Daten
Kommune
Pulheim
Größe
2,1 MB
Datum
08.11.2011
Erstellt
04.10.11, 11:54
Aktualisiert
06.10.11, 16:16
Stichworte
Inhalt der Datei
Bebauungsplan Nr. 36 A, Stommeln,
Stadt Pulheim
Artenschutzprüfung (ASP)
Bebauungsplan Nr. 36 A, Stommeln,
Stadt Pulheim
Artenschutzprüfung (ASP)
Gutachten im Auftrag der
Dalewski Immobilienmanagement GbR, Pulheim
Bearbeiter:
Dr. Thomas Esser
Dipl.-Biol. Jochen Weglau
KÖLNER BÜRO FÜR FAUNISTIK
Moltkestr. 28
50674 Köln
www.kbff.de
Köln, im April 2011
Inhalt
1. Anlass und Rechtsgrundlagen.............................................................................3
1.1 Anlass ............................................................................................................................ 3
1.2 Rechtsgrundlagen .......................................................................................................... 3
1.2.1 Artenschutzrechtliche Vorgaben des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) .... 4
1.2.2 Begriffsdefinitionen .................................................................................................. 8
2. Beschreibung des Vorhabensbereichs .............................................................12
3. Vorgehensweise und Methodik..........................................................................17
3.1 Vorgehensweise und Fragestellung............................................................................. 17
3.2 Auswahl artenschutzrechtlich relevanter Arten ............................................................ 18
3.3 Methodik und Datengrundlagen ................................................................................... 18
3.3.1 Avifauna................................................................................................................. 18
3.3.2 Fledermäuse.......................................................................................................... 19
3.3.3 Amphibien und Reptilien........................................................................................ 19
4. Beschreibung des Vorhabens und seiner Auswirkungen ...............................20
5. Vorkommen artenschutzrechtlich relevanter Arten .........................................25
5.1 Europäische Vogelarten............................................................................................... 25
5.1.1 „Allerweltsarten“..................................................................................................... 25
5.1.2 Planungsrelevante Arten ....................................................................................... 26
5.2 Fledermäuse ................................................................................................................ 29
6. Konfliktprognose: Betroffenheit artenschutzrechtlich relevanter Arten ........31
6.1 Maßnahmen zur Vermeidung und Minderung artenschutzrelevanter
Beeinträchtigungen ...................................................................................................... 31
6.2 Artenschutzrechtliche Prüfung nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 unter Berücksichtigung von
Abs. 5 Satz 2 BNatSchG .............................................................................................. 32
6.2.1 Europäische Vogelarten ........................................................................................ 32
6.2.2 Fledermäuse.......................................................................................................... 33
7. Prüfung von Ausnahmetatbeständen................................................................35
8. Zusammenfassung und Fazit: Artenschutzrechtliche Zulässigkeit des
Bebauungsplans Nr. 36 A, Stommeln, Stadt Pulheim......................................36
9. Literatur und sonstige verwendete Quellen......................................................37
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1. Anlass und Rechtsgrundlagen
1. Anlass und Rechtsgrundlagen
1.1 Anlass
§ 44 des BNatSchG enthält für bestimmte Tier- und Pflanzenarten Verbotstatbestände, die
ihrem Schutz dienen. Diese Schutzbestimmungen gelten, unabhängig von speziellen
Schutzgebieten, für Pflanzen- und Tierarten, die nach § 7 BNatSchG besonders und/oder
streng geschützt sind. Sie gelten für diese Arten selbst (z.B. für das Sammeln, Verletzen
oder Töten), aber auch für von ihnen zum Überleben benötigte Lebensräume bzw. Lebensraumstrukturen.
Eingriffsbedingte Veränderungen von Natur und Landschaft bedürfen immer dann einer Überprüfung artenschutzrechtlicher Belange, wenn nicht von vorneherein auszuschließen ist,
dass bestimmte geschützte Arten, und zwar Arten des Anhangs IV der FFH-Richtlinie, wildlebende Vogelarten sowie Arten, die nach einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1
Nummer 2 BNatSchG aufgeführt sind, von einem Vorhaben betroffen sein könnten (siehe
hierzu auch Kapitel 1.2). Zu beachten sind hierbei zunächst die Verbotstatbestände des § 44
Abs. 1 BNatSchG, wonach es nicht zu einer Tötung oder Verletzung von Individuen artenschutzrechtlich relevanter Arten (§ 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG), zu einer erheblichen Störung
(§ 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG) oder zu einer Zerstörung der Fortpflanzungs- und Ruhestätten
(§ 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG) dieser Arten kommen darf. § 44 Abs. 5 BNatSchG regelt den
Eingriff im Falle der Betroffenheit der Fortpflanzungs- und Ruhestätten und im Hinblick auf
damit unvermeidbare Beeinträchtigungen von Individuen artenschutzrechtlich relevanter
Tierarten weiter (nähere Ausführungen siehe nachfolgendes Kapitel 1.2).
Durch die Beanspruchung kleinerer Grünflächen (private Gartenfläche), die zum Teil mit Gehölzen und Gebüschen bestanden ist sowie durch die Sanierung, den Umbau und Neubau
von Gebäuden im Plangebiet kann es potenziell zu einer Betroffenheit von Arten kommen,
die unter die Schutzbestimmungen des § 44 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG, Zugriffsverbote) fallen. In der vorliegenden artenschutzrechtlichen Betrachtung soll dargestellt werden, ob und - wenn ja - welche artenschutzrechtlichen Konflikte im Zusammenhang mit der
geplanten Bebauung entstehen können. Weiterhin wird geklärt, ob das Vorhaben aus artenschutzrechtlicher Sicht als zulässig einzustufen ist.
1.2 Rechtsgrundlagen
Die Vorgaben der §§ 44 und 45 BNatSchG bilden die Grundlage für die artenschutzrechtliche Prüfung. Sie werden daher nachfolgend erläutert.
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1.2.1
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Artenschutzrechtliche
1. Anlass und Rechtsgrundlagen
Vorgaben
des
Bundesnaturschutzgesetzes
(BNatSchG)
Die artenschutzrechtlichen Regelungen des BNatSchG finden sich in § 44 mit den dort dargestellten Verboten. Nach § 44 Abs. 1 BNatSchG ist es verboten,
1.
wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu
entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
2.
wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und
Wanderungszeiten erheblich zu stören; eine erhebliche Störung liegt vor, wenn
sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art
verschlechtert,
3.
Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
4.
wild lebende Pflanzen der besonders geschützten Arten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, sie oder ihre Standorte zu beschädigen oder zu zerstören
(Zugriffsverbote)
Die Zugriffsverbote werden für nach § 15 BNatSchG zulässige Eingriffe in Natur und Landschaft sowie für Vorhaben im Sinne des § 18 Abs. 2 S. 1 BNatSchG, also auch für Vorhaben
im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, eingeschränkt. Danach sind die Verbotstatbestände des § 44 Absatz 1 BNatSchG nach dessen Absatz 5 unter folgenden Voraussetzungen nicht verletzt:
(5) Für nach § 15 zulässige Eingriffe in Natur und Landschaft sowie für Vorhaben im
Sinne des § 18 Absatz 2 Satz 1, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuches zulässig sind, gelten die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote nach Maßgabe der
Sätze 2 bis 5. Sind in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte
Tierarten, europäische Vogelarten oder solche Arten betroffen, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt sind, liegt ein Verstoß gegen
das Verbot des Absatzes 1 Nummer 3 und im Hinblick auf damit verbundene unvermeidbare Beeinträchtigungen wild lebender Tiere auch gegen das Verbot des Absatzes 1 Nummer 1 nicht vor, soweit die ökologische Funktion der von dem Eingriff oder
Vorhaben betroffenen Fortpflanzungs- oder Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt wird. Soweit erforderlich, können auch vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen festgesetzt werden. Für Standorte wild lebender Pflanzen der in
Anhang IV Buchstabe b der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Arten gelten die Sät4
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1. Anlass und Rechtsgrundlagen
ze 2 und 3 entsprechend. Sind andere besonders geschützte Arten betroffen, liegt bei
Handlungen zur Durchführung eines Eingriffs oder Vorhabens kein Verstoß gegen die
Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote vor.
Die Frage, ob die ökologische Funktion betroffener Fortpflanzungs- und Ruhestätten im
räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt wird, erfordert im Hinblick auf das Vorhandensein geeigneter Fortpflanzungs- und Ruhestätten im Raum eine artspezifische Prüfung.
Hierbei können vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen berücksichtigt werden.
Im Hinblick auf § 44 Abs. 1 Nr. 2 ist die Erheblichkeit von Störwirkungen maßgeblich.
Mit Blick auf gesetzlich vorgeschriebene Prüfungen werden die Zugriffs- und Besitzverbote
ebenfalls eingeschränkt (§ 44 Abs. 6 BNatSchG):
(6) Die Zugriffs- und Besitzverbote gelten nicht für Handlungen zur Vorbereitung gesetzlich vorgeschriebener Prüfungen, die von fachkundigen Personen unter größtmöglicher Schonung der untersuchten Exemplare und der übrigen Tier- und Pflanzenwelt im notwendigen Umfang vorgenommen werden. Die Anzahl der verletzten
oder getöteten Exemplare von europäischen Vogelarten und Arten der in Anhang IV
Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Tierarten ist von der fachkundigen Person der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde jährlich
mitzuteilen.
Sollte die artenschutzrechtliche Betroffenheit geschützter Arten unter Beachtung des § 44
Abs. 1 und Abs. 5 BNatSchG nicht ausgeschlossen werden können, ist die Ausnahmeregelung des § 45 Abs. 7 BNatSchG zu prüfen. Maßgeblich für das hier zu prüfende Vorhaben
sind folgende Absätze:
(7) Die nach Landesrecht zuständigen Behörden sowie im Falle des Verbringens aus
dem Ausland das Bundesamt für Naturschutz können von den Verboten des § 44 im
Einzelfall weitere Ausnahmen zulassen
1.
im Interesse der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit, einschließlich der Landesverteidigung und des Schutzes der Zivilbevölkerung, oder
der maßgeblich günstigen Auswirkungen auf die Umwelt oder
2.
aus anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses
einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art.
Eine Ausnahme darf nur zugelassen werden, wenn zumutbare Alternativen nicht gegeben sind und sich der Erhaltungszustand der Populationen einer Art nicht verschlechtert, soweit nicht Artikel 16 Abs. 1 der Richtlinie 92/43/EWG weitergehende
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1. Anlass und Rechtsgrundlagen
Anforderungen enthält. Artikel 16 Abs. 3 der Richtlinie 92/43/EWG und Artikel 9 Abs.
2 der Richtlinie 79/409/EWG sind zu beachten. Die Landesregierungen können Ausnahmen auch allgemein durch Rechtsverordnung zulassen (…).
Das BNatSchG nimmt Bezug auf Artikel 16 Absatz 1 sowie Absatz 3 der FFH-Richtlinie
(Richtlinie 92/43/EWG). Artikel 16 Absatz 1 FFH-Richtlinie lautet:
(1) Sofern es keine anderweitige zufrieden stellende Lösung gibt und unter der Bedingung, dass die Populationen der betroffenen Art in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet trotz der Ausnahmeregelung ohne Beeinträchtigung in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen, können die Mitgliedstaaten von den Bestimmungen der Artikel 12, 13 und 14 sowie des Artikels 15 Buchstaben a) und b) im folgenden Sinne
abweichen:
a) zum Schutz der wildlebenden Tiere und Pflanzen und zur Erhaltung der natürlichen
Lebensräume;
b) zur Verhütung ernster Schäden insbesondere an Kulturen und in der Tierhaltung
sowie an Wäldern, Fischgründen und Gewässern sowie an sonstigen Formen von Eigentum;
c) im Interesse der Volksgesundheit und der öffentlichen Sicherheit oder aus anderen
zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art oder positiver Folgen für die Umwelt;
d) zu Zwecken der Forschung und des Unterrichts, der Bestandsauffüllung und Wiederansiedlung und der für diese Zwecke erforderlichen Aufzucht, einschließlich der
künstlichen Vermehrung von Pflanzen;
e) um unter strenger Kontrolle, selektiv und in beschränktem Ausmaß die Entnahme
oder Haltung einer begrenzten und von den zuständigen einzelstaatlichen Behörden
spezifizierten Anzahl von Exemplaren bestimmter Tier- und Pflanzenarten des Anhangs IV zu erlauben.
Aus Artikel 16 der FFH-Richtlinie wird deutlich, dass eine Ausnahme von den artenschutzrechtlichen Verboten der FFH-Richtlinie nur dann zu erzielen ist, wenn keine anderweitigen
zufrieden stellenden Lösungen vorhanden sind. Zudem ist immer zu beachten, dass entstehende Beeinträchtigungen nie so weit gehen dürfen, dass der günstige Erhaltungszustand
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einer Art in Frage gestellt ist. Erst dann kann es zur Prüfung der weiteren Ausnahmetatbestände nach Artikel 16 Abs. 1 a) bis e) kommen, wonach weitere Voraussetzungen, etwa
zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses, erfüllt sein müssen.
Artikel 16 Absätze 2 und 3 der FFH-Richtlinie betreffen die Kontrolle von artenschutzrechtlichen Ausnahmen. Sie haben folgenden Inhalt:
(2) Die Mitgliedstaaten legen der Kommission alle zwei Jahre einen mit dem vom Ausschuss
festgelegten Modell übereinstimmenden Bericht über die nach Absatz 1 genehmigten Ausnahmen vor. Die Kommission nimmt zu diesen Ausnahmen binnen zwölf Monaten nach Erhalt des Berichts Stellung und unterrichtet darüber den Ausschuss.
(3) In den Berichten ist folgendes anzugeben:
a) die Arten, für die die Ausnahmeregelung gilt, und der Grund der Ausnahme, einschließlich der Art der Risiken sowie gegebenenfalls der verworfenen Alternativlösungen und der
benutzten wissenschaftlichen Daten;
b) die für Fang oder Tötung von Tieren zugelassenen Mittel, Einrichtungen oder Methoden und die Gründe für ihren Gebrauch;
c) die zeitlichen und örtlichen Umstände der Ausnahmegenehmigungen;
d) die Behörde, die befugt ist, zu erklären, dass die erforderlichen Voraussetzungen erfüllt
sind, bzw. zu kontrollieren, ob sie erfüllt sind, und die beschließen kann, welche Mittel,
Einrichtungen oder Methoden innerhalb welcher Grenzen und von welchen Stellen verwendet werden dürfen sowie welche Personen mit der Durchführung betraut werden;
e) die angewandten Kontrollmaßnahmen und die erzielten Ergebnisse.
Auch Artikel 9 Absatz 2 der Vogelschutzrichtlinie (Richtlinie 79/409/EWG) wird in § 45 Abs. 7
BNatSchG angesprochen. Danach gilt für die Ausnahmen von artenschutzrechtlichen Verboten:
(2) In den abweichenden Bestimmungen ist anzugeben,
-
für welche Vogelarten die Abweichungen gelten,
-
die zugelassenen Fang- oder Tötungsmittel, -einrichtungen und -methoden,
-
die Art der Risiken und die zeitlichen und örtlichen Umstände, unter denen diese
Abweichungen getroffen werden können,
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-
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1. Anlass und Rechtsgrundlagen
die Stelle, die befugt ist zu erklären, dass die erforderlichen Voraussetzungen gegeben sind, und zu beschließen, welche Mittel, Einrichtungen und Methoden in welchem Rahmen von wem angewandt werden können,
-
welche Kontrollen vorzunehmen sind.
Auch hier wird die Kontrollpflicht für Ausnahmen im Falle wildlebender Vogelarten angesprochen.
1.2.2 Begriffsdefinitionen
Das BNatSchG nimmt teilweise konkret Bezug auf die artenschutzrechtlichen Vorgaben der
FFH-Richtlinie (insbesondere Artikel 16). Daher werden nachfolgend die im BNatSchG verwendeten Begriffe unter Berücksichtigung europarechtlicher Vorgaben interpretiert.
Die Inhalte des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG bedürfen keiner näheren Begriffsdefinition. Sie
beziehen sich eindeutig auf die Individuen und ihre Entwicklungsstadien und verbieten den
Fang, das Nachstellen, Verletzen oder Töten. Sie sind individuenbezogen anzuwenden.
Der Begriff der „Störung“ entsprechend § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG lässt sich in Anlehnung
an die Ausführungen der EU-Kommission zur FFH-Richtlinie näher definieren. Störungen
können durch Beunruhigungen und Scheuchwirkungen infolge von Bewegung, Lärm, Licht
oder Maschinen eintreten (LÜTTMANN 2007, TRAUTNER 2008). Auch Zerschneidungswirkungen (z.B. Silhouettenwirkungen von technischen Bauwerken) werden demnach als Störwirkungen bezeichnet. Das Maß der Störung hängt von Parametern wie Intensität, Dauer und
Wiederholungsfrequenz auftretender Störungen ab. In einem so genannten „Guidance document“ zur Anwendung der artenschutzrechtlichen Regelungen der FFH-Richtlinie (siehe
EUROPEAN COMMISSION 2005, 2007, Kapitel II.3.2.) werden Störungen immer dann als relevant betrachtet, wenn sie negativen Einfluss auf die Überlebenschancen, den Fortpflanzungserfolg oder die Reproduktionsfähigkeit der zu schützenden Arten haben. Alle Störungen, die zu einer Abnahme der Verbreitung einer Art im Raum führen, sind ebenfalls eingeschlossen. Damit sind Störungen artspezifisch unterschiedlich zu definieren, da sich die
Empfindlichkeit gegenüber störenden Einflüssen auch artspezifisch unterscheidet.
Ähnlich wie die EU-Kommission äußert sich das MINISTERIUM FÜR UMWELT UND NATURSCHUTZ,
LANDWIRTSCHAFT UND VERBRAUCHERSCHUTZ DES LANDES NRW (MUNLV 2008). Al-
lerdings beinhaltet der Störungstatbestand des § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG einen populationsbezogenen Ansatz. Danach ist für das Eintreten des Störungstatbestands entscheidend,
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1. Anlass und Rechtsgrundlagen
dass es zu einem negativen Einfluss auf Populationsniveau kommt, indem die Fitness der
betroffenen Individuen populationsrelevant verringert wird (KIEL 2005). Entscheidend ist hiernach, „wie sich die Störung auf die Überlebenschancen, die Reproduktionsfähigkeit und den
Fortpflanzungserfolg der Individuen der lokalen Population auswirkt“ (siehe MUNLV 2008).
Letztendlich sind lokale Populationen also nach dem Angebot geeigneter Habitate vor Ort,
den Lebensraumansprüchen der betroffenen Arten sowie ihrer räumlichen Verbreitung und
ihres Erhaltungszustands abzugrenzen.
Das MUNLV (2008) wählt für Lokalpopulationen einen pragmatischen Ansatz. Danach sind
diese weniger populationsbiologisch oder genetisch zu definieren, sondern am ehesten als
lokale Dichtenzentren bzw. Konzentrationen. In einigen Fällen sind dies zugleich die
Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der Arten (etwa bei einigen Fledermäusen oder Amphibien). In zahlreichen Fällen kann es aber auch sinnvoll sein, Landschaftseinheiten (Waldgebiete, Grünlandkomplexe u.a.) als Lebensräume lokaler Populationen zu definieren. Arten
mit sehr großen Aktionsräumen wiederum bedürfen ggf. einer noch weiteren Definition des
Begriffs der lokalen Population. Hier können Gemeindegebiete oder Kreisgebiete herangezogen werden, um Beeinträchtigungen lokaler Populationen näher zu bestimmen. Ob dem
pragmatischen Ansatz des MUNL (2008) gefolgt wird, oder dieser in Abhängigkeit der ökologischen Voraussetzungen einzelner Arten abgeändert werden muss, lässt sich erst bei näherer Betrachtung der einzelnen betroffenen Arten belastbar aussagen.
Da die Frage der „Erheblichkeit“ einer Störung damit verbunden ist, dass sich der Erhaltungszustand lokaler Populationen verschlechtern könnte ist die Bewertung des AusgangsErhaltungszustands einer lokalen Population von großer Bedeutung. Bei verbreiteten, nicht
konzentriert auftretenden Arten wird dieser nicht so schnell beeinträchtigt werden, während
konzentriert auftretende Arten mit einem ungünstigen Erhaltungszustand bereits bei geringeren Auswirkungen auf lokaler Ebene beeinträchtigt werden können (siehe MUNLV 2008).
Als Fortpflanzungsstätten werden alle Teillebensräume bezeichnet, die für die Paarung und
Niederkunft sowie ggf. die nachfolgende Jungenaufzucht erforderlich sind. Sie decken auch
die Umgebung der Nester oder die Orte der Niederkunft ab, wenn diese für die Nachwuchspflege benötigt werden. Fortpflanzungsstätten können somit Balzplätze, Paarungsquartiere,
Nistplätze usw. umfassen (siehe EUROPEAN COMMISSION 2005, 2007, Kapitel II.3.4. vgl. auch
Begriffsdefinition des MUNLV 2008).
Ruhestätten sind die Bereiche, die von Tieren aufgesucht werden, wenn diese nicht aktiv
sind. Hierzu gehören Plätze, die zur Thermoregulation, als Rast- oder Schlafplätze, Verste-
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1. Anlass und Rechtsgrundlagen
cke oder für die Überwinterung genutzt werden. Die LANA (2007) bezeichnet die Fortpflanzungs- und Ruhestätten zusammenfassend als „Lebensstätten“ der zu schützenden Arten.
Fortpflanzungs- und Ruhestätten können artspezifisch in unterschiedlicher Weise eingegrenzt werden. Es ist möglich, nur die Bereiche, in denen eine konkrete Art tatsächlich vorkommt, kleinräumig als Fortpflanzungs- und Ruhestätten zu bezeichnen, sofern sich das
Vorkommen einer Art hierauf beschränkt. Dem steht eine weitere Definition gegenüber, die
die Gesamtheit geeigneter Bereiche zur Fortpflanzungs- und Ruhestätte erklärt. Die Europäische Kommission bevorzugt die weitere Definition (siehe EUROPEAN COMMISSION 2005,
2007, Kapitel II.3.4.b), schränkt aber zugleich ein, dass für Arten mit größeren Aktionsradien
eine Beschränkung auf einen klar abgegrenzten Raum sinnvoll erscheint.
Das MUNLV (2008) kommt zu dem Ansatz, dass Arten mit geringen Raumansprüchen eher
nach der weiten Definition, also der Gesamtheit geeigneter Fortpflanzungs- und Ruhestätten
im betrachteten Raum, Arten mit großen Aktionsradien dagegen eher mit einer engeren, auf
besonders geeignete Teillebensräume eingegrenzten Sichtweise, behandelt werden sollten.
Bei Vögeln sollte in der Regel nicht nur das eigentliche Nest, sondern das gesamte Revier
als Fortpflanzungsstätte betrachtet werden. Nur bei Arten, die große Brutreviere nutzen und
ihre Nahrungsreviere weiträumig und unspezifisch aufsuchen, kann die Lebensstätte auf das
eigentliche Nest mit einer geeigneten störungsarmen Ruhezone beschränkt werden (siehe
MUNLV 2008).
Auch der Begriff der Beschädigung bedarf einer näheren Betrachtung. Nach Darstellung der
Europäischen Kommission (EUROPEAN COMMISSION 2005, 2007, Kapitel II.3.4.c) stellt eine
Beschädigung eine materielle Verschlechterung dar, die im Gegensatz zur Vernichtung
schleichend erfolgen und zur graduellen Verschlechterung der Funktionalität einer Stätte
führt. Dies mag ein langsamer Prozess sein, der streng genommen nicht immer mit einer
physischen Beschädigung, sondern eher mit einer sukzessiven Beeinträchtigung einhergehen kann. Entscheidend für die Aussage, ob eine Handlung zur Beschädigung eines Lebensraumes einer Art führt, sind Ursache-Wirkungs-Prognosen. Als Beschädigungen sind auf
jeden Fall alle Handlungen zu bezeichnen, die nachweislich zur Beeinträchtigung der Funktion von einer (je nach Art tatsächlich oder potenziell genutzten) Fortpflanzungs- oder Ruhestätte führen.
Auch die Frage der „Absichtlichkeit“ bei dem Inkaufnehmen artenschutzrechtlicher Beeinträchtigungen ist durch den EuGH im so genannten „Caretta-Caretta-Urteil“ vom 30.01.2002,
Rs. C-103/00 (siehe unter http://curia.europa.eu) thematisiert worden. Danach ist eine Handlung dann als absichtlich zu bezeichnen, wenn sie in Kenntnis aller Umstände, folglich im
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1. Anlass und Rechtsgrundlagen
Bewusstsein des Vorkommens der geschützten Arten und der beeinträchtigenden Wirkung
der Handlung vorgenommen wird. Eine unmittelbare Absicht des Tötens von Anhang IV –
Arten oder der Störung derselben muss nicht vorhanden sein. Das Wissen um die voraussichtliche Wirkung des eigenen Handelns im Zusammenhang mit dem ebenfalls bekannten
Vorkommen von Anhang IV – Arten reicht aus, um dieses als absichtlich zu bezeichnen (siehe EUROPEAN COMMISSION 2005, 2007, Kapitel II.3.).
Ein Vorhaben ist somit unter folgenden Maßgaben durchführbar:
a.
Es entstehen keine Konflikte mit artenschutzrechtlich relevanten Arten oder
b.
die entstehenden Konflikte können mit Hilfe geeigneter Maßnahmen vermieden oder
soweit gemindert werden, dass die artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände nicht eintreten oder
c.
es verbleiben Beeinträchtigungen; das Vorhaben erfüllt aber die Voraussetzungen der
artenschutzrechtlichen Ausnahmeregelungen im Sinne des § 45 Abs. 7 BNatSchG (letzterer in Verbindung mit Artikel 16 Absatz 1 FFH-Richtlinie unter Beachtung der Artikel 16
Absatz 3 FFH-Richtlinie und Artikel 9 Absatz 2 Vogelschutzrichtlinie).
Alle Varianten, die nicht unter die Ergebnisse der Punkte a. bis c. fallen, sind aus artenschutzrechtlicher Sicht unzulässig.
11
2. Beschreibung der Untersuchungsfläche
2. Beschreibung des Vorhabensbereichs
Der Vorhabensbereich liegt an der Hauptstraße in Pulheim-Stommeln. Er umfasst die
Grundstücke Hauptstr. 14-18, die südöstlich an die Straße angrenzen. Das Gebiet wird im
Westen und Osten von Wohnbebauung (im Osten eine Hofanlage) begrenzt, südlich liegen
Gartenflächen, im Norden die Hauptstraße. Abbildung 1 zeigt die Lage und Abgrenzung des
Vorhabensbereichs.
Abbildung 1: Lage des Vorhabensbereichs im Südwesten von Pulheim-Stommeln. Die nördlich angrenzende Hauptstraße ist als Struktur gut zu erkennen. Nordöstlich des Vorhabensbereichs grenzen zwei Hofanlagen an, im Süden Gartenflächen. Die älteren Gehölze am linken Bildrand stocken
entlang der Bahnlinie Mönchengladbach-Köln.
Im Plangebiet sind neben einem an der Hauptstraße liegenden größeren Wohnhaus auch
kleinere Gebäude in Form von Anbauten, Schuppen und Garagen zu finden. Bei einem der
Schuppen ist das Dach eingestürzt und das Gebäude somit offen. Das Hauptgebäude wird
aktuell noch bewohnt. Der Klinker und das Mauerwerk zeigen einzelne Risse auf. Weitere
Spalten sind sonst nur unter der Dachrinne zu erkennen. Diese können für gebäudebrütende
Vogelarten potenzielle Fortpflanzungsstätten darstellen. An den Nebengebäuden konnten
nur vereinzelt kleinere Spalten festgestellt werden, die sich aber wegen ihrer geringen Größe
für Gebäude- bzw. Nischenbrüter nicht als Brutstätten eignen.
12
2. Beschreibung der Untersuchungsfläche
In der südöstlich an die Gebäude angrenzenden brachgefallenen Gartenfläche stocken nur
junge oder mäßig alte Gehölze. Entlang der Grenze zur östlich liegenden Hofanlage wächst
eine mäßig dichte Thuja-Hecke, an die ein kleinerer Strauchbestand angrenzt. Neben einzelnen Sträuchern wird der Gehölzbestand sonst nur durch einen jungen Laubbaumbestand
gebildet, in dem als höchster Baum im südöstlichen Gartenteil eine einzelne Fichte stockt.
Artenschutzrechtlich relevante Sonderstrukturen wie Spalt- oder Höhlenbäume, die für Fledermäuse oder Höhlenbrüter als Quartier bzw. Brutplatz dienen könnten, sind im Gehölzbestand nicht zu finden. Auch Nester von Großvogelarten (z. B. Horste von Greifen oder Krähenvögeln) konnten im Plangebiet nicht festgestellt werden.
Die folgenden Abbildungen 2 bis 7 geben einen Eindruck vom Vorhabensbereich und seiner näheren Umgebung.
Abbildung 2: Blick von Norden aus in den Vorhabensbereich. Ein Großteil des Gebietes ist nicht von
Gehölzen bestanden, diese sind vor allem am östlichen und südlichen Rand zu finden (April 2011).
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2. Beschreibung der Untersuchungsfläche
Abbildung 3: Im südlichen Vorhabensbereich stocken neben verschiedenen Sträuchern auch einige
Bäume (April 2011). Hierbei handelt es sich um Stangenholz ohne Ausbildung von Spalten oder
Höhlen. Die links zu erkennende Fichte stellt den einzigen größeren Baum im Vorhabensbereich
dar, auch sie weist aber weder Horste noch Rindenspalten oder Baumhöhlen auf.
Abbildung 4: Neben dem Hauptgebäude sind im nördlichen Teil des Vorhabensbereichs auch zum
Teil verfallene Anbauten oder Schuppen zu finden. Im Vordergrund ist ein weiterer kleiner Strauchbestand zu erkennen (April 2011).
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2. Beschreibung der Untersuchungsfläche
Abbildung 5: An der westlichen Abgrenzung sind wenige Garagen zu finden, die zwar einfliegbar sind
(unter dem Dach), im Innern oder im Mauerwerk aber keine Spalten, Ritzen oder Nischen aufweisen (April 2011). Eine Eignung als Quartier bzw. Brutplatz von Fledermäusen bzw. Vogelarten ist
nicht gegeben.
Abbildung 6: Unmittelbar östlich an den Vorhabensbereich grenzt eine Hofanlage an. Im Dach der
Scheune bestehen auch zum Vorhabensbereich hin Öffnungen, die potenziell von Vogel- oder Fledermausarten genutzt werden könnten (April 2011). Das Dach weist zahlreiche weitere Öffnungen
auf, die das Einschlüpfen von Tieren potenziell ermöglichen.
15
2. Beschreibung der Untersuchungsfläche
Abbildung 7: Während das Wohnhaus im Vorhabensbereich nur wenige Spalten unter der Dachrinne
oder im Klinker aufweist, zeigt die seitliche Fassade des angrenzenden Wohnhauses der Hofanlage zum Teil größere Öffnungen (April 2011). Die Kot-/Urinstreifen zeigen teilweise eine (evtl. ehemalige) Nutzung durch Tiere an.
16
3. Vorgehensweise und Methodik
3. Vorgehensweise und Methodik
3.1 Vorgehensweise und Fragestellung
In Bezug auf den Artenschutz müssen folgende Aspekte behandelt werden:
•
Es muss eine Vorstellung davon erarbeitet werden, wie sich artenschutzrechtlich relevante Arten im Wirkungsbereich des Vorhabens verteilen. Bedeutung haben dabei europarechtlich geschützte Arten (europäische Vogelarten und Anhang IV Arten der FFH-RL)
und solche Arten, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Abs.1 Nr. 2 aufgeführt sind,
da sie den unter 1.2 dargestellten artenschutzrechtlichen Verbotstatbeständen unterliegen und zudem Grundlage sind, die Zulässigkeit des Eingriffs bewerten zu können.
•
Es ist der Tatbestand der Tötung oder Verletzung von Individuen artenschutzrechtlich
relevanter Arten nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG abzuprüfen.
•
Im Hinblick auf das Störungsverbot ist nach § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG zu prüfen, ob
sich der Erhaltungszustand ggf. betroffener lokaler Populationen streng geschützter Arten und wildlebender Vogelarten vorhabensbedingt verschlechtern könnte.
•
Unter Berücksichtigung des § 44 Abs. 5 BNatSchG ist bei zulässigen Eingriffen zu prüfen, ob Fortpflanzungs- oder Ruhestätten von Arten des Anhangs IV der FFH-Richtlinie
oder europäische Vogelarten im Sinne § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG im Einflussbereich
des Vorhabens auftreten und beeinträchtigt werden können. Das Verbot des § 44 Abs. 1
Nr. 3 BNatSchG ist nicht verletzt, soweit die ökologische Funktion der betroffenen
Fortpflanzungs- oder Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt wird.
Gleiches gilt für das Verbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG, soweit die danach verbotene Handlung unvermeidbar mit einer Beeinträchtigung nach Abs. 1 Nr. 3 verbunden
ist. Unmittelbar anwendbar ist das Artenschutzrecht der §§ 44 ff BNatSchG auf der Ebene der Vorhabenszulassung.
•
Falls ein Verbotstatbestand nicht auszuschließen ist, ist abzuprüfen, inwiefern eine Ausnahme nach § 45 Abs. 7 BNatSchG gewährt werden kann. In diesem Zusammenhang
ist eine Begründung zum Vorliegen der Ausnahmevoraussetzungen, insbesondere zu
zumutbaren Alternativen und zur Frage des Erhaltungszustands betroffener Arten als
Folge des Vorhabens, erforderlich.
Ein Vorhaben ist unter folgenden Maßgaben durchführbar:
a.
Es entstehen keine Konflikte mit artenschutzrechtlich relevanten Arten oder
17
3. Vorgehensweise und Methodik
b.
die entstehenden Konflikte können mit Hilfe geeigneter Maßnahmen vermieden oder
soweit gemindert werden, dass die artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände nicht
eintreten oder
c.
es verbleiben Beeinträchtigungen; das Vorhaben erfüllt aber die Voraussetzungen
der artenschutzrechtlichen Ausnahmeregelungen im Sinne des § 45 Abs. 7
BNatSchG (letzterer in Verbindung mit Artikel 16 Absatz 1 FFH-Richtlinie unter Beachtung der Artikel 16 Absatz 3 FFH-Richtlinie und Artikel 9 Absatz 2 Vogelschutzrichtlinie).
Alle Varianten, die nicht unter die Ergebnisse der Punkte a. bis c. fallen, sind aus artenschutzrechtlicher Sicht unzulässig.
3.2 Auswahl artenschutzrechtlich relevanter Arten
Den Vorgaben des § 44 Abs. 1 Nrn. 1, 3 und 4 BNatSchG folgend gelten die artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände für sämtliche besonders geschützten Arten (vgl. Kapitel
1.2.2), § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG gilt nur für die streng geschützten Arten und die wildlebenden Vogelarten. Mit Blick auf § 44 Abs. 5 BNatSchG beschränkt sich die artenschutzrechtliche Prüfung auf die Arten des Anhangs IV der FFH-RL und auf die wildlebenden Vogelarten. Die übrigen, nur national besonders und streng geschützten Arten unterliegen der
Eingriffsregelung und sind daher im Rahmen der artenschutzrechtlichen Prüfung nicht zu
berücksichtigen.
3.3 Methodik und Datengrundlagen
Für die vorliegende Artenschutzprüfung wird auf vorhandene Datenquellen zurückgegriffen.
Des Weiteren erfolgt eine Einschätzung der Lebensraumeignung der betroffenen Flächen für
artenschutzrechtlich relevante Tierarten aufgrund einer Ortsbesichtigung am 4. April 2011.
3.3.1 Avifauna
Zur Abklärung des Vorkommens planungsrelevanter Vogelarten wurde die Landschaftsinformationssammlung des Landes NRW (LINFOS) ausgewertet. Des Weiteren wurde im Rahmen einer Ortsbegehung die Lebensraumeignung der betreffenden Flächen für Vögel überprüft. Daraufhin erfolgte eine Einschätzung bezüglich des Vorkommens wildlebender Vogelarten innerhalb des Vorhabensbereichs. Aufgrund der begrenzten Biotopausstattung des
Vorhabensbereichs und der innerstädtischen Lage (Stichwort: Störungen) ist diese Vorgehensweise zur Ermittlung des Artenpotenzials als ausreichend anzusehen.
18
3. Vorgehensweise und Methodik
3.3.2 Fledermäuse
Innerhalb des Vorhabensbereichs befinden sich keine Gehölze (Spalt- oder Höhlenbäume),
die potenziell Quartiermöglichkeiten für Fledermäuse zur Verfügung stellen könnten. Das
potenzielle Vorkommen von Fortpflanzungs- und / oder Ruhestätten im Vorhabensbereich
oder im direkten Umfeld kann somit auf den Gebäudebestand eingegrenzt werden.
3.3.3 Amphibien und Reptilien
Aufgrund der Habitatausstattung des Vorhabensbereichs ist das Vorkommen von Fortpflanzungs- und / oder Ruhestätten für artenschutzrechtlich relevante Amphibien- und / oder Reptilienarten auszuschließen. Im Bereich der Vorhabensfläche befinden sich keine Gewässer,
die z.B. Amphibien als Fortpflanzungsstätten dienen könnten. Auch essentielle Habitatstrukturen für Reptilienarten wie z. B. Steinhaufen- oder Riegel, magere Wiesen- und Weideflächen oder sonnige Waldränder sind im innerhalb von Wohnbebauung umgebenen Vorhabensbereich nicht zu finden. Eine Beeinträchtigung der Artengruppen Amphibien und Reptilien kann somit ausgeschlossen werden. Sie werden demnach nicht weiter behandelt.
19
4. Vorhabensbeschreibung
4. Beschreibung des Vorhabens und seiner Auswirkungen
Das Vorhaben sieht den Rück- und Neubau von Mehrfamilienhäusern mit insgesamt 20
Wohneinheiten als Wohnanlage vor. Das bestehende Wohngebäude an der Hauptstraße soll
dazu abgebrochen werden. Hier ist die Errichtung eines 2,5-geschossigen Wohngebäudes
geplant. Die Anbauten, Schuppen und Garagen werden zurückgebaut. Im hinteren Teil des
Gartens ist ebenfalls die Errichtung eines 2,5-geschossigen Gebäudes geplant. Hierzu werden aber keine weiteren Gebäude beansprucht, sondern ein Teil des jungen Baumbestandes
an der südlich Grenze des Vorhabensbereichs. Zwischen den einzelnen Gebäuden sollen
zudem Stellplätze sowie ein teichähnliches Versickerungsbecken entstehen. Einen Überblick
über die geplante Bebauung gibt die nachfolgende Abbildung 8.
Abbildung 8: Lage der Gebäude im Vorhabensbereich (Entwurfsplanung, nicht genordet). Die Zufahrt
erfolgt von der Hauptstraße aus, an der das Wohngebäude rückgebaut werden soll. Ein weiteres
Mehrfamilienhaus entsteht im südlichen Vorhabensbereich. Beide Gebäude grenzen unmittelbar
an die östlich liegende Hofanlage an.
Mit Blick auf mögliche Vorkommen artenschutzrechtlich relevanter Arten sind folgende Auswirkungen des Vorhabens zu beachten:
20
4. Vorhabensbeschreibung
•
Flächeninanspruchnahme / Lebensraumverlust
Bau- und anlagebedingt kommt es zu Flächeninanspruchnahmen durch die entstehenden
Wohnhäuser, Stellplätze, Zuwegungen und das Rückhaltebecken. Es ist damit zu rechnen, dass der größte Teil des Vorhabensbereichs beansprucht wird. Lediglich der südlichste Teil, der von jungen Bäumen bestanden ist, kann soweit erhalten werden. Die Flächeninanspruchnahme führt zum Verlust von Gehölzen sowie von Gebäuden. Zudem
wird vorhabensbedingt die seitliche Fassade von Wohnhaus und Scheune des östlich
angrenzenden Hofs in Anspruch genommen, die einfliegbare Öffnungen für Vogel- und
Fledermausarten aufweist.
•
Eingriffe in den Grundwasserhaushalt
Durch die Bebauung und damit Versiegelung von Flächen kommt es zu einem veränderten Abflussverhalten des Oberflächenwassers, womit wiederum Wechselwirkungen auch
mit dem Grundwasser verbunden sind. Aufgrund der Tatsache, dass relativ geringe zusätzliche Flächenversiegelungen erwartet werden müssen, sind keine signifikanten Veränderungen in Bezug auf das Lebensrauminventar im Plangebiet und seiner Umgebung
zu erwarten. Auswirkungen auf artenschutzrechtlich relevante Arten können damit auch
ausgeschlossen werden. Der Wirkungspfad wird daher nicht weiter betrachtet.
•
Auswirkungen auf Oberflächengewässer
Oberflächengewässer werden vorhabensbedingt nicht überplant. Daher sind keine Eingriffe in Oberflächengewässer zu erwarten. Der Wirkungspfad wird nicht weiter verfolgt.
•
Stoffeinträge
Die nicht versiegelten Flächen im Plangebiet und seinem Umfeld werden größtenteils als
Gärten im Siedungsbereich genutzt, so dass keine besondere Empfindlichkeit zu erwarten ist. Beeinträchtigungen, die sich auf die Lebensraumeignung artenschutzrechtlich relevanter Arten auswirken, können im vorliegenden Fall ausgeschlossen werden. Der Wirkungspfad muss daher nicht weiter verfolgt werden.
•
Akustische Effekte (Verlärmung)
Wirkungen sind zum einen baubedingt, zum anderen durch den späteren Betrieb im
Plangebiet möglich.
21
4. Vorhabensbeschreibung
Schallimmissionen können nachhaltig negative Einflüsse auf Tierindividuen und
-populationen haben. Die Mehrheit der gut dokumentierten Effekte betrifft die Vogelwelt.
So gilt ein negativer Einfluss von Lärm auf die Siedlungsdichte bestimmter Brutvögel als
gesichert. Beschreibungen von Vogelarten, die nicht oder nur in besonders extremen Situationen lärmempfindlich sind, finden sich aber auch zunehmend. Für einige Arten spielt
Lärm, insbesondere wenn er als Dauerlärm wirksam wird, keine entscheidende Rolle
(vgl. GARNIEL et al. 2007). Reaktionen auf Lärm sind also artspezifisch und teilweise sogar individuell unterschiedlich und weiterhin abhängig von Intensität, Art und Dauer des
Lärms.
Auch Säugetiere können grundsätzlich aufgrund des hoch entwickelten Gehörsinns empfindlich gegenüber Lärm reagieren. Wie Vögel können sie sich aber ebenfalls an Schallpegel bzw. Schallereignisse in ihrem Lebensraum gewöhnen. Dennoch ist auch hier bei
einigen Arten anzunehmen, dass Lärm die akustische Wahrnehmung (Orientierung,
Kommunikation, Beutesuche) beeinträchtigen kann, insbesondere durch Maskierung.
Weiterhin kann Lärm zu Stressreaktionen führen, z.B. zu Verhaltensänderungen oder zu
Schreckreaktionen.
Das hier zur Bebauung vorgesehene Plangebiet liegt bereits in einem zumindest in Teilen
hochverdichteten Siedlungsraum. Betriebsbedingte Vorwirkungen durch die Nutzung von
Siedlungsräumen sind also vorhanden. Abgesehen von den baubedingten und damit zeitlich beschränkten Lärmwirkungen sind somit keine relevanten Zunahmen von Störwirkungen durch Lärm zu erwarten, da die kleinflächige Bebauung im Verhältnis zum bereits
bebauten und folglich genutzten Raum keine signifikanten Zunahmen von Störwirkungen
erwarten lässt. Der Wirkungspfad muss im vorliegenden Fall nicht weiter beachtet werden.
•
Optische Effekte
Optische Wirkungen auf Tierlebensräume können durch Gebäude entstehen, die aufgrund ihrer Silhouettenwirkung die Lebensraumeignung für Arten der offenen Landschaft
in ihrem näheren Umfeld beeinflussen.
Weiterhin kann die Anwesenheit von Menschen zu Störwirkungen auf Tiere führen. Empfindlich gegenüber solchen Störwirkungen sind u.a. Säugetiere und Vögel. Störungen
führen zu Energie- und Zeitverlust, sie verursachen Stress und lösen Flucht- oder Meideverhalten aus. Eine Störung unterbricht oder verändert andere Aktivitäten, wie Nahrungsaufnahme, Nahrungssuche, Putzen, Brüten, Ruhen, Fortpflanzung, Balz, Jungenaufzucht
(REICHHOLF 2001). Dies kann bei Einzeltieren zu einer Verminderung der Fitness führen,
22
4. Vorhabensbeschreibung
bei Betroffenheit mehrerer bzw. zahlreicher Individuen auch zu Beeinträchtigungen von
Populationen. Generell kann als belegt gelten, dass menschliche Störungen fast immer
zu negativen Auswirkungen auf Brut- und Rastvögel führen (KELLER 1995).
Gegenüber einer Annäherung von Fahrzeugen sind Tiere meist weniger empfindlich als
gegenüber aufrecht gehenden Personen („Kasteneffekt“). Insbesondere bei dauerhaften,
regelmäßigen Fahrzeugbewegungen kommt es zudem zu Gewöhnungseffekten. Dennoch gehen auch von Verkehr auf Straßen und Wegen optische Effekte auf Lebensräume aus (vgl. GARNIEL 2007).
Durch die Planung bedingte Zunahmen von Störwirkungen durch Menschen sind im Bereich des eigentlichen Plangebiets und seiner Umgebung nicht zu erwarten. Wie bereits
für die denkbaren Lärmwirkungen ausgeführt, wird das Gebiet bereits intensiv als Siedlungsraum genutzt. Die geplante Bebauung wird nicht zu relevanten Zunahmen von Störwirkungen führen. Der Wirkungspfad muss nicht weiter betrachtet werden.
•
Auswirkungen auf Lebensraumvernetzung und -verbund
Beeinträchtigung von Vernetzungs- und Verbundbeziehungen treten z.B. auf, wenn funktionale Zusammenhänge von Lebensräumen gestört werden (z.B. Trennung von Brutund Nahrungsräumen einer Tierart), wenn Tierwanderwege unterbrochen oder miteinander in Kontakt stehende Teilpopulationen durch ein Vorhaben voneinander getrennt werden (Barriereeffekte). Weiterhin können sich Auswirkungen auf Artvorkommen insgesamt
ergeben, wenn Teilpopulationen bestimmter Arten beeinträchtigt werden und dadurch die
Gesamtpopulation unter eine für den Fortbestand notwendige Größe sinkt. Im vorliegenden Fall ist evtl. die Bedeutung des zur Bebauung vorgesehenen Grundstücks als Trittstein für bestimmte an Gehölze oder Sträucher gebundene Arten zu beachten (z.B. potenzielle Zwischenquartiere von Fledermäusen).
•
Unmittelbare Gefährdung von Individuen
Eine unmittelbare Gefährdung von Individuen geschützter Arten kann bau- und betriebsbedingt eintreten. Baubedingt sind Tötungen oder Verletzungen von Tieren denkbar. So
würde die Beseitigung von Vegetationsstrukturen, in denen sich Nester mit Eiern oder
Jungtiere von Vögeln befinden, zur unmittelbaren Gefährdung dieser Tiere führen. Beim
Rückbau der Gebäude kann es zudem zur Tötung von Gebäudefledermäusen oder gebäudebrütenden Vogelarten kommen.
23
4. Vorhabensbeschreibung
Möglich sind darüber hinaus auch Verkehrsopfer durch den Fahrzeug- und Geräteeinsatz
im Vorhabensgebiet. Dieses Risiko ist auf weniger mobile und nicht flugfähige Arten beschränkt, etwa Amphibien. Die Geschwindigkeiten der Fahrzeuge sind i.d.R. zu gering,
um zu einem direkten Kollisionsrisiko für flugfähige Tiere (Fledermäuse und Vögel) zu
führen.
Die dargestellten Auswirkungen des Vorhabens sind Grundlage für die Konfliktprognose (siehe Kapitel 6.). Im Vordergrund bei dem hier zu prüfenden Vorhaben stehen hierbei insbesondere die Flächeninanspruchnahme und der damit einhergehende Verlust von Lebensräumen sowie die Gefährdung von Individuen.
24
5. Vorkommen artenschutzrechtlich relevanter Arten
5. Vorkommen artenschutzrechtlich relevanter Arten
Die nachfolgende Aufstellung betrifft Arten, die im Betrachtungsgebiet (Plangebiet) und der
unmittelbaren Umgebung für vorliegende Artenschutzprüfung (potenziell) vorkommen und
unter die artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände des § 44 Abs. 1 BNatSchG unter Berücksichtigung der Einschränkungen gemäß § 44 Abs. 5 BNatSchG fallen. Behandelt werden
daher folglich die Arten und Artengruppen, deren mögliche Betroffenheit über die Zulässigkeit des Vorhabens entscheidet (gemäß § 44 Abs. 5 BNatSchG sind dies die Arten nach Anhang IV der FFH-Richtlinie und die europäischen Vogelarten, vgl. Kapitel 1.2 und 2.1).
Die Methodik der Prüfung artenschutzrechtlicher Belange erfolgt nach den in Kapitel 3.1 dargestellten Kriterien und unter Berücksichtigung der in Kapitel 3.3 beschriebenen Datengrundlagen.
Die Auswertung der Landschaftsinformationssammlung des Landes NRW (LINFOS) erbrachte keine Hinweise auf Vorkommen planungsrelevanter Arten im Vorhabensbereich oder im
näheren Umfeld des Vorhabens.
5.1 Europäische Vogelarten
Wie bereits in Kapitel 3.3.1 dargestellt, wird die Zusammenstellung der potenziell betroffenen
Vogelarten anhand einer Potenzialabschätzung vorgenommen, bei der das Lebensraumangebot im Plangebiet mit den Ansprüchen und der Verbreitung der hierfür charakteristischen
Arten abgeglichen wird.
5.1.1 „Allerweltsarten“
Das auf der Vorhabensfläche zu erwartende Artenspektrum entspricht der vorhandenen Biotopausstattung. Die meisten potenziell vorkommenden Arten gehören zu den typischen Vogelarten der Gehölze, Gebüsche, Gärten und Parks. Die Vögel aus dieser ökologischen Gilde zeigen eine mehr oder weniger starke Bindung an Gehölze und sind hierbei aber nicht auf
bestimmte Lebensräume spezialisiert (etwa ältere Wälder). Meist zeichnen sich die Arten
durch eine geringere Störanfälligkeit aus, so dass sie regelmäßig auch in Gärten und Parks
von Siedlungen anzutreffen sind. Die Nahrungssuche kann im Offen- oder Halboffenland,
z.T. auch in Wäldern, stattfinden. Die Arten gehören zu den weit verbreiteten und häufigen
Vogelarten und gelten zudem als ungefährdet.
Aus der Gruppe der verbreiteten und ungefährdeten Brutvögel der Gehölze, Gebüsche,
Gärten und Parks sowie der Gebäudebrüter könnten im Vorhabensbereich folgende Arten
als Brutvogel auftreten:
25
5. Vorkommen artenschutzrechtlich relevanter Arten
Amsel (Turdus merula), Blaumeise (Parus caeruleus), Buchfink (Fringilla coelebs), Elster
(Pica pica), Gartengrasmücke (Sylvia borin), Girlitz (Serinus serinus), Grauschnäpper (Muscicapa striata), Grünling (Carduelis chloris), Hausrotschwanz (Phoenicurus ochruros), Haussperling (Passer domesticus), Heckenbraunelle (Prunella modularis), Kohlmeise (Parus major), Mauersegler (Apus apus), Mönchsgrasmücke (Sylvia atricapilla), Rabenkrähe (Corvus
corone), Ringeltaube (Columba palumbus), Rotkehlchen (Erithacus rubecula), Schwanzmeise (Aegithalos caudatus), Singdrossel (Turdus philomelos), Star (Sturnus vulgaris), Stieglitz
(Carduelis carduelis,), Zaunkönig (Troglodytes troglodytes). Zilpzalp (Phylloscopus collybita).
Rote Liste Status:
NRW: ungefährdet
Biologie/Verbreitung:
Sämtliche hier zusammengefassten Arten sind mehr oder weniger eng an Gehölze als Brutplätze gebunden. Dabei zeichnen sie sich durch eine nur mäßige Spezialisierung und eine
geringe Störanfälligkeit aus. Viele der Arten kommen in Gärten und Parks von Siedlungsbereichen vor. Sie sind alle ungefährdet und verbreitet und werden als „nicht planungsrelevant“
nach KIEL (2005) eingestuft.
Erhaltungszustand laut LANUV (2009) in der atlantischen Region Nordrhein-Westfalens:
Günstig
Da die hier zusammengefassten Arten sämtlich verbreitet und ungefährdet sind, gelten sie
nach KIEL (2005) nicht als „planungsrelevant“. Diese Arten werden bei LANUV (2009) folglich
auch nicht aufgeführt. Da es sich aber um Arten handelt, die in keine Kategorie der Roten
Listen eingeordnet sind, aktuell somit bei keiner Art eine Gefährdung anzunehmen ist, kann
landesweit wie für die atlantische Region des Landes NRW ein günstiger Erhaltungszustand
angenommen werden. Die Arten kommen in allen Bereichen in unterschiedlichen Dichten,
dabei häufig bis sehr häufig, vor.
5.1.2 Planungsrelevante Arten
Nachfolgend werden die potenziell vorkommenden Arten, die als „planungsrelevant“ im Sinne von KIEL (2005) einzustufen sind, näher beschrieben. Es handelt sich bei dieser Kategorie um streng geschützte Arten, gefährdete besonders geschützte Arten (nach Roter Liste
NRW oder D) sowie um Koloniebrüter.
26
5. Vorkommen artenschutzrechtlich relevanter Arten
Feldsperling (Passer montanus)
Rote Liste Status:
NRW: 3 – gefährdet (SUDMANN et al. 2008)
Der Lebensraum des Feldsperlings sind halboffene Agrarlandschaften mit einem hohen
Grünlandanteil, Obstwiesen, Feldgehölzen und Waldrändern. Darüber hinaus dringt er bis in
die Randbereiche ländlicher Siedlungen vor, wo er Obst- und Gemüsegärten oder Parkanlagen besiedelt. Anders als der nah verwandte Haussperling meidet er das Innere von Städten. Feldsperlinge sind sehr brutplatztreu und nisten gelegentlich in kolonieartigen Ansammlungen. Als Höhlenbrüter nutzten sie Specht- oder Faulhöhlen, Gebäudenischen, aber auch
Nistkästen. Die Brutzeit reicht von April bis August, wobei bis zu drei, selten sogar vier Bruten möglich sind. Die Nahrung besteht aus Sämereien, Getreidekörnern und kleineren Insekten. Feldsperlinge sind gesellig und schließen sich im Winter zu größeren Schwärmen zusammen (BAUER et al. 2005b, LANUV 2010).
In Nordrhein-Westfalen ist der Feldsperling in allen Naturräumen nahezu flächendeckend
verbreitet. Seit den 1970er-Jahren sind die Brutbestände durch intensive Flächennutzung
der Landwirtschaft und einen fortschreitenden Verlust geeigneter Nistmöglichkeiten stark
zurückgegangen. Der Gesamtbestand wird auf 103.000 Brutpaare geschätzt ((LANUV 2010,
WINK et al. 2005).
Erhaltungszustand laut LANUV (2010) in der atlantischen Region Nordrhein-Westfalens:
Günstig
Mögliches Vorkommen im Vorhabensgebiet
An der Grenze des Plangebietes ist der Feldsperling potenzieller Brutvogel, da die offenen
Fassadenstellen am östlich angrenzenden Hof (Wohnhaus, Scheune) potenzielle Brutplätze
darstellen.
Kuckuck (Cuculus canorus)
Rote Liste Status:
NRW: 3 – gefährdet (SUDMANN et al. 2008)
Den Kuckuck kann man in fast allen Lebensräumen, bevorzugt in Parklandschaften, Heideund Moorgebieten, lichten Wäldern sowie an Siedlungsrändern und auf Industriebrachen
antreffen. Der Kuckuck ist ein Brutschmarotzer. Das Weibchen legt jeweils ein Ei in ein fremdes Nest von bestimmten Singvogelarten. Bevorzugte Wirte sind Teich- und Sumpfrohsänger, Bachstelze, Neuntöter, Heckenbraunelle, Rotkehlchen sowie Grasmücken, Pieper und
Rotschwänze. Nach Ankunft aus den Überwinterungsgebieten erfolgt von Ende April bis Juli
27
5. Vorkommen artenschutzrechtlich relevanter Arten
die Ablage von bis zu 20 Eiern. Der junge Kuckuck wirft die restlichen Eier oder Jungen aus
dem Nest, und wird von seinen Wirtseltern aufgezogen. Spätestens im September sind die
letzten Jungen flügge (BAUER et al. 2005a, LANUV 2010).
In Nordrhein-Westfalen ist der Kuckuck in allen Naturräumen weit verbreitet, kommt aber
stets in geringer Siedlungsdichte vor. Die Brutvorkommen sind seit einigen Jahrzehnten
großräumig rückläufig, so dass sich im Bergland (v.a. Bergisches Land, Sauerland, Eifel)
mittlerweile deutliche Verbreitungslücken zeigen. Der Gesamtbestand wird auf etwa 6.000
Brutpaare geschätzt (LANUV 2010, WINK et al. 2005).
Erhaltungszustand laut LANUV (2010) in der atlantischen Region Nordrhein-Westfalens:
Günstig
Mögliches Vorkommen im Vorhabensgebiet
Im Plangebiet könnte der Kuckuck als Brutvogel vorkommen, da die Biotopstruktur zum Teil
seinen Ansprüchen genügt und er hier potenzielle Wirtsvogelarten antrifft (z. B. Heckenbraunelle, Rotkehlchen).
Nachtigall (Luscinia megarhynchos)
Rote Liste Status:
NRW: 3 – gefährdet (SUDMANN et al. 2008)
Nachtigallen sind Zugvögel, die als Langstreckenzieher in Afrika südlich der Sahara überwintern. In Nordrhein-Westfalen kommen sie als mittelhäufige Brutvögel vor. Die Art besiedelt
gebüschreiche Ränder von Laub- und Mischwäldern, Feldgehölze, Gebüsche, Hecken sowie
naturnahe Parkanlagen und Dämme. Dabei sucht sie die Nähe zu Gewässern, Feuchtgebieten oder Auen. Eine ausgeprägte Krautschicht ist vor allem für die Nestanlage, zur Nahrungssuche und für die Aufzucht der Jungen wichtig. Ein Brutrevier kann eine Größe zwischen 0,2-2 ha erreichen, bei maximalen Siedlungsdichten von über 10 Brutpaaren auf 10
ha. Das Nest wird in Bodennähe in dichtem Gestrüpp angelegt. Das Brutgeschäft beginnt im
Mai, spätestens im Juli sind die Jungen flügge (BAUER et al. 2005b, LANUV 2010).
In Nordrhein-Westfalen ist die Nachtigall im gesamten Tiefland sowie in den Randbereichen
der Mittelgebirge noch weit verbreitet. In den höheren Mittelgebirgslagen fehlt sie dagegen.
Die Bestände sind seit einigen Jahrzehnten großräumig rückläufig, wofür vor allem Lebensraumveränderungen sowie Verluste auf dem Zug und in den Winterquartieren verantwortlich
sind. Der Gesamtbestand wird auf etwa 11.000 Brutpaare geschätzt (LANUV 2010, WINK et
al. 2005).
28
5. Vorkommen artenschutzrechtlich relevanter Arten
Erhaltungszustand laut LANUV (2009) in der atlantischen Region Nordrhein-Westfalens
Günstig
Mögliches Vorkommen im Vorhabensgebiet
Im Plangebiet könnte die Nachtigall im südlichen Vorhabensbereich als Brutvogel auftreten.
Sie findet hier zwar in den recht jungen Sträuchern, die von Stangenholz durchzogen sind,
nur ein suboptimales Habitat, ein Vorkommen kann dennoch nicht vollkommen ausgeschlossen werden.
5.2 Fledermäuse
Das Wohngebäude im Vorhabensbereich weist zum Teil Spalten auf, die von kleineren Arten
als Quartier genutzt werden können. Auch die Schuppen und Anbauten können potenzielle
Quartiere darstellen. Aufgrund ihrer Struktur und der Tatsache, dass in und um die Gebäude
keinerlei Kot-, Urin- oder Talgspuren und auch keine Nahrungsreste von Fledermäusen festgestellt werden konnten, muss aber davon ausgegangen werden, dass sich hier höchstens
einzelne Tiere gelegentlich aufhalten.
Ein Vorkommen von Wochenstuben oder Überwinterungsquartieren kann dagegen in der
östlich angrenzenden Hofanlage nicht ausgeschlossen werden. Zwar eignet sich das von
allen Seiten einfliegbare Dach der Scheune aufgrund der mangelnden Isolationswirkung nur
als potenzielle Wochenstube, doch im Dach bzw. in der Wand des Wohnhauses ist sowohl
eine Überwinterung als auch eine Reproduktion nicht auszuschließen.
Für die folgenden planungsrelevanten Fledermausarten stellen der Vorhabensbereich sowie
das unmittelbare Umfeld einen geeigneten Teillebensraum dar, so dass ein Vorkommen
möglich ist:
Zwergfledermaus (Pipistrellus pipistrellus)
Rote Liste Status:
NRW: ungefährdet (MEINIG et al. 2010)
Zwergfledermäuse sind Gebäudefledermäuse, die in strukturreichen Landschaften, vor allem
auch in Siedlungsbereichen als Kulturfolger vorkommen. Als Hauptjagdgebiete dienen Gewässer, Kleingehölze sowie aufgelockerte Laub- und Mischwälder. Im Siedlungsbereich
werden parkartige Gehölzbestände sowie Straßenlaternen aufgesucht. Die individuellen
Jagdgebiete sind durchschnittlich 19 ha groß und können in einem Radius von 50 m bis zu
2,5 km um die Quartiere liegen. Als Sommerquartiere und Wochenstuben werden fast aus29
5. Vorkommen artenschutzrechtlich relevanter Arten
schließlich Spaltenverstecke an und in Gebäuden aufgesucht. Genutzt werden Hohlräume
unter Dachpfannen, Flachdächern, hinter Wandverkleidungen, in Mauerspalten oder auf
Dachböden. Die ortstreuen Weibchenkolonien bestehen in Nordrhein-Westfalen durchschnittlich aus mehr als 80 (max. 400) Tieren. Dabei werden mehrere Quartiere im Verbund
genutzt, zwischen denen die Tiere im Durchschnitt alle 11-12 Tage wechseln. Ab Mitte Juni
werden die Jungen geboren. Ab Anfang/Mitte August lösen sich die Wochenstuben wieder
auf. Gelegentlich kommt es im Spätsommer zu „Invasionen“, bei denen die Tiere bei der Erkundung geeigneter Quartiere zum Teil in großer Zahl in Gebäude einfliegen. Ab Oktober/November beginnt die Winterruhe, die bis März/Anfang April dauert. Auch als Winterquartiere werden oberirdische Spaltenverstecke in und an Gebäuden, außerdem natürliche
Felsspalten sowie unterirdische Quartiere in Kellern oder Stollen bezogen. Die Standorte
sind nicht immer frostfrei und haben eine geringe Luftfeuchte. Zwergfledermäuse gelten als
quartiertreu und können in traditionell genutzten Massenquartieren mit vielen tausend Tieren
überwintern. Bei ihren Wanderungen zwischen Sommer- und Winterquartier legen die Tiere
meist geringe Wanderstrecken unter 50 km zurück (DIETZ et al. 2007, LANUV 2010).
Die Zwergfledermaus gilt in Nordrhein-Westfalen aufgrund erfolgreicher Schutzmaßnahmen
derzeit als ungefährdet. Sie ist in allen Naturräumen auch mit Wochenstuben nahezu flächendeckend vertreten (LANUV 2010).
Erhaltungszustand laut LANUV (2009) in der atlantischen Region Nordrhein-Westfalens
Günstig
Mögliches Vorkommen im Vorhabensgebiet
Im Vorhabensbereich besitzt die Zwergfledermaus im Wohngebäude sowie in den Schuppen
und Anbauten potenzielle temporär genutzte Einzelquartiere. Von höherem Wert ist dagegen
die unmittelbar östlich angrenzende Hofanlage. Die vom Vorhabensbereich her einfliegbaren
Gebäude (Wohnhaus, Scheune) stellen potenzielle Fortpflanzungs- und Überwinterungsquartiere dar.
30
K ÖLNER B ÜRO
FÜR
F AUNISTIK
6. Konfliktprognose
6. Konfliktprognose: Betroffenheit artenschutzrechtlich relevanter
Arten
Auf Grundlage der Vorkommen artenschutzrechtlich relevanter Arten und der Darstellung der
vorhabenbedingten Wirkungen erfolgt eine Einschätzung der Betroffenheit dieser Arten
durch das geplante Vorhaben.
6.1 Maßnahmen zur Vermeidung und Minderung artenschutzrelevanter
Beeinträchtigungen
Ziel der Festlegung von Maßnahmen zur Vermeidung von artenschutzrelevanten Beeinträchtigungen ist es, das Eintreten der Verbotstatbestände des § 44 Abs. 1 BNatSchG zu verhindern. Maßnahmen zur Minderung artenschutzrechtlicher Beeinträchtigungen werden vor allem dann beachtet, wenn sie tatsächlich geeignet sind, Auswirkungen auf planungsrelevante
Arten soweit zu reduzieren, dass artenschutzrechtliche Verbotstatbestände nicht eintreten
werden. Hierzu zählen:
•
Baubedingt: Zeitliche Begrenzung der Inanspruchnahme von Vegetation und Boden.
Das Abtragen des Oberbodens und die Entfernung bestehender Vegetation müssen
außerhalb der Brut- und Aufzuchtzeit wildlebender Vogelarten stattfinden. Dies ist der
Zeitraum für Revierbesetzung, Balz und Brut bis zum Ausfliegen der Jungtiere. Hierdurch werden der Verlust von Individuen sowie die unmittelbare Beschädigung oder
Zerstörung von Nestern und Eiern brütender Vögel vermieden. Die sukzessiven
Maßnahmen zur Beseitigung der Vegetationsschicht sind außerhalb des Zeitraumes
1. März bis 30. September durchzuführen. Durch die zeitliche Begrenzung der Flächeninanspruchnahme wird vermieden, dass der Verbotstatbestand des § 44 Abs. 1
Nr. 1 BNatSchG (unmittelbare Gefährdung von Individuen inkl. ihrer Eier und Jungtiere) sowie des Artikels 5 a) und b) der Vogelschutzrichtlinie für wildlebende Vogelarten
eintritt.
•
Baubedingt: Sollte eine Flächeninanspruchnahme innerhalb der Brutzeit wildlebender
Vogelarten stattfinden, sind entweder vorher Maßnahmen zur Vermeidung einer
Brutansiedlung zu treffen (etwa durch Verminderung der Attraktivität von Flächen)
oder es ist eine ökologische Baubegleitung einzurichten, die sicherstellt, dass Brutvorkommen rechtzeitig identifiziert und geschützt werden können.
•
Baubedingt: Begrenzung der baubedingten Flächeninanspruchnahme: Die Flächeninanspruchnahme ist so zu begrenzen, dass ein zusätzlicher Flächenverbrauch, der
31
K ÖLNER B ÜRO
FÜR
F AUNISTIK
6. Konfliktprognose
über das eigentliche Plangebiet bzw. die vorgesehenen Baufelder hinausgeht, vermieden wird.
•
Baubedingt: Kontrolle der abzureißenden Gebäude auf Besatz mit Fledermäusen.
Die abzureißenden Gebäude sollten am besten in den Wintermonaten (außerhalb der
Wochenstubenzeit der Zwergfledermaus, also vor Juni oder nach August) zurückgebaut werden. Um zu vermeiden, dass es zu einer Betroffenheit von Fledermäusen
z.B. Einzeltieren in ihren Tagesverstecken, kommen kann, wird empfohlen, die Gebäude vor dem Abriss noch einmal durch einen Spezialisten begehen zu lassen, der
nach Spuren von Fledermäusen suchen sollte und so verhindern kann, dass die
Zwergfledermaus in ihrer Ruhestätte gestört oder sogar getötet wird.
•
Bau- und betriebsbedingt: Vermeidung unnötiger Licht- und Lärmemissionen. Die Beleuchtung von Baustellen, Baggern, Gebäuden u.a. kann Auswirkungen auf die
Verbreitung nachtaktiver Insekten haben. Dies wiederum kann sich auf das Nahrungsangebot artenschutzrechtlich relevanter Fledermausarten auswirken. Daher
sollte die Beleuchtung auf ein Mindestmaß beschränkt und, soweit möglich, nicht diffuse Lichtquellen verwendet werden.
6.2 Artenschutzrechtliche Prüfung nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 unter Berücksichtigung von Abs. 5 Satz 2 BNatSchG
Für alle Arten, die im Plangebiet festgestellt wurden bzw. dort potenziell vorkommen, kann
eine artenschutzrechtliche Betroffenheit aufgrund der Funktion des Vorhabensbereichs als
Lebensraum sowie aufgrund der Vermeidungs- und Minderungsmaßnahmen ausgeschlossen werden. Zudem besteht für die Arten, deren Brutplätze vorhabensbedingt verloren gehen
die Möglichkeit des Ausweichens auf benachbarte Biotope. Im Sinne von § 44 Abs. 5
BNatSchG bleibt somit die ökologische Funktion der Fortpflanzungs- und Ruhestätte im
räumlichen Zusammenhang erhalten.
6.2.1 Europäische Vogelarten
Bei den potenziell vorkommenden Vogelarten ist für solche Arten eine artenschutzrechtliche
Betroffenheit nicht gegeben, die lediglich als Nahrungsgäste im Plangebiet auftreten, da der
Verlust von Nahrungsflächen nach § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG grundsätzlich keine Relevanz hat. Etwas anderes könnte vorsorglich angenommen werden, wenn dieser Verlust zur
Aufgabe von Fortpflanzungsstätten führen würde, sich der Nahrungsraum also als essentiell
für diese Stätte darstellt. Im vorliegenden Fall kann dies ausgeschlossen werden, da ausreichend Ausweichlebensräume in der Umgebung vorhanden sind und das Plangebiet selbst
32
K ÖLNER B ÜRO
FÜR
F AUNISTIK
6. Konfliktprognose
mit den Grünflächen im Süden und den Gärten im Bereich der Wohnbebauung als Nahrungsraum weiterhin zur Verfügung stehen.
Eine Gefährdung von Nestern, Eiern oder Jungtieren könnte durch das Entfernen der Vegetation und das Roden von Sträuchern und Bäumen eintreten. Eine Beeinträchtigung von
Nestern, Eiern und Jungtieren wird dadurch vermieden, dass das Entfernen der im Vorhabensbereich vorkommenden Gebüsche und Gehölze außerhalb der Brut- und Aufzuchtzeiten
der wildlebenden Vogelarten stattfindet. In dem Fall, dass dies nicht möglich sein sollte, ist
eine vorherige Kontrolle der Vegetationsbestände vorzusehen. Alle hier zusammengefassten
Vogelarten sind in der Lage, an anderer Stelle neue Nester zu bauen. Damit könnte allerhöchstens eine Betroffenheit adulter Vögel verbleiben. Diese können aber bei Verlust ihrer
Lebensräume aktiv auf die Umgebung ausweichen. Ein Eintreten des Verbotstatbestands
der § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG kann unter Berücksichtigung der Vermeidungsmaßnahmen
also ausgeschlossen werden.
Eine artenschutzrechtliche Betroffenheit liegt auch beim Verlust von Fortpflanzungs- und
Ruhestätten im Sinne von § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG nicht vor, wenn im Sinne von § 44
Abs. 5 BNatSchG die ökologische Funktion der Fortpflanzungs- und Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang erhalten bleibt. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn ähnliche Habitatqualitäten (z.B. für die Anlage des Nests und die erfolgreiche Aufzucht der Jungvögel) für die betroffenen Individuen in der näheren Umgebung des Eingriffsbereichs in ausreichendem Umfang vorzufinden sind und davon ausgegangen werden kann, dass hier auch noch ein zusätzliches Besieldungspotenzial vorhanden ist. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu: Die
Umgebung des Plangebiets ist durch eine größtenteils lockere Bebauung mit gehölzbestandenen Gärten geprägt. Südwestlich des Plangebiets befinden sich entlang der Bahnlinie zudem weitere Gehölzbestände, die von den entsprechend angepassten Arten als Brutstätten
genutzt werden können. Dies gilt im vorliegenden Fall nicht nur für die verbreiteten und ungefährdeten Arten der Gehölze, sondern auch für die planungsrelevanten Arten Kuckuck,
Nachtigall und Feldsperling. Sämtliche durch den Verlust potenzieller Brutstätten betroffene
Vogelarten finden in der Umgebung der Plangebiets somit in größerem Umfang geeignete
Lebensräume vor, so dass die ökologische Funktion der Fortpflanzungs- und Ruhestätten im
räumlichen Zusammenhang weiterhin gewährt ist. Es verbleiben keine artenschutzrechtlichen Betroffenheiten für wildlebende Vogelarten.
6.2.2 Fledermäuse
Die potenziell vorkommende Zwergfledermaus) könnte die z.Z. vorhandenen Grünflächen
und Gehölzstrukturen im Plangebiet als Jagdlebensraum nutzen. Durch die Bebauung geht
ein Teil dieses Lebensraums verloren. Die entstehenden Gärten der Bebauung und das um33
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6. Konfliktprognose
fangreiche Lebensraumangebot in der Umgebung des Plangebiets stehen Fledermäusen
jedoch weiterhin zur Verfügung. Ein artenschutzrechtlich relevanter Konflikt ist mit dem Teilverlust des Jagdlebensraums somit nicht verbunden.
Quartiere von Fledermäusen im Bereich des Plangebiets konnten nicht festgestellt werden.
Diese sind an den bestehenden Gebäuden potenziell denkbar. Die Gebäude werden jedoch
vor dem Abriss noch einmal auf Vorkommen von Fledermäusen kontrolliert, so dass eine
unmittelbare Betroffenheit von Individuen ausgeschlossen werden kann. Damit verbleibt allerhöchstens eine vereinzelte potenzielle Betroffenheit von Einzelquartieren, die nicht sämtlich lokalisiert werden können. Hier können die betroffenen Tiere aber auf die Umgebung
ausweichen, da hier weiterhin ein großflächiges Lebensraumangebot zur Verfügung steht.
Ein artenschutzrechtlich relevanter Konflikt im Sinne des § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG (Zerstörung oder Beschädigung von Fortpflanzungs- oder Ruhestätten) ist unter Berücksichtigung des § 44 Abs. 5 BNatSchG (Erhalt der ökologischen Funktion der Fortpflanzungs- oder
Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang) somit auch für Fledermäuse auszuschließen.
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7. Prüfung der Ausnahmetatbestände
7. Prüfung von Ausnahmetatbeständen
Aus der vorliegenden artenschutzrechtlichen Betrachtung geht hervor, dass das Vorhaben
als zulässiger Eingriff einzustufen ist und im Sinne des § 44 Abs. 5 Satz 2, 3 BNatSchG keine Verbotstatbestände nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 BNatSchG eintreten, da die ökologischen Funktionen von Fortpflanzungsstätten der betroffenen Arten im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt werden (Kapitel 6.2). Da eine artenschutzrechtliche Betroffenheit
planungsrelevanter Arten auszuschließen ist, bedarf der Eingriff keiner Prüfung der Ausnahmetatbestände nach § 45 Abs. 7 BNatSchG.
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8. Artenschutzrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens
8. Zusammenfassung und Fazit: Artenschutzrechtliche Zulässigkeit
des Bebauungsplans Nr. 36 A, Stommeln, Stadt Pulheim
In der vorliegenden Artenschutzprüfung (ASP) wird dargestellt, ob und welche artenschutzrechtlichen Konflikte im Zusammenhang mit dem Bebauungsplan Nr. 36A, Hauptstraße 1418, Pulheim-Stommeln entstehen. Entsprechend den gesetzlichen Vorgaben (BNatSchG)
sind die europäischen Vogelarten und Anhang IV Arten der Flora-Fauna-Habitat Richtlinie
(FFH) zu berücksichtigen.
Grundlage der vorliegenden Bewertung ist eine Potenzialabschätzungen zum Vorkommen
artenschutzrechtlich relevanter Arten im Bereich und Umfeld des Plangebiets. Aufgrund der
begrenzten Biotopausstattung des Vorhabensbereichs und der innerstädtischen Lage
(Stichwort: Störungen) ist diese Vorgehensweise zur Ermittlung des Artenpotentials als ausreichend anzusehen.
Im Vorhabensgebiet ist mit Vorkommen der Zwergfledermaus und einiger wildlebender Vogelarten zu rechnen. Weitere artenschutzrechtlich relevante Arten sind hier nicht zu erwarten.
Für die beschriebenen Vogelarten, die den Vorhabensbereich potenziell nutzen, kann eine
artenschutzrechtliche Betroffenheit unter Berücksichtigung der formulierten Vermeidungsund Minderungsmaßnahmen ausgeschlossen werden. Dies gilt auch für die Fledermausart
Zwergfledermaus, die im Bereich des Plangebiets Quartiere nutzen könnte und hier einen
potenziellen Nahrungsraum findet.
Aus artenschutzrechtlicher Sicht ist der Bebauungsplan somit zulässig.
Für die Richtigkeit:
Köln, den 07.04.2011
_________________________
Dr. Claus Albrecht
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9.Literatur und sonstige Quellen
9. Literatur und sonstige verwendete Quellen
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ANDRETZKE, H., FISCHER, S., GEDEON, K., SCHIKORE, T., SCHRÖDER, K. & C. SUDFELDT
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BAUER, H.-G., BEZZEL, E. & FIEDLER, W. (2005b): Das Kompendium der Vögel Mitteleuropas.
Passeriformes – Sperlingsvögel. – 2. Aufl., Aula-Verlag, Wiebelsheim: 622 S.
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