Daten
Kommune
Pulheim
Größe
14 kB
Datum
09.09.2010
Erstellt
11.10.10, 18:49
Aktualisiert
11.10.10, 18:49
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Inhalt der Datei
„Unerzogen erzogen“
(Arbeitstitel)
Konzeption für ein Dokumentartheater – Projekt
zu einem aktuellen gesellschaftlichen Thema
„Unerzogen erzogen“ ist ein Theaterprojekt der Regisseurinnen Nina Gühlstorff und
Dorothea Schroeder, das sich ausgehend von den persönlichen Erinnerungen der
Bewohner und Mitarbeiter des „Dansweiler Hofs“ in Pulheim, seit 1954 als
Kinderheim genutzt, Fragen zur heutigen Praxis der Erziehung stellt. Dieses
Dokumentartheater-Projekt wird von Laiendarstellern, bzw. Betroffenen und
professionellen Künstlern gleichermaßen erarbeitet.
In den Erziehungsmaximen einer Zeit spiegelt sich das jeweilige Menschenbild
wieder. Als der „Dansweiler Hof“ 1954 gegründet wurde, wandte man Methoden an,
die im Rückblick erschüttern.
Der autoritäre Erziehungsstil der Vorkriegs- und Kriegszeit wurde weitgehend
ungefragt übernommen, der selbst erlittene Verzicht der Erwachsenen zum Ideal
erhoben und aufkeimende Individualität der Heranwachsenden nicht selten mit
körperlicher Züchtigung beantwortet.
Heute stehen die Erziehungswissenschaften und mit ihm das Bildungssystem –
glücklicherweise - vor anderen Problemen und doch bleibt immer dieselbe Frage im
Zentrum:
„Was für Menschen wollen wir heranbilden?“
Das deutsche Theater beruft sich auf eine Tradition der erzieherischen Wirkung,
Schillers Definition der „Schaubühne als moralische Anstalt“ wird viel zitiert und gilt
bis heute. Hier treffen sich Theaterschaffende und Pädagogen und stellen die Frage:
„Erziehung zu was?“
„Unerzogen erzogen“ macht Erziehung nicht zu einem Problem „bildungsferner“
Schichten, die ihre Kinder „verwahrlosen“ lassen - eine Argumentation, die die
Fragestellung zu einer rein sozialen marginalisieren würde -, sondern untersucht die
Korrelation unserer gesellschaftlichen Entwicklung mit Erziehung. Pädagogik bleibt
immer ein Kind der Zeit, trotzdem erziehen wir für die Zukunft.
„Unerzogen erzogen“ untersucht die Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis in den
Heimen, Schulen, Kindergärten, in den Familien, in der Gesellschaft und in unseren
Köpfen im Jahr 2011.
Lehrer sind heute nicht mehr nur Wissensvermittler, sondern müssen Kindern vor
allem auch „soft skills“ vermitteln: Kommunikationsfähigkeit, Empathie und
gesellschaftlichen Verhaltenskodex, eine Aufgabe, die früher die Eltern für sich
beansprucht haben. Wie muss sich daher unser Bildungssystem ändern? Wie viel
Verantwortung können die Lehrer übernehmen, wie viel die Eltern? Oder ist
Erziehung nicht eine gesamtgesellschaftliche, tagtägliche Aufgabe von jedem
einzelnen Bürger?
Auf welche Werte können wir uns in einer internationalen Welt einigen, wie
integrieren wir Menschen aus unterschiedlichen kulturellen Umfelden?
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Und – wenn man die jungen Menschen mal selber fragt: Wozu möchten sie
überhaupt erzogen werden? Wie erleben/erlebten sie gestern und heute Erziehung?
Nina Gühlstorff und Dorothea Schroeder arbeiten seit ihrem Diplom an der Münchner
Theaterakademie „August Everding“ in der Schnittmenge künstlerischer und
gesellschaftlicher Fragestellungen. So entstanden z.B. die Stationentheaterstücke
„Zu Gast in Mettmann“ im Jahr 2007 zum Thema „Migration“ und 2010 „Der Dritte
Weg – eine theatrale Demonstration“ zu „20 Jahre Grenzöffnung“ in Jena, die von
Schauspielern und sogenannten Experten präsentiert wurden.
Nach einer umfangreichen Recherche vor Ort im Frühjahr 2011, wird im Sommer
eine Probenphase folgen, die Laien und professionelle Schauspieler
zusammenbringt.
Die Regisseurinnen und ihr Team werden Pulheimer Jugendliche aller Schichten,
ehemalige Bewohner und Mitarbeiter des Dansweiler Hofes und Pädagogen
unterschiedlicher
Bildungseinrichtungen
befragen,
um
das
Verhältnis
Schutzbedürftiger - Erzieher genauer zu untersuchen. Aus den Interviews werden
Texte entstehen und in Form eines Stationentheaterstückes präsentiert: In
zahlreichen Lerneinrichtungen in Pulheim, die mit Bussen angefahren werden,
werden Monologe und Szenen dargestellt. Hauptakteure werden Pulheimer
Jugendliche sein, die sich nicht ausschließlich aus einer Schule oder „Szene“
rekrutieren, sondern sich aus verschiedenen Stadtteilen und Hintergründen
zusammenfinden. Jugendliche, die „verhaltensauffällig“ sind und solche, die
darstellerisches Interesse haben, sind gleichermaßen essenziell für das Projekt.
Eine herausragende Zielsetzung diese Projektes ist somit über die aktivierende
Beteiligung von Kindern, Jugendlichen und „Erziehenden“ den Dialog zwischen den
Beteiligten zu fördern, (auch) ehemalige Betroffene aus dem „Dansweiler Hof“ und
junge Menschen von heute zu Wort kommen zu lassen.
Bei „Unerzogen erzogen“ erfährt der Zuschauer eine Zeitreise, hört unbekannte, fast
schon verstorbene Geschichten, finden sich in Situationen sowohl von Lernenden als
auch von Erziehern wieder, muss hinter die Kulissen gucken, wird mehr und mehr
zum Akteur und sieht sich schließlich mit den Schutzbedürftigen von heute
konfrontiert und stellt fest, dass doch alles ganz anders ist, als man bisher geglaubt
hat.
Während des gesamten Projektzeitraumes wird in der Phase der Recherche, der
Proben und der Aufführungen prozesshaft beteiligungsorientiert gearbeitet.
Im Anschluss an die Aufführungsphase ist vorgesehen, in einem Auswertungstreffen
mit allen Akteuren einen Rückblick auf das Geschehene zu werfen und gemeinsam
nachhaltige Handlungsfelder, bzw. Aktivitäten zu entwickeln.
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Kurzbiografien von Nina Gühlstorff und Doro Schröder
Nina Gühlstorff wurde 1977 in Ratzeburg (Schleswig-Holstein) geboren. Nach
einem einjährigen Polenaufenthalt studierte sie Musik- und Sprechtheaterregie an
der Bayerischen Theater-Akademie „August Everding“. Seit ihrem Diplom 2001
arbeitet sie als freie Regisseurin in Dresden, Heidelberg, Osnabrück, Halle,
Augsburg, Tübingen, Konstanz, Salzburg, Basel. Neben ihrer Spezialisierung auf
zeitgenössische Dramatik macht sie, gemeinsam mit Dorothea Schroeder und dem
Nyx e.V., seit 2004 vermehrt dokumentarische Stückentwicklungen.Im Jahr 2002
absolvierte Nina Gühlstorff ein Gastsemester am Moskauer Theaterinstitut GITIS.
Dorothea Schroeder wurde in Mettmann (Nordrhein-Westfalen) geboren. Nach
mehreren Hospitanzen, Assistenzen und längerer humanitärer Arbeit in einem
kroatischen Flüchtlingslager, begann sie 1997 das Regiestudium (Sprech- und
Musiktheater) an der Bayerischen Theaterakademie August Everding in München
und schloss dieses im Jahr 2001 mit dem Diplom ab. Seither arbeitet Dorothea
Schroeder als freie Regisseurin im Schauspiel und Musiktheater u.a. in Erlangen,
Halle, München, Osnabrück, Augsburg, Linz, Berlin, Hannover, St. Gallen,
Heidelberg und in Belgrad. Im Frühjahr 2003 absolvierte sie ein Gaststudium am
Theaterinstitut GITIS in Moskau. Mit Nina Gühlstorff gemeinsm führt sie
soziokulturelle Projekte mit professionellen Schauspielern und Laiendarstellern durch
und leitet regelmäßig das Festival für zeitgenössische Dramatik „Spieltriebe“ am
Theater Osnabrück.
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