Daten
Kommune
Erftstadt
Größe
22 kB
Datum
29.06.2010
Erstellt
18.06.10, 06:43
Aktualisiert
18.06.10, 06:43
Stichworte
Inhalt der Datei
STADT ERFTSTADT
öffentlich
Der Bürgermeister
B 202/2010
Az.:
Amt: - 32 BeschlAusf.: - 20 Datum: 24.03.2010
Beratungsfolge
Finanz- und Personalausschuss
Betrifft:
Termin
29.06.2010
Bemerkungen
beschließend
Anregung bzgl. Erhebung einer Verfassungsklage gegen finanziellen Auswirkungen
der Aufgabenzuweisungen des Landes NRW an die Stadt Erftstadt
Finanzielle Auswirkungen:
Unterschrift des Budgetverantwortlichen
Erftstadt, den 24.03.2010
Stellungnahme der Verwaltung:
Zum Themenkomplex im Bürgerantrag Die Linke. Stadtverband Erftstadt führt der Städte- und
Gemeindebund Nordrhein-Westfalen im Schnellbrief vom 21.04.2010 wie folgt aus:
„Derzeit wurden drei Verfassungsbeschwerden erhoben, eine Verfassungsbeschwerde wurde
zwischenzeitlich abschlägig beschieden.
Im Einzelnen:
1. Bei der Reform der Versorgungs- und Umweltverwaltung in Nordrhein-Westfahlen konnte zwischen
den kommunalen Spitzenverbänden und der Landesregierung keine Übereinstimmung in
konnexitätsrelevanten Punkten erzielt werden. Dies betraf insbesondere
-
die Regelungen im Fall des Personalübergangs,
die Höhe des Belastungsausgleiches,
die Verknüpfung des Belastungsausgleiches mit dem Personalübergang,
die Festlegung der Sachkontenpauschale von nur 10 % der fiktiven Personalkosten,
die
verfahrensmäßige
Einbindung
der
kommunalen
Spitzenverbände.
2. Gegen die diesbezüglichen Regelungen des Zweiten Gesetzes zur Straffung der Behördenstruktur
erhoben 19 Städte und zwei Kreise Verfassungsbeschwerde. Diese wurden vorbereitend durchgeführt
von Prof. Dr. Höfling. Die Verfassungsbeschwerden wurden am 23.03.2010 vom
Verfassungsgerichtshof abschlägig beschieden.
Zwei Aussagen in der zuvor zitierten Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes geben allerdings
Ansätze für weitere Verhandlungen mit der Landesregierung, die sich positiv auf weitere Verfahren
auswirken könnten:
Der Verfassungsgerichtshof hat darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber durch das
Konnexitätsprinzip verpflichtet ist, sich über die finanziellen Auswirkungen der gesetzlichen Regelung
auf Gemeinde und Gemeindeverbände klar zu werden und seine Erntscheidungsgrundlagen,
insbesondere zum Schutz der Kommunen, transparent zu machen. Hierbei seien an die zentralen, von
ihm selbst gesetzten Maßstäbe des Ausführungsgesetzes gebunden. Nur für die in diesem
Verfahren zum ersten Mal anstehende Entscheidung wurde eine „grobe Nachvollziehbarkeit“
akzeptiert. Künftig sei der Gesetzgeber jedoch gehalten, die Grundannahmen und
Berechnungen seiner Kostenprognose nicht nur grob, sondern im Einzelnen nachvollziehbar
offen zu legen.
Des Weiteren machte der Verfassungsgerichtshof deutlich, dass der Gesetzgeber zur Überprüfung
seiner Ansätze und ggf. zur Selbstkorrektur verpflichtet sei (Artikel 78 Abs. 3 Satz 4 Landesverfassung;
§ 4 Abs. 5 Konnexitätsausführungsgesetz).
3. Mit einer Verfassungsbeschwerde vom 09.11.2009 begehren 21 Städte und 2 Landkreise
festzustellen, dass die durch § 1 a Abs. 1 AG-KJHG vorgenommene Übertragung der Aufgaben der
örtlichen Jugendhilfe nach Maßgabe des Kinderförderungsgesetzes (Bundesgesetz) das
Konnexitätsgebot des Artikels 78 Abs. 3 Landesverfassung NRW verletzt, da eine gleichzeitige
Regelung über den finanziellen Belastungsausgleich nicht getroffen wurde.
Das zum Ende des Jahre 2008 in Kraft getretene Gesetz zur Förderung von Kindern unter drei Jahren
in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege führt zu einem erheblichen Ausbau der frühkindlichen
Förderung und Betreuung. Mit der Einführung eines Rechtsanspruches ab dem 01. August 2013 auf
eine entsprechende Förderung für Kinder vom vollendeten 1. bis zum vollendeten 3. Lebensjahr, aber
auch die Erweiterung der laufenden Geldleistungspflichten zugunsten der Tagespflegeperson um eine
hälftige Erstattung der Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung bedeuten eine qualitative
Neukonzeption der Kinderbetreuung. Gleichwohl ist weder eine Kostenfolgeabschätzung noch ein
Belastungsausgleich geregelt.
Die Verfassungsbeschwerde ist wie folgt begründet:
Dem Bund ist gemäß Artikel 84 Absatz 1 Satz 7 Grundgesetz im Zuge der Föderalismusreform I
untersagt,
Aufgaben
auf
die
Gemeinden
zu
übertragen.
Ob
und
wann
eine
landesverfassungsrechtliche Konnexitätsregelung reift, wenn der Bund eine Aufgabenumschreibung
vornimmt und die Aufgabenerfüllung den Ländern überlässt, ist im Einzelfall umstritten. Die
Verfassungsbeschwerde geht davon aus, dass Artikel 78 Absatz 3 umfassend auf eine Einbindung
aller landesrechtlichen Aufgabenzuweisungen abzielt, soweit den kommunalen Gebietskörperschaften
damit wesentliche Belastungen aufgebürdet werden. Der Landesgesetzgeber, der die Entscheidungen
trifft, dass eine neue Aufgabe nicht vom Lande selbst, sondern von den Kommunen erledigt werden
soll, setzt den entscheidenden Verursachungsbeitrag zur Auslösung finanzieller Mehrbelastungen und
aktiviert damit die Rechtsfolgen des Konnexitätsgebots.
Auf der Tatbestandsseite setzt Artikel 78 Abs. 3 die Übertragung einer neuen Aufgabe voraus. Dies
wird durch die Einführung eines flächendeckenden Beteiligungsanspruchs für Kinder zwischen einem
und drei Jahren durch das KIFÖG begründet. Diese neue Aufgabe wird durch § 1 a Abs. 1 AG-KJHG –
also einer Landesregelung – den Kommunen übertragen. Darüber hinaus setzt Artikel 78 Abs. 3 eine
wesentliche Belastung der betroffenen kommunalen Gebietskörperschaften durch die
Aufgabenübertragung voraus. Dies ist durch die Einbeziehung der hälftigen Kranken- und
Pflegeversicherungsbeiträge sowie die Erweiterung der Bedarfskriterien gegeben. Der Umstand, dass
das Gesetz erst ab dem 01.08.2013 den Rechtsanspruch auf frühkindliche Förderung begründet, steht
der Erfüllung des Tatbestandes nicht entgegen, da bereits im Vorfeld die Kommunen Kosten
hinsichtlich des Ausbaus des Angebots von Betreuungsplätzen haben. Darüber hinaus sind die
normativen Kriterien für die Inanspruchnahme von Betreuungsplätzen in der bis zum 31.07.2013
laufenden Ausbauphase erweitert worden. Entsprechendes gilt für die Pflicht zur hälftigen Erstattung
nachgewiesener Aufwendungen zu einer angemessenen Krankenversicherung und Pflegeversicherung
in der Tagespflege beschäftigten Personen.
-2-
Der Verfassungsgerichtshof für das Land NRW hatte dem Landtag und der Landesregierung NRW
Gelegenheit zur Stellungnahme zur Verfassungsbeschwerde mit einer Frist zum 01.02.2010
eingeräumt. Der seitens der Prozessbevollmächtigten der Landesregierung NRW gewünschten
Fristverlängerung bis 01.04.2010 ist der Verfassungsgerichtshof nachgekommen. Der
Rechtsausschuss des Landtages NRW hat sich in seiner Sitzung vom 13.01.2010 mit dem
verfassungsgerichtlichen Verfahren beschäftigt und einstimmig beschlossen, keine Stellungnahme zu
empfehlen. Der Landtag hat daraufhin in seiner Sitzung am 20.01.2010 beschlossen, zu dem
verfassungsrechtlichen Verfahren keine Stellungnahme abzugeben.
4. Der Kreis Recklinghausen und die Städte Castrop-Rauxel, Datteln, Dorsten, Gladbeck, Haltern,
Herten, Marl, Oer-Erkenschwick, Recklinghausen und Waltrop haben mit Datum vom 31.07.2009
Verfassungsbeschwerde gegen das GFG 2008 erhoben. Die §§ 2 Abs. 1,5 – 12 GFG verletzten das
Recht der Beschwerdeführer auf Selbstverwaltung aus Artikel 78, 79 Satz 2 Landesverfassung,
verstoßen gegen das rechtsstaatlich determinierte interkommunale Gleichbehandlungsgebot und
genügt nicht dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Im Einzelnen wird dargelegt, dass die kommunale Finanzausstattungsgarantie gemäß Artikel 28 Abs. 2
Satz 3 GG und Artikel 78, 79 Satz 2 Landesverfassung dann verletzt sei, wenn das
Selbstverwaltungsrecht ausgehöhlt und einer sinnvollen Betätigung der Selbstverwaltung die finanzielle
Grundlage entzogen werde. Dies ist aber nur der Fall, wenn den Gemeinden und Gemeindeverbänden
die Wahrnehmung freiwilliger Selbstverwaltungsangelegenheiten infolge einer unzureichenden
Finanzausstattung unmöglich werde. Den Gemeinden und Gemeindeverbänden müsse es zur
Ausfüllung ihrer Selbstverwaltungsautonomie möglich sein, neben den Pflichtaufgaben auch einen
Mindestbestand an freiwilligen Ausgaben erfüllen zu können. Dass dies für die beschwerdeführenden
Städte und Gemeinden und den Kreisen nicht mehr möglich ist, wird im Einzelnen dargelegt. Die
Verfassungsbeschwerde geht auch auf den Aspekt ein, dass gem. Artikel 79 Abs. 2 Landesverfassung
NRW das Land verpflichtet sei, im Rahmen seiner finanziellen Leistungsfähigkeit einen
gemeindlichen Finanzausgleich zu gewährleisten. Hierzu wird vorgetragen, dass es keine Begrenzung
durch Leistungsfähigkeit des Landes geben könne, da die Gewährleistung der finanziellen
Mindestausstattung nicht unter dem Vorbehalt der Leistungskraft des Landes stehe, sondern
leistungskraftunabhängig sei. Zur Bestätigung dieser Rechtsauffassung werden verschiedene Urteile
der Verfassungsgerichtshöfe anderer Bundesländer herangezogen. Der Verfassungsgerichtshof NRW
hat bislang in seiner Rechtsprechung jedoch an dem Kriterium der finanziellen Leistungsfähigkeit des
Landes festgehalten“.
Den vorgenannten Ausführungen lässt sich entnehmen, dass bereits Verfassungsbeschwerden
anhängig bzw. beschieden wurden. Im Falle einer Stattgabe der Verfassungsbeschwerden ergäbe
sich die Verpflichtung des Landes zur gesetzlichen Änderung, welche dann für alle betroffenen
Kommunen Rechtswirkungen entfalten würde. Insoweit halte ich die politische Diskussion über eine
auskömmliche
finanzielle
Ausstattung
der
Kommunen
für
aussichtsreicher
als
ein
Verfassungsstreitverfahren,
da
nach
meiner
Einschätzung
eine
Inflationierung
von
Verfassungsbeschwerden nicht zu dem gewünschten Erfolg führt. Eine Verfassungsbeschwerde bedarf
zudem einer sehr sorgfältigen Vorbereitung und der Hilfestellung eines geeigneten Prozessvertreters.
Die hiermit verbundenen Kosten bewegen sich im 5stelligen Bereich. Wäre der Weg der
Verfassungsbeschwerde allein gestützt auf den Vortrag, die Finanzausstattung der Kommunen sei
unzureichend, von vornherein erfolgreich, würde er vermutlich längst beschritten sein; insbesondere
die überschuldeten Städte würden ihn gewählt haben.
Zu begrüßen ist, dass die politische Diskussion über die Grundfragen der kommunalen
Finanzausstattung sowohl auf der Ebene des Bundes wie auf der Ebene des Landes in ein konkretes
Stadium getreten ist. Die Bundesregierung hat die Forderung der drei kommunalen Spitzenverbände
- Deutscher Städtetag, Deutscher Landkreistag, Deutscher Städte- und Gemeindebund – aufgegriffen
und am 24.02.2010 beschlossen, eine Gemeindefinanzkommission einzusetzen. Ihr gehören neben
Vertretern des Bundes Vertreter der Länder und die Präsidenten der drei kommunalen
Spitzenverbände an. Die Bundesregierung hat den Auftrag der Kommission weit gesteckt. Sie soll sich
-3-
mit dem Prüfauftrag des Koalitionsvertrages befassen und Vorschläge zur Neuordnung der
Gemeindefinanzierung erarbeiten.
Darüber sollen von der Kommission
Selbstverwaltung erarbeitet werden“.
„Handlungsempfehlungen zur Stärkung der kommunalen
Nach allem empfiehlt die Verwaltung, dem Antrag nicht zu entsprechen
(Dr. Rips)
-4-