Daten
Kommune
Erftstadt
Größe
728 kB
Datum
30.06.2009
Erstellt
29.06.09, 07:19
Aktualisiert
29.06.09, 07:19
Stichworte
Inhalt der Datei
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Stadt Erftstadt
Herrn
Bürgermeister Ernst-D. Bösche
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50374 Erftstadt
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Telefon (02 21) 2 57 61-11/-12
~. Fax (0221) 25 54 62
\ www.dioezesanratde
kontakt@dioezesanratde
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Breite Straße 106
50667 Köln
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IM ERZBISTUM KÖLN
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12. März 2009/1'
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Bitte um Beschluss des Rates zur Einführung des so g~n'g.nten "fairen
Beschaffungswesens"
Sehr geehrter Herr Bürgermeister
Bösche,
nach Informationen, die dem Diözesanrat der Katholiken im Erzbistum Köln als dem
Zusammenschluss aller organisierten und nicht organisierten katholischen
Laienchristen in unserem Bistum vorliegen, ist in Ihrer Stadtverwaltung noch kein
Beschluss zum so genannten "fairen Beschaffungswesen"
gefällt worden. Wir
würden es sehr begrüßen, wenn Sie einen solchen Ratsbeschluss - hierzu legen wir
Ihnen den Ratsbeschluss der Stadt Neuss als Vorlage bei - herbeiführen könnten.
Nachfolgend
eine kurze Begründung für dieses Anliegen:
Zu Beginn des Fairen Handels spielten ökologische Kriterien so gut wie keine Rolle.
Der Schwerpunkt lag auf der Verbesserung der ökonomischen und sozialen Lebensund Arbeitsbedingungen.
Höhere Einkommen waren existenziell notwendig, die
Sicherung der Grundnahrungsmittel
konnte oftmals nur über den Fairen Handel
ermöglicht werden. Heute kommt dem Fairen Handel im Sinne einer nachhaltigen
Entwicklung umweltverträglicher Produktionsweisen eine immer .wichtigere
Bedeutung zu.
Das Aroma frisch gekochten Kaffees oder Tees, ein Stück feinster Schokolade, das auf
der Zunge zergeht oder der erfrischende Geschmack von Südfrüchten, all dies verheißt
puren Genuss.
Was die Sinne meist nicht mehr wahrnehmen, sind die chemischen Rückstände der
Dünge- und Schädlingsbekämpfungsmittel,
die beim konventionellen Anbau dieser
Produkte zum großen Teil in den Erzeugerländern des Südens verbleiben. Dort
belasten sie Böden und Gewässer und gefährden Gesundheit und Leben der
.
Menschen. Aber der konventionelle Anbau hat noch eine ganz andere Dimension: Die
Rohstoffe aus dem Süden wie z.B. Kaffee, Tee, Kakao, Orangen oder Bananen werden
meist in Monokulturen erzeugt, großen Plantagen also, denen nicht nur die Vielfalt der
Natur zum Opfer gefallen ist, sondern vor allem auch riesige Flächen des für das
gesamte Weltklima so bedeutenden Regenwaldes.
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Der Faire Handel steht in erster Linie für sozialverträgliche Arbeitsbedingungen,
trotzdem wird umweltverträglichen
Produktionsweisen eine wichtige Bedeutung
zugemessen. Der Erhalt der Umwelt in den Anbauländern spielt eine starke Rolle:
Mensch und Umwelt stehen in engster Wechselwirkung. Dennoch wäre es falsch, von
unseren Produzentengruppen
von vornherein biologisch hergestellte Produkte zu
verlangen - im Gegenteil: erst der Faire Handel mit seinen kontinuierlichen
Handelsbeziehungen
und den Preisgarantien jenseits der oft nicht einmal die
Produktionskosten deckenden Weltmarktpreise schafft die nötigen Rahmenbedingungen zur Umstellung auf den zu Beginn finanziell aufwendigeren und weniger
ertragreichen biologischen Anbau. Daher bieten mittlerweile 15.000 Supermärkte und
800 Weltläden fair gehandelte Produkte in Bioqualität an.
Deshalb werden die Partner im Fairen Handel vorerst nur zu dem verpflichtet, was sie
von Anfang an leisten können, wie etwa nachhaltige Wirtschaftsweise, Schutz des
Trinkwassers oder Diversifizierung. Von vornherein "bio" zu verlangen, würde bedeuten,
dass genau jene sozial besonders Schwachen, welche die Mehreinnahmen durch den
Fairen Handel am dringendsten brauchen, wieder ausgeschlossen wären.
In Europa erhältlicher Biokaffee kommt fast ausschließlich von Partnergruppen des
Fairen Handels. Ist die Umstellung auf ökologischen Landbau erreicht, fördert der Faire
Handel die biologische angebauten Produkte mit einem Bioaufschlag.
Die meisten Produkte aus Fairem Handel stammen von Kleinbauernfamilien und dort ist
der Einsatz von Pestiziden und künstlichem Dünger nicht zuletzt aus Kostengründen
traditionell gering. Die gezielte Förderung von Kleinbauernfamilien
hat aber eine weitere
ökologisch immens wichtige Dimension: die Familien, die sonst aufgrund der
Dumpingpreise am Weltmarkt oft genug zur Aufgabe und damit meist zur Abwanderung
in die Slums der Städte gezwungen werden, können durch die Mehreinnahmen aus
dem Fairen Handel ihr Stück Land weiter bewirtschaften.
Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie einen solchen Ratsbeschluss zum fairen
Beschaffungswesen
herbeiführen könnten. Zur Arbeit des Diözesanrates übersenden
wir Ihnen zu Ihrer Information einen Flyer und eine umfangreiche Dokumentation
unserer Arbeit zum 60jährigen Bestehen des Diözesanrates der Katholiken im
Erzbistum Köln.
Es wäre schön, wenn Sie uns mitteilen würden, ob Sie in nächster Zukunft bereits
einen solchen Beschluss fassen könnten.
Mit freundlichen
Norbert Michels
Geschäftsfü hrer
Anlagen
Grüßen
Diakon Michael Inden
Sprecher des Themenbereichs
5
Änderung der Vergabepraxis bei der Stadt N euss kein Einkaufvon Produkten aus
ausbeuterischer Kinderarbeit
BESCHLUSSEMPFEHLUNG
Die Stadt Neuss fühlt sich seit Jahren der Förderung des fairen Handels besonders verpflichtet und beabsichtigt, die Beachtung der Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO zur Beachtung von Sozialstandards, das Verbot ausbeuterischer Kinderarbeit und die UN Kinderrechtskonvention noch stärker als bisher im städtischen Beschaffungs- und
Vergabewesen zu berücksichtigen.
Im Beschaffungswesen
und bei Ausschreibungen
der Stadt Neuss fur
Dienstkleidung / Lederwaren/Stoffe,
Spielwaren und Natur- und Pflastersteine finden künftig - sofern verfügbar - nur Produkte Berücksichtigung,
die unter Beachtung der ILO-Sozialstandards
produziert wurden. Ferner
werden keine Produkte eingesetzt, die durch ausbeuterische Kinderarbeit
im Sinne der ILO-Konvention 182hergestellt wurden.
Bei Ausschreibungen und Vergaben von Dienstkleidung / Lederwaren /
Stoffen, Spielwaren und Natursteinen durch die Stadt Neuss wird künftig
folgender Passus aufgenommen.
"Berücksichtigung finden nur Produkte, die unter Beachtung der Sozialstandards der Internationalen Arbeits-Organisation ILO Nr. 29/105, 87, 98,
100, 111 und 138 und ohne ausbeuterische Kinderarbeit im Sinne der ILOKonvention 182 über die schlimmsten Formen der Kinderarbeit odet im
Sinne der UN-Kinderrechtskonvention, Artikel 32 - 37 hergestellt sind,
bzw. Produkte, deren Hersteller oder Verkäufer aktive zielfuhrende Maßnahmen zur Umsetzung der o.g. Kernarbeitsnormen und zum Ausstieg aus
der ausbeuterischen Kinderarbeit eingeleitet haben.
Der Nachweis ist von den Herstellern entweder durch ein Fair- Trade-Label
oder durch eine Selbstverpflichtung in Form eines Sozialkodexes für sich
154
und ihre Zulieferer
kontrolliert wird."
zu erbringen,
der durch ein unabhängiges
Gremium
Die Firmen, zu denen bisher Lieferbeziehungen bestehen, erhalten fur eine
Übergangszeit von einem Jahr die Möglichkeit, die Einhaltung der ILO Sozialstandards und den Ausschluss ausbeuterischer Kinderarbeit gegenüber
Ihren Zuliefererbetrieben sicherzustellen.
Neben fair gehandeltem Kaffee, Tee und Kakaoprodukten, die die Stadt
Neuss bereits seit Jahren ausschließlich aus fairem Handel beschafft, werden ab sofort fur den städtischen Eigenbedarf und die Bewirtung in Ratsund Ausschusssitzungen ausschließlich Orangensaft mit, dem Fairtrade-Label und fur die Schulen ausschließlich Bälle aus fairem Handel beschafft.
Sofern fur den städtischen Eigenbedarf Blumen mit Herkunft aus dem Ausland eingesetzt werden, sollen, sofern verfugbar, ausschließlich Blumen mit
dem Flower-Label eingesetzt werden.
Die Eigenbetriebe und eigenbetriebsähnlichen Einrichtungen der Stadt
Neuss sollen angeregt werden, entsprechend zu verfahren. Die Vertreter der
Stadt Neuss in den Aufsichtsräten der städtischen Gesellschaften, Eigenbetriebe und eigenbetriebsähnlichen Einrichtungen wirken darauf hin, dass
auch diese die oben genannten Regelungen entsprechend anwenden.
Der Hauptausschuss ist über die Erfahrungen und Ergebnisse bei der o.g.
Umstellung des Vergabewesens innerhalb eines Zeitraumes von spätestens
2 Jahren zu unterrichten.
Die Verwaltung prüft in regelmäßigen Abständen, ob sich Anhaltspunkte
für die Aufnahme weiterer Produkten oder Produktgruppen ergeben und
wird in diesem Fall den Hauptausschuss entsprechend unterrichten.
SACHVERHALTSDARSTELLUNG
Die Verwaltung wurde vom Hauptausschuss in der Sitzung vom 6.4.2005
aufgrund des Antrages von Terre des Hommes, Arbeitsgruppe Neuss,
Herrn Gerd Faruß beauftragt, zu prüfen, welche konkreten Möglichkeiten
bestehen, die Verwendung von sozialverträglich hergestellten, zertifizierten
Produkten in Rahmen der Vergabepraxis zu fördern. Ferner wurde. die Verwaltung beauftragt, weitergehende Informationen zum Ausschluss von Produkten aus ausbeuterischer Kinderarbeit im Rahmen des kommunalen Beschaffungswesens anderer Städte einzuholen.
ÄNDERUNG
DER VERGABEPRAXIS
DER STADT NEUSS
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Entsprechend der Beschlussempfehlung
hat sich die Verwaltung sowohl
mit Nicht-Regierungs-Organisationen,
die in diesem Bereich aktiv sind, als
auch mit Städten, die Beschlüsse zum Ausschluss ausbeuterischer Kinderarbeit gefasst haben, in Verbindung gesetzt und Informationen bei Dachverbänden und Wirtschaftsunternehmen
zu diesem Themenbereich eingeholt.
Neben persönlichen Kontakten und der Teilnahme an einschlägigen Informationsveranstaltungen
des UmweItministeriums NW wurde eine umfangreiche Internetrecherche durchgeführt.
Einige Städte, wie z.B. München, Bonn, Gelsenkirchen, Moers, Hannover,
Stuttgart, Darmstadt und Landshut haben Beschlüsse gegen den Bezug von
Produkten aus ausbeuterischer Kinderarbeit gemäß ILO-Konvention 182
gefasst. Diese Konvention umfasst entsprechend den Kriterien der ILO: lediglich Sklaverei, Leibeigenschaft, Schuldknechtschaft, Heranziehen zu
Prostitution und Pornographie, Drogenhandel, gefährliche und schädliche
Arbeiten.
Hierzu ist festzustellen, dass die Verwaltung an der Auffassung festhält,
dass ein Beschluss zum Ausschluss von Produkten aus ausbeuterischer
Kinderarbeit zwar ein Schritt zur Eindämmung der o.g. übelsten Formen
der Ausbeutung darstellen kann, aber allein für sich genommen- fehlgeht
und nicht ausreicht, um eine sozialverträgliche Entwicklung in den Ländern
des Südens zu fördern und die betroffenen Kinder und Jugendlichen wirksam zu schützen. Es ist hier erforderlich, primär auf die Einhaltung von Sozialstandards abzustellen, die neben dem Ausschluss ausbeuterischer Kinderarbeit auch weitergehende Regelungen für die Arbeit erwachsener
Werktätiger und Jugendlicher beinhalten. Nur so kann verhindert werden,
dass Familien in den Ländern des Südens ihre Existenzgrundlage verlieren
und arbeitende Kinder in die Illegalität außerhalb jeglicher Sozialkontrolle
verdrängt werden. In diesem Zusammenhang verweist die Verwaltung auf
die ausführliche Sachverhaltsdarstellung auf der Sitzung des Hauptausschusses vom 6.4.2005.
Die Verwaltung empfiehlt daher, neben dem Ausschluss ausbeuterischer
Kinderarbeit die Einhaltung von sozialen Mindeststandards in das Vergabewesen einzubeziehen.
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1. Internationale und nationale Sozialstandards und Verhaltenskodizes
Die ILO-Sozialstandards
Die weltweit gültigen grundlegenden Regelwerke, welche die Einhaltung
der Menschenrechte festlegen sind:
~ "Allgemeine Erklärung der Menschenrechte"
der Vereinten Nationen
von 1948
"Internationaler Pakt über die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen
Menschenrechte"
~ "Intemationaler
Pakt über die bürgerlichen und politischen Rechte"
(1976)
~
"UN-Kinderrechtskonvention"
(1992).
Die meisten Verhaltenskodizes und Sozialstandards basieren auf den Kernarbeitsrechten der Internationalen Arbeitsorganisation / International Labour Organization (IAO / ILO). In der ILO, einer Unterorganisation der
Vereinten Nationen, sind die Regierungen, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände der Mitgliedstaaten vertreten und erarbeiten internationale
Übereinkommen zum Arbeitsschutz. Diese Konventionen müssen von den
einzelnen Mitgliedsländern anerkannt werden, um dort Gültigkeit zu erlangen und völkerrechtlich verbindlich zu sein.
Auf ihrer 86. Sitzung im Jahr 1998 definierte die Internationale Arbeitsorganisation 8 Kernarbeitsnormen,die heute den Status universeller Menschenrechte erlangt haben und von fast allen Mitgliedsstaaten ratifiziert
wurden:
- Nr. 29/105: Übereinkommen zur Abschaffung der Zwangs- und Pflichtarbeit in allen ihren Formen (1930/1957)
- Nr. 87: Übereinkommen über die Vereinigungsfreiheit und den Schutz
des Vereinigungsrechts (1948)
- Nr. 98: Übereinkommen über die Anwendung der Grundsatze des Vereinigungsrechts und des Rechts zu Kollektivverhandlungen (1949)
- Nr. 100: Übereinkommen über gleiche Entlohnung (1951)
- Nr. 111: Übereinkommen über Nichtdiskriminierung am Arbeitsplatz
(1958)
- Nr. 138: Übereinkommen über das Mindestalter der Zulassung zur Beschäftigung (1973)
- Nr. 182: Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der
schlimmsten Formen der Kinderarbeit (1999).
ÄNDERUNG
DER VERGABEPRAXIS
DER STADT NEUSS
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Festgestellte Verstöße gegen diese Mindeststandards werden von der ILO
in einem Jahresbericht veröffentlicht; übet Sanktionsbefugnisse verfügt sie
nicht.
Verhaltenskodizes der Wirtschaft
Als Reaktion auf die Forderungen nach der Verankerung verbindlicher
sozialer und ökologischer Mindeststandards
im Welthandel durch Menschenrechts-, Entwicklungs- und Verbraucherorganisationen
haben viele
multinationale Unternehmen wie lKEA, NlKE, Deichmann und C&A eigene so genannte Verhaltenskodizes oder -regeln (Codes of Conduct) eingeführt. Diese freiwilligen Selbstverpflichtungen
dienen der Einhaltung von
Mindeststandards
in den eigenen Betrieben bzw. der gesamten Geschäftskette (einschließlich der Zulieferer). Damit diese Verhaltenskodizes
nicht nur Absichtserklärungen bleiben, muss eine regelmäßige und glaubwürdige Überprüfung (Monitoring) der Umsetzung und Einhaltung durch
unabhängige Kontrollinstanzen und -verfahren erfolgen. Diese Dienstleistungen bieten mittlerweile auch Institutionen wie die TÜV's an. Allerdings wird in vielen Sozialkodizes z. B. die Einhaltung existenzsichernder
Mindestlöhne nicht festgeschrieben.
Der Weltverband der Spielwarenindustrie
ICTI (International Council of
Toy Industries) hat seit 1995 einen Verhaltenskodex, der Spielwarenfirmen
in ihrer weltweiten Produktion auf menschliche, sichere und produktive Arbeitsbedingungen,
insbesondere die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen über Arbeitszeiten und Löhne, das Verbot der Kinder und
Zwangsarbeit sowie der Diskriminierung von Beschäftigten verpflichtet.
Der Kodex überlässt es der Firma, selbst zu entscheiden, ob die ÜbeIprüfung durch eigenes Personal oder externe Prüfgesellschaften durchgeführt
wird.
Die Außenhandelsvereinigung des Deutschen Einzelhandels (AVE) hat
eine "Erklärung zu Beschaffungs- Verhaltensregeln zur Gewährleistung von
Sozialstandards" erlassen, in der sich AVE und die ihm angeschlossenen
Mitgliedsunternehmen verpflichten, sich aktiv für die Sicherstellung einer
nachhaltigen, die natürlichen Lebensgrundlagen respektierenden Entwicklung und der Einhaltung der ILO- Konventionen auch in den Zulieferbetrieben sowie der Sicherstellung einer Entlohnung, die die Grundbedürfnisse
der Beschäftigten gewährleistet, einzusetzen. Zur Einhaltung dieser Erklärung ruft auch der Bundesfachverband des deutschen Textileinzelhandels
auf.
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Kampagnen und Sozialsiegel
Nichtregierungsorganisationen
(NGOs), Gewerkschaften u. a. haben Modellkodizes entwickelt, die weitergehende Maßnahmen und Standards vereInIgen.
In diesem Zusammenhang sind insbesondere folgende für die Stadt Neuss
relevante Sozialsiegel aufzuführen:
Die Kampagne für saubere Kleidung
Die Kampagne für saubere Kleidung (Clean Clothes Campaign - CCC),
1990 in den Niederlanden entstanden, arbeitet inzwischen europaweit. In
Deutschland wird die Kampagne von 19 Organisationen getragen (z. B.
Christliche Initiative Romero, Gewerkschaft HBV, Südwind).
Die CCC schuf in enger Kooperation mit Organisationen des Südens die
"Sozia1charta für den Handel mit Kleidung". Diese ist eine Kombination
aus einem Verhaltenskodex und einem Sozialsiegel. Die Charta b~inhaltet
sieben Mindestanforderungen, die auf den IAO-Konventionen beruhen, wie
z.B. das Recht auf Sicherheit und Gesundheit. Die Überprüfung der Einhaltung des Kodex ist durch eine unabhängige Kontro11instanz zu gewährleisten. Bei Einhaltung der Mindestanforderungen der Charta dürfen die
Händler ein Gütezeichen in ihren Verkaufsräumen führen.
Die Blumenkampagne
Die von Menschenrechtsorganisationen und Gewerkschaften getragene
Blumenkampagne wendet sich ebenfalls gegen Missachtung der Menschenund Arbeitsrechte in vielen Ländern des Südens. 1998 wurde ein Verhaltenskodex erarbeitet, der auf d~n IAO- Konventionen basiert und dem sich
auch die deutsche Blumenindustrie angeschlossen hat. Der Kodex ist Bestandteil des deutschen Flower Label Programms. Es wird gemeinsam von
der Blumenkampagne, dem Verband des Blumen-, Groß- und Importhandels (BGI) u. a. getragen. Schnittblumen aus Kenia, Simbabwe und Ecuador, die garantiert unter menschenwürdigen und umweltschonenden Produktionsbedingungen angebaut wurden und das Flower-Label tragen, sind
inzwischen in vielen Blumenläden erhältlich.
Die Rugmark-Initiative
Die Rugmark- Initiative zur Abschaffung der i11egalen Kinderarbeit in der
Orient- Teppichproduktion wird von Produzenten, Teppichhandel und
Hilfsorganisationen weltweit getragen. Für das Beschaffungswesen der
Stadt Neuss ist sie weniger relevant.
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DER VERGABEPRAXIS
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DER STADT NEUSS
Der Faire Handel
Der Faire Handel strebt eine Handelspartnerschaft
mit benachteiligten Produzentengruppen
des Südens an. Ihnen werden höhere Preise fur ihre
Produkte, langfristige Lieferbeziehungen
und die Direktabnahme garantiert. Eine Sozialverträglichkeit im Herstellungs- und Vermarktungsprozess
wird ebenfalls sichergestellt, darüber hinaus werden einige fair gehandelten
Produkte biologisch angebaut und mit einem BIO-Siegel ausgestattet. Fair
gehandelte Produkte tragen das TransFairSiegel - verliehen vom Verein
.
TransFair e. V.
Die Stadt Neuss ist eine der ersten Städte im
genbedarf fair gehandelte Produkte einsetzt
Jahren einen aktiven Beitrag zur Bekämpfung
leistet und von TransFair zur Hauptstadt des
wurde.
2. Möglichkeiten
Bundesgebiet, die für den Eiund damit bereits schon seit
ausbeuterischer Kinderarbeit
fairen Handels ausgezeichnet
zur Einbeziehung von Sozialstandards
städtische Vergabewesen
in das
In der Stadt Neuss bestehen folgende konkrete Möglichkeiten, die Beachtung von Sozialstandards umzusetzen:
Dienstkleidung / Textilien / Lederprodukte:
Dienstkleidung in Form von Arbeitsbekleidung wird in der Stadt Neuss von
zahlreichen Dienststellen, eigenbetriebsähnlichen Einrichtungen und Eigenbetrieben beschafft.
Die Stadt Neuss könnte hier dem Beispiel der Stadt Düsseldorf folgen:
Feuerwehr, Gartenamt, Ordnungsamt und Rheinbahn in Düsseldorf beschaffen ausschließlich Dienstkleidung, die unter Beachtung der ILO-Konventionen fur Arbeitsrecht gefertigt wurde.
Die Verwaltung schlägt vor, alle Ämter der Stadt Neuss, Eigenbetriebe und
eigenbetriebsähnlichen Einrichtungen, die Dienstkleidung einsetzen, in
diese Aktion einzubeziehen. Die Anbieter sollen zum Nachweis verpflichtet werden, dass ihr Unternehmen und die von ihm beauftragten Subunternehmer über einen Sozialkodex im Sinne ILO-Kernarbeitsnonnen verfugen
und diesen aktiv umsetzen, dessen Einhaltung von externen Prüfern überwacht wird oder den Verhaltenskodex der Kampagne "Clean Clothes" untelZeichnen und von Unabhängigen überwachen lassen.
Zu prüfen ist, ob auch Dienstkleidung fur medizinisches Personal in städtischen Krankenanstalten mit diesen Qualitätsmerkmalen auf dem Markt ist.
160
Sollte dies der Fall sein, ist auf eine Beschaffung dieser Waren durch die
Städtische Kliniken Neuss Lukaskrankenhaus GmbH hinzuwirken.
Spielwaren:
Spielwaren werden von den städtischen Kindergärten und lugendeinrichtungen beschafft. Der Anbieter sind zum Nachweis zu verpflichten, dass
das das Unternehmen und die von ihm beauftragten Subunternehmer über
einen Sozialkodex im Sinne der ILO-Kernarbeitsnormen oder des Weltverbandes der 'Spielwarenindustrie ICTI (International Council of Toy Industries ) verfugen und aktiv umsetzen, dessen Einhaltung von externen
Prüfern überwacht wird.
Ferner sollten diese Einrichtungen gebeten werden, in stärkerem Maße als
bisher auf das Angebot von Welthandelsläden und der GEPA zurückzugreifen, die u.a. fair gehandelte Spielwaren anbieten.
Sportbälle
Sportbälle aller Art werden vorn Sport- und Bäderamt im Auftrag des
Schulverwaltungsamtes fur die Ausstattung der städtischen Schulen
beschafft.
Im Rahmen der Kampagne "Fair Play, Fair Life" werden Bälle aller Art
(Spielbälle, Trainingsbälle, Leichtspielbälle, Freizeitbälle, Beach - und V01leybälle, Basketbälle und Rugbybälle) aus fairem Handel angeboten. Einige
dieser Bälle tragen das offizielle FIFA-Siegel.
Die Verwaltung empfiehlt daher, ab sofort für den schulischen Bedarf ausschließlich Bälle aus fairem Handel zu beschaffen.
Unabhängig davon wird die Verwaltung die Neusser Sportvereine anschreiben und für die Verwendung fair gehandelter Bälle werben.
Blumen
Die städtische Friedhöfe Neuss GmbH beschafft Blumen für Dekorationen,
kleinere Bepflanzungsmaßnahmen, Kränze und Gestecke bei ortsänsässigen Gärtnern und z.T. bei der Neusser Blumen- Versteigerung. Bei Beschaffung von Pflanzen mit Herkunft aus dem Ausland empfiehlt die Verwaltung, auf Produkte, die mit dem Flower-Label zertifiziert sind, zurückzugreifen. Darüber hinaus sind bei der Firma Kaiser Blumen mit dem
Siegel "Fair Fleur" erhältlich.
Pflaster- und Grabsteine
Ein Produktsiegel fl.ir Pflaster-, Natur- und Grabsteine
ist hier nicht be-
kannt. Die Anbieter sollten zum Nachweis verpflichtet Iwerden,
dass das
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DER VERGABEPRAXIS
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DER STADT NEUSS
'
Unternehmen und die von ihm beauftragten Subunternehmer über einen
Sozialkodex im Sinne ILO-Kernarbeitsnormen
und des AVE verfügen und
diesen aktiv umsetzen und die Einhaltung von externen Prüfern überwachen lassen.
Orangensaft
Bereits seit 1992 setzt die Stadt Neuss für den städtischen Eigenbedarf und
für die Bewirtung in Rats- und Ausschusssitzungen ausschließlich fair gehandeltern Kaffee, Tee und Kakaoprodukte ein. Mittlerweile ist auch fair
gehandelter Orangensaft in Gebinden von 0,2 Liter und 1 Liter erhältlich,
der ab sofort ergänzend eingesetzt werden sollte.
Elektronik / Personalcomputer
Dieses Warensegment ist zwar nicht in den einschlägigen Veröffentlichungen in Bezug auf ausbeuterische Kinderarbeit aufgefuhrt, es ist jedoch zu
prüfen, ob im Regelfall davon auszugehen ist, dass diese Produkte unter der
Beachtung der ILO-Kernarbeitsnormen gefertigt werden. Die Verwaltung
schlägt vor, ergänzende Recherchen durchzufuhren und den Hauptausschuss über das Ergebnis zu unterrichten.
3. W eitere Vorgehensweise
Es wird vorgeschlagen, analog zu der Vorgehensweise der. Stadt München
und der übrigen Städte, die Ratsbeschlüsse zum Ausstieg aus ausbeuterischer Kinderarbeit gefasst haben, wie in der Beratungsunterlage dargestellt
zu verfahren.
Ergänzend zur ILO Norm 182 zur ausbeuterischen Kinderarbeit ist auf die
ILO- Kernarbeitsnormen zu verweisen.
Den Firmen, zu denen Lieferbeziehungen bestehen, sollte ein vertretbarer
Zeitraum von einem Jahr zur Anpassung ihrer Lieferbeziehungen gegeben
werden.
Bei Umsetzung der o.g. Vorschläge wäre die Stadt Neuss die erste Stadt im
Bundesgebiet, die Gesichtspunkt von Sozialstandards systematisch im
kommunalen Vergabewesen umsetzt.
Die Stadt kann hierdurch ein eindeutiges Signal zur Berücksichtigung von
Sozialstandards und zur Ächtung ausbeuterischer Kinderarbeit setzen und
.
damit Vorbild sein fur andere private Verbraucherinnen
und Verbraucher
162
sowie für Großabnehmer. Damit hilft sie mit, einen Anreiz für Produzenten
und Händler zu schaffen, sich stärker als bisher mit den Problemen mangelnder Sozialstandards und der Kinderarbeit in den Ländern des Südens
auseinander zu setzen.
4. Vergabetechnische Aspekte:
Die Stadt Düsseldorf hat die vergaberechtliche Zulässigkeit einer Vorgabe
internationaler arbeitsrechtlicher
Standards der ILO bei der Beschaffung
von Dienstkleidung durch ein Rechtsgutachten der Kanzlei Abel-Lorenz,
Barth, Baumeister, Griem überprüfen lassen.
Die Kanzlei kommt zum Ergebnis, dass bei Auftragssummen von über
200.000 € eine Verpflichtung von Bietern in einem Ausschreibungsverfahren auf die- Einhaltung der in Form von internationalen Übereinkommen
kodifizierten Sozialstandards mit den Vorgaben des europäischen Rechts
vereinbax ist.
Eine Vereinbarkeit von Auftragsvergaben
dieser Höhe mit nationalem
Recht ist gegeben, wenn die Bundesrepublik die entsprechenden Normen
ratifiziert und im nationalen Recht verankert hat. Dies trifft für die in der
Beschlussvorlage genannten Regelungen zu.
Für öffentliche Vergaben unter 200.000 € gelten die Vorgaben der §§ 97ff
des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) nicht. Für die betroffenen Bieter eröffnet sich dann keine Rechtsschutzmöglichkeit, so dass
eine etwaige Unzulässigkeit der in Rede stehenden Beschaffungsvorgaben
in solch einem Fall nach der neueren Rechtssprechung (OLG Stuttgart, Urteil vom 11.04.2002, AZ 2 U 240/01) nach dem Gutachten der o.g. Rechtsanwaltskanzlei von potentiellen Auftragnehmern nicht gerichtlich geltend
gemacht werden könnte.
Das Rechtsgutachten ist der Beratungsunterlage als Anlage beigefügt.
Eine Rücksprache mit den zuständigen Stellen der Stadt Düsseldorf ergab,
dass sich bei der Abwicklung von Vergaben nach den O.g. Kriterien bisher
keinerlei rechtliche Schwierigkeiten ergeben haben.