Daten
Kommune
Pulheim
Größe
130 kB
Datum
03.09.2009
Erstellt
28.08.09, 09:32
Aktualisiert
28.08.09, 09:32
Stichworte
Inhalt der Datei
Stadt Pulheim
Der Bürgermeister
V o r l a g e Nr:
Zur Beratung/Beschlussfassung an:
Gremium
Jugendhilfeausschuss
II/51
(Amt/Aktenzeichen)
Termin
ö. S.
03.09.2009 X
Frau
Etienne/
Frau
Keßler/
Herr Termath
(Verfasser/in)
320/2009
nö. S. TOP
10.08.2009
(Datum)
BETREFF:
Verordnung zur Datenmeldung der Teilnahme an Kinderfrüherkennungsuntersuchungen
(UTeilnahmeDatVO)
MITTEILUNG:
1. Das Meldeverfahren:
Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen
hat am 10.09.2008 eine Verordnung zur Datenmeldung der Teilnahme an Früherkennungsuntersuchungen/U-Untersuchungen
(U-Untersuchung-Teilnahmedaten VO – UTeilnahmeDatVO) erlassen
(s. Anlage 1).
Die UTeilnahmeDatVO regelt das Meldeverfahren zwischen den Ärztinnen und Ärzten, den Meldebehörden, dem LIGA ( Landesinstitut für Gesundheit und Arbeit/Zentrale Stelle der gemäß der UteilnahmeDatVO).
Das Landesinstitut für Gesundheit und Arbeit NRW erfaßt alle Früherkennungsuntersuchungen U5 – U9 für Kinder zwischen 6 Monaten bis unter 6 Jahren.
Das Verfahren sieht vor, dass die Kinderärzte in NRW dem LIGA als „Zentraler
Stelle“ die Kinder, die an den Früherkennungsuntersuchungen teilgenommen haben, melden.
Das Verfahren im Einzelnen:
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Die kommunalen Meldebehörden melden der zentralen Stelle zu einem definierten Stichtag die in § 1 Abs. 2 der Verordnung genannten Daten der Kinder im
Alter zwischen 6 Monaten und 51/2 Jahren, die mit alleiniger Wohnung oder
Hauptwohnung im Melderegister registriert sind.
Für jedes Kind, das an einer Früherkennungsuntersuchung teilgenommen hat,
schickt die Ärztin oder der Arzt eine Bestätigung an die zentrale Stelle. Dazu
sind die Kinderärztinnen und –ärzte gemäß § 32a des Heilberufegesetzes verpflichtet.
Die Zentrale Stelle gleicht die Daten des Einwohnermeldeamtes mit den Meldungen der Ärztinnen und Ärzte ab. So werden die Kinder ermittelt, für die nöch
keine U-Teilnahmebestätigungen vorliegen.Spätestens eine Woche vor Ablauf
der Untersuchungsfrist, erhalten die Eltern dieser Kinder ein Erinnerungsschreiben.
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Wird nach Ablauf der Frist weiterhin die Vorsorgeuntersuchung nicht wahrgenommen, informiert die Zentrale Stelle die entsprechende Kommune/Jugendamt.
Damit liegt der Ball im Feld der Jugendhilfe. Diese entscheidet gemäß der Verordnung über das weitere Vorgehen.
„der örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe entscheidet in eigener Zuständigkeit, ob
gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes vorliegen und welche
Maßnahmen gegebenenfalls geeignet und notwendig sind. Hierbei können die übermittelten
Daten als weiterer Indikator herangezogen werden. Dabei empfiehlt sich die Zusammenarbeit insbesondere mit den Trägern des öffentlichen Gesundheitswesens und anderen Behörden, Trägern, Einrichtungen und Personen, die Verantwortung für das Kindeswohl tragen“ ( §4, Absatz § UteilnahmeDatVO).
Das Meldeverfahren sollte ab dem 01.01.2009 in ganz NRW eingeführt werden. Laut
Auskunft des Landesinstitutes für Gesundheit und Arbeit NRW werden Kommunen aufgrund der schwierigen Datenlage und technischer Schwierigkeiten erst ab 01.09.2009
mit den entsprechenden Datenlisten versorgt.
Ein Überblick über das Meldeverfahren und die Abläufe bis zur Datenübermittlung an
das Jugendamt ist als Anlage 1 beigefügt.
2. Die UTeilnahmeDatVO als Aufgabe der Jugendhilfe
Der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Gewalt ist eine wichtige gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Geleitet von den in der jüngsten Vergangenheit (veröffentlichten)
Fällen von Kindesmisshandlung und Kindestötung, wurde verstärkt im politischen und
fachpolitischen Raum diskutiert, wie der Schutzauftrag der Jugendhilfe wirksamer gestaltet werden kann. So wurde zum 01.10.2005 im Zuge des Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetzes (KICK) der § 8a als ausführliche handlungsleitende Norm
in das Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) eingeführt. Diese Norm stellt –ausgehend
von sog. „gewichtigen Anhaltspunkten“ bei Gefährdung des Wohls eines Kindes- oder
Jugendlichen- in einem Kooperationsprozeß aller beteiligten Akteure, das Erreichen
von Eltern und anderen Erziehungsberechtigten in den Mittelpunkt dieses Handlungsrahmens. Dies führte in den Jugendämtern zu einer Qualitätsoffensive im Kinderschutz
und wurde auch in Pulheim erfolgreich umgesetzt. Eine weitere, aus der Sicht aller
Fachverbände vollkommen überzogene, Reglementierung wurde in der ersten Jahreshälfte durch die Einbringung des Referentenentwurfes für ein Bundeskinderschutzgesetz angestrebt. Nach übereinstimmender Meinung der Fachverbände sollte mit diesem Gesetzentwurf ausschließlich mittels verstärkter Kontrollpflichten und Absenkung
von Informationshürden ein besserer Kinderschutz gewährleistet werden. Nach mehreren öffentlichen Anhörungen im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
der Bundesregierung, zog die Bundesregierung den Entwurf für diese Legislaturperiode
zurück.
In die o.g. Bestrebungen zur Verbesserung des Kinderschutzes ist auch die UTeilnahmeDatVO einzuordnen. Im Januar 2007 wurde das Handlungskonzept der Landesregierung für einen besseren Kinderschutz in Nordrhein-Westfalen vorgestellt. Mit dem
insgesamt 15 Punkte umfassenden Konzept wollte das Land die bestehenden Angebote zum Schutz von Kindern verbessern und wirksamer gestalten. Die im September
2008 in Kraft getretene UTeilnahmeDatVo ist in diesem Konzept gleich der erste Punkt
weil hiermit erreicht werden soll, gesundheitliche Kindeswohlgefährdung früher zu erkennen.
Bei einer trotz Aufforderung nicht erfolgten Vorstellung eines Kindes zur UUntersuchung, wird dem Jugendamt die Aufgabe zugeordnet über das weitere Vorgehen in eigener Zuständigkeit zu entscheiden.
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Es muss entschieden werden, ob die Nichteilnahme an der U-Untersuchung einen gewichtigen Anhaltspunkt für eine mögliche Kindeswohlgefährdung darstellt und die Meldung als „möglicher“ Hinweis auf eine Kindeswohlgefährdung behandelt werden muß.
Die Aufgabe der Jugendhilfe bestand und besteht schon immer aus zwei untrennbar
miteinander verbundenen Teilen. Der Hilfe durch Unterstützung (Prävention) und der
Hilfe durch Schutz (Wahrnehmung des staatl. Wächteramtes). Zwischen diesen beiden
Polen ergibt sich in der eigenen Rollenwahrnehmung der Jugendhilfe ein Spannungsfeld zwischen einerseits Kontrolle und andererseits vertauensvoller Beratung und Begleitung, das auch von den Bürgern, bzw. Familien so wahrgenommen wird.
Kindeswohlgefährdung hat viele Facetten. Mehreitlich tritt sie in Form von Vernachlässigung auf. Hierbei handelt es sich dann um eine Form der Gefährdung, die nicht als
plötzlich eintretendes Ereignis sichtbar wird, sondern als ein schleichender, auf Dauer
das Wohl eines Kindes beeinträchtigender Prozess. Daraus ergibt sich in der Konsequenz, dass Kindeswohlgefährdung –um sie in ihrer sich verändernden Dimension zu
erfassen- häufig eben nicht durch die (einmalige) Inaugenscheinnahme oder durch
den Hausbesuch erfassbar wird. Vielmehr bedarf es in der Mehrzahl der Fälle im Rahmen des Schutzauftrages eines begleitenden Prozesses der, aufbauend auf einer Vertrauensbasis zwischen Bürger und Jugendamt, individuell an den Unterstützungsbedarfen ausgerichtet ist. Für einen gelingenden Kinderschutz in Pulheim ist es daher
erforderlich, konzeptionelle und strukturelle Grundlagen hierfür weiter zu entwickeln.
Die Wahrnehmung des staatl. Wächteramtes kann also nicht nur einseitig als eingriffsorientierter Ansatz zum Einschreiten bei festgestellter Kindeswohlgefährdung angesehen werden. Vielmehr muss das Kindeswohl oberster Maßstab jeder Ausrichtung der
Jugendhilfe (-politik) sein. Das staatliche Wächteramt beinhaltet unter diesem Blickwinkel die Aufgabe, Verantwortung für das Aufwachsen von Kinder und Jugendlichen
zu übernehmen. Das Jugendamt muß u.a. die Gewährleistungsverantwortung dafür
übernehmen dass Kinder, Jugendliche und ihre Eltern Lebensbedingungen vorfinden,
die Voraussetzung sind für ein gesundes, glückliches und chancengleiches Aufwachsen
sowie den Kindern und Jugendlichen eine individuelle Lebensführung mit bestmöglichen Entwicklungsbedingungen ermöglicht. Die gesetzliche Normierung hierzu ist als
Auftrag an die Jugendhilfe im § 1 des SGB VIII (KJHG) festgeschrieben.
Auf der Grundlage dieses Selbstverständnisses wurde im Jugendamt eine inhaltliche
und organisatorische Ausgestaltung der Aufgaben der Jugendhilfe in der Umsetzung
der UTeilnahmeDatVO entwickelt.
3. Einbindung der UTeilnahmeDatVO in das Netzwerk früher Förderung in Pulheim
Wie im Vorfeld bereits ausgeführt, setzt sich das in Pulheim existierende Kinderschutzkonzept aus interventiven und präventiven Anteilen zusammen. Es handelt sich
um ein sich ergänzendes Gesamtkonzept bestehend aus einem sozialen Frühwarnsystem mit dem Fokus auf dem Kinderschutz und einem Netzwerk der frühen Förderung/Hilfen mit dem Fokus auf der Prävention.
Die Umsetzung der UTeilnahmeDaTVO soll als präventiver Anteil im Gesamtkonzept
angesiedelt sein. Ein bereits vorhandener Baustein im Rahmen des Pulheimer Kinderschutzkonzeptes ist das Babybegrüßungspaket. Aus fachlichen Gesichtspunkten wurde der Elternbegleitordner im Februar 2008 umgestellt und durch einen Ordner der
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung abgelöst. Inhaltlich war dieser Wechsel
notwendig, da der Fokus nunmehr verstärkter auf der Gesundheitshilfe liegt, wesentliche Bereiche der kindlichen Entwicklung ganzheitlich betrachtet und auf häufig gestell-3-
te Fragen und Unsicherheiten umfassend eingegangen wird. Dies hauptsächlich mit
Blick auf die Früherkennungsprogramme für Kinder (U1-U9 und J1).
Mit der Einführung der UTeilnahmeDatVO und deren konkreten Einbettung als ein weiterer präventiver Bestandteil des Pulheimer Kinderschutzkonzeptes, mit dem Fokus
auf der Unterstützung von Familien durch die Jugendhilfe, wird ein nächster konsequenter Schritt im Rahmen der Gesamtkonzeption des Netzwerkes der frühen Förderung vollzogen.
Das Jugendamt ist zu präventiven Angeboten verpflichtet und aufgefordert. Dies impliziert selbst auch offensiv auf Familien zuzugehen, sie über Angebote zu informieren
und Hilfen aufzuzeigen und anzubieten. Will man Familien in prekären Lebenssituationen frühzeitig erreichen, ihnen den Zugang zu Hilfen erleichtern und Schwellen zu Inanspruchnahme verkleinern erfordert dies aufsuchende, sozialpädagogische Angebote.
Zentraler Schwerpunkt dieses präventiven und zugehenden Ansatzes ist im § 16 SGB
VIII als „allgemeine Förderung der Erziehung in der Familie“ definiert. Im Rahmen dieser Leistungen nach § 16 SGB VIII kommen somit informierende, übende und entlastende Formen der Förderung in Betracht. An dieser Stelle ist die Umsetzung der UTeilnahmeDatVO anzusiedeln.
Der stattfindende Hausbesuch soll wertschätzenden und informativen Charakter haben. Selbstverständlich wird auch wie bei den „Babywillkommensbesuchen“, in Fällen
in welchen der Kinderschutz berührt ist eine Gefährdungseinschätzung im Rahmen des
§ 8a SGB VIII durch die Fachkräfte des Jugendamtes vorgenommen
(siehe angefügtes Schaubild).
Derzeit liegen noch keine Listen der LIGA vor. Mit einem Eintreffen der ersten Listen
wird Anfang September gerechnet. Aus den Erfahrungswerten der Gesundheitsämter
im Hinblick auf die Teilnahme an U-Untersuchungen wird von einer Versäumnisquote
von ca. 10-20 % ausgegangen, ansteigend mit dem Alter des Kindes. Dies bedeutet
für Pulheim bei einer derzeitigen Anzahl von ca. 2700 Kindern im Alter von 6 Monaten
– 5,5 Jahren, dass von einer Bearbeitung von 270-540 Vorgängen aus zu gehen ist.
Legt man einer Meldung eine Bearbeitungszeit von 3 Stunden zu Grunde (Hausbesuch,
Fahrtzeiten und ggf. Weiterleitung etc.) kann man von einem erforderlichen Stundenumfang zw. 810-1620 Std. pro Jahr ausgehen.
Die neue Aufgabe für die Jugendhilfe nach dem fachlichen Selbstverständnis wie das
Babywillkommenspaket dem Bereich der Frühen Hilfen im Jugendamt zugeordnet. Der
Ausbau der ambulanten Hilfen des Jugendamtes als ein Ziel im Rahmen des „Netzwerk
der Frühen Förderung“ wird somit weiter voran getrieben.
Mit Blick auf die im § 4 Abs. 3 der UTeilnahmeDatVO empfohlenen Zusammenarbeit
mit dem Gesundheitswesen, wird in Pulheim der Hausbesuch durch den Einsatz einer
Hebamme und einer Kinderkrankenschwester mit pädagogischer Zusatzqualifikation
(Familienhebamme, Kinderschutzfachkraft zum § 8a SGB VIII) durchgeführt.
Es konnte bereits eine Kinderkrankenschwester für diese Tätigkeit gewonnen werden.
Auch eine ortsansässige Familienhebamme hat Interesse signalisiert und wäre für diese Tätigkeit qualifiziert, so dass je nach Fallzahl der Bedarf voraussichtlich abgedeckt
werden kann. Eine Anbindung der Fachkräfte ist zunächst über Honorarverträge auf
der Grundlage der Leistungen nach den §§ 16 und 27 SGB VIII (Allgemeine Förderung
der Erziehung in der Familie und Hilfen zur Erziehung) vorgesehen.
Ein Überblick über die Arbeitsabläufe zur Umsetzung der Verordnung in Pulheim ist als
Anlage 2 beigefügt.
Aufgrund der beschriebenen Situation kann derzeit nur sehr ungenau eine Schätzung
des Fallaufkommens vorgenommen werden. Es liegen bisher landesweit noch keinerlei
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Erfahrungswerte in den Jugendämtern vor. Das Fachamt wird dem Ausschuss regelmäßig über die Entwicklung berichten und spätestens Ende 2010 eine erste Auswertung vorlegen.
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