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Kommune
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Größe
138 kB
Datum
30.06.2009
Erstellt
29.06.09, 07:19
Aktualisiert
29.06.09, 07:19
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Inhalt der Datei
Freitag, 27.02.2009
14.01.2009
Ausschreibungen
Koalition lockert Vergaberecht
von Thomas Sigmund
Mit dem zweiten Konjunkturpaket lockert der Bund auch die Regeln für die Ausschreibung öffentlicher Aufträge. Die Schwellenwerte, ab
denen ein Projekt öffentlich augeschrieben werden muss, sollen steigen. Rechtsexperten warnen bereits vor "Vetternwirtschaft".
BERLIN. Der Bund lockert im Rahmen des zweiten Konjunkturpakets das strenge Vergaberecht. Befristet auf zwei Jahre werden
die Schwellenwerte für Ausschreibungen und "freihändige" Vergaben - also Auftragserteilung ohne vorherige Ausschreibung angehoben. Länder und Kommunen werden aufgefordert, ihre Richtlinien entsprechend anzupassen. Rechtsexperten warnen
allerdings bereits jetzt schon vor "Vetternwirtschaft".
Insgesamt zehn Milliarden Euro will die Große Koalition in Schulen, Hochschulen oder Verkehrswege investieren, um sich gegen
die Wirtschaftskrise zu stemmen. Profitieren soll durch die Lockerung des Vergaberechts insbesondere die Bauwirtschaft. Hinter
der Branche liegt zwar ein gutes Jahr, und größere Unternehmen haben auch noch genügend Zeit für ordentliche
Vergabeverfahren. Doch in kleineren Betrieben, die ihr Geld im Wohnungsbau verdienen, tun sich jetzt schon erhebliche
Auftragslücken auf.
Öffentliche Aufträge wie
Straßenbau müssen
künftig seltener
ausgeschrieben werden.
Foto: dpa
Bauindustrie-Verbandsgeschäftsführer Michael Knipper äußerte sich gestern deshalb auch positiv über die neue Regelung: "Die
von der Regierung auf zwei Jahre befristete Vereinfachung des Vergaberechtes biete die Chance, dass die vorgesehenen
Investitionen kurzfristig wirken könnten", sagte Knipper. Die öffentlichen Auftraggeber müssten den neuen Handlungsspielraum
nun auch nutzen, um durch schnelle Ausschreibung und Vergabe die Bauaufträge zügig auf den Markt zu bringen, sagte Knipper.
Laut dem von der Koalition gestern vorgestellten Konjunkturpaket soll es folgende konkrete rechtliche Vereinfachungen des sehr
strengen Vergaberechts geben: beschränkte Ausschreibungen von Bauleistungen - dabei wird der Kreis von Unternehmen, die zur Angebotsabgabe
aufgefordert werden, durch einen vorherigen Teilnehmerwettbewerb beschränkt - sollen demnach bis zu einer Million Euro Auftragswert möglich sein. Eine
freihändige Vergabe - das einzige Verfahren, das Verhandlungen mit den Unternehmen zulässt - soll danach bis zu 100 000 Euro Auftragswert möglich sein.
Die Grenze für vereinfachte Verfahren bei sogenannten "kleinen Baumaßnahmen", etwa der Sanierung von Fenstern, wird von einer auf fünf Millionen Euro
angehoben. Bei Dienst- und Lieferleistungen sollen künftig freihändige Vergabe und beschränkte Ausschreibung bis 100 000 Euro möglich sein. Besonders in
den Ländern und Kommunen variieren die Grenzen für diese Vergabemöglichkeiten zurzeit erheblich. Derzeit reicht die Wertgrenze für die beschränkte
Ausschreibung am Bau von 100 000 bis 300 000 Euro.
Außerdem sollen die Fristen verkürzt werden, damit die Maßnahmen schneller umgesetzt werden können. In dem gestern vorgestellten Papier zum
Konjunkturpaket heißt es: Wirtschafts- und Verkehrs-/Bauministerium werden aufgefordert, gegen eventuelle Einsprüche aus Brüssel "klarzustellen, dass ...
angesichts der drohenden konjunkturellen Lage von einer Dringlichkeit auszugehen ist", die diese Kürzungen rechtfertigt.
In diesen Fällen gilt: Eine Gesetzesänderung muss nicht erfolgen, da es sich nur um die Herabsetzung der sogenannten "Unterschwellenwerte" handelt. Die
"Überschwellenwerte" bei großen EU-weiten Ausschreibungen sind davon nicht betroffen. Der Bundestag muss sich mit der gestern vorgestellten Änderung
des Vergaberechts nicht befassen. Dafür liegt es nun an den Ländern und Kommunen, so schnell wie möglich ihre Richtlinien wie etwa die
Verdingungsordnung für Handwerker zu ändern, damit das Geld fließen kann. Eine Gemeinde könnte innerhalb von zwei oder drei Wochen Aufträge nach den
neuen Werten vergeben.
Rechtsexperten sehen die Lockerung des Vergaberechts aber nicht so positiv wie die Bauindustrie. "Wenn es der Staat zur Belebung der Konjunktur mit
Investitionen eilig hat, wird - wie schon so oft - vorschnell nach Erleichterungen im Vergaberecht gerufen", sagt Friedrich Ludwig Hausmann,
Vergaberechtsexperte bei Freshfields Bruckhaus Deringer. Dabei seien es weder förmliche Ausschreibungspflichten noch die nach nationalem und
europäischem Vergaberecht geltenden Mindestangebotsfristen, die zügigen kommunalen, Landes- und Bundesinvestitionen im Wege stünden. "Die
Beseitigung von Ausschreibungspflichten führt zu Fehlinvestitionen und Vetternwirtschaft", sagt er.
Das Problem staatlichen Investitionsstaus liege in den viel zu langwierigen bundes- und landesinternen sowie kommunalen Entscheidungsgängen. "Aufwendige
und häufig überflüssige Mitzeichnungs-, Prüfungs- und Zustimmungspflichten führen zu enorm langwierigen Vorbereitungszeiten für Vergabeverfahren und
verzögern Vergabeentscheidungen", sagt Hausmann. Hinzu komme oft eine technische und planerische Detailverliebtheit der staatlichen Bau - und
Planungsbehörden.
Der Bundestag hatte vor kurzem erst eine Änderung des Vergaberechts beschlossen. Danach wird es für kleine und mittlere Unternehmen leichter möglich
sein, sich an größeren öffentlichen Aufträgen erfolgreich zu beteiligen. Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, müssen öffentliche Aufträge künftig grundsätzlich in
Teil- und Fachlosen vergeben werden. Diese Regelung wird nun auch bei der Ausgestaltung von Projekten in öffentlich-privater Partnerschaft angewendet,
wodurch das Vergaberecht mittelstandsfreundlicher wird.
Link zum Artikel: http://www.handelsblatt.com/finanzen/steuerrecht/koalition -lockert-vergaberecht;2126281