Daten
Kommune
Pulheim
Größe
143 kB
Datum
30.06.2011
Erstellt
27.06.11, 11:09
Aktualisiert
27.06.11, 11:09
Stichworte
Inhalt der Datei
Stadt Pulheim
Der Bürgermeister
V o r l a g e Nr:
Zur Beratung/Beschlussfassung an:
Gremium
Jugendhilfeausschuss
II / 51
(Amt/Aktenzeichen)
Termin
30.06.2011
ö. S.
X
225/2011
nö. S. TOP
Herr Termath
(Verfasser/in)
01.06.2011
(Datum)
BETREFF:
Information zum neuen Bundeskinderschutzgesetz
Veranlasser:
Verwaltung
MITTEILUNG:
Seit einigen Jahren steht im Mittelpunkt der politischen Bestrebungen eine stärkere gesetzliche Normierung, bzw. Reglementierung des Kinderschutzes und eine stärkere Vernetzung der Akteure, insbesondere zwischen der Jugendhilfe
und dem Gesundheitssystem.
Das Bundeskabinett hat am 16.03.2011 das von Bundesfamilienministerin Schröder vorgelegte Bundeskinderschutzgesetz beschlossen. In zahlreichen Regelungen werden neue Verfahrens- und Personalstandards gesetzt, die insbesondere an die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe gerichtet sind. Zusätzlich werden die Aufsichts- und Kontrollpflichten der Jugendämter erweitert.
Die durch das Gesetz entstehenden jährlichen Mehrkosten beziffert das Bundesfamilienministerium auf 122 Mio €. Der
Bund selbst wird hiervon ausschließlich für die Etablierung der Familienhebammen jährlich 30 Mio € zur Verfügung
stellen, und dies auch nur zeitlich befristet auf 4 Jahre.
Der Gesetzentwurf beinhaltet im Überblick:
die Einrichtung von Netzwerken im Kinderschutz auf der örtlichen Ebene
den Ausbau von Hilfen zur Stärkung der elterlichen Erziehungskompetenz während der Schwangerschaft und in
den ersten Lebensjahren des Kindes (Frühe Hilfen)
eine weitere Qualifizierung des Schutzauftrages des Jugendamtes bei Kindeswohlgefährdung
die Verbesserung der Zusammenarbeit der Jugendämter zum Schutz von Kindern, deren Eltern sich durch Wohnungswechsel der Kontaktaufnahme entziehen wollen (sog. Jugendamts-Hopping)
eine bundeseinheitliche Regelung der Befugnisse zur Weitergabe von Informationen an das Jugendamt
die Verpflichtung der öffentlichen Träger der Jugendhilfe zur Qualitätsentwicklung sowie zum Abschluss von entsprechenden Vereinbarungen mit der freien Jugendhilfe als Grundlage für die Finanzierung
die Verpflichtung zur Vorlage erweiterter Führungszeugnisse für alle in der Jugendhilfe beschäftigten Personen
sowie das Personal in den erlaubnispflichtigen Einrichtungen
die Verpflichtung der Träger der öffentlichen Jugendhilfe, mit den Trägern der freien Jugendhilfe Vereinbarungen
über die Tätigkeiten zu treffen, bei denen die Vorlage erweiterter Führungszeugnisse auch durch ehrenamtlich tätige Personen notwendig ist
Der Entwurf des BKiSchG als sog. Artikelgesetz gliedert sich in:
1. Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz - KKG
2. Änderung des SGB VIII, Kinder- und Jugendhilfegesetzes ( und anderen Gesetzen)
-1-
1. Wesentliche Inhalte des Gesetzes zur Kooperation und Information im Kinderschutz
§ 1 Kinderschutz und staatl. Mitverantwortung
Frühe Hilfen werden als spezifische Ausprägung des staatlichen Wächteramtes eingestuft.
Kern ist die Vorhaltung eines möglichst frühzeitigen, koordinierten und multiprofessionellen Angebotes für Mütter und
Väter sowie schwangeren Frauen und werdenden Vätern im Hinblick auf die Entwicklung von Kindern vor allem im
ersten Lebensjahr.
§ 2 Informationen der Eltern über Unterstützungsangebote in Fragen der Kindesentwicklung
Mit dieser neuen Regelung sollen Eltern sowie werdenden Müttern und Vätern Informationen über Leistungsangebote
im örtlichen Einzugsbereich zur Beratung und Hilfe in Fragen der Schwangerschaft, Geburt und der Entwicklung des
Kindes in den ersten Lebensjahren informiert werden.
Zu diesem Zweck sind die nach Landesrecht für die Information der Eltern zuständigen Stellen befugt, den Eltern ein
persönliches Gespräch anzubieten. Dieses kann auf Wunsch der Eltern in ihrer Wohnung stattfinden. Sofern Landesrecht keine andere Regelung trifft, bezieht sich die Befugnis auf die örtlichen Träger der Jugendhilfe.
Die Entwicklung der „Frühen Hilfen“ wurde in Pulheim schon ab 2007 im Rahmen der Teilnahme an dem NeFF-Projekt
(Netzwerk Frühe Förderung) des Landesjugendamtes aufgenommen. Seinerzeit wurden als freiwillige Leistung das sog.
„Babybegrüßungspaket“ und die Broschüre „Willkommen im Leben“ entwickelt.
Die Verteilung erfolgt durch ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Durch die gesetzliche Neuregelung werden die Informations- und Beratungsangebote für (werdende) Eltern und der
Aufbau verbindlicher Strukturen der Zusammenarbeit der zuständigen Leistungsträger und Institutionen im Kinderschutz
zu Pflichtleistungen, -aufgaben des Jugendamtes und in einem erheblichen Umfang ausgeweitet.
§ 3 Rahmenbedingungen für verbindliche Netzwerkstrukturen im Kinderschutz
Auf der Ebene der örtlichen Träger der Jugendhilfe sollen Netzwerke organisiert werden, die alle wichtigen Akteure im
Kinderschutz zusammenführt. Aufgabenstellung ist die
gegenseitige Information über das jeweilige Angebots- und Aufgabenspektrum
Klärung struktureller Fragen der Angebotsgestaltung und –entwicklung
Abstimmung der Verfahren zum Kinderschutz
So sollen Kindern und Familien möglichst effektiv individuelle Hilfen rund um die Geburt und die ersten Lebensjahre
geboten werden.
Die Netzwerke sollen durch den Einsatz von Familienhebammen gestärkt werden. Im Rahmen eines Bundesmodellprojektes werden ab 2012 für einen Zeitraum von 4 Jahren jährlich 30 Mio. € Bundesmittel zur Verfügung gestellt.
Der Aufbau funktionierender Netzwerke in den Aufgaben des Kinderschutzes und der frühen Hilfen erfolgt in Pulheim
ebenfalls seit geraumer Zeit. Aktuell ist für den 18. Mai ein Pulheimer Fachforum in Planung zum Thema „Netzwerke
Frühe Hilfen“. Hier sind Akteure der Jugend- und Gesundheitshilfe sowie aus dem Bildungsbereich eingeladen mit dem
Ziel, die Kooperationen zu verbessern und eine bedarfsorientierte Weiterentwicklung der vorhandenen Präventionskette
zu erarbeiten.
-2-
§ 4 Beratung und Übermittlung von Informationen durch Geheimnisträger bei
Kindeswohlgefährdung
Verpflichtung von sog. Berufsgeheimnisträgern zur Beratung von Eltern, Kindern/Jugendlichen bei gewichtigen
Anhaltspunkten von Kindeswohlgefährdungen
Berufsgeheimnisträger haben zur Einschätzung der Kindeswohlgefährdung gegenüber dem Träger der öffentlichen
Jugendhilfe (Jugendamt) Anspruch auf Beratung durch eine insoweit erfahrene Fachkraft.
Es besteht die Befugnis zur Datenweitergabe an das Jugendamt, wenn ein Tätig werden für dringend erforderlich
erachtet wurde und eine Gefährdung auf eine andere Weise nicht abgewendet werden kann.
2. Die wichtigsten Änderungen des SGB VIII
§ 8 a Pflicht des Jugendamtes zum Hausbesuch bei Erforderlichkeit zur fachlichen
Einschätzung im Einzelfall
Von erheblicher Bedeutung für die Praxis der Jugendämter ist die Einführung des obligatorischen Hausbesuches. Um
die Lebenssituation eines Kindes zu beurteilen, müssen Hausbesuche durchgeführt werden, sofern sie nach fachlicher
Einschätzung erforderlich sind und den Schutz des Kindes nicht gefährden.
Eingefügt wird in Abs. 5 die Verpflichtung jedes Jugendamtes zur Übermittlung bekannt gewordener Anhaltspunkte für
eine Kindeswohlgefährdung an das zuständige Jugendamt zur Wahrnehmung des Schutzauftrages.
§ 8 b Fachliche Beratung und Begleitung zum Schutz von Kindern und Jugendlichen
Diese neu eingefügte Vorschrift begründet einen Rechtsanspruch auf Beratung durch eine insoweit erfahrene Fachkraft
des Jugendamtes (bei Kindeswohlgefährdungen im Einzelfall) für alle Personen, die in beruflichen Kontakt mit Kindern
und Jugendlichen stehen.
In Erweiterung der schon bestehenden beratenden und prozessbegleitenden Aufgaben gegenüber Fachkräften in den
Einrichtungen und Diensten der Kinder- und Jugendhilfe, entsteht hiermit die Erweiterung des Beratungsanspruches
auch gegenüber außerhalb des Systems der Kinder- und Jugendhilfe tätigen Berufsgruppen die im Kontakt mit Kindern
und Jugendlichen stehen.
„Diesen Berufsgruppen räumt die Vorschrift einen Rechtsanspruch auf Beratung gegenüber dem örtlichen Träger der
öffentlichen Jugendhilfe (Jugendamt) ein, der im Rahmen der Gesamtverantwortung zur Vorhaltung eines entsprechenden Pools an Fachkräften verpflichtet ist.“
(S. 38, Gesetzesbegründung zum Kabinettsentwurf vom 16.03.2011)
§ 16 Konkretisierung der Regelungen zur allgemeinen Förderung der Erziehung in der Familie
Ergänzt wird der Beratungsauftrag des Jugendamtes durch die Einfügung eines neuen Absatz 3 in den § 16 SGB VIII.
Demnach sollen Müttern und Vätern sowie schwangeren Frauen und werdenden Vätern Beratung und Hilfe in Fragen
der Partnerschaft und des Aufbaus elterlicher Erziehungs- und Beratungskompetenz angeboten werden.
Hierdurch erfolgt eine ausdrückliche Erweiterung des Adressatenkreises auf werdende Eltern und eine Konkretisierung
des Leistungsinhaltes im Hinblick auf die Bedarfslagen von (werdenden) Eltern, die in der Zeit der Schwangerschaft und
in den ersten Jahren nach der Geburt über die materielle Unterstützung hinaus bedeutsam sein können.
§ 72 a Tätigkeitsausschluss einschlägig vorbestrafter Personen
Mit der Neufassung erfolgt
ein Verbot der Beschäftigung einschlägig vorbestrafter Personen
die Verpflichtung zur Vorlage erweiterter Führungszeugnisse
- für die (hauptberufliche) Beschäftigung in der Kinder- und Jugendhilfe
- für die Erteilung einer Erlaubnis für den Betrieb einer Einrichtung
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Verpflichtung zum Abschluss von Vereinbarungen mit freien Trägern zur Bestimmung
der Tätigkeiten ehrenamtlich tätiger Personen, die nur nach Einsichtnahme in ein erweitertes Führungszeugnis
wahrgenommen werden dürfen.
§§ 79, 79 a Qualitätsentwicklung in der Kinder- und Jugendhilfe
Durch die Neuformulierung des Abs. 2 im § 79 wird die kontinuierliche Qualitätsentwicklung Teil der Gewährleistungspflicht des öffentlichen Trägers.
Neu eingefügt wird der § 79 a mit dem Inhalt :
Verpflichtung des öffentlichen Trägers zur Entwicklung, Anwendung und Überprüfung von Grundsätzen und Maßstäben für die Bewertung der Qualität sowie geeigneter Maßnahmen zur ihrer Gewährleistung in den einzelnen
Aufgabenbereichen
Abschluss von Vereinbarungen mit freien Trägern über die Qualitätsentwicklung
Kostenpositionen aus der Sicht der Bundesregierung (in Mio € pro Jahr)
Anspruch der Gesundheitsberufe auf Hinzuziehung von Kinderschutzfachkräften
Qualifizierung des Schutzauftrages örtl. und überörtl. Träger je 1 Mio
Ausbau früher Hilfen nach § 16 SGB VIII
Prüfung der Eignung ehrenamtl. tätiger Personen
Qualitätsentwicklung (2012 / 2013 je 50 Mio €)
Einsparung durch Streichung von § 86 Abs. 6
Gesamtkosten
20
2
30
5
10
-3
64
Zeitplan
Regierungsentwurf
1. Durchgang Bundesrat
Anschließend Lesung Bundestag
Geplantes Inkrafttreten
16. März 2011
27. Mai 2011
01. Januar 2012
Fazit und Konsequenzen für das Jugendamt Pulheim
Aufgabenerweiterung im § 8a durch verpflichteten Hausbesuch, auch für freie Träger,
Struktur der vorhandenen Kooperationsvereinbarungen ist allerdings sehr gut ausgebaut
Aufgabenausweitung und Personalbedarf durch Rechtsanspruch gegen den öffentlichen Träger auf Beratung
(§ 4 KKG, § 8 b SGB VIII)
notwendiger Ausbau der Frühen Hilfen ( § 2 KKG, § 16 SGB VIII) erzeugen zusätzlichen Personal- und Finanzierungsbedarf
Verbindliche Netzwerkstrukturen und Qualitätsentwicklung (§ 3 KKG und §§ 79, 79a SGB VIII) Umstrukturierung
innerhalb des Jugendamtes und personellen Ausbau
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