festgeschrieben werden. Das heißt, dass sowohl die natürlichen als auch die anthropogenen („Kulturwasser“) Formen des Wasservorkommens in exemplarischen Projekten geschützt, entwickelt und ans Licht geholt werden müssen. Dabei kann und sollte Wasser auch zukünftig als das verbindende Landschaftselement der Region herausgearbeitet werden. Dies wird allerdings nicht ohne die Bewältigung von Konflikten möglich sein. So stellt beispielsweise die Wasserwirtschaft des Braunkohletagebaus die Region vor gewaltige Aufgaben, deren Lösung von überragender Bedeutung für den gesamten linksrheinischen Teilraum der Region ist. Wasserbaulich und ökologisch besteht hier großer Abstimmungs- und Handlungsbedarf. Zugleich bietet dies aber auch die Chance einer umfangreichen Umgestaltung des Wassermanagements. Eine weitere Besonderheit im Rahmen der regionalen Vielfalt wasserbasierter Identitäten ist die Wasserknappheit in großen Bereichen der Börde – umso mehr, da hier intensive Landwirtschaft betrieben wird. Geht man davon aus, dass sich die Klimaprognosen der Experten bewahrheiten, so kann dies beispielsweise für die südliche Zülpicher Börde einschneidende Konsequenzen haben. Die dort angebauten Sonderkulturen bedürfen einer ständigen Bewässerung, die dann einen noch höheren Wasserimport oder aber einen Effizienzsprung der eingesetzten Bewässerungstechnik benötigen würden. Aus wasserwirtschaftlicher Sicht sollte hier eine der Knappheit angemessene Wasserkultur entwickelt werden, die sowohl die Aspekte Kommunikation und Bewusstseinsbildung bei den Akteuren und in der Bevölkerung als auch die vorsorgende Entwicklung innovativer, wassersparender Konzepte für alle Bereiche der Wasserwirtschaft umfasst. 61 Wasser-Wissen und Wasser-Bewusstsein als Qualitätsziel Das Wissen um und das Bewusstsein für Wasser-Themen spielen in der Region Köln/Bonn eine zentrale Rolle – sei es beim Hochwasserschutz im Ballungsraum Rhein-Sieg, der natürlichen Niederschlags- und damit Wasserknappheit in Teilen des Rhein-Erft-Kreises oder hinsichtlich der Situation der Talsperren und Fließgewässer und ihres Ein­ flusses auf die Landschaftsgestaltung im Bergischen Land. Es ist daher aus wasserwirtschaftlicher Sicht ein Quali­ täts­ziel, regionales Wasser-Wissen zu bündeln und den Menschen in der Region verfügbar zu machen. Eine regio­ nale Wasser-Akademie sollte sowohl einen zentralen als auch einen dezentralen Ansatz verfolgen. In jedem Falle könnte so ein Angebot geschaffen werden, dass die Vielfalt der regionalen Wasseridentitäten und die besonderen Wasserthemen in der Region aufgreift und vermittelt. Ein derartiges Vorhaben kann den Charakter der Metropol­ region Köln/Bonn als innovative Wissenschafts- und Wissensregion unterstützen. „Wasser erleben“ als Qualitätsziel Über die intellektuelle Vermittlung von Wasser-Wissen und Wasser-Bewusstsein hinaus muss es aus wasserwirtschaftlicher Sicht vor allem darum gehen, Wasser mit seiner Dynamik und Kraft in der Region erlebbar und als ästhetisches Landschaftselement mit allen Sinnen wahrnehmbar zu machen. Das Potenzial schließt die aktive Gewässernutzung durch verschiedene Formen wassergebundener sowie uferbegleitender Sportaktivitäten ein. Zudem berücksichtigt es aber auch die soziokulturelle Bedeutung als Ort der Begegnung und des kontemplativen Landschaftserlebens. Zugängliches Stadtblau und frei gelegte periurbane Gewässer haben insofern eine vieldimen- sionale Bedeutung für Gesundheit und Wohlbefinden der Menschen: zum einen ökologisch (Frischluftschneisen, Kühlung, akustische Entkopplung, Trinkwasserressource), zum anderen aber auch als Freiräume für körperliche Bewegung und als Orte sozialen und emotionalen Wohl­ befindens. Dabei sind allerdings verschiedene Prinzipien zu beachten, um Konflikte mit dem Naturschutz sowie anderen Nutzungsformen und der Sicherung von Freiräumen zu vermeiden. Ein wesentlicher Aspekt ist die Bündelung der Freizeitnutzungen im Sinne der Umweltvorschriften. Hier sollte es darum gehen, angepasste und erlebnis­ orientierte Angebote unter Berücksichtigung der Maß­ gaben der EU-Wasserrahmenrichtlinie zu erarbeiten. Besonders deutlich wird der Konflikt zwischen Wassernutzung und Umwelt an den Trinkwassertalsperren im Bergischen Land. Aus wasserwirtschaftlicher Sicht dürfen im unmittelbaren Umfeld der Talsperren nur Nutzungen erlaubt sein, die entsprechende Schutzzonen einhalten und einen behutsamen Umgang mit sensiblen ökologischen Bereichen gewährleisten. Im Ballungsraum Rhein-Sieg hingegen stellt sich ein ganz anderes Problem: Hier darf der erlebnisorientierte Zugang zum Fluss nicht mit einer weiteren „Verkrustung“ der Ufer einhergehen. Flächen in unmittelbarer Nähe des Wassers sollten als Freiräume weiterentwickelt werden, damit ihre Korridorfunktion erhalten bleibt. Auch das Sichtbarmachen von Wasserwegen durch das Freilegen von Gewässern ist ein wichtiges Qualitätsziel in diesem Teilraum der Region. 62 Die Grundlage regionaler Identität Ein Fachbeitrag zum Thema Kulturlandschaft und kultu­ relles Erbe von Dieter Schäfer, Fachbereich Umwelt, Landschaftsverband Rheinland (LVR) , in Zusammen­ arbeit mit Axel C. Welp und Vera Secker sowie den LVRÄmtern für Bodendenkmalpflege und Denkmalpflege im Rheinland und BhSL – Büro für historische Stadt- und Landschaftsforschung Die Herausforderung: Die Vielfalt der Landschaften erhalten Die Bewahrung des kulturellen Erbes ist ein ­wichtiger Beitrag zur nachhaltigen Sicherung der regionalen Identität – nicht nur in der Metropolregion Köln/Bonn. Dabei steuern kulturlandschaftliche Qualitätsziele einer großflächigen Nivel­­ lierung von Landschaften entgegen. Ein probates Mittel, um diesen heute erkennbaren Vereinheitlichungstendenzen ent­gegenzuwirken, ist die Wert erhaltende Nutzung be­stehender Strukturen. Sie trägt idealerweise dazu bei, dass die Vielfalt der Landschaften erhalten bleibt und dass diese Landschaften – und damit die Identifikation mit Region und Heimat – für die Menschen wahrnehmbar und erlebbar werden. Eine wichtige Grundlage der folgenden Ausführungen ist das interdisziplinäre Gutachten der Landschaftsverbände zur erhaltenden Kulturlandschaftsentwicklung in NRW als Beitrag zur Fortschreibung des Landesentwicklungsplan Nordrhein-Westfalen (LEP NRW)77. 77 78 Fachbeitrag Kulturlandschaft und kulturelles Erbe Viele Elemente und Strukturen, die die Kulturlandschaft prägen, sind auf eine kontinuierliche Nutzung angewiesen. Nur so können ihr Erhalt und ihre Pflege sichergestellt werden. In diesem Kontext müssen staatliche Fördermöglichkeiten ausgeschöpft werden. Zudem ist eine qualifi­ zier­te fachliche Begleitung notwendig. Denn wird die Kulturlandschaft genutzt, so kommt dies über die Bedeutung für deren Erhalt und Pflege hinaus auch der Wertschöpfung zugute, beispielsweise durch den Tourismus oder indem Wasserkraft durch Mühlen gewonnen wird. Zugleich sind Kulturlandschaften einer Vielzahl von Einflüssen und Nutzungsansprüchen durch den Menschen, aber auch durch die Natur ausgesetzt. Eine immer größere Bedeutung kommt dabei dem globalen Klimawandel zu. Seine Folgen können Auswirkungen auf die Landschaft und ihr Gefüge haben. Zwar lassen sich konkrete Aussagen über zukünftige Klimaänderungen in der Region derzeit nur bedingt treffen, eine generelle Häufung von Extremwetterereignissen ist jedoch bereits jetzt erkennbar (vgl. Fachbeitrag Klimawandel, Seite 72). Dabei wirkt nicht nur der Klimawandel selbst auf die Landschaft, sondern auch Maßnahmen zu seiner Abmilderung. So kann zum Beispiel ein verstärkter Anbau von Energiepflanzen das Landschaftsbild erheblich verändern. Schon heute geht der Grünlandanteil vor allem dort entsprechend zurück, wo ehemalige Wiesen und Weiden in Ackerland oder Waldflächen mit rasch wachsenden Gehölzen umgewandelt werden. Daher kommt einer landschaftsbild- und naturschutzverträglichen Auswahl der Energiepflanzen eine sehr große Bedeutung zu. Zugleich sollten aber auch geeignete Flächengrößen und eine angemessene räum­ liche Verteilung der Pflanzen gewährleistet sein. Vom Umgang mit der Kulturlandschaft: Sensibilisierung tut Not Die entscheidende Frage lautet, was wir tun können, um die Sensibilität für eine kulturlandschaftsbezogene und denkmalschutzverträgliche bauliche Entwicklung in der Bevölkerung, aber auch bei den handelnden Architekten, Baufachleuten und Behörden zu erhöhen. Ein Ansatz könnte es sein, ein breit gefächertes Informations- und Bildungsangebot zu schaffen, das die regionale Identifika­ tion fördert, Heimat stiftend wirkt und bereits Kinder ein­ bezieht. Die Vermittlung kulturlandschaftlicher Prozesse ist ein wichtiger Bildungsauftrag und ein geeignetes Mittel, um kulturlandschaftliche Inhalte erfahrbar zu machen. Um dies zu erreichen, wird ein umfassendes Informationskonzept auf verschiedenen Ebenen empfohlen. Ein gutes Beispiel für die erfolgreiche Realisierung dieses Ansatzes ist das Kulturlandschaftsinformationssystem NRW (KuLaDigNW)78. Ziel des Projektes ist es, sowohl die Schulen und Hochschulen als auch regionale Multiplikatoren und Initiativen zu integrieren – zum Beispiel den Rheinischen Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz, die Heimatvereine und die Geschichtswerkstätten. Sie alle tragen zur regionalen Identitätsfindung bei. Neben der kulturland- Innerhalb der Region Köln/Bonn kommt bezogen auf die Siedlungsentwicklung den initiierten Projekten des Arbeitsbereichs :stadt der Regionale 2010 eine besondere Bedeutung zu. Hier werden die städtebaulichen Zukunftsthemen der Region exemplarisch anhand von modellhaften Schwerpunktprojekten diskutiert. Jeder der vier Landkreise (Oberberg, Rhein-Berg, Rhein-Erft und Rhein-Sieg) und die drei kreisfreien Städte Köln, Bonn und Leverkusen haben sich auf einen (prominenten) Ort verständigt, an dem die „Zukunft der Stadtentwicklung“ und innovative Ansätze des Städtebaus mit Vorbildwirkung für die Gesamtregion und darüber hinaus gestaltet werden. Landschaftsverband Rheinland, Landschaftsverband Westfalen-Lippe (Hrsg.): Erhaltende Kulturlandschaftsentwicklung in Nordrhein-Westfalen – Grundlagen und Empfehlungen für die Landesplanung, Münster, Köln 2007 Fachbeitrag Kulturlandschaft und kulturelles Erbe 63 schaftlichen Information ist es jedoch auch ein z­ entrales Anliegen, diese Identität in ihren regionaltypischen Aus­ prägungen zu fördern. Aus diesem Grund sollte der behördliche Denkmalschutz eng mit ehrenamtlichen Aktivitäten verbunden und mittels thematischer Schwerpunkte vermittelt werden. Dabei sind folgende Qualitätsziele zu beachten, die dazu beitragen, die Belange von Kulturlandschaft und kulturellem Erbe bei der künftigen Nutzung von Natur und Landschaft gebührend zu berücksichtigen: • In baulich und verkehrstechnisch intensiv in Anspruch genommenen Räumen sollte besonders großer Wert auf die Erhaltung und optische Wirksamkeit der vorhandenen Kulturlandschaften und ihrer Elemente gelegt werden. Durch menschliche Eingriffe stark geschädigte Gebiete sollten mit Bezügen zur jeweils umgebenden gewachsenen Kulturlandschaft neu gestaltet werden. Hierbei können zeitgemäße Gestaltungskonzepte und kreative Interpretationen Akzente setzen. • Die Kulturlandschaften und das kulturelle Erbe müssen in ihrer Geschichtlichkeit, Eigenart, Vielfalt und Schönheit erfasst und dokumentiert werden. Im Zusammenhang mit anderen räumlichen Ansprüchen und Maßnahmen geht es darum, sie schonend zu erhalten und zu entwickeln, so dass ihre Geschichte und Bedeutung ablesbar bleibt. Anzustreben ist dabei eine integrative Landnutzungspolitik als wichtiger Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung der Kulturlandschaften. Neben den genannten Zielen kommt vor allem der interkommunalen Zusammenarbeit eine große Bedeutung zu. Nur wenn insbesondere der Wertediskurs zu den Besonderheiten der Raumkategorie ‚StadtLandschaft’ und „Zwischenstädte“ in der Metropolregion gemeinsam mit Bewohnern und Behörden erfolgt, wird es gelingen, in der Kulturlandschaft entsprechende Freiräume und landschaftlich geprägte Flächen zu bewahren. Entscheidend ist dabei die gestalterische Qualität der Zwischenstadt. Dies bedingt eine baukulturelle Aufwertung und ganzheitliche Landschaftsentwicklung, bei der kulturlandschaftliche Akzente, die eine Region unverwechselbar und einzigartig machen, im Vordergrund stehen. Besonders in den hierfür vorgesehenen Räumen ist aufgrund der Entwicklungsdynamik eine Erfassung des kulturellen Erbes zwingend notwendig. • Bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen sind die geschichtlichen und kulturellen Zusammenhänge sowie regionale Zusammengehörigkeiten zu wahren. Denkmäler und Denkmalbereiche einschließlich ihrer Umgebung und kulturlandschaftlichen Raumbezüge sowie kulturhistorisch bedeutende Landschaftsteile, Landschaftselemente, Ort- und Landschaftsbilder sollten im Sinne einer erhaltenden Kulturlandschaftsentwicklung berücksichtigt werden. • Assoziative Kulturlandschaftsräume sind aufgrund ihrer Bedeutung für die regionale Bevölkerung nachhaltig weiterzuentwickeln. Regionale Entwicklungen, die sich an der Kulturlandschaft und dem kulturellen Erbe als Potenzial imagebildender Standortfaktoren orientieren, sollten verstärkt gefördert werden. Börde und Ville: Silhouetten einer weiträumigen Landschaft bewahren Die rheinische Börde weist eine Vielzahl kulturlandschaftlicher Strukturen auf, die in weiträumige Blickbeziehungen eingebettet sind. Ein übergeordnetes Qualitätsziel ist es daher, die landschaftlichen Silhouetten von Siedlungen, Einzelgehöften und kleinen Wäldern zu erhalten. Die fruchtbaren Lößböden der Börde boten einst günstige Voraussetzungen für die frühe kontinuierliche Besiedlung. Auch in späteren Phasen, besonders in der Römerzeit, blieb der ackerbauliche Gunstfaktor eine Dominante in einem nunmehr fast waldleeren Raum. Die Erhaltung der Agrarnutzung auf den nicht durch Rekultivierung entstandenen Ackerstandorten ist somit ein zentrales kulturlandschaftliches Qualitätsziel. Darüber hinaus sind noch vorhandene und den Raum strukturierende Elemente wie historische Wege, kleine und größere Waldflächen, historisch belegte ­Einzelhöfe und Kleinsiedlungen sowie Bahntrassen mit ihrem typischen Inventar an Gehölzen als Elemente der historischen Kulturlandschaft zu erhalten. Sie sind in hohem Maße Identität stiftend und wirken einer weiteren Nivellierung der Landschaft entgegen. Besonderes Augenmerk verdienen die historischen Wegebeziehungen: Vor allem die Römerstraßen bilden einen hervorragenden Ansatz, um Geschichte in der Landschaft erfahrbar zu machen und historisch gewachsene Beziehungen vor Augen zu führen. Zugleich sind die noch vorhandenen und nicht für Siedlungszwecke beanspruchten Tal- und Auenbereiche auch weiterhin von Bebauung freizuhalten. Sie stellen die wesentlichen linearen Verbindungselemente in der Kulturlandschaft dar und besitzen als Archive der Naturund Kulturlandschaftsentwicklung eine außerordentliche Bedeutung. Eine Gefährdung des kulturellen Erbes der Großlandschaft von Börde und Ville ging und geht vor allem vom Braunkohletagebau, dem starken Siedlungsdruck und der Intensivierung der Agrarproduktion mit ihren spezifischen Produktionsbedingungen aus. Dies führte zum einen zu einer in Teilräumen vollständigen Umgestaltung der Landschaft, zum anderen aber auch dazu, dass historische Strukturen und Kleinelemente verschwinden und das 64 Gesamtbild der Landschaft immer stärker nivelliert wird. Vor diesem Hintergrund lassen sich für die Landschaft von Börde und Ville folgende Qualitätsziele ableiten: • Die charakteristische agrarlandschaftliche Silhouette sollte erhalten werden. Dabei spielt die Wahrung der Ackerbautradition eine entscheidende Rolle. Zugleich sollte die Landschaft durch Schneisen und g ­ eeignete Aussichtspunkte erlebbar gemacht werden – noch vorhandene histo­rische Kulturlandschaftselemente wie zum Beispiel Wegekreuze sollten gesichert und gepflegt werden. Entlang der Gewässer der Ackerbaulandschaft geht es vor allem darum, den Anteil an Grünlandfläche zu vermehren. • Eine besondere Bedeutung haben die historischen Wege­beziehungen. Das gilt sowohl für die offene Acker­ landschaft der Börde als auch für die geschlossene Waldlandschaft der Ville. So müssen die g ­ eradlinigen römischen Heerstraßen müssen ebenso erhalten, sichtbar gemacht und gepflegt werden wie die „­ Breiten ­Alleen“, Jagdschneisen und Querverbindungen ­zwischen dem Kottenforst und der Waldville. • Die „Perlenkette“ der Schlösser und Herrensitze mit ihren Park- und Wasseranlagen sowie die Mühlen entlang der Erft und Swist müssen in ihrem kulturlandschaftlichen Kontext erhalten und gepflegt werden. Dabei sollten Zusammenhänge zwischen Bauwerken und Gartenanla­gen sowie Wegebeziehungen, Alleen, Baumreihen und Wassergräben hergestellt und mit einer ökologischen und kulturlandschaftlichen Renaturierung von Erft und Swist und ihrer Flussauen verbunden werden. • Auch ausgewählte charakteristische Bauwerke, Anlagen und Elemente der Tagebaugeschichte des Braunkohle­ Fachbeitrag Kulturlandschaft und kulturelles Erbe reviers sollten erhalten, dokumentiert und vermittelt werden. Dazu gehören beispielsweise Abgrabungsbereiche und Bandanlagen, aber auch die rekultivierten Landschaften mit ihren bewaldeten Abraumhalden und wiederhergestellten Ackerlandschaften sowie Badeseen und Naturschutzgebieten aus zweiter Hand. Der Ballungsraum Rhein-Sieg: 2000 Jahre Leben mit dem Fluss Im Ballungsraumes Rhein-Sieg konzentriert sich seit 2000 Jahren die Siedlungs- und Wirtschaftstätigkeit der Region. Durch die Ballung verschiedener Funktionen ist hier eine höchst komplexe und dynamische Kulturlandschaft entstanden. Die Tatsache, dass die beiden weltweit anerkannten Kulturgüter – der Kölner Dom und das Schloss Augustusburg – in der Rheinschiene liegen, unterstreicht ihre große kulturelle Bedeutung. Doch auch die Geschichte der Industrialisierung lässt sich in der Rheinschiene erfahren. Hier konzentrieren sich internationaler und nationaler Tourismus sowie alle bedeutenden Verkehrswege. Auch hinsichtlich der Freiräume existieren Areale von herausragender kulturhistorischer Bedeutung, zum Beispiel der Königsforst und die Wahner Heide. Die Wahrung dieser kulturhistorischen Hinterlassenschaften dient sowohl der Identifikation der Bevölkerung mit einem attraktiven Lebensumfeld als auch der Außendarstellung der Region. Lebensqualität und landschaftliche Potenziale spielen in der Dienstleistungsgesellschaft eine zunehmende Rolle bei der Standortentscheidung von Unternehmen. Innerhalb der Großlandschaft Ballungsraum Rhein-Sieg bildet der Rhein das auffälligste kulturlandschaftliche Element mit sehr hohem Identitätswert. Seine assoziative Bedeutung für die einheimische Bevölkerung und den Tourismus ist sehr hoch. Zugleich jedoch hat der Eingriff des Menschen durch Flussbegradigungen, ­Eindeichungen und Kanalisierungen sowohl zu Veränderungen der Kultur­ landschaft als auch zu unterschiedlichsten Auswirkungen auf das kulturelle Erbe geführt. (vgl. Fachbeitrag Rhein, Seite 96). Eine Gefährdung des kulturellen Erbes dieser Großlandschaft geht auch von dem weiterhin starken Nutzungsdruck aus, der auf den zentralen und infrastrukturell gut erschlossenen Flächen des Ballungsraumes lastet. Folge ist eine zunehmende Versiegelung des Bodens und eine Zersiedelung der Landschaft, die oftmals mit der Zerstörung der Geschichtlichkeit eines Ortes einhergeht. Aufgrund der Dichte von Autobahnen, Schienenwegen und Schnellverkehrstrassen, die keine Querungen mehr zulassen, kommt es zur Barrierebildung und Verinselung. So wird eine flächenhafte Erfahrbarkeit der Kulturlandschaft erschwert. Vor diesem Hintergrund werden für den Ballungsraum Rhein-Sieg folgende Qualitätsziele formuliert: • Hauptziel ist die es, die Ablesbarkeit multitemporaler kulturlandschaftlicher Entwicklungen zu erhalten und wiederherzustellen. Dies beinhaltet, die unterschiedlichen städtischen und industriellen Entwicklungsmuster mit ihren lokalen historischen Zeugnissen zu sichern und zu bewahren. Sie tragen erheblich zur Förderung der lokalen Identität bei. Große Bedeutung haben in diesem Kontext auch die historischen Ortskerne, Ortsteile und -silhouetten. • Industriegeschichte sollte erhalten und ablesbar bleiben, die Zeugnisse der Industrialisierung gilt es zu erhalten und in die weitere Entwicklung einzubeziehen. Dies betrifft alle historischen Strukturen und Klein- Fachbeitrag Kulturlandschaft und kulturelles Erbe elemente des Ballungsraums. So sollten zum Beispiel tradierte urbane Industrie-, Siedlungs- und ­Hausformen bei neuen Bauten oder Anlagen beachtet werden. Grund­ sätzlich sollte die Umnutzung bereits vorhandener Bausubstanz und bereits bebauter Fläche Vorrang vor Neuerschließungen haben. • Aus Gründen des kulturellen Erbes sind auch im Ballungs­­ raum vorhandene Freiräume und Waldflächen zu sichern. Gefördert werden sollte insbesondere stadtnahe Land­ wirt­schaft mit einer den Boden schonenden Wirtschafts­ weise. • Die Pflege und der behutsamen Entwicklung des kultu­ rellen Erbes der kurfürstlichen „Residenzlandschaft“ und der Bonner „Demokratielandschaft“ ist ein wesentliches Ziel innerhalb der städtischen Kulturlandschaften des Ballungsraumes. Ihre Bedeutung reicht weit über die Region hinaus. Das Bergische Land: Nachhaltige Nutzung sichert kleinräumige Strukturen Dem Bergischen Land eine herausragende Rolle als Naherholungsraum innerhalb der Metropolregion Köln/Bonn zu. Unterstrichen wird dies durch die Ausweisung großer Landschaftsteile als Naturpark. Dabei ist das Bergische Land ein in seinem Landschaftsbild und seinen Funktio­ nen äußerst vielschichtiger Raum. Auf der einen Seite findet man kleinbäuerliche Strukturen, die in weiten Teilen noch immer gut ablesbar sind, beispielsweise die kleinräumige Siedlungsstruktur in den höheren und mittleren Bereichen mit zugehörigen Ortsbildelementen wie Gärten und Obstwiesen. Andererseits prägt der kleinteilige Wechsel von Offenland und Wald im hügeligen Relief das Landschaftsbild; er ist von hohem ästhetischem Wert. 65 Bereits in der Vergangenheit hat dieses Landschaftsbild zu einer dynamischen Entwicklung des Tourismus und der Naherholung mit einem Schwerpunkt auf Wandern geführt. Zugleich haben sich in den Tälern ausgesprochene Gewerbe-, Industrie- und Siedlungsgassen herausgebildet. Dort finden sich zahlreiche Elemente und Strukturen der Gewerbe- und Industriegeschichte, zum Beispiel Mühlen und Hämmer sowie Relikte des Bergbaus und der Steingewinnung mit ihren Folgenutzungen. Diese gilt es im landschaftlichen Zusammenhang zu erhalten und erlebbar zu machen. Dabei ist die funktionale Teilung des Bergischen Landes zwischen Höhen und Tälern ein hervorragendes Charakteristikum der Landschaft, das es zu wahren gilt. dabei um Bachtäler oder größere zusammenhängende Gebiete handelt. Zudem ist bei der Umsetzung der EUWasserrahmen­richt­linie (WRRL) darauf zu achten, das noch vorhandene Mühlen und Hämmer sowie die Überreste nicht mehr komplett erhaltener Anlage keiner Gefährdung ausgesetzt werden. Die ökologische Aufwertung von Fließgewässern darf nicht dazu führen, dass historische Anlagen, die für die Kulturlandschaftsentwicklung und die regionale Identität des Raumes von besonderer Bedeutung sind, teilweise oder vollständig beseitigt werden. Sie muss stets mit dem Denkmal- und Kulturlandschaftsschutz diskutiert werden, um optimale Lösungen zu finden. Ausgehend von den genannten Kriterien lassen sich für das Bergische Land folgende Qualitätsziele formulieren: Ein wichtiges Thema im Bergischen Land ist das Wasser (vgl. Fachbeitrag Wasser, Seite 58), das eine zentrale Rolle in der Kulturlandschaftsentwicklung des Raumes einnimmt. Die Talsperren sind sichtbarer Ausdruck der Bedeutung, die das Wasser vor allem für die Trinkwasserversorgung der dicht besiedelten Rheinschiene spielt. Darüber hinaus sind sie von hohem ästhetischem Wert und ein wichtiges Ziel für die Naherholung. Hinzu kommt, dass die erhaltenen Anlagen der Wasserkraftnutzung ein Zukunftspotenzial zur Gewinnung regenerativer Energien bieten. Weitere kulturell wertvolle Aspekte resultieren beispielsweise aus der Ausstattung mit kulturlandschaftsbezogenen Museen sowie den historischen Handels- und Heerstrassen im Bergischen Land. Sie sind als Achsen eines flächendeckenden kulturlandschaftlichen Netzwerkes zu verstehen, zu dessen Erschließung sie heute noch genutzt werden. • Um das Gesicht der Landschaft zu erhalten, müssen vor allem die Wald-Offenlandverteilung und die kleinräumigen Siedlungsstruktur mit Dörfern, Kleinweilern und Einzelhöfen in den höheren und mittleren Bereichen bewahrt werden. Dieses Ziel ist eng damit verbunden, Fernblicke und Sichtbeziehungen freizuhalten und in Wert zu setzen. Eine entscheidende Gefährdung des Landschaftsbildes kann hingegen von Aufforstungen ehemals landwirtschaftlich genutzter Flächen ausgehen, wenn es sich • Besonderes Augenmerk kommt auch dem Erhalt von Elementen und Strukturen der Gewerbe- und Industriegeschichte zu. Beispielhaft seien hier Mühlen und • Die Zukunft der Kulturlandschaft und des kulturellen Erbes im Bergischen Land hängt unmittelbar mit dem Erhalt der Land- und Forstwirtschaft zusammen. Daher geht es darum, historische Formen der Waldnutzung, naturnahe Methoden der Waldbewirtschaftung und die mit dem Grünland verbundene Milchwirtschaft zu erhalten. Prinzipiell sollten die regionale Landwirtschaft die damit verbundenen Möglichkeiten der Regionalvermarktung gefördert werden. 66 Hämmer sowie Bergbau und Steingewinnung genannt. Dabei hat trägt die In-Wert-Setzung der Mühlen und ihrer Geschichte zu einer nachhaltigen gewerblichen und touristischen Wertschöpfung bei, sie fördert die umweltund heimatkundliche Bildung sowie das regionale Identitätsgefühl. Dabei ist zu beachten, dass die erhaltenen Wasserkraftanlagen auch zur Gewinnung regenerativer Energie genutzt werden können. • Die weitere städtische, gewerbliche und industrielle Entwicklung im Bergischen Land sollte sich möglichst auf die bereits bestehenden Siedlungen, Flächen und Gebäude in den Siedlungs-, Industrie- und Gewerbe­ gassen konzentrieren. Die Mittelrheinische Pforte: Herausragende Relikte der Kulturhistorie Blickbeziehungen in einem Flusscanyon von außerordent­ licher Schönheit und Harmonie prägen das Bild der mittelrheinischen Pforte. Deren Bewahrung steht als Qualitätsziel an erster Stelle. Demzufolge sollten bauliche Maßnahmen hier stets behutsam erfolgen. Rechts und links des Rheins zeichnen sich Siebengebirge und Drachenfelser Ländchen durch ein markantes Landschaftsbild mit einer Vielzahl kulturlandschaftsgeschichtlicher Elemente und Strukturen sowie zahlreichen Bau- und Bodendenkmälern aus. Manche von ihnen sind weltweit bekannt. Nicht zuletzt deshalb spielen beide Teilregionen eine wichtige Rolle als Naherholungsziel für die Region. Dabei wird die herausragende Rolle des Siebengebirges auch durch die Überlagerung von Schutzgebietskategorien und Bedeutungszuweisungen auf europäischer Ebene deutlich. Kunst- und Kulturgeschichte, Archäologie, Geologie, Vulkanologie und Volkskunde gehen hier eine Verbindung mit der assoziativen Wahrnehmung regionaler Identität ein. Fachbeitrag Kulturlandschaft und kulturelles Erbe Zugleich ist das romantische Landschaftsbild dieser Großlandschaft jedoch durch Disharmonien gefährdet, die sich aus touristischen und gewerblichen Anlagen und Bauwerken sowie Infrastrukturen des Verkehrs ergeben – vor allem, wenn diese architektonisch nicht der Landschaft angepasst sind. Davon ausgehend werden für die mittelrheinische Pforte folgende Qualitätsziele formuliert: • Im Vordergrund steht die Verbesserung der ästhetischen Qualität des kulturellen Erbes und der Baudenkmäler der Mittelrheinischen Pforte. So sollten historische Relikte wieder erlebbar werden – dies könnte an markanten Einzelobjekten wie Drachenfels, Petersberg, Rolandsbogen und Heisterbach profiliert werden. Zugleich geht es auch darum, Identitätsmerkmale und Aufschlüsse aus der geologischen und vulkanischen Entstehungsgeschichte zu akzentuieren sowie sie entsprechend zu vernetzen und zu vermitteln – zum Beispiel über Aussichtspunkte und Sichtachsen. • Über eine gezielte Besucherlenkung sollten besonders störanfällige Bereiche mit Boden- und Baudenkmalen sowie historischer Kulturlandschaftsteile von besonderer Eigenart geschont werden. In diesem Zusammenhang sollten die assoziative Ebene als Sagenregion (Siegfriedsage, Entstehungsgeschichte des Siebengebirges, Mönch von Heisterbach) gestärkt und die Mittelrheinische Pforte als markante Landschaft für die Rheinromantik wahrnehmbar werden. • Das gesamte Landschaftsensemble benötigt eine neue Baukultur. Deren Ziel sollte es sein, künftig kulturlandschaftlich unverträgliche Siedlungen und Wohnhäuser, sowie Gewerbegebiete mit großem Flächenbedarf und zerschneidende Verkehrsinfrastrukturen zu vermeiden. • Über die Vernetzung und Zusammenführung der zahlreichen regionalen Einzelaktivitäten und Akteure sollte die kulturelle Einzigartigkeit von Siebengebirge und Drachenfelser Ländchen herausgearbeitet werden. Dies umfasst Aspekte wie Weinbau, Keramikherstellung und Klosterlandschaften, ebenso wie den kulturellen Hintergrund der Naturschutzgeschichte und die Forschungsgeschichte von Geologie und Archäologie.  67 68 Fachbeitrag Naturschutz und Landschaftspflege Lebensräume sichern und verbinden Vernetzung der Biotope vorantreiben Ein Fachbeitrag zum Thema Naturschutz und Landschaftspflege von Professor Dr. Gerd Schulte, Institut für Landschaftsökologie, Wilhelm-Universität Münster Die zunehmende Verinselung von Lebensräumen inmitten intensiv genutzter und zerschnittener Landschaften hat die Sicherung von bedrohten Lebensräumen im funktionalen räumlichen Verbund zu einer der wichtigsten ­Aufgaben des Naturschutzes gemacht. Ein Qualitätsziel ist es daher, großflächige, zusammenhängende Kernflächen als ­Refu­gial- und Ausbreitungszentren zu erhalten und durch Verbindungsachsen mit gleichzeitiger Habitatfunktion zu schützen. Zugleich geht es darum, dass alle wichtigen Biotopkomplexe der Region in direkt und indirekt zusammenhängenden großen Gebieten bewahrt sowie großund kleinräumig aufeinander bezogen werden. Dies ermöglicht, den Lebensraumansprüchen von Tier- und Pflanzenpopulationen und Lebensgemeinschaften gerecht zu werden und Störungen zu vermeiden. Die Herausforderung: Zäune überwinden helfen Die wichtigsten Herausforderungen von Naturschutz und Landschaftspflege in der Metropolregion Köln/Bonn sind die Pflege der naturräumlichen Verschiedenartigkeit der Landschaft und der Erhalt, die Sicherung und des ­Ausbau des Biotopverbundes sowie die Verbesserung der Biodiversität. Zentrales Anliegen ist es dabei, ­vorhandene Schutzgebiete zu sichern und zu entwickeln sowie weitere, für die Landschaftsentwicklung wie auch für den Biotop­verbund bedeutsame Landschaftsteile unter Schutz zu stellen. Auch wenn der Schutz sensibler Arten nicht ohne größere Tabuzonen funktioniert, geht es keineswegs darum, Zäune zu errichten, um die Natur zu schützen. Im Vordergrund stehen sollte vielmehr, Zäune überwinden zu helfen. Dazu müssen der Naturschutz und die Landschaftspflege in allen Gebieten verankert werden – auch in den intensiv genutzten Kulturlandschaften außerhalb der Schutzgebiete. Zugleich sollte die Vernetzung aller Akteure ausgebaut werden, um gemeinsame Lösungen für eine langfristige Sicherung des Naturerbes zu finden. Ein wirkungsvoller Naturschutz bezieht alle Wirtschaftsbereiche mit ein: die Wasserwirtschaft, die Land- und Forstwirtschaft, den Tourismus, den Städtebau und die Energiewirtschaft. Daher ist es notwendig, in einem kooperativen Prozess mit den Akteuren Ziele zu definieren und Handlungsspielräume und -grenzen festzulegen. Der Masterplan bietet die Chance, einen derartigen Dialog anzustoßen und zu moderieren. Das Kulturlandschaftsnetzwerk der Region mit seinen wertvollen Kulturlandschaftsbereichen, den verbindenden Auen-, Wald- und Freiraumkorridoren sowie den eingewobenen Freiraum- und Gewässernetzen (vgl. Karte, Seite 134) entspricht nahezu vollständig den in der Umsetzung befindlichen oder geplanten groß- und kleinräumigen Biotopverbundsystemen. Dabei enthalten die großräumigen Systeme das Netz der europäischen Schutzgebiete nach der FaunaFlora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) beziehungsweise den landesweiten Biotopverbund in der Region. Für die Region stehen darüber hinaus aber auch die kleinräumigen ökologischen Systeme im Vordergrund, zum Beispiel die regionalen Biotopverbundsysteme im Gewässernetz des Bergischen Landes, auf den Rheinterrassen im Ballungsraum Rhein-Sieg und in den Ackerlandschaften der Börde. Hier liegt das Qualitätsziel darin, sie sowohl hinsichtlich ihres Landschaftsbildes und ihrer Tier- und Pflan- zenwelt zu erhalten. Dabei sind die möglichen Maßnahmen zur Verbesserung der Biodiversität sehr unterschiedlich, denn nur so können die spezifischen Eigenarten der Landschaften bewusst gemacht, bewahrt und entwickelt werden. In ihrer FFH-Richtlinie hat die Europäische Union festgelegt, dass europäisch bedeutsame Naturschutzgebiete in einem kohärenten Netz ausgewiesen werden müssen. Die Umsetzung dieser Richtlinie ist in Nordrhein-Westfalen bereits weit fortgeschritten. Dabei ist wichtig: In der Metropolregion Köln/Bonn liegen nahezu alle FFH- und Vogelschutzgebiete im Netzwerk der Kulturlandschaften. Die großflächigen Schutzgebiete von europäischer Bedeutung befinden sich entweder in den wertvollen Kulturlandschaftsbereichen oder in den verbindenden Auen- bzw. Waldkorridoren. Eine große Herausforderung für die Region ist mit der Sicherung und Pflege der wertvollen Kulturlandschaftsbereiche Wahner Heide-Königsforst, Siebengebirge-Pleiser Ländchen und Kottenforst-Drachenfelser Ländchen verbunden. Sie können aufgrund ihrer Ausstattung an hoch gefährdeten und seltenen Tier- und Pflanzenarten in den bestehenden großflächigen Naturschutzgebieten sogar als regionale Biodiversitätszentren bezeichnet werden – als ein Gebiet mit herausragender Bedeutung für den Schutz national und europäisch bedeutsamer Tier- und Pflanzenarten. Doch die weltweiten Bestrebungen der Vereinten Nationen zur Sicherung der Biodiversität werden zukünftig nicht nur in derartigen Zentren national und regional verwirklicht. Auch außerhalb der Schutzgebiete wird man Hand in Hand mit den Nutzern arbeiten, beispielsweise um gemeinsam mit den Landwirten die Agrobiodiversität zu erhalten und weiterzuentwickeln. Auch der Aufbau eines landesweiten Biotopverbundes mit zusätzlichen schützenswerten Flächen ist weit gediehen. Dieser ist im Landesentwicklungsplan festgeschrieben – die entspre- Fachbeitrag Naturschutz und Landschaftspflege chenden Gebiete in der Region spiegeln sich auch hier nahezu vollständig in deren Kulturlandschaftsnetzwerk. Das Bergische Land: Fließgewässer und Inselbiotope Mit seinen Auenkorridoren und Gewässernetzen deckt das Netzwerk der Kulturlandschaften den regionalen Biotopverbund im Bergischen Land ab. Dieser umfasst die Fließgewässersysteme von Wupper, Dhünn, Sülz, Agger, Wiehl, Sieg und Wahnbach. Hinzu kommen isoliert liegende Inselbiotope der Natur- und Kulturlandschaften, die in den wertvollen Kulturlandschaftsbereichen Dhünn-Altenberg, Heckberger Wald-Leppetal und Nutscheid-Leuscheid liegen und größtenteils bereits als Naturschutzgebiete ausgewiesen sind. 69 ell ist zu beachten, dass die Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie nicht zu Renaturierungsmaßnahmen führt, die das Kulturerbe gefährden oder Freizeitund Erholungsnutzung einengen. Besonders an der Dhünn und an der Wupper bergen die Anliegen des Naturschutzes und die von Freizeit- und Wasserwirtschaft Konfliktstoff. Der Wupper- und der ­Aggerverband kooperieren bereits intensiv mit Behörden und Naturschützern. Das zeigt: Neben der räumlichen Vernetzung ist hier auch eine Vernetzung der Akteure wichtig. Sie dient dem gemeinsamen Ziel, die unterschied­ lichen Nutzungsansprüche mit der Pflege und Entwicklung der Kulturlandschaften und dem Schutz des Naturerbes in Einklang zu bringen. Diese Art der doppelten Vernetzung entspricht einem Kerngedanken des Kulturlandschaftsnetzwerkes. Als Qualitätsziel wird angeregt, den vollständigen Aufbau des regionalen Biotopverbundes mit der Erarbeitung der Gewässerpläne nach der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie abzugleichen. Durch die Wiederherstellung der Flussauen, beispielsweise an der Wupper und an der Dhünn mit deren Nebenflüssen, wird eine räumliche Vernetzung in einer durch Siedlungs- und Industrienutzung zerschnittenen Landschaft hergestellt, ohne dass dazu eine Ausweisung weiterer Schutzgebiete notwendig wäre. Zugleich kann durch die Erhaltung und Förderung der umliegenden Wiesen und Weiden des Bergischen Landes – zum Beispiel für die Milchwirtschaft – eine räumliche Vernetzung mit den Gewässernetzen geschaffen werden, die für den Biotopverbund dieses Teilraumes charakteristisch ist. Das Qualitätsziel „Biotopverbund auf den Rheinterrassen“ verbindet wertvolle Lebensräume in den Überflutungsbereichen der Rheinaue mit charakteristischen Flächen und Landschaftsstrukturen der Mittel- und Niederterrassen des Flusses. Ein Beispiel sind die Rheingummen, ehemalige Rheinarme, die heute noch in der Landschaft auszumachen sind. Solche landschaftstypischen Strukturen und Flächen sind beispielsweise im Raum von Bornheim bereits miteinander vernetzt. Große Bedeutung kommt dem Qualitätsziel „Regionaler Biotopverbund“ auch für die nachhaltige Sicherung der Wanderfische in Wupper, Dhünn, Agger, Sülz und Sieg zu. Dies umfasst das national und international bedeutende Programm zur Wiedereinbürgerung des Lachses. Prinzipi- Es ist derzeit nahezu unmöglich, über ein Schutzgebietsnetz in der dicht besiedelten und durch Ackerbau bzw. Obst- und Gemüseanbau geprägten Kulturlandschaft der linksrheinischen Rheinterrassen einen geschlossenen Biotopverbund aufzubauen. Eine wichtige Grundstruktur Der Ballungsraum Rhein-Sieg: Rheinauen, Freiraumsicherung und Nationales Naturerbe für einen solchen regionalen Verbund kann erst entstehen, wenn die im Kulturlandschaftsnetzwerk dargestellten Freiraumkorridore zwischen Köln und Bonn gesichert und mit den Freiraumnetzen der beiden Städte verknüpft werden. So kann es auch gelingen, das innerstädtische Grünnetz der Stadt Köln mit dem Umland zu verbinden. Die Freiraumsicherung für den charakteristischen Aufbau des regionalen Biotopverbundes Rheinterrassen geht davon aus, dass Acker-, Obst- und ­Gemüseanbauflächen erhalten bleiben. Die Rheinterrassen unterliegen seit Jahrhunderten einer intensiven Nutzung durch den Menschen. Daher ist es gerade dort notwendig, charakteristische Landschaftselemente zu sichern, die die sehr speziellen Wechselbeziehungen zwischen Wasser, Natur und Menschen bezeugen. Ein Ziel ist es, nicht bewirtschaftete Agrarsäume wie Feldraine, Wegränder, Hecken und Brachestreifen mit schwach bewirtschafteten Flächen wie Blüh- oder Ackerstreifen zu vernetzen. Auch die landwirtschaftlichen Betriebe mit ihren Hofeingrünungen und Gärten sollten Teil dieses Agrarnetzwerkes sein. Auf der rechtsrheinischen Mittelterrasse hingegen existiert bereits ein nahezu durchgehender Korridor sehr wertvoller und großflächiger Naturschutzgebiete. In dessen Zentrum liegt die Wahner Heide, die seit 2008 zum „Nationalen ­Naturerbe“ der Bundesrepublik Deutschland gehört. Für die Region unterstreicht dies die Aufgabe, dafür Sorge zu tragen, die charakteristischen Natur- und Kulturland­ schaften mit ihren vielfältigen Lebensräumen und heimischen Tier- und Pflanzenarten sowie ihrem „Nationalen Naturerbe“ zu sichern. Gerade dieses Erbe gilt es als wesentlicher Bestandteil unserer Heimat. Als Lebensgrundlage und Basis für die Lebensqualität in der Region muss es auch für zukünftige Generationen bewahrt werden. Aus diesem Grund übergab die Bundesregierung Teile der 70 Wahner Heide, die ansonsten möglicherweise veräußert worden wären, für einen dauerhaften Erhalt an die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU). Der Wahner Heide kommt somit eine besondere Bedeutung als „Suburbanes Nationales Naturerbe“ zu. Es gibt kein vergleichbares Gebiet in den Ballungsräumen und Metropolregionen Deutschlands. Fachbeitrag Naturschutz und Landschaftspflege alten römischen Straßen. Wenn es gelingt, diese Straßen mit ihren begleitenden Räumen erlebbar zu machen und mit dem Naturerbe zu verbinden, kann dies eine Aufwertung der ganzen Region bewirken. Agger-, Bröl- und Siegauen, Hangelarer Heide, Siebengebirge und Kottenforst notwendig, der nach Osten bis zu den Wäldern des Nutscheid und Leuscheid reichen könnte (vgl. Kapitel Kulturlandschaftsnetzwerk, ab Seite 27). Die Mittelrheinische Pforte: Grüner Kranz mit europäischem Naturerbe Ein derartiger Nationalpark könnte sich auch als Geburtsstätte und Visitenkarte des Naturschutzes in Deutschland darstellen. Das Naturschutzmuseum in der Vorburg von Schloss Drachenburg könnte dazu als wichtiger Partner und zugleich als Portal dienen. Hier werden die Geschichte und die Motive des Naturschutzes über fast 200 Jahre hinweg herausarbeitet und zur Diskussion gestellt. Die Börde: Naturschutz in der Ackerlandschaft Ein weiteres Qualitätsziel zum regionalen Biotopverbund wird für die Bördelandschaft im linksrheinischen Teil der Region formuliert. Dieses unterscheidet sich deutlich vom Schutz naturnaher Wälder oder Flussauen. Mit dem wertvollen Kulturlandschaftsbereich Bürge, dem ErftSwist-Auenkorridor und dem Swist-Gewässernetz gibt das Kulturlandschaftsnetzwerk dem Biotopverbund lediglich Anknüpfungspunkte. Über die Ausweisung von Schutzgebieten kann in dieser großflächigen Ackerlandschaft kein Biotopverbund aufgebaut werden. Die europäisch bedeutsamen Naturschutzgebiete Siegmündung, Siebengebirge und Kottenforst sowie Teile der Waldville verleihen der Mittelrheinischen Pforte einen „Grünen Kranz“ von annähernd 10.000 Hektar Größe. Dies ist eine im Vergleich mit anderen Ballungsräumen und Metropolregionen in Deutschland und Europa einmalige ökologische Situation und ein Alleinstellungsmerkmal der Metropolregion Köln/Bonn (vgl. Seite 17). Ergänzend zu den Bachtälern, Brachflächen und Dorfeingrünungen der Börde kommt den Saumbiotopen – beispielsweise Hecken, Gehölzreihen, Feldrainen, Ackerstreifen, Blühstreifen und Wegrändern – eine besondere Bedeutung für den Biotopverbund und die Förderung der Agrobiodiversität als Rückzugsraum für Tiere und Pflanzen zu. Seit 2008 wird die Ausweisung des Siebengebirges als Nationalpark diskutiert. Aufgrund einer Entscheidung aus dem Jahr 2009 ist sie zunächst einmal zurück gestellt worden. Folgt man den klassischen Zielen eines National­ parks, dann müssten den Wäldern des Siebengebirges auf dem weitaus größten Teil der Fläche eines zukünftigen Nationalparks eine ungestörte und natürlich Waldentwicklung zurückgegeben werden. Das würde zum Beispiel eine Tabuisierung und Sperrung der Wälder bedeuten. Es ist zu prüfen, ob die Verzahnung von ökonomischen und ökologischen Leistungen im Rahmen der anstehenden europäischen Agrarreformen für den Aufbau des regionalen Biotopverbundes genutzt werden kann. Auch die kultur­ geschichtlich bedeutsamen Landschaftselemente könnten in einem regionalen Biotopverbund eine ökologische Wirkung entfalten. Das gilt zum Beispiel für viele Randbereiche der fränkischen Vierkanthöfe und alte Hohlwege sowie insbesondere für die Trassen und die Randbereiche der Von großer Bedeutung für eine mögliche Ausweisung des Siebengebirges als Nationalpark ist seine Lage im Verbund eines Grünen Kranzes von Naturschutzgebieten. Dazu führt der ehrenamtliche Naturschutz richtigerweise aus, dass erst mit einem räumlichen Verbund der bestehenden wertvollen Naturräume die Naturschutzfunktionen und die monetären Investitionen in ein solches Projekt wirksam werden. In diesem Kontext wäre ein Verbund der Naturschutzgebiete aus Königsforst und Wahner Heide, Akteursvernetzung als besonderes Qualitätsziel Während die Ausweisung von Naturschutzgebieten als gesetzlicher Auftrag bereits weit fortgeschritten ist, bestehen noch Lücken in der Pflege und Entwicklung dieser sensiblen Gebiete. Daher müssen für alle Naturschutzgebiete Maßnahmenpläne erstellt werden, um ihren Wert angesichts eines zunehmenden Nutzungsdruckes zu erhalten und zu verbessern. Dies setzt neben einer ausreichenden Personalausstattung der Naturschutzverwaltungen eine Kooperation aller Betroffenen voraus. Eine derartige Akteursvernetzung dient sowohl dem Austausch von Informationen und Ideen als auch der Koordination von Maßnahmen. Darüber hinaus kann sie auch bei der Beschaffung von Mitteln hilfreich sein. Sie spiegelt einen demokratischen Planungsansatz wider: Naturschutz wird nicht „von oben“ verordnet, sondern gemeinsam von allen Betroffenen in deren Sinn verwirklicht. Eine Idee, die im Rahmen des Kulturlandschaftsnetzwerkes zusätzlich gefördert wird, denn nur so lässt sich der Erhalt des Naturerbes und der Kulturlandschaften langfristig sichern. Fachbeitrag Naturschutz und Landschaftspflege Das gilt insbesondere für die Pflege und Entwicklung der Großnaturschutzgebiete im Umfeld der Städte von Köln und Bonn – beispielsweise die Wahner Heide, den Königsforst, die Siegmündung, das Siebengebirge oder den Kottenforst. Sie setzt eine enge Zusammenarbeit des amtlichen und ehrenamtlichen Naturschutzes mit Waldbesitzern, Denkmalpflegern und Kulturlandschaftsexperten sowie mit Wirtschaftsunternehmen, Verkehrsträgern, Freizeitverbänden und anderen voraus. Gefragt sind Kooperationsmodelle, die geeignet sind, um die Besucherströme aus dem Ballungsraum zu lenken. Sie sind dringend notwendig, da eine weitere (ungelenkte) Steigerung der Verkehrsund ­Besucherströme die empfindliche Biodiversität der Schutzgebiete bedrohen würde. Um hier einvernehmliche Lösungen zu finden, die den Erhalt und die nachhaltige Nutzung der Gebiete sicherstellen, ist unter anderem die Realisierung neuer Akteursmodelle denkbar. Erste Beispiele dieser Art gibt es bereits: In der Dhünnaue funktioniert die Kooperation – in diesem Falle mit dem Wupperverband – sehr gut. Dies führt gleichzeitig auch zu einer räumlichen Vernetzung der Auensysteme und damit zum Aufbau eines Kulturlandschaftskorridors. Interessant ist die Frage, inwieweit sich solche Modelle auch auf andere sensible Gebiete der Region übertragen lassen. Doch auch außerhalb der Großschutzgebiete ist eine ­stärkere Zusammenarbeit der Akteure wünschenswert. Um diese zu erreichen bieten sich vor allem solche Naturschutzthemen an, die weit reichende Überschneidungen zu anderen Bereichen aufweisen, beispielsweise zum Schutz des Wassers, des Waldes und des kulturellen Erbes. 71 72Fachbeitrag Klimawandel und Luftreinhaltung Mit dem Klimawandel leben Ein Fachbeitrag zum Thema Klimawandel und Luftreinhaltung von Ulrich Jansen, Frederic Rudolph und Steven März, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH, mit einem Exkurs zum Thema Luftreinhaltung von Professor Dr. Gerd Schulte, Institut für Landschaftsökologie, Wilhelms-Universität Münster Die Herausforderung: Dem Klimawandel aktiv begegnen Der Fachbeitrag Klimawandel widmet sich einer zentralen Herausforderung für die Zukunft der Raumentwicklung in der Metropolregion Köln/Bonn: dem Umgang mit dem Klimawandel. Nach einer Beschreibung der aktuellen Situation befasst er sich sowohl mit dem Problem des Klimawandels und seiner möglichen Folgen als auch mit dem des Stadtklimas in der Region. Dabei wird deutlich, dass die Raumentwicklung vor zwei zentralen Herausforderungen steht: Wie agieren beziehungsweise reagieren wir vor dem Hintergrund des Klimawandels und wie schaffen wir ein gesundes Stadtklima? Wie in ganz Nordrhein-Westfalen wird das Klima auch in der Metropolregion Köln/Bonn von der geographischen Nähe der Nordsee und damit durch den Golfstrom beeinflusst. Daraus resultieren milde Winter und gemäßigte Sommer. Teilweise gerät das Klima zudem unter den Einfluss von Hochdruckwetterlagen aus östlicher Richtung (Kontinentalklima). Überwiegend jedoch ist der Einfluss der Westwinddrift spürbar. Regelmäßige Tiefausläufer bestimmen vom Atlantik kommend mit entsprechenden Niederschlägen die Wetterlage. 79 Die topographische Situation der Kölner Bucht – also des Gebietes von Börde, Ville, Ballungsraum Rhein-Sieg und Mittelrheinischer Pforte – ist durch die Verengung des Rheintals in südlicher Richtung geprägt. Der so entstehende Kanaleffekt beeinflusst deutlich die Windgeschwindigkeiten. Währenddessen verlaufen das Bergische Land und das Rheinische Schiefergebirge mehr oder minder quer zur Westwinddrift als Hauptwindrichtung. Die herangeführten Luftmassen erwärmen sich über der Börde und führen nur wenig Niederschlag mit sich. Beim Strömungsstau östlich des Rheins entlang des Bergischen Landes und beim folgenden Anstieg an seinen Höhen­ zügen, kommt es zur Abkühlung der Luftmassen und damit zu einem deutlich Anstieg des Niederschlages. Daher betragen die mittleren Niederschläge in der Kölner Bucht im Jahr nur 550 bis 800 Millimeter – die Jahresmitteltemperatur erreicht Werte zwischen 9 und 11 Grad Celsius. Mit rund 170 bis 190 Tagen ist die Vegetationszeit (diese beginnt bei einer Temperatur von mehr als 10 Grad) relativ lang, die mittlere Temperatur in dieser Zeit beträgt 15 bis 17 Grad. Im Bergischen Land steigen die Niederschläge im Jahresmittel auf relativ kurzer Distanz von 800 Millimetern im Westen auf über 1350 Millimeter im Osten an. Hier beträgt die Jahresmitteltemperatur 7 bis 10 Grad – die Vegetationszeit liegt am Fuß des Bergischen Landes bei rund 180 Tagen, in den höheren Lagen bei 150. In der Vegetationszeit wird eine mittlere Temperatur von 13 bis 16 Grad erreicht. Problemaufriss zum Klimawandel: Wege aus der Krise Die genannten Werte sind wichtig, denn der Klimawandel wird spürbar für eine Veränderung der langfristigen klimatischen Mittelwerte sorgen. Hinzu kommen eine Weitere Informationen zum Kulturlandschaftsinformationssystem finden Sie unter www.kuladignw.de. verstärkte Klimavariabilität sowie eine qualitative und quantitative Zunahme von Wetterextremen. Damit stellt der Klimawandel eine der größten Herausforderungen für die Menschheit dar, er ist bereits im Gange, seine Auswirkungen sind heute schon spürbar. Ambitionierte Maßnahmen zum Klimaschutz könnten in den nächsten beiden Jahrzehnten die Ausprägung möglicher Veränderungen mitbestimmen und damit ­besonders schlimme Folgen des Klimawandels mindern. Die Prognosen des Weltklimarats IPCC79 verdeutlichen jedoch, dass sich die Menschheit selbst bei Durchführung engagierter Maßnahmen zur Reduktion von Treibhausgasemissionen auf ein verändertes Klima einstellen muss. Es ist absehbar, dass extreme Wetterereignisse wie Hitze­ sommer und starke Niederschläge zunehmen werden. Dabei wird sich der Klimawandel in Deutschland regional sehr unterschiedlich auswirken. So erwartet das Umwelt­ bundesamt beispielsweise für die Nordseeküste und das nordwestdeutsche Tiefland eine deutliche Zunahme der Niederschläge im Winter, während an der Küste der Ostsee und im nordostdeutschen Tiefland ein besonders starker Rückgang der Niederschläge im Sommer prognostiziert wird. Doch nicht nur im Norden und in der Mitte, auch in Süddeutschland wird sich das Klima verändern. Hier werden die Winter wärmer, es wird weniger Schnee, dafür mehr Regen fallen. Parallel nimmt die Zahl der heißen Tage im Sommer zu, die Gefahr von Extremwetterereignissen wie Hochwasser oder lang andauernden Trockenperioden steigt. Betrachtet man die potenziellen Auswirkungen des Klima­ wandel in der Metropolregion Köln/Bonn, so gewinnen vor Fachbeitrag Klimawandel und Luftreinhaltung allem zwei Fragen an Bedeutung: Welche Anpassungsmaßnahmen sind möglich und welche Maßnahmen stehen zur Minderung von Kohlendioxid als Antwort auf den Klimawandel zur Verfügung? Der Masterplan konzentriert sich dabei zum einen auf Maßnahmen des Flächenschutzes in der Forst- und Landwirtschaft und solche der Freiraumsicherung sowie zum anderen auf Maßnahmen zur Minderung des Kohlendioxid-Ausstoßes im Freizeitverkehr. Die Entwicklung der Temperaturen im Klimawandel Auch in Nordrhein-Westfalen wird sich der vom Menschen gemachte Klimawandel auf die Entwicklung der Tempera­ turen und Niederschläge auswirken. Ein Klimaszenario des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW prognostiziert hier eine Erhöhung der durchschnittlichen Lufttemperatur bis Mitte des 21. Jahrhunderts um etwa 1,7 Grad gegenüber dem Referenzzeitraum (1951-2000). Besonders in der Periode bis zum Jahr 2025 könnte ein deutlicher Temperaturanstieg um 1,3 Grad stattfinden, der in der Niederrheinischen Bucht etwas über dem Landesdurchschnitt liegen dürfte. Demnach wird die mittlere Jahrestemperatur in Nordrhein-Westfalen in der Mitte des 21. Jahrhunderts voraussichtlich etwa 11 Grad betragen, für die Niederrheinische Bucht werden etwa 12,2 Grad prognostiziert. Damit bliebe der Raum Leverkusen auch künftig mit einer erwarteten mittleren Jahrestemperatur von 13 Grad landesweit die wärmste Region. Bis zum Ende des 21. Jahrhunderts könnte die mittlere Erwärmung jedoch auch stärker ansteigen. Dies hängt nicht unerheblich von der Höhe zukünftiger Treib­ hausgasemissionen und der Intensität der Anstrengungen zur Reduktion dieser Emissionen ab. Verbunden mit der prognostizierten Erwärmung ist die wahrscheinliche Zunahme von Sommertagen, an d ­ enen 73 die Tageshöchsttemperatur 25 Grad erreicht oder überschreitet, sowie heißen Tagen, an denen sie gar 30 Grad und mehr erreicht. Gleichzeitig würde die Zahl der Eistage, an denen die Lufttemperatur nicht über 0 Grad steigt, abnehmen. Auch die der Frosttage mit einem Minimum der Lufttemperatur unter 0 Grad würde geringer. Für die Mitte des 21. Jahrhunderts erwarten Szenarien für Nordrhein-Westfalen im Vergleich zu heute insgesamt eine Zunahme von 18 Sommertagen, davon 6,4 heiße Tage. Dies entspräche einem Plus von fast 70 Prozent bezogen auf die Sommertage und einen Anstieg der heißen Tage um das 2,5-fache. Für die Niederrheinische Bucht wären die relativen Änderungen mit 64 Prozent mehr Sommer­ tagen und 2,3 mal so vielen heißen Tage geringer als für das gesamte Bundesland. Allerdings könnten (ähnlich wie im Referenzzeitraum) auch die Tropennächte zunehmen, in denen die Temperatur nicht unter 20 Grad fällt. Winterliche Ereignistage hingegen wird es den Prognosen zufolge deutlich seltener geben. Der mittlere Rückgang der Frost­ tage liegt demnach bei 21 Tagen beziehungsweise 31 Prozent für ganz NRW. Der Rückgang der Eistage beliefe sich auf sechs Tage beziehungsweise 42 Prozent. schwach aus – hier bliebe die Niederschlagsmenge relativ stabil. Die Entwicklung der Niederschläge im Klimawandel Die Zahlen zeigen: War im Referenzzeitraum der ­Sommer mit 234 Millimetern in Nordrhein-Westfalen noch die feuchteste Jahreszeit, könnten Mitte des 21. Jahrhunderts die Sommermonate die trockensten Monate im Jahr sein. Durch die zeitliche Verschiebung der Niederschlagsmengen würden im Gegenzug die Wintermonate deutlich feuchter. Dies verdeutlicht Tabelle 2. Nicht nur die Temperaturen, auch die Niederschläge ­werden sich durch den Klimawandel ändern. Demnach wird sich der Trend der Zunahme der Jahresniederschläge, wenn auch schwach ausgeprägt, bis zur Mitte des 21. Jahr­ hunderts fortsetzen. Für Nordrhein-Westfalen wäre dies den Szenarien zufolge gleichbedeutend mit einer Zunahme der Niederschlagsmenge um 30 Millimeter, das entspricht drei Prozent pro Jahr. Dies würde zu einer Gesamtnieder­ schlagsmenge von 906 Millimetern jährlich führen. In der Niederrheinischen Bucht fiele die Zunahme mit nur 4,5 Millimeter gegenüber dem heutigen Zustand relativ Anders jedoch stellt sich die Situation bei der saisonalen Entwicklung, also der Verteilung der Niederschläge im Jahresgang, dar. Hier ist davon auszugehen, dass die Niederschläge im Frühjahr, Herbst und Winter zunehmen, für den Sommer hingegen wird eine deutliche Abnahme erwartet. Für die Niederrheinische Bucht würde sich diesbezüglich der nordrhein-westfälische Trend bestätigen, wenn auch in leicht abgeschwächter Form (vgl. Tabelle 1). Tabelle 1: Prozentuale Änderung der Niederschlagsmengen in der Dekade 2046-2055 gegenüber der Periode 1951-2000 Region Frühjahr Sommer Herbst Winter Niederrheinische Bucht + 12,94 - 18,39 + 5,09 + 14,23 Nordrhein-Westfalen +17,33 - 22,63 +7,60 + 18,16 Quelle: Landesanstalt für Ökologie, Bodenordnung und Forsten 2006: S.29ff. Einher ginge diese Entwicklung mit einer Veränderung der niederschlagsbedingten Ereignistage. So könnte sich die Anzahl der Tage mit geringem beziehungsweise keinem Niederschlag in der Region Köln/Bonn bis Mitte des 21. Jahr­hunderts um etwa fünf Prozent erhöhen. 74 Fachbeitrag Klimawandel und Luftreinhaltung Hinsichtlich der Starkniederschlagsereignisse werden hingegen keine beziehungsweise kaum Veränderungen prognostiziert. Das Qualitätsziel Klimaschutz durch Flächenschutz: Was Land-, Forst- und Wasserwirtschaft heute schon leisten können Tabelle 2: Absolute Niederschlagsmengen in der Dekade 2046-2055 Sowohl in der Landwirtschaft als auch in der Forst- und Wasserwirtschaft können bereits heute Maßnahmen entwickelt und realisiert werden, die einen Beitrag zur Minderung des anthropogen verursachten Treibhauseffektes leisten. Dadurch könnte in der Region Köln/Bonn eine Form von vorbeugendem Klimaschutz geleistet werden. Zum Beispiel in der Forstwirtschaft: Durch die Fotosyn­ these wird der Atmosphäre Kohlendioxid entzogen, der Kohlenstoff wird in Biomasse in Pflanzen und im Boden gespeichert. Wälder speichern etwa 50 Prozent des gesamten Kohlenstoffvorrats der Erde. Als biologische Senke bieten sie eine schnelle und preisgünstige ­Option, um den Kohlendioxid-Anteil in der Atmosphäre zu redu­ zieren. Eine weitere Stärke dieser biologischen Kohlen­ stoffsenken ist, dass von ihnen gleichzeitig positive öko­ logische Effekte wie Grundwasser- und Artenschutz zu erwarten sind. Da nach Erkenntnissen des Weltklimarats IPCC nur noch wenig Zeit bleibt, eine gefährliche Störung des Klimasystems zu verhindern, ist die biologische Kohlendioxid-Speicherung neben der direkten Reduktion der Kohlendioxid-Emissionen ein wirksamer Beitrag zum Klimaschutz. Daher fordern das Nationale Waldprogramm, das deutsche Klimaschutzprogramm und auch die Beschlüsse der Forstministerkonferenz von Lissabon nicht nur die Erhaltung, sondern auch den Ausbau der Kohlenstoffspeicherung in Wäldern. Der Rhein-Erft-Kreis hat das Thema bereits aufgegriffen. Im Rahmen einer Waldvermehrungsinitiative führt er ein Aufforstungsprogramm durch (vgl. Fachbeitrag Forstwirtschaft, Seite 82). Region Frühjahr Sommer Herbst Winter Niederrheinische Bucht 194,67 179,01 184,95 196,37 Nordrhein-Westfalen 220,78 181,60 227,12 264,20 Quelle: Landesanstalt für Ökologie, Bodenordnung und Forsten 2006: S. 29ff. Aktion und Reaktion: Vom Umgang mit dem Klimawandel Die Metropolregion Köln/Bonn muss auf eine Klimaänderung vorbereitet sein. Dabei darf es nicht nur darum gehen, das Ausmaß des Klimawandels durch Maßnahmen der Kohlendioxid-Reduzierung zu begrenzen, zugleich muss auch die Entwicklung und Umsetzung von Strategien zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels forciert werden. Dies betrifft alle gesellschaftlichen Akteure und Institutionen wie politische Entscheidungsträger, Planer, Unternehmen sowie die Bürgerinnen und Bürger der Region in gleichem Maße. Sie stehen vor der Herausforderung, diesen Prozess voranzutreiben. Aufgrund der langsamen Reaktionszeit des Klimasystems werden in der Zukunft historische Emissionen für Klimaveränderungen verantwortlich zeichnen. Nicht zuletzt dies macht entsprechende Strategien und Maßnahmen unumgänglich. Auch in der Landwirtschaft gibt es Ansätze, mit deren Hilfe der Atmosphäre Kohlendioxid entzogen werden kann. Entscheidend sind dabei die Art und die Intensität der landwirtschaftlichen Nutzung. Je naturnäher die Bewirtschaftung ist, desto mehr Kohlendioxid kann gespeichert werden. Soll beispielsweise die Kohlenstoffspeicherung in Biomasse forciert werden, dann können gerade in wirtschaftlich prosperierenden Regionen wie den Städten und Kreisen der Metropolregion Köln/Bonn Nutzungskonflikte jedoch nicht ausgeschlossen werden. Zum einen entsteht eine konkurrierende Nutzung von Waldflächen beziehungsweise landwirtschaftlichen Flächen mit stark nachgefragtem Bauland. Zum anderen darf auf eine steigende Nachfrage nach Biomasse zur energetischen Nutzung nicht mit einer Intensivierung des Anbaus rea­ giert werden. Es ist also denkbar und möglich, dass bei der Nutzung von Biomasse im Sinne des Klimaschutzes Zielkonflikte entstehen. Im Vergleich zur Forst- und Landwirtschaft kann die Wasserwirtschaft zwar weniger einen Beitrag zur Vermeidung, dafür jedoch zur Anpassung an den Klimawandel liefern. Durch die zu erwartende Zunahme von Starkregenereignissen steigt die Gefahr von Überflutungen sowie von häufigeren und extremeren Hochwassern des Rheins und seiner Nebenflüsse. Durch die Bereitstellung von Einrichtungen zum Hochwasserschutz kann die Wasserwirtschaft einen wichtigen Beitrag leisten, um die negativen Auswirkungen dieser Extrem­ niederschläge und Hochwasser auf die Siedlungs- und Wirtschaftsräume in der Region abzuschwächen (vgl. Fachbeitrag Wasser, Seite 58, und Fachbeitrag Rhein, Seite 96). Die Minderung des Kohlendioxid-Ausstoßes im Freizeitverkehr als Qualitätsziel Doch nicht die Veränderung der Landnutzung allein zählt. Darüber hinaus sollten die Städte und Gemeinden der Metropolregion Köln/Bonn eine Reihe weiterer Schritte ergreifen, Fachbeitrag Klimawandel und Luftreinhaltung bei denen auch ihre Bürgerinnen und ­Bürger wirksamer als bisher zum Klimaschutz beitragen könnten. Zunehmend wird der Klimawandel auch durch das Mobilitätsverhalten der Menschen beschleunigt. In bedeutendem Maße mitverantwortlich für diese Situation ist der Freizeitverkehr. Er ist in Deutschland noch vor dem Berufs- und Versorgungsverkehr der häufigste Grund, mobil zu sein. Mehr als 30 Prozent aller Wege und über 40 Prozent der zurückgelegten Kilometer entfallen auf diesen Bereich. Entsprechend hoch sind die klimaschäd­lichen Kohlendioxid-Emissionen, ist doch das Auto mit 52 Prozent der zurückgelegten Wege das wichtigste Freizeitverkehrsmittel. Seine Bedeutung wird weiter wachsen, wenn der Freizeitverkehr wie prognostiziert bis 2015 um weitere 50 Prozent gegenüber den Zahlen aus dem Jahr 2000 anwachsen wird. Die bundesdeutsche Situation spiegelt dabei die S ­ ituation in der Region wider. Somit nimmt der Freizeitverkehr sowohl in der Anzahl der Wege als auch bei den zurück­ gelegten Personenkilometern eine führende Position ein. Er ist als Emittent von Klimagasen relevanter als der Berufs- und Ausbildungsverkehr. Um die Kohlendioxid-Emissionen in diesem Bereich zu senken bedarf es insbesondere auf lokaler Ebene angemessener Initiativen. Den Kreisen und Städten der Region steht hierzu eine erhebliche Auswahl an Maßnahmen zur Verfügung, mit denen sie langen Wegstrecken im Freizeitverkehr vorzubeugen und die Nutzung umweltfreundlicher Verkehrsmittel fördern können. So sollte die Realisierung des Freiraumkonzeptes im Netzwerk der Kulturlandschaften damit verknüpft werden, die Nutzungsbedingungen für klimaschonende Verkehrsmittel in der Region zu verbes80 75 sern. Die Möglichkeiten zur Nahraumerholung in der Region werden mit der Umgestaltung von Kiesfördergebieten zu Badeseen, dem Ausbau bestehende Rad- und Fußwege sowie der Anlage neuer Wege deutlich aufgewertet, wodurch die derzeit noch mit dem Auto zurückgelegten Freizeitkilometer um rund zwei Prozent reduziert werden könnten. Dies würde in der Region Einsparungen von jährlich etwa 22.500 Tonnen Kohlendioxid mit sich bringen. Zur Veranschaulichung: Die auf diese Weise eingesparte Menge Benzin entspricht einer mit dem Auto zurückgelegten Strecke von fast 156 Millionen Kilometern oder dem Fassungsvermögen von 326 großen Tanklastwagen. Wege zu einem gesunden Stadtklima als Qualitätsziel Seit der Industrialisierung sind über den Städten ­Wärme- und Dunstglocken entstanden, die zu einem eigenen Stadtklima führten, das sich deutlich vom natürlichen Klima der freien Landschaft unterscheidet. Der Hausbrand, die Abwärme der Gewerbebetriebe und der Industrie und der Autoverkehr führen einerseits zu einer deutlich Aufwärmung der Städte, andererseits aber auch zu einer Anreicherung von Schadstoffen wie zum Beispiel Stickoxiden, Ozon und Feinstaub. Verstärkt wird der Prozess der Aufwärmung durch die Wärmespeicherung und Wärmeabstrahlung der Gebäude sowie versiegelte Verkehrsflächen. Die starke Versiegelung der Städte sorgt dafür, dass Regenwassers nicht mehr natürlich im Boden versickern kann. Dies führt bei Starkregenereignissen schnell zu einer Überlastung des unterirdischen Kanalssystems. Darüber hinaus beeinträchtigen der geringe Anteil offener Böden, sowie das weitgehende Fehlen von Wald und anderen Pflanzendecken den Wasseraustausch und damit die Verdunstung von Wasser. So gehen wichtige Kühleffekte verloren, was wiederum die Erwärmung fördert. Hinzu kommt, dass diese Phänomene des Stadtklimas mit einer Schichtung der Luftmassen verbunden sind und zur Ausbildung einer Staub- und Dunstschicht führen. Infolge dessen reflektiert die von der Stadt abgestrahlte Wärme (langwellige Strahlung) an diesen Stau- und Dunstschichten – sie wird in einer Wärmeglocke vergleichbar einem Gewächshaus gefangen. Dies ist die eigentliche Ursache für die spürbare Erwärmung des Stadtklimas. Was aber können wir tun? – Wege zu einem gesunden Stadtklima sind bereits seit Jahren ein zentrales Thema der Stadtplanung und -entwicklung. Dabei haben sie sich bereits in verschiedenen Gesetzeswerken niedergeschlagen und deutliche Erfolge aufgezeigt. Diese betreffen sowohl eine Reduktion der Schadstoffe als auch eine Drosselung der weiteren Erwärmung. Gekoppelt werden die dazu ergriffenen Maßnahmen oftmals an den Auf- und Ausbau von Grünsystemen in der ‚StadtLandschaft’, wobei mit Blick auf den Klimawandel ein Klimapuffer entsteht. Der Klimapuffer Grün in der ‚StadtLandschaft’ als Qualitätsziel Die Funktionen urbaner und suburbaner Grünsysteme sind besonders für hoch verdichtete Räume, wie sie im Gebiet der Metropolregion Köln/Bonn auftreten, von hoher Bedeutung. Die Entwicklung derartiger Grünsysteme erfuhr in Deutschland durch die Internationale Bauausstellung (IBA) Emscher Park in den 1990er Jahren einen maßgeblichen Aufschwung80. Neben ihrem Beitrag zur Das IPPC (Intergovernmental Panel on Climate Change; auch Weltklimarat genannt) wurde 1988 ins Leben gerufen und befasst sich vor allem damit, die Risiken der globalen Erwärmung zu beurteilen und entsprechende Strategien zur Vermeidung bzw. Anpassung zu entwickeln. 76 strukturellen Erneuerung von Regionen besitzen die Systeme zudem eine Vielzahl sozialer, mikroklimatischer und ökologischer Funktionen. Sie dienen der Naherholung, prägen den Charakter des Stadtbildes und ganzer Regio­ nen, tragen zur Förderung regionaler Identität bei und erhöhen die Attraktivität der Städte und ihres Umlandes. Ein weiterer wichtiger Effekt kommt hinzu: Urbane und suburbane Grünsysteme können in zweierlei Hinsicht einen Beitrag leisten, um die Auswirkungen des Klimawandels zu mildern – auch in der Metropolregion Köln/Bonn. Sie binden das klimaschädliche Treibhausgas Kohlendioxid und sind damit ein Baustein zur Senkung der Kohlendioxidemissionen. Noch bedeutsamer für die Region sind jedoch ihre mikroklimatischen und ökologischen Funktio­ nen im Hinblick auf eine Verbesserung des Stadtklimas und die Anpassung an den Klimawandel. Derartige Grünsysteme unterscheiden sich in ihren physikalischen Eigenschaften grundlegend von denen versiegelter Flächen und Gebäude. Gebäude besitzen ein hohes Wärmespeichervermögen. Die im Tagesverlauf in der Bausubstanz von Gebäuden und Straßen gespeicherte Energie der Sonneneinstrahlung wird nachts langsam als Wärme abgegeben und mindert damit die Abkühlung der Luft. Dieser als „städtische Wärmeinsel“ bezeichnete Effekt tritt vorwiegend bei sommerlichen Strahlungswetterlagen auf. Er wird sich zukünftig durch die Zunahme von Sommertagen und heißen Tagen verstärken. Die Folge sind Hitze- und Schwülebelastungen, die zu gesundheit­ lichen Beschwerden der Stadtbewohner führen oder diese verstärken können. Ereignisse wie der „Rekordsommer“ 2003, dem nach Berechnungen der Münchner Rückversicherung allein in Deutschland 3.500 Menschen infolge anhaltender Wärmebelastung zum Opfer fielen, wird zukünftig eher die Regel als die Ausnahme sein. Grünsysteme können diesen Effekt abschwächen und das Stadtklima Fachbeitrag Klimawandel und Luftreinhaltung auf Normalwerte zurückführen. So spendet beispielsweise das Kronendach von Bäumen Schatten, es absorbiert einen Teil der Sonneneinstrahlung und vermindert damit die Erwärmung darunter befindlicher Bereiche. Aufgrund des geringen Wärmespeicherpotenzials von Grün- und Freiflächen speichern diese tagsüber kaum Energie, die sie nachts als Wärme an die Umgebung abgeben könnten. Zudem tragen sie durch die Verdunstungskälte zu einer deutlichen Abkühlung der Umgebung bei. Doch nicht nur das: Bei entsprechender städtischer Planung ist es auch möglich, dass Grünsysteme die lokale und regionale Windzirkulationen fördern. Neben dynamischen sind es vor allem thermische Luftaustauschprozesse, die sich positiv auf das Mikro- und Mesoklima von Ballungsräumen auswirken. Durch die Luftzirkulation verbessert sich auch die Luftqualität in den Städten, da Frischluft aus der Umgebung gegen die verschmutzte Luft aus der Stadt ausgetauscht wird. Im eigentlichen Stadtgebiet filtern Bäume, Sträucher und Hecken die Luft, indem Staubpartikel an den Blättern haften bleiben und später durch Regen abgewaschen werden. Mit gutem Beispiel voran gehen Die Metropolregion Köln/Bonn könnte ein gutes Beispiel liefern, wie der Beitrag lokaler Initiativen und die Zusammenarbeit von Städten und Landkreisen dazu beitragen, das Ausmaß des Klimawandels zu begrenzen und seine Auswirkungen verträglicher zu gestalten. Nichtsdestotrotz wird sich der Klimawandel auf die Lebensbedingungen und wirtschaftlichen Aktivitäten in der Region auswirken. Dies betrifft insbesondere die Land-, Forst- und Wasserwirtschaft, aber auch die Transport- und Energiewirtschaft. Sie werden sich durch den Klimawandel auf veränderte Bedingungen einstellen müssen. Aufgrund der vorherrschend guten Böden wird ein großer Teil der Region intensiv landwirtschaftlich genutzt. Da die Landwirtschaft eine hohe Klimasensibilität aufweist, wird sie in hohem Maße von den zu erwartenden Veränderungen betroffen sein. Die Landwirtschaft spürt sämtliche Wetterschwankungen und Klimaveränderungen unmittelbar in ihren Erträgen und ist zudem besonders von extremen Wetterereignissen wie Sturm oder Hagel betroffen. Ein ebenso klimasensibler Wirtschaftszweig, der sich auf den Klimawandel wird einstellen müssen, ist die Forstwirtschaft. Neben der sich verändernden Verfügbarkeit von Wasser können auch Stürme oder die Verbreitung von Schädlingen zukünftig zu höheren Belastungen und Schäden führen. Auch die Wasserwirtschaft leidet unter den gestiegenen Temperaturen und den daraus resultierenden Veränderungen für die Wasserverfügbarkeit. So kann es in der Region durch weniger Niederschlag und eine höhere Verdunstung im Sommer zu erheblichen Versorgungsproblemen kommen. Zusätzlich könnte sich der regionale Wasserhaushalt langfristig verändern. Von großer Bedeutung in der Region Köln/Bonn ist auch die Energiewirtschaft. Sie wird sich auf ähnliche Schwierigkeiten einstellen müssen wie die Wasserwirtschaft. Besonders in heißen und trockenen Sommern sinkt die Sicherheit der Wasserversorgung zur Kühlung der Kraftwerke, eine mögliche Folge wäre eine nur eingeschränkte Nutzung der Kapazitäten. Die Transportwirtschaft wäre von den Auswirkungen des Klimawandels in erster Linie im Bereich der Binnenschifffahrt betroffen. Sommerliche Niedrigwasserstände führen bereits heute zu regelmäßigen Einschränkungen in der Schifffahrt. Dies könnte in Zukunft weiter zunehmen. Durch ein frühzeitiges Handeln bietet sich den Städten und Kreisen der Metropolregion Köln/Bonn jedoch die Fachbeitrag Klimawandel und Luftreinhaltung Möglichkeit, die negativen Auswirkungen des Klimawandels auf die Lebens- und auf die wirtschaftlichen Bedingungen verträglicher zu gestalten. Das Engagement der beteiligten Gebietskörperschaften im Rahmen der Regionale 2010 zeugt von Problembewusstsein und einem hohen Maß an Kooperationsbereitschaft. Dies sind günstige Voraussetzungen, um sich in der Region der Herausforderung Klimawandel zu stellen. 77 Schadstoffe in der Luft bekämpfen: ein Exkurs zum Thema Luftreinhaltung Neben Klimawandel und Stadtklima gibt es einen zweiten Themenbereich, der hier zumindest kurz abgehandelt werden soll: die Luftreinhaltung. – Zu den Gesundheit gefährdenden Schadstoffen in der Luft zählen heute vor allem Stickstoff­ dioxide und Feinstaub (Schadpartikel). Zusätzlich müssen hier jedoch auch Schwefeldioxid, Blei und Benzol erwähnt werden. Vor allem in den Ballungsräumen kommt zudem auch dem Schadstoff Ozon eine Bedeutung zu. Zum Schutz der menschlichen Gesundheit sind für all diese Schadstoffe über Europäischen Verordnungen und die Bundes-Immissionsschutzverordnung (BImSCHV) Grenzwerte festgesetzt worden81. Weitere Grenzwerte gelten beispielsweise für Schwefeldioxid, Benzol und Ozon. Für erstgenannten Schadstoff existiert ein über eine volle Stunde gemittelter Grenzwert von 125 Mikrogramm pro Kubikmeter bei drei zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr. Die Alarmschwelle für Schwefeldioxid beginnt bei über eine volle Stunde gemittelt 500 Mikrogramm pro Kubikmeter (vgl. BImSchV, § 2). Für Benzol ist seit 2010 ein über ein Kalenderjahr gemittelter Immissionsgrenzwert von fünf Mikrogramm pro Kubikmeter einzuhalten. Dabei werden vier Mikrogramm pro Kubikmeter noch toleriert. Vor allem im Umfeld von Industrieanlagen wird dieser Wert in der Region Köln/Bonn nicht selten erreicht. Seit Beginn des Jahres 2010 beträgt der über ein Kalenderjahr gemittelte einzuhaltende Grenzwert für Stickstoff­ dioxide 40 Mikrogramm pro Kubikmeter. Die Toleranzmarge liegt acht Mikrogramm pro Kubikmeter. Sie wurde seit Januar 2007 um jährlich zwei Mikrogramm pro Kubikmeter gesenkt. Steigt die Belastung auf über eine volle Stunde gemittelt 400 Mikrogramm pro Kubikmeter, so ist die Alarmgrenze erreicht (vgl. BImSchV, § 3). Dieser Grenzwert wurde in der Region Köln/Bonn vielerorts mehrfach überschritten. Einen besonderen Fall stellt die Belastung durch Ozon dar. Hier wurden die alten Grenzwerte im September 2003 von der EG-Richtlinie über den Ozongehalt der Luft (2002/3/EG) abgelöst. Diese wiederum wurde im Juli 2004 durch die Verordnung zur Verminderung von Sommersmog, Versauerung und Nährstoffeinträgen (33. BImSchV) in nationales Recht umgesetzt. Für den Schutz der menschlichen Gesundheit wurde ein Grenzwert von 120 Mikrogramm pro Kubikmeter bezogen auf den höchsten 8-Stunden-Mittelwert eines Tages definiert, der an nicht mehr als 25 Tagen im Jahr überschritten werden darf. Ähnlich ist die Situation beim Feinstaub. Hier wurde der über 24 Stunden gemittelte Grenzwert für den Schutz der menschlichen Gesundheit auf 50 Mikrogramm pro Kubikmeter bei 35 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr festgelegt. Der über ein Kalenderjahr gemittelte Grenzwert sollte 40 Mikrogramm pro Kubikmeter nicht überschreiten (vgl. BImSchV, § 4). Auch dies ist in der Region Köln/Bonn jedoch bereits mehrfach erfolgt. Bezogen auf die Metropolregion Köln/Bonn ist Luftreinhaltung ein wichtiges Thema. Das gilt insbesondere für den dicht besiedelten und intensiv genutzten Ballungsraum Rhein-Sieg. Gerade hier muss eine umfassende Beurteilung der Luftqualität vorgenommen werden. Darüber hinaus sollte es ein Ziel sein, regional abgestimmte Luftreinhalte- und Aktionspläne zu erarbeiten. Für Köln und Bonn liegen derartige Luftreinhaltepläne bereits vor. 81 Die Bundes-Immissionsschutzverordnung regelt die maximal zulässigen Emissionen von Luftschadstoffen aus Prozessen aller Art. 78Fachbeitrag Landwirtschaft und Gartenbau Gemeinsam für lebendige Landschaften Ein Fachbeitrag zum Thema Landwirtschaft und Gartenbau von Rolf Born, Günter Kornell und Carsten Lindner, Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen deckte Kuppen und flach abfallende Hänge, während sie sich aus den benachteiligten Lagen mit ärmeren Böden weitgehend zurückgezogen hat. Das stärkste Standbein der Landwirtschaft stellt die intensive Milchviehwirtschaft dar. Die so genutzten Wiesen und Weiden prägen das Bergische Landschaftsbild und machen den Raum daher auch für Freizeit und Erholung attraktiv. einrichtungen hat dabei in den letzten Jahren die direkte Vermarktung an den Endverbraucher deutlich zugenom­ men. Die gewachsene Nachfrage nach frischen und qualitativ hochwertigen Nahrungsmitteln „aus der Region für die Region“ sowie Produktpräsentationen, die das Einkaufen zum Erlebnis machen, stellen ein Potenzial für die zukünftige Entwicklung dar. Das Spannungsfeld der verschiedenen Anforderungen an die Landwirtschaft ist insgesamt gesehen enorm. So ist das ökonomische Umfeld von Produktionszuwachs und stagnierender Nachfrage gekennzeichnet. Um die Marktchancen der Landwirtschaft in der Region auch in Zukunft zu erhalten, ist daher der Einsatz modernster Technolo­gien notwendig. Zugleich müssen die Landwirte die gesellschaftliche Akzeptanz für ihr unternehmerisches Handeln sichern. Dieser Aspekt wird zukünftig immer wichtiger werden, da die Verbraucher und die ­rechtlichen Vorgaben heute hohe Erwartungen an eine tier- und umweltgerechte landwirtschaftliche Praxis stellen. Eine weitere wichtige Aufgabe der Landwirtschaft wird zunehmend die Kulturlandschaftspflege, die sich vor allem in den Mittelgebirgsregionen als ökonomisches Standbein etabliert hat. Sie muss als gesellschaftliche Aufgabe wahrgenommen und finanziert werden. Der Raum wird immer enger Die Ausgangssituation: Regionale Vielfalt Die landwirtschaftliche Nutzung der Kulturlandschaft in der Metropolregion Köln/Bonn hat eine über 2000jährige Tradition. Aufgrund der unterschiedlichen naturräumlichen Gegebenheiten in einzelnen Teilräumen weist sie sehr vielfältige Formen und Intensitäten der Bewirtschaftung auf. Diese gilt es als Trumpf für die künftige Entwicklung der Landwirtschaft in der Region zu erhalten. Die Heterogenität in der landwirtschaftlichen Bodennutzung wird besonders deutlich, wenn man die Grünlandund Ackerbaunutzung auf kommunaler Ebene betrachtet. So findet man in der linksrheinischen Bördelandschaft Gemeinden, in denen fast ausschließlich Ackerbau betrieben wird. Die fruchtbaren Lößböden der Kölner Bucht und des Rhein-Erft-Kreises bilden hier bis heute die Existenzgrundlage einer auch zukünftig produktiven Landwirtschaft. Insbesondere der Ackerbau ist im Hinblick auf die zunehmende Konzentration der landwirtschaftlichen Nutzung auf die wenigen Bördelandschaften in Deutschland für die Nahrungsmittelproduktion der Zukunft von großer Bedeutung. Der eindeutigen Dominanz des Ackerbaus in der Bördelandschaft steht im Bergischen Land eine völlig andere Situation gegenüber. Hier dreht sich das Verhältnis von Ackerbau und Grünlandnutzung nahezu um. Die ertragsfähige ackerbauliche Nutzung konzentriert sich auf lößbe- Dem Obst- und Gartenbau kommt bei der Flächennutzung in der Metropolregion Köln/Bonn eine besondere Rolle zu. Er prägt vor allem den Ballungsraum zwischen Köln und Bonn und das so genannte Vorgebirge bis hin zur Mittelrheinischen Pforte sowie das Gebiet rund um die Gemeinden Meckenheim und Rheinbach. Die klimatisch günstigen Bedingungen und die Nähe zum Endverbraucher haben hier die Entwicklung des Freilandgemüse- und Kernobstanbaus begünstigt. Neben der Vermarktung landwirtschaftlicher Produkte über traditionelle Absatz- Ein Hauptproblem für die Landwirtschaft in der Region ist der enorme Flächenverlust. So mussten in den vergangenen Jahren viele Äcker, Wiesen und Weiden Wohn-, Gewerbe- oder Verkehrsnutzungen weichen. Ein weiterer Rückgang der landwirtschaftlichen Nutzfläche resultiert aus der zunehmenden Bedeutung von Landschafts- und Naturschutzgebieten sowie ökologischen Ausgleichsflächen. Hier steht die Landwirtschaft vor der Aufgabe, dieser Entwicklung aktiv zu begegnen. Dies wird immer wichtiger, denn der landwirtschaftlich zu nutzende Boden ist der unabdingbare Produktionsfaktor einer flächenabhängigen Landwirtschaft. Der Verlust dieses Bodens und damit auch der Landwirtschaft bedeutet nicht nur einen Verlust an freier Landschaft, sondern auch den eines wichtigen Wirtschaftspartners und Produzenten von Nahrungsmitteln. Die Inanspruchnahme von Fläche insbesondere für Siedlungs- und Verkehrszwecke verläuft in Nordrhein-Westfalen und ebenso in der Metropolregion Köln/Bonn schon seit Jahren auf einem hohen Niveau. In den vergangenen Jahren wurden landesweit im Durchschnitt rund 155.000 m2 Freiraum täglich in Siedlungs- und Verkehrsfläche umgewandelt. Das entspricht jährlich einer Gesamtfläche von 56.575.000 m2 oder einem einen Kilometer breiten Fachbeitrag Landwirtschaft und Gartenbau Korridor der direkten Verbindung von Bad Honnef bis Leverkusen-Hitdorf. In der Metropolregion Köln/Bonn hat die Landwirtschaft zwischen 1997 und 2007 gut 76.083.000 Quadratmeter an Produktionsfläche verloren. Das sind täglich fast 21.000 Quadratmeter – eine dramatische Zahl. In jedem Monat der letzten Jahre ist somit ein 60 Hektar großer Betrieb in der Region verloren gegangen. Herausforderungen und Qualitätsziele der Zukunft Die Landwirtschaft im 21. Jahrhundert steht vor einer Vielzahl von Herausforderungen, die es mit geeigneten Strategien zu bewältigen gilt. Das Spektrum reicht von der Veränderung der politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen über den Anstieg der gesellschaftlichen Anforderungen in den Bereichen Umweltschutz, Verbraucherschutz, Lebensmittelsicherheit und Tierschutz bis hin zum Flächenverbrauch. Da dieser in weiten Teilen der Metropolregion Köln/Bonn in den letzten Jahren permanent gestiegen ist, sind hier die Expansionsmöglichkeiten für viele Betriebe beschränkt. Um die Zukunftsfähigkeit der Landwirtschaft in der Region zu erhalten und die Betriebe entsprechend zu stärken, bedarf es verschiedener Qualitätsziele. So geht es beispielsweise darum, bestehende Bewirtschaftungsformen in Landwirtschaft und Gartenbau ökonomisch und mit qualitativ hohem Standard weiter zu führen. Es wurden bereits eine Reihe von neuen und flexiblen Ideen entwickelt, die es nun zu realisieren gilt. Betrachtet man die Perspektiven der Landwirtschaft in der Region, so sind eine weitere Optimierung der Produktion, die Sicherung der flächendeckenden Bewirtschaftung und die Verankerung der grünen Dienstleistungen als weitere Qualitätsziele von besonderer Bedeutung zu nennen. Darüber hinaus sollten Energien mobilisiert, Stoffkreisläufe geschlossen und Formen der 79 umweltschonenden und nachhaltigen Bewirtschaftung gefördert werden. Last but not least besteht ein wesent­ liches Ziel auch darin, Qualität direkt zu vermarkten sowie Freizeit und Erholung aktiv zu gestalten. Dabei ist zu beachten: Kulturlandschaften gibt es nicht zum Nulltarif. Sie können nur gemeinsam mit der Landwirtschaft gesichert und für die Zukunft weiter entwickelt werden. Die Landwirte bringen sich seit Jahren mit „Grünen Dienstleistungen“ für die Gesellschaft in diesen Prozess ein. Sie fördern so den Erhalt und die Gestaltung von so genannten „living landscapes“ – lebenden und lebendigen Landschaften, die eine wichtige Stütze für die Zukunft der Kulturlandschaften und des ländlichen Raums sind. Unter anderem tragen sie dazu bei, dass attraktive Arbeitsplätze – sowohl direkt auf den Höfen als auch im vor- und nachgelagerten Gewerbe – geschaffen und gesichert werden. Im Folgenden werden die hier kurz beschriebenen Herausforderungen und Qualitätsziele bezüglich der Großlandschaften der Metropolregion Köln/Bonn interpretiert und herunter gebrochen. Entwicklungsperspektiven für den Ackerbau in Börde und Ville Die fruchtbaren Böden der Jülicher und Zülpicher Börde bleiben langfristig erhalten und machen die Landschaft auch im europäischen Vergleich zu einem eindeutig bevorzugten Produktionsstandort für die Landwirtschaft. Sie sind prädestiniert für eine nachhaltige ackerbauliche Nutzung, da hier Produzenten, Verarbeiter und Verbraucher auf engem Raum ein erfolgreiches Netzwerk bilden. Im Vordergrund stehen der Anbau von Getreide, Kartoffeln, Zuckerrüben und auch Spezialkulturen. Die Landschaft der Börde ist und bleibt das bedeutsamste Gebiet für die nachhaltige, intensive ackerbauliche Nutzung in der Region. Primäres Ziel der landwirtschaftlichen Entwicklung ist es, den Betrieben Entwicklungsperspektiven für die Zukunft zu ermöglichen. Dies kann in der Börde einerseits in Form der Vergrößerung der Betriebs­ fläche erfolgen, andererseits aber auch durch eine Intensivierung der Bewirtschaftung bei gleich bleibender Flächenausstattung. Eine weitere Optimierung der Produktion gewährleistet zugleich, dass die Bevölkerung mit Nahrungsmitteln in hoher Qualität versorgt werden kann. Perspektivisch sollte die Landwirtschaft sich jedoch mit dem Thema der bereits vorhandenen und sich in Zukunft möglicherweise verschärfenden Wasserknappheit in diesem Gebiet auseinandersetzen (vgl. Fachbeitrag Wasser, Seite 58, und Fachbeitrag Klimawandel, Seite 72). Bereits heute gilt die Landschaft der Jülicher und Zülpicher Börde als niederschlagärmste Region Nordrhein-Westfalens. Der Anbau von Kulturen mit regelmäßigem Wasserbedarf kann nur erfolgen, wenn eine maschinelle Beregnung stattfindet. Die notwendige Intensivierung der Flächen­ bewirtschaftung setzt daher die Verfügbarkeit von Wasser, unabhängig von örtlichen Niederschlägen, voraus. Hinzu kommt, dass der vom Ballungsraum Rhein-Sieg ausgehende Flächenverbrauch der Landwirtschaft zunehmend Flächen für Siedlung, Gewerbe und Infrastruktur entzieht (siehe weiter oben). Dies stellt ein kaum noch zu lösendes Problem für die ackerbauliche Nutzung in Börde und Ville dar. Weitere ackerbauliche Flächen werden durch Kompensationsmaßnahmen in Anspruch genommen. Hier sollte es in Zukunft darum gehen, diese Maßnahmen produktionsintegriert durchzuführen, das heißt, ein ökologischer Ausgleich wird entweder durch eine in die Fruchtfolge integrierte Anlage von Grün- und Blühstreifen 80 oder durch die Extensivierung einer bestimmten Form der Bewirtschaftung geschaffen. Dabei bleibt die landwirtschaftliche Fläche der extensiven Produktion erhalten. Prinzipiell sollten bei der Umsetzung von Kompensationsmaßnahmen aus Sicht der Landwirtschaft die ökologische Aufwertung der Wälder, die Biotopvernetzung sowie Maßnahmen zur Entsiegelung im Vordergrund stehen. Vorrangiges Qualitätsziel in diesem Zusammenhang ist es, die landwirtschaftlichen Nutzflächen auch in Zukunft flächendeckend zu bewirtschaften. Das Bergische Land: Landwirtschaft als gestaltendes Element Dies gilt auch für das Bergische Land, wo die Erhaltung und Intensivierung der Milchviehwirtschaft ein wichtiges Qualitätsziel ist. Sie wird gerade für die Haupterwerbsbetriebe die wesentliche Erwerbsquelle bleiben. Neben der rein wirtschaftlichen Bedeutung leistet die Stabilisierung der Landwirtschaft hier auch einen Beitrag zum Erhalt und zur Pflege der Kulturlandschaft. Einzelne landwirtschaftliche Betriebe entwickeln auf diese Art und Weise „Grüne Dienstleistungen“ für den Naturschutz, die Erhaltung der Kulturlandschaft und die Dorfentwicklung. Diese landwirtschaftliche Nutzung ist elementar, um die naturnahe und erlebnisreiche Landschaft zu bewahren und zu gestalten. Ein weiterer Aspekt zur Entwicklung der Landwirtschaft im Bergischen Land sind die Synergien der landwirtschaftlichen Nutzung mit dem Bereich Freizeit und Erholung. Der Urlaub und die Durchführung von Veranstaltungen auf Bauernhöfen sind hier zu einem weiteren Standbein der landwirtschaftlichen Betriebe geworden. Sie ergänzen damit die landschaftsbezogene Arbeit der Landwirtschaft, Fachbeitrag Landwirtschaft und Gartenbau wobei der Zugang zur Landschaft über eine breite Palette von Freizeitangeboten erfolgt. Beispielhaft seien Kutschfahrten, die Organisation von Kindergeburtstagen auf dem Bauernhof oder die Nutzung ehemaliger Wirtschaftsgebäude für Seminarveranstaltungen genannt. Derartige Formen landwirtschaftsbezogener Tourismusangebote tragen – wenn sie in umwelt- und sozialverträglicher Form realisiert werden – zu einer Stützung des ländlichen Raumes in der Region bei. Sie sind somit ein Qualitätsziel, das umso wichtiger wird, da Landwirtschaft und Gartenbau nach wie vor ein bedeutender Arbeitund Auftraggeber sind. Gerade dort, wo die klassische Landbewirtschaftung als Existenzperspektive nicht mehr ausreicht, spielen neue Formen des Wirtschaftens eine große Rolle. In diesem Zusammenhang trägt auch die Direktvermarktung landwirtschaftlicher Produkte an den Einzelhandel zu einer Steigerung der Wertschöpfung landwirtschaftlicher Betriebe bei. Der Verkauf ab Hof ist ein in der Bevölkerung gern angenommenes Angebot, das eine marktnahe Versorgung der Verbraucher mit qualitativ hochwertigen und gesunden Lebensmitteln garantiert. Eine problematische Situation für die Landwirtschaft stellt auch im Bergischen Land der wachsende Siedlungsdruck dar, der besonders im Übergangsbereich zum Ballungsraum Rhein-Sieg ausgeprägt ist. Dies kommt umso mehr zum Tragen, da hier die landwirtschaftlich besten Böden der Teilregion zu finden sind und die Entwicklung zudem der Ästhetik des Landschaftsbildes schadet. Beispielhaft sei die Ausdehnung der Siedlungstätigkeit entlang der von den Städten ausgehenden Achsen genannt. Aus landwirtschaftlicher Sicht sollte in diesen Bereichen keine weitere Ausdehnung des Siedlungsraumes in die Fläche erfolgen. Qualitätsziel ist es vielmehr, die charakteristische Eigenart der Landschaft und ihrer Nutzung auch hier zu erhalten. Der Ballungsraum Rhein-Sieg: Siedlungsdruck als Hauptproblem Mit Ausnahme des Gebietes der Mittelrheinischen Pforte stellt der Siedlungsdruck in fast allen Bereichen der Region ein zentrales Thema für die Landwirtschaft dar. Ein Beispiel ist der Ballungsraum Rhein-Sieg, wo fast alle landwirtschaftlichen Betriebe heute schon auf die Bewirtschaftung von Pachtflächen angewiesen sind. Der weitere Wegfall von wertvollem Kulturland würde für diese Betriebe erhebliche Einschnitte in ihre wirtschaftliche Situation und Tragfähigkeit mit sich bringen. Vor allem vor dem Hintergrund, dass erfolgreiche Betriebe in der Regel über Generationen bewirtschaftet werden, bedarf es entsprechender Maßnahmen, um dieser Entwicklung gegenzusteuern. Investitionen haben lange Abschreibungszeiträume. Sie können sich nur amortisieren, wenn die Zukunft der Betriebe gesichert ist. Eine besondere Rolle im Ballungsraum Rhein-Sieg spielt die linksrheinische Mittelterrasse zwischen Köln und Bonn, die auch als die „Rheinischen Gärten der Region“ bezeichnet wird. Hier sollte es – ähnlich wie im Übergangsbereich zwischen Ballungsraum und Bergischem Land – aus landwirtschaftlicher Sicht ein Qualitätsziel sein, ein weiteres Vordringen des Siedlungsraumes in die Fläche zu verhindern. So könnten die Betriebe des Ackerbaus und des Gartenbaus nicht nur auf dem bestehenden Niveau gehalten werden, ihnen würden vielmehr weitere Entwicklungsmöglichkeiten gegeben. Wie im Ackerbau, so entwickeln sich auch im Gartenbau und Obstanbau die Produktionsformen weiter. Um den ­Ertrag sichern zu können beziehungsweise zu steigern, werden zukünftig auch Maßnahmen des geschützten Anbaus – das heißt, der Produktion in leichten Bauten oder Fachbeitrag Landwirtschaft und Gartenbau mit Hilfe baulicher Anlagen – notwendig sein. Das schafft einerseits die Möglichkeit, neueste Anbauverfahren innerhalb des Gartenbaus einzusetzen und die Region damit als eine Art Vorreiter für modernen Gartenbau zu etablieren. Andererseits darf die Entwicklung nur dergestalt erfolgen, dass das für die Teilregion prägende Gesicht der Kulturlandschaft erhalten bleibt und angemessen weiter entwickelt wird. Hier eröffnet sich gleichermaßen ein Chancen- und Konfliktfeld für die Zukunft. Die Mittelrheinische Pforte: Förderung des Obstanbaus Auch in der Landschaft der Mittelrheinischen Pforte mit ihren fruchtbaren Böden im Siebengebirge sowie im Pleiser und Drachenfelser Ländchen sollte eine Weiterentwicklung des Obstanbaus in der Form erfolgen, dass der besondere Reiz der historischen Kulturlandschaft erhalten bleibt. Ähnlich wie im Bergischen Land spielt hier das aktive Erleben der Landschaft durch Freizeit und Erholung eine wichtige Rolle – ein Qualitätsziel, das es zu sichern gilt. Eine Besonderheit sind zudem die traditionellen Baumschulen im Meckenheimer Raum und am Rand des Siebengebirges. Darüber hinaus wird an geeigneten Standorten Wein gelesen und direkt vermarktet. Landwirtschaft schafft Energien für die Zukunft Versucht man die verschiedenen Aspekte dieses Fachbeitrags zusammenzufassen, so wird deutlich: In allen Teilbereichen der Region muss es aus landwirtschaft­ licher Sicht darum gehen, ein vernünftiges Gleichgewicht zwischen Entwicklung und Bewahrung zu schaffen. Leistungen wie die „Entwicklung der Kulturlandschaft“, das „Offenhalten von Landschaftsräumen“ und die „Sicherung der ländlichen Strukturen“ ergeben sich von selbst, 81 wenn die Landwirtschaft und der Gartenbau der Region wirtschaftlich arbeiten und so die Herausforderungen der Zukunft bewältigen können. Dabei spielen auch zukunftsweisende Themen wie beispielsweise die Gewinnung regenerativer Energien durch die Landwirtschaft eine wichtige Rolle. Zahlreiche Betriebe haben durch diese oder ähnliche Leistungen ihr Aufgabenspektrum erweitert. Mit groß­ flächigen Sonnenkollektoren auf den Wirtschaftsgebäuden oder Windrädern an windexponierten Standorten tragen sie zum Energiemix der Region bei, indem die produzierte Energie ins öffentliche Netz eingespeist wird (vgl. Fach­ beitrag Ressourcenlandschaft, Seite 86). Auch die Erzeugung biogener Energien durch den Anbau nachwachsender Rohstoffe hat sich bereits etabliert. Vielfach haben sich dabei Betriebe zusammengeschlossen, um gemeinsam entsprechende Anlagen wirtschaftlich betreiben zu können. Solche Modelle gilt es unter Berücksichtigung der entsprechenden Genehmigungsverfahren auszubauen, auch unter dem Aspekt, den Beruf des Landwirts für junge Menschen interessant zu machen, die nicht aus der Landwirtschaft stammen. Sie sichern letztlich die Rolle der Landwirtschaft zur nachhaltigen Gestaltung von Landschaft. 82 Wald und Holz als Ressource der Zukunft Ein Fachbeitrag zum Thema Forstwirtschaft von Alfons Lückerath, Regionalforstamt Hocheifel-Zülpicher Börde, ergänzt von Markus Bouwman, Stadt Köln, Amt für Landschaftspflege und Grünflächen/Forstverwaltung Die Ausgangssituation: Waldreichtum als Chance Die Metropolregion Köln/Bonn ist eine waldreiche Region. Mehr als die Hälfte ihrer Fläche wird von Wald bedeckt. Daher hat die Forstwirtschaft eine große regionale Bedeutung. Die Wälder der Region sind sowohl für den Naturschutz als auch für die Erholung und die Verwendung des Holzes als Rohstoff wichtig. Die allgemeinen Ziele zu ihrer Bewirtschaftung, ihre Rohstofffunktion sowie ihre Bedeutung für den Klimaschutz und als Ort der Erholung stellen einen wesentlichen Beitrag zur zukünftigen Entwicklung der Kulturlandschaft in der Region dar. Betrachtet man die regionale Differenzierung der Forstwirtschaft, so konzentriert sich die Bewaldung vor allem auf das Bergische Land. Hier ist der Wechsel zwischen Wald und Offenlandschaft ein landschaftsprägendes Element. Hinsichtlich der forstwirtschaftlichen Entwicklung muss jedoch berücksichtigt werden, dass dabei der Anteil des Privatwaldes besonders hoch ist und noch über dem Landesdurchschnitt von 65 Prozent82 liegt. Dies führt dazu, dass Eingriffe und planerische Maßnahmen zunächst vertraglich mit den Waldbesitzern abgestimmt werden müssen. 82 Quelle: Landeswaldbericht NRW 2007 Fachbeitrag Forstwirtschaft Etwas anders sieht die Situation im Ballungsraum RheinSieg aus, da dort der Anteil des öffentlichen Waldes größer ist als in den übrigen Teilregionen. Die Möglichkeiten einer Waldvermehrung sind hier allerdings nahezu ausgereizt, die Anlage neuer Waldflächen ist ausschließlich in den Auen­ bereichen möglich. Der Waldanteil des Ballungsraumes ist insgesamt recht hoch, vor allem die stadtnahen Staatswälder wie der Königsforst und der Kottenforst werden für Freizeit und Naherholung genutzt. In der Landschaft von Börde und Ville liegt der Anteil des Waldes hingegen bei knapp zehn Prozent. Hier dominiert die landwirtschaft­ liche Nutzung durch intensiven Ackerbau. Herausforderung und Qualitätsziel: Wald als natürliche Ressource stärken Die Nutzung des Waldes ist überall in der Region möglich und gewollt. Dies gilt nicht nur für den Privatwald, sondern auch für die Naturschutzgebiete des öffentlichen Waldes. Der Wald erfüllt dabei eine Vielzahl von Funktionen. Seine nachhaltige Sicherung und Entwicklung dient der Verbesserung von Boden, Luft, Wasser und Klima, zudem fungiert er als Lebensstätte für eine vielfältige Fauna und Flora, als Lieferant für den umweltfreundlichen Rohstoff Holz sowie als geschützter Erholungs- und Ausgleichsraum für die Menschen. Die gesellschaftlichen und die forstwirtschaftlichen Anforderungen an den Schutz und die Nutzung des Waldes haben sich in den letzten Jahren stark verändert. Es ist heute Konsens, die Wälder als wichtige natürliche Ressource zu schützen und zu pflegen. Diesem Ziel dient die naturnahe Waldbewirtschaftung, bei der ökonomische, ökologische und soziale Kriterien miteinander verknüpft werden und für eine Balance zwischen Schutz und Nutzung der natürlichen Ressource Wald sorgen. Das Gleichgewicht zwischen Ökonomie und Ökologie schafft mehr Lebensqualität und steigert die Einkommensmöglichkeiten in diesem Bereich. So trägt es zu einer größeren Attraktivität der Region bei. Zu den allgemeinen Zielen einer nachhaltigen Forstwirtschaft zählt heute auch die langfristige Erhaltung und Entwicklung von ausreichend großen und zusammenhängenden Waldflächen. Ziel ist es, in Anlehnung an die Abläufe im Naturwald mehrschichtig und ungleichartig aufgebaute Wälder (Mischwälder) zu erhalten und zu entwickeln, die einen hohen Anteil an alten Bäumen sowie einen angemessenen Totholzanteil aufweisen. Hinzu kommen die Erhaltung seltener und gefährdeter Waldgesellschaften sowie der Verzicht auf Kahlschläge aus ökologischen und ökonomischen Gründen. In den regional verteilten Naturwaldzellen des Landes Nordrhein-Westfalen wird zudem die natürliche Entwicklung des Waldes veranschaulicht. Diese Zellen wurden als Forschungsobjekte zur Beobachtung ungestörter Waldentwicklung in Beständen ausgeprägter Naturnähe – in denen keine Nutzung mehr erfolgt – eingerichtet. In der Region verteilen sie sich vor allem auf die Großlandschaften der Mittelrheinischen Pforte, des Bergischen Landes und der Ville. Betrachtet man die Nutzfunktion des Waldes, so steht die Produktion von Holz zur stofflichen Verwendung Fachbeitrag Forstwirtschaft in der Säge-, Holzwerkstoff- und Papierindustrie weiterhin im Vordergrund. Sie wird jedoch zukünftig um neue Nutzungsformen erweitert, die einer Stärkung des Wirtschaftsfaktors Holz in der Region dienen werden – beispielsweise die Verwertung von Holz zur Energie­ erzeugung. Um die verschiedenen Schutz- und Nutzungsfunktionen des Waldes der Bevölkerung näher zu bringen, hat es sich die Landesforstverwaltung gemeinsam mit Partnern zur Aufgabe gemacht, Informationsangebote zu Natur und Umwelt – insbesondere zum Thema Wald und Holz – anzubieten. Diese ermöglichen ein Heranführen der Menschen in der Metropolregion Köln/Bonn an das Thema Wald. In diesem Zusammenhang stellt die Etablierung von Waldinformationszentren eine große Herausforderung dar. Darüber hinaus ist es ein wichtiges zukünftiges Handlungsfeld, die Nutzung des Waldes für Freizeit und Erholung weiter zu entwickeln und – wenn notwendig – sinnvoll zu lenken. Für die Region lässt sich aus den dargestellten Aufgaben und Herausforderungen eine Reihe von Qualitätszielen ableiten. Hervorzuheben sind die Erhaltung der vorhandenen Waldflächen, die Waldvermehrung auf landwirtschaftlich ertragsschwachen Standorten sowie die Erhaltung und Einrichtung von Waldnaturschutz- und Walderlebnis­ gebieten. Zugleich geht es aber auch darum, Angebote zur waldbezogenen Umweltbildung zu schaffen, die Freizeitund Erholungsnutzung des Waldes zu leben und last but not least die Bedeutung des Wirtschaftsfaktors Holz in der Region zu erhöhen. Letztlich steht bei allen Qualitätszielen im Vordergrund, den Wald als wichtige natürliche Ressource im Sinne einer multifunktionalen Forst- und Landwirtschaft zu stärken. Dabei treten in den einzelnen Teilregionen unterschiedliche Schwerpunktthemen und Konflikte auf. 83 Das Bergische Land: Die Offenheit erhalten Im Bergischen Land müssen aus forstwirtschaftlicher Sicht vor allem die vorhandenen Waldflächen erhalten werden. Es bestehen seitens der Forstwirtschaft keine Bestrebungen zur weiteren Ausdehnung der Waldflächen – auch, um hier Konflikte mit der Landwirtschaft und dem Biotop- und Artenschutz zu vermeiden. Probleme können allerdings auftreten, wenn Natur und Landschaft – beispielsweise aufgrund von starker Siedlungs- und Gewerbeentwicklung – weitere Flächen entzogen werden, für die an anderer Stelle ein Ausgleich geschaffen werden muss. Sollten in diesem Zusammenhang Ersatzaufforstungen erfolgen, so müssten sie so vorgenommen werden, dass das „Gesicht“ der halboffenen Mittelgebirgslandschaft gewahrt bleibt. Für die Aufforstungen sollten nur Flächen ausgewählt werden, die nicht aus landwirtschaftlicher Sicht oder aus Sicht des Biotopund Artenschutzes offen gehalten werden müssen. Um möglichst naturnahe Waldbestände zu sichern und zu entwickeln, wird seitens der Forstwirtschaft im Bereich des Privatwaldes versucht, Laubwald zu fördern und so eine zu hohe Verdichtung der ökonomisch ertragreicheren Fichtenbestände zu verhindern. Nur auf diesem Wege kann das Ziel einer naturnahen Waldbewirtschaftung ­realisiert werden. Ein zusätzlicher Aspekt ist dabei, den „typisch bergischen Charakter“ des Waldes zu bekräf­ tigen, beispielsweise durch die Begünstigung von Laub­ bäumen im Waldrand von Nadelbaumbeständen. Vor allem im Bergischen Land – aber auch in anderen Teilregionen – spielen die Themen der energetischen Nutzung von Holz sowie der Umweltbildung und Waldinformation eine sehr wichtige Rolle. Neben dem Holz- hackschnitzelheizwerk in Gummersbach-Lieberhausen (vgl. Fachbeitrag Ressourcenlandschaft, Seite 86) sind weitere Modellprojekte zum Thema Bauen und energetische Nutzung von Holz bereits in Planung. Gleiches gilt für den Themenbereich Waldinformation. Beispielhaft seien hier das Holzhackschnitzelheizwerk in Emminghausen (Wermelskirchen) mit dem dazugehörigen Nahwärmenetz zur Versorgung von rund 60 Wohneinheiten, das Holzhackschnitzelheizwerk in Rösrath am Rand der Wahner Heide sowie das Waldinformationszentrum Forsthaus Steinhaus im Königsforst genannt. Letztgenanntes dient zugleich als Besucherportal für die wertvolle Kulturlandschaft Wahner Heide/Königsforst. Die Landschaft von Börde und Ville: Vernetzung und Renaturierung In der Ville, wo in der Vergangenheit große Bereiche von Altwäldern für den Braunkohletagebau verloren gingen, stellt die Waldvermehrung über die Renaturierung der ehemaligen Braunkohleflächen ein wichtiges Thema dar. Dieses ist auch in der Börde von Bedeutung, vor allem dort, wo schlechtere und für die ackerbauliche Nutzung nicht so geeignete Böden vorzufinden sind. Interessant ist in diesem Zusammenhang das bundesweit beispielhafte Waldvermehrungsprogramm des Rhein-Erft-Kreises, mit dessen Unterstützung in den Jahren 1993 bis 2009 über eine Million neue Laubbäume und Sträucher gepflanzt wurden. So konnte eine Fläche von 212 Hektar aufge­ forstet werden. Das Programm wird weiter fortgeführt – so sind allein für 2010 weitere Aufforstungen auf einer zusätzlichen Fläche von zehn Hektar geplant. Ein zweites Thema im Bereich Börde und Ville ist es, den Wald als vernetzendes Landschaftselement zu fördern. Um dabei mögliche Konflikte mit der Landwirtschaft zu vermei- 84 den, sollte hier eine intensive Abstimmung stattfinden. Die Maßnahme trägt dazu bei, die vorhandenen Waldkorridore als vernetzende Elemente der Kulturlandschaft weiterzuentwickeln und eventuelle Lücken durch Aufforstung zu schließen. Der Ballungsraum Rhein-Sieg: Druck durch Siedlung und Erholung Im Ballungsraum Rhein-Sieg ist der Wald einem sehr großen Druck durch die Ausdehnung der Siedlungsflächen und die Nutzung für Freizeit und Erholung ausgesetzt. Bezüglich der Siedlungsentwicklung geht es darum, ein immer tieferes Vordringen der Besiedlung in die Randbereiche des Waldes zu verhindern, um so das gerade in den hier sehr sensible Ökosystem nicht weiter zu gefährden. Aus Sicht der Forstwirtschaft sollten die noch vorhandenen Pufferzonen zwischen Bebauung und Wald in jedem Falle erhalten werden. Grundsätzlich darf kein Flächenverbrauch mehr erfolgen, der diese Zonen gefährdet. Vor allem in den stadtnahen Wäldern um Köln und Bonn sorgt der Druck durch Freizeit und Naherholung für Nutzungskonflikte. Hier besteht die Aufgabe darin, die verschiedenen Formen der Waldnutzung sinnvoll zu steuern und entsprechende Konzepte der Besucherlenkung zu entwickeln und umzusetzen. Dabei ist eine Verknüpfung mit Angeboten der Waldinformationen und des Wald­ erlebnisses sinnvoll, um die Erholungssuchenden an die Thematik des Waldes heranzuführen. In unmittelbarer Nähe wertvoller Kulturgüter sollten zudem Sichtachsen auf Bauwerke – beispielsweise in der barocken Schlösserlandschaft zwischen Köln und Bonn – freigehalten und gegebenenfalls erweitert werden. Andererseits gelten einzelne Waldbereiche – zum Beispiel die alten Eichenbe- Fachbeitrag Forstwirtschaft stände im Kottenforst sowie Teile des Königsforstes und der Wahner Heide – selbst als kulturelles Erbe. Sie sind charakteristisch für das Erscheinungsbild der Landschaft und bedürfen ausgewählter Schutzmechanismen. wird das Programm vom Ziel, die Niederwaldwirtschaft zu erhalten und wiederherzustellen, Wärme liebende Tier- und Pflanzenarten und Biotope zu schützen und den Erholungsverkehr entsprechend zu lenken. Das Thema großflächige Waldvermehrung spielt im Ballungsraum Rhein-Sieg nur eine untergeordnete Rolle, da es hier kaum mehr Ausbreitungsmöglichkeiten für den Wald gibt. Diese finden sich allenfalls noch in den Auen­ bereichen der Flüsse. Eine besondere Rolle spielt auch der große Waldkomplex des Kottenforstes, der auf eine über 1000-jährige Tradition zurückblicken kann. Mit der beginnenden Blütezeit der Jagd begann hier eine Periode der absoluten Sicherung für den Wald. Dieser muss verschiedene Funktionen zugleich erfüllen – von der Waldwirtschaft über die Erholung bis zum Naturschutz. Dabei ist es nicht immer einfach, allen Ansprüchen gerecht zu werden. Auch im Kottenforst dominiert die naturnahe Waldwirtschaft das waldbauliche Konzept des Forstamtes. So werden die vitalsten und wertvollsten Stämme alt und dick, während die schlechteren bei Durchforstungen entnommen werden. Auf diese Art und Weise können Baumarten wie Weide, Birke oder Eberesche speziell gefördert werden. Fichtenbestände hingegen werden wie im Siebengebirge weitgehend durch Laubmischwälder ersetzt. Die Mittelrheinische Pforte: Grünes Waldportal der Region Das Siebengebirge und der Kottenforst sind die „Torpfosten“ des grünen Waldportals der Region. Forstliche Hauptaufgabe im Siebengebirge ist es, den großflächigen Wald naturnah, stabil und strukturiert zu erhalten. Als wichtiges Qualitätsziel sollen hier landschaftliche und naturkundliche Besonderheiten auf ökologischer Basis gesichert und entwickelt werden. Zudem geht es darum, die Belange des Naturschutzes mit den Wünschen der Erholungssuchenden in Einklang zu bringen (vgl. Fachbeitrag Naturschutz und Landschaftspflege, Seite 68). Der Schönheit der heimischen Landschaft wird daher Vorrang vor dem wirtschaftlichem Nutzen eingeräumt. Aus diesem Grund hat die Landesforstverwaltung ein Zehn-Punkte-Programm entwickelt. Dieses umfasst sowohl die Förderung altersheterogener Waldbestände, die Erhöhung der Umtriebszeiten für Laubholzbestände und die Erhaltung von Alt- und Totholz als auch die Steigerung des Laubholzanteils verbunden mit einem Umbau der Fichtenbestände. Darüber hinaus sollen Wärme liebende Baumarten wie zum Beispiel Speierling, Wildbirne und Sommerlinde gefördert und vermehrt sowie Waldränder nach ökologischen Kriterien gestaltet werden. Abgerundet Neue Waldelemente in der ‚StadtLandschaft’: Waldbrücken, Waldportale und Hochwasserschutzwälder Im Ballungsraum Rhein-Sieg ist – wie bereits erwähnt – eine großflächige Waldvermehrung kaum noch möglich. Es besteht allerdings die Möglichkeit, den Waldanteil durch kleinflächige Waldelemente zu erhöhen. Ein Beispiel sind so genannte „Waldbrücken“ mit starken „Pfeilern“ aus Wald, die durch waldähnliche Strukturen wie Hecken, Allen oder Gebüsche miteinander verbunden werden. Vor allem die Freiraumkorridore um Köln und Bonn bieten die Möglichkeit, ausgehend vom Äußeren Kölner Grüngürtel eine Art Waldbrücke zwischen Köln und der Ville zu Fachbeitrag Forstwirtschaft schlagen. Dies geschieht nach dem Prinzip von Trittsteinen über kleinere Waldinseln. An ihren „Enden“ kann an die Waldbrücke sowohl an vorhandenen Waldbeständen der Ville und des Kölner Grüngürtels „verankert“ werden. Derweil ist es zwischen den Brückenpfeilern möglich, mit vorhandenen und neuen Alleen sowie Obstgehölzen, Parkelementen, Hecken und Gebüschen Verbindungen mit einer eingeschränkt waldähnlichen Funktion zu schaffen. So wird die Waldbrücke erkennbar und erlebbar. Die Brückeneingänge können zudem als Waldportale ausgestaltet werden. Um derartige Maßnahmen zu realisieren, bedarf es jedoch stets eines Einverständnisses seitens der Landwirtschaft sowie einer engen Zusammenarbeit mit deren Akteuren. Mit dem im Rahmen der Regionale 2010 geplanten Dritten Grüngürtel und seinen großen Waldflächen im rechts- und linksrheinischen Köln sowie dem ,Grünen C’ im Norden Bonns entsteht ein zusätzliches attraktives Angebot für die Menschen der beiden genannten Städte. Dies wird den Zustrom der Freizeit- und Erholungssuchenden erhöhen – zugleich erfordert es neue Ideen zur Lenkung der Besucherströme. Ein probates Mittel könnte hier die Einrichtung von Waldportalen am Königsforst, an der Wahner Heide und an der Ville sein. Das Prinzip ist einfach: An ausgewählten Orten können mit waldbaulichen Maßnahmen charakteristische und touristisch reizvolle Wald­ portale aufgebaut werden, die sowohl Informations- als auch Erlebnisangebote bereithalten. Sie öffnen den Weg aus der ,StadtLandschaft’ in die naturbetonten Wälder der freien Kulturlandschaften. Abschließend sollte kurz auf die Situation in den Rhein­ auen eingegangen werden. Hier fehlt der Platz für eine großflächige Vermehrung von Weichholz- und Hartholz­ auenwäldern, die als Hochwasserschutzwälder funk- 85 tionieren könnten. Es besteht aber die Möglichkeit, kleinflächige Pflanzungen vorzunehmen und die Qualität der vorhandenen Wälder zu verbessern, Zum Beispiel indem Pappelforste in naturnahe Auenwälder „umgebaut“ werden. Darüber hinaus sollte in allen Auenbereichen, auch in denen der Nebenflüsse des Rheins, jede Möglichkeit ­genutzt werden, um neue Auenwälder anzulegen, die einen effektiven Schutz gegen Hochwasser bieten. Energie und Walderlebnis als Zukunftsthemen Das Beispiel der einzelnen Landschaftsräume hat bereits deutlich gemacht, dass es über die naturnahe Bewirtschaftung des Waldes und die herkömmlichen Nutzungsformen von Holz hinaus eine Reihe von zukunftsweisenden forstwirtschaftlichen Themen gibt. Sie tragen mit dazu bei, die Bedeutung des Wirtschaftsfaktors Holz in der Region zu stärken. Holz ist ein nachwachsender Rohstoff, der bei einer nachhaltigen Bewirtschaftung der Wälder langfristig genutzt werden kann. Um dieses Potenzial zu nutzen, sollten Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft und Handwerk in laufende Projekte eingebunden und für die vermehrte Verwendung von Holz als Baustoff sowie zur energetischen Nutzung sensibilisiert werden. Auch die Bürgerinnen und Bürger der Region müssen über die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten informiert und beraten werden: beispielsweise durch die Einrichtung von Holzkompetenzzentren oder verschiedene Angebote im Rahmen der Umweltbildung für Jung und Alt. Das Know-how zu derartigen Themen gilt es entsprechend zu kommunizieren. Aus forstwirtschaftlicher Sicht stellt die Öffentlichkeitsarbeit zum Thema Wald ein zentrales Anliegen dar. Wald muss erlebbarer werden, damit das Verständnis für die Umweltbildung verbessert werden kann. Ein Beispiel ist die Einrichtung von Waldinforma­ tionszentren, die die Funktion des Waldes als Lebensstätte für eine vielfältige Flora und Fauna, als Lieferant für den umweltfreundlichen Naturstoff Holz und als Erholungsund Ausgleichsraum für die Menschen in der Region verdeutlichen. 86 Behutsamer und vorausschauender Umgang mit Ressourcen Ein Fachbeitrag zum Thema Ressourcenlandschaft von Wolfgang Wackerl, Regionale 2010 Agentur Die Herausforderung: Nachhaltiger Umgang mit den regio­nalen Ressourcen Die Metropolregion Köln/Bonn zeichnet sich durch eine enge Verflechtung der Funktionen Wohnen, Arbeiten und Versorgung aus. Wo so viele Menschen auf engstem Raum leben, bedarf es eines differenzierten Systems der Ver- und Entsorgung. Dabei lebt die Region von ihren Ressourcen sowie dem nachhaltigen und kompetenten Umgang mit diesen. Das Rheinland verfügt über bedeutende Rohstoffvorkommen, die weit über die Region hinaus zur Versorgung der Gesellschaft beitragen. Gleichzeitig hat die stark urbanisierte Region mit ihren über drei Millionen Einwohnern und mehr als 300.000 Unternehmen selbst einen enormen Ressourcenverbrauch. Im ,masterplan :grün’ geht es vor diesem Hintergrund vor allem darum, welche Wechselbeziehungen zwischen dem Umgang mit Ressourcen und Landschaftsentwicklung innerhalb einer stark urbanisierten Region entstehen können und wie diese zu gestalten sind. Eine zentrale Aufgabe liegt darin, Eingriffe in Natur und Landschaft so zu vollziehen, dass nachhaltig lebenswerte, ökologisch intakte und gleichermaßen produktive Landschaften erhalten bleiben oder neu entstehen. Von großer Bedeutung für die weitere Entwicklung der Wissens- und Technologiegesellschaft ist nicht nur, ob die 83 Fachbeitrag Ressourcenlandschaft Grundgüter weiterhin im ausreichenden Maße und in der notwendigen Qualität verfügbar bleiben, sondern auch auf welche Art und Weise der unvermeidbare Eingriff in Natur und Landschaft organisiert wird. Um hier geeignete Lösungen zu finden, braucht es ein prozessuales Denken und Handeln, das zum einen den sparsamen Umgang, zum anderen aber auch eine optimale und nachhaltige Ausnutzung der vorhandenen Ressourcen thematisiert. Denn auch wenn die Energienutzung der Braunkohle noch bis etwa 2045 fortgesetzt wird, sind deren Ressourcen früher oder später erschöpft. Bis dahin muss ein großer Teil regenerativer Energien wie Sonne, Wind und Biomasse den Energiemix der Region ergänzen. Neben der Energie ist auch das Grundgut Boden von zentraler Bedeutung. Als notwendiges Substrat für die Ausbildung von Vegetation ist der Boden die Grundlage für die Produktion von Nahrungsmitteln und nachwachsenden Rohstoffen. Bemerkenswert ist die Qualität dieses Grundgutes auf den reichen Böden der Börde (vgl. Fachbeitrag Landwirtschaft, Seite 78). Hinzu kommen als weitere Grundgüter Wasser und Luft. Die Konkurrenz ums Wasser wird in globaler Perspektive immer größer – ein Trend, der in vielen Regionen durch den Klimawandel noch verschärft wird. Dies sollte bei der Entwicklung der städtischen und regionalen Wasserinfrastruktur beachtet werden, auch wenn in Deutschland derzeit kein akuter Wassermangel besteht. Mit dem Bergischen Land verfügt die Region über einen enormen Wasserspeicher. Auch der Rhein, der die größten Wassermengen aller deutschen Flüsse in die Region trägt, spielt diesbezüglich eine wichtige Rolle. Hieraus ergibt Die Technische Anleitung Siedlungsabfall (TASi) regelt, wie anfallende Siedlungsabfälle verwertet, behandelt und entsorgt werden müssen. sich zugleich eine besondere Verantwortung für einen sorgfältigen und kompetenten Umgang mit der Wasser produzierenden Landschaft der Region (vgl. Fachbeitrag Wasser, Seite 58). Das Grundgut Luft hingegen kann weder importiert noch exportiert werden. Gleichwohl bestimmt es wie keine andere Ressource die Gesundheit. In der Metropolregion Köln/Bonn steht die Luftqualität in unmittelbarer Beziehung zu den städtischen und industriellen Emissionen (vgl. Fachbeitrag Klimawandel, Seite 72). Hier gilt es, den Stand der Technik weiterzuentwickeln und optimale Konzepte zur Luftreinhaltung zu entwickeln. Dabei ist zu beachten, dass Luft und Klima in einem engen Abhängigkeitsverhältnis zu den Grundgütern Wasser und Boden stehen. So werden Wärme oder Kühle sowie Feuchtigkeit oder Trockenheit der Luft von den umgebenden Wasserkörpern ebenso mitgeformt wie von den Böden mit ihrer belebten Pflanzendecke und ihrem Boden- beziehungsweise Grundwasser. Über den Umgang mit den Grundgütern hinaus stellt sich die Frage, wie die Metropolregion Köln/Bonn künftig mit ihren Abfällen und Reststoffen umgehen wird und ob es ihr gelingt, daraus Wertstoffe zu generieren. Die Region verfügt über mehrere Müllverbrennungsanlagen und Deponien. Dabei war die Ablagerung unbehandelter, organik­ haltiger Abfälle nach einem Beschluss der Bezirks­regie­ rung Köln im Zuge der Novellierung der Technischen Anleitung Siedlungsabfall (TASi)83 bis zum 31. Dezember 2004 befristet. Seither dürfen nur noch vorbehandelte Abfälle deponiert werden. Vor diesem Hintergrund stehen Deponiestandorte wie z.B. das Entsorgungszentrum Leppe Fachbeitrag Ressourcenlandschaft im Bergischen Land vor einer Neuausrichtung. Dies ist auch eine Chance, eröffnet sie doch vielfältige Perspektiven einer inhaltlich-funktionalen Weiterentwicklung und einer landschaftlichen Neugestaltung. Im Folgenden wird das die Grundgut Energie ausführlicher besprochen. Die Grundgüter Wasser, Nahrung, Holz und Luft werden hier zwar kurz erwähnt, sie werden jedoch vor allem in den Fachbeiträgen zur Wasserwirtschaft (vgl. Seite 58), zur Land- und Forstwirtschaft (vgl. Seite 78 und 82) und zum Klima (vgl. Seite 72) behandelt. Ressource Energie: Vom Rheinischen Braunkohlerevier zur ‚Zukunftslandschaft Energie’ Im Städtedreieck Köln-Aachen-Mönchengladbach befindet sich das Rheinische Braunkohlerevier. Hier werden in den drei großen Tagebauen Inden, Hambach und Garzweiler jährlich rund 100 Millionen Tonnen Braunkohle gewonnen und zu rund 90 Prozent in Großkraftwerken in Energie umgewandelt. Die restlichen zehn Prozent werden in Veredelungsbetrieben weiter verarbeitet. Der Tagebau Hambach, dessen Abbaugebiet zum Teil im Rhein-Erft-Kreis liegt, ist mit einer jährlichen Förderung von rund 40 Millionen Tonnen und einer Feldgröße von 8.500 Hektar der größte der drei Tagebaue. Die offene Betriebsfläche umfasst hier über 3.500 Hektar. Aufgrund des rückläufigen Braunkohlebergbaus in Mitteldeutschland, in der Lausitz und im Helmstädter Revier, wo die Tagebaue zum Teil vollständig aufgegeben wurden, ist das aktive Rheinische Braunkohlerevier in seinem ­Charakter in Mittel- und Westeuropa einmalig. 84 87 Die langfristigen Abbauvorhaben erstrecken sich hier aus heutiger Sicht bis zum Jahr 2045. Sie sind durch rechtskräftige Braunkohlenpläne (bzw. im erforderlichen Maße durch bergbaurechtliche Betriebspläne) planerisch gesichert und garantieren Kohlevorräte von annähernd vier Milliarden Tonnen84. Dies entspricht einer Versorgungsreichweite von mehreren Jahrzehnten. Etwa 41 Prozent der nordrhein-westfälischen und knapp 13 Prozent der bundesweiten Stromversorgung erfolgen über die rhei­ nische Braunkohle. Die starken Eingriffe der Braunkohle­ gewinnung in Natur und Landschaft machen große ­Anstren­gungen im Bereich der Rekultivierung notwendig. Sie eröffnen aber auch die Chance, einzigartige Landschaften besonderer Qualität zu gestalten. Vor dem Hintergrund der aktuellen Klimadebatte gewinnt die Frage nach Möglichkeiten der Abtrennung von Kohlen­dioxid aus Kraftwerksabgasen wachsende Bedeutung. Neben den Optionen zur Speicherung von Kohlendioxid wird dabei zunehmend über Möglichkeiten nachgedacht, Kohlendioxid umzuwandeln und energetisch zu nutzen. Ein Ansatz liegt in der Einbindung durch Mikroalgen, wie sie derzeit am Innovationszentrum Kohle in Bergheim-Niederaußem erprobt wird. Hinzu kommen Strategien, die reichlich vorhandene Abwärme großer Kraftwerke besser zu nutzen, wie beispielsweise durch so genannte Hortitherm-Anlagen: gartenbauliche Produktionsanlagen, die Kraftwerksabwärme nutzen. Das Qualitätsziel „Regenerative Energiesysteme nutzen“ Langfristig werden im Energiemix der „Zukunftslandschaft Energie“ regenerative Energiesysteme eine immer stärkere Rolle spielen. Dazu gehört unter anderem die Nutzung von Bio-, Solar- und Windenergie sowie die Wasserstoff-Technologie und im begrenzten Umfang auch die Nutzung der Wasserkraft. Eine weitere wichtige Energiequelle stellt das Recycling von Abfällen dar. So liegt der Anteil der erneuerbaren Energien am Primärenergieverbrauch in Deutschland aktuell etwa bei 7,5 Prozent, der am Endenergieverbrauch beträgt knapp 10 Prozent. Hat er sich im letzten Jahrzehnt etwa verdreifacht, so wird für die Zukunft ein Anstieg bis auf 25 Prozent prognostiziert. Nachwachsende Rohstoffe werden wichtige Ressource der Zukunft sein werden. So könnte beispielsweise die Bedeutung der Bioenergie künftig erheblich steigen. Aktuell wird in der Region eine prototypische Anlage entwickelt, die aus unterschiedlichen Produkten der Landwirtschaft Biogas zur Einspeisung in ein regionales Versorgungsnetz produzieren wird. Dabei wird die Bioenergie aus Biomasse beziehungsweise Energiepflanzen gewonnen (vgl. Fachbeitrag Landwirtschaft, Seite 78, und Chancenfelder zum Themengebiet Ressourcenlandschaft, Seite 86). Ein weiterer Aspekt ist Ihre Gewinnung aus Holz, zum Beispiel in Holzhackschnitzelkraftwerken. (vgl. Fachbeitrag Forstwirtschaft, Seite 82). Mit dem Bau eines solchen Kraftwerks ist es in Gummersbach-Lieberhausen gelungen, ein Dorf fast vollständig unter Verwendung von Holz mit Heizwärme und Warmwasser zu versorgen. Auch in punkto Solarenergie hat die Metropolregion Köln/ Bonn Potenzial. So ist in unmittelbarer Nachbarschaft – in Jülich – das erste Solar-Kraftwerk Deutschlands gebaut worden, welches nur mit Hilfe der Sonne Strom erzeugt. Die Nutzung der Windenergie konzentriert sich hingegen auf Es ist davon auszugehen, dass die Förderung der Braunkohle in der Region um 2045 ausläuft. Dann sind die Vorräte zwar nicht endgültig erschöpft, sie liegen aber so tief, dass eine weitere Förderung nach heutigen Kriterien unrentabel würde. 88 die windreicheren Landschaftsbereiche, beispielsweise im Linksrheinischen. Ideale Perspektiven, die Wasserkraft zu nutzen, eröffnen sich im Bergischen Land, wo sich Prototypen für Kleinwasserkraftanlagen in der Testphase befinden. Ein weiteres Qualitätsziel ist es, Technologien zu entwickelt, die aus in der industriellen Produktion anfallenden Stoffen Energie erzeugen. Ein Beispiel sind die WasserstoffTechnologien. Sie machen den in der chemischen Industrie anfallenden Wasserstoff auf unterschiedliche Art und Weise nutzbar. So ließen sich allein aus Industrieanlagen in Hürth mehr als 500 Busse oder 40.000 Personenkraftwagen dauerhaft betreiben. Ein wichtiger Beitrag zu einer umweltfreundlichen und klimaschonenden Mobilität in der Region. Darüber hinaus muss es künftig auch darum gehen, Abfallund Reststoffe im Sinne von Kreisläufen rückzuführen und über eine Stoffumwandlung beispielsweise wieder als Energie nutzbar zu machen. Aus Entsorgungszentren können Produktions- und Kompetenzstandorte der stofflichen Wiederverwertung werden, die in transparenter Form zu einer aktiven Auseinandersetzung mit der Thematik beitragen. Als Begleitprodukte können so Strom, Wärme, Fernwärme, Kälte, Biogas, Ersatzbrennstoffe und Chemierohstoffe produziert werden. Zur Stoffumwandlung hinzu tritt hier auch das Recycling, das allerdings nicht der Energieproduktion dient. Es bezeichnet vielmehr den Vorgang, bei dem aus Abfall ein Sekundärrohstoff entsteht. All dies zeigt: Die Energiedimension der Metropolregion Köln/Bonn fordert heraus. Um hier auch in Zukunft eine 85 Fachbeitrag Ressourcenlandschaft führende Rolle zu spielen, bedarf es sowohl einer Weiterentwicklung vorhandener Technologien und Kompetenzen, der Erprobung und Entwicklung von Innovationen sowie der Gestaltung von ökologisch und landschaftlich wertvollen Räumen. Es geht um die Entwicklung eines überzeugenden Gesamtkonzeptes – einer „Zukunftslandschaft Energie“, die die Region in ihrer Identität stärkt und die laufenden Umstrukturierungsprozesse zur Gestaltung einer außergewöhnlichen und attraktiven Landschaft nutzt. Vor allem aber gibt es der Region nachhaltige Impulse für die Energieversorgung von morgen. räume, Aufenthalts- und Kompetenzstandorte schafft. Dafür bedarf es in der Region eines Systems von Proto­ typen und Laboren zur beispielhaften Auseinandersetzung mit verschiedenen Kompetenz- und Themenfeldern, die an authentischen Forschungs- und Produktionsstandorten einen nachhaltigen Umgang mit Ressourcen erproben.85 Zukunftsfähige ‚StadtLandschaft’: Die Gestaltung einer nachhaltigen Ressourcenlandschaft Für die Zukunft der industriellen Gesellschaft wird entscheidend sein, wie wir die Herausforderung knapper werdender fossiler Ressourcen und einer zunehmenden Umweltbeeinflussung bei immer stärker begrenztem Raum meistern. Folglich muss eine neue Strategie des Umgangs mit den verfügbaren stofflichen Ressourcen gefunden werden. Die (post)industrielle Gesellschaft ist auf ein effizientes Stoffflussmanagement auf der Basis erneuerbarer Ressourcen angewiesen. Eine der zentralen Zukunftsaufgaben ist die Organisation und Gestaltung des Stoffwechsels zwischen Gesellschaft und Natur. Dabei geht es um eine gleichermaßen produktive wie attraktive Ressourcenlandschaft, die innerhalb der ‚StadtLandschaft’ alle lebensnotwendigen Güter nachhaltig zur Verfügung stellt und attraktive Lebens­ Die Regionale 2010-Projekte der :gärten der technik liefern beispielhaft Antworten auf dringende Zukunftsfragen wie Stoffumwandlung und Recycling [Deponie Leppe in Engelskirchen/Lindlar – Projekt :metabolon], gesunde und umweltgerechte Nahrungsmittelproduktion [Campus Klein-Altendorf in Rheinbach/Meckenheim – Projekt :agrohort], regionaler Wasserhaushalt [Einzugsgebiet der Dhünn – Projekt :aqualon], nachhaltige und klimafreundliche Energiewirtschaft [Rheinische Tagebauregion – Projekt :terra nova, Industriehügel Knapsack – Projekt :chemergie], Möglichkeiten und Chancen der Kunststoff- und Produktentwicklung [Chemiestadt Wesseling – Projekt :chemtech]. Zusätzlich wird das Gesamtsystem eines geschlossenen Lebenshaltungssystems im so genannten :envihab [environmental habitat] des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in Köln-Porz erforscht.  89 90 Erholungswert als Lebensqualität und ­Standortfaktor Ein Fachbeitrag zum Thema Freizeit und Erholung von Dr. Wolfgang Isenberg, Direktor Thomas-Morus-­ Akademie Bensberg Die Ausgangssituation: Die Region als Ausgangs- und Zielpunkt für Erholungssuchende Freizeit und Naherholung sind ein wichtiger Wirtschaftsfaktor und eine wesentliche, zukunftsgerichtete Entwicklungschance für die Region. Sie bieten dieser einen Standortvorteil, für den es sich lohnt, in einen Wettbewerb zu anderen bestehenden Raumnutzungskonzepten vor Ort einzutreten. Damit die bestehenden Potenziale nicht nur erkannt, sondern auch in Wert gesetzt werden können, bedarf es eines klaren Profils der für die Freizeitnutzung vorgesehenen Flächen. Ansonsten kann es dazu kommen, dass konkurrierende Ideen der Raumnutzung im konkreten Ergebnis zu Nutzungen oder Mischnutzungen führen, die für eine deutliche Ausrichtung auf die Freizeitfunktionen eher von Nachteil sind. Darüber hinaus müssen die Chancen, die das natur- und kulturräumliche Potenzial der Region für Freizeitnutzungen bietet, auch hinsichtlich ihrer Marktrelevanz realistisch eingeschätzt und herausgearbeitet werden. Urlauber und Naherholungssuchende haben ihre spezifischen Anforderungsprofile und Erwartungshaltungen. Diese sind bei der touristischen Entwicklung in differenzierter Form zu berücksichtigen. Erholung und Freizeit sind ein Grundbedürfnis einer modernen Gesellschaft. Dabei resultiert die Wertschöp- 86 Fachbeitrag Freizeit und Erholung fung des Tourismus in der Region aus einem umfassenden Ansatz, der sowohl die unterschiedlichen Teilräume als auch stark differenzierte Angebote und Vermarktungsaktivitäten umfasst. Vor allem der Tagestourismus ist bezüglich seiner Bedeutung und seiner regionalökonomischen Effekte neu zu bewerten. Insgesamt gesehen ist die Region in touristischer Hinsicht privilegiert, denn sie verfügt über eine hochwertige Freizeitinfrastruktur und reizvolle, vielfältige und erlebnisreiche Natur- und Kulturlandschaften. Diese Vielfalt erlaubt es, sehr unterschied­ liche Bedürfnisse nach Erholung und Freizeitgestaltung zu decken: Stadt- und Kulturerlebnisse sind ebenso möglich wie Wanderungen oder Radtouren in einem der Naturparke, der Besuch von Freizeiterlebniswelten ebenso wie das Erleben von Industriekultur oder des täglichen Lebens auf einem Bauernhof. Dabei liegen die Gästezahlen insgesamt über dem nordrhein-westfälischen Landesdurchschnitt. Prognosen zufolge werden sie im kommenden Jahrzehnt weiter ansteigen. Mit den Städten der Rheinschiene verfügt die Region selbst über ein hohes Nachfragepotenzial. Sie wirkt dabei, vereinfacht formuliert, wie eine Raumstruktur mit zwei Geschwindigkeiten: Auf der einen Seite fungiert die Rheinschiene als „metropolitaner Korridor“, dessen Anziehungskraft hoch ist; auf der anderen Seite zeichnet sich die Region östlich und westlich des Rheins durch eine Vielzahl dezentral gelegener Räume aus. Mit dieser räumlichen Arbeitsteilung haben sich zwei Landschaftsstrukturen herausgebildet, die ihrerseits eine hohe Binnendifferenzierung aufweisen. Bei ­vielen Bewohnern des verdichteten Korridors besteht ein ­ roßes Interesse an der Natur. In diesem Zusammeng hang hat das Bedürfnis nach „naturnahen“ Dienstleistungen auch in der Metropolregion Köln/Bonn zugenommen. Die Städter möchten in ihrer Freizeit „Natur“ erleben – sie fragen nach regionaltypischen, ökologisch verträglich hergestellten Produkten. Umgekehrt haben die Menschen in den ländlicher geprägten Räumen ein starkes Interesse an der urbanen Kultur. Im Sinne des Kulturlandschaftsnetzwerkes stellt sich somit die Herausforderung, sowohl Vernetzungen zwischen den dezentralen Räumen und dem metropolitanen Korridor zu schaffen als auch innerhalb der dezentralen Räume und zwischen ihnen86. Zugleich geht es darum, der wachsenden Bedeutung der landschaftsbezogenen Naherholung vor der eigenen Haustür mit attraktiven Angeboten gerecht zu werden. Grün- und Freiflächen in Natur und Landschaft sind das eigentliche Kapital von Tourismus und Naherholung. Um ihre Erlebbarkeit zu steigern, müssen die Grünstrukturen der Region miteinander verbunden werden. Dabei erschließen Rad- und Fußgängerwege und Plätze, an denen das Panorama der Landschaft, ihre Unterschiedlichkeit und Spannung sowie die vielfältigen Grünstrukturen erlebt werden können, den Erholungssuchenden die touristischen Besonderheiten der Region. Die Grün- und Freiflächen sind dabei jedoch Kulisse für verschiedene Formen der Freizeitnutzung. Parallel dazu werden jedoch privatwirtschaftlich organisierte Vorhaben – auch in Form von Großprojekten – zukünftig weiter an Boden gewinnen, da die öffentliche Hand immer weniger in der Lage sein wird, die Freizeitinfrastruktur selbst zu modernisieren. Zukunftsregionen überwinden diese vermeintlichen Gegensätze von Stadt und Land, Metropole und Natur, Komfort und Bewegung. Sie vernetzen die Stärken. (Horx, M. (Hrsg.) Trend-Report 2010. Kelkheim 2009) Fachbeitrag Freizeit und Erholung Die Herausforderung: Landschaft als Standortfaktor Der Erlebniswert einer Landschaft ist bis heute eine der bedeutsamen Triebkräfte des Tourismus. Landschaft kann dabei aber nicht mit „Natur“ beziehungsweise „unberührter Natur“ gleichgesetzt werden, vielmehr ist sie immer schon Kulturlandschaft gewesen. Damit sie wirken kann, muss sie zugleich attraktiv und zugänglich sein. Der Landschaftsästhetik kommt somit eine ähnlich wichtige Rolle zu wie der Landschaftsökologie. Ziel muss das gemeinsame Bestreben aller Akteure sein, intakte und zugleich spannende Landschafts- (und Stadt)räume zu schaffen. Dies zu gewährleisten ist die zentrale Herausforderung im Themenbereich Freizeit und Erholung. Über die Gestaltung und Pflege entsprechender Landschaftsräume hinaus bedarf es auch eines modernen Erlebnisdesigns und entsprechender Angebote zur „Bespielung der Landschaft“. Aussichtspunkte, von denen aus ein unserem ästhetischen Empfinden nach besonders ansprechender Ausschnitt der Landschaft sichtbar wird, haben eine lange Tradition. Vor diesem Hintergrund muss den Besuchern der Region die Gelegenheit gegeben werden, Landschaft „als Ganzes“ zu erleben, zum Beispiel über Fernblicke. Diese werden oftmals mit dem sinnlichen Erleben von Natur und Landschaft gleich gesetzt und ermöglichen ästhetische Erfahrungen, die auch im Sinne neuer Freizeitperspektiven – zum Beispiel in therapeutischen Landschaften – von Bedeutung sind. Eine wertvolle Hilfe kann dabei auch der interaktive Freizeitplaner der Metropolregion Köln/Bonn sein. Er ermöglicht es, zu fast 50 Fernblicken in der Region zu gelangen und diese mit anderen Freizeitaktivitäten zu kombinieren87. 87 91 Die Ausführungen zeigen: Eine touristische Nutzung setzt nicht nur eine ökologisch intakte Natur voraus, sondern auch eine „schöne“ Landschaft als Lebens- und Erlebnisraum. Daher sollte die landschaftsästhetische Dimension als Gegenstand regionalplanerischer Zielaussagen neben den aktuell eher ökologisch ausgerichteten Naturschutzstrategien stärker im Blick behalten werden. Diese Perspektive geht einher auch mit der Betonung der Wahrnehmung von Landschaft als „schauendes“ Erlebnis. Ein besonderes Augenmerk ist auf die Gestaltung der Übergänge in der Landschaft zu richten. Vor allem dort, wo Stadt und Land, Feld und Wald, Wiese und Siedlung aufeinander treffen, wird das Charakteristische der jeweiligen Landschaft deutlich wahrgenommen. Folglich sind gerade diese Bereiche von Beeinträchtigungen freizuhalten. Vertikale und horizontale Verknüpfung von Angeboten Erfolgreiche Tourismusprojekte setzen intelligente Angebots- und Organisationsformate voraus, die sowohl horizontale als auch vertikale Vernetzungen forcieren. Dahinter steht der Gedanke, Nutzungskorridore ähnlich der Kulturlandschaftskorridore zu schaffen, um den Anschluss an andere Räume herzustellen, zum Beispiel in der Rheinschiene und darüber hinaus. Für eine horizontale Vernetzung bieten sich Objekte des kulturellen Erbes sowie in der Region vorhandene Wasserläufe oder alte, wieder sichtbar gemachte Handelswege an. Besondere Bedeutung erhalten die Routen und Korridore, wenn an ihnen so genannte „Knoten“ mit einer Verdichtung von Angeboten gestaltet werden: Dies können beispielsweise Museen sein, die als Ausgangspunkte einer Beschäftigung mit der Region über abwechslungsreiche, vernetzte sowie klar und einheitlich beschilderte Wege miteinander verbunden sind. Eine vertikale touristische Perspektive hingegen verfolgt die Verknüpfung verschiedenartiger Angebote in einem prägnanten Raum. Ein gutes Beispiel hierzu liefern die Klosterlandschaften von Altenberg und Heisterbach. Dabei werden Natur und Kultur sowie Landschafts- und Kulturgenuss über Themenrouten mit einer regional geprägten Gastronomie und Hotellerie verknüpft. Ein Ansatz, der auch im Sinne der Wertschöpfungskette interessant ist. Ob horizontale oder vertikale Vernetzung – um eine touristische Entwicklung im Sinne des Kulturlandschaftsnetzwerkes zu erreichen, ist eine über kommunale Grenzen hinausgehende Planungsperspektive zwingend notwendig, sowohl bei öffentlichen als auch privatwirtschaftlichen Vorhaben. Nur sie gewährleistet, dass sowohl sektorale als auch räumliche Entwicklungen und Prozesse aufeinander abgestimmt und nachhaltig erfolgreich sind. Neue Perspektiven durch therapeutische Landschaften Neue Impulse für das Freizeit- und Erholungsangebot der Metropolregion Köln/Bonn können im Bereich des Gesundheitstourismus erwachsen. Eine zentrale Rolle spielt dabei der Begriff der „Therapeutischen Landschaften“. Er geht der Frage nach, wie und in welcher Form die Natur einen Einfluss auf die Gesundheit von Menschen hat. Grundgedanke ist, dass eine intakte Natur sowie eine harmonische Landschaft zum Wohlbefinden und damit zur Gesunderhaltung des Menschen beitragen. Medizinische Untersuchungen be- Die Aussichtspunkte lassen sich direkt in einer Karte bzw. in einer Liste ausdrucken und bei Touren durch das Rheinland als Übersichtspunkte einplanen (siehe auch www.freizeitplaner2010.de/ de/kategorien/natur). 92 legen dies. Sie zeigen, dass allein der Anblick einer schönen Naturszenerie stimmungsaufhellend sein kann und sowohl Hirnströme als auch Hormone und Botenstoffe beeinflusst. „Therapeutische Landschaften“ zeichnen sich demnach durch eine ästhetische Landschafts- und Naturkulisse, aber auch eine hohe Dichte an spirituellen Orten mit Einrichtungen wie Kirchen, Klöstern, Stiften und Bildungshäusern aus. Hinzu kommt die reichhaltige Ausstattung mit gesundheitsfördernden Institutionen, die vorwiegend der Erholung dienen. Das Konzept pointiert die gesundheitsfördernde und therapeutische Wirkung des Naturerlebens – es ermöglicht vor allem ländlich geprägten Räumen neue Perspektiven im Tourismus. Neben den Kur- und Gesundheitsorten im Oberbergischen Kreis und im Rhein-Sieg-Kreis weist hier das Siebengebirge besondere Begabungen auf, insbesondere weil es die Möglichkeit bietet, den Aspekt der Bewegungsmit dem einer ,LernLandschaft’ zu kombinieren. Kulturlandschaft als ,LernLandschaft’ Die Idee der „Kulturlandschaft als LernLandschaft’ wird zunehmend populärer, da die Menschen zukünftig ihre Freizeit mehr als Lern- und Erlebniszeit nutzen werden als bisher. Es wird darum gehen, die Kulturlandschaft in all ihren Facetten zu erfahren. Dabei erzählt diese immer auch Geschichten. So geben die sichtbaren Zeichen in der Kulturlandschaft vor allem über ihre Vergangenheit Auskunft. Sie liefern eine Vielzahl an Informationen, die es zu „heben“ gilt, beispielsweise zur Industriehistorie im Siebengebirge oder im Bergischen Land. Diese Informationen sollten auf ansprechende und zeitgemäße Art und Weise vermittelt werden, zugleich müssen die Menschen in der Region aber auch entsprechend sensibilisiert werden, so dass ein Verständnis für „Kulturlandschaft als LernLandschaft“ entsteht. Durch das Eingehen auf sichtbare und unsichtbare Bezüge können Fachbeitrag Freizeit und Erholung neue Zugänge zur Landschaft und eine neue Beschäftigung mit dem Thema Heimat forciert werden. Betrachtet man dies vor dem Hintergrund, dass die Bedeutung der Naherholung auch weiterhin ansteigen wird, ließen sich hier Ansätze entwickeln, die die in der Landschaft verborgenen Geschichten aufspüren, thematisch abbilden sowie erlebnismäßig aufbereiten, um so eine „Exotik der Nähe“ zu schaffen – ein neues Verständnis für die Landschaft vor der eigenen Haustür. Qualitätsziele für Freizeit und Erholung Natur- und Kulturerlebnis sind die wesentlichen Motoren für Tourismus und Naherholung. Hinzu kommt die Gesundheitsvorsorge, zum Beispiel in Form von Kuraufenthalten. Den Bedürfnissen von Wanderern, Radfahrern und Reitern, aber auch von Wassersportlern ist insofern Rechnung zu tragen. Die hier formulierten Qualitätsziele für die weitere Entwicklung von Freizeit und Erholung in der Metropol­ region Köln/Bonn sind als Ausgangspunkt eines breit angelegten Diskussionsprozesses zu verstehen. Sie dienen dazu, einen nachhaltigen Tourismus in der Region zu gestalten, der den naturräumlichen, kulturellen, ökonomischen, sozialen und ästhetischen Erfordernissen Rechnung trägt. Dabei wird es zukünftig in erster Linie darum gehen, Bereiche auszuweisen, die eine bereits vorhandene, intensive Freizeitnutzung besitzen. Gleichzeitig müssen aber auch die Bereiche identifiziert werden, die das Potenzial dazu haben, und andere, in denen die Freizeitnutzung hinter konkurrierenden Nutzungsansprüchen zurücktreten sollte. Qualitätsziel Naturerlebnis: Einblicke gewähren – sensible Zonen schützen Grundlage des Naturerlebnisses sind die Kulturlandschaften mit ihren Wäldern, Wasserflächen und Naturparken. Angesichts des Nutzungsdrucks in der Region ist hier vie- lerorts ein Interessenausgleich zwischen Naturschutz und Tourismus herzustellen. Dieser sollte nur in Ausnahmefällen über ordnungsrechtliche Regelungen vorgenommen werden. Besser geeignet sind Formen des Besuchermanagements, vor allem die Lenkung der Besucher mittels attraktiver Angebote. Eine steuernde Funktion besitzen dabei beispielsweise die Wegeführung und -qualität, die Beschilderung sowie die Anlage von Beobachtungsstationen, Parkplätzen, Informationspunkten oder natürlichen Hindernissen. Das bedeutet: Reizvolle Einblicke in die Natur sollten einerseits gestattet werden, zum anderen gilt es jedoch, sensible Zonen von Störungen freizuhalten. Ein Ansatz dazu könnte eine detaillierte Landschaftsanalyse sein, die dazu beiträgt, die touristische Infrastruktur zu verfeinern. So können zum Beispiel geeignete Routen für selbstführende Pfade gefunden werden. Angebote zur Interpretation von Landschaft wie Beobachtungshütten, Bohlenwege oder geführte Wanderungen ermöglichen Einblicke in Bereiche, die zum Großteil unberührt bleiben. Viele Argumente sprechen zudem dafür, Rangersysteme und Besucherzentren aufzubauen. Beide dienen der Wissensvermittlung, verbessern die Erfahrbarkeit und Vermarktung der Landschaft und ermöglichen eine effiziente Besucherlenkung. Gleich drei Naturparke sind in der Region ausgewiesen: der Naturpark Siebengebirge, der Naturpark Rheinland und der Naturpark Bergisches Land. Für das Siebengebirge ist aufgrund der langen touristischen Tradition und der Überschaubarkeit ein Profil im Bewusstsein der Bevölkerung verankert. Im Naturpark Rheinland und im Bergischen Land sieht die Situation etwas anders aus: Hier sorgen die flächenmäßige Ausdehnung und Heterogenität der Landschaften dafür, dass das Bewusstsein, im Naturpark zu leben, weniger verbreitet ist. Daher ist es notwendig, das Profil der beiden Naturparke zu schärfen, indem das Charakteristische der Fachbeitrag Freizeit und Erholung jeweiligen Landschaftsräume herausgearbeitet und erlebbar gemacht wird. Eine Vernetzung und Professionalisierung der Vermarktung erlaubt es auch Nischenanbietern, ihre Angebote zu platzieren und damit lukrativ zu machen. In diesem Zusammenhang geht es nicht nur um ökologische und kulturelle, sondern auch um ästhetische Qualitäten. Sie schaffen erst die Bilder im Kopf, die zu einem Besuch reizen und bestimmte touristische Nutzungen implizieren. So legt die Vorstellung eines Waldes beispielsweise die Idee einer Wanderung nahe, das Bild eines Schlosses die einer Besichtigung. Mit einem See hingegen verbinden wir den Wunsch zu baden oder Wassersport zu betreiben. Wasser ist mit Erholung untrennbar verbunden. Flüsse, Bäche, Seen und (Thermal-) Quellen sind mit Blick auf ihre Sauberkeit, Zugänglichkeit und Erlebnisqualität eine wichtige Ressource im Tourismus. Will man die Tourismusperspektive der Region neu bewerten, so verdienen auch die Mineralwasserquellen Beachtung, auch wenn sie ökonomisch unter einem starkem Druck stehen. Prinzipiell gilt, dass Wandern oder Radfahren am Wasser, Wasserspielplätze, Angeln, Bootstouren und weitere Nutzungsformen stets einen Ausgleich zwischen räumlichen Nutzungskonzepten bedingen. Neue Formen der Inwertsetzung sollten den Umgang mit der Ressource Wasser kennzeichnen, auch in den ausgekiesten Bereichen oder hinsichtlich der Nachfolgenutzungen im Braunkohletagebau. In der Region bietet sich diesbezüglich eine Vielzahl von Chancen, für deren sozial- und umweltverträgliche Nutzung noch Entfaltungsspielräume bestehen (vgl. Fachbeitrag Wasser, Seite 58). Qualitätsziel Kulturerlebnis: Verbindungen schaffen Verständnis Ein weiteres Qualitätsziel befasst sich mit dem Kulturerlebnis. Dieses macht sich für Erholungssuchende nicht 93 nur an Bauwerken und Museen fest, sondern zum Beispiel auch an den Spuren historischer und aktueller Industrie­ kultur. Eine wichtige Rolle spielt zudem die bäuerlich geprägte Landwirtschaft sowie zunehmend Orte, an denen Wissenschaft zum Erlebnis wird. Dabei gilt: Nur im Zusammenspiel der verschiedenen Aspekte kann die Bedeutung der Kulturlandschaft in ihrer Tiefe vermittelt und nachhaltig erhalten werden. Kulturdenkmale sind – nicht nur in den Städten - wichtige Standortfaktoren für den Freizeit- und Erholungswert einer Region. Auch hier sieht der Tourist in erster Linie die ästhetische Qualität. Der tatsächliche historische oder kulturelle Wert tritt dahinter zurück – ähnlich wie der ökologische Wert in der Natur. Resultat ist, dass die Erlebbarkeit von Kulturgütern gewährleistet oder verbessert werden muss. Deshalb sollten beispielsweise Sichtachsen freigehalten, Straßenbezüge erhalten und ästhetische Störungen abgewendet werden (vgl. Fachbeitrag Kulturelles Erbe, Seite 62). Aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung des Städtetourismus ist die Erhaltung der touristischen Attraktivität in den Städten der Region von hoher Priorität. „Sightseeing“, „Atmosphäre“ und „Shopping” sind die Hauptmotivationen für Städtereisende: Sie wollen Sehenswürdiges und Erlebenswertes genießen, in Atmosphäre baden und in angenehmem Ambiente das Zeitgefühl verlieren. Der Stadttourist bummelt und flaniert. Er möchte dabei mehr Gefühle als Waren mitnehmen und nebenbei seine Einkäufe erledigen. Dabei werden Veranstaltungen jeder Art als Anlass für eine Städtereise immer wichtiger. Dies kann ein Musical, ein Marathonlauf, eine Kunstausstellung oder eine Messe sein. Großevents können allerdings das Charakteristische und die „Atmosphäre“ einer Stadt nicht ersetzen. Daher kommt der Pflege des Stadtbildes und dessen Erhalt beziehungsweise Entwicklung eine wichtige Bedeutung zu. Sie trägt dazu bei, einer Vereinheitlichung und „Verkrustung“ entgegenzutreten. Darüber hinaus stellen auch Investitionen in etablierte Kultureinrichtungen eine notwendige Voraussetzung dar, um die touristische Attraktivität der Städte zu sichern. Im Rahmen der Industriekultur eröffnet vor allem das Thema Bergbau touristische Potenziale. So kann im Bergischen Land mit seinen Anlagen aus der frühen Zeit der Industrialisierung eine professionellere und vernetzte Vermarktung dazu führen, eine Zielgruppe für besondere Angebote zu erschließen. Ein Beispiel könnten industriehistorische Wanderungen sein. Ansätze hierzu bieten die bestehenden Netzwerke. Im Bereich des Braunkohletagebaus der Ville steht zurzeit noch der Freizeitwert der Badeseen im Vordergrund. Ideen zu einer Vermittlung der Industriekultur gibt es auch hier. Noch jedoch ist das Außergewöhnliche und Erhaltenswerte einer von Menschhand vollkommen umgestalteten Landschaft wie der des Braunkohletagebaus nur schwer vermittelbar. Langfristig wird es hier wichtig sein, die Spuren des Tagebaus zu sichern und Ansätze zu einer zukünftigen touristischen Inwertsetzung der riesigen Areale zu entwickeln. Ein weiterer Aspekt des Kulturerlebens ist das Wissenschaftserlebnis für Touristen und Erholungssuchende. Seine Bedeutung nimmt kontinuierlich zu. Dabei liegt die Stärke der Standorte in der Region vor allem in dem am Ort gebundenen und erfahrbaren Wissen. Die Authentizität der Orte ist ihr Zukunftspotenzial, das bei künftigen Konzeptionen bewahrt und gestärkt werden sollte. Das gilt insbesondere für den Umgang mit Freizeit- und Erlebniswelten, wird doch mit ihnen die Idee von „künstlichen Welten“ assoziiert, während die authentische Kulturlandschaft außen vor bleibt. Die Region muss sich auch 94 dieser Entwicklung stellen, denn die wachsende Freizeitorientierung, die Pluralisierung von Lebensstilen und die Erlebnissehnsucht der Konsumenten bilden den Motor für den Erfolg und die zunehmende Akzeptanz künstlicher Erlebniswelten. Um hier steuernd eingreifen zu können, sollte die Genehmigung derartiger Anlagen immer an strenge Qualitätsanforderungen geknüpft sein, die sich aus dem Natur- und Kulturerbe ableiten. In den ländlichen Räumen der Region – insbesondere dort, wo die Bodenqualität nicht besonders hoch ist sowie in Nähe der Städte – bietet der Agrotourismus den Landwirtinnen und Landwirten zusätzliche Einkommensmöglichkeiten. Längst geht es dabei nicht mehr nur um den klassischen „Urlaub auf dem Bauernhof“. Besonders im Bereich der Naherholung wird das Angebot ständig erweitert: Hofläden und Bauerncafés, Maislabyrinthe, organisierte Kindergeburtstage oder Selbstpflückaktionen bieten sich als Freizeitangebote und Ausflugsmotivationen an. Eine Entwicklung, bei der die regionale Vermarktung zunehmend mit dem Erlebniswert authentischer Landschaften verknüpft wird. Derartige Tendenzen sollten weiter unterstützt werden, nutzen sie doch gleichermaßen Erholungssuchenden und Landwirten und tragen somit zum Erhalt der Kulturlandschaft bei (vgl. Fachbeitrag Landwirtschaft, Seite 78). Fachbeitrag Freizeit und Erholung der Angebote vorzuziehen. Die Herausforderungen an eine ansprechende moderne Architektur und ästhetische ­Gestaltung bleiben jedoch bestehen. Eine besondere Situation gibt es im Bereich Camping und Caravaning, da hier eine Infrastruktur bereitgestellt werden muss, um „wilde“ Formen zu vermeiden. Erforderlich sind Campingplätze oder besonders ausgewiesene Flächen. Vor dem Hintergrund, dass bei allen Formen des Freizeitwohnens die Nähe zu Natur und Landschaft – insbesondere zu „schöner Landschaft“ – eine dominierende Rolle spielt, ergeben sich Konsequenzen für die Flächennutzungen. Ziel sollte es sein, dabei neben wirtschaftlichen Interessen immer auch Umweltbelange zu berücksichtigen. Qualitätsziel Gesundheits- und ,LernLandschaften’ als neue Perspektiven Qualitätsziel Freizeitwohnen: Bestehende Angebote stärken Auch die neuen Tourismusperspektiven im Sinne von therapeutischen Landschaften und ,LernLandschaften’ sollten sich an entsprechenden Qualitätszielen orientieren. In diesem Bereich verfügt die Region prinzipiell über gute Voraussetzungen. Um diese auch zu nutzen, bedarf es jedoch neuer Betrachtungsweisen und eines „Aufräumens“ von beeinträchtigten Landschaften. Nur so lassen sich Konflikte – beispielsweise ästhetischer Art – vermeiden und die Chancen der neuen Aktionsfelder nutzen – beispielsweise, indem Kulturlandschaft als Seh-Erlebnis erlebbar wird. Die Schaffung von Übernachtungsmöglichkeiten erschließt wirtschaftliche Potenziale und macht die Region aus touristischer Sicht attraktiver. Dabei ist ihre Förderung in bestehenden Hotels, Pensionen, Privatunterkünften, Ferienanlagen und Ferienwohnungen flächenneutral. Aus diesem Grund ist sie der Neuanlage entsprechen- Ein Beispiel sind die Fernblicke (,RheinBlicke’). Es ist ein wesentliches Ziel des Masterplans, hierzu notwendige Sichtachsen freizuhalten oder neu zu schaffen. Zugleich geht es darum, eine Infrastruktur zu entwickeln, die dem Anspruch der therapeutischen Landschaften gerecht wird. Bezüglich der ,LernLandschaften’ hingegen stehen das Verständnis für und der Zugang zu den Landschaften im Vordergrund. Hierzu sollten sowohl ein entsprechendes Raumerlebnisdesign als auch moderne und didaktisch ansprechende Konzepte der Informationsvermittlung realisiert werden, die den heutigen Seh- und Hörgewohnheiten entsprechen. Qualitätsziel Revitalisierung von touristischen Orten Die zuvor beschriebenen neuen Perspektiven spielen auch im Sinne einer Revitalisierung touristischer Orten in der Region eine wichtige Rolle. Exemplarisch sei das Siebengebirge genannt, wo es darum geht, eine traditionsreiche Tourismusdestination in neuer Form als „BewegungsLandschaft“ für Wandern, Radfahren und Naturerfahrung sowie als ,LernLandschaft’ zu etablieren. Dabei spielen Aspekte wie die Rheinromantik und ihre räumlichen Bezüge, die Klöster und ihre Raumnutzungen, aber auch Naturbeobachtung, Geotourismus und Kulturgeschichte (Denkmäler) eine entscheidende Rolle. Nach Jahrzehnten des schleichenden touristischen Bedeutungsverlustes in Orten wie beispielsweise Königswinter eröffnen die Projekte der Regionale 2010 hier und im gesamten Siebengebirge die Chance, sich mit einem modernisierten räumlichen Erscheinungsbild, einem profilierten Landschaftskonzept, einem neuen inhaltlichen Profil und pointierten Angebotssegmenten als Tourismusdestination zurückzumelden. Indem sie die lange Tourismustradition dieses Raumes mit neuen, zukunftsweisenden Nutzungsformen von Freizeit und Erholung kombinieren, kann nicht nur eine „Aufwertung“ der Landschaft, sondern auch ein wirtschaftlicher Mehrwert für die gesamte Region erwachsen. Dies wäre zugleich ein wichtiger Impuls für das touristische Gesamtprofil der Metropolregion Köln/Bonn.  95 96 Stromlage Rhein – Neue Dynamik am Fluss Ein Fachbeitrag zum Querschnittsthema Rhein und seiner Bedeutung für die Raumentwicklung in der Region von Christoph Hölzer und Carolin Lüke, Regionale 2010 Agentur Die Herausforderung: Die Region und der Fluss – ein ambivalentes Verhältnis wird neu definiert Der Fachbeitrag Rhein versteht sich als „Querschnittsbeitrag“, der den regionalen Kulturlandschaftsraum Rhein in seinen vielfältigen Strukturen beschreibt und in die damit einhergehenden Herausforderungen und Potenziale einführt88. Das Rheinland zwischen Bad Honnef im Süden und Leverkusen im Norden hat eine durchaus zwiespältige Beziehung zum Rhein, der in diesem Abschnitt überwiegend von geschlossenen Stadt- und Siedlungsgebieten geprägt ist. In Bonn und Köln ist der Strom zwar ein nicht wegzudenkendes Gestaltungselement der Stadt, das Verhältnis zum Rhein ist in beiden Großstädten jedoch an vielen Stellen ungeklärt. Vor allem außerhalb der Innenstädte ist es in einigen Bereichen durchaus problematisch. Dies äußert sich auch darin, dass viele Rheinanlieger dem Fluss den Rücken zukehren und weite Bereiche von der Industrie besetzt und damit nicht zugänglich sind. Dort, wo zum Beispiel rheinnahe Fußwege existieren, sind diese häufig eher lieblos gestaltet. Eine gemeinsam artikulierte Haltung der Region zum Rhein ist nicht erkennbar. Das ist erstaunlich, denn obwohl der Rhein sich um Kommunalgrenzen nicht schert und Hochwasser oder die 88 89 Fachbeitrag Querschnittsthema Rhein und seine Bedeutung für die Raumentwicklung in der Region starke Frequentierung seiner Ufer alle Anlieger betreffen, fehlt es noch an einer gemeinsamen Handlungsperspektive, die die Städte und Gemeinden in ihrem Umgang mit dem Strom leiten könnte. Langfristiges Ziel der Region Köln/Bonn muss es daher sein, zu einem gemeinsamen Verständnis und Raumbewusstsein in ihrem regionalen Rheinraum beizutragen. Dabei geht es darum, die kom­ plexen Auswirkungen des Flusses auf den Raum als Gestaltungsaufgabe zu formulieren.89 Zudem sollte die hohe Dichte verschiedener, einander überlagerter Funktionen als Bereicherung gesehen werden. Ziel muss es sein, den Rhein und seine Ufer als »Schaufenster« der Region zu gestalten. Eine zusätzliche Herausforderung liegt darin, die unterschiedlichen Nutzungsansprüche an den Raum mit der Flussdynamik und ihren sich ändernden Hochund Niedrigwasserständen in Einklang zu bringen. ermöglichten eine weite Sicht, brachten jedoch auch Überflutungen und Seuchen. Man begegnete ihnen mit Respekt und hielt die Bebauung in sicherem Abstand. Ihre urbane Zähmung, insbesondere die Gestaltung der Uferkanten, ­erhöhte die Spannung zwischen der zivilisatorischen Kraft der Stadt und der natürlichen Energie des Wassers noch – ein entscheidender Grund für den stetigen Wandel von ­ Ab- und Hinwendung der Menschen zu ihren Stromlagen. Zur Bedeutung von Flusslandschaften Der Rhein war und ist eine wichtige Wachstumslinie, zugleich aber ist er auch eine Grenze. So wurden Siedlungen bereits in der Historie entlang des Wassers errichtet. ­Exemplarisch hierfür steht die Besiedlung des linken Rhein­ufers durch die Römer. Nicht selten bildeten sich daraus später Grenzen – aber auch verknüpfende Bänder zwischen Ländern, Völkern und Städten. Der Rhein wurde zu einem Identitätsträger, eine Entwicklung, die die bis heute enge emotionale Bindung des Menschen an den Fluss erklärt. Die oben dargestellte Situation ist nicht untypisch. Nicht nur der Rhein, sondern auch die anderen großen europäischen Ströme wurden schon immer als etwas Ambivalentes empfun­den. Begründet liegt das Verhältnis der Menschen zu ihren Strömen und Stromlagen in den Landschaften, die die Flüsse über lange Zeit gestaltet haben. Sie üben eine besondere ästhetische Faszination aus, die sich aus dem Neben­ einander von Ruhe, Weite und unbändiger Energie sowie aus der Beständigkeit des Flusslaufes und der Ruhelosigkeit seines Fließens ergibt. Das Besondere resultiert dabei aus der Kombination der Gegensätze Beständigkeit und Variabilität. Mit ihrer Topografie boten Flüsse Schutz vor Angreifern, sie Mit der aufkommenden Industrialisierung entrückten die Flüsse dem Bewusstsein der Gesellschaft, obwohl die wirtschaftlichen Bezüge zunahmen. Das Entrücken bezog sich vor allem auf die Zugänglichkeit der Ufer: Hafenanlagen, Bahnlinien oder Straßen wurden angelegt, Industrieorte wuchsen an die für die Ver- und Entsorgung notwendigen Flüsse heran. Die Umwandlung naturnaher Auen in begradigte und gebündelte Flussläufe und die technischen Bauwerke zum Schutz vor Gefahren schufen eine scheinbar berechen- und kontrollierbare Infrastruktur, deren Anziehungskraft jedoch spätestens mit der zunehmenden (industriellen) Verschmutzung verloren ging. Die Städte schotteten Inhaltlich basiert der Beitrag auf den Ausführungen des Buches „Stromlagen – Urbane Flusslandschaften gestalten“. Er fokussiert sich auf die urbanen Themen und Aspekte des Rheins in der Metropolregion Köln/Bonn, bezieht dabei jedoch die Bedeutung des Flusses als gesellschaftliche und kulturelle Achse mit ein. Dabei werden bewusst Bezüge zu bereits in anderen Kapiteln erläuterten Themen hergestellt. Seit Herbst 2010 arbeitet der „AK Rhein" des Region Köln/Bonn e.V. parallel an einer regionalen Rheincharta. Sie soll die gemeinsame Haltung der Region zum Rhein dokumentieren, die Positionierung auf internationaler E ­ bene ­unterstützen und als regionale Verständigungsbasis die Arbeit mit den planerischen Herausforderungen am und mit dem Rhein strukturieren. Die Rheincharta wird Ende 2011 im Rahmen der Rheinkonferenz vorgestellt; ihre ­Vorgaben und Ziele im Anschluss in den Masterplan :grün 3.0 einfließen. Fachbeitrag Querschnittsthema Rhein und seine Bedeutung für die Raumentwicklung in der Region sich nun ab und wandten dem Strom ihre Rückseiten zu. So wurden der Rhein und seine Nebenflüsse lange Zeit für andere als industrielle oder gewerbliche Nutzungen uninteressant oder standen für diese gar nicht zur Verfügung. Heute entdecken die Städte und Siedlungen der Metropolregion Köln/Bonn den Rhein neu. Sie nutzen die Lage am Wasser zur Aufwertung ihrer weichen Standortfaktoren. Hintergrund ist, dass sich seit dem Beginn der postindustriellen Zeit die Ansprüche der Gesellschaft an ihre Stadt und das Umweltbewusstsein gewandelt haben. Naherholungsmöglichkeiten, Wohnumfeld und Stadtbild sind wichtige Faktoren für die Lebensqualität und die Attraktivität der Lebensumwelt, nicht zuletzt weil die Menschen über größere zeitliche und finanzielle Budgets für ihre Freizeitgestaltung verfügen. Im Gegensatz zu den größtenteils sehr dicht bebauten Innenstadtkernen bieten am Wasser gelegene Standorte weite, unverbaubare Ausblicke, großzügige Grünflächen für die Naherholung und die Möglichkeit zur Erweiterung der Innenstadt durch die Öffnung zum Wasser. Diese Renaissance des Rheins sorgt dafür, dass viele bisher vernachlässigte Potenziale wiederentdeckt werden. Der Fluss und seine Nebenflüsse werden ins Stadtbild zurückgeholt. Die versteckten Potenziale Lagen mit Wasserblick werden seit einigen Jahren als attraktive Lebensräume mit urbanen und landschaftlichen Qualitäten neu entdeckt. Dies gilt auch für den Rhein in der Metropolregion Köln/Bonn. Hier ist der Fluss nicht nur Kulisse für die Entwicklung von Projekten, sondern Potenzial und Herausforderung zugleich: Er ist Arbeit­ geber, Teil der Infrastruktur und Landschaftsgestalter. Dabei bringt er Hochwasser ebenso wie Freizeitvergnügen. Die architektonischen Höhepunkte, die ihn begleiten, gehen allerdings in einem Meer baulicher Anspruchslosigkeiten unter. Vorherrschend sind ausgedehnte Siedlungsbänder ohne Rheinbezug sowie landschaftliche Resträume. Naturnahe Freiräume hingegen sind kaum noch vorhanden. Das muss nicht so sein, denn an den 142 Kilometern Uferkanten der Region schlummert großes Gestaltungspotenzial. Ihr eher heterogenes Erscheinungsbild äußert sich aktuell jedoch nicht im Nebeneinander qualitativ hochwertiger Räume, sondern zu großen Teilen in einer unabgestimmten Abfolge baulicher und landschaftlicher Ereignisse. Es herrscht kein Mangel an baulicher Masse oder kulturlandschaftlicher Vielfalt, sondern an deren Qualität. Obwohl der Fluss ein verbindendes und Identität stiftendes Element ist, zeigt die Region nur selten ihr Gesicht zum Rhein. In den letzten Jahren wurden zwar vereinzelt hochwertige städtebauliche und landschaftliche Projekte initiiert, die für eine veränderte Haltung zum Strom stehen, sie strahlen bislang aber weder in die Region noch darüber hinaus aus. Wichtig wäre, derart positive Ansätze intensiver zu verknüpfen und so die Region und ihr Potenzial zu stärken und weiterzuentwickeln. Ziel ist es, die Städte und Gemeinden der Metropolregion Köln/Bonn wieder an ihr Rückgrat heranzuführen und bislang vernachlässigte Potenziale zur Entwicklung der Flusslandschaft zu erschließen. So könnten aus undefinierten Orten langfristig markante Stadträume von durchgängig hoher architektonischer, städtebaulicher und landschaftlicher Qualität werden. Gerade in punkto Qualität müssen die Rheinufer ein Maßstab sein. Es gilt, diesen Handlungsbedarf zu erkennen und neue Qualitätsziele zu setzen, die auch einem internationalen Vergleich standhalten. Die rheinische ,StadtLandschaft’ Der Rhein durchfließt die Metropolregion Köln/Bonn zwischen den Rheinkilometern 640 und 711. Auf diesen ins- 97 gesamt 71 Kilometern präsentiert sich die Landschaft an seinen Ufern sehr ambivalent. So fungieren die großstädtischen Kerne Bonn und Köln als urbane Kristallisationspunkte, an denen sich Infrastrukturen, Arbeitsplätze, kulturelle Einrichtungen und Freizeitangebote bündeln. Entsprechend verdichtet und abwechslungsreich ist hier die Bebauung der Rheinufer. Verwoben sind die Kerne durch ein dichtes Netz aus Autobahnen, Straßen und Bahnlinien, die an elf Stellen mit imposanten Brücken den Rhein kreuzen. Von den Rändern der großen Städte aus entwickeln sich ausgeprägte sub­ urbane Räume in den Freiraum – dabei bilden kleinere Orte oder Stadtteile die Kerne neuer baulicher Entwicklungen. Sie sind entlang der Siedlungsbänder zwischen Bonn und Köln am Rheinufer „aufgereiht“ und werden von unzugänglichen Industriearealen „unterbrochen“. Beispielhaft seien hier die chemischen Fabriken von Wesseling, Niederkassel-Lülsdorf, Köln-Worringen und Leverkusen sowie die Automobilindustrie im Kölner Norden genannt. Unzugänglich ist der Rhein auch im Bereich der Hafengebiete in Bonn und Köln. Die Kulissen dieser Produktionsstätten prägen die angrenzenden Siedlungsbereiche weit über den Standort hinaus. Zugleich ist der Rhein auch ein beliebter Freizeitraum. ­Sowohl auf dem Wasser als auch entlang der Ufer halten sich vor allem an Wochenenden viele Menschen auf. Grüne Uferwege werden zu Radrouten, Sandstrände wie an der ­»Kölschen Riviera« in Köln-Rodenkirchen sind im Sommer bis spät abends bevölkert. Obwohl rund drei Viertel der Uferkanten von Siedlungen gesäumt sind, wurde meist nicht direkt an den Fluss herangebaut. Vielmehr sind schmale grüne Säume vorhanden, die sich zwischen der Bebauung und dem Fluss entlang ziehen. Innerhalb einiger dörflicher Siedlungen liegen zudem früher landwirtschaftlich oder als Gartengrundstücke genutzte Freiräume zum Rhein hin, die heute oft Restflächen im suburbanen Raum darstellen, weil sie im Prozess des Siedlungswachstums zurückgelassen wurden. 98 Eine weitere Dimension des Freiraums am Rhein sind innerstädtische Parks. Ihre Anlage und Gestaltung erfolgte meist mit Bezug zum Fluss – Beispiele sind der Rheinpark in Wesseling und Köln sowie der Neuland-Park in Leverkusen. Sie alle werden intensiv genutzt und sind Teil der städtischen Freizeitlandschaft. Nur an wenigen Stellen haben sich naturnahe Freiräume erhalten, die grüne Korridore ins Hinterland bilden und die Region großräumig an den Rhein anbinden. Wie die grünen Bögen an den Gleitufern stellen sie natürliche Retentionsräume dar und sind als Naherholungsgebiete beliebt. Betrachtet man die den Rhein begleitenden Stadtlandschaften in ihrer Gesamtheit, so erweisen sich in ihrer Struktur als einzigartig für eine europäische Flusslandschaft. Das liegt vor allem daran, dass Siedlungen und Freiräume ein enges Geflecht bilden und sich beiderseits des Rheins Siedlungsbänder unterschiedlicher Breite entwickelt haben. Sie schnüren den Fluss in ein bauliches Korsett ein, das nur noch vereinzelt Platz für größere Freiraumkorridore lässt. Somit stehen Siedlung und Freiraum in einem Spannungsverhältnis, das durch die anhaltende Nachfrage nach Wohn- und Gewerbeflächen zusätzliche Brisanz erhält. Hinzu kommt, dass die Region als Standort vieler internationaler Unternehmen und Messen eine der dynamischsten Wachstumsregionen Europas ist. Der Rhein ist hierbei gleichermaßen Imageträger, Tourismuspotenzial, Trinkwasserspender und wichtiger Wirtschaftsfaktor: gute Voraussetzungen, um in der Metropolregion Köln/Bonn ein Bild vom »urbanen Rhein« zu kreieren. Fachbeitrag Querschnittsthema Rhein und seine Bedeutung für die Raumentwicklung in der Region es wichtig, die verschiedenen Begabungen der Rheinufer zwischen Bad Honnef und Leverkusen zu definieren. Im Ergebnis entsteht ein enges Nebeneinander von unverwechselbaren Teilräumen mit eigenen Qualitäten, die – gemeinsam betrachtet – ein vollständiges Ganzes ergeben. Vielfältige Begabungen zeichnen die ,StadtLandschaft’ am Rhein in der Metropolregion Köln/Bonn aus. So zeigt sich das „Stadterlebnis am Rhein“ in einer quirligen Großstadtatmosphäre mit ihren typischen Ausprägungen: dem dichten Nebeneinander von Wohnen und Arbeiten, Handel und Dienstleistungen sowie einem lebendigen internationalen Flair. Am Rhein treffen verschiedene Lebensstile aufeinander. Das Milieu wirkt anziehend auf junge Leute und macht vor allem die flussnah gelegenen Räume zu wichtigen Wachstums- und Innovationsmotoren für die Region. Dies sollte gestärkt und im Sinne des Qualitätsziels entsprechend weiterentwickelt werden. Vielfalt als Qualitätsziel: Unterschiedliche Raumbegabungen am Rhein Gleiches gilt für andere Bereiche, in denen die Begabung der Rheinufer als „Wohnoase“ überwiegt. Hier findet man ruhige familienfreundliche Wohnsiedlungen im Grünen mit meist dörflichem Charakter. In unmittelbarer Großstadtnähe und in guter Erreichbarkeit ermöglichen sie ein Leben in privater Umgebung mit unmittelbarem Landschaftsbezug. Sozusagen als „Vorposten“ dienen dabei die übersichtlichen und kompakten Kleinstädte, die mit ihrer „kleinen Vielfalt“ als komplementäre Orte zur quirligen Großstadt fungieren. Sie verfügen über eine Struktur, in der alle wichtigen Einrichtungen auf kurzen Wegen erreichbar sind. Ihre Identität wird von ausgeprägtem Bürgerstolz bestimmt – die Orte weisen eine hohe Lebensqualität und Bindungskraft auf. Um die beschriebene Heterogenität als Potenzial begreifen und dafür Qualitätsziele formulieren zu können, ist Neben dem Aspekt Wohnen kommt auch dem Tourismus und der „Rheinerholung“ eine wichtige Rolle als regionale Begabung zu. Die Bewohner der angrenzenden Städte finden unterschiedlichste Möglichkeiten der Freizeitgestaltung am und auf dem Rhein. Sie nutzen dies regel­ mäßig zum „grünen Ausgleich“, beispielsweise indem sie das rheinbezogene Landschafts- und Naturerlebnis suchen. Während es sich dabei vorwiegend um Naherholung handelt, gibt es in den Städten Köln und Bonn sowie im Siebengebirge auch eine starke touristische Nachfrage. Die genannten Touristenmagneten sind Anziehungspunkte erster Kategorie mit hoher Besucherdichte. Dem Rhein kommt als Ziel und Ausgangspunkt zur Besichtigung der kulturellen und landschaftlichen Sehenswürdigkeiten eine zentrale Rolle zu. Als Aushängeschilder sind die Touristenziele zudem von großer Bedeutung für das Image der gesamten Region. Bei ihrer künftigen Entwicklung beziehungsweise Revitalisierung sind sowohl ästhetische als auch kulturelle und ökologische Aspekte zu beachten (vgl. Fachbeitrag Freizeit und Erholung, Seite 90). Der Rhein ist aber auch ein „produktiver Fluss“. So dienen seine Ufer als Standort für industrielle Produktion im großen Maßstab. Werke, die als imposante und faszinierende Kulisse wichtige Landmarken in der Region bilden, sind Schwerpunkte der Arbeit und bringen Massen von Gütern auf den Rhein. Die Forschungs- und Entwicklungsabteilungen der traditionsreichen Unternehmen leisten darüber hinaus einen wichtigen Beitrag zur Innovation in der Region. Wie die Industrie, so reicht auch die landwirtschaftliche Nutzung oftmals bis an die Flussufer heran. Dabei sind die guten Böden der Region die Basis für die Produktion entsprechender Erzeugnisse, zum Beispiel im Obst- und Gemüseanbau. Gleichzeitig stellen die landwirtschaftlichen Flächen neben dem Rhein die letzten zusammenhängenden Freiräume der Region dar. Sie prägen das Landschaftsbild zwischen den Großstädten und bieten einen Retentionsraum, der in den verdichteten Stadt- Fachbeitrag Querschnittsthema Rhein und seine Bedeutung für die Raumentwicklung in der Region räumen nicht vorgehalten werden kann (vgl. Fachbeitrag Landwirtschaft, Seite 78). Es ist ein wichtiges Qualitätsziel, diese Räume zu bewahren und als Retentionsflächen für den Hochwasserschutz zu nutzen. Eine besondere Rolle kommt dem so genannten „Möglichkeitsraum“ am Rhein zu. Dieser entsteht an den Stellen der Region, an denen eine Patchwork-Situation mit einem kontrastreichen Nebeneinander von Wohnhäusern, Fabrikhallen, Brachflächen und Bürogebäuden auffällt. Die offene Atmosphäre lässt hier jenseits von etablierten Strukturen Raum für bauliche- und Nutzungsexperimente. Die betroffenen Räume sind im Aufbruch und bereit für Veränderungen – sie bieten daher Flächen und Potenziale für neue und innovative Entwicklungen am Flussufer. Der Rhein als Rückgrat der Region Über die skizzierten Begabungen hinaus sollte auch die Achsenfunktion des Rheins als „Rückgrat der Region“ nicht vergessen werden. Der Fluss ist eine der verkehrsreichsten Wasserstraßen der Welt und vor allem als Handelsweg und Verkehrsachse ein Begriff. Seine Binnenhäfen sind integraler Bestandteil der regionalen Logistikwirtschaft, die von der deutschlandweit zweitgrößten Binnenhafenkapazität profitiert. Ein Thema, das aufgrund des weiter wachsenden Güterverkehrs auch in Zukunft wichtig sein wird. Doch nicht nur wirtschaftlich ist die Bedeutung des Flusses für die Region und die hier lebenden Menschen groß. Auch als gesellschaftliche und kulturelle Achse hat der Rhein die Entwicklung dieses Raumes geprägt. Dabei ist seine assoziative Bedeutung für die einheimische Bevölkerung („Rheinländer“) und die Touristen spätestens seit der Romantik sehr groß. Verbunden mit dem kulturellen Erbe des Flusses ist auch die Tradition der Bildung und der Weitergabe von Wissen. Die hohe Dichte von Bildungseinrichtungen entlang des Rheins ist in dieser Kombina­ tion einmalig. So gewinnt die kulturelle Ressource „Wissen und Innovation“ eine fast noch größere Bedeutung als die zuvor auf die Landschaft bezogenen Ressourcen. Versucht man, die Begabungen des regionalen Rheinraums zusammenzufassen, so wird klar, dass die ,StadtLandschaft’ am Rhein in fast idealer Weise die für die Zukunft der Region notwendigen Ressourcen bereithält. Die urbanen und landschaftlichen Qualitäten, die Wirtschaftskraft und die hohe Dichte von Bildungseinrichtungen sind in dieser Kombination einmalig. Nicht wenige dieser Begabungen hängen unmittelbar mit dem Rhein zusammen oder können von ihm gefördert werden: beste Voraussetzungen für die Metropolregion Köln/Bonn, um langfristig attraktiv zu sein und zu bleiben. Die neue Flussdynamik als Qualitätsziel Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt: Der Rhein war seit jeher ein Kristallisationspunkt des städtischen Lebens in der Region. Mit seiner gestalterischen Kraft formte er die Landschaft, mit seinen fruchtbaren Ufern schuf er die Grundlage zur Besiedlung, ermöglichte wirtschaftliches Handeln und lieferte das essenzielle Trinkwasser. Erst durch die Domestizierung von verzweigten Nebenarmen und angrenzenden Auen wurde er zu einer linearen Infrastruktur. Technische Bauwerke zum Schutz vor Hochwassergefahren schnürten den zuvor ungezähmten und manchmal bedrohlichen Fluss in ein bauliches Korsett. Sie sorgten dafür, dass Risiken und Schäden scheinbar berechen- und kontrollierbar wurden. Doch der Schein trügt: Vor dem Hintergrund aktueller Klimaprognosen könnte die Epoche der Bändigung des Flus- 99 ses durch immer mehr Technik sich dem Ende zuneigen. Zahlreiche Studien belegen, dass Hochwasserereignisse in Zukunft intensiver und häufiger eintreten als bisher. Auch die erhöhten Deiche und Mauern werden diese Wassermengen auf Dauer nicht immer zurückhalten können. Der Fluss fordert mehr Raum – er wird neue Grenzen setzen. Gleichzeitig wird auch das extreme Gegenteil in Form von Niedrigwasserszenarien mit fatalen Auswirkungen auf Flussschifffahrt und Wasserversorgung für Industrie und Bevölkerung vermehrt auftreten. Möglicherweise wird der Rhein zeitweise sogar die Hälfte seines Bettes räumen. Auf diese Art und Weise nimmt er wieder Einfluss auf seine Uferräume und die Siedlungs- und Landschaftsentwicklung (vgl. Fachbeitrag Wasser, Seite 58, und Fachbeitrag Klimawandel, Seite 72). Die entscheidende Frage in diesem Zusammenhang ist, ob man weiter gegen den Fluss arbeitet und damit in Zukunft mit Katastrophenszenarien konfrontiert wird oder ob man anstrebt, ihn wieder mit seiner Dynamik für die Entwicklung und Gestaltung seiner Ufer zu nutzen. Sollte der Rhein wieder verstärkt Einfluss auf seine Uferräume nehmen können, so böte sich die Chance, die ,StadtLandschaft’ beiderseits des Flusses neu zu strukturieren. Durch ein neu geschaffenes System aus Rheininseln, Nebengewässern, Flutmulden und Retentionsräumen entstehen bei Hochwasser neue temporäre Rheinlagen auch abseits der direkten Uferlagen. In diesen könnten zugleich Standorte für die Siedlungsentwicklung erschlossen sowie alte Lagen arrondiert und neu zu Fluss und Landschaft hin ausgerichtet werden. Die Orientierung zum Schaufenster Rhein oder zu Flutmulden und gestalteten Landschaftsparks ermöglicht neue Standortqualitäten. Somit werden Landschaftskorridore zum Rhein geschützt – bisherige „Rückseiten“ avancieren zu „Vorderseiten“. Auf den Punkt gebracht: Chancen- und Konfliktfelder in der Region Aus den ab Seite 53 aufgeführten Fachbeiträgen lassen sich sowohl Chancen- als auch Konfliktfelder für die künftige Raumentwicklung in der Metropolregion Köln/ Bonn ableiten. Sie resultieren aus den Veränderungen der technologischen, ökonomischen, kulturellen, sozialen und ökologischen Umwelt und werden hier in Form einer Raumanalyse dargestellt. Diese Analyse ist die Voraussetzung, um praxisbezogene und zukunftsfähige Maßnahmen in der Region zu realisieren, beispielsweise durch die Formulierung von Qualitätszielen und die Umsetzung konkreter Projekte. Sie ist somit eine wichtige Grundlage zur Entwicklung der zukünftigen Raum- und Lebensqualität des Wirtschaftsstandorts Köln/Bonn. Die Chancenfelder: Was macht die Region stark? Die Fachbeiträge haben deutlich gemacht, welche Eigenarten, Ressourcen und Nutzungen die jeweiligen Kulturlandschaften auszeichnen und wie – darauf aufbauend – die künftige Raumentwicklung in der Region positiv beeinflusst werden kann. Diese Chancen müssen im Rahmen der räumlich strukturellen Planung gezielt aufgegriffen und als Entwicklungsmotor genutzt werden. Im Folgenden werden für die jeweiligen Themenbereiche wichtige und zurzeit erkennbare Chancenfelder benannt, die den jeweiligen Raum auszeichnen und stark machen. Chancenfelder im Themenbereich Siedlungsentwicklung Ein Vorteil für die Siedlungsentwicklung der Zukunft in der Metropolregion Köln/Bonn liegt in deren geostrategisch günstiger Lage. Dabei kommt neben den großen europäischen Straßenachsen und Eisenbahnmagistralen sowie dem Rhein auch den bedeutenden Entwicklungsachsen zwischen den europäischen Metropolregionen eine besondere Rolle zu. Die Region liegt an der Schnittstelle europaweit relevanter Nord-Süd- und Ost-West-Verbindungen. Dies gibt sowohl wirtschaftliche Impulse als auch positive Anstöße für die weitere Entwicklung der Städte und Siedlungen. Um sich im europäischen Kontext konkurrenzfähig zu positionieren, gilt es, weiterhin entsprechende Kooperationsstrukturen und Strategien zu entwickeln und zu etablieren. Neben dieser übergreifenden Entwicklung muss dem Erhalt und der Entwicklung der unverwechselbaren Stadtviertel in Köln, Bonn und den anderen Städten der Region besonderes Augenmerk geschenkt werden. Sie bewahren nicht nur ein wichtiges kulturelles Erbe der rheinischen Stadtentwicklung, sondern stellen auch für die Zukunft besondere Wohnwerte dar. Ihr eigenständiger Charakter vermittelt Lebensgefühle und Lebenswerte mit großen Chancen für die Zukunft. So finden Menschen hier schnell eine Wohnortidentität, Neubürger eine neue Heimat. Die „Rheinische Lebensweise“ bildet einen wichtigen gesellschaftlichen und sozialen Nährboden – auch für die Zukunftsfähigkeit der Städte und Siedlungen in der Region. Die Integration von Menschen aus anderen Kulturkreisen und Ländern ist hier über Jahrhunderte gelebte Praxis. Dies wird auch die weitere Entwicklung der Region und deren spezifische urbane Identität prägen. Ein vorrangiges Ziel für die künftige Entwicklung sollte es sein, „alte Qualitäten“ der Region – beispielsweise die unverwechselbaren Stadtviertel und ihren Wohnwert, die lebendige Nutzungsmischung entlang städtischer Straßen sowie die räumliche Nachbarschaft zu Parks, Freiflächen und Gewässern – zum Maßstab zu nehmen, um vor dem Hintergrund des weiteren Wachstums neue Qualitäten zu schaffen. Ein Beispiel ist der Bereich der „Zwischenstadt“, in dem Landschaft ordnend strukturiert und eine Hierarchie von funktionalen und gestalterischen Qualitätszielen entwickelt werden sollte. 101 Auch das „blau-grüne“ Wohnumfeld der Städte Köln, Bonn, Leverkusen und Bergisch-Gladbach bietet eine Vielzahl von Chancen für die Zukunft. Der Weg in Feld und Wald ist nicht weit, mit Fahrrädern und Nahverkehrsmittel sind sie schnell und leicht erreichbar. Anders als in anderen Metropolregionen ist der Freiraumanteil in der Metropol­ region Köln/Bonn noch beachtlich, die industrielle Über­ formung der Landschaft ist nicht flächendeckend. ­An einigen Stellen in der Region ist die Absicht, Landschaft zu urbanisieren, sogar rückläufig. Was im Ballungsraum zum Konflikt wird (vgl. Konfliktfelder im Themenbereich Siedlungsentwicklung, Seite 111), stellt hier eine Chance dar. Diese liegt darin, die vorhandenen und eventuell neu entstehenden Freiraumstrukturen in diesen eher ländlich geprägten Bereichen zu erhalten und weiterzuentwickeln und eine Philosophie der regionalen Freiraumgestaltung auf interkommunaler Ebene zu etablieren. Genau dies ist das Ziel des Masterplans, dessen Realisierung nicht nur erhebliche Chancen für die künftige Siedlungsentwicklung birgt, sondern auch für die Positionierung der Region als „grüne Metropolregion“. Die vorhandenen Kölner Grünringe und die mit ihnen verbundenen grünen Radialen sind ein Pfund, mit dem die Region im internationalen Wettbewerb wuchern kann. Darauf aufbauend sollten die Chancen, die mit der vernetzten Freiraumentwicklung beiderseits des Rheins verbunden sind, sinnvoll genutzt und die Vorteile sowohl für die Qualität der Wohnstandorte als auch für die Naherholung ausgebaut werden. Gleiches gilt für die „Wege zum Wasser“, beispielsweise entlang des Rheins oder in anderen Teilen der Region. Mit Ausnahme der Börde gibt es hier keinen Raum, in dem nicht das Wasser – ob als Talsperre, Abgrabungssee oder Fluss beziehungsweise Bach – das Wohnumfeld der Menschen bereichert. Die Chance wäre, neue Zugänge deutlich zu machen und die „Wege zum 102 Wasser“ wieder stärker im Bewusstsein der Menschen zu verankern. Last but not least verfügt die Metropolregion Köln/Bonn über ein äußerst dichtes Verkehrsnetz, das für die künftige Siedlungsentwicklung von großer Bedeutung ist. Dort, wo es sinnvoll ist, sollten die vorhandenen Verkehrsstrukturen weiter ausgebaut werden, um die starke Position der Region zu sichern und durch zukunftsfähige Formen der Mobilität und des Mobilitätsmanagements weiter zu entwickeln. Auch dies sollte jedoch stets vor dem Hintergrund der Erhaltung und Wahrung von Freiraum und Landschaft erfolgen. Chancenfelder im Themenbereich Wasser Eines der größten Chancenfelder der Metropolregion Köln/Bonn ist der ernorme Wasserreichtum des Bergischen Landes. Das reichhaltige Grundgut Wasser, das sich durch den Klimawandel nicht grundlegend verringern wird, ist eine der größten Stärken für die künftige Raumentwicklung. Dazu kommt ein umfassendes Know-How der Menschen im Bergischen Land hinsichtlich des Baus von Anlagen zur Wasserrückhaltung und von Stauanlagen. Zusammen mit der steten Grundwasserneubildung in den Niederterrassen entlang des Rheins als wichtigen Grundwasserleitern kann so auch zukünftig Trinkwasser gewonnen, genutzt und exportiert werden. Hinzu kommt eine hohe Kompetenz im Hochwasserschutz, so dass das Rheinwasser weniger als Gefahr denn als Nutzen gesehen werden kann. Zugleich stellen der Rhein und das Bergische Land aber auch große Wassermengen für die Industrie zur Verfügung, zum Beispiel als Kühl- oder Prozesswasser. Ein wichtiger Aspekt, denn auch die Industrie der Zukunft wird ohne Auf den Punkt gebracht: Chancen- und Konfliktfelder in der Region ausreichende Wasservorräte nicht auskommen. Das gilt insbesondere für die Energie- und Chemiewirtschaft als tragende Säulen des Wirtschaftsraumes Köln/Bonn. Dabei wird Wasser nicht nur im aktiven Braunkohlerevier benötigt, sondern auch für die Wiedernutzbarmachung der Tagebauflächen und innovative Verfahren der Energiegewinnung, beispielsweise die Produktion von Wasserstoff für Brennstoffzellen. Ein weiteres Chancenfeld liegt im Abwasserbereich. Zwar werden Fließgewässer auch zukünftig die unverzichtbare Funktion des Vorfluters haben, die Weiterentwicklung der Reinigungstechnologien – vom Retentionsbodenfilter bis zur Ultrafiltration – wird jedoch anspruchsvollere Kaskaden von Folgenutzungen erlauben. Das gilt auch für die Deponie-Recyclinganlagen von morgen. Ein Thema, das deutlich macht, warum wir in Zukunft das saubere Wasser, für dessen Schutz und/oder Aufbereitung ein erheblicher Aufwand geleistet werden muss, noch sorgfältiger von belastetem Wasser trennen müssen. So sollte zum Beispiel Regenwasser generell zurückgehalten und versickert werden. Entsprechendes Wissen dazu liegt inzwischen in ausreichendem Maße vor. Ein Aspekt, der zum Chancenfeld „Europäische Wasserrahmenrichtlinie“ (EU-WRRL) überleitet. Nahezu monumental ist das Ziel, möglichst alle Oberflächengewässer und Grundwasserkörper bis zum Jahr 2027 in einen „guten ökologischen Zustand“ zu bringen. Die Region bringt gute Voraussetzungen für die Umsetzung der EU-WRRL mit. Vor allem die Wasserwirtschaftsverbände haben dazu beigetragen, den Chemismus und die Biologie des Rheins und seiner Nebenflüsse bereits erheblich zu verbessern. Mittlerweile gibt es nicht nur eine Lachswanderung im Rhein, an vielen Ufern kann heute sogar wieder gebadet werden. Weitere Chancen für die Region eröffnen sich mit dem Stichwort „Thermal- und Mineralwasser“. Insbesondere in der Landschaft der Mittelrheinischen Pforte und im benachbarten Kreis Ahrweiler findet man bemerkenswerte und geschichtsreiche Mineralwasserquellen, die heute wie in der Vergangenheit für Gesundheit, Freizeit und Erholung genutzt wurden. Sie stellen ein großes Potenzial dar, das als bedeutender Gesundheitsquell sowie Ort der Rehabilitation und Erholung noch stärker in Wert gesetzt werden könnte – beispielsweise im Kontext von Gesundheitstourismus und therapeutischen Landschaften (vgl. Chancenfelder im Themenbereich Freizeit und Erholung). Zu Unrecht hat Wasser im täglichen Bewusstsein der Menschen in der Metropolregion Köln/Bonn eine nicht so große Bedeutung wie an anderen Orten. Dies ist umso erstaunlicher, denn der Rhein und seine Nebenflüsse sowie die periurbanen Gewässer und das vielfältige Stadtblau prägen die Region und tragen maßgeblich zu deren wirtschaftlicher Prosperität bei. Insofern besteht eine spannende Chance und Herausforderung darin, das „blaue Netz der Region“ noch stärker zu entdecken, zu akzentuieren und als Reichtum und emotionale Gemeinsamkeit zu erfahren. Chancenfelder im Themenbereich Kulturlandschaft und kulturelles Erbe Die Metropolregion Köln/Bonn zeichnet sich aus durch eine sehr große Dichte, Vielfalt und Qualität des kulturellen Erbes in einer bemerkenswerten zeitlichen und funktionalen Mischung. Hinzu kommen eine vielschichtige Kultur- und Medienszene, die die Basis für die dynamische Kultur- und Kreativwirtschaft am Rhein darstellt. Diese Mischung bildet ein gewaltiges Chancenfeld für die ­Region, wenn es darum geht, das Potenzial der Auf den Punkt gebracht: Chancen- und Konfliktfelder in der Region Kulturlandschaften und des kulturellen Erbes sowie der kulturschaffenden Menschen im europäischen Maßstab zu etablieren und weiter zu entwickeln. Mit dem Kölner Dom und den Brühler Schlössern verfügt die Region gleich über zwei Schauplätze des Weltkultur­ erbes. Auch die Limesstraße könnte diesen Status in absehbarer Zeit erreichen. Zudem bietet der Rhein als europäischer Strom eine hervorragende Chance, dies und die kulturelle Vielfalt der Region im nationalen und internationalen Zusammenhang zu präsentieren. Dazu ist jedoch eine stärkere Hinwendung zum Fluss notwendig, die bereits in vielen Projekten in der Region Köln/Bonn begonnen hat. Sie sollte in engagierter Form vorangetrieben werden. Links und rechts des Rheins erstrecken sich bedeutsame wertvolle Kulturlandschaftsbereiche, die sowohl hervorragende kulturlandschaftliche Besonderheiten als auch bemerkenswerte ökologische Potenziale aufweisen. Beispielhaft seien hier das Siebengebirge, der Kottenforst, die Wahner Heide und der Königsforst genannt. Sie sollten als zentral gelegene Erholungs-, Erfahrungs- und Lernräume bewahrt und ausgestaltet werden. Eine Vielzahl europäischer und überregionaler Wegeverbindungen bietet zudem die Chance zur Vernetzung, seien es die Römerstraßen in Richtung Westen oder die mittelalterlichen Handels- und Heerstraßen in Richtung Osten. Die Vielfalt und Unterschiedlichkeit der Kulturlandschaften stellt besondere Anforderungen an eine nachhaltige und erhaltende Entwicklung der Region. Dabei birgt das in vielen Fällen noch lebendige kulturelle Erbe wichtige Identität stiftende und Heimat bildende Potenziale. Lebendig wird es in einer Vielzahl individueller und charakteristischer Elemente und Strukturen. Eine besondere Chance ist es, diese Potenziale langfristig zu sichern und weiterzuentwickeln und sie so auch zu einem wichtigen Ziel für Freizeit und Erholung zu machen. Chancenfelder eröffnen sich zum Beispiel mit der Talsperrenlandschaft und der Vielfalt der Mühlen und Hämmer im Bergischen Land. Auch die Schlösser und Mühlen entlang von Swist und Erft und das Homburger Ländchen können als touristische Ziele und Lernfelder für die Landschaft gestaltende Landwirtschaft aufgewertet werden. Eine wichtige Rolle spielen zudem die ehemaligen Zisterzienserklöster in Altenberg und in Heisterbach. Hier könnte die Geschichte der jeweiligen Klosterlandschaft mit ihren Eigenarten als spiritueller Ort thematisiert und ins Bewusstsein gerufen werden. Zugleich jedoch ist auch Vorsicht geboten, denn die Vielzahl der zu erhaltenden Elemente und Strukturen des kulturellen Erbes täuscht darüber hinweg, dass vieles bereits verloren und anderes weiterhin bedroht ist. Noch jedoch ist die Chance gegeben, die Vielfalt zu erhalten und weiterzuentwickeln. Gelingt dies, so könnte sie über die Bedeutung für Naherholung und Tourismus hinaus auch als Standortfaktor für die Wirtschaft, Bestandteil eines attraktiven Wohn- und Lebensumfeldes sowie als unverzichtbare Grundlage zur Erhaltung und Ausbildung einer lokalen und regionalen Identität dienen. Aus allen auf die Kulturlandschaft bezogenen Chancenfeldern muss das römische Erbe der Region hervorgehoben werden – eines der bedeutendsten Erbgüter der Römer nördlich der Alpen. Es ist zugleich ein hohes Gut für den nationalen und internationalen Tourismus. Ausgehend von der römischen Metropole Colonia Claudia Ara Agrippinensium (CCAA) mit den Resten der ehemaligen Stadtbefestigung, der Archäologischen Zone und vielen anderen römischen Denkmälern spannt sich ein Netz von 103 römischen Infrastrukturen in die Region. Dazu gehört der Deutzer Brückenkopf ebenso wie die bereits erwähnten römischen Straßen und die Römische Wasserleitung zwischen der Eifel und Köln. Es ist eine große Chance, dieses historische Angebot im Zusammenhang zu präsentieren und den Bewohnern und Besuchern der Region entsprechend zu vermitteln. Auch Bonn ist kulturhistorisch von besonderer Bedeutung. So wurde die Stadt Ende des 16. Jahrhunderts endgültig Residenz- und Hauptstadt der Kurfürsten und Erzbischöfe von Köln. Ihre Blütezeit gipfelt im barocken Glanz der Regentschaft Clemens Augusts. Fast 400 Jahre später rückte Bonn erneut in den Mittelpunkt: von 1949 bis 1990 als Hauptstadt, bis 1999 zudem als Regierungssitz der Bundesrepublik Deutschland. Auch dieses kulturelle Erbe muss bewahrt und erlebbar gemacht werden. Neben den historischen Aspekten ist vor allem die lebendige Kunst- und Kulturszene zu nennen, die weit über die Grenzen der Region hinaus einen Namen hat. Köln ist zu einer „kulturellen Drehscheibe“ im aktuellen Kulturleben Deutschlands geworden. Zu dem herausragenden Angebot an Musik, Theater und Film kommen Brauchtumsveranstaltungen wie der Rheinische Karneval, die ein elementarer Bestandteil der rheinischen Mentalität und des Kulturlebens sind. Imposant und außergewöhnlich ist auch die Museumslandschaft der Region. Vom Kölner Dom bis ins Herz der Bonner Regierungslandschaft reicht eine „Rheinische Museumsmeile“. Meilensteine sind zum Beispiel das Römisch-Germanische Museum, das Museum Ludwig und das Wallraf-Richartz-Museum in Köln sowie die Kunstund Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, das Haus der Geschichte und das Forschungsmuseum 104 Alexander Koenig in Bonn. Hinzu kommen zahlreiche Museen des Landschaftsverbandes Rheinlandes, beispielsweise das Rheinische Landesmuseum, das MaxErnst-Museum in Brühl und das Bergische Freilichtmuseum. Abgerundet wird das Angebot schließlich durch die Rheinischen Industriemuseen im Umfeld des Ballungsraumes und eine Vielzahl weiterer Museen in den Städten und Kreisen der Region. Wie bei den Museen, so sollte es auch prinzipiell darum gehen, die vielfältigen Inhalte von Kulturlandschaft und kulturellem Erbe in der Region herauszustellen und einer breiten Öffentlichkeit näher zu bringen. In der Etablierung und Vernetzung entsprechender Ansätze zur Informationsvermittlung und Umweltbildung liegt eine Riesenchance für die Region und ihr naturräumliches und kulturelles Erbe. Chancenfelder im Themenbereich Naturschutz und Landschaftspflege Die großflächigen Naturschutzgebiete in der Rheinschiene und vor allem im Rhein-Sieg-Kreis sind ein großes Chancenfeld für die Metropolregion Köln/Bonn. Sie bilden ein zusammenhängendes Netz von Schutzgebieten nationaler und internationaler Bedeutung, das durch Flächen des nationalen Naturerbes gestärkt wird. Dabei kommt den innerhalb dieser Gebiete liegenden großen Waldflächen nicht nur eine wichtige Rolle für den Erhalt der Biodiversität zu, sie nutzen auch der Luftfilterung und dem Wasserhaushalt und wirken vorbeugend gegen den Klimawandel. Auch zum Hochwasserschutz am Rhein und in den Mündungsgebieten seiner Nebengewässer trägt der Naturschutz in wesentlichem Maße bei. Hier sorgen wiederhergestellte Auenwälder, renaturierte Flussinseln und Uferbereiche sowie die Rückumwandlung von überflutungsgefährdeten Auf den Punkt gebracht: Chancen- und Konfliktfelder in der Region Äckern in Grünland und die extensive Pflege der Rhein- und Siegwiesen für eine Retention des Wassers. Zudem gibt es an mehreren Stellen in der Region bereits erste Ansätze von nutzungsbegleitenden ökologischen Maßnahmen, die den Naturschutz weiter stärken können. Beispiele dafür sind die Maßnahmen in den Wasserschutzzonen der Großen Dhünntalsperre, das Management der Wahner Heide im Umfeld das Flughafens Köln/Bonn und die Sicherung des Trinkwassers aus den Uferfiltraten des Rheins in Kombination mit ökologischen Uferschutzgebieten. Durch die Anlage von Blüh-, Acker- und Uferstreifen durch die Landwirtschaft in der Region kann dem Artenrückgang entgegen gewirkt werden. Vorteile für den Naturschutz resultieren auch aus den Rekultivierungs- und Renaturierungsmaßnahmen im Rheinischen Braunkohlerevier. In den älteren Rekultivierungen sind hier hochwertige Naturschutzgebiete von europäischer Bedeutung entstanden. Mit der zukünftigen Rekultivierung großer Tagebauflächen wie beispielsweise in Hambach eröffnen sich weitere Chancenfelder. Die neue Landschaft mit einem Restsee von mehr als 3.000 Hektar Größe bietet bei allen Risiken auch Chancen, nicht nur für Freizeit und Erholung, sondern auch für den Naturschutz und die Landschaftspflege. Eine große Stärke des Naturschutzes wird auch in Zukunft die engagierte Mitarbeit vieler Akteure sein. Beispielhaft seien hier Ehrenamtler, die Biologischen Stationen und Institutionen wie das Naturschutzmuseum auf dem Drachenfels und das Forschungsmuseum Alexander Koenig in Bonn genannt. Sie leisten nicht nur praktische und unentbehrliche Arbeit in den Naturschutzgebieten vor Ort, sondern auch einen wichtigen Beitrag zu Information und Aufklärung sowie eine intensive Bildungs- und Schulungsarbeit für die Jugend und die gesamte Gesellschaft. Dies alles erfolgt vor dem Hintergrund, dass die ­Region als europäische Drehscheibe nicht nur ein „Motor der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung“ ist, sondern – für eine Metropolregion eigentlich überraschend – auch ein Motor der ­ökologischen Entwicklung. Die Metropolregion Köln/Bonn ist eine „grüne Metropolregion“. Sie wird einerseits von den Grundelementen einer „blau-grünen“ Infrastruktur im urbanen Bereich (Park-, Wald- und Wasserflächen, Grünund Freiraumstrukturen) und im suburbanen Umfeld (zusammenhängende Agrar-, Wald- und Wasserflächen, unzerschnittene Freiraumstrukturen) geprägt. Zugleich tragen aber auch großflächigen Naturschutzgebiete in der Rheinschiene und im Rhein-Sieg-Kreis sowie Verbindungselemente zwischen der „blau-grünen“ Infrastruktur des Kerns der Metropolregion und den umgebenden Kulturlandschaften (Flüsse, Bäche, Waldkorridore) zu ihrem Gesamtbild bei. Sie alle sind Bestandteile des Netzwerks der Kulturlandschaften der Region. Chancenfelder im Themenbereich Klimawandel Der Klimawandel wird uns zahlreiche Konflikte bringen. Zugleich könnten sich jedoch auch Chancenfelder ergeben, die sich auf die Themen Stadtentwicklung, Wasser, Naturschutz, Land- und Forstwirtschaft, Ressourcenlandschaft sowie Freizeit und Erholung beziehen. Diese wurden in den entsprechenden Fachbeiträgen zum Teil bereits angeführt. Ein potenzielles Chancenfeld eröffnet sich aus einer Vermehrung des Stadtgrüns in größeren und kleineren Städten. Parkanlagen, Stadtwälder und grüne Korridore können über ihre Erholungs- und Freizeitfunktion hinaus zukünftig auch eine noch größere Funktion als Klimapuffer haben. Dabei wird das Stadtgrün nur in geringem Maße eine Koh- Auf den Punkt gebracht: Chancen- und Konfliktfelder in der Region lendioxidsenke sein, es könnte jedoch einen Beitrag dazu leisten, extreme Klimasituationen wie zum Beispiel große Hitze oder Trockenheit erfolgreich abzupuffern. Die besten Voraussetzungen, um mögliche Chancenfelder im Zusammenhang mit dem Klimawandel nutzen zu können, besitzt das Bergische Land. Hier bleiben die Regenmengen und der Wasserreichtum erhalten, es kommt sogar zu einem Anstieg der Niederschläge. In der Konsequenz bleibt der Wasserreichtum der bedeutenden Wassereinzugsgebiete von Dhünn, Sülz, Agger und Wiehl sowie Bröl und Wahnbach erhalten – dies sichert wichtige Trinkwasser- und Brauchwasserressourcen für die Zukunft. Zugleich ist es auch für die langfristig angelegte ökologische Verbesserung der Fließgewässer bedeutsam, beispielsweise für die Wiedereinbürgerung des Lachses. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, den in Folge der erhöhten Niederschläge sogar wachsenden Wasserreichtum der Region stärker als bisher als regenerative Energiequelle zu nutzen. Hierzu müssten entsprechende Szenarien und Modelle entwickelt werden. Ambivalent hingegen sollte ein Chancenfeld eingeschätzt werden, das sich möglicherweise für den Naturschutz in der Region einstellen könnte. Hintergrund ist, dass man in Nordrhein-Westfalen bereits seit einigen Jahren vermehrt die Zuwanderung von Wärme liebenden und mediterranen Pflanzen- und Tierarten beobachten kann. Das betrifft Vogel- und Libellenarten ebenso wie Arten der Wolfsmilchgewächse, wobei die „Neuankömmlinge“ bevorzugt die Auen der großen Flüsse als Einwanderungsstraßen nutzen. In diesem Zusammenhang kommt dem Rhein als Wanderstraße eine herausragende Bedeutung zu, denn zahlreiche Pflanzen- und Tierarten aus dem Süden werden den Fluss mit seinen Auen und begleitenden Strukturen auch in Zukunft zur Einwanderung nutzen. Dieses scheinbare Chancenfeld könnte sich jedoch gleichermaßen zu einem großen Konfliktfeld entwickeln, wie es sich in einigen Bereichen bereits heute abzeichnet. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn die zuwandernden Arten resistenter sind und einheimische Arten – sowohl bei Tieren als auch bei Pflanzen – verdrängen (vgl. Konfliktfelder im Themenbereich Klimawandel, Seite 114). Betrachtet man das Thema Klimawandel und Landwirtschaft, resultieren potenzielle Chancen in erster Linie daraus, dass landwirtschaftliche Nutzpflanzen Kohlendioxid in nicht geringem Mengen verarbeiten. Je naturnäher die Bewirtschaftung ist, desto mehr Kohlendioxid kann gespeichert werden. Daher stellt der Erhalt einer der Landschaft angepassten, umweltgerechten Landwirtschaft einen wichtigen Schritt gegen den Klimawandel dar. Darüber hinaus könnte es als Folge der höheren Temperaturen während der Vegetationsperiode neue Anbauprodukte geben. Das betrifft den Ackerbau und insbesondere den Obst- und Gemüseanbau in der Region. Eine außergewöhnliche Folge des Klimawandels könnte auch darin liegen, den Weinanbau vom Siebengebirge ausgehend entlang des Vorgebirges nach Norden voranzutreiben. Vorteilhaft wären zudem Vollweidesysteme im Bergischen Land, die auf hofnahen Weiden eine längere Verweilzeit der Tiere erlaubten. Für arrondierte Betriebe läge hierin die Chance zu einer kostengünstigeren Futterwerbung „durch das Tier“ und zur Senkung ihrer Betriebs- und Maschinenkosten. Ein weiteres Chancenfeld im Kampf gegen den Klimawandel ist mit der Forst- und Waldwirtschaft verbunden. Wie bereits im Fachbeitrag Klimawandel ausgeführt fordern das Nationale Waldprogramm und das Klimaschutzprogramm Deutschlands den Ausbau der Kohlenstoffspeicherung der Wälder. Das ist einerseits über ein verbessertes 105 ökologisches Wachstum der Wälder, andererseits über eine Waldvermehrung möglich. Mit ihrem Waldreichtum hat die Region hier gute Chancen, die durch bemerkenswerte Aufforstungsprogramme wie im Rhein-ErftKreis noch gesteigert werden. Zusätzliche Chancen für die Forstwirtschaft könnten sich auch daraus ergeben, das Spektrum der Baumarten zu erweitern. So werden die arten­armen und ökologisch weniger bedeutsamen Fichtenforste der Region einer Erwärmung nicht Stand halten und Laubwäldern weichen. Dabei könnte es neue Baum­arten geben, die wie Sommerlinde, Esskastanie und Robinie höhere Wärmeansprüche haben. Chancen bietet auch der mittel- bis langfristige Rückgang des Ausstoßes von Kohlendioxid in der Ressourcenlandschaft des Rheinischen Braunkohlereviers. Dieser wird sowohl von den neuen Technologien der Kohlendioxid­ bindung – zum Beispiel in Kulturen von Mikroalgen (vgl. Fachbeitrag Ressourcenlandschaft, Seite 86) – als auch vom absehbaren Ende der Braunkohleförderung bestimmt. Es ist davon auszugehen, dass diese Mitte des 21. Jahrhunderts ausläuft. Dann sind die Vorräte zwar nicht erschöpft, sie liegen aber so tief, dass eine weitere Förderung unrentabel würde. Abschließend sollte nochmals darauf hingewiesen werden, dass der Verkehr in der Region durch den Ausstoß von Kohlendioxid den Klimawandel maßgeblich mit verursacht. Wie bereits im Fachbeitrag Klimawandel ausgeführt, kommt dabei neben dem Berufs-, Reise- und Handelsverkehr dem Freizeitverkehr eine große Bedeutung zu. Im Kampf gegen den Klimawandel ist vor diesem Hintergrund anzustreben, die Mobilität für Freizeit und Erholung zunehmend vom Autoverkehr zu trennen oder die mit dem Auto zurückgelegten Distanzen zu verkürzen. Die wachsende Bedeutung der Naherholung (vgl. Fach- 106 beitrag Freizeit und Erholung, Seite 90) spielt hierfür eine wichtige Rolle. Entscheidend ist, wie die damit einhergehende Freizeitmobilität „gestaltet“ wird. Prinzipiell gilt: Die Förderung von Wander- und Radwegen sowie eine komfortablere Vernetzung von Freizeit und Erholung mit den Nahverkehrssystemen der Region können wesentlich dazu beitragen, den Klimawandel und seine Folgen einzudämmen. Eine verstärkte Nachfrage nach Freizeitangeboten und -einrichtungen in der Region darf daher nicht automatisch auch zu einer Vergrößerung des Freizeitverkehrs mit Kraftfahrzeugen führen. Chancenfelder im Themenbereich Landwirtschaft Ein wichtiges Chancenfeld für die Landwirtschaft der Metropolregion Köln/Bonn liegt darin, dass die Nachfrage nach regionalen Produkten – und damit auch die regionale Wertschöpfung – in den nächsten Jahren weiter wachsen wird. Damit einher geht die gestiegene Nachfrage der Verbraucher nach gesunden, frischen und qualitativ hochwertigen Nahrungsmitteln und Produkten „aus der Region für die Region“. Die Landwirtschaft der Region weist eine bemerkenswerte Stärke an Ressourcen auf. Chancenfelder ergeben sich vor allem durch die hohe natürliche Bodenfruchtbarkeit, zum Beispiel in der Börde und auf der linksrheinischen Mittelterrasse, die klimatisch günstigen Bedingungen und die Nähe zu den Verbrauchern. Soweit hier eine gute Wasserversorgung für die Zukunft gesichert wird, können die Landwirte mit Produkten wie der Zuckerrübe und verschiedenen Obst- oder Gemüsesorten auch künftig gute Erträge erzielen. Auch in der Mittelgebirgsregion des Bergischen Landes hat die Landwirtschaft gute Chancen. Obwohl hier in den letzten Jahrzehnten viele Betriebe aufgeben mussten, ist der Wasserreichtum dieser Groß- Auf den Punkt gebracht: Chancen- und Konfliktfelder in der Region landschaft eine vorzügliche Grundlage für eine positive Entwicklung der Grünlandwirtschaft. Voraussetzung dazu ist jedoch, dass die Bedeutung der regionalen Wertschöpfung weiter wächst. Zweifellos könnten die Erträge der Landwirtschaft durch den Anbau von Energiepflanzen gesteigert werden – ein Thema, das vor allem in der Börde zunehmend wichtiger wird. Dabei sollte dieses Chancenfeld jedoch in der Form ausgestaltet werden, dass das Landschaftsbild seine Eigenart behält. Dabei würde sich der „Energiewirt“ der Zukunft im ländlichen Raum vor allem dem Thema „Energiemix“ stellen. Großlandschaften wie die Börde bieten gute Voraussetzungen, um Energie sowohl aus Pflanzen wie Zuckerrübe, Mais und Raps zu gewinnen als auch aus Wind, Sonne und Biogas. Die Landwirtschaft hätte hier folglich die Chance, nicht nur ausreichend Energie für den eigenen Betrieb zu produzieren, sondern Teile der produzierten Energie auch erfolgreich weiterzuverkaufen. Eine große Zukunft könnte auch im Chancenfeld Gartenbau mit der Gemüse- und Obstproduktion liegen. Entlang des Vorgebirges und in der Umgebung von Meckenheim besitzt die Region eines der größten Gemüse- und Obstanbaugebiete Deutschlands. Doch nicht nur das, sie ist auch ein Vorreiter im modernen Gartenbau. Hier kommen hoch entwickelte Verfahren des gedeckten Anbaus zum Einsatz, die dazu beitragen sollen, die Obst- und Gemüseproduktion vor einem weiteren Flächenverlust zu bewahren. Gelingt dies, dann haben gerade ihre Produkte gute Chancen für eine regionale Vermarktung. Wie der Ackerbau in der Börde und die Grünlandwirtschaft im Bergischen Land profitiert auch der Obst- und Gemüseanbau entlang des Vorgebirges von dem herausragenden wissenschaftlichen und praktischen Know-how der Land- wirtschaftlichen Fakultät der Universität Bonn mit ihren Modellbetrieben und Versuchsanlagen. Der hohe Stand der Agrarwissenschaft eröffnet ein bedeutsames Chancenfeld, beispielsweise indem die Produktion durch moderne Technologien optimiert wird. Hinzu kommen die Anwendung der Züchtungsforschung (genetische Ressourcen, Forschung an Rind und Schwein), die Sicherung der Biodiversität der Nutzpflanzen und der Einsatz ökologischer Erkenntnisse in Pflanzenbau und Tierproduktion. In diesem Zusammenhang spielen auch die Fachberatungen der „Landwirtschaftskammer NRW“ sowie des „Dienstleistungszentrums Ländlicher Raum“ eine wichtige Rolle, die die theoretischen Erkenntnisse in anwendbare Praxis umsetzen. Neben den klassischen landwirtschaftlichen Chancenund Erwerbsfeldern könnten die Landwirte künftig auch als Rekultivierer, Dienstleister für Landschaftspflege und Freizeitgestaltung an Bedeutung in der Region gewinnen. Sowohl im Rheinischen Braunkohlerevier wie auch im Kies- und Sandabbau liegen jahrzehntelange Erfahrungen in der Rekultivierung landwirtschaftlicher Flächen vor. Know-how, das in den Abbauregionen auch weiterhin benötigt und angewendet wird. Schon immer waren die Landwirte zugleich „grüne Dienstleister“. Mit ihrer Produktion haben sie maßgeblich die Kulturlandschaften gestaltet und Ökosysteme geschaffen, die heute wegen ihrer enormen Biodiversität geschützt sind. Diese „unentgeltlichen Leistungen“ der Landwirtschaft haben in der Gesellschaft an Wertschätzung verloren. Um die Kulturlandschaften zu bewahren und zu entwickeln, ist der „Landwirt als grüner Dienstleister“ jedoch unentbehrlich. Daher sollte die Landwirtschaft als Landschaftsgestalter gestärkt werden – ein Ziel, das nur erreicht werden kann, wenn die entsprechenden Leistungen auch bezahlt werden. Auf den Punkt gebracht: Chancen- und Konfliktfelder in der Region Dies wäre zugleich ein wichtiger Beitrag, um die dem Rückgang der Agrobiodiversität entgegen zu wirken – vorausgesetzt, die Anbauverfahren sind umweltschonend und nachhaltig. In gleichem Maße könnte es durch angepasste Mahdtermine und Beweidungsintensitäten zum Erhalt der ökologisch artenreichen Grünländereien beitragen sowie ökologisch bedeutsame Strukturen der Agrarlandschaften erhalten. Beispielhaft seien Hecken und Gebüsche, Uferstreifen, Ackerränder und Raine, Blühstreifen und Ackerrandstreifen genannt. Zuguterletzt geht es auch um die Pflege von Flächen der ehemaligen Agrarlandschaft wie zum Beispiel Heiden, Trockenrasen und Feuchtwiesen. Die Bedeutung des Landwirtes als Freizeitgestalter darf zwar nicht überbewertet werden, sie hat aber in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen. Neben den bereits etablierten „Ferien auf dem Bauernhof“ wird der landwirtschaftliche Betrieb dabei zunehmend auch ein Ort der Naherholung. Eine Entwicklung, die zu einer nicht unbedeutenden zusätzlichen Einnahmequelle für einzelne Landwirte werden könnte. So werden Menschen in ­Zukunft vielleicht nicht nur im Hofladen landwirtschaftliche Produkte kaufen, vielmehr werden sie im Rahmen ihrer Erholungssuche den Betrieb mit seinen Wirtschaftsflächen besuchen und entdecken. Dabei verstehen sie den landwirtschaftlichen Betrieb und das Dorf als Teil der Landschaft, die für sie erlebbar wird. In diesem Zusammenhang wird der landwirtschaftliche Betrieb insbesondere für die Jugend zu einem Lernort, an dem die Landwirtschaft sich und ihre Besonderheiten darstellen könnte. Chancenfelder im Themenbereich Forstwirtschaft Ein großes Chancenfeld im Themenbereich Forstwirtschaft in der Metropolregion Köln/Bonn sind der Waldreichtum und die enormen Holzressourcen der Region. Im Bergischen Land beispielsweise besteht der Wald zu rund 60 Prozent aus Laubholz (71.000 ha) und zu 40 Prozent aus Nadelholz (47.400 ha). Auch in der Niederrheinischen Bucht dominieren die Laubwälder, die hier einen Anteil von 85 Prozent erreichen. Angesichts einer prognostizierten weltweiten Steigerung der Holznachfrage bieten sich für die Forstwirtschaft der Region sehr gute Perspektiven. Um einer steigenden Nachfrage gerecht zu werden, könnte der Holzabsatz noch verbessert werden, indem neue Absatzquellen erschlossen und eine zukunftsfähige Entwicklung der Forst- und Holzwirtschaft gefördert würden. Das leistungsfähige Infrastrukturnetz der Region aus Straßen, Schienen und Wasserwegen bietet günstige Vor­ aussetzungen, um das Holz zu den regionalen, nationalen und internationalen Abnehmern zu transportieren. Darüber ­hin­aus resultieren aus der Lage der Wälder in unmittelbarer Nähe des Ballungsraumes vielfältige Absatzmöglichkeiten für Forstprodukte. Exemplarisch seien Brennholz, Sägeholz für Tischlereien und Nebenprodukte wie Weihnachtsbäume und Schmuckgrün genannt. Auch die Nachfrage nach Holz zur energetischen Verwertung wird durch den Bau von Biomassekraftwerken weiter steigen. Die Waldbesitzer könnten in der Zukunft die „Energiewirte“ der Region sein, weil Ihnen ein weltweit begehrter Rohstoff gehört. Daraus ergeben sich in Abwägung mit den sonstigen Nutzungsansprüchen und landschaftgestalterischen Aspekten zugleich Chancen für eine weitere Waldvermehrung in der Region, die aufgrund ihrer günstigen Boden- und Klimaverhältnisse zu den produktivsten Waldstandorten weltweit gehört. Wenn es den Akteuren in der Region gelingt, mulitfunktionale Wälder aufzuforsten, die den ökonomischen und ökologischen Anforderungen gerecht werden und die Erholungsfunktion der Landschaft verbessern, würde dies die regionale Position weiter stärken. Eine Entwicklung, die 107 sich in zusätzlichen Arbeitsplätzen und einer Verbesserung der Lebensqualität ausdrücken könnte. Daher sollten die Chancen zur Waldvermehrung in der Börde, im Rahmen der Rekultivierung ehemaliger Braunkohleflächen, im suburbanen Raum und in den Rheinauen genutzt werden. Ein weiteres Chancenfeld hängt eng mit dem Klimawandel zusammen. Wald nimmt eine Schlüsselrolle bei der Bewältigung seiner Herausforderungen ein. Wird der Holzabsatz gefördert und Holz energetisch genutzt, so ist dies sowohl ein wertvoller Beitrag zum Klimaschutz als auch zur Schonung endlicher fossiler Rohstoffe. Gleichermaßen wird die Wirtschaftskraft des ländlichen Raumes gestärkt. Dies verdeutlicht das Beispiel der Holzhackschnittheizwerke in Emminghausen, Gummersbach-Lieberhausen und Rösrath. Chancen für die Forstwirtschaft der Region ergeben sich aber auch durch die Funktion des Waldes zur Senkung des Kohlenstoffanteils in der Luft. Die Chance der Wiederbewaldung von Kyrillflächen muss genutzt werden, um stabile, standortgerechte und naturnahe Wälder aufzubauen, die den Herausforderungen des Klimawandels gerecht werden. In besonderem Maße gilt dies für die von der Fichte bestimmten Wälder des Bergischen Landes, die durch den Klimawandel besonders gefährdet sind. Prinzipiell stellt der hohe Anteil öffentlicher Wälder in der Region eine Gelegenheit dar, um waldbauliche Konzepte zu entwickeln und zu erproben, die beispielhaft für die Forstwirtschaft im Klimawandel sein können. Die Region hat hier möglicherweise die Chance, Pionierarbeit zu leisten. Darüber hinaus wäre es wünschenswert, einzelne geschädigte Wälder als Anschauungsobjekt des verheerenden Orkans einer natürlichen Entwicklung zu überlassen – insbesondere deshalb, weil die auf diesen Flächen ablaufende Sukzession ein wertvolles Studienund Lehrobjekt für die Waldökologie ist. 108 Chancenfelder im Themenbereich Ressourcenlandschaft Eine große Chance für die Metropolregion Köln/Bonn liegt darin, im Rahmen einer „Energielandschaft der Zukunft“ – neben der Einbindung und Weiterentwicklung existieren­ der Standorte und Technologien – an geeigneten Orten Anlagen und Systeme für erneuerbare Energien zu entwickeln. Realisierbar ist dies, indem die Nutzung der Sonnenenergie und im geringeren Umfang auch die der Wind- und Wasserenergie sowie der Geothermie weiter gesteigert wird. Da die dazu benötigten Technologien permanent weiterentwickelt werden müssen, könnte hier auch die Kompetenz der Region als starke Wissenschaftsund Forschungslandschaft zum Tragen kommen. Im Chancenfeld der Nutzung von Bioenergie, die aus Biomasse beziehungsweise Energiepflanzen gewonnen wird, wäre es zudem ratsam, das in der Region ansässige land- und forstwirtschaftliche Know-how einzubinden, um neue Formen der Energiegewinnung zu entwickeln. Dabei sollte jedoch auf landschaftliche Aspekte geachtet werden, beispielsweise indem keine flächendeckenden Monostrukturen zur Energiepflanzenproduktion geschaffen werden. Bei einem sorgsamen Umgang mit der wasserproduzierenden Landschaft und mit Landschaften, in die bereits eingegriffen wird (Kies, Bodenschätze, Braunkohletagebau) liegt die Chance darin, Landschaften zu schaffen, die neben ihrer Produktivität auch für die Naherholung attraktiv sind. Dabei geht es nicht nur darum, Landschaft „im Nachhinein“ zu rekultivieren, sondern sie bereits während der produktiven Zeit als Gestaltungsaufgabe zu begreifen und transparente Kompetenzstandorte zu schaffen, die Einblicke gewähren und eine Auseinandersetzung mit der jeweiligen Thematik fördern. Die Ressourcenlandschaft der Metropolregion Köln/Bonn birgt eine Reihe von Chancen der Gestaltung – sowohl im Auf den Punkt gebracht: Chancen- und Konfliktfelder in der Region landschaftlichen als auch im produktiven Sinne. Diese liegen vor allem darin, sich bewusst um Orte zu kümmern, die bislang eher als abseitig galten und so eine neue Form der Wahrnehmung und Aneignung dieser Orte zu schaffen. In diesem Sinne sollten die Ressourcenlandschaften auch als Lernlandschaften oder Freilandlabore für neue Zukunftstechnologien genutzt werden. Dabei könnte ein besserer, effektiverer und schlauerer Umgang mit wichtigen Zukunftsfragen ausprobiert und beispielhaft sichtbar gemacht werden. Ziel sollte es sein, nicht nur produktive, sondern auch ­attraktive Landschaften zu schaffen, die zugleich als Naherholungs- und Erlebnisräume für die Region nutzbar sind. Als Kompetenzstandorte können sie Erkenntnisse über den Umgang mit Ressourcen vermitteln sowie Stoffkreisläufe und andere Prozesse exemplarisch zu veranschaulichen. Die landschaftlichen Auswirkungen dieses Ansatzes spielen gerade im Kontext des ,masterplan :grün’ eine wesentliche Rolle. Chancenfelder im Themenbereich Freizeit und Erholung Die Metropolregion Köln/Bonn besitzt eine vielfältige und dichte Freizeit- und Erholungslandschaft und verzeichnet einen stetig wachsenden Stadttourismus. Dennoch gibt es Potenziale für eine nachhaltige Weiterentwicklung von Freizeit, Erholung und Tourismus in der Region. Folgende Wege werden als Chancenfelder gesehen, um die ,StadtLandschaft’ neu zu erschließen: der Ausbau innerstädtischer Freiräume („Stadtgrün“), eine Profilierung der „Visitenkarte Rhein“, die Entdeckung von „Neuen Landschaften“, die Flucht in die „Stille Landschaft“, die Wertschätzung der „Bäuerlichen Landschaft“ und die „Stadt als Kauf- und Erlebnistempel“. Überlagert werden sie von drei Querschnittsthemen: dem Ausbau der unmittelbaren Vor-Ort- Freizeit und -erholung, der Entwicklung der „therapeutischen Funktionen von Landschaften“ und der Entwicklung der „pädagogischen Funktionen von Landschaften“. Betrachtet man die regionale Situation, so sind die Städte Köln, Bonn und Leverkusen noch nicht vollständig von den sie umgebenden Landschaften abgeschnürt. In ihrer näheren Umgebung gibt es beispielsweise noch viele großflächige Waldgebiete. In diesem Zusammenhang bietet das „Stadtgrün“ der Stadt Köln mit seinen Inneren und Äußeren Grüngürteln sowie den dazwischen liegenden Radialen eine hervorragende Basis. Wird die Idee entsprechend weiterentwickelt und auch für Bonn realisiert, so kann sie eine Grundlage sein, um das Angebot an Freizeit und Erholung in der Region weiter zu verbessern. Ein ähnlich großes Potenzial eröffnet die Profilierung des Rheins mit seinen Ufern und Auen als „Visitenkarte Rhein“. Mit den laufenden Maßnahmen zur Optimierung der Wasserqualität wie auch der ökologischen Qualität der Auen wächst zugleich die Attraktivität des Flusses für die Freizeitund Erholungsnutzung. Hier sollte es darum gehen, touristische Angebote durch eine verbesserte Infrastruktur am Fluss zu steigern. Dazu gehören der Rad- und Wandertourismus ebenso wie Schiffsreisen und der Bootssport sowie Eventmeilen und -orte auf ausgebauten Rheinboulevards. Ein weiteres Chancenfeld der Region ist die Öffnung der „Neuen Landschaften“ des linksrheinischen Braunkohle­ reviers für Freizeit und Erholung. Um die sich hier bieten­ den neuen Dimensionen des Raumes und der Technik erfahrbar zu machen, müssten neue Einrichtungen am Rande des Tagebaus geschaffen werden. Groß sind auch die Erwartungen an die Neugestaltung der Industrielandschaften durch Rekultivierung und Renaturierung. Das Beispiel der Villeseen verdeutlicht, welche Chancen sich Auf den Punkt gebracht: Chancen- und Konfliktfelder in der Region dahinter verbergen. In Zukunft sind hier e ­ indrucksvolle Szenarien denkbar: Die über einen langen Zeitraum angelegte Flutung des Tagebaus Hambach wird einen See vom Ausmaß des Chiemsees schaffen. Dies kann zu einer Freizeit- und Erholungslandschaft von europäischer Dimension und großer Wirtschaftskraft führen. Ganz anders ist die Situation in den „Stillen Landschaften“ der Region, die der immer größer werdenden Sehnsucht vieler Freizeit- und Erholungssuchender nach Abgeschiedenheit, Langsamkeit und Ruhe gerecht werden. Diese hat vor allem in den letzten beiden Jahrzehnten deutlich zugenommen. Sie ist zum Gegengewicht einer beschleunigten Gesellschaft geworden. Wie kaum eine andere Landschaft der Region eignet sich das Bergische Land für diese Form der Erholung. Es eröffnet Rückzugs- und Ruheräume, die der Einzelne für sich fern von Freizeit- und ­Erlebniswelten entdecken und bewahren kann – und zwar ohne dass jeder Ort und Raum für Freizeit- und Erholungssuchende erschlossen wird. Sträflich vernachlässigt hingegen wurde in der Vergangenheit die „Bäuerliche Landschaft“. „Ferien auf dem Bauernhof“ sind zwar zu einem festen Begriff und einer Einkommensquelle für die Landwirtschaft geworden, die bäuerliche Landschaft mit Äckern, Wiesen, Weiden und Hecken stand dabei meist aber nur auf dem Beipackzettel. Vergleichbar dem Thema „Stille Landschaft“ liegt auch im Erlebnis der genutzten freien Landschaft ein Potenzial, das bisher noch kaum erschlossen ist. Dieser Prozess sollte im Sinne eines ausgeglichenen Nebeneinanders von Landwirtschaft, Freizeit und Erholung aktiv gefördert werden. Eine andere Seite der Medaille bildet der moderne Stadttourismus, der von einer Verzahnung von Sightseeing und Shopping, vom Kaufhausbummel wie vom Dom- oder ­ useumsbesuch, von der Eventveranstaltung wie von M ­Theater oder Konzert lebt. Auch hierin liegt eine Chance für die Region, wenn sie es schafft, eine entsprechende Besucher­lenkung zu etablieren. Dabei müssen allerdings gerade auch im Städtetourismus qualitativ hochwertige Angebote entwickelt werden, um den Menschen ein Gespür für den Wandel und die Dynamik der Städte in der Metropol­ region Köln/Bonn und deren kulturelle Highlights zu geben. Ein zentrales Chancenfeld der Region ist und bleibt jedoch die Vor-Ort-Erholung, die unmittelbar vor der eigenen Haustür beginnt. In jüngerer Zeit ist eine Gesundheits­ bewegung entstanden, die Einfluss auf die Anforderungen an Freizeit und Erholungsangebote hat. Eine wichtige Forderung dieser Bewegung ist eine gesunde Umwelt im unmittelbaren und mittelbaren Wohnumfeld, wo in grünen Park- und Freiraumnetzen Körper und Seele fit gemacht werden können. Ein Netzwerk der Kulturlandschaften, das die Fläche und die Durchgängigkeit städtischer und ländlicher Freiraumsysteme vergrößert, würde hierzu einen wichtigen Beitrag leisten. Erst seit kurzem gibt es Untersuchungen zur therapeutischen Funktion von Landschaften. Verbunden mit dem Thema „Sport und Umwelt“ eröffnet sich hier ein großes Chancenfeld für Freizeit, Erholung und Tourismus, zumal die Region mit der Sporthochschule Köln und dem Leichtathletik-Leistungszentrum Leverkusen zwei Hochburgen des Sports aufweist. Hinzu kommt die Verknüpfung des Sports (und damit auch zur Optimierung von Freizeit und Erholung) mit medizinischen Forschungsprogrammen an den Universitäten der Region und im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Eine Chance liegt auch darin, die therapeutische Wirkung von Landschaften mit sakralen Orten der Klosterland- 109 schaften – zum Beispiel in Heisterbach – zu verbinden. Ein derartiger Ansatz böte die Gelegenheit, „Landschaft aufzuräumen“ und eine neue, spezifische Infrastruktur zu entwickeln: von Sitzmöbeln für eine entspannte Sehkultur bis hin zur Ausweisung von Therapiewegen, Entspannungszonen, Gesundheitsgärten und anderen Angeboten. In diesem Sinne könnten geeignete Landschaften und Landschaftsteile der Region sowohl als Erlebnis- und Erfahrungsräume als auch als Ruheinseln im Ballungsraum profiliert werden. Gelingt dies, so könnte der Gesundheitstourismus gerade in einer „Health Care“-Region wie Köln/Bonn einen wichtigen Beitrag zur Zukunft als Freizeit- und Erholungsregion spielen. Dies wiederum ließe sich mit dem Aspekt der ,LernLandschaften’ verknüpfen. So könnten Kulturlandschaften als Erlebnis- und Lernraum vermittelt und Antworten auf die gefühlte Heimatlosigkeit und räumliche Ungebundenheit vieler Menschen gegeben werden. Neben den traditionellen Lernund Erlebnisorten des Kulturerbes wird es dabei in Zukunft auch neue Chancenfelder geben. Das können zum Beispiel Einrichtungen der Wissenschaft als Lern- und Erlebnisorte oder Landschaften als Orte der Raumerfahrung sein. Chancenfelder im Themenbereich Rhein Gerade im planerischen Umgang mit Flusslandschaften geht es vor dem Hintergrund des Klimawandels und anderer globaler Entwicklungen zunehmend darum, Siedlung und Landschaft integriert und ganzheitlich zu betrachten. Diese neue Sichtweise ist eine Chance, sie fordert sie zugleich aber zum Weiterdenken auf. Indem sie verdeckte Potenziale erschließt, ermöglicht sie es, neue Strategien zur Qualifikation der ,StadtLandschaft’ zu entwickeln. Vor diesem Hintergrund könnte ein wesentliches Chancenfeld für die Metropolregion Köln/Bonn darin liegen, 110 den Rhein als gestalterische Leitlinie für die Siedlungsentwicklung der Zukunft zu begreifen. Dabei geht es in erster Linie darum, eine Perspektive zu entwickeln, die den Fluss und die Topografie der Rheinlandschaft wieder zum regulierenden Rahmen für die Entwicklung der Siedlungen macht. In diesem Sinne würde der Rhein Grenzen setzen und mit seinen Überschwemmungsflächen wertvolle Böden vor der Verwertung als Bauland schützen. Zugleich wird deutlich: Planung darf nicht nur statisch denken, sie muss vielmehr dynamische Zustände berücksichtigen. So kann die potenziell zerstörerische Kraft des Wassers zur Gestaltung der ,StadtLandschaft’ genutzt werden. Der Umgang mit Übergangszonen zwischen trockenen und wechselfeuchten Gebieten stellt dabei eine besondere Herausforderung dar. Wenn Freiraum als potenzieller Retentionsraum nicht weiter für bauliche Zwecke in Anspruch genommen würde, müsste sich das Siedlungswachstum auf vorhandene Siedlungsflächen konzentrieren. Neue städtebauliche Spielregeln, beispielsweise die vertikale Verdichtung des Bestandes oder das Akzentuieren der Siedlungsränder könnten Stadtsilhouette und -gestalt neu beleben. Eine binnenorientierte Entwicklung würde auch dazu beitragen, dass sich eine „neue Mitte“ in den jeweiligen Ortslagen ausprägt. Eine weitere Chance birgt die Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung. Mit dem Wandel zur Dienstleistungsgesellschaft werden vermehrt vormals industriell genutzte Standorte in Rheinlage frei und ermöglichen Renaturierungen in Verdichtungszonen. Über Rückbaumaßnahmen und Entsiegelung könnten diese meist innerstädtischen Standorte wieder einen landschaftlichen Charakter erhalten und als Retentionsraum zur Hochwasservorsorge dienen. Parallel würden urbane Auenland- Auf den Punkt gebracht: Chancen- und Konfliktfelder in der Region schaften als ruhige Erholungslandschaft erschlossen. So könnten zudem Freiflächendefizite kompensiert werden. Diese Mehrdimensionalität an Nutzungsinteressen steigert den Wert der Ressource „Freiraum“ und schützt die Areale vor späterer Bebauung. Die skizzierten Szenarien bieten zugleich die Chance, das ungeschriebene Gesetz der „rheinischen Fruchtfolge“ zu brechen. So könnten die fruchtbaren Böden der rheinischen Niederterrasse angesichts der globalen Debatte um die Versorgung mit Lebensmitteln und die Sicherung von Retentionsflächen ökonomisch und ökologisch an Wert gewinnen. Es wäre denkbar, hier flutungstolerante Fruchtfolgen, Bewirtschaftungsformen und Bauweisen landwirtschaftlicher Gebäude zu erproben. Entsprechende Maßnahmen könnten die „Wasserspeicherleistung“ der Böden erhöhen, Grünlandnutzungen zur Stabilität erosionsgefährdeter Ufer beitragen. Bei alldem sollte die landwirtschaftliche Produktion entlang des Flusses sensibel in Stufen unterschiedlicher Bewirtschaftungsintensität zoniert werden. Gelingt es, den Freiraum zwischen den Hochwasserereignissen als Erholungsort zu sichern, so wächst die Lebensqualität der Region am Fluss. Hier muss eine neue Balance zwischen den Ansprüchen der Landwirtschaft, des Naturschutzes und der Freizeitnutzungen gefunden werden. Dies könnte zudem für eine ästhetische Differenzierung des Landschaftsbildes sorgen. Resultat wäre ein neuer Typus der „fluvialen Kulturlandschaft“, der sich an die ursprüngliche Stromlandschaft anlehnt. Voraussetzung für die Realisierung derartiger Chancen ist eine intensive regionale Kommunikation. Um zukunftsfähige Qualitäten für die Stadträume in die Praxis umzusetzen, bedarf es neuer Formen der Zusammenarbeit. Es kann nicht allein das Ziel sein, mit den Ansprüchen der räumlichen Dominante „Rhein“ in Dialog zu treten, gleichzeitig müssen sich auch die Akteure am Fluss stärker vernetzen. Pragmatische Lösungen und konsensfähige Qualitätsansprüche für den Umgang mit der Flusslandschaft lassen sich nur durch ein sektoral und räumlich übergreifendes Handeln entwickeln und realisieren. Die „Anrheiner“ aus Politik, Stadtplanung, Land- und Wasserwirtschaft, Industrie und Wissenschaft sind daher zum gemeinsamen Handeln aufgefordert. Ein Grundstein dazu wurde mit dem 2008 gegründeten Arbeitskreis Rhein gelegt, in dem alle am Rhein liegenden Städte in der Region zusammenarbeiten. Er soll dauerhaft einen verantwortungsvollen Umgang mit den gemeinsamen Rheinufern etablieren und eine qualitätvolle Entwicklung von Stadtund Landschaftsräumen entlang des Stroms fördern. So erhält der Rhein auch als gesellschaftliche und kulturelle Achse der Region neues Gewicht. Die beschriebenen Chancenfelder sind angesichts des wachsenden Siedlungsdrucks und der durch den Klimawandel größer werdenden Hochwassergefahren nicht nur planerische Gedankenspiele, sondern wichtige Planungs­ aufgaben für die Zukunft. Allein im Hinblick auf das enorme Schadenspotenzial im möglichen Katastrophenfall ist es aus ökonomischer, ökologischer und sozialer Per­ spektive unausweichlich, über ein „fluviales Freiraummanagement“ nachzudenken und den Fluss als dynamisch gestaltende Kraft aktiv in die Raumplanung einzubinden. Die Konfliktfelder: Wo es in der Region „krachen“ könnte Die Ausführungen der einzelnen Fachdisziplinen zeigen, dass Entwicklung nicht ohne die Bewältigung von Konflikten abläuft. Nur eine aktive Auseinandersetzung mit den Konflikten im jeweils betroffenen Raum ermöglicht Auf den Punkt gebracht: Chancen- und Konfliktfelder in der Region es, tragfähige Lösungen für den Erhalt und die künftige Gestaltung der Kulturlandschaften in der Region zu finden und zu realisieren. Das setzt die Fähigkeit voraus, die auftretenden Konflikte konstruktiv und gemeinschaftlich anzugehen und zu bearbeiten. Gelingt dies nicht, könnte es an einigen Stellen in der Region in Zukunft „krachen“. Im Folgenden werden die für die jeweiligen Themenbereiche wichtigen und zurzeit erkennbaren Konfliktpunkte benannt, deren räumliche Ausdifferenzierung und Lösung ein wesentliches Ziel der Projekte vor Ort sein sollte. Konfliktfelder im Themenbereich Siedlungsentwicklung Die Entwicklung von Siedlung und Verkehr wird in der weiter wachsenden Metropolregion Köln/Bonn auch in Zukunft eine zentrale Rolle spielen. Verläuft dieser Prozess ungesteuert, so könnten auf längere Sicht wertvolle Flächen und Funktionen der Kulturlandschaft sowie der Landwirtschaft und des Naturschutzes verloren gehen. Zudem käme es zu einer fortschreitenden Zersiedlung der Freiräume und zu einem Verlust der Identität von Stadt und Stadtvierteln. Dabei würden historisch gewachsene Stadtbilder und -einheiten überformt, auch weil oftmals klare Visionen, Anforderungen und Qualitätsziele für die Zukunftsgestaltung fehlen. Dies betrifft vor allem den Ballungsraum Rhein-Sieg, die Siedlungsachsen entlang der Erft und das rechtsrheinische Köln sowie die Industriegassen im Bergischen Land. Die Siedlungen sind in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr in die freie Landschaft hineingewachsen, ohne dass Übergänge zwischen Stadt und Land bedacht und ausgestaltet wurden. Auch eine gezielte Gestaltung der neuen Sielungsränder blieb in der Regel aus. Dies hat zu einer Verkrustung der Stadt- und Landschaftsbilder geführt, die häufig mit anderen Investitionen – beispielsweise der An­ lage großflächiger Einkaufszentren an den Ortsrändern – einherging. Das Problem ist in der gesamten Region sichtbar und betrifft alle Arten und Größen von Siedlungen. Der Trend wird sich fortsetzen, denn Bedarf an neuem Wohnraum und Flächen für Gewerbe- und Verkehrsanlagen besteht nach wie vor. Die Ursachen für diese Entwicklung sind gesellschaftlicher Art. Sie liegen beispielsweise in der zunehmenden Aufsplitterung der Familien, der Änderung des Kaufverhaltens und den deutlich steigenden Mieten und Pachten in den Innenstädten. Dabei kommt es jedoch auch außerhalb des Ballungsraumes zur Zerstörung des Landschaftsbildes. Hier werden offene Bereiche mit neuen Siedlungen, Gewerbe- und Industrieflächen verbaut. Ein Grundproblem in diesem Zusammenhang ist, dass die neuen Siedlungen sich so stark ausdehnen, dass zunehmend historische Baugebiete nicht mehr wahrnehmbar sind. Verursacht wird der Konflikt häufig durch Defizite in der Bauleitplanung. Dies ist eine Gefahr für die Region und zugleich ein großes Konfliktfeld: Wenn die großräumige Verdichtung von Siedlungen zu einer Überformung der ursprünglich freien Kulturlandschaft führen sollte und sich deren Charakter mittel- bis langfristig verändert, verliert die Kulturlandschaft ihre Erkennbarkeit. Dies ist gleichbedeutend mit einem Verlust an Identität und Heimat. Daher sollte in gefährdeten Bereichen die Ausweisung von Tabuzonen für die weitere Entwicklung der Siedlungen geprüft werden. Kritisch wird es vor allem dann, wenn landschaftsgebundene Freiraumachsen oder -korridore berührt und zerschnitten werden. Doch wo Konflikte sind, sind auch Chancen. So setzt sich die beschriebene Entwicklung einerseits zwar vor allem in den Ballungsräumen und ihrem Umfeld fort, andererseits aber gibt es – nicht zuletzt aufgrund des demographischen Wandels – auch bereits Teilräume der Region, in denen 111 die Bevölkerungsentwicklung und der Druck auf die Fläche rückläufig sind. In diesen eher ländlich geprägten Bereichen kann sogar vereinzelt von einem „absehbaren Rückzug aus der Fläche“ gesprochen werden, der neue Chancen für das Entstehen und die Vernetzung von Freiräumen bieten könnte (vgl. Chancenfelder im Themen­ bereich Siedlungsentwicklung, Seite 101). Ein ähnliches Phänomen zeigt sich beim Konfliktthema des Aus- und Neubaus von Straßen und anderer Verkehrsflächen innerhalb und außerhalb der Ortschaften. Auch dieser ist zwar in vielen ländlichen Bereichen zurückgegangen, aufgrund der weiteren Zerschneidung der Kulturlandschaft und des Flächenverlustes für Land- und Forstwirtschaft bleibt er aber ein wichtiges Thema in den Ballungsräumen, ihrem Umfeld und Teilen des ländlichen Raumes. Um hier künftig Konflikte zu vermeiden, sollte sowohl über proportionale Entsiegelungen als auch über Versiegelungstabus nachgedacht werden. Dies wäre nicht zuletzt deshalb sinnvoll, weil die im Sinne einer nachhaltigen Raumnutzung verträglichen Grenzen der Versiegelung im Ballungsraum Rhein-Sieg sowie am Westrand des Bergischen Landes und am Rande des Vorgebirges fast erreicht sind. Ein weiteres Konfliktfeld ist die Anbindung städtischer Freiflächen. Hier liegt das Problem meist in einer fehlenden inner- und außerstädtischen Vernetzung der urbanen Grün- und Freiräume, die als durchgängige und klar geführte Raumfolgen den Stadtgrundriss gliedern und gestalterisch prägen. Konfliktfelder im Themenbereich Wasser Die Niederschlagsarmut in der intensiv landwirtschaftlich genutzten Zülpicher und Jülicher Börde stellt eines 112 der Hauptkonfliktfelder im Themenbereich Wasser in der Metropolregion Köln/Bonn dar. Sollten die Niederschläge weiter abnehmen, wird es hier zu negativen Folgeerscheinungen für die Landwirtschaft kommen. Eine aktuelle Studie des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV ) zur Abschätzung der künftigen klimatischen Entwicklung in Nordrhein-Westfalen prognostiziert für diese Teilräume der Region bis zum Jahr 2055 einen Rückgang der Jahresniederschlagsmenge um bis zu 50 Millimeter. Bereits ­heute ist man auf den Import von Trinkwasser angewiesen, wasserbedürftige Sonderkulturen bedürfen der Bewässerung (vgl. Fachbeitrag Klimawandel, Seite 72, Fachbeitrag Wasser, Seite 58). Auch aus den Grundwasserabsenkungen im Zusammenhang mit der Braunkohleförderung ergeben sich große Konfliktfelder. Nirgendwo in Europa werden so massive Eingriffe in den Grundwasserhaushalt vorgenommen wie im linksrheinischen Braunkohlerevier, wo die Sümpfungsmaßnahmen zum Teil irreversible Folgen hinterlassen. Hier steht die Region vor einer beispiellosen wasserbaulichen und ökologischen Herausforderung. Ein wichtiges Thema ist in diesem Zusammenhang auch die weitere Entwicklung des Erft-Gewässersystems im Sinne der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (EU-WRRL). Verschärft wird das Problem der Grundwasserabsenkung durch die fortschreitende Versiegelung. Hierfür sind insbesondere der Siedlungs- und der Straßenbau in erheblichem Umfang verantwortlich. Ein Thema, das die gesamte Region betrifft, wächst doch fast überall das Defizit an Versickerungsflächen. Einen Schwerpunkt bildet dabei im Bereich der größeren und kleineren Städte des Ballungsraumes Rhein-Sieg. Hinzu kommt in vielen Bereichen das Problem der technischen Versiegelung und Verfestigung Auf den Punkt gebracht: Chancen- und Konfliktfelder in der Region von Gewässerufern durch Wohnsiedlungs-, Industrie-, Gewerbe- und Verkehrsbauten. Dies tritt deutlich in den Städten und Siedlungen am Rhein, in der Erft- und Siegaue sowie in den Industrie- und Siedlungsgassen der Täler von Wupper, Wipper, Agger und Wiehl hervor. Auch die Nutzung von Wasserflächen durch Freizeitaktivitäten führt zu Konflikten. Insbesondere an größeren Gewässern fehlt es oftmals an geeigneten Lenkungsmechanismen und Schutzzonen. So gehen einerseits wertvolle Rückzugsräume für die Natur verloren, andererseits kommt es zu Verunreinigungen und schädlichen Einflüssen, beispielsweise durch eine intensive Freizeit- und Erholungsnutzung an Trinkwassertalsperren. Die Möglichkeit, hier wasserbezogene Freizeitaktivitäten ausüben zu können, ist zwar für die wohnortnahe Erholung sowie die Lebensqualität und Attraktivität der Region wichtig, sie sollte jedoch derart gelenkt werden, dass Nutzungskonflikte vermieden werden. Während die biologische Qualität der regionalen Gewässer in den letzten Jahren kontinuierlich optimiert werden konnte, bestehen weiterhin klare Defizite hinsichtlich der hygienischmikrobiologischen Qualität sowie der Gewässerstrukturgüte. Ein Beispiel ist mangelnde Durchgängigkeit der Gewässer aufgrund von Querbauwerken und dem Verbau von Ufern und Sohlen. Diese werden aus dem integrierten Bewirtschaftungsansatz der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie negativ bewertet. Eine Situation, die es dringend notwendig macht, Stoffeinträge weiter zu reduzieren und die Struktur der Gewässer deutlich zu verbessern. Darüber hinaus tritt mit dem Konfliktfeld Hochwasser ein Problem auf, das sowohl die Rheinaue als auch die Nebentäler des Rheins betrifft. Durch fehlende Flächen für die natürliche Wasserrückhaltung und die Bebauung der Auen durch Siedlungs- und Gewerbeflächen ist dieses in der Vergangenheit weiter verschärft worden. Auch ein zu großer Freizeit- und Erholungsdruck tragen zu dem Konflikt bei. Die historisch gewachsene, intensive Verzahnung von Siedlungs-, Gewerbe- und Verkehrsflächen mit dem engmaschigen Gewässernetz führt bei Hochwasser zwangsläufig zu vielfältigen Störungen und Bedrohungen. Neben der Freihaltung und Erweiterung noch vorhandener Retentionsflächen sollte insbesondere einer behutsamen Entflechtung von Wasserräumen und dauerhaften menschlichen Nutzungen Beachtung geschenkt werden. Konfliktfelder im Themenbereich Kulturlandschaft und kulturelles Erbe Die Bewahrung und nachhaltige Sicherung des kulturellen Erbes eröffnet ein Hauptkonfliktfeld im Themenbereich Kulturlandschaft und kulturelles Erbe in der Region. Dabei umfasst der Begriff des kulturellen Erbes sowohl Kultur-, Bau- und Bodendenkmale als auch die Elemente und Strukturen der Kulturlandschaften, die nicht formal als Denkmal deklariert sind. Sie alle müssen als leben­ diger Bestandteil der Kulturlandschaften und wertvolle Elemente für deren zukünftige Entwicklung begriffen werden. Vielerorts sind sie jedoch durch einen Substanzverlust oder das Verschwinden der Umgebung bedroht. Das Hauptproblem ist, dass eine Planung, die keine Rücksicht auf unterschiedliche zeitliche Schichtungen nimmt, das historische Erbe nivelliert. Sie handelt demzufolge nicht nachhaltig für das kulturelle Erbe künftiger Generationen. Auf der anderen Seite darf der Schutz historischer Kulturlandschaften und Denkmale allerdings auch nicht zu einer Musealisierung der Landschaft führen. Hier geht es vielmehr um das richtige Maß zwischen rückblickendem und vorausschauendem Denken und Handeln. Auf den Punkt gebracht: Chancen- und Konfliktfelder in der Region Eine Aufgabe, die gleichermaßen Konflikte und Chancen schafft. ginge mit dem Abriss alter Mühlenbauwerke und Wasserbauwerke einher (vgl. Fachbeitrag Wasser, Seite 58). Ein wichtiges Thema in diesem Zusammenhang ist der Verlust an Industriedenkmalen, der sich in der Metropolregion Köln/Bonn vor allem auf Relikte des Industriezeitalters im 19. Jahrhundert bezieht. Ursache der Entwicklung ist, dass der Erhalt des industriellen kulturellen Erbes oftmals im Gegensatz zu Umweltinteressen gesehen wurde und wird. Diesen Gegensatz gilt es aufzulösen, um das industrielle Kulturerbe in den Industriegassen des Bergischen Landes, im Ballungsraum Rhein-Sieg sowie im Bereich des Braunkohlenabbaugebietes zu erhalten. Nicht nur im Ballungsraum, sondern auch in anderen Teilräumen der Region kommt es zudem seit Jahrzehnten zu einer Verbauung wichtiger Kulturdenkmäler. Im Ergebnis geht dabei ihre Freistellung im Raum und ihr offener Bezug zur umgebenden Kulturlandschaft verloren. Ein Konfliktfeld, das sich in gleichem Maße auf die Stadtlandschaften von Köln und Bonn wie auf die Schlösser und Wasserburgen in den Flussauen und die Industriedenk­ male im Ballungsraum Rhein-Sieg, im Bergischen Land und an der Erft erstreckt. Was für die Industrie gilt, trifft auch auf die Landwirtschaft zu. So verschwinden durch die Technisierung der Landnutzung, die Aufgabe bäuerlicher Betriebe und die Umstrukturierung der Dörfer wichtige Teile des kulturellen Erbes. Räumlich betrifft dies vor allem das Bergische Land, das Pleiser und Drachenfelser Ländchen, die Erftaue und die Börde. Hinzu kommt, dass die Aufgabe landwirtschaftlicher Nutzflächen sich negativ auf den Offenlandcharakter der historischen Kulturlandschaft in der Rheinschiene auswirkt. Neu sind hingegen die Konflikte, die die verstärkte Fokussierung auf die Produktion von Biomasse zur Energieerzeugung mit sich bringt. Erfolgt diese in Form großflächiger Monostrukturen, könnte dies erhebliche Auswirkungen auf das Landschaftsbild sowie die Erlebbarkeit der Kulturlandschaft und des kulturellen Erbes haben. In einzelnen Fällen sind sogar weit reichende Folgen für den Tourismus und die Naherholung sowie die Identität stiftende Kraft der heimischen Kulturlandschaften zu befürchten. Daher muss eine offene Diskussion zu diesem Thema geführt werden, die das Ausmaß möglicher Folgen ebenso einbezieht wie die Entwicklung und Vermittlung denkbarer Alternativszenarien. Ein weiteres Konfliktfeld stellen die wassergebundenen Kulturdenkmale dar. Bereits durch den technischen Ausbau der Fließgewässer im 20. Jahrhundert kam es zu einem erheblichen Substanzverlust, dem zahlreiche alte Mühlen, Industriestandorte und Brücken zum Opfer fielen. Die Europäische Wasserrahmenrichtlinie (EU-WRRL) fordert nun die ökologische Durchgängigkeit. Für das historische Inventar der Kulturlandschaft – beispielsweise die Ober- und Untergräben an den Hämmern im Bergischen Land – stellt dies eine konkrete Gefahr dar. Hier eröffnet sich ein breites Konfliktfeld, vor allem dann, wenn mit der Umsetzung der EU-WRRL eine absolute Renaturierung verfolgt würde. Dies Konfliktfelder im Themenbereich Naturschutz und Landschaftspflege Nach wie vor weisen die Landschaften der Metropolregion Köln/Bonn einen Rückgang der wild lebenden Tier- und Pflanzenarten auf. Die Lebensgemeinschaften der Öko­systeme werden sozusagen „ausgedünnt“ und es besteht die Gefahr, dass diese mehr und mehr ihre 113 Funktionsfähig­keit verlieren. Intakte Ökosysteme wie beispielsweise natur­nahe Wiesen findet man nur noch auf Restflächen. Folglich ist die Biodiversität der Kulturlandschaft immer noch rückläufig. Wesentlicher Auslöser dieser Verarmung des Naturerbes sind die fortschreitende Versiegelung und Bebauung der Landschaft sowie die damit verbundenen flächenhaften Beeinträchtigungen des Grundwasserhaushalts. Hinzu kommen die ungehemmte Zerschneidung der Landschaft, beispielsweise durch Verkehrswege, sowie eine von Landwirtschaft, Automobilverkehr und zahlreich weiteren Emittenten verursachte Hypertrophierung weiter Flächen durch Stickstoffverbindungen. All dies beschleunigt vielerorts eine Artenverarmung und eine „Uniformierung“ der Kulturlandschaften. Beschleunigt wird diese Entwicklung noch durch den Rückzug der Landwirtschaft aus benachteiligten Mittelgebirgsregionen und dem enorm gewachsenen Druck durch Freizeit- und Erholungsaktivitäten in der Region. Das Ziel, einen landesweiten Biotopverbund in Nordrhein-Westfalen aufzubauen, weist in der regionalen Umsetzung weiterhin Defizite und Konfliktpotenziale auf. Diese liegen vor allem in der Umsetzung kleinteiliger Strukturen. So zeichnet sich zwar in der Rheinschiene und im Rhein-Sieg-Kreis ein Netz von großflächigen Schutzgebieten nationaler und internationaler Bedeutung ab, eine weitere Differenzierung des Verbundes stößt jedoch in Teilen des Ballungsraumes entlang des Rheins an ihre Grenzen. Hier könnte ein Netz aus extensiv bewirtschafteten Flächen oder innerstädtischen Freiflächensystemen die vorhandenen Lücken schließen. Viele für den Biotopverbund relevante Bereiche sind jedoch durch Nutzungen in Form von Siedlungen, Landwirtschaft und Verkehr zerschnitten. 114 Ein Beispiel für die Beeinträchtigung des Biotopverbundes durch andere Nutzungen sind die Freizeit- und Erholungsaktivitäten in der Region, deren Druck auf ökologisch sensible Flächen immer größer wird. Das gilt insbesondere für Naturschutzgebiete wie Moore, große Waldgebiete, Flussauen und Heidelandschaften. Eine Besucherlenkung über ausgeschilderte Wege und Informationstafeln reicht hier vielerorts nicht mehr aus. Konflikte können durch zentrale Organisationsund Informationseinheiten gemildert werden, vor allem in den größeren Naturschutzgebieten: im Bergischen Land, an der Siegmündung, in der Wahner Heide und dem Königsforst, im Siebengebirge, im Kottenforst und auf der Ville. Hinzu kommt, dass nahezu in allen Naturschutzgebieten der Region Defizite bestehen, wenn es darum geht, praktische Schutzmaßnahmen umzusetzen. Oftmals sind Übergangsbereiche zu anderen Nutzungen nur unzureichend durch Pufferzonen abgesichert. Das schafft Konflikte, auch weil eine Ausweitung der Schutzgebiete auf derar­ tige Pufferzonen auf erheblichen Widerstand stößt und die Übergänge somit entfallen. Ein anderes Konfliktfeld betrifft die Artenvielfalt auf Ackerflächen, Wiesen und Weiden, beispielsweise in der Börde, aber auch auf den Ackerinseln am Westrand des Bergischen Landes und im Drachenfelser und Pleiser Ländchen. Die Intensivierung der Landwirtschaft hat zu einem Rückgang der Artenvielfalt geführt. Dies wird durch neue Produktionsflächen und -formen wie F ­ eldgrasanbau, geschützten Anbau oder Bioenergiefelder verstärkt. Betroffen sind dabei nicht nur die Produktionsflächen selbst, sondern auch die Kleinstrukturen und eigentlich nicht zu bewirtschaftenden Flächen der Agrarlandschaft, beispielsweise Feldraine, Wegränder, Hecken, Feldgehölze und Brachen. Verursacht wird das Problem durch eine flächendeckend wirksame Landwirtschaft. Auf den Punkt gebracht: Chancen- und Konfliktfelder in der Region Konfliktfelder im Themenbereich Klimawandel Das größte Konfliktfeld im Themenbereich Klimawandel könnte sich aus einer Verschiebung der Vegetationszonen in Europa ergeben. Sie würde nahezu alle Bilder der Kulturlandschaften betreffen und negative Auswirkungen auf die Tier- und Pflanzenwelt der heimischen Ökosysteme sowie auf Land- und Forstwirtschaft und damit einhergehend den Wasser- und Bodenhaushalt haben. Entsprechende Konflikte zeichnen sich aber auch für die Ressourcenlandschaft, für Freizeit und Erholung sowie für den Rhein ab. Sie wurden in den einzelnen Fachbeiträgen zum Teil bereits angeführt. Der Klimawandel könnte vor allem im Ballungsraum zu einer zusätzlichen Erwärmung des Stadtklimas führen. Dies würde es erschweren, Luftreinhaltepläne in den Städten umzusetzen, da es beispielsweise zu einer kritischeren Entwicklung von Ozon kommen könnte. Hinzu kommt, dass ein wärmeres Stadtklima verbunden mit den erwarteten Tropennächten dazu führen könnte, dass die Zahl der Klimaanlagen zunimmt – ein Prozess, der bereits angelaufen ist. Betrachtet man den Klimawandel hinsichtlich möglicher Konfliktfelder, so rücken unter dem Aspekt Wasser vor allem die Börde und Teile des Ballungsraumes Rhein-Sieg in den Fokus. Hier ist mit einer wachsenden Trockenheit und Wasserknappheit zu rechnen. Dabei wirkt der Druck zunehmend von zwei Seiten: von oben durch geringe und im Zuge des Klimawandels weiter abnehmende Niederschlagsmengen, von unten durch die fortschreitende Absenkung des ohnehin niedrigen Grundwasserspiegels (vgl. Fachbeitrag Wasser, Seite 58). In Fließgewässern wie Erft und Swist wird der Wassermangel im Sommer möglicherweise dazu führen, dass sie nahezu vollstän- digen austrocknen. Das gilt auch für die Gewässernetze der Vorgebirgsbäche und für die suburbanen Gewässer im Umfeld der Stadt Köln. Zudem bringt der Klimawandel eine Erwärmung der stehenden Gewässer mit sich, die mit negativen ökologischen Folgen wie Sauerstoffzehrung und Algenwachstum verbunden sein könnte. Probleme bei der Veränderung von Kulturlandschaft in Folge des Klimawandels könnten dort entstehen, wo Landschaftsbilder tief verwurzelt sind und der Wandel sehr schnell von statten geht. Hier ist vorstellbar, dass die Identifikationsmerkmale von Landschaften negativ beeinflusst werden, ja sogar verloren gehen. Das unverwechselbare Erscheinungsbild einer Kulturlandschaft, wie es sich etwa durch das Mosaik von Wald und Grünflächen im Bergischen Land darstellt, ist letztlich auch von großer Bedeutung für die touristische Attraktivität einer Region. Die Folgen des Klimawandels könnten sich somit langfristig sogar auf die Wertschöpfung im Tourismus auswirken. Andererseits bestehen im Einzelfall Möglichkeiten, Strukturen des kulturellen Erbes wieder in das Bewusstsein zu rücken oder zu revitalisieren. Ein Beispiel ist der Weinbau auf klimatischen Gunstflächen. Insbesondere der Hochwasserschutz als Reaktion auf den Klimawandel beinhaltet aufgrund möglicherweise notwendiger baulicher Maßnahmen im Hinblick auf die Kulturlandschaft und das kulturelle Erbe weiteres Konfliktpotenzial. Ein ausgesprochen großes Konfliktfeld schafft der Klimawandel für jene Ökosysteme, die auf kühlere und feuchtere Bedingungen angewiesen sind. Besonders gefährdet sind zum Beispiel die Moor-Ökosysteme und die montanen Waldökosysteme der Region. Vor allem könnte es zu immensen Auswirkungen auf Art und Umfang der Biodiversität kommen. Bei einem ungebremsten Klimawandel würde in Deutschland bis zum Jahr 2080 Auf den Punkt gebracht: Chancen- und Konfliktfelder in der Region jede fünfte wildwachsende Pflanzenart weite Teile ihres Verbreitungsgebietes verlieren. Das geht aus Studien des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) und des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) hervor. Arten, die Kühle und Luftfeuchte bevorzugen, würden nach Norden oder in Höhenlagen abgedrängt. Im Gegenzug könnten einige Wärme liebende Arten aus dem Süden nachrücken – der Konflikt würde zu einem, allerdings vergleichsweise geringen Chancenfeld (vgl. Chancenfelder im Themenbereich Klimawandel, Seite 72). Die Folgen des dargestellten Konfliktes wären weit reichend: Viele Pflanzen- und Tierarten könnten ihre Nischen, zum Beispiel im Gebirge oder in Mooren, verlieren. Ein Verlust an Biodiversität, der sich durch zuwandernde Arten aus Südeuropa nicht ausgleichen ließe. Zu den Verlierern des Klimawandels gehörte dann beispielsweise die Sumpfdotterblume. Sie würde aus den tieferen Lagen verschwinden. Ein weiterer Verlierer wäre die Fichte. Sie ist an kühle und luftfeuchte Bedingungen angepasst, die künftig voraussichtlich in immer kleineren Teilen der Region herrschen werden. Treffen würde die Entwicklung auch einheimische Tierarten, die sich an die Pflanzenwelt und die Temperaturen angepasst haben. Exemplarisch seien hier vor allem zahlreiche Vogelarten und Insekten wie beispielsweise Bienen genannt. Wenn Bienenvölker aus einer Region abwandern, kann dies massive negative Folgen für die Landwirtschaft in dieser Region haben. Es würde nicht der einzige Konflikt bleiben, denn der Landwirtschaft steht mit dem Klimawandel eine Vielzahl von Konflikten bevor. Bereits erwähnt wurden notwendige Konzepte für die Börde, zum Beispiel effiziente Beregnungsstrategien und verdunstungsreduzierte Anbauformen (auch Folienkulturen). Die Verfügbarkeit von Wasser ist auch andernorts der entscheidende Parameter hinsichtlich der Frage, wie sich der Klimawandel auf die Landwirtschaft auswirken könnte. Vor allem im Regenschatten der Eifel (Zülpicher Börde) muss mit Ertragsrückgängen gerechnet werden, der Wassermangel könnte aber auch auf den guten Böden der linksrheinischen Mittelterrasse spürbar werden und sich negativ auf den Obst- und Gemüseanbau auswirken. Weitere Konflikte für die Landwirtschaft sind durch eine größere Erosionsgefahr im Ackerbau nach Starkregen­ ereignissen, Probleme mit der Erhaltung der Bodenfeuchte, einen wachsender Krankheits- und Schädlingsdruck für Nutzpflanzen sowie eine Zunahme von Schäden durch Tierparasiten zu befürchten. Der Klimawandel bedingt zudem eine Anpassung landwirtschaftlicher Sorten und Arten sowie eine neue Dünge- und Ernteplanung und neue Schnittfolgen für das Grünland. Das Konfliktfeld für die Forstwirtschaft in Zusammenhang mit dem Klimawandel bezieht sich vor allem auf Veränderungen des Baumbestandes jener Arten, die an kühlfeuchte Standortbedingungen angepasst sind. Sollten sich Temperaturen und Niederschläge verändern, dann steigt an einigen Standorten das Risiko für die forstlich wichtige Baumart Fichte. Einerseits wird sie physiologisch geschwächt, andererseits finden Schädlinge wie der Borkenkäfer günstigere Bedingungen vor. Eine Erwärmung würde generell zur Zunahme von Forstschädlingen führen. Auch in der Ressourcenlandschaft des Braunkohlenreviers können durch den Klimawandel neue Konflikte entstehen. Ein Grund dafür liegt in der zunehmende Aridität der Großlandschaft Börde/Ville und dem Verlust an Grundund Oberflächenwasser. Als Folge müsste zusätzliches Wasser für die Kraftwerke und die Wiederherstellung der Grundwasserstände nach dem Abbau der Braunkohle beschafft werden. 115 Last but not least wird der Rhein in besonderer Art und Weise vom Klimawandel betroffen sein: Er gerät unter Klimadruck. Eine Ursache ist die zu erwartende winterliche Zu- und sommerliche Abnahme der Wassermenge seiner Zuflüsse. Zudem werden sich Extremereignisse häufen, was wiederum Auswirkungen auf den Pegelstand und die Schiffbarkeit des Rheins haben kann (vgl. Fachbeitrag Klimawandel, Seite 72). Durch eine höhere Zahl von neuen Starkregenereignissen würde die Gefahr von Überflutungen sowie häufigeren und extremeren Hochwassern des Rheins und seiner Nebenflüsse ansteigen. Zudem würde es durch eine neue Klimasitua­ tion in den Alpen zu neuen Hochwasserzeitpunkten kommen. Eine mögliche Entwicklung, auf die die Wasserwirtschaft mit neuen Maßnahmen zum Hochwasserschutz reagieren muss. Sehr kritisch könnten sich auch die prognostizierten tiefen Sommerpegel auswirken, denn ein zeitweiser Stillstand der Schifffahrt hätte sehr nachteilige Auswirkungen auf die Wirtschaft. Letztlich sollte noch angemerkt werden, dass eine Erwärmung des Rheinwassers negative Folgen für die Fischfauna haben könnte, bis hin zu angestrebten Wiedereinbürgerung des Lachses. Konfliktfelder im Themenbereich Landwirtschaft Zentraler Konflikt im Themenbereich Landwirtschaft ist und bleibt der Verlust an landwirtschaftlichen Flächen, der sich auf Acker und Grünland ebenso auswirkt wie auf den Obst- und Gemüseanbau und die Flächen des Gartenbaus. Diese Entwicklung beeinträchtigt die Konkurrenzfähigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe. Sie hat eine Vielzahl von Ursachen: So dringen Siedlungsflächen und gewerbliche Nutzungen wie der Braunkohletagebau und die Gewinnung von oberflächennahen Bodenschätzen immer weiter in den Freiraum vor, Wasserschutzgebiete werden erweitert, Kompensationsmaßnahmen für Landschaftseingriffe vorgenommen. 116 Das Problem des Flächenverlustes betrifft die gesamte Region, vor allem im Umfeld der größeren und kleineren Städte. Auch der Westrand des Bergischen Landes sowie die Landschaft der Börde zählen zu den Problemgebieten. Hier werden fruchtbare Ackerstandorte in immer größerem Maße umgewandelt und anderen Nutzungen zugeführt. Besonders betroffen sind die Gunsträume der Landwirtschaft, beispielsweise in der Zülpicher und Jülicher Börde, im Drachenfelser Ländchen sowie am Westrand des Bergischen Landes. Es ist zu prüfen, ob und wie diese Gunsträume gegenüber anderen Nutzern geschützt werden können. Das dargestellte Konfliktfeld bietet den Landwirten in der Region zugleich jedoch eine Chance: Um im Konflikt mit konkurrierenden Nutzungen besser bestehen zu können, müssten sie sich stärker als Unternehmer begreifen und als solche auch wahrgenommen werden. Die Landwirtschaft sollte aus der passiven in eine aktive Rolle gehen: Landwirte müssen unternehmerisch erfolgreich sein, um ihre Existenz zu sichern. Sie unterscheiden sich von anderen Branchen jedoch dadurch, dass der Bezug zu Raum, Boden und Umwelt von entscheidender Bedeutung für die Effizienz und den unternehmerischen Erfolg ihres Handelns ist. Was für die Gunsträume des Ackerbaus gilt, trifft auch für die Grünlandwirtschaft zu. Sie ist – insbesondere im Bergischen Land – rückläufig. Sollte die Landwirtschaft hier noch weiter zurückgedrängt werden, könnte dies mittel- bis langfristig zu einer weitgehenden Aufgabe der Wiesen- und Weidewirtschaft führen und das Gesicht der Landschaft des Bergischen Landes tief greifend verändern. Auf diese Art und Weise würden die offenen Täler und der Wechsel von Wald und Grünland verloren gehen. Auf den Punkt gebracht: Chancen- und Konfliktfelder in der Region Um konkurrenzfähig zu bleiben, intensiviert die Landwirtschaft in vielen Bereichen in ihre Produktivität. Ein Beispiel ist der so genannte „geschützte Anbau“ von Obst und Gemüse unter Folie oder Glas. Die dabei vollzogene Entkopplung von Umwelteinflüssen führt einerseits zu höheren Ernteerträgen pro Fläche, andererseits bringt sie eine artifizielle Bodennutzung und einen höheren Wasserbedarf mit sich. Ein wichtiger Aspekt ist auch die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes durch den geschützten Anbau. Hier könnte es durch das Entstehen „neuer Landschaften“ zu Auswirkungen auf die Freizeitund Erholungsnutzung der entsprechenden Teilräume kommen Landwirtschaft hat in der Vergangenheit stets neue Landschaften geschaffen. Das wird auch in Zukunft so sein. Diese Landschaften müssen eine Lebensbasis sowohl für die Landwirtschaft als auch für die Tier- und Pflanzenwelt der Region bieten. Bei ihrer Ausgestaltung sollten daher die „Spielregeln der Umwelt“ eingehalten werden. In der Region bezieht sich das Konfliktfeld insbesondere auf den Rand des Vorgebirges, es reicht aber auch bis in die Jülicher und Zülpicher Börde sowie in das Drachenfelser und Pleiser Ländchen hinein. Hier stellen zudem mögliche Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes durch Produktionsumstellungen im Obstanbau ein Konfliktpotenzial dar. Zusätzliche Konflikte in der Region sind aufgrund der fortschreitenden Zerschneidung der Landschaft durch Verkehrswege und Energietrassen möglich. Dazu wird regelmäßig landwirtschaftliche Nutzfläche in Anspruch genommen – ein Problem, das vor allem im Umfeld der Städte und im Übergangsbereich von Ballungsraum und Zwischenstadt immer stärker auftritt. In den Freiräumen der Ballungsräume kollidieren zudem auch Interessen von Naherholung und Landwirtschaft. Der Erholungsdruck im Bergischen Land ist hingegen nicht wirklich ein Konfliktfeld. Die skizzierte Entwicklung in der Landwirtschaft geht einher mit einer rückläufigen Wertschätzung der Kulturlandschaft durch die Landwirte selbst und einem mangelnden Bewusstsein der Bevölkerung für die Leistungen der Landwirte bei der Kulturlandschaftspflege. Die Landwirte halten es unter den derzeitigen Marktbedingungen für unzumutbar, die traditionellen Aufgaben der Landschaftspflege weiterhin ohne angemessene Bezahlung durchzuführen. Hierzu Lösungen zu finden könnte eine wesent­ liche Herausforderung für die Zukunft sein. Ein anderes Konfliktfeld betrifft die Waldränder, die zu den artenreichsten Landschaftselementen im Forst gehören. Hier sollte vor allem der Schutzgedanke im Vordergrund stehen. Die Ausweisung geeigneter Pufferzonen ist jedoch häufig mit einem Flächenverlust für andere Nutzungen verbunden. Zugleich waren und sind die Wälder in den letzten Jahren und Jahrzehnten einem immer stärker werdenden Druck ausgesetzt, der vor allem von Siedlungserweiterungen ausgeht. Der Wunsch nach einem Wohnort am Waldrand hat vielerorts zum Verschwinden Konfliktfelder im Themenbereich Forstwirtschaft Die Forstwirtschaft bietet zwar große Chancenfelder für die Metropolregion Köln/Bonn (vgl. Chancenfelder im Themenbereich Forstwirtschaft, Seite 107), zugleich aber Konfliktpotentiale. So kommt es trotz gesetzlicher Regelungen zum Erhalt der Wald- und Forstflächen nach wie vor zum Verlust wertvoller Waldflächen, vor allem durch wachsende Siedlungsbereiche, Infrastrukturmaßnahmen und Bergbau. Diese Verluste lassen sich durch Ersatzaufforstungen nur begrenzt ausgleichen. Dieser Konflikt lässt sich nur durch klare Vorgaben zur Erhaltung der Wälder lösen. Regional tritt das Problem im Ballungsraum Rhein-Sieg, im Vorgebirge, in der Ville und in Teilen des Bergischen Landes auf. Auf den Punkt gebracht: Chancen- und Konfliktfelder in der Region wertvoller Waldbereiche geführt. Aufgrund des zu erwartenden weiteren Wachstums der Region könnte der Druck in einigen Teilräumen noch weiter zunehmen. Doch trotz solcher Probleme verfügt die Metropolregion Köln/Bonn über einen guten Waldbestand. Das bedeutet jedoch nicht, dass keine Waldvermehrung mehr stattfinden sollte. Sie ist in allen Teilräumen wünschenswert, eröffnet aber beispielsweise im Ballungsraum RheinSieg einen Konflikt mit der Nutzung von Freiräumen und Auenlandschaften. Im Bergischen Land drohen Konflikte mit der Grünlandwirtschaft. Hier wie auch in der Börde könnten Maßnahmen der Waldvermehrung zu einer Verfremdung des Kulturlandschaftsbildes führen. Konfliktbeladen sind auch die Nadelforste der Region. Heute gilt ein naturnaher und standortgerechter Mischwald als selbstverständliches Ziel der Forstbehörden und Waldbesitzer. Die Kultivierung von reinen Nadelholzforsten, die zwar sehr ertragreich sind, zugleich aber die Boden- und Gewässerversauerung fördern, führt hingegen zu Problemen. Vorzufinden sind diese vor allem in den Privatwaldbereichen des Bergischen Landes und der Ville. Seit jeher übt der Wald eine große Anziehungskraft auf Erholungssuchende aus. Dabei nimmt der Druck der Freizeitnutzung auf die Wälder der Region zu. Es fehlen bislang sinnvolle Konzepte zur Lenkung und Information der Waldbesucher. Die Folge sind nicht selten Schwierigkeiten in der Bewirtschaftung der Wälder sowie eine Beeinträchtigung ihres ökologischen Werts. Dies beeinträchtigt das Walderlebnis der Erholungssuchenden, die ihrerseits Mitverursacher des Konfliktes sind. Das Konfliktfeld Walderlebnis tritt insbesondere im Ballungsraum RheinSieg sowie in den angrenzenden Waldbereichen von Ville, Königsforst, Kottenforst und Siebengebirge auf. Ein weiteres Konfliktfeld könnte sich ergeben, wenn die stärker auf die Holznutzung ausgerichteten Interessen der Waldbesitzer sowie eine auf Rohstoffversorgung ausgerichtete Holzindustrie den gesellschaftlichen Interessen zum Schutz von Ökosystemen oder den Ansprüchen der Erholungssuchenden entgegenliefen. Als mögliche Konsequenz könnten Schutzgebiete in den Wäldern ausgewiesen werden, mit Beschränkungen der Forstwirtschaft – zum Beispiel durch eine reduzierte Nutzung bei finanzieller Kompensation. Konfliktfelder im Themenbereich Ressourcen Der Umgang mit dem Zukunftsthema Energie und seinen vielen räumlichen und technologischen Facetten wird eine der größten Herausforderungen der Zukunft der Region sein. Dabei eröffnet die Nutzung der Energieressourcen ein großes Konfliktfeld, das sowohl eine gesellschaftliche als auch eine landschaftsästhetische Situation aufweist. Für die Ressourcenlandschaft der urbanen und dicht besiedelten Metropolregion Köln/Bonn liegt eine wesentliche Aufgabe darin, das Thema nicht zu tabuisieren und mögliche Konfliktfelder frühzeitig zu benennen. So könnten diese zu einer Chance werden, sich auch gestalterisch mit entsprechenden Szenarien auseinanderzusetzen und Qualitätsziele zu benennen, wie man die künftigen Herausforderungen in der Region lösen könnte. Das Spektrum reicht vom Umgang mit den Ressourcen- und Produktionsorten – beispielsweise in Form nachvollziehbarer Lern- und Kompetenzstandorte – bis zur konkreten räumlichen Ausgestaltung einer „Zukunftslandschaft Energie“. Dabei ist der Umgang mit Ressourcen stets auch mit einer Gestaltungsaufgabe verknüpft, da jeder Eingriff Landschaft nachhaltig verändert. 117 Konfliktfelder im Themenbereich Freizeit und Erholung Die immer intensivere Nutzung der Landschaft, ihre zunehmende Zerschneidung durch Verkehrswege und Energietrassen sowie der Verlust von Übergängen beeinträchtigen die Landschaftsästhetik und verändern die Wahrnehmung und das Erlebnis von Landschaft und Natur. Dies wird noch verstärkt, da in einer technisierten Welt mehr und mehr gewachsene Landschaftsstrukturen und -silhouetten verloren gehen. Ein Beispiel ist der Verlust von Sichtachsen im Umfeld kultureller Bauwerke und Denkmäler. Die dargestellte Entwicklung bildet ein Hauptkonfliktfeld im Themenbereich Freizeit und Erholung, sie ist in nahezu allen Bereichen der Region sichtbar. Einerseits besteht die Gefahr, dass sich das Bild der gewachsenen Landschaft zunehmend verändert, andererseits nimmt das Interesse der Menschen an inszenierten Erlebniswelten zu, beispielsweise in Freizeitzentren oder -parks. In der Regel handelt es sich dabei um von den Kulturlandschaften losgelöste Kunstwelten, deren Infrastruktur auf große Besucherzahlen ausgerichtet ist. Derartige Zentren werden vor allem dann zu einem Problem, wenn sie zum Verlust des Natur- und Kulturerbes führen und das Bild der Kulturlandschaft tief greifend verändern. Ein großes Konfliktpotenzial gibt es in Teilregionen, die sich für den Wassersport sowie das Wassererlebnis eignen. Wasser übt eine große Anziehungskraft auf Freizeitund Erholungssuchende aus. Es prägt nicht nur einen Erlebnis- und Sportraum, sondern ist zugleich ein Quell der Gesundheit. Die mangelnde Erlebbarkeit des Wassers ist ein wesentliches Konfliktfeld in der Metropolregion Köln/ Bonn. Dafür gibt es mehrere Ursachen, von der nicht mangelnden Wasserqualität bis zu Restriktionen aus Gründen das Wassers- bzw. Trinkwasserschutzes und des Natur- 118 schutzes, zum Beispiel an den Trinkwassertal­sperren des Bergischen Landes oder an der Siegmündung. Vor allem aber gibt es das Konfliktfeld Wassererlebnis in der Rheinschiene sowie in den Abgrabungsgewässern des Ballungsraumes Rhein-Sieg und der Ville. Besucherinformation und Besucherlenkung bilden ein weiteres Problemfeld. Sie stellen wesentliche Voraussetzungen für die landschaftsgerechte Nutzung der regionalen Freizeit- und Erholungsangebote dar und können dazu beitragen, Übernutzungen zu vermeiden. Es fehlen Raumthemen für Freizeit und Erholung. Das könnten so genannte „Eingangspforten“ in die Region sein, die den Freizeit- und Erholungssuchenden einen Zugang zur Kulturlandschaft eröffnen und diese lesbar machen. Das gilt sowohl für die Naherholungsräume im Wohnumfeld des Ballungsraumes als auch für diejenigen im Bergischen Land, im Siebengebirge und am Übergang zur Voreifel. Dort, wo neue Freizeitangebote entstehen, beispielsweise im Gesundheitstourismus oder in Form von ,LernLandschaften’, treten neben einer Vielzahl von Chancen (vgl. Chancenfelder im Themenbereich Freizeit und Erholung, Seite 108) immer auch Risiken auf. Diese sind zum einen ästhetischer Natur, beispielsweise wenn es um die Möblierung oder die „Schönheit“ von Landschaft geht. Zum anderen aber muss es prinzipiell – gerade auch bei neuen Nutzungen – darum gehen, potenzielle Konflikte von Beginn an abzuwägen und die Inanspruchnahme der Kulturlandschaft gegebenenfalls auch einzuschränken. Gerade wenn die Region sich der Ausgestaltung therapeutischer und pädagogischer Landschaften annehmen würde, wäre dies in vielen Fällen zunächst einmal damit verbunden, die Landschaft entsprechend „aufzuräumen“. Dies kann durchaus zu Konflikten mit anderen Nutzungsformen und Interessen führen. Auf den Punkt gebracht: Chancen- und Konfliktfelder in der Region Prinzipiell ist eine nachhaltige Weiterentwicklung der regionalen Angebote für Freizeit und Tourismus jedoch wünschenswert. Gleiches gilt für die Revitalisierung touristischer Orte oder das Erschließen von „Neuen Landschaften“, zum Beispiel in Folge des Braunkohletagebaus. Werden diese Prozesse umwelt- und sozialgerecht vorangetrieben, so können Konflikte vermieden und Chancen für die Region genutzt werden. Konfliktfelder im Themenbereich Rhein Mit keiner anderen Kulturlandschaft der Metropolregion Köln/Bonn sind so viele Bilder verbunden wie mit dem Rhein und seinen Flussauen. So wird er als Rückgrat oder Schaufenster der Region betitelt, oder aber er steht als identitätstiftendes Synonym für die „rheinische“ Kultur und Lebensart. Ein nüchterner Blick auf die ,StadtLandschaft’ am regionalen Rheinabschnitt offenbart jedoch ein anderes Bild: Große Industrieanlagen, Bürobauten, Straßen, Bahntrassen und Wohngebiete mit anspruchs­ loser Architektur sind hier (städtebauliche) Realität. Dabei treten grüne Uferkanten und landschaftlich geprägte ­Räume deutlich hinter großflächig bebauten Arealen ­zurück – sie werden mancherorts zu Resträumen. Ein großes Konfliktfeld ist auch, dass architektonische Höhepunkte entlang des Flusses in einem Meer baulicher Anspruchslosigkeiten untergehen. Vorherrschend sind ausgedehnte Siedlungsbänder ohne Rheinbezug sowie landschaftliche Resträume. Das heterogene Erscheinungsbild der Uferkanten präsentiert sich in großen Teilen in einer unabgestimmten Abfolge baulicher und landschaftlicher Ereignisse. Es fehlt nicht an baulicher Masse, sondern an baulicher Klasse. Ein Konflikt, der allerdings zur Chance werden könnte, wenn der Rhein und seine Uferlagen langfristig wieder zu einem Maßstab regionaler Baukultur würden – architektonisch, stadtplanerisch und landschaftsplanerisch. Beachtet werden sollte dabei, dass die Entwicklung der regionalen ,StadtLandschaft’ auch am Rhein keine sektorale Fachaufgabe, sondern eine Gemeinschaftsaufgabe ist. Sie muss daher die sektoralen Fachplanungen in Einklang bringen, verschiedene Akteursgruppen integrieren und die Menschen wieder an ihren Fluss und die umgebende Kulturlandschaft heranführen. Grundsätze und Ziele des Hochwasserschutzes und die Gestaltung der ,StadtLandschaft’ sollten künftig fachübergreifend diskutiert und abgestimmt werden. Hierzu fehlen bislang allerdings gemeinsame Spielregeln und Grundlagen, die notwendig wären, um den Konflikt zur Chance werden zu lassen. Ein weiteres Konfliktfeld resultiert aus der „Domestizierung“ des Flusses und seiner Nebenarme und Auen. Sie hat dem Rhein eine lineare – scheinbar beherrschbare – Struktur verliehen. In Anbetracht der in Folge des Klimawandels zu erwartenden heftigeren und ­häufigeren Hochwässer stellt sich jedoch die Frage, wie deren Konsequenzen mit wirtschaftlich vertretbaren Mitteln zu bewältigen sein werden. Der Rhein und seine Nebenflüsse werden zeitweise mehr Raum fordern und neue Grenzen setzen. Gleichzeitig werden immer häufiger extreme Gegensätze – zum Beispiel Niedrigwasserstände mit fatalen Auswirkungen auf Flussschifffahrt und Wasser­versorgung – auftreten. So wird der Rhein wieder ­größeren Einfluss auf seine Uferräume und die Siedlungs- und Landschaftsentwicklung nehmen. Das könnte dazu führen, dass künftig weniger flussnaher Raum zur Entwicklung von Siedlung und Gewerbe sowie für Landund Forstwirtschaft verfügbar sein wird. Gleiches gilt für den Bau neuer Infrastrukturen. Entgegenwirken könnte man dieser Entwicklung mit neuen Retentionsflächen, die Auf den Punkt gebracht: Chancen- und Konfliktfelder in der Region zugleich positive Effekte für Ökologie, Freizeit, Erholung und Tourismus hätten. Dennoch dürften zusätzliche Maßnahmen zum Hochwasserschutz unvermeidbar sein. Hier könnten Konflikte vermieden werden, wenn die Maßnahmen baulich integriert und ansprechend gestaltet werden. Vor allem beim Bau neuer Schutzanlagen in Städten sollten mehr nicht nur technische, sondern auch gestalterische Aspekte berücksichtigt werden. Die Retentionsräume in der Landschaft hingegen sollten immer auch für andere Nutzungen zur Verfügung stehen. Hierzu ist eine verstärkte regionale Zusammenarbeit erforderlich. Ein regionaler Konflikt erwächst auch aus der Frage des Freizeitwertes von Uferwegen am Rhein. Hier blieben in der Vergangenheit viele Chancen ungenutzt. Häufig ruft die Gestaltung der Wege Probleme zwischen verschiedenen Nutzergeschwindigkeiten (Radfahrer, Spaziergänger) sowie Erholungssuchenden und dem Naturschutz hervor. Auch hier kann aus dem Konflikt eine Chance für die Region gemacht werden. Viele der dargestellten Konflikte entlang des Rheins können mit dem Fehlen übergeordneter Freiraumkonzepte begründet werden. Das gilt auch für die Ausweisung von Retentionsbereichen, Renaturierungsflächen und ­Arealen zum Ausgleich von Eingriffen. Auf einer regionalen Betrachtungsebene ließen sie sich vielerorts mit übergeordneten Freiraumkonzepten verzahnen – selbst bei auf den ersten Blick verhältnismäßig kleinen Maßnahmen. So könnten zudem wichtige Synergien erschlossen und ein regionales Freiraumnetz etabliert werden. Voraussetzung wäre die Erarbeitung einer gemeinsamen Handlungsperspektive. Nicht immer jedoch können Freiräume problemlos genutzt werden. Einschränkend wirken beispielsweise Auflagen zum Schutz der Flora und Fauna, die vor allem dort für Konflikte sorgen, wo sie mit anderen Nutzungsinteressen kollidieren. Gerade in verdichteten Ballungsräumen wie weiten Teilen der Metropolregion Köln/Bonn muss eine Mehrdimensionalität der Nutzungsansprüche in Bezug auf Naherholung, Natur- und Wasserschutz gewährleistet sein. Davon ausgehend müssen Retentionsräume sich zu einer regionalen Erholungslandschaft entwickeln. Bleibt der Zugang zum Fluss. Dieser ist an vielen ­Stellen der Region nicht mehr vorhanden oder gestalterisch diffus, andernorts fehlen geeignete Leitsysteme. Vor allem in Siedlungsbereichen ist die bauliche Orientierung zum Fluss meist nur wenig ausgeprägt, viele Gebäude wenden dem Rhein sogar ihre Rückseite zu. Hinzu kommt, dass auch die Potenziale von Fähranlegern als wichtige Zugänge und Orte am Fluss stärker ausgeschöpft werden könnten. Besonders problematisch sind trennende Infrastrukturtrassen zwischen Siedlungen und Rheinufer – gerade hier gilt es, über neue Lösungen nachzudenken. 119 120 Kapitelbezeichnung Leitlinien für die Gestaltung der Region: eine Zusammenschau der Herausforderungen und Qualitätsziele Die Zukunft des Lebensraumes ‚StadtLandschaft’ in der Metropolregion Köln/Bonn wird wesentlich davon abhängen, wie es der Region und ihren Akteure gelingt, die sich stellenden gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, kulturellen und ökologischen Herausforderungen vor dem Hintergrund eines tief greifenden demografischen Wandels zu bewältigen. Von entscheidender Bedeutung für den Erfolg sind die selbst gesetzten Qualitätsziele zur künftigen Entwicklung der Kulturlandschaften in der Metropolregion Köln/ Bonn. Die folgende sektorübergreifende Zusammenschau komprimiert die zuvor bereits formulierten Herausforderungen und Qualitätsziele der einzelnen Fachbeiträge und die diskutierten Chancen- und Konfliktfelder in der Region. Sie fasst diese in Form von Thesen beziehungsweise Leitlinien zur Gestaltung der Region zusammen. Sie dienen den Projekten als Grundlage für die Formulierung ihrer spezifischen Leitbilder und Ziele und sollten auch in die formellen (gesetzlichen) Planungsvorhaben – zum ­Beispiel die Landesentwicklungsplanung – sowie die Regio­nal- oder Ortsplanungen einfließen. Prinzipiell gilt: Stärker als je zuvor braucht Lebensqualität in der neuen Wissens- und Technologiegesellschaft eine intakte und gesunde Umwelt. Die Standortqualitäten in der ‚StadtLandschaft’ der Metropolregion Köln/Bonn werden daher zukünftig insbesondere davon abhängen, wie die verschiedenen Nutzungsinteressen im Sinne einer nachhaltig gesicherten Umweltqualität in der Region gemanagt werden und wie städtische und ländliche Freiräume entlang und im Umfeld des Rheins als eigenständiges Merkmal der Metropolregion erhalten und miteinander vernetzt werden können. Die zentrale Herausforderung ‚StadtLandschaft’ und Qualitätsziele zur Siedlungsentwicklung Es ist eine zentrale Herausforderung für die Zukunft der Metropolregion Köln/Bonn, die Entwicklung und Gestaltung von Stadt, Umland und freier Landschaft (‚StadtLandschaft’) im Rahmen des Kulturlandschaftsnetzwerkes umzusetzen. Nur so können Freiraum, Zwischenstadt und Siedlungsränder im Sinne einer zukunftsorientierten Raumordnung definiert und in sektorale Planungen integriert werden. Ein wesentlicher Unterschied zur klassischen Stadt- und Regionalplanung besteht darin, dass die raumgestaltenden Akteure dieses Ziel als gemeinsamen Rahmen formulieren und über konkrete Maßnahmen realisieren. Die vorrangigen zentralen Qualitätsziele zur Siedlungsentwicklung können wie folgt zusammengefasst werden: • Landschaft im Zusammenhang entwickeln und eine originäre, vielgestaltige und Identität stiftende ‚Stadtlandschaft’ am Rhein aktiv gestalten; • das Netzwerk der Kulturlandschaften der Metropolregion Köln/Bonn als eigenständiges Gerüst für die künftige Raumentwicklung in Stadt und Land begreifen und realisieren; • Anforderungen und Ziele für die abgegrenzten Wachstums- und Stabilisierungszonen der Siedlungsentwicklung in der Rheinschiene zwischen Bonn und Lever­ kusen definieren und umsetzen; • Stadtränder insbesondere im Raum Bonn und Köln von Wucherungen und Verkrustungen befreien, neu entstehende Spielräume in ländlichen Bereichen im Sinne einer raumtypischen Landschaftsgestaltung nutzen; • Erlebbare Freiraumverbindungen und -netze sowie Anbindungen zwischen der freien Landschaft und den Stadträumen von Köln und Bonn schaffen; 121 • ein interkommunales und auf die städtischen wie ländlichen Kulturlandschaften bezogenes Flächenmanagement der Metropolregion Köln/Bonn einrichten; • gemeinsame, Identität stiftende Planungs- und Entwicklungsansätze in allen Kommunen und Kreisen der Region fördern. Ökologisch-kulturelle Herausforderungen und ­Qualitätsziele Die ökologisch-kulturellen Herausforderungen und Qualitätsziele der Region konzentrieren sich auf den Umgang mit dem natürlichen und kulturellen Erbe sowie mit Wasser und Klima. Dabei sind vor allem Anpassungsstrategien und Aktivitäten in Hinblick auf den Klimawandel ein „Muss“. Im Einzelnen sollten hier folgende Aspekte berücksichtigt werden: Wasser: Wasser ist als Ganzheit (Grund- und Oberflächenwasser) der Landschaften zu erkennen und zusammenhängend im Sinne der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (EU-WRRL) in hoher Qualität zu sichern. Inhaltlich geht es um ein gesundes Netz aller Grundwasserkörper und Oberflächengewässer sowie um ihren Schutz, ihre Wertschätzung und Inwertsetzung. Ausgehend vom Grundwasser reicht dies über Bach- und Flusstäler mit den wasserwirtschaftlich wichtigen Teilen ihrer Auen bis hin zu künstlichen Wasserkörpern wie Talsperren, Teichen und Kanälen. Ein weiteres wichtiges Ziel sollte es sein, eine höhere Sensibilität im Umgang mit Trinkwasser und seinen Ressourcen zu erzeugen. Die vorrangigen Qualitätsziele können wie folgt zusammengefasst werden: • Auen- und Bachtäler – vor allem im Bergischen Land aber auch im Ballungsraum bis hinein in die Stadt­ 122 zentren – renaturieren beziehungsweise vitalisieren oder reaktivieren; • die Durchgängigkeit aller Fließgewässer erhöhen und die Gewässer als Achsen des für die Region typischen Netzwerks der Kulturlandschaften gestalten – dabei sollten sie als Matrix der Raumentwicklung begriffen und genutzt werden; • Quellgebiete in der gesamten Region prioritär in einen guten Zustand versetzen; • Trinkwassertalsperren im Bergischen Land und andere Gebiete der Trinkwassergewinnung – zum Beispiel an den Rheinufern – nachhaltig schützen; • die Vielfalt der Gewässer in Stadt und Land erhalten und durch die Schaffung neuer Zugänge besser erlebbar machen; • die Funktion der Gewässer vom Stadtgewässer bis zum Rhein als Orte der Gesundheit und Erholung stärken; • das regionale Wasser-Wissen verbessern; • den nachhaltigen Umgang mit Wasser zur täglichen Aufgabe machen. Natur- und Kulturerbe: Eine große Bedeutung kommt auch einem verantwortungsvollen Umgang mit dem Natur- und Kulturerbe zu. Vorrangige Herausforderung bei der Bewahrung des Naturerbes ist es, den weiteren Verlust an Biodiversität aufzuhalten. Dazu müssen Schutzgebiete besser vernetzt und abgepuffert sowie die naturräumliche Differenzierung der Landschaften gepflegt werden. Bezüglich des Kulturerbes hingegen muss es das Hauptziel der regionalen Akteure sein, den kulturellen Nivellierungen der Landschaften entgegenzutreten, um die Identitäten von Landschaft und Region zu wahren. Dabei sollte die Sicherung des Naturerbes über einen Biotop- und Kulturlandschaftsverbund in einem Netzwerk der Kulturlandschaften mit der des Kulturerbes verknüpft werden. Leitlinien für die Gestaltung der Region: eine Zusammenschau der Herausforderungen und Qualitätsziele Die vorrangigen Qualitätsziele können wie folgt zusammengefasst werden: dende Rolle kommt dabei dem bewussten Umgang mit dem Stadtklima und den Faktoren, die dieses beeinflussen, zu. • den international und national bedeutsamen Biotop­ verbund im Umland von Köln und Bonn enger ­verknüpfen und vollenden („Grüner Kranz“); • regionale Biotopverbundsysteme in Verbindung mit Freiraumnetzen und -korridoren in Stadt- und ­Ackerlandschaften anlegen (auch in der Börde); • mit der „Grünen Metropolregion Köln/Bonn“ ein ­europäisches Planungsvorbild zur Umsetzung der ­Euro­päischen Landschaftskonvention schaffen; • die hohe Wertigkeit von Naturschutzgebieten – auch im urbanen und suburbanen Raum der ‚StadtLandschaft’ Köln/Bonn – ins Bewusstsein rufen; • das nationale Naturerbe in der Wahner Heide als ­besonderes Prädikat für die Region nutzen; • herausragende Elemente und Strukturen des kulturellen Erbes der Landschaften – zum Beispiel die Wassermühlen des Bergischen Landes – erhalten und unter nutzenden Aspekten weiter entwickeln; • Identität stiftende Bilder und Silhouetten der Kulturlandschaften in der Region erkennen und profilieren; • charakteristische Sichtachsen der Landschaften – ­insbesondere im Umfeld von bedeutsamen Kulturdenkmälern wie den Brühler Schlössern und den Bauwerken auf dem Drachenfels – bewahren; • strukturbezogene Nutzungen der Kulturlandschaften (zum Beispiel Ackerbau in der Börde oder Grünlandlandwirtschaft) und des kulturellen Erbes (zum Beispiel Wassermühlen) fördern und entwickeln. Die vorrangigen Qualitätsziele für den Masterplan können wie folgt zusammengefasst werden: Klima: Die Herausforderung des Klimawandels zu bewältigen und Strategien zu entwickeln, um dessen mögliche Folgen zu mindern, ist eine der großen Aufgaben für die Zukunft – nicht nur in der Metropolregion Köln/Bonn. Eine entschei- • Maßnahmen zur Entsiegelung von Flächen und zur ­Wasserversickerung im städtischen Bereich der ­‚StadtLandschaft’ Köln/Bonn realisieren; • Freiraumkorridore insbesondere in den Städten Köln und Bonn und entlang des Rheins als Durchlüftungsschneisen erhalten; • den Ausstoß von Kohlendioxid vermindern, zum Beispiel durch weniger Autoverkehr für Freizeit und Erholung und den Ausbau des Nahverkehrsnetzes; • in Land-, Forst- und Wasserwirtschaft nachhaltige, ­sozial- und umweltverträgliche Strategien entwickeln, die mögliche Nachteile des Klimawandels reduzieren und potenzielle Schäden vermeiden helfen – beispielsweise durch umweltbezogene Landwirtschaft, Wald­ vermehrung und Anlagen zur Wasserretention). Ökologisch-ökonomische Herausforderungen und ­Qualitätsziele Strategien und Maßnahmen zum Erhalt und zur Weiterentwicklung der land- und forstwirtschaftlichen Produktion sowie der künftige Umgang mit den vorhandenen Ressourcen bestimmen die ökologisch-ökonomischen Herausforderungen und Qualitätsziele in der Metropol­ region Köln/Bonn. In diesem Zusammenhang kommt auch der Ausgestaltung einer „Zukunftslandschaft Energie“ in der Region große Bedeutung zu. Land- und Forstwirtschaft: Der Verlust von landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Flächen muss vor Leitlinien für die Gestaltung der Region: eine Zusammenschau der Herausforderungen und Qualitätsziele allem im Ballungsraum Rhein-Sieg aufgehalten werden. Dies könnte zum Beispiel erreicht werden, indem der Landwirtschaft in Freiräumen außerhalb der abgegrenzten „allgemeinen Siedlungsbereiche im Abgleich mit anderen Nutzungsformen und Bedürfnissen wie zum Beispiel der Schutz- und Erholungsfunktion von Landschaft ein Vorrang eingeräumt wird. Ländlicher Freiraum im Ballungsraum und in der freien Landschaft ist ­Lebensund Arbeitsraum des Menschen. Hier geht es auch darum, eine weitere Versiegelung hochwertiger Böden zu verhindern. Gleichermaßen muss der Verlust der natürlichen Ressource Wald unterbunden werden. Wälder sollten großflächig, zusammenhängend und in ­mulitfunktionaler Form erhalten bleiben. Wo es möglich ist, könnte die ohne­hin starke regionale Position der Wald- und Forstwirtschaft durch eine landschaftsgerecht gesteuerte Waldvermehrung noch verbessert werden. Zudem sollte es ein Ziel sein, die regionalen Kompetenzen von Landund Forstwirtschaft bei der Energiegewinnung zu nutzen. • nachwachsende Rohstoffe zur Energiegewinnung ­landschaftsverträglich fördern. Die vorrangigen Qualitätsziele können wie folgt zusammengefasst werden: Die vorrangigen Qualitätsziele können wie folgt zusammengefasst werden: • landwirtschaftliche Flächen in den Freiraumkorridoren des Netzwerks der Kulturlandschaften der Region erhalten; • städtische Freiräume von ländlichen Freiräumen ­unterscheiden und sie in ihrer künftigen Gestaltung entsprechend ihrer Nutzungsansprüche und Charak­ teristika weiter entwickeln; • Landwirte als Landschaftsgestalter und Landschaftspfleger fördern • Waldinseln und -brücken im Umfeld der Städte Köln und Bonn vermehren; • städtische Parkanlagen und Grüngürtel an Wälder anbinden; • die Energiegewinnung aus Sonne, Wind, Wasser, ­Geothermie und Biomasse an landschaftsverträglichen Standorten fördern; • ehemalige Braunkohleflächen zu einer „terra nova“ mit neuen Rekultivierungslandschaften entwickeln („Energielandschaft der Zukunft“); • einen Gestaltungsansatz realisieren, der ein organi­ siertes Nebeneinander von Ressourcennutzung und Naherholung auf Rekultivierungsflächen ermöglicht; • eine Ausrichtung der Ressourcenlandschaften im Sinne der Zugänglichkeit von ,Lernlandschaften’ gewähr­ leisten – Produktionsorte und die sie umgebende Landschaft sollten bereits während der laufenden Aktivitäten Ressourcenlandschaft: Ein wesentlicher Aspekt bei der Entwicklung der Kulturlandschaften ist die nachhaltige Sicherung der natürlichen Ressourcen. In der dicht besiedelten Metropolregion Köln/Bonn spielen neben den Ressourcen Wasser und Klima auch energetische und nicht energetische Bodenschätze eine wichtige Rolle. Zudem müssen ehemalige Ressourcenlandschaften in das Kulturlandschaftsnetzwerk integriert und die Potenziale der Landschaft für neue, regenerative Energien erforscht und erschlossen werden. Auch die Auseinandersetzung mit der Frage, wie die Region den Stoffwechsel einer modernen Abfallwirtschaft zwischen Gesellschaft und Natur gestaltet, ist von Bedeutung. Übergeordnetes Qualitätsziel ist eine gleichermaßen produktive wie attraktive Ressourcenlandschaft, die innerhalb der ‚StadtLandschaft’ lebensnotwendige Güter zur Verfügung stellt und Lebensräume mit Aufenthalts- und Lernqualitäten schafft. 123 als Gestaltungsaufgabe begriffen werden; • Technologiewissen zu Kraftanlagen in der Region halten – beispielsweise das Know-how der Energieindustrie im Rheinischen Braunkohlerevier, im Vorgebirge und am Rhein. Soziale Herausforderungen und Qualitätsziele Die sozialen Herausforderungen und Qualitätsziele fokussieren sich hier auf das Thema Freizeit und Erholung, das auch in Zukunft ein wichtiges Thema für die Region sein wird. Neben einer Stärkung und Revitalisierung vorhandener Angebote sollte dabei auch eine Suche nach „neuen Wegen“ betrieben werden. Freizeit und Erholung: Im Rahmen der Herausforderungen und Qualitätsziele zur Entwicklung der Kulturlandschaften ist sowohl eine medizinisch-soziale als auch eine wirtschaftliche Komponente von Freizeit und Erholung relevant. Entlang von Querschnittsthemen und Trends wie dem Ausbau der Freizeit und Erholung vor Ort – wobei die Barrierefreiheit für Menschen mit Handicaps eine besondere Beachtung finden muss – sowie der Entwicklung therapeutischer und pädagogischer Funktionen von Landschaften (,LernLandschaften’) sollten hier neue Wege beschritten werden. Zugleich ermöglichen ein Ausbau des Stadtgrüns und eine Vernetzung der regionalen Freiräume neue Landschaftserlebnisse. Eine besondere Situation stellen die Öffnung und der „Umbau“ der Landschaften im Rheinischen Braunkohlerevier dar. Insgesamt gesehen wird der Wirtschaftsfaktor Tourismus in der Region künftig mit einem wachsenden Stadttourismus in der Kulturschiene am Rhein zwischen Köln und Bonn an Bedeutung gewinnen. In diesem Zusammenhang liegt eine besondere Herausforderung darin, den Rhein als Rückgrat der ­Region auch im touristischen Sinne klarer zu profilieren. 124 Die vorrangigen Qualitätsziele können wie folgt zusammengefasst werden: • innerstädtische Grünflächen für unmittelbare Freizeit und Erholung vergrößern und miteinander vernetzen – vor allem in den Städten Leverkusen, Köln und Bonn („Stadtgrün“); • die therapeutischen und pädagogischen Funktionen der verschiedenen Kulturlandschaften der Metropolregion Köln/Bonn erkennen und entwickeln – zum Beispiel durch eine Ausgestaltung in Form von ,LernLandschaften’; • neue Räume für Freizeit und Erholung schaffen ­sowie den Erholungswert landwirtschafltich ­genutzter ­Bereiche vom Bergischen Land bis zur Börde und ­ehemaliger Industrielandschaften – erschließen; • Rad- und Wanderwege in den Kulturlandschaften ­vernetzen; • Sportmöglichkeiten im Freiraum der ‚StadtLandschaft’ ausbauen und unterstützen – wie zum Beispiel in ­Leverkusen; • den Stadttourismus durch die Erlebbarkeit des kultu­ rellen Erbes stärker fördern und neue Zugänge zum Rhein als Ziel für Tourismus und Naherholung schaffen. Herausforderungen und Qualitätsziele zum ­Querschnittsthema Rhein Auch der Umgang mit dem Rhein stellt die Metropolregion Köln/Bonn vor eine zentrale Herausforderung. Es muss eines der prioritären Ziele der Region sein, ihre ambi­ valente Haltung zum Fluss zu überwinden und diesen mit seinen verschiedenen Stromlagen wiederzuentdecken. Dabei muss der Rhein als Rückgrat der Region stärker als bislang in das Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger zurückkehren und dort verankert werden. Der Klimawandel und andere globale Prozesse bedingen einen Perspek- Leitlinien für die Gestaltung der Region: eine Zusammenschau der Herausforderungen und Qualitätsziele tivwechsel in der räumlichen Planung von Flusslandschaften. So wird es in Zukunft vor allem um eine integrierte, ganzheitliche Betrachtung von Siedlung und Landschaft gehen. Vor diesem Hintergrund müssen Gestalt und Gesicht des Rheins gerade in dieser Region eine durchgängig hohe Qualität des Planens und Bauens erhalten. Die vorrangigen Qualitätsziele können wie folgt zusammengefasst werden: • ein regional abgestimmtes Planungs- und Gestaltungsverständnis zur langfristigen Sicherung und Inwertsetzung der Flusslandschaft Rhein über kommunale Grenzen hinweg entwickeln; • den Fluss als gestalterische Leitlinie für eine zukunftsfähige Siedlungsentwicklung stärken • eine Kommunikations- und Kooperationskultur zum Thema „Rhein“ als Grundlage eines regionalen und sektorübergreifenden Zuständigkeits- und Zusammengehörigkeitsgefühls schaffen; • dem Rhein mit neuen Stromlagen mehr Raum zur ­Entfaltung geben sowie die Zugänge zum Strom und seinen Ufern verbessern – mehr Hochwasserrück­ halteflächen schaffen; • die rheinische Flusslandschaft als Schwerpunktraum regionaler Strategien zur Klimaanpassung auffassen und entwickeln; • den Rhein als Tourismusmagnet und Gesundheitslandschaft für die Bevölkerung stärken und ihm neue Impulse geben. Zukunft gemeinsam gestalten: Versuch einer themenübergreifenden Zusammenfassung Versucht man die verschiedenen Qualitätsziele für die Metropolregion Köln/Bonn zusammenzufassen, so geht es vor allem darum, die Landschaft im Zusammenhang zu sehen und zugleich eine attraktive ,StadtLandschaft’ zu schaffen. Es darf keinen urbanen „Einheitsbrei“ geben, der das Gesicht der ‚StadtLandschaft’ zerstört. Vielmehr muss die Kulturlandschaft vielgestaltig bleiben und ihre verschiedenen Identitäten bewahren. Um zukünftig eine verkrustete Trennung zwischen Stadt und Landschaft zu vermeiden, sollte ein Ineinanderflechten der Räume und ihrer Funktionen unterstützt werden. Dabei können einzelne Nutzungen innerhalb der Räume klar voneinander abgegrenzt sein. Eine besondere Rolle kommt dem Rhein als Rückgrat und Klammer der Region zu. Hier sollten sowohl eine neue Haltung als auch neue Zugänge zum Fluss etabliert werden. Die Uferlagen des Flusses müssen unter Berücksichtigung der landschaftlichen Anforderungen im Sinne einer qualitätvollen regionalen Baukultur aufgewertet werden. Der ,masterplan :grün’ verfolgt vor allem die Intention, der Region ein landschaftsstrukturierendes „Gesicht“ als Rahmen für die künftige Entwicklung der „grünen Metropolregion“ zu geben. Zugleich will er die besonderen Qualitäten innerhalb des vielfältigen regionalen Angebotes herausarbeiten und stärken. Als regionaler Prototyp zur Umsetzung setzt er die Idee und die Ziele einer Landschaftskonvention erstmals auf der Ebene einer euro­ päischen Metropolregion um. Wenn die Landschaften der Region als wesentliche Komponente der Lebensqualität und Ausdruck der kulturellen und natürlichen Vielfalt allgemein anerkannt werden, gewinnen sie nicht nur ästhetisch, sondern auch als Standortfaktor und in ihrer Bedeutung für die Naherholung an Gewicht. Land- und Forstwirtschaft sollten bei der Gestaltung von Landschaft als Lebensraum eine aktive Rolle einnehmen. Durch den Erhalt und eine bessere Erlebbar- Leitlinien für die Gestaltung der Region: eine Zusammenschau der Herausforderungen und Qualitätsziele keit des Naturerbes und des kulturellen Erbes der Region können diese stärker ins Bewusstsein der hier lebenden und wirtschaftenden Menschen rücken. Das würde die Auseinandersetzung mit der eigenen Heimat fördern und eine Sensibilisierung für die Herausforderungen der Zukunft schaffen. Eine zentrale Herausforderung liegt auch darin, die Metropolregion Köln/Bonn als kulturelle Drehscheibe von europäischer Dimension weiter zu etablieren. Darüber hinaus bedarf es nachhaltiger Strategien zur Bewältigung gesellschaftlicher Entwicklungen wie des demographischen Wandels und des Klimawandels. Eine besondere Aufgabe wird es sein, die Region im Sinne einer „Energielandschaft der Zukunft“ weiterzuentwickeln und innovative Konzepte zur Gestaltung aktiver Produk­ tionslandschaften zu entwickeln. All dies kann jedoch nur erfolgreich sein, wenn es von entsprechenden Strukturen der regionalen Zusammenarbeit getragen wird. Dann kann das, was sich Akteure aus der Region mit dem Masterplan selbst auf die Fahnen geschrieben haben, zum Leitbild der künftigen Entwicklung in der Metropolregion Köln/Bonn werden: Zukunft gemeinsam gestalten. 125 126 Kapitelbezeichnung Innovation und Qualität als Marke: Das Zusammenspiel von informeller und formeller Planung Eine Vielzahl von raumbezogenen Projekten und thematischen Impulsprojekten, insbesondere im Rahmen der Regionale 2010, zeigt bereits heute, wie die Akteure der Metropolregion Köln/Bonn ihren Raum gemeinsam gestalten und die Idee einer Infrastruktur der Zukunft praktisch umsetzen und erlebbar machen. Dabei gibt es verschiedene Gestaltungsebenen der Arbeitsbereiche der Regionale 2010, auf denen diese Zukunftsgestaltung abläuft und sichtbar wird: die Arbeitsbereiche :stadt, :grün, :rhein, :kulturelles Erbe und :gärten der technik. Daneben stehen so genannte :impulse für den Standort , die übergreifend und ohne einen bestimmten Raumbezug die Themen :nachwuchs, :wissenschaft, :mobilität und :standort aufgreifen. In diesem Kontext fokussiert sich der ‚masterplan :grün’ auf die Arbeitsbereiche :grün und :kulturelles Erbe. Er weist jedoch Schnittstellen zu :stadt, :rhein und :gärten der technik auf und entfaltet längst auch weit über die eigentliche Regionale 2010 hinaus auf Projekte und Maßnahmen der Kommunen, die beispielhaft zur Idee und den Zielen der Masterplanung beitragen, seine Wirkung in der Metropolregion Köln/Bonn. Rhein, ­Seite 96). Die raumwirksamen Projekte decken das ­gesamte Gebiet der Metropolregion Köln/Bonn ab. Während im Arbeitsbereich :stadt die städtebaulichen Zukunftsthemen der Region exemplarisch anhand von (sieben) modellhaften Schwerpunktprojekten diskutiert werden, widmen sich die :gärten der technik ausgewählten Forschungs- und Produktionsstandorten der Region, die den gesellschaftlichen Umgang mit Natur thematisieren und ihre „Übersetzung“ in Industrien und der wirtschaftlichen Entwicklung des Rheinlands sichtbar machen. Der Arbeitsbereich stellt einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der Entwicklung von Natur- und Kulturlandschaft in der Region dar. Dem Arbeitsbereich :rhein hingegen kommt eine Querschnittsfunktion zu, indem diese den Rhein begleitenden Projekte mit den Themen der anderen Arbeitsbereiche verzahnt sind (vgl. Fachbeitrag Um sich im nationalen wie vor allem auch internationalen Vergleich positionieren und durchsetzen zu können, werden Regionen sich in Zukunft immer stärker selbst qualitative Ziele stecken müssen. So treffen sie zugleich eine Aussage darüber, wohin sie sich in diesem Wettbewerb entwickeln wollen. Mit dem ,masterplan :grün’ hat sich die Metropolregion Köln/Bonn eine nachhaltigen Strategie nach dem Vorbild einer regionalen Landschaftskonvention gegeben. Diese verpflichtet sie insbesondere zur Entwicklung einer ‚StadtLandschaft’ – sie ist in diesem Sinne zukunftweisend. Ihr Ziel sollte es sein, sowohl die politische Diskussion qualitativ zu beeinflussen als auch Impulse zu einer qualitativen Ausformulierung einzelner Planungen in dieser ‚StadtLandschaft“ zu geben. Den Nukleus der Masterplanung bilden jedoch die Projekte, die sich auf die so genannte „blau-grüne Infrastruktur“ der Region beziehen und eine räumliche und ökologische Leitlinie für die Infrastruktur der Zukunft formen. Dabei entwickeln sie sich in den wertvollen Kulturlandschaftsbereichen, den Gewässernetzen, entlang des Rheins und seiner Nebenflüsse sowie in den unterschiedlichen Freiraumkorridoren insbesondere im urbanen und suburbanen Bereich. Schon dies verdeutlicht, wie eng die Projekte sich am Kulturlandschaftsnetzwerk des ,masterplan :grün’ orientieren (siehe Karte Kulturlandschaftsnetzwerk mit Projekten), der zugleich die Grundlage ihrer Qualifizierung darstellt. Die Projekte des :kulturellen erbes stehen oft in einem engen inhaltlichen und räumlichen Bezug zu den :grün-Projekten. Sie leisten neben ihrem strukturfördernden Impuls für die Region im Bereich der städtebaulichen und landschaftlichen Entwicklung einen substanziellen Beitrag zum Kulturlandschaftsnetzwerk der Region. 127 So gesehen könnte das vorliegende Kulturlandschaftsnetzwerk Metropolregion Köln/Bonn zu einer QualitätsGrundlage für die räumliche Planung in der Region und in Europa werden. Es ist eng mit der Herausforderung verbunden, bestehende Landschafts- und Freiräume der ‚StadtLandschaft’ zu bewahren, zu verknüpfen und weiterzuentwickeln und so die Vielgestaltigkeit der verschiedenen Räume in dieser Landschaft sowie deren Identitäten zu fördern und erhalten. Der Auftrag zur Sicherung und Verbesserung von Qualitäten der regionalen Kulturlandschaften ist jedoch nicht nur auf die im Masterplan beschriebenen wertvollen Kulturlandschaftsbereiche, Landschaftskorridore und -netze begrenzt – er bezieht sich auf alle Teilräume der Metropolregion. Deren Vernetzung durch Freiraum-, Wald- und Gewässerkorridore kommt daher eine große Bedeutung zu. Eine solch umfassende Aufgabe kann nur erfolgreich verwirklicht werden, wenn sich nicht nur die kommunalen Gebietskörperschaften und Institutionen der Region, die wesentlich an der Erarbeitung des Kulturlandschaftsnetzwerkes beteiligt waren, zu ihrer aktiven Umsetzung verpflichten. Die Aufforderung zur Entwicklung der Kulturlandschaften muss vielmehr für alle landschaftsgestaltenden und raumnutzenden Akteure der Region gelten. Dabei sollte zwischen den gestalterischen Projekten und Maßnahmen zur aktiven Verbesserung und Weiterentwicklung der Landschaften im Kulturlandschaftsnetzwerk vor Ort und deren planungsrechtlicher Sicherung unterschieden werden. Für den umsetzungsbezogenen Aufgabenbereich kommt zunächst insbesondere den beteiligten Kommunen und Kreisen sowie der Metropolregion Köln/ Bonn und damit dem Land Nordrhein-Westfalen eine maßgebliche Rolle zu. Die Projekte, die gemeinsam ent- 128 wickelt wurden und nun umgesetzt werden, sind wichtige Impulsgeber für die Schaffung neuer Qualitäten in den Landschaften der Region. Dauerhaft kann die Entwicklung des Kulturlandschaftsnetzwerkes zu einer ­nachhaltigen Infrastruktur allerdings nur gelingen, wenn sich alle landschaftsgestaltenden Nutzer auch in Zukunft mit ihren Aktivitäten und Projekten den Qualitätsanforderungen des ‚masterplan :grün’ verpflichten. Neben den klassischen Raumnutzungen des Siedlungsbaus und der Verkehrsinfrastruktur sind in diesem Kontext auch die umweltbezogenen Fachplanungen von Natur und Landschaft – zum Beispiel über Kompensationsmaßnahmen – sowie die Sicherung der Ressourcen Boden, Luft und Wasser einzubeziehen. Maßgebliche Grundlage für die Entwicklung einer vielgestaltigen ‚StadtLandschaft’ in einem raumübergreifenden Kulturlandschaftsnetzwerk ist die planungsrechtliche Siche­rung des Netzwerkes und der umgebenden Landschaften. Das trifft insbesondere auf die Freiraumkorridore und -netze zu. Sie müssen vor Nutzungen geschützt werden, die den festgelegten Zielen widersprechen. Dazu bietet das bestehende Planungs- und Rechtssystem in Nordrhein-Westfalen ein umfangreiches I­ nstrumentarium. Die Aktivitäten, die den Raum beeinflussen, werden dabei nicht nur über die raumbezogenen Fachplanungen gesteuert. Sie sind über die Selbstverpflichtungen der beteiligten Kommunen bereits in die raumbezogenen ­Gesamtplanungen der Bauleitplanung und damit auch der Regionalplanung integriert. Die Kommunen und Landkreise der Metropolregion Köln/ Bonn haben sich darauf verständigt, den Masterplan und 90 Innovation und Qualität als Marke: Das Zusammenspiel von informeller und formeller Planung somit auch die Herausforderungen und Qualitätsziele des Kulturlandschaftsnetzwerkes in ihren Planungen zu berücksichtigen. Dies stellt sicher, dass die räumliche und bauliche Entwicklung der Kommunen den Raum­ ansprüchen der Landschaften mit ihren wertvollen Kulturlandschafts- und Gewässereinzugsbereichen sowie Auen-, Wald- und Freiraumkorridoren beziehungsweise -netzen nicht entgegensteht. Ein Faktum gilt grundsätzlich auch für den formellen Regionalplan Köln, Teilbereich Region Köln: Im Sinne des Gegenstromprinzips werden hier die räumlichen Ansprüche der kommunalen und fachbezogenen Planungen koordiniert und berücksichtigt. Im Rahmen der nächsten anstehenden Gesamtüberarbeitung des Regionalplans Köln werden die Zielsetzungen des informellen Kulturlandschaftsnetzwerkes als Fachbeitrag einfließen. Auch der neue Landesentwicklungsplan NRW 2025 wird den ­Erhalt und die Entwicklung von Kulturlandschaften im Sinne des ‚masterplan :grün’ und der eingangs formu­lierten regionalen Landschaftskonvention als Ziel formulieren. Daraus wiederum ergibt sich ein Handlungsauftrag an die formelle Regionalplanung. All das macht deutlich: Die Raumordnung wird die Belange der Kulturlandschaft zukünftig verstärkt berücksichtigen. Entsprechend der Idee des ,masterplan :grün’ sollte es den Akteuren in der Metropolregion Köln/Bonn dabei um eine Abstimmung und Verzahnung von informeller und formeller Planung sowie um die Nutzung der auftretenden Synergieeffekte gehen. Der Masterplan kann und darf nicht zum Teil der formellen Planung werden. Er muss sich vielmehr die Freiheit erhalten, eine Qualitätsnorm additiver Art zu sein, die letzten Endes sowohl handlungsleitend als in gewissem Sinne auch planungsleitend ist. Dies ist so zu verstehen, dass sie die Planung der einzelnen Kommunen inhaltlich beeinflussen und im Sinne des gemeinsamen Ganzen „steuern“ sollte. Kommen wir abschließend noch einmal auf die Europäische Landschaftskonvention zurück: Ausgehend von ihren Inhalten hat die Ministerkonferenz Raumordnung im Jahr 2006 ein Leitbild „Ressourcen bewahren, Kulturlandschaften gestalten“ erarbeitet90, das bereits im neuen Raumordnungsgesetz 2008 berücksichtigt worden ist. Die Sicherung und der Aufbau des Kulturlandschaftsnetzwerkes in der Metropolregion Köln/Bonn stimmen demnach mit den aktuellen inhaltlichen Entwicklungen der Raumordnung und Landesplanung überein. Der Masterplan einschließlich seiner Fachbeiträge soll vor diesem Hintergrund in den nächsten Jahren kontinuierlich und dynamisch fortgeschrieben werden. Dabei werden weitere raumrelevante Fachthemen aufgegriffen und der Rhein-Kreis Neuss mit einbezogen. Dabei werden aktuelle Frage- und Problemstellungen in der Region stets einbezogen. Ziel ist es unter anderem, die Diskussion über die kommunalen Planungen – beispielsweise Flächennutzungs- oder Landschaftspläne – qualitativ zu befördern und darüber ein schlüssiges und dynamisches Gesamtbild für die Region zu erhalten. Hierbei spielt die Kommunikation der raumgestaltenden Akteure eine zentrale Rolle: Der ‚masterplan :grün’ schafft dazu den Anreiz – über alle kommunalen und sektoralen Grenzen hinweg. Das Leitbild „Ressourcen wahren – Kulturlandschaften gestalten“ integriert den Grundauftrag der Raumordnung, für eine nachhaltige Raumentwicklung zu sorgen, in die neuen Leitbilder zur Raumentwicklung in Deutschland. Er beinhaltet unter anderem den Auftrag zur behutsamen Weiterentwicklung des Kulturlandschaftspotenzials in städtischen und ländlichen Gebieten sowie zur Durchsetzung großräumig übergreifender, ökologisch wirksamer Freiraumverbünde in städtischen und ländlichen Räumen.  129 130Karte Kreisfreie Städte, Kreise und Kommunen  reisfreie Städte, K Kreise und Kommunen der Region Köln/Bonn Karte Naturräumliche Einheiten 131 Börde und Ville Zülpicher und Jülicher Börde Ville Ballungsraum Rhein-Sieg Linksrheinische Mittelterrasse Niederterrasse Rechtsrheinische Mittelterrasse Mittelrheinische Pforte  ottenforst – K Drachenfelser Ländchen  iebengebirge – S Pleiser Ländchen Bergisches Land Bergische Hochflächen Oberagger-Wiehl-Bergland Mittelsieg-Bergland 132 Börde und Ville Zülpicher und Jülicher Börde Ville Ballungsraum Rhein-Sieg Linksrheinische Mittelterrasse Niederterrasse Rechtsrheinische Mittelterrasse  Mittelrheinische Pforte Kottenforst – Drachenfelser Ländchen Siebengebirge – Pleiser Ländchen Bergisches Land Bergische Hochflächen Oberagger-Wiehl-Bergland Mittelsieg-Bergland Wertvolle Kulturlandschaften Dhünn-Altenberg Urdenbach-Worringen Köln Bürge Wahner Heide-KönigsforstSiegmündung Heckenberger Wald-Leppetal Homburger Ländchen-Bröltal Nutscheid-Leuscheid Ville Bonn Siebengebirge-Pleiser Ländchen  ottenforst-Drachenfelser K Ländchen Karte Wertvolle Kulturlandschaften Karte Freiraumnetze, Freiraumkorridore und Waldkorridore 133  Freiraumnetze Leverkusener Freiraumnetz/ Grüner Fächer Kölner Freiraumnetz/ Regio Grün  onner Freiraumnetz/ B Grünes C Freiraumkorridore Am Alten Rhein Entlang der Strunde Terra Nova Zu neuen Energien Zwischen schnellen Wegen Zu den Villeseen Rheinische Gärten Waldkorridore  ergische Wasserscheide B Waldkorridor Bergische Heideterrasse Waldkorridor Ville-Kottenforst Waldkorridor  Römerstraßen Via Belgica Agrippastraße Römerkanal Limesstraße 134Karte Gewässernetze und Auenkorridore Gewässernetze Vorgebirgsbach-Gewässernetz Swist-Gewässernetz Dhünn-Gewässernetz Wipper-Gewässernetz Sülz-Gewässernetz Agger-Wiehl -Gewässernetz Bröl -Gewässernetz Auenkorridore Rhein-Auenkorridor Erft-Swist-Auenkorridor Wupper-Wipper-Auenkorridor Dhünn-EifgenbachAuenkorridor Sülz-Auenkorridor Agger-Auenkorridor Wahnbach-Auenkorridor Bröl-Auenkorridor Sieg-Auenkorridor Karte Kulturlandschaftsnetzwerk 135 Impressum 136 Herausgeber Region Köln/Bonn e.V. Rheingasse 11 50676 Köln Werner Stump, Vorsitzender Autoren der Masterplanung Arbeitskreis Natur und Landschaft unter Mithilfe von Prof. Dr. Gerd Schulte Dr. Joachim Bauer, Stadt Köln Klaus Bouchon, Bundesstadt Bonn Dr. Daniel Zerweck, Stadt Leverkusen Irmgard Berkenbusch, Rhein-Erft-Kreis Norbert Hanf, Rheinisch Bergischer Kreis Rainer Ludwigs, Oberbergischer Kreis Walter Wiehlpütz, Rhein-Sieg-Kreis Volker Große, Rhein-Kreis Neuss Rolf Born, Landwirtschaftskammer Rheinland Günter Kornell, Landwirtschaftskammer Rheinland Theo Boxberg, Zweckverband Naturpark Bergisches Land Harald Sauer, Zweckverband Naturpark Rheinland Herbert Losem, Naturpark Siebengebirge Dieter Schäfer, Landschaftsverband Rheinland Holger Schilling, Bezirksregierung Köln Marlies Koch, Region Köln/Bonn e. V. Hanne Mick, Regionale 2010 Agentur Christoph Hölzer, Regionale 2010 Agentur Thomas Kemme, Regionale 2010 Agentur Siedlungsentwicklung Prof. Dieter Prinz, Kürten Freizeit und Erholung Dr. Wolfgang Isenberg, Thomas-Morus-Akademie Bensberg Wasser Prof. Dr. Thomas Kistemann & Frauke Kramer, Institut für Hygiene und Öffentliche Gesundheit, Universität Bonn Rhein Christoph Hölzer & Carolin Lüke, Regionale 2010 Agentur Kulturlandschaft und kulturelles Erbe Dieter Schäfer, Axel C. Welp & Vera Secker, Landschaftsverband Rheinland Chancen- und Konfliktfelder Dr. Joachim Bauer, Stadt Köln & Prof. Dr. Gerd Schulte (unter Mitwirkung der zuvor genannten Fachautoren) Naturschutz und Landschaftspflege Prof. Dr. Gerd Schulte Herausforderungen und Qualitätsziele Prof. Dr. Gerd Schulte (unter Mitwirkung der zuvor genannten Fachautoren) Klimawandel Ulrich Jansen, Frederic Rudolph & Steven März, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH Exkurs Luftreinhaltung Prof. Dr. Gerd Schulte Landwirtschaft Rolf Born, Günter Kornell & Carsten Lindner, Landwirtschaftskammer NRW Autoren der Sach- und Fachbeiträge Forstwirtschaft Alfons Lückerath, Regionalforstamt Hocheifel-Zülpicher Börde & Markus Bouwman, Stadt Köln, Amt für Landschaftspflege und Grünflächen/Forstverwaltung Beschreibung und Genese der Landschaften, Netzwerk der Kulturlandschaften Prof. Dr. Gerd Schulte Ressourcenlandschaft Wolfgang Wackerl, Regionale 2010 Agentur Zusammenspiel von informeller und formeller Planung Prof. Dr. Gerd Schulte (unter Mitwirkung von Holger ­Schilling, Bezirksregierung Köln) Textbearbeitung und Redaktion kasperkoeppl kommunikation & design gbr Köln, Manfred Kasper Gestaltung kasperkoeppl kommunikation & design gbr Köln, Conny Koeppl Bildnachweis Regionale 2010 Agentur, Ralf Schuhmann für die Regionale 2010 Agentur Köln, im Oktober 2011